Die Wiedergutmachung Nationalsozialistischen Unrechts in Schleswig-Holstein Dargestellt an Flensburger Fallbeispielen
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Die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in Schleswig-Holstein dargestellt an Flensburger Fallbeispielen Dissertation zur Erlangung der Würde eines Doktors der Philosophie im Seminar für Geschichte und ihre Didaktik der Universität Flensburg vorgelegt von Heiko Scharffenberg aus Tarp Flensburg 2000 1 1 Einleitung............................................................................................ 3 2 „… in großzügigster und elastischster Weise“ – Fürsorge nach britischen Vorgaben 1945-1948 ............................................. 13 2.1 Die Arbeit des Flensburger Sonderhilfsausschusses ......................... 16 2.2 Die Rolle des „Komitees ehemaliger politischer Gefangener“ bzw. der „Vereinigung der Verfolgten des Nationalsozialismus“................. 22 2.3 Zwischenbilanz: Die ‚friedliche‘ Phase ............................................... 24 3 „Kurskorrektur der kleinen Schritte“ - Wiedergutmachung nach Landesgesetzen 1948-1953 ............................................................. 25 3.1 Die Wiedergutmachungsgesetze in Schleswig-Holstein..................... 25 3.2 Die Arbeit des Sonderhilfsausschusses Flensburg in den Renten- und Haftentschädigungsverfahren............................................................................. 31 3.3 Die schleppende Bearbeitung der Verfahren im Innenministerium..... 37 3.4 Das Zerfallen der Verfolgtengruppe ................................................... 44 3.5 „Beziehungskrise“ - Verfolgte kontra Sonderhilfsausschuss .............. 49 3.6 Ursachenforschung: Wiedergutmachungsreferat kontra Finanzministerium .............................................................................. 53 3.7 Die medizinischen Gutachten............................................................. 59 3.8 Beschwerde - Klage - Berufung.......................................................... 71 3.8.1 Der Landes-Sonderhilfsausschuss.............................................................................72 3.8.2 Das Landesverwaltungsgericht Schleswig .................................................................75 3.8.3 Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg......................................................................78 3.8.4 Die Sonderkammer beim Oberversicherungsamt Schleswig.....................................80 3.9 Zwischenbilanz: ‚Der Sieg des Rotstiftes‘........................................... 81 4 Entschädigung durch die Bundesgesetze ab 1953 ....................... 87 4.1 Die Entwicklung des bundesdeutschen Entschädigungsrechts.......... 91 4.1.1 Das Bundesergänzungsgesetz 1953 .........................................................................91 4.1.2 Das Bundesentschädigungsgesetz 1956 ...................................................................94 4.1.3 Das BEG-Schlussgesetz 1965 ...................................................................................95 4.2 Das Landesentschädigungsamt Kiel .................................................. 96 4.2.1 Organisation und Arbeitsweise...................................................................................97 4.2.2 Die Antragsteller .......................................................................................................105 4.2.3 Zuerkennungs- und Ablehnungsquoten ...................................................................110 4.2.4 Das Entscheidungsverhalten des Landesentschädigungsamtes bei den verschiedenen Verfolgtengruppen ............................................................................113 4.2.5 Die Praxis des Landesentschädigungsamtes Kiel ...................................................123 4.3 Die Verfolgtenorganisationen ab 1953 ............................................. 131 4.4 Die medizinischen Gutachten ab 1953............................................. 134 4.4.1 Grundtendenzen in den medizinischen Gutachten ..................................................136 4.4.2 ‚Seelenmord‘ - Zur Entschädigung von psychischen Haftfolgen..............................140 4.5 Weg durch die juristischen Instanzen............................................... 143 4.5.1 Die Entschädigungskammern beim LG Kiel.............................................................144 4.5.2 Das Oberlandesgericht Schleswig und der Bundesgerichtshof ...............................157 5 Schlussbetrachtung....................................................................... 162 Abkürzungen .................................................................................................. 169 Quellen- und Literaturverzeichnis ................................................................ 