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SEITE 4 Anti-Stigmakampagne «Open the doors»

SEITE 16 Kräfte bündeln für psychisch Kranke

SEITE 17 Wege aus der Einsamkeit

SEITE 18 Förderung Selbsthilfe

SEITE 26 Rostocker Focusgruppe

SEITE 75 Impressum und Abo Thomas Netzer

Lichtblick • Jahresheft 2000

Schutzgebühr: 15 DM Internet: www.lichtblick99.de 80 Lichtblick-Seiten, 72 695 Wörter, 87 Fotos ... EDITORIAL

Schrapps in „Jahre sind vergangen und Newsletter www.lichtblick99.de Lichtblicke nichts ist passiert!“ (Seite 32). Sie beschreibt Ihre Gefühle und Ihre Lage nach dem vier- Umstritten in Sicht ... ten Suizidversuch ihres Partners. Sie hat Rechtsanwälte beauftragt und gegen die Lehrstuhl „Wahnsinn“ Liebe Leserinnen und Leser, behandelnde Ärztin schwere Vorwürfe erho- an der FU Berlin ben: Keine Suizidprophylaxe, falsche da erscheint er doch noch, der neue Lichtblick. Medikation, keine Zusammenarbeit mit Was hat der Wahnsinn an der Universität Es sind 80 Seiten geworden. Und wir haben Angehörigen, Fehleinschätzung der Situation... verloren? Vor über 50 Jahren äusserte jetzt schon wieder genug Stoff für die näch- Jetzt sind auch noch die Krankenakten ver- Michel Foucault, sein grösster Wunsch ste Ausgabe. Sicherlich ist diese auch inhalt- schwunden! Im Bereich der Psychiatrie ist die sei es, den Lehrstuhl für Wahnsinn am lich „stark“ genug - ganz im Sinne der Nachweisführung mutmaßlicher Behandlungs- College de France zu belegen. Lebensweisheit von Ephraim Lessing: «Der fehler besonders schwierig. Dennoch hat ihr Diesen Wunsch wollte nun auch René Langsamste, der sein Ziel nur nicht aus den Handeln viele psychiatrisch Tätige wach- Talbot an der Freien Universität Berlin Augen verliert, geht immer noch geschwin- gerüttelt, nicht den Blick auf die Angehörigen verwirklichen, weniger allerdings, um der als der, der ohne Ziel herumirrt.» zu verlieren. Dazu empfehlen wir Dörners sich philosophisch mit Psychiatrie aus- Rede „Über Angehörige in der Psychiatrie“ einanderzusetzen als vielmehr den Thomas Greve, Psychiatrieerfahrener aus (Seite 6) und den Beitrag „Behandelt werden Lehrstuhl als eine Plattform zu benut- Rostock, sieht das ähnlich. Sein Beitrag nicht Diagnosen, sondern Menschen“ von zen, die herrschende Psychiatrie anzu- «Wege aus der Einsamkeit» (Seite 17) ist ein Thomas Bock (Seite 42). greifen. Über diese Frage gibt es z.Zt. eine Beispiel für alle, die sich nicht „einlullen“ las- heftige Auseinandersetzung zwischen sen, die sich aus ihrer Lethargie befreien - im Wer kennt sie noch nicht - die aktuelle der Lehrkommission des Institutes für Alleingang oder mit Unterstützung. Vereinbarung zur Förderung der Selbsthilfe? Philosophie an der FU Berlin und dem Wie die Selbsthilfe von den Krankenkassen Zugegeben: Es fällt vielen psychisch Kranken Landesverband der Psychiatrieerfahrenen. flankiert wird, steht in diesem Heft (Seite 18). schwer, im sogenannten «normalen Leben» „Weder können wir erkennen, dass es sich Auch wir werden für unseren Lichtblick eine Fuß zu fassen. Auch die Lebensplanung der um spezifisch philosophische Themen han- Förderung bei den Krankenkassen beantra- Angehörigen ist gefährdet. Nicht selten gelan- delt noch lassen die Themen erkennen, gen. Zur Zeit wird unsere Öffentlichkeitsar- gen Betroffene und Angehörige bis an die dass bei den Antragstellern besondere beit von anderen Stellen anteilig unterstützt. Armutsgrenze. Das muss sich ändern! (Siehe Qualifikationen vorliegen, die für einen Beitrag «Schizophrenie», Rückumschlag). Lehrstuhl verlangt werden“, heisst es in Besonders möchten wir uns beim Sozial- ministerium Mecklenburg-Vorpommern, bei einer vom Fachbereich verfassten Sie erfahren, dass es eine Anti-Stigmakampagne den Einzelspendern, wie Angehörigen, Begründung für die Ablehnung des gibt (Seite 4), dass die Möglichkeiten der Psychiatrieerfahrenen und Profis bedanken. Lehrauftrages. Gesetzlichen Krankenversicherung, sinnvol- Sie machten diese Printausgabe möglich. Keiner der Antragsteller habe einen aka- le medizinische Innovationen dem Patienten demischen Hochschulabschluss und zugänglich zu machen, erheblich verbessert Außerdem konnten wir zur Absicherung unse- erfülle daher schlicht die für einen Lehrstuhl werden müssen (Seite 12), weshalb der res Internetprojektes „Lichtblick-online“ die phar- erforderlichen Qualifikationen nicht, so der Bundesverband der Angehörigen psychisch mazeutischen Unternehmen Lilly Deutschland Direktor des philosophischen Instituts, Kranker (BApK) und die Lilly Deutschland GmbH und Janssen-Cilag GmbH für dieses Holms Tetens. ND GmbH eine Kooperationsvereinbarung abge- Jahr gewinnen. Beide vertreten die Ansicht, schlossen haben (Seite 14) und dass der dass sie als verantwortungsbewußte Unter- WHO zur Lage der Psychiatrie Lichtblick-newsletter alle zwei Wochen im nehmen auch verpflichtet sind, einen Beitrag Internet erscheint. Einige Artikel aus diesem zur Verbesserung der Lebensqualität der lb-news/epd/es: Die WHO-Generaldirektorin Rundbrief können Sie hier nachlesen. Bürger zu leisten. In unserem Fall konnten wir Gro Harlem Brundtland hat die psychi- Fördermittel für Technik, Software und Internet- schen Krankheiten zu einem Schwerpunkt Zudem versucht der Beitrag „Hilfe für die zugang einwerben. Damit verfügen wir nun über der Weltgesundheitsorganisation erklärt. Helfer: Lichtblick-online“ (Seite 45) zu ver- eine solide „Online-Basis“, um noch geziel- Nach Erkenntnissen der Organisation deutlichen, dass das Internet für bislang ter unsere Thematik verbreiten zu können. nehmen diese immer mehr zu. kaum beachtete Beiträge ermutigende Wege Lesen und urteilen Sie selbst - wir sind Ein hoher Prozentsatz der Bevölkerung der Informationsbeschaffung bietet. Dazu gespannt auf Ihr Echo! sei wenigstens einmal im Leben vorü- gehören auch die Themen Psychiatrie und Selbsthilfe. PS: Am 10. Oktober ist der Internationale Tag bergehend von einer psychischen Störung der Seelischen Gesundheit. betroffen. Studien aus Deutschland, Über die Stigmatisierung und Diffamierung Brasilien, USA und vier anderen Ländern Betroffener informiert Susanne Heim (Seite zeigten, dass etwa die Hälfte aller Kranken 67). Sie behauptet: die stigmatisierende keine ärztliche Hilfe suche. Als Gründe dafür Geringschätzung psychisch Kranker und die gibt die WHO die Angst vor Stigmatisierung Diffamierung ihrer Angehörigen gehe von an, und dass diesen Krankheiten viel der Psychiatrie selbst aus. „Beispiele dafür weniger Beachtung geschenkt werde finden sich zuhauf: nicht nur im Erleben als somatischen Leiden. gekränkter Patienten und Angehöriger, son- Außerdem kritisiert die WHO die Konzen- dern in einschlägigen wissenschaftlichen tration der Hilfeangebote in grossen Abhandlungen, Fach- und Lehrbüchern.“ Kliniken, was wenig effektiv und oft sogar Roland Hartig, Redaktion Lichtblick Ein mit vielen Beispielen wohl durchdachter schädlich sei. Beitrag. Zur Wehr setzt sich auch Winni [email protected] ¥ www.lichtblick99.de

2 Lichtblick • Jahresheft 2000 INHALT

Zum Titelbild... ein Bild malen, ein Buch lesen - in dieser Zeich- nung stecken viele Anregungen. Es ist eine Auf diesem Fleckchen eine Pause einlegen - Landschaft, in der man nicht nur abschalten, wer möchte das nicht? Das einzige, was hier den Terminkalender, den Streß im Autostau, den vielleicht noch an Arbeit erinnert, ist der pro- Motorenlärm und den anderen Ballast verges- duzierte Strandkorb. Ein Hinweis auf die zer- sen, sondern vielleicht auch neue Antworten mürbende Zeit, in der wir leben. Denn die beruf- auf die Schnellebigkeit unserer Zeit finden kann. liche Hetzjagt, die Angst vor dem Morgen oder Wer die Natur regelmäßig sinnvoll nutzt, spart die Suche nach Arbeit machen Streß. Wer die sich vielleicht später das Krankenhaus. Dieses Raserei der hektischen Zeit nicht durchhält, lei- Rezept „Natur“ ist aber genauso wichtig für det, kann daran erkranken, durch einen „Sekun- Menschen, die an einer Krankheit leiden oder denschlaf“ sein Leben, seine Gesundheit und behindert sind. Entspannung, Ruhe und Erho- das Leben anderer Menschen gefährden. lung werden auch bei ihnen nötig, wenn die Wenn z.B. unsere Seele aus dem Ruder läuft, Kraftreserven verbraucht sind. wir nach einem Rezept fragen, müssen wir also Die Weltgesundheitsorganisation bezeichnet kürzer treten. Um sich von den Spannungen Gesundheit als einen «Zustand des völligen kör- des Alltages zu lösen, lohnt auch ein Blick auf perlichen, seelischen und sozialen Wohlbefin- dieses Titelbild von Thomas Netzer. Er hat als dens». Aber diese drei wichtigen Aspekte kann Psychiatrieerfahrener etwas gezeichnet, das ein Mensch kaum noch selbst steuern - Die man getrost „einen Ort der Gesundheit“ nen- sogenannte „Zivilisationsgesellschaft“ hat ihren nen kann. Von hier aus in die reizvolle Umge- Preis. Sie begrenzt oder fördert unser Wohlbe- bung wandern, um die Wunder der Natur zu finden! erleben, oder einfach im Strandkorb liegen, oder Nehmen wir darauf Einfluß! Ulrike Schob Aus dem Inhalt Anti-Stigmakampagne ...... 4 Der aktuelle Bücher-Tipp ...... 40 Über Angehörige in der Psychiatrie (Dörner) ...... 6 Behandelt werden nicht Diagnosen, sondern Menschen ...... 42 Berliner Empfehlungen ...... 13 Hilfe für die Helfer: Lichtblick-online ...... 45 Ecstasy-Folgeschäden befürchtet ...... 15 DDR-Psychiater kooperierten mit der Stasi ...... 46 Kräfte bündeln für psychisch Kranke ...... 16 Die kreative Seite ...... 47 Wege aus der Einsamkeit ...... 17 Ausflug durch den Wahnsinn ...... 48 Förderung Selbsthilfe (Krankenkassen) ...... 18 Zecken können schwere Erkrankungen auslösen ...... 53 Gefährdung der ambulanten Psychose als Traum nach einer erhofften Welt ...... 55 psychiatrischen Versorgung ...... 23 Alternativen zur Betreuung ...... 56 Universität Leipzig: Memo für Rostocker Focusgruppe 26 Bundesverdienstkreuz für Professor Klaus Dörner ...... 58 Motzener Thesen zur Psychiatriereform ...... 27 Erinnerung an grausame Vernichtung vor 60 Jahren ...... 60 Ohne Absicht therapeutisch: Psychoseseminar ...... 28 Psychisch Kranke im Spiegel der öffentlichen Meinung ...... 61 Tagebuchnotizen zum EUFAMI-Kongress ...... 30 Geschichte der psychiatrischen Behandlungsverfahren ...... 70 Jahre sind vergangen und nichts ist passiert ...... 32 Jenaer Klinikchefin soll ÇEuthanasieÈ-Programm Auszüge aus dem „Tagebuch eines Erziehers“ ...... 34 der Nazis unterstützt haben ...... 74 Kinder und Jugendpsychiatrie (ESCAP-Kongress) ...... 36 Impressum und Abo ...... 75

„Leitfaden der Sozialhilfe von A bis Z“ Am frühen Morgen Sozialhilfeleistungen sind für zahlreiche Bürgerinnen und Bürger eine unentbehrli- Suchend, wo die Amsel sang, che Hilfe in einer Notlage. Da aber diese Leistungen nicht „von Amts wegen“ bewil- ging ich unter Bäumen lang. ligt werden, ist es oft nötig, seine Ansprüche zu kennen und in geeigneter Form Immer hab ich hoch geschaut gegenüber den zuständigen Behörden durchzusetzen. Der „Leitfaden der Sozial- mal klang´s leiser und dann laut. hilfe von A bis Z“ (Ausgabe 7/1999: 208 Seiten, 8,00 DM im Voraus, Briefmarken oder Verrechnungsscheck) hilft insoweit mit leicht verständlichen Informationen ziel- Horchend folgte ich den Klang, gerichtet weiter. Am Buchende findet sich im Übrigen eine Adressenliste von Sozial- ging am Schulgebäude lang. hilfeinitiativen und Beratungsstellen „vor Ort“. Der Leitfaden, der jedes Jahr im Sep- Schließlich hab ich sie erblickt tember/Oktober eine verbesserte Neuauflage erfährt, kann auch abonniert werden. und es hat mich sehr beglückt, Abonnement heißt: Der Abonnent bekommt den Leitfaden unaufgefordert gegen dass sie trotzdem weitersang. Rechnung in der von ihm gewünschten Anzahl zugeschickt. Ansprechpartner ist die Für den schönen Morgen Dank! AG TuWas an der Fachhochschule Frankfurt, Kleiststraße 12, 60318 Frankfurt; Fax: Ingrid Kliß 069/1533-2633. Internet: www.fbp.fh-frankfurt.de/~agtuwas/index.htm

Lichtblick • Jahresheft 2000 3 ANTI-STIGMAKAMPAGNE

Newsletter www.lichtblick99.de Radio- und Fernsehspots in Kanada Kanada ist das erste Land, in dem das Pro- lichkeit durch Radio- und Fernsehspots Info-Kampagne gramm zur Antistigma-Kampagne Schizo- informiert. Erste Ergebnisse liegen vor: Ein- gegen Ausgrenzung phrenie „Open the doors“ erprobt wurde. deutig ergab sich ein besserer Wissensstand Schizophrener Fast zwei Jahre liefen Projekte zur Auf- und weniger Vorurteile der Bevölkerung klärung spezieller Bevölkerungsteile, wie gegenüber der Krankheit Schizophrenie. In Psychiater aus Kanada, Spanien und Journalisten, Professionelle aus dem den Schulen klärten Betroffene, Angehöri- Österreich stellten erste Ergebnisse der Gesundheitswesen, Geschäftsleute, Schüler ge und Ärzte die Schüler über diese Krank- Antistigma-Kampagne „SCHIZO- und Studenten. Zusätzlich wurde die Öffent- heit Schizophrenie und ihre Mythen auf. lsm PHRENIA - OPEN THE DOORS“ auf dem XI. Weltkongress der Psychiatrie in Hamburg (1999) vor. Das WHO-Pro- Unkenntnis: Nährboden für Vorurteile gramm zur Bekämpfung von Stigma und Diskriminierung im Zusammenhang Leipzig: Verein für Öffentlichkeitsarbeit in der Psychiatrie gegründet mit Schizophrenie ist das erste seiner Am 3. April haben Psychiater, Soziologen, stellung psychisch Krankheit in den Medi- Art in der Welt. Hugh Schulze, Vice-Prä- Angehörige, Betroffene, Bürgerhelfer, Poli- en und wie stark das dort vermittelte Bild sident von Closer Look Creative, erklär- tiker und Journalisten in Leipzig einen Ver- von psychisch Kranken in der Bevölkerung te: „Wir haben festgestellt, dass wir bei ein für Öffentlichkeitsarbeit in der Psychia- wirkt. Noch immer werden psychisch Kran- unseren Bemühungen, das Verhalten trie gegründet. Gründungsmitglieder des ke abgestempelt und von der Gesellschaft gegenüber psychischen Erkrankungen Vereins „Irrsinnig menschlich e.V.“ sind u.a. nicht ernst genommen. Die Medien tragen zu verändern, Neuland betreten haben, Marion Beck (Betroffene), Sabine Leut- daher eine große Verantwortung für die obwohl es bereits eine Reihe von natio- heusser-Schnarrenberger (MdB/FDP) und öffentliche Meinung. Umgekehrt sind sie nalen Initiativen gibt.“ Professor Dr. med. C. Angermeyer (Uni- aber auch auf zuverlässige und fachlich fun- Prof. Harold Visotsky von der Northwe- versität Leipzig). dierte Informationen von Betroffenen, stern University beschreibt die Auswir- Die Arbeit des Vereins ordnet sich ein in die Angehörigen und Professionellen ange- kungen so: „Für den Einzelnen stellen 1996 vom Weltverband Psychiatrie gestar- wiesen. „Irrsinnig menschlich e.V.“ will die Mythen und Mißverständnisse, die tete Kampagne „Open the Doors“, eine Begegnungen von Medienvertretern för- sich um die Krankheit ranken, ein Initiative gegen Stigmatisierung und Aus- dern. So wird es an Leipziger Schulen eine wesentliches Hindernis für eine ange- grenzung psychisch kranker Menschen, Projektwoche zum Thema „Irrsinnig messene Therapie dar. Viele Leute wis- insbesondere an Schizophrenie Erkrankter. menschlich - psychische Krankheit“ geben. sen nicht, dass man Schizophrenie In der Bundesrepublik leiden etwa 600 000 „In einigen Jahren“, so Pressesprecherin behandeln kann. Unser Programm Menschen an dieser schweren psychischen Dr. Manuela Richter-Werling, „wird das The- umfaßt Information und Verhaltensän- Krankheit; einer von 100 Deutschen durch- ma selbstverständlicher Bestandteil des derung, wohl wissend, dass Stigma und lebt mindestens einmal in seinem Leben Schullehrplans sein“. Diskriminierung von Land zu Land unter- eine schizophrene Psychose. schiedlich sind.“ Für den Verein stark gemacht haben sich Verein für Öffentlichkeitsarbeit insbesondere Prof. Matthias C. Angermeyer, in der Psychiatrie Die Infokampagne wurde von Psychia- Direktor der Klinik und Poliklinik für Psy- tern und Vertretern von Selbsthilfeinitia- Dr. Manuela Richter-Werling chiatrie des Universitätsklinikums Leipzig Klinik und Poliklinik für Psychiatrie tiven aus mehr als 20 Ländern vorbe- und Beate Schulze, Soziologin. Beide Johannisalle 20 reitet. In Ägypten, Deutschland, Indien haben schizophren Erkrankten und ihre D-04103 Leipzig und Italien läuft sie gerade an. Angehörigen zu konkreten Stigmatisie- Tel. 0341-222 899-0 Schizophrenie ist eine Krankheit, die rungserfahrungen befragt. Fast alle Befrag- Fax 0341-222 899-2 [email protected] meist im zweiten und dritten Lebens- ten beklagen sich über die negative Dar- jahrzehnt auftritt. Sie verläuft in Schü- ben und ist gut behandelbar. Patien- Buch-Tipp «Psychose und Stigma» ten mit schizophrenen Störungen leiden unter einer Beeinträchtigung der Denk- Dieses Buch hilft, Diffamierungen, Vorurteile und Schuldzu- und Gefühlsprozesse. Sie können weisungen bewältigen zu lernen. Es setzt auf Aufklärung von Umweltreize, die auf sie einfluten, nicht Kranken und Angehörigen über die Stigmatisierung und deren „auswerten“, Wichtiges nicht von Folgen für ihr Selbstwertgefühl. Es zeigt, dass ihnen Unrecht geschieht. Es erklärt, wie Stigma zustande kommt, wie es unab- Unwichtigem trennen. Dadurch haben hängig von einzelnen Betroffenen wirkt, wie aber jeder sich kon- sie Probleme bei ihrer Lebensplanung, kret damit auseinandersetzen kann. aber auch im Umgang mit ihren Auch setzt sich Asmus Finzen mit den in Deutschland entste- Gefühlen. Dazu können noch Wahn- henden «Anti-Stigma-Kampagnen» auseinander, die von der ideen und Halluzinationen kommen. Die WHO, psychiatrischen Fachgesellschaften und einzelnen Phar- Behandlung folgt heute aus einer Kom- mafirmen unterstützt werden. Dieser Ratschlag ist eine Neu- bination von Psychopharmako-, Psy- bearbeitung des 1996 erschienenen Buches «Der Verwaltungsrat ist schizophren». cho- und Soziotherapie. lsm/rh Psychiatrie-Verlag, ab Herbst 2000 www.openthedoors.com ISBN 3-88414-254-2, ca. 200 Seiten, 24,80 DM (23 sFr / 181 öS)

4 Lichtblick • Jahresheft 2000 ANTI-STIGMAKAMPAGNE

Aktionskreis Psychiatrie Newsletter www.lichtblick99.de Für eine Versorgung psychisch Kranker gemäß medizinischem Fortschritt Nachrichtenaufklärung Tagtäglich gibt es Themen, die die «Im Vergleich zu anderen europäischen Län- Bislang gebe es keine Gegenüberstellung Medienhäuser entweder vernachlässi- dern und den USA bildet Deutschland in der von direkten Behandlungskosten (ambu- gen oder nicht kennen, oder in der Versorgung psychisch Kranker das Schluss- lante und stationäre Versorgung) und indi- Öffentlichkeit nicht die Beachtung fin- licht. Auch wenn seit der Enquête vor nahe- rekten Folgekosten, wie Aufenthalt in Pfle- den, die sie verdienen. Die Initiative zu 25 Jahren viel erreicht wurde, so wird geheimen, Kosten für häusliche Pflege, Früh- Nachrichtenaufklärung ist seit 1997 da- durch die restriktive Budgetpolitik die Mehr- berentung und Ausfall der Produktivität etc. bei, solche Nachrichten und Beiträge zu zahl der Patienten derzeit nicht nach dem Erfahrungen würden belegen, dass die entdecken und publik zu machen. neuesten Therapiestand behandelt.» durch Forschung bedingt höheren Kosten Die Aktion geht auf ein Studienprojekt der Neuroleptika letztendlich - aufgrund der Universität Siegen zurück. Dort erfor- So das Fazit eines politischen Rundtisch- ihrer therapeutischen Wirksamkeit - zu schen Medienwissenschaftler, Sozio- gespräches zur aktuellen Versorgungslage geringeren Gesamtkosten führen. logen und Zeitungsmacher, welche Bei- in der Psychiatrie, das auf Initiative des träge untergehen. „Aktionskreises Psychiatrie“, einem Zusam- menschluss von namhaften Psychiatern, in Vorurteile abbauen www.nachrichtenaufklaerung.de der Parlamentarischen Gesellschaft in Ber- Die Fachärzte und Politiker stimmten brei- lin stattfand. An der Diskussionsrunde nah- ten Initiativen zu, die Vorbehalte, Vorurtei- EUFAMI-Deklaration men Fachärzte, gesundheitspolitische Ver- le und Berührungsängste gegenüber psy- treter aller Parteien und Medienvertreter teil. verabschiedet chiatrischen Krankheiten abbauen helfen. „Nur durch eine Zusammenarbeit aller Ver- „Die Gesundheitserziehung in Deutschland „Die Rechte der fast vier Millionen psy- antwortlichen und unter Mithilfe der Medien weist in bezug auf psychische Erkrankun- chisch kranken Menschen in Europa können wir mittel- bis langfristig eine bes- gen erhebliche Defizite auf. Die Aufklärung müssen besser geschützt, ihre Bedürf- sere Versorgung psychisch Erkrankter errei- muss also da beginnen, wo das Bewus- nisse erfüllt werden. Für das neue Jahr- chen“, so Prof. Dr. Hanns Hippius, Mitbe- stsein entsteht - in den Schulen“, so Prof. tausend fordern wir eine verstärkte Zu- gründer des Aktionskreises. Heinz Häfner, Mitglied im Aktionskreis. sammenarbeit zwischen Angehörigen Hauptaugenmerk richtet die Initiative auf Der Aktionskreis Psychiatrie will sich nun und Ärzten sowie den breiten Zugang die Öffentlichkeitsarbeit, insbesondere zu dafür einsetzen, Aufklärungskampagnen an zu bestmöglichen Therapieangeboten Fragen der Behandlung und Versorgung für alle Patienten“, betonte Ursula Brand, Schulen mit voranzutreiben. In Deutschland von Menschen mit Suchterkrankungen, Vorstandsmitglied im deutschen Bun- muss auf Länderebene angesetzt werden, psychiatrischen Alterskrankheiten und Schi- desverband der Angehörigen psychisch wie die Parteiabgeordneten bestätigten. zophrenien. Gerade letztere sind aufgrund Kranker (BApK) und EUFAMI-Abgeord- Dies tut auch not, denn bis heute sind psy- Häufigkeit und Schwere ihres chronischen nete, in Stockholm. chisch Kranke stigmatisiert. Verlaufs, des frühen Erkrankungsbeginns Auf dem III. Kongress der Europäischen So haben die Betroffenen und ihre Ange- und der damit einhergehenden hohen volks- Föderation von Organisationen der hörigen nicht nur mit der Erkrankung zu wirtschaftlichen Kosten mit Volkskrankhei- Angehörigen psychisch Kranker (EUFA- kämpfen. Sie leiden darüber hinaus unter ten wie Diabetes und Herz-Kreislauf-Störun- MI) verabschiedeten Angehörige aus den Isolation, Diskriminierung und Herabset- gen vergleichbar. 15 Mitgliedsstaaten die «Stockholm zung. Dies hat wiederum Folgen auf die Deklaration 2000». Gefordert werden die Psyche und das soziale Verhalten der Etablierung eines höheren Therapie- Verwehrte Medizin Betroffenen und ihrer Familien und führt standards in Europa mit vielfältigen, indi- nicht selten zum Verlust sozialer und gege- Die Experten setzen auf die Integrations- viduell auf die Bedürfnisse des einzel- benenfalls auch familiärer Akzeptanz. Das nen Patienten zugeschnittenen Ange- versorgung. Dazu gehöre auch das Ange- psychische Leiden wird nach außen ver- boten. bot von Soziotherapie, Psychotherapie und schwiegen, tabuisiert. Fehlbeurteilungen Auf dem größten Kongress seiner Art Pharmakotherapie sowie die Kooperation seitens der Gesellschaft tun ihr übriges. trafen sich Angehörige und Experten der zwischen Klinikern, niedergelassenen Ärz- Experten gehen davon aus, dass die Haupt- unterschiedlichsten, an der Behandlung ten, Fach- und Hausärzten. Die Realität sieht ursache für die Stigmatisierung psychisch und Rehabilitation psychisch Kranker leider anders aus, wie Prof. Jürgen Fritze Kranker in einem mangelnden Wissen beteiligten Berufsgruppen zum Erfah- erläuterte: „Innovationen haben es in den begründet liegt. Das Bild der „geschlosse- rungsaustausch. So war die schwierige USA viel leichter. Dort sind die atypischen nen Anstalt“ geistert in noch zu vielen Köp- Situation von Kindern psychisch kran- Neuroleptika die «first-choice-drugs». In fen und weckt falsche Assoziationen wie ker Eltern ein Schwerpunkt. Verschie- Deutschland dagegen bleiben diese neuen, beispielsweise: „Diese Menschen sind dene Initiativen, z.B. aus Schweden, den nebenwirkungsarmen Medikamente etwa gefährlich und unberechenbar.“ Niederlanden oder Finnland, die diesen 80 Prozent der Patienten verwehrt - aus Durch eine weltweit angelegte Anti-Stigma- „vergessenen Kindern“ die nötige Unter- Kostengründen.“ Damit werde ihnen die Kampagne erhoffen sich die Experten einen stützung bieten, wurden vorgestellt. bestmögliche Medikation und somit ein allmählichen Einstellungswandel gegenü- EUFAMI fordert alle Politiker, professio- bedeutender therapeutischer Fortschritt vor- ber psychisch Kranken - so wie es seit eini- nelle und nichtprofessionelle Helfer auf, enthalten. Doch dieser würde die Rezidiv- gen Jahren bei den Krankheiten Krebs und gemeinsam die nächsten Schritte zu und Rehospitalisierungsraten deutlich sen- AIDS zu beobachten ist. gehen. Weitere Infos Seite 31/32 ken und die Chance auf Reintegration des www.eufami.org Patienten in die Gesellschaft verbessern. D. Meissner und B. Mattka