170 2 1 Einleitung ‚Die Bundesrepublik Deutschland hat ebenso wie vor ihrer Gründung die Länder und Gemeinden die moralische und finanzielle Wiedergutmachung des vom NS-Regime verübten Unrechts als vorrangige Aufgabe behandelt. Sie war in Zusammenarbeit mit allen Beteiligten, insbesondere den Verfolgtenorgani- sationen, bestrebt, Wiedergutmachungsregelungen zu schaffen, die im Rahmen des finanziell Möglichen umfassend gestaltet und in einem angemessenen Zeitraum verwaltungsmäßig ausführbar sein sollten. Dies stellte Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung vor bislang unbekannte Aufgaben, zu deren Be- wältigung auf keine Vorbilder oder Erfahrungen zurückgegriffen werden konnte. Trotz dieser Schwierig- keiten ist ein Gesetzeswerk gelungen, das nahezu alle durch NS-Unrecht verursachten Schäden erfasst. […] Alle vom Gesetzgeber getroffenen Regelungen stehen zueinander in einem nach Grund und Umfang der Schädigung ausgewogenen Verhältnis. Die Wiedergutmachung kann insgesamt gesehen als eine his- torisch einzigartige Leistung angesehen werden, die auch die Anerkennung der Verfolgtenverbände im In- und Ausland gefunden hat.— 1 So heißt es in einem Bericht der Bundesregierung über die Wiedergut- machung und die Entschädigung nationalsozialistischen Unrechts sowie über die Situation der Sinti und Roma und verwandter Gruppen vom 31. Oktober 1986, den der Bundestag einige Monate zuvor in einer Entschließung gefordert hatte. Knapp zwei Jahre später erschien eine vom Hamburger Institut für Sozialforschung herausgegebene Studie von Christian Pross unter dem Titel ‚Wiedergutmachung. Der Kleinkrieg gegen die Opfer.— Darin resümiert Pross folgendermaßen: ‚Es ist für junge Zeitgenossen kaum mehr vorstellbar, in welchem Klima und gegen welche politi- schen Widerstände in den fünfziger Jahren die Wiedergutmachungsgesetze erkämpft worden sind. Die Auseinandersetzung, die die Vertreter der jüdischen Organisationen und die kleine Gruppe der Wieder- gutmachungsbefürworter mit der mit ehemaligen Nationalsozialisten durchsetzten bundesrepublikani- schen Bürokratie geführt haben, und die Tatsache, dass sie letzterer jede Gesetzesänderung zugunsten der Opfer mühsam abringen mussten, dass die Wiedergutmachung ein hart erkämpfter Kompromiss zwischen Opfern und Tätern war, das fällt […] unter den Tisch.— 2 An anderer Stelle heißt es: ‚Die Quintessenz der Entschädigung war nicht die Therapie und Heilung, sondern bestand darin, den Verfolgten in der Rolle des Leidenden, des Opfers festzuhalten und ihn in eine Rentenkategorie einzuordnen, den Dauerschaden zu bemessen. Zeigte er in irgendeiner Weise, dass er noch etwas am Leben genießen, dass er am Leben teilnehmen konnte, wurde ihm das mindernd angekreidet. Um eines Anspruchs auf Entschädigung würdig zu sein, musste der Betroffene völlig gebrochen sein, so gut wie kaum noch gehen oder stehen können.— 3 Die beiden zitierten Bewertungen der Wiedergutmachung durch die Bundesrepublik Deutschland wer- fen ein bezeichnendes Licht auf die Problematik dieses Themenkomplexes. Während die Bundesregie- rung als letztlich verantwortliche Durchführungsinstanz das Gesamtwerk Wiedergutmachung als durch- aus gelungen bezeichnet, kritisiert der vom Standpunkt der Opfer ausgehende Pross eine kleinliche und unmoralische Durchführung der Wiedergutmachung. Die Erkundung des Spannungsfeldes zwischen die- sen beiden Polen, die Suche nach einer sachlichen, der Objektivität angenäherten Sichtweise ist reizvoll. 1 Bericht der Bundesregierung über die Wiedergutmachung und Entschädigung für nationalsozialistisches Unrecht sowie über die Lage der Sinti und Roma und verwandter Gruppen, Deutscher Bundestag, Drucksache 10/6287, Bonn 1986. 2 Christian Pross: Wiedergutmachung. Der Kleinkrieg gegen die Opfer, Frankfurt a.M. 1988, S. 23. 3 Ebenda, S. 303. 3 Der Begriff ‚Wiedergutmachung— an sich ist hinlänglich kritisiert worden. 4 Der rassisch verfolgte Publizist Arie Goral, der sich zynisch als ‚wiedergutgemachter Jude— bezeichnete, erklärte den Wider- spruch des Wortes treffend: ‚Versucht man aber, die so genannte Wiedergutmachung mit Auschwitz, Treblinka, Majdanek, Warschauer Ghetto und den vielen anderen Vernichtungsstätten wie Riga und Wil- na, mit den Konzentrations- und Zwangsarbeiterlagern in einen noch nachvollziehbar menschenwürdig sinngebenden Bezug zu bringen, wird man früher oder später vor der Aussichtslosigkeit kapitulieren, mit noch einigermaßen intaktem Sprachgespür für Sinninhalte das eine mit dem anderen in Übereinstimmung zu bringen.— 5 œ In der Tat: Das Wort ‚Wiedergutmachung— war dem Sinne nach deplaziert, denn die Mil- lionen ermordete Menschen und die Millionen zerstörten Existenzen, die der Nationalsozialismus produ- ziert hatte, waren nicht ‚wiedergutzumachen—. Ein unermesslicher Schaden konnte nicht gerecht ‚wieder- gutgemacht— werden. Trotz dieser berechtigten Kritik an dem Begriff ist er ein fest verankerter und ge- bräuchlicher Terminus