Lichtblick • Jahresheft 2000 5 DER REDE WERT

Newsletter www.lichtblick99.de Der Rede wert: Über Angehörige in der Psychiatrie Rede von K. Dörner / Nach einer Aufzeichnung des Senders Südwestdeutscher Rundfunk Lebensqualität Aufgeschrieben von Linde Schmitz-Moormann „Die Lebensqualität des psychisch kran- ken Patienten - eine gesundheitsöko- Der Psychiater Professor Dr. Dr. Klaus Dörner hielt diese Rede in der Universitätsklinik nomische und gesundheitspolitische Tübingen. Sie wurde vom Südwestdeutschen Rundfunk in der Sendereihe „Der Rede wert“ Herausforderung und Verantwortung“ - übertragen. Darin vertritt er die Auffassung, dass primär das soziale Umfeld und nicht so hieß das Thema einer Weiterbildung der psychisch Kranke verändert werden müsse. für Psychiater in Haselünne (Nieder- Um dies zu erreichen und darüber hinaus auch die Angehörigen nicht mit ihrer Bela- sachsen). stung allein zu lassen, forderte er alle Profis in psychosozialen Arbeitsfeldern auf, verstärkt mit Angehörigen zusammenzuarbeiten. Es komme für den Patienten entscheidend auf das Professor Dr. D. Naber, Universitätsklinik Netz der Familie an, die selbst erst lernen müsse, die Belastungen zu bewältigen. Hamburg-Eppendorf, erklärte vor 120 Prof. Dörner war ltd. Arzt der Westfälischen Klinik für Psychiatrie in Gütersloh und ist Autor Ärzten: „In den letzten Jahren gab es der Kultbuchs „Irren ist menschlich“, das in mehrere Sprachen übersetzt wurde. Sein Buch weltweit 20 Forschungsarbeiten zu die- „Freispruch der Familie” ist Grundlagen-Literatur der Angehörigenbewegung, bedeut- sem Thema. Die Schizophrenie liegt mit sam für Profis wie für Angehörige, so Heinz Deger-Erlenmaier in seinem Geleitwort. 12 Millionen erkrankter Menschen welt- weit in der Häufigkeit aller Krankheiten Zu sprechen habe ich über Familien, in denen tion eines Menschen in Symptomen äussert auf dem 9. Platz (1. Depressionen) und ein Mitglied längerfristig oder dauerhaft psy- und wie er versucht, Schutz- und Abwehr- ist damit keine seltene Krankheit. 10 bis chisch gestört ist. Mit diesem Begriff habe strategien zu entwickeln. Wir wissen heute 15 Prozent der Erkrankten sterben an Sui- ich Probleme: Wenn jemand wahnhaft, einigermassen gesichert, dass ein Drittel der zid.“ Naber zitierte eine Umfrage, für wie manisch-depressiv, längerfristig oder viel- Betroffenen nach zwei oder drei psychia- wichtig Medikamente in der Therapie leicht sogar lebenslang psychisch gestört ist, trischen Episoden ihr Leben weiterleben Schizophrener gehalten wird. weiss man nie genau, wie man das benen- können wir bisher. Angehörige schreiben ihnen die höchste nen soll. Sagen kann man auch chronisch Auch das zweite Drittel lebt irgendwie wei- Wichtigkeit zu, gefolgt von Patienten. krank. Nur findet sich der Betroffene und sei- ter, aber mit Narben und Einschränkungen Erst an dritter Stelle finden sich profes- ne Angehörigen darin nicht so recht wieder. im privaten oder beruflichen Bereich, häu- sionellen Helfer. Die Kosten der Medi- Eigentlich erwartet man die Anwendung des fig als Einzelgänger. kamente machen in Deutschland 5,8 Pro- Begriffs „behindert“, zumal er vom Bundes- Vom letzten Drittel hat man bis vor kurzem zent der Gesamtkosten der Behandlung sozialhilfegesetz so vorgeschrieben ist. geglaubt, sie würden lebenslang eine insti- aus, (England: vier Prozent; Niederlan- tutionelle Stütze brauchen, z.B. ein Heim oder de: ein Prozent). Landeskrankenhaus. Heute kann man sagen, Gestört, krank, behindert? dass dies nicht mehr stimmt. In den USA erhalten 60 Prozent der schi- In Gütersloh haben wir in den letzten Jahren zophren Erkrankten atypische Neuro- Nach diesem Gesetz kann man in drei Rich- von 400 dieser Langzeitpatienten mit einem leptika, in England 11 und in Deutsch- tungen behindert sei: körperlich, geistig und Durchschnittsaufenthalt im Krankenhaus von land 9. In Deutschland stehen dem nie- psychisch, aber irgendwie finden die psy- zehn Jahren die Hälfte nicht in Heime, son- dergelassenen Nervenarzt pro Tag und chisch Gestörten da keinen rechten Anschluß. dern fast ausnahmslos in Wohnungen ent- Patient 70 Pfennig aus seinem Medika- Ob sie in der Gemeinde der Behinderten nicht lassen. Weniger in Wohngruppen - ganz ent- menten-Budget zur Verfügung. 80 bis 90 gerne aufgenommen werden, so wie das in gegen unserer ursprünglichen Ideologie - Prozent der aus Kliniken entlassenen Werkstätten für Behinderte lange gegolten sondern überwiegend allein oder zu zweit. Patienten sind auf atypische Medika- hat, kann ich nicht sagen. Es ist auch gelungen, den größeren Teil in mente eingestellt. Auch die Betroffenen selbst sträuben sich entweder vollzeitliche oder teilzeitliche Wie die Diskussion zeigte, ist es aber gegen den Begriff „Behinderung“ und wol- Arbeitsplätze zu vermitteln, die wir zuvor auf- dem Arzt unmöglich, aus seinem schma- len ihn nicht auf sich angewendet wissen. gebaut haben. len Budget atypische Medikamente zu Wenn man sich in jemanden hineinversetzt, Zu den längerfristig psychisch Gestörten verschreiben. Seit der Psychiatrie Enque- der das Schicksal einer psychischen Erkran- gehören nicht nur schizophrene Menschen, sondern auch dauerhaft oder längerfristig te wurden 2/3 aller Krankenhausbetten kung erfahren hat, kann man diesen Wider- manisch-depressive, abhängige, sucht- aufgelöst. Die Zahl der Nervenärzte und stand verstehen. So kommt man schon rein kranke, persönlichkeits- und verhaltensge- Psychiater habe sich aber verdreifacht. begrifflich in Schwierigkeiten. störte Menschen, ebenso gerontopsychia- Dies könnte ein Grund dafür sein, war- Wenn ich mich nicht verspreche, werde ich meistens von gestörten Menschen sprechen trische und ein Teil der geistig Behinder- um die wirtschaftlichen Situation der Ärz- oder von psychischen Störungen. Der Begriff ten. Soweit die Begriffsklärung, jetzt zu den te so schwierig sei. der psychischen Störung hat den Vorteil, dass Angehörigen. In der Diskussion mit kassenärztlichen die Störung eines Menschen, aber auch die Vereinigungen, Krankenkassen, Verbän- anderer Menschen, ebenso eine Störung für den der forschenden Arzneimittelindu- andere Menschen sein kann. So ist er zumin- Angehörigengruppen strie, Parteien und Angehörigen wurde dest wechselwirksam, wenn auch nicht deutlich, dass eine Herausnahme der besonders weiterhelfend. In der Bundesrepublik gibt es derzeit etwa atypischen Medikamente aus dem Bud- Wenn man sich um Begriffsklärung psychi- 400 Angehörigengruppen, die von Profis get z.Z. der einzige Weg sei, um aus dem scher Störungen und deren Auffälligkeiten gesteuert sind, sich also in Krankenhäusern Desaster herauszukommen. Es wäre im bemüht, rettet man sich am besten in psy- von Stationen aus gebildet haben und etwa Interesse der Patienten. lsm choanalytische Hilfsbegriffe. Diese erklären, 350 Angehörigenselbsthilfegruppen. Diese wie sich die unerträglich gewordene Situa- Selbsthilfegruppen haben sich inzwischen

6 Lichtblick • Jahresheft 2000 DER REDE WERT als Bundesverband zusammengeschlossen. Seit ich Psychiatrie mache, lese ich immer In anderen Ländern vollzog sich dies schon neidvoll von neuen theoretischen Konstruk- Newsletter www.lichtblick99.de früher. Heute sind die Landesverbände eine ten in der Psychiatrie oder den psychoso- nicht zu unterschätzende politische Kraft. Bei zialen Wissenschaften. Sie klingen alle plau- Dramatische Jahre der Frage der Verteilung von Mitteln und dem sibel, ob es nun Interaktionstheorien, Kom- Problem, wie denn die Psychiatriereform fort- munikationstheorien, familientheratpeuti- In den skandinavischen Ländern haben geführt werden soll, ist natürlich die Stimme sche Ansätze, systemische oder ökologi- 32 Seiten aus dem Buch der General- der Angehörigen authentischer und glaub- sche Theorien oder was auch immer sind. sekretärin der WHO, Gro Harlem Brund- würdiger als die Stimme eines Profiverban- Wie bekommt man sie aber in die Alltags- landt, mit dem Titel „Dramatische Jah- des, der immer zugleich ein Verband mit realität der familientherapeutischen Versor- re“ Furore gemacht. Sie schildert dar- beruflichen Eigeninteressen ist. gung hinein? in die manisch-depressive Psychose ihres Sohnes und seinen Suizid. Wie ergeht es der Familie? Festgefahrenes verändern Sie selbst, Kinderärztin und spätere Ministerpräsidentin in Norwegen, schreibt: „Niemand klärte uns über die Wie bin ich überhaupt auf die Idee gekom- Gerade die Arbeit mit Angehörigen ist ein verschiedenen Ausdrucksformen die- men, mich mit diesem Thema zu beschäf- ganz hervorragendes Mittel, festgefahrene ser Krankheit auf, über Möglichkeiten, tigen? Einmal ist mir der Blick auf die Beziehungen zwischen Menschen zu verän- sich Wissen darüber anzueignen und Angehörigen bei meiner Tätigkeit in einer dern. Auch lässt sich diese Arbeit in der Pra- Tagesklinik Ende der 70er Jahre ein unab- xis gut realisieren. Um es polemisch zu sagen: über das hohe Suizidrisiko in depressi- weisbares Bedürfnis geworden. Wenn man in einer psychiatrischen Institu- ven Phasen einer manisch-depressiven Wenn man die Leute abends und am tion arbeitet, sei es die Station einer Klinik, Psychose“. Wochenende nach Hause schickt, muss die ein Heim, eine Tagesstätte oder die Insti- Dem Gesundheitswesen wirft sie vor, zu Fähigkeit zum Phantasieren der Lebenswelt tutsambulanz, wäre es ein Kunstfehler, nicht langsam und schwerfällig neue Psy- des jeweiligen Patienten wesentlich stärker mit einer Angehörigengruppe zu arbeiten. chopharmaka einzuführen, mit denen und besser ausgeprägt sein als auf einer Sta- So gut man ansonsten auch sein mag, man die Leiden und das Suizidrisiko psy- tion. Man ist existentieller darauf angewie- würde von einem Fehler in den anderen tau- chisch Kranker vermindert werden sen zu wissen, in welches Umfeld man sie meln. Wenn Familien zum ersten Mal eine könnten. „Ich bereue, dass ich nicht entlässt und wie es der Familie dabei ergeht. Einladung erhalten, seien es Ehepartner, noch aktiver mit anderen Angehörigen Deswegen haben wir uns eines Tages gesagt: Geschwister oder Eltern eines psychiatri- gesprochen und mehr Bücher zum The- machen wir eine Angehörigengruppe, bieten schen Patienten, man möge Mittwoch um ma gelesen habe“, sagt Brundlandt. „Ich wir den Angehörigen unserer Patienten regel- 18.00 Uhr in den und den Raum kommen, hätte mehr meinem natürlichen Mut- mäßig einmal die Woche an, sich in einer dort würde man mit anderen Leidensgenos- terinstinkt folgen und mich stärker ein- Gruppe auszusprechen. Das war dann der sen zusammentreffen, löst das natürlich bei mischen sollen.“ lsm Beginn unserer Angehörigenarbeit. Menschen, die das noch nie erfahren haben, Ein anderer Zugang war, dass ich neben- zunächst Befremden und Verwirrung aus. Es amtlich jahrzehntelang im Gesundheitsamt ist auch durchaus nicht so, dass alle auf den SUIZID - das Trauma gearbeitet habe. In diesem Rahmen hat man ersten Impuls hin kommen. der Hinterbliebenen wiederum andere Gelegenheiten, die bru- Ich sage immer: wer Erfahrungen mit Grup- Jedes Jahr bringen sich in Deutschland tale Realität der Lebensweit und die Bezüge penarbeit sammeln möchte, sollte am besten mehr Menschen um als es Verkehrs- zwischen den Familienmitgliedern zu sehen, eine Angehörigengruppe machen, weil es die opfer gibt. Alle halbe Stunde geschieht als es vom Krankenhaus aus der Fall ist. einfachste Form des Lernens ist. Irgendeiner ein Suizid, alle zweieinhalb Minuten wird beginnt von sich zu erzählen, von Sohn, Toch- einer versucht. Für suizidgefährdete NS-Psychiatrie zerstörte ter, Ehepartner und von seinem Leidensweg. Menschen gibt es inzwischen viele vor- Dann ist der Damm gebrochen. Es bricht in beugende Hilfen, doch bestehen nahe- familiäre Bindungen der Tat aus fast allen das hervor, was sich zu keine Angebote für zurückgeblie- über kürzere oder längere Zeit, Jahre, Jahr- Einen weiteren Zugang fand ich durch mei- bene Freunde und Angehörige. zehnte angestaut hat - mit der Chance, auch ne intensive Beschäftigung mit der NS-Psy- Manfred Otzelberger, zweifacher Jour- geglaubt zu werden. chiatrie. Es gehörte zu ihren Methoden, den nalistenpreisträger für soziale Themen, Patienten nicht nur zu isolieren, ihn zum Die Situation ist auch deswegen unge- beschreibt anhand zahlreicher Beispie- Objekt der Verwaltung zu machen, sondern wöhnlich, weil dort vielleicht ein Arzt und eine le in seinem Buch „Suizid - Das Trauma auch sein familiäres Netz zu zerstören. Krankenschwester einer Station und über der Hinterbliebenen, Erfahrungen und Trotzdem haben es Angehörige in großer Zahl eine Handvoll Angehörige sitzen. Die Auswege“, mit welchen Problemen die versucht, ihre Patienten aus den jeweiligen Angehörigen sind in der Mehrzahl, Profis in Hinterbliebenen zwangsweise konfron- Landeskrankenhäusern herauszuholen, um der Minderzahl - das ermuntert, offener zu tiert sind und auf welch unterschiedli- sie vor dem sicheren Tode zu retten. In der werden. Die Aussagen reichen von der kom- che Weise sie sich bewältigen lassen. Mehrzahl der Fälle wurde das vom jeweiligen pletten Beschimpfung des gesamten psy- Ein Serviceteil bietet dazu Hinweise für Anstaltsleiter abgelehnt. Es gibt auch gegen- chiatrischen Versorgungssystems, des Kran- den Umgang mit Behörden und Medi- teilige Beispiele, die aber eindeutig in der kenhauses, der niedergelassenen Ärzte, des en sowie Adressen von Beratungsstel- Minderzahl sind. Dann überlegt man sich, wie Gesundheitsamtes und bis hin zu der Ankla- len. Dieses Buch enstand durch Anre- es gewesen wäre, wenn familiäre Netzwerke ge, immer allein gelassen zu werden, egal gung und mit Hilfe von Emmy Meixner- noch bestanden hätten und ob dann ein sol- wie dicht das Versorgungsnetz ist. Wülker, Gründerin der Selbsthilfegruppe ches Programm, wie z.B. die Sterilisierung Man lässt auch mal seinem Herzen freien Lauf Agus (Angehörige um Suizid). und später vor allem die Euthanasie über- und sagt, dass man doch nie genau wisse, ISBN 3-86153-178-X, Ch.Links Verlag, Berlin, 29,80 DM haupt möglich gewesen wäre. ob das kranke Familienmitglied, das gestör-

Lichtblick • Jahresheft 2000 7 DER REDE WERT

te, nun wirklich krank oder ob es nicht eigent- wieder aus nur zwei Menschen, sondern Newsletter www.lichtblick99.de lich bösartig ist. Schliesslich gebe es „abge- immer aus mindestens drei Menschen; Pati- feimten Gemeinheiten“, z.B. regelmäßige ent, Profi und Angehöriger. Vom Grundsatz Information vor Störungen der Nachtruhe und des Tages- her: es gibt keine psychiatrische Situation verlaufs. Das passiere so gezielt und so bös- mehr mit nur zwei Menschen, es sind immer dem Arztbesuch artig, dass man letztlich nichts dagegen tun mindestens drei. Die meisten Deutschen überlassen ihre könne. Ist das noch mit Krankheit vereinbar? Das ist etwas ganz Entscheidendes! Wir müs- Gesundheit immer noch bereitwillig sen es uns immer wieder vorbeten, damit wir ihrem Arzt oder hören auf den Rat von es auch selber glauben, weil man immer wie- Verwandten. Ganz anders in den USA: „Bei der Mutter ist es der dazu neigt, davon Abstand zu nehmen. Dort informiert sich bereits der Groß- kein Wunder ...“ Noch einmal. man ist von vornherein zustän- teil der Patienten vor dem Arztbesuch dig für ein Feld von mindestens drei Men- gezielt im Internet. Es liegt auf der Hand, dass jeder Angehöri- schen, wenn es nicht noch mehr sind. Die mehr als 15 Millionen deutschen ge eines psychisch gestörten Menschen sol- Internetnutzer erwartete bisher ein eher che Gedanken immer schon hatte, er muss dürftiges Angebot an Gesundheitsthe- sie haben, nur hatte er nie die Chance, sie „Was haben wir nicht men. „Auf dem deutschen Markt der auch auszusprechen. alles gefordert ...“ Weil der Patient als der arme, leidende Gesundheitsinformationen schließt alme- Mensch im Mittelpunkt steht, fürchten seine da.de eine Lücke,“ ist sich Chefredak- Angehörigen immer dann als schlechte Men- 2. Man ist für dieses Feld verantwortlich und teur Christian Sachse sicher. Bereits in schen bezeichnet oder behandelt zu werden, im Prinzip hat der Patient dabei keine Son- den ersten Tagen gab es Zehntausende wenn sie über ihre eigenen Gefühle sprechen. derstellung. Ich habe mich zu beschäftigen von Zugriffen. Unser aller Kausalitätsbedürfnis, gepaart mit mit einem familiären Gebilde und seinem Im almeda-Redaktionsteam arbeiten dem geringen Wissen über psychische Drumherum. Meine Aufgabe besteht darin, unter seiner Leitung 30 Fachredakteure Störungen, möchte gerne irgendwo Ursache mit diesem Gebilde so umzugehen, dass alle mit medizinischer und journalistischer oder Schuld festmachen. Beteiligten in Zukunft besser auf ihre Kosten Ausbildung. Mit dem breit gefächerten Jeder, der eine Zeitlang in einer psychiatri- kommen, auch der Patient, aber wie gesagt: Angebot setzt das Redaktionsteam nicht schen Institution gearbeitet und darüber nicht nur der Patient. nur auf medizinisch fundierte Informa- reflektiert hat, kennt das von sich selbst. Wie Dazu gehört auch etwas ganz Banales: bei tionen, sondern auch auf individuellen schnell ist er bereit, sich ein Weltbild zu ver- dieser Zuständigkeit und Verantwortlichkeit Service: In der Online-Sprechstunde schaffen, in dem der Patient um seine Frei- für das gesamte Feld geht es nie nur um die beantworten die Experten des almeda- heit, seine Selbständigkeit und seine Auto- Menschen als Bestandteil des Feldes, son- Teams individuelle Fragen zur Gesund- nomie kämpft und irgendwelche bösartigen dern auch um materielle Bedingungen. heit. Eine Antwort erfolgt kurzfristig per Angehörigen dies verhindern wollen. Ausru- Mit vielen Gleichaltrigen teile ich die Ansicht, E-Mail. fe wie „Bei der Mutter ist es kein Wunder, dass wir uns in unserem Nachholbedürfnis in den psychosozialen Fächern der Nach- www.almeda.de dass man schizophren wird“, sind Gang und Gäbe im Klinikjargon und harmonisieren mit kriegszeit allzu einseitig auf die Bedeutung den Theorien aus den 60er Jahren von der der jeweils beteiligten Menschen und den ine Umfrage von Deutschland- schizophrenogenen Mutter und deren Cha- Beziehungen zwischen ihnen konzentriert E Med.de bestätigt den Trend, dass rakterzügen, durch die Kinder zwangsläu- und die materiellen Bedingungen sträflich Gesundheitsthemen bei der Bevölke- fig schizophren werden müssen. vernachlässigt haben. Ich nenne ein Beispiel: rung einen hohen Stellenwert haben. Die Nur hat man leider nie mit einer prospektiven In der Schweiz gibt es für alle Behinderten Befragten schätzen den Wunsch nach Studie den Beweis dafür angetreten. Da sich eine Rente und zwar unabhängig davon, ob Informationen als wichtig bis sehr wich- auch neue Generationen habilitieren müssen, der Betreffende jemals vorher gearbeitet hat tig ein. Der Bürger möchte als mündiger wäre auch eine Studie möglich, die das ent- oder nicht. Dort hat man die Konjunktur der 70er Jahre genutzt und diese Forderung bei Patient behandelt werden. Dies bedeu- gegengesetzte Untersuchungsergebnis zu den Politikern durchgesetzt. tet jedoch kein Mißtrauensvotum gegen Tage fördert, dass nämlich erst der Sohn oder Auch wir hatten mal konjunkturell bessere den Arzt. die Tochter schizophren werden und die Mut- ter, die das nicht aushalten kann, so gestört Zeiten. Was haben wir nicht alles gefordert Hoher Informationsbedarf besteht bei wird, dass man sie als schizophrenogen an Verbesserungen für die Psychiatrie, für die Arzneimitteln. Offensichtlich werden sie bezeichnen könnte. Ich drücke es ein bis- Psychiatriereform, bessere Räumlichkeiten als notwendig akzeptiert, aber nicht ohne schen lustig aus, es ist eigentlich keineswegs in den Krankenhäusern, mehr Personal! Für Aufklärung geschluckt. Mehr als 54 Pro- lustig und zieht sich durch alle Epochen psy- unsere Arbeitsplätze haben wir viel gefordert zent der Befragten lesen grundsätzlich chiatrischer Geschichte der letzten 150 Jah- und viel erreicht, aber die primitivste, die immer den Beipackzettel, mehr als 32 re, immer wieder nach demselben Schema. primäre Forderung auf finanzielle Absiche- Prozent zumindest bei bislang unbe- rung des Patienten haben wir vergessen. kannten Arzneien. Die größten Informa- Heute wissen wir, dass für einen Menschen, tionsdefizite ergaben sich im Bereich Mindestens drei Menschen der möglicherweise längerfristig, vielleicht Untersuchungsmethoden und Diagno- lebenslang mit einer psychischen Behinde- severfahren. Bislang nutzen zwar noch Im folgenden werde ich auf einige Aspekte rung zu leben hat, die Möglichkeit, seine eige- relativ wenige Menschen (acht Prozent) eingehen, die nach meiner Erfahrung zu einer ne Existenz selbst zu bezahlen, zu Selbst- das Internet als Informationsquelle zum Veränderung des psychiatrischen Arbeitens bewusstsein und Selbstvertrauen führt. Thema Gesundheit. Die User aber erwie- führen, wenn man regelmäßig und systema- Dass niemand von uns, die wir so schlau sen sich als deutlich besser informiert. tisch mit Angehörigen arbeitet. waren und die Psychiatriereform betrieben www.deutschlandmed.de 1. Die psychiatrische Standardsituation be- haben, überhaupt darauf gekommen ist, so steht dann grundsätzlich nicht mehr und nie etwas wie eine Grundrente zu fordern, was

8 Lichtblick • Jahresheft 2000 DER REDE WERT die allererste Forderung hätte sein müssen, rere Menschen aus vielerlei Gründen mitein- macht mich doch sehr nachdenklich. ander verklinscht sind und den Abstand Newsletter www.lichtblick99.de zueinander verloren haben. Es geht deshalb primär darum, Distanz zwischen allen Betei- Pressebericht der LAG Hospiz „Oft leiden die Angehörigen ligten zu schaffen, sodass jeder zunächst sich Baden-Würtemberg e.V. mehr als der Patient“ selbst wieder verstehen kann. Wollen die Deutschen Der 3. Punkt, zu dem ich jetzt komme, ist eine Punkt 6, die Ebene des Handelns: es gibt eine wirklich die aktive Art Faustregel. Es ist davon auszugehen, kurz gefasste Metapher: dass man Menschen Sterbehilfe? dass in dem erwähnten Feld alle Beteilig- nur behandelt und behandeln kann, indem ten gleich viel leiden. Vielleicht spüren Sie man jemanden ändert. Das ist ein wichtig- Die „Deutsche Gesellschaft für humanes Sterben“ (DGHS) einen Widerstand gegen diese Aussage. Sie stes Ziel der Psychiatrie. Sozusagen ich brin- hat in einer Pressemitteilung vom 5. Juni über eine Forsa- Umfrage berichtet, bei der sich angeblich 81 Prozent der denken: „Da ist der leidende Patient. Es geht ge jemanden von A nach B. Befragten für die aktive Sterbehilfe, also für das Töten auf ihm schlecht und vielleicht bringt er sich sogar Verlangen, ausgesprochen hätten, während es vor einem um! - Die Aussage ist doch irgendwie falsch!“ Jahr nur 78 Prozent gewesen seien. Das unterstreiche die Es ist aber dennoch so! Ich setze noch eins Ich ändere mich so, dass Berechtigung der DGHS-Forderungen nach Aufhebung des drauf und sage: oft leiden die Angehörigen gesetzlichen Verbotes der Tötung auf Verlangen in bestimm- du dich ändern kannst ten Fällen. mehr als der Patient. Das läßt sich auch Dabei wird die Formulierung der Fragen und die Auswahl begründen. Das Arbeiten mit Angehörigen hat uns der Befragten nicht offen gelegt, was zur Beurteilung der gezeigt, dass auch hier Umdenken erfolgen Ernsthaftigkeit der Umfrage wichtig gewesen wäre. Es ist kann: ich ändere mich so, dass du dich bekannt, dass man Antworten durch die Formulierung der Patient schützt sich mit ändern kannst. Es ist der Versuch, von der Fragen in weitem Ma§ beeinflussen kann. Es bleibt unbestritten, dass es in Deutschland leider viel zu psychischen Symptomen zielgerichteten Heilbehandlung wegzukom- viele Fälle gibt, in denen schwerkranken Menschen z.B. men, die uns die Krankenkassen vorschrei- durch mangelhafte Schmerztherapie nicht hinreichend gehol- Was immer für Probleme in den zwischen- ben, indem man sagt: im Umgang mit Men- fen wird. Das ist jedoch in erster Linie ein medizinisches menschlichen Beziehungen oder den mate- schen und insbesondere im Umgang mit Ge- und ein gesellschaftliches Problem, das nicht dadurch gelöst fühlen sind alle direkten, zielgerichteten Hand- werden kann, dass man die Leidenden beseitigt statt das riellen Verhältnissen der Familie herrschen, Leiden zu bekämpfen. der Patient ist derjenige, der sich aufgrund lungs- und Behandlungsweisen verboten, Das Problem liegt in der Ausbildung der Mediziner bei der seiner besonderen Verletzbarkeit mit psy- unzulässig, als kriminell abzulehnen. Schmerztherapie, dem fehlenden Willen der Gesellschaft, chischen Symptomen schützt, ja, der über- Sie sind zu ersetzen durch indirekte Vorge- höhere Geldsummen in die Pflege alter und kranker Men- haupt Schutzmechanismen zur Verfügung hens- oder auch Umgangsformen. Das Wort schen zu investieren und auch bei jedem Einzelnen, ob er für sein gesetzliches Recht der optimalen medizinischen hat, die der Familie fehlen. Sie ist dem per- „Umgang“ ist sprachlich gar nicht so ver- Behandlung kämpft oder widerspruchslos akzeptiert, was manenten Chaos und der manchmal lebens- kehrt. Wenn ich mit einem Menschen zu tun die Ärzte ihm an Behandlungen anbieten. Die deutsche bedrohlichen Gefährdung hilflos ausgeliefert habe und Gefühle eine Rolle spielen, Gefüh- Hospizbewegung fordert deshalb, dass endlich die not- und steht unter dem Druck ihres eigenen le der Angst oder der Liebe, versuche ich, wendigen Ma§nahmen ergriffen werden, die zu men- Gewissens und der lieben Umwelt. um das Gefühl herumzugehen und heraus- schenwürdigen Zuständen in Pflegeheimen und anderen Institutionen führen können. Sie wendet sich darüber hin- zufinden, was es mir signalisieren will und aus strikt gegen jede Art einer aktiven Sterbehilfe. mache es vielleicht zum Gegenstand eines Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens die Erfahrungen, die „Da kann man es sehen, die Eltern haben Gesprächs. in Holland damit gemacht werden (siehe auch Beitrag ãNeue es wieder nicht geschafft, mit dem Jun- Während also die Krankenkassen zielge- Euthanasie“, S. 35). Von dort wird, allerdings mit unter- richtete Heilbehandlung von uns fordern, schiedlichen Zahlen, über eine zunehmende Anzahl von Fäl- gen richtig umzugehen, nun muss er wie- len berichtet, in denen die Tötung von Patienten ohne deren der ins Krankenhaus.“ können wir sagen, in der Psychiatrie kann ausdrückliches Verlangen durchgeführt wurde. Zum Ande- zielgerichtet nur heissen, nicht zielgerichtet ren liegt ein weiterer Grund für die kompromisslose Ableh- zu arbeiten, sondern weiß der Teufel, in Krei- nung jeder Art von aktiver Sterbehilfe seitens der Hospiz- Deshalb lassen Sie diese zunächst absolut sen, in Arabesken, in indirekten Vorgehens- bewegung und der Kirchen darin, dass auf die Schwerst- kranken verbal und non-verbal ein unendlich gro§er Druck klingenden Gedanken auf sich wirken: Alle weisen, in Umspielungen, um zu erreichen, ausgeübt würde, vom Arzt doch endlich die ãerlösende Sprit- Beteiligten leiden gleich viel, wenn sie es auch dass eine Landschaft, ein Feld, ihr eigenes ze“ zu erbitten, gäbe es diese Möglichkeit. Und schlie§- unterschiedlich äussern. Potential wieder entdeckt, entwickelt und lich machen Hospizhelfer immer wieder die Erfahrung, dass entfaltet. die Bitte nach der tödlichen Spritze verstummt, sobald dem Zu berücksichtigen ist 4., dass sich alle Betei- Patienten die Ängste vor Schmerzen, Isolierung und men- schenunwürdiger Behandlung genommen wurden. Also ligten in unterschiedlichen Lebensphasen muss das unser Weg sein, und nur das ist mit dem Begriff immer wieder anders mit Krisen auseinan- „Patienten am besten ãMenschenwürde“ zu vereinbaren. derzusetzen haben und in unterschiedlicher in Ruhe lassen“ Durch das neue Betreuungsrecht und durch die ãGrundsät- Weise davon getroffen werden. Darauf kom- ze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebeglei- me ich zum Schluß zurück. Der 7. Punkt leitet unmittelbar dazu über. tung“ aus dem Jahr 1998 wurden die Möglichkeiten geschaf- fen, auch ohne menschenunwürdige Tötung auf Verlangen Anders als ich es mir immer gedacht hatte, durch sorgfältig erwogene und gut formulierte Vorausver- In Punkt 5 handelt es sich um das Problem sollte man in der Regel in der Psychiatrie den, fügungen für sich selbst den Abbruch sterbensverlängern- des Verstehens. Es geht ein bisschen ins um den es eigentlich geht, den sogenannten der Behandlungen bei gleichzeitig optimaler Schmerzthe- Erkenntnistheoretische, ich kann es nur Patienten - um es mal etwas überspitzt aus- rapie durchzusetzen. andeuten: Nach Jaspers und anderen Leu- zudrücken - am besten in Ruhe lassen, weil Schlicht falsch ist es, wenn die DGHS behauptet, sie sei die einzige Institution, die bundesweit Patientenverfügungen ten bedeutet das Schema des Verstehens in er dann am ehesten die Gelegenheit hat, wie- anbietet, in denen der Patient im Voraus über den Abbruch der Psychiatrie: Ich verstehe dich oder ich der zu sich selbst zu kommen. lebenserhaltender Therapien entscheiden kann. Seit den verstehe dich nicht - je nachdem. Wenn Veränderungstätigkeiten erforderlich 80-iger Jahren gibt es von einer Vielzahl von Institutionen Ein Subjekt versteht ein Objekt oder versteht sind, dann im Bereich des Kontextes - und eine nicht mehr zu überschauende Flut solcher Formulie- es ist erst mal egal - ob es der materielle oder rungshilfen. Die dazu notwendige, kostenlose Beratung wird es nicht. Die psychiatrische Grundsituation u.a. von vielen ambulanten Hospizgruppen angeboten. besteht aber darin, dass in einem Feld meh- der zwischenmenschliche Kontext ist, oder

Lichtblick • Jahresheft 2000 9 DER REDE WERT

ob es darum geht, eine Änderung im System ten, die wir in eigene Wohnungen entlassen Newsletter www.lichtblick99.de überhaupt zustande zu bringen. haben? Wir haben uns als erstes gesagt, jetzt In aller Regel ist es so, dass jemand aus der legen wir uns selber ein Heimverlegungsver- Patientenschutz - Familie irgendeine Art von Änderung natür- bot auf! Denn die Verlegung des Patienten ist lich viel leichter zustande bringt als der Pati- immer das einfachste und war bis 1980 bei eine Pflichtleistung ent. Der Patient hat in seiner Festgefahren- uns und in allen anderen Krankenhäusern der Krankenkasse? heit die geringsten Möglichkeiten, eine Ver- üblich. Man sagt: „nun ist therapieren nicht änderung mit sich vorzunehmen. Wenn sich mehr drin, der Patient ist nicht mehr heilbar, Die gesetzlichen Krankenkassen sollen aber in einem System irgendein Element ver- das medizinische Konzept greift nicht mehr im Rahmen der Gesundheitsreform ändert, dann ändert sich auf wundersame so richtig, was soll er noch in einem Kran- 2000 bessere Möglichkeiten zum Aus- Weise das ganze System. kenhaus?“ Dann bietet sich das Heim an. bau des Verbraucherschutzes haben. Dies forderte der Verwaltungsratsvor- sitzende des AOK-Bundesverbandes Wie sieht die «Landschaft» aus? Eigene Geschichte aneignen Peter Kirch anläßlich einer Tagung der Versichertenvertreter in Sarstedt. Das leitet zu Punkt 8. über, in dem ich sagen Es war ein wesentlicher Impuls der Psychia- will, dass wir eigentlich nicht so sehr Men- triereform zu sagen, die Krankenhäuser sind Kirch bezeichnet es als derzeit sehr schen zu ändern, sondern passende Kon- zu groß, sie müssen kleiner werden. Und schwierig für den Patienten, im Bereich texte für sie zu finden haben. Ich verwende jeder Landeskrankenhausdirektor hat sich der Behandlungsfehlerhaftung berech- hier gern den Begriff der Landschaft. beeilt, sein Krankenhaus kleiner werden zu tigte Ansprüche alleine durchzusetzen. Wie sieht die Landschaft dieser Menschen lassen. Das einzige zur Verfügung stehen- Gründe hierfür seien insbesondere das aus, aus welchen menschlichen, aber auch de Mittel dazu war, die Langzeitpatienten for- Wissens- und Informationsgefälle zwi- materiellen, sächlichen Dingen oder Aspek- miert in Heime zu verlegen, da man ja nicht schen Arzt und Patient und das hohe ten besteht sie. In welcher Hinsicht ist sie so schneller und besser therapieren konnte. Prozeßkostenrisiko der Versicherten. zu modifizieren, dass sie für Familienmit- Wenn solch eine Mode einmal im Kranken- Nach der derzeitigen Gesetzeslage läge glieder einerseits und für Patienten anderer- haus drin ist, ist sie kaum noch zu stoppen es im Ermessen der Krankenkassen, ob seits ökologisch passend wird? Diese Frage und macht sich selbständig. Aber irgend- sie z.B. Patienten bei Behandlungsfeh- steht im Gegensatz zu der Meinung, Psy- wann ist es uns doch gelungen. lern unterstützen. Kirch begrüsste, dass chosen müssten therapiert werden, gewis- Es hat zwei bis drei Jahre gedauert, bis alle die Eckpunkte der Bundesregierung zur sermaßen egal wie lange. Ich erzähle Ihnen Mitarbeiter unseres Krankenhauses sich dem Gesundheitsreform 2000 vorsehen, den dazu eine Anekdote. Heimbelegungsverbot angepasst hatten. Wir Parientenschutz zu einer Pflichtleistung In Gütersloh lebte ein 80jähriger Patient seit waren der Meinung, dass Menschen, die seit der Krankenkassen zu machen. 40 Jahren auf einer Langzeitstation, der noch 10, 20, 30 und 40 Jahren bei uns lebten, ent- rüstig war und allmorgendlich die Station mit weder im Krankenhaus bleiben oder in eine den Worten verliess: „ich gehe jetzt zur The- eigene Wohnung gehen sollten und zwar BARMER-Hotline rapie“. Damit meinte er eine bestimmte Funk- dorthin, wo sie leben wollten, sei es in ihrer zu Behandlungsfehlern tion und Beschäftigung im Fuhrpark des Heimat, soweit das machbar war oder, wenn Krankenhauses, wo er seit Jahrzehnten tätig Gütersloh ihre Heimat geworden war, in der Die BARMER berät ihre Mitglieder über war. Dass ein Patient nach 40 Jahren Psy- Stadt Gütersloh. das heikle Thema Behandlungsfehler. chiatrie noch sagt: „ich gehe jetzt zur The- Mit ihrem Service trägt die BARMER rapie“, ist eine der gelungensten Persiflagen dem starken Beratungsbedürfnis ihrer auf den Irrsinn zu glauben, der angemes- Wieder Bestandteil eines Patienten Rechnung. sene Umgang mit längerfristig psychisch familiären Netzwerkes werden Patienten, die vermuten, falsch behan- gestörten oder behinderten Menschen sei delt worden zu sein, können sich unter das therapeutische Tun. Das kann es nun mit Es klingt banal und ich schäme mich fast, es den Rufnummern (0202) 568-2622 und Sicherheit nicht sein, es kann alles Mögliche kam uns darauf an zu fragen: welche Bedürf- (0202) 568-2631 Rat holen. Erreichbar sein, aber das, was wir sinnvoll unter Thera- nisse hat unser Bewohner? Die schwierigste sind die Experten immer montags bis pie verstehen, ist sicherlich nicht die richtige Aufgabe war, ihm zu helfen, seine Bedürf- Beschreibung der Tätigkeit dieses Patienten. nisse wieder zu entdecken. Jeder Mensch, donnerstags von 8 bis 16.30 Uhr und Deswegen sagt der Begriff «Landschaft» der zehn Jahre in einer Anstalt lebt, hat kei- freitags von 8 bis 14 Uhr. Schriftliche mehr, um uns klar zu machen: „was braucht ne Geschichte mehr! Wir haben versucht, mit Anfragen können rund um die Uhr an der Mensch im Wohnbereich, im Arbeits- und jedem so umzugehen, dass er sich seine die Rufnummer (0202) 568-2609 gefaxt Freizeitbereich?“ eigene Geschichte wieder aneignen konnte. werden. www.barmer.de Der amerikanische Begriff des Life-Space- Dabei spielte die Wiederentdeckung, die kri- Workers, des «Lebensraumarbeiters», gefällt minalistische „Ausgrabungen“ von Angehöri- Vorversicherungszeit mir gut, eigentlich müsste der des Life-Time- gen, die teilweise Jahrzehnte keinen Kontakt Workers auch noch mitgedacht werden. mehr gehabt hatten, eine große Rolle. Wir Seit Jahresanfang gilt in der gesetzli- Es gab mal den Begriff des Raumpflegers, hatten natürlich nicht die Absicht, diesen chen Pflegeversicherung eine neue Vor- der aussagt, dass wir psychiatrisch Tätigen Angehörigen irgendwelche neuen Aufgaben versicherungszeit. Wer einen Antrag Räume so zu bearbeiten haben, dass sie für zuzuspielen. Wir wollten einfach ins Gespräch auf Pflegebedürftigkeit stellt, erhält nur Menschen, so wie sie sind, passend werden. kommen und dem Langzeitpatienten helfen, dann Leistungen, wenn er zuvor inner- Alle diese Überlegungen wurden entschei- wieder Bestandteil eines familiären Netzwerks halb eines Zeitraumes von zehn Jah- dend durch die Arbeit mit Angehörigen ange- zu werden. Ein Gefühl, das offensichtlich ent- ren mindestens fünf Jahre Beiträge in regt, die uns auch zu der Frage geführt hat: scheidend ist, wenn es darum geht, eine eige- die Pflegeversicherung gezahlt hat. Was brauchen langfristig Behinderte, zum ne Person zu sein. Jeder kann es durch- Beispiel oben erwähnte 200 Langzeitpatien- spielen, wenn er sich überlegt, er wäre plötz-

10 Lichtblick • Jahresheft 2000 DER REDE WERT lich mutterseelenallein, es gäbe keinerlei fami- Erwachsenenbildung liäre Bezüge mehr und das über Jahrzehnte. Newsletter www.lichtblick99.de Nur die Rehistorisierung ist in der Lage, Men- Was für eine Tätigkeit ist eigentlich die Arbeit schen zu helfen, Perspektiven zu entwickeln. mit Angehörigen? Das ist eine Frage, die ich Bücher vorgestellt Das ist die Kunst der Psychiatrie, sich eben auch in „Freispruch der Familie“ gestellt habe. nicht auf Menschen stürzen, sondern die Insti- Eine der Antworten wäre, dass sie im wei- „Experten für den Alltag - Professionelle tution so zu verändern - so mit Aufforde- testen Sinne Erwachsenenbildung ist. Man- Pflege in psychiatrischen Handlungsfel- rungscharakter auszustatten - dass sie gewis- che sagen, es ist Therapie. Auch die dern“: Umsetzung der Erkenntnisse die- sermaßen von den Wänden ausstrahlt: „Ich Angehörigen streiten sich oft fürchterlich: Ist ses Buches in die Wirklichkeit würde kann hier zwar sein, ich werde nicht raus- es jetzt Therapie, was wir miteinander treiben bedeuten, dass ein neuer Geist auf psy- geschmissen, aber ich kann auch gehen, und oder ist es keine? Meistens treffen sie sich in chiatrischen Stationen einzieht! ich kann glauben, dass ich gehen kann!“ der Mitte. Mit dem Begriff Erwachsenenbil- Die Autoren zeigen, wie sich Richtlinien Wir haben dann gerne von einer Luftbrücke dung läßt sich einiges davon umschreiben. und Kompetenz mit mehr Menschlichkeit gesprochen. Aber wie kann ein Patient glau- Dazu folgender Gedanke: Man kann je nach und Patientennähe verbinden lässt. Das ben, dass er auf eine Luftbrücke treten kann, dem eigenen Lebensalter in unterschiedliche Kapitel über Angehörige ist richtungs- ohne fürchten zu müssen, dass sie in der Mit- Angehörigenrollen geraten. Man kann ab 20 weisend. Psychiatrie-Verlag: Dorothea te einstürzt? Versprechungen hat er bei jeder bis 25, wenn man Kinder bekommt, Sauter/Dirk Richter, 192 S., 34.00 DM Generation von jüngeren Therapeuten in den Angehöriger eines geistig- oder auch kör- „Psychoanalyse in der psychiatrischen letzten Jahrzehnten schon gehört und ist perbehinderten Kindes werden. Ab 30 kann Arbeit - eine Einführung“: Alles, was dann irgendwann enttäuscht worden. man Angehöriger eines psychisch kranken man schon immer über Psychoanalyse Partners werden, insbesondere eines depres- wissen wollte, verständlich und praxis- siv oder auch manisch depressiv werdenden „Zwei Stunden am Tag nah. „Wenn man die unbewussten Fak- oder eines suchtkranken, abhängigen Part- toren kennt, die menschliches Verhalten oder mehr arbeiten ...“ ners, ab 40 eines schizophren gestörten Men- beeinflussen, tut man sich im Umgang schen. Etwa ab 45 bis 60 kann man mit Patienten leichter“, so der Autor Karl Weil das natürlich nicht ausreicht, einen eige- Angehöriger eines gerontopsychiatrischen, König, Prof. Dr., Facharzt für innere Medi- nen Ort zum Leben zu haben, sind wir dann alten Menschen werden. Da ich gerade in zin, Lehranalytiker am Lou-Andrea-Salo- der Arbeitslosigkeit zum Trotz oder wegen dieser Situation bin, kann ich nur sagen, man mon-Institut in Göttingen. der Arbeitslosigkeit dazu übergegangen, eige- erlebt sich da auf eine völlig andere Weise Psychiatrie-Verlag, 200 S., 34.00 DM ne Firmen aufzubauen. Inzwischen sind es neu, als Kind eines hilflosen, verwirrten, drei oder schon vier mit Vollzeit- und Teil- depressiven, alt gewordenen Menschen. Man „Soziale Arbeit und Sozialpädagogik“: zeitarbeitsplätzen in Gütersloh, in denen jeder entdeckt die eigene Kindlichkeit in sich wie- Am Anfang dieses Buches mit Bestsel- nach eigenen Bedürfnissen zwei Stunden am der. In seiner erwachsenen Souveränität ler-Qualitäten steht eine kompetente Ein- Tag oder mehr arbeiten und zu seiner Sozial- dachte man, dies alles überwunden zu haben. führung in Theorie und Praxis sozialer hilfe, zu seiner Rente dazu verdienen kann. Vom Erwachsenenbildungs-Konzept ausge- Arbeit. Der hohe Anspruch, das erste Wir haben derzeit etwas über 30 Vollzeitar- hend könnte man sagen, das Schicksal, das Lehrbuch für Sozialarbeiter und - beitsplätze und über 100 Teilzeitarbeitsplät- uns je nach Lebensalter eine Behinderung Pädagogen in psychiatrischen Arbeits- ze und damit den größeren Teil der Leute, um ins Haus schickt, erlegt uns unterschiedliche feldern vorzulegen, ist eindrucksvoll die es geht, schon erreicht, wenn auch sicher- Reifeprüfungen auf, ob auch als Chance, wird umgesetzt. Autoren: Marianne Bosshard, lich keineswegs hinreichend gut. jeder unterschiedlich erleben. Ursula Ebert, Horst Lazarus; Psychiatrie- Auch dies halte ich für überlegenswert: ich Bei einem geistig oder körperlich behinder- Verlag, 416 S., 49.80 DM habe es nicht mit einem Individuum zu tun, ten Kind ist es die zugespitzteste Reifeprü- „Der Pazjent als Psychiater - Oskar sondern mit einem Feld von Gegebenheiten, fung, die man sich denken kann. Ab 30, mit Panizzas Weg vom Irrenarzt zum Insas- in denen Menschen und sachliche Dinge vor- einem depressiven, manischen oder sucht- sen“: Hochaktuell, diese Biographie eines kommen. Das hab ich so zu verändern, dass kranken Partner geschlagen, ist es die Rei- Psychiater, der gegen Stigmatisierung zum Schluß etwas herauskommt, in dem feprüfung, mit einem Menschen zu leben, der und ausschliesslich naturwissenschaft- Menschen leben können. stark gestört ist. Ab 40 macht man die Rei- liche Betrachtung von Psychosen kämpf- feprüfung, wenn ein Sohn oder eine Toch- te. Wie es zur Hexenjagd auf einen ter schizophren werden und muss lernen, von schwierigen Kollegen kommt, wenn Zeit- Gemeindepsychiatrie der Elternrolle zur Partnerrolle mit seinen Kin- geist und Borniertheit eine unheilige Alli- dern überzuwechseln, eine der schwierigsten anz eingehen, ist spannend zu lesen. Wer Zum letzten und 10. Punkt, der Gemeindep- Reifeprüfungen überhaupt. Mit 45 im Umgang über Psychosen, psychiatrisches Wirken sychiatrie. Der Begriff Gemeindepsychia- mit gerontopsychiatrischen Angehörigen wäre und Irrwege der Psychiatrie lieber aus trie ist eigentlich eine ökologische Kon- das dann die filiale Reifeprüfung. Biographien als aus Lehrbüchern lernt, struktion. Er bedeutet, die Gemeinde in ihrer In allen Fällen gilt es, Antwort auf die Frage sollte dieses Buch lesen! Jürgen Mül- Unwirtlichkeit und nicht die Menschen zu ver- zu finden: Wie kann ich als Angehöriger über- ler, 260 S., 44.00 DM, Psychiatrie-Verlag ändern. Wie Mitscherlich sagt: sie in ihrer leben in meiner Selbständigkeit, in meiner Unwirtlichkeit so zu verändern, dass sie wirt- Subjektivität? Ich muss einsehen, dass ich Gesundheits-Brockhaus: Krankheiten lich wird(!), unter anderem auch für diese nicht der Kapitän meiner Seele bin. Das verstehen, Symptome selbst erkennen früher einmal ausgestossene Gruppe ihrer macht mich frei, mein Leben wieder selbst in und die Diagnose des Arztes sowie die psychisch behinderten Bürger und zuzulas- die Hand zu nehmen. ❑ von ihm gewählte Behandlungsform ver- sen, dass dort 60 oder 80 Wohnungen in der stehen lernen, das versucht der neue Stadt von ihnen bewohnt, Cafés und Firmen Autor Klaus Dörner: Dr. med., phil., geb. 1933 in Duisburg, Studium der Medizin, Philosophie, Soziologie und Geschichte. 1968 bis 1979 an der Psychiatrischen Uni- „Gesundheits-Brockhaus“ in 16 000 von ihnen betrieben werden. versität Hamburg. 1980 bis 1996 ltd. Arzt der Westfälischen Klinik für Psychiatrie Güters- Stichwortartikeln mit ca. 2 000 farbigen Dass das möglich wird, verlangt auch eine loh und Lehrstuhl an der Ruhr-Universität Witten-Herdecke. Schwerpunkte: Reform der Psychiatrie, Auseinandersetzung mit der Medizin im Nationalsozialismus und Abbildungen zu vermitteln. lsm/rh ganze Menge an Öffentlichkeitsarbeit. der medizinischen Ethik der Gegenwart.

Lichtblick • Jahresheft 2000 11 HINTERGRUND

Verweigerung moderner Psychopharmaka Newsletter www.lichtblick99.de Angehörigensprechstunde Sparen auf dem Rücken leidgeprüfter Patienten

Mit Blickrämpfen leben? - Frau K. Sta- Nach Auffassung zahlreicher Experten ist die medikamentöse Schizophrenie- tionsschwester, 45 J., kam mit Tochter, 23, die seit drei Jahren an Schizophre- Therapie in Deutschland ein Skandal. Obwohl der medizinische Fortschritt in nie erkrankt ist und in der Uni-Klinik den letzten Jahren gewaltig war - neue Medikamente mit guter Wirksam- behandelt wird, zu uns in die Angehöri- keit und Verträglichkeit (sogenannte atypische Neuroleptika) wurden ent- gengruppe. wickelt - kommt dies den Patienten kaum zu Gute. Die Tochter hat pro Woche ca. einmal Blickkrämpfe von etwa 30 Minuten. Die- Hamburg (ots) Aus Kostengründen wer- für Medikamente ausgegeben werden, lie- se Nebenwirkungen der Medikamen- den viele Kassenpatienten nicht mit Medi- gen die Gesamtaufwendungen für die te stehen in keinem Beipackzettel, sind kamenten behandelt, die dem interna- Behandlung der Schizophrenie bei rund aber lt. Aussage der Mutter den Ärzten tionalen medizinischen Standard ent- 4,3 Milliarden DM. Diese Kosten könn- bekannt. Beide fragten: Gibt es ein sprechen. Die Folge ist eine Verschlech- ten durch den Einsatz der atypischen Neu- Medikament, das keine Krämpfe ver- terung der Patientenversorgung. roleptika deutlich gesenkt werden. ursacht? Die Mutter ist besonders über den Arzt erbittert, der von ihr fordert, Wege zu finden, diesen Mißstand zu besei- Es ist weder mit dem Leitbild eigenver- doch endlich die Tochter „loszulassen“. tigen, war das Ziel eines Expertenwork- antwortlicher Lebensführung noch mit den Das sei eine Strategie, die letztendlich shops, der anfangs März in Berlin stattfand. darin begründeten Patientenrechten zu fremdbestimmte Abhängigkeiten ohne Auf Initiative von PD Dr. Dr. Christian Dierks, vereinbaren, so die Experten, dass eine therapeutischen Nutzen nur noch ver- Arzt und Rechtsanwalt in Berlin, analysier- bestimmte Erkrankung langfristig nicht stärken würde, erklärte die Mutter. lsm ten zehn Vertreter des Gesundheitswesens nach dem aktuellen Stand der medizini- ine depressive Patientin in einer Kli- den aktuellen Stand der Schizophrenie- schen Erkenntnis behandelt wird. Daher E nik sagte dem Besuch, dass es hier Therapie und verabschiedeten die „Berli- stimmten die in Berlin vertretenen Fach- trostlos sei. Wortlose Schwestern, keine ner Empfehlungen“ (S. 13). gesellschaften, Körperschaften, Interes- Kerzen und Gestecke zum Advent. Eine senverbände und Experten darin überein, Moderne atypische Neuroleptika befreien andere Frau sprach eine Schwester an: dass die Möglichkeiten der Gesetzlichen den schizophrenen Patienten von seinen „Ich kann kein Wasser lassen ...“ Die Krankenversicherung, sinnvolle medizini- belastenden Wahnvorstellungen, sind gut Schwester abrupt: „Da können wir nichts sche Innovationen dem Patienten zugäng- verträglich und für eine dauerhafte Ein- machen. Setzen sie sich so lange drauf, lich zu machen, erheblich verbessert wer- nahme geeignet. Die bei älteren Antipsy- bis es kommt!“ Eine andere Patientin, den müssen. zum ersten Mal in der Klinik: „Letzte chotika häufig auftretenden Denk- und Nacht brachte man eine betrunkene Frau meist irreversiblen Bewegungsstörungen aufs Zimmer. Mir wurde angst und ban- müssten damit eigentlich der Vergangen- ge. Was sind das für Bedingungen?“ dg heit angehören. Die Besonderheit der Neuroleptika ist die therapeutische Beeinflussung von mani- Buch-Tipp Der Skandal in Deutschland: Immer noch schen, schizophrenen und körperlich bekommen viele schizophrene Patienten «Pias lebt gefährlich» begründbaren Psychosen. Sie erreichen die neuen Medikamente aus Kosten- mehr als lediglich Beruhigung und Dämp- Pias lebt - wenn auch gefährlich in unse- gründen nicht verschrieben. Im Gegen- fung, die auch durch Transquilizer oder Hyp- ren Augen. Denn Pias haust im Wald oder satz zu Krebserkrankungen oder AIDS notika herbeigeführt werden könnten. Sie in Abbruchhäusern. Er kann Nähe nicht steht den Kassenärzten hierzulande näm- ertragen, Lärm macht ihn verrückt. bewirken eine Besserung der teilweise lich für die Behandlung der Schizophre- quälenden psychotischen Symptome wie Mit diesem Buch will Thomas Bock unser nie nur ein begrenztes Budget zur Verfü- Verständnis wecken für Menschen, die Verfolgungswahn, psychomotorische Erre- gung. Zu wenig Geld, um die modernen anders sind und die es auch ohne Psy- und deshalb noch relativ teuren Schizo- gung, Halluzinationen oder Denkstörungen. chiatrie schaffen, ihr Leben zu leben. Er phrenie-Medikamente zu verordnen. Aus: Jetzt will ich´s wissen - Rat und Hilfe für Angehörige erzählt hier wie schon in dem Buch «Die psychisch Kranker, S. 46, Psychiatrie-Verlag Bettelkönigin» eine wahre Geschichte. Während nur 237 Millionen DM pro Jahr Pias heißt im wirklichen Leben Gerd Kemme, gemeinsam haben sie seine Leserpost von Dipl.-Mediziner Lutz Lang aus Lüdersdorf Geschichte aufgeschrieben, eingebettet in eine spannende Story aus dem Alltag Ein Hausarzt in M-V darf monatlich für Krankenkassen-Mitglieder und deren Familien- von vier Jugendlichen. Das Buch ist ins- angehörige 15,40 DM für Arzneien zuzüglich 1,60 DM für Krankengymnastik ausge- besondere für Jugendliche ab zehn Jah- ben. Rentner dürfen 60,50 DM für Arzneien und 9,50 DM für Krankengymnastik im Monat re gedacht und deshalb auch sehr gut in Anspruch nehmen. Das sind fragwürdige Zahlen angesichts der zum Teil sehr hohen als Material für den Unterricht geeignet. Kassenbeiträge. Der Zwang zur Wahl preiswerterer Medikamente ist im Prinzip einzu- Aber auch alle Fans der «Bettelkönigin» sehen. Andere bisher nicht wegzudenkende Medikamente werden nun gestrichen können sich auf eine neue spannende oder ihre Wirkung in Frage gestellt und wir Ärzte bei eventueller Weiterverordnung finan- Geschichte freuen. Und alle, die den ziell und moralisch (d. h. Aufgabe der Tätigkeit als Arzt) unter Druck gesetzt, um so die Spaß an Jugendbüchern nicht verloren Kassenpolitik durchzusetzen. Wir glaubten einen Versorgungsauftrag gegenüber unse- haben, sowieso. (erscheint Oktober 2000) ren Patienten zu haben, aber eine umfassende Behandlung ist wegen des Druckes durch ISBN 3-88414-251-8, Edition Balance, Psychiatrie-Verlag die Krankenkassen kaum noch möglich.

12 Lichtblick • Jahresheft 2000 HINTERGRUND

Berliner Empfehlungen

Am Beginn des 21. Jahrhunderts ste- ermöglicht diese Therapie eine schnellere und Insbesondere sollte die Sektorierung hen die Gesundheitssysteme vieler häufigere soziale Reintegration bis hin zur Wie- des Gesundheitswesens einer ein- 1. Länder mehr denn je vor den Proble- derherstellung der Arbeitsfähigkeit. 8. heitlichen Betrachtung des therapeu- men, die sich aus einer Umkehr der Bevölke- tischen Geschehens auch unter Kostenge- rungspyramide und den medizinischen Inno- Die Anwendung von Antipsychotika sichtspunkten nicht entgegenstehen. Hierzu vationen ergeben. Die Gesetzliche Kranken- der zweiten Generation ist in vielen sind zunächst alle Möglichkeiten auszu- versicherung in Deutschland (GKV) konnte 4. Ländern der westlichen Welt stärker schöpfen, die unter den gegebenen gesetzli- in der Vergangenheit oft erfolgreich an diese verbreitet als in Deutschland. chen Bedingungen eine finanziell gesicherte Veränderungen angepasst werden. So beträgt der Anteil dieser Medikamente an und für den Arzt risikoärmere Verordnung der Finanzierungsengpässe zeigen sich jetzt den Verordnungen in den USA etwa 60%, in gebotenen Medikation ermöglichen. Dies wird jedoch dort, wo medizinisch notwendige, inno- Italien und Spanien etwa 40%. In Deutschland ohne Aufhebung der sektoralen Budgets nicht vative Methoden zusätzliche Finanzmittel erfor- beträgt dieser Anteil knapp 10%. Als Ursache möglich sein. dern oder eine Verschiebung des Leistungs- hierfür ist ein zurückhaltendes Verordnungs- Mittelfristig sind die nach neuerer Rechtslage geschehens zwischen dem ambulanten, dem verhalten der Vertragsärzte zu identifizieren, erreichbaren Konzepte einer integrierten Ver- stationären und dem Pflegebereich nach sich die aufgrund der gesetzlichen Vorgaben des sorgung für eine einheitliche, also den ambu- ziehen. Darüberhinaus werden diese Bereiche Budgets, besonders aber durch die Richt- lanten und stationären Sektor umfassende durch eine sektorale Budgetierung so ein- größen, in einer persönlichen Verantwortung Allokation der Ressourcen zu verwirklichen. gegrenzt, dass die Verwirklichung eines dem für die Einhaltung der Budgets stehen. Dies Stand der medizinisch-wissenschaftlichen betrifft allerdings nicht den Bereich der pri- Daher sollten zunächst die Ärzte in Erkenntnis entsprechenden Versorgung vaten Krankenversicherung. ihrem Verordnungsbewußtsein und gefährdet ist. 9. bezüglich ihrer Verantwortung für den Die durch den Einsatz dieser Medika- Patienten informiert und in der Auswahl der Als ein besonders deutliches Beispiel mente mögliche Reduktion stationä- sachgerechten Therapie unterstützt werden. für diese Problemlage gilt die Umset- 5. rer Leistungen findet nicht statt, da Der medizinische Fortschritt muss sich auch 2. zung des therapeutischen Fortschritts diese Einsparspotentiale in den schematischen weiterhin nicht nur aus der medizinischen For- in der Psychiatrie. Dort ist die Therapie der Richtgrößenprüfverfahren nicht mit den Mehr- schung, sondern auch aus seiner Umsetzung Schizophrenie in den vergangenen Jahren aufwendungen verrechnet werden können. in die tägliche Praxis durch die Fortbildung durch medizinische Innovationen erheblich Vor allem aber können die Krankenkassen die der Ärzte ergeben. verbessert worden. im ambulanten Bereich tatsächlich entste- Insbesondere die Einführung der Antipsy- henden Medikamentenkosten nicht als Ab- Die Fachgesellschaften bleiben auf- chotika der zweiten Generation, auch als aty- zugsposten den im Voraus vereinbarten, sta- gefordert, diesen Fortschritt in Leitli- pische Neuroleptika bezeichnet, hat die the- tionären Vorhaltekosten entgegenhalten. Daher 10. nien zu formulieren und diesen Auf- rapeutischen Möglichkeiten erweitert. Diese folgen die Finanzmittel nicht der Leistung über trag im Bewußtsein um die Auswirkung von Medikamente verfügen über ein im Vergleich die sektorale Grenze der GKV. Im Ergebnis Leitlinien auf den Standard, seine Finanzie- zu den Antipsychotika der ersten Generati- besteht die Gefahr, dass die Antipsychotika rung und die Haftung des Arztes sachgerecht on günstigeres Nutzen/Risiko-Profil und mit der zweiten Generation nicht in ausreichen- zu erfüllen. Dabei sind die Erfordernisse einer einer stärkeren Besserung der Negativsym- dem Umfang der Indikation entsprechend ein- Qualitätssicherung auch und besonders für ptomatik, der depressiven Symptome und gesetzt werden. neue Methoden zu beachten. Die Validität der auch der neurologischen Defizite ein deutlich Leitlinien ist durch die Ärztliche Zentralstelle breiteres Wirkungsspektrum. Die Verträglich- Gleichwohl steht der Arzt nicht nur für Qualitätssicherung zu bestätigen. keit ist für die meisten Patienten aufgrund der in der sozial-, sondern auch zivil- geringen affektiven Einschränkungen wesent- 6. rechtlichen Pflicht, den Patienten am Gegenwärtig werden psychiatrische lich besser. medizinischen Fortschritt teilnehmen zu las- Patienten, insbesondere schizophre- Vor allem treten die extrapyramidale Sym- sen. Aus dem Behandlungsvertrag schuldet 11. ne und psychotische, nicht nur stig- ptomatik (EPS) und die teils irreversible, tar- er entsprechend dem Sorgfaltsgebot die Ein- matisiert, sondern auch diskriminiert, wenn dive Dyskinesie (TD), die bei der Therapie mit haltung des medizinischen Standards. ihnen wirksame, verträglichere und sozial sehr den Medikamenten der ersten Generation in Die Langzeittherapie mit den Medikamenten viel mehr akzeptierte Medikamente vorent- gravierender Weise die Bereitschaft des Pati- der ersten Generation entspricht diesem Stan- halten werden. enten zur Dauerbehandlung beeinträchtigt, dard wegen des ungünstigeren Nebenwir- Die solidarische Finanzierung dieser innova- wesentlich seltener auf. Durch ihren Einsatz kungsspektrums und der Spätfolgen in der tiven Therapien der Schizophrenie ist gebo- läßt sich der in der Schizophreniebehandlung Regel nicht mehr. Wirtschaftliche Zwänge ver- ten, da sie die Chance zu einem eigenver- oft beobachtete Teufelskreis - stationäre Ein- mögen jedoch eine unzureichende Beachtung antwortlichen Leben in Würde erheblich ver- stellung, Entlassung, Complianceabfall, Rück- der Sorgfaltspflichten gerade bei einer derart bessern und zugleich schwerwiegende fall, Hospitalisierung - bei sehr vielen Pati- gravierenden Erkrankung nicht zu legitimie- Nebenfolgen anderer Therapieformen ver- enten nachhaltig durchbrechen. ren, so dass der verordnende Arzt im Zwie- meiden kann. Daher werden alle Beteiligten spalt zwischen finanzieller und haftungs- des Gesundheitswesens und der Gesetzge- Die Langzeittherapie der Schizophre- rechtlicher Verantwortung steht. ber aufgefordert, sich für eine Weiterentwick- nie mit Antipsychotika der zweiten lung der GKV einzusetzen, die im Sinne der 3. Generation wird von den führenden Es ist weder mit dem Leitbild eigen- vorstehend genannten Vorgaben die Integra- Psychiatern, den Fachgesellschaften und den verantwortlicher Lebensführung noch tion innovativer Methoden ermöglicht und eine internationalen Fachverbänden daher mehr 7. mit den darin begründeten Patien- patienten- und leistungsorientierte Medizin und mehr als Therapie der ersten Wahl ange- tenrechten zu vereinbaren, dass eine bestimm- fördert. Berlin, den 4. März 2000 sehen. Ein diesbezügliches Konsensuspapier te Erkrankung nicht nach dem aktuellen Stand der World Psychiatric Association (WPA) ist in DR. EKKEHARD BAHLO, Deutsche Gesellschaft für Versicherte und Patienten e.V. (DGVP), der medizinischen Erkenntnis behandelt wird. Heppenheim; DR. JÜRGEN BAUSCH, 1. Vors. der KV Hessen, Frankfurt/Main; PROF. DR. WOLF- Vorbereitung. Daher stimmen die auf dieser Konferenz ver- GANG BRECH, 1. Vors. der KV Süd Württemberg, Freiburg; DR. ARNE BROSIG, Berufsver- band Deutscher Nervenärzte BVDN e. V., Grevenbroich; DR. THEOL. PETER DABROCK, Lehr- Die Ausgaben für die Behandlung mit den tretenen Fachgesellschaften, Körperschaften, stuhl für Systematische Theologie (Ethik) Evangelisch-Theologische Fakultät, Ruhr-Uni- Präparaten der zweiten Generation liegen aller- Interessenverbände und Experten darin übe- versität Bochum; Mitglied der Akademie für Ethik in der Medizin, Göttingen; DR. CHRISTIAN DECKERT, Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Hamburg; PD DR. DR. CHRISTIAN DIERKS, Rechts- dings deutlich höher als mit den Medika- rein, dass die Möglichkeiten der GKV, sinn- anwalt, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Medizinrecht, Berlin; PROF. DR. KLAUS- menten der ersten Generation. Diesen Aus- volle medizinische Innovationen gezielt und DIRK HENKE, Institut für Volkswirtschaftslehre, Fachgebiet Finanzwissenschaft u. Gesund- heitsökonomie , Technische Universität, Berlin; PROF. DR. HANS-JÜRGEN MÖLLER, Psychia- gaben stehen jedoch verminderte stationäre unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsge- trische Klinik der Ludwigs-Maximilians-Universität, München; PROF. DR. DIETER NABER, Einweisungen und verkürzte Aufenthaltsdau- bots in das System zu integrieren, erheblich Klinik für Psychiatrie u. Psychotherapie, Universitätsklinikum Eppendorf, Hamburg; PROF. DR. PHIL. REINHARD PEUKERT, Vors. des LV Hessen der Angehörigen psychisch Kranker, Offen- ern kompensierend gegenüber. Zugleich verbessert werden müssen. bach; Vorstandsmitglied des Dachverbandes psychosozialer Hilfsvereinigungen, Bonn

Lichtblick • Jahresheft 2000 13 HINTERGRUND

LKA warnt vor Rauschgift-Deals Newsletter www.lichtblick99.de „Crystal-Speed“ per Internet Angehörigensprechstunde lb-news: Das sächsische Landeskriminal- Durch die Nutzung des Internets gewinnt amt hat vor der zunehmend auch in der Drogenhandel nach Einschätzung des Frau S., 42, Angestellte, Witwe und Mut- Deutschland gehandelten Modedroge ter von zwei Söhnen. Der Älteste studiert Kölner Zollkriminalamtes (ZKA) „eine ganz in Berlin, der Jüngere, 18, lebt bei ihr. „Crystal-Speed“ gewarnt. Bei dem neuen neue Dimension“. Wie der Spiegel berich- Kurz vor dem Abitur wirkte er sichtlich Stoff handele es sich um ein überaus gefähr- tet, beziehen deutsche Konsumenten ille- verstört, magerte auf 40 kg ab, schlief liches Amphetaminderivat aus tschechi- gale Drogen zunehmend per Internet- nicht mehr, konnte sich nicht mehr kon- schen Laboratorien. Die Droge führe nach Bestellung aus den Niederlanden, den USA zentrieren, brach schliesslich die Schu- Einnahme weniger Dosen in die Abhängig- oder Südafrika. le ab. Er wurde in die Kinder- und keit, habe eine extrem lange Wirkungsdau- Die Zahlungen werden vom Kreditkarten- Jugendpsychiatrie eingeliefert, 60 km er von bis zu 70 Stunden und mache konto des Bestellers abgebucht. Zugestellt vom Heimatort entfernt. Verdacht auf aggressiv. Es handelt sich um eine farb- und wird der Stoff in neutralen Versandtaschen Drogenmissbrauch oder eine begin- geruchlose kristallisierte Substanz. per Post oder Kurierdienst. Auf Grund des nende psychische Krankheit. Im April nahm die Polizei in Sachsen vier enormen Aufkommens an Sendungen sei Mutter und Sohn litten noch immer unter Händler fest. Dabei wurden 1,5 Kilogramm das „Entdeckungsrisiko“ für Kurierpäckchen dem Verlust des Vaters, der an Herz- sichergestellt (Schwarzmarktwert etwa 100 „eher gering“, zitiert der Spiegel eine inter- versagen gestorben war. Ärzte sagten Mark pro Gramm). Die Herstellung geht ne Lagebeurteilung des Zollkriminalamtes. der Mutter, ihr Verhältnis zu ihrem Sohn nach Polizeiangaben auf Versuche von Che- Die deutschen Sicherheitsbehörden haben sei zu eng. Eine betreute Wohngemein- mikern in den vierziger Jahren zurück. Nach schaft wäre besser. Sie müsse dann nur mit privaten Kurierdiensten bereits spezi- noch seine Wäsche waschen. Der Sohn bisherigen Ermittlungen wird „Crystal- elle Mitarbeiterschulungen vereinbart, in wurde mit hohen Dosen Haldol behan- Speed“ in der Tschechischen Republik pro- denen das Erkennen verbotener Sendun- delt, die er nicht vertrug. Weil bei Labor- duziert und anschließend nach Deutsch- gen trainiert werden soll. Im Zollamt Ober- proben irrtümlich Opiate festgestellt wur- land geschmuggelt. Sachsen gilt wegen hausen, Umschlagplatz für Sendungen aus den, erhielt er Strafen, wie allein essen, seiner langen Außengrenze als wichtiger den Niederlanden, werden Rauschgift-Spür- früh ins Bett gehen. Sein Antrag auf Ver- Schmuggelweg. hunde auf die Importpost angesetzt. legung an den Wohnort wurde mit Hin- weis auf die (falschen) Laborwerte abge- lehnt. Nach fünf Wochen wurde er auf Altenpflegeausbildung Psychotherapeuten eigenen Wunsch entlassen. Seither Zuhause, entwickelten sich die Berlin (ots) - Die Vereinheitlichung der Alten- Schwerin (ddp) Die Psychotherapeuten in gleichen Symptome; isst, schläft und pflegeausbildung in Deutschland ist zweifel- Mecklenburg-Vorpommern befürchten eine spricht nicht. - Wir gaben Frau S. für den los angezeigt, erklärte die stellvertretende zunehmende Zahl chronischer Erkrankungen Tag X (Einweisung) Material über den Kri- Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfrak- und eine Steigerung der Selbstmordrate. sendienst und hilfsbereite Ärzte mit. tion, Dr. Maria Böhmer MdB, anlässlich der Grund dafür sei die Unterversorgung mit Als sie uns später aufsuchte, informier- Lesung des von der Bundesregierung ein- ambulanten Therapiemöglichkeiten, sagte te sie uns, dass ihr Sohn zwangsweise gebrachten Altenpflegegesetzes. der Sprecher der Interessengemeinschaft in die Klinik gebracht werden musste. Zur Zeit bestehen in 16 Bundesländern 17 ärztlicher und psychologischer Psychothe- Die Situation hatte sich dramatisch zuge- verschiedene Ausbildungsregelungen im rapeuten, Christoph Hübener. spitzt. Er zerstörte die Wohnung, Bereich der Altenpflege. Unterschiedliche Er verwies darauf, dass das Budget nur das beschimpfte und bedrohte die Mutter. Ausbildungsordnungen führen zu unter- Sterben der psychotherapeutischen Praxen Als er sich eine Pistole von einem Freund schiedlichen Qualitätsstandards. verlangsamere. „Bei Jahresnettogewinnen besorgen wollte, wandte sich die Mut- Heute sind bereits 21 Prozent der Menschen von 12 000 bis 37 000 Mark werden sich ter verzweifelt an den Krisendienst und in Deutschland über 60 Jahre alt. Deren Anteil keine neuen Therapeuten niederlassen.“ In an die Polizei. Es endete mit einer wird wachsen. Die Zahl der Demenzkranken M-V praktizieren statt den gemäß einer Bun- Zwangseinweisung ihres Sohnes. Die wird in den nächsten 10 Jahren von 800.000 desrichtlinie der KV und der Krankenkassen Mutter brach nervlich zusammen. Über auf 1,7 Mio. steigen. Eine dauerhafte und erforderlichen 170 ambulanten Therapeuten die ersten Stunden hinweg half ihr eine Rechtssicherheit schaffende einheitliche nur 54. Dies habe zur Folge, dass viele psy- Freundin. Nach einem Besuch in der Kli- rechtliche Grundlage für die Altenpflege sei chisch kranke Menschen mit ihren Proble- nik und Gespräch mit dem Arzt machte daher unerlässlich, so Dr. Maria Böhmer. men allein gelassen würden, die sie dann auf sich bei der Mutter eine weitere Enttäu- Denkbar wäre eine einheitliche Regelung der andere Weise „lösen“ müssten. schung breit. Ihr Sohn glaubt, der Vater Altenpflegeausbildung im Rahmen einer neu- Neben einer erhöhten Suizidrate könne es habe Selbstmord begangen und die en Vereinbarung der Kultusministerkonferenz daher auch zu einer Zunahme des Alkohol- Mutter sei daran schuld. Der Gedanke, und der Sozialministerkonferenz. und Drogenmissbrauchs und der Gewalt- dass er seit dem Tod des Vaters neben Durch das Gesetz droht die Absenkung des bereitschaft kommen, sagte Hübener. Pati- ihr mit dem heimlichen Vorwurf gelebt Ausbildungsniveaus innerhalb der Altenpfle- enten, die dringend eine Therapie brauchen, hat, sie habe den Vater in den Tod getrie- ge. Die Gesetzesvorlage der Bundesregie- müssten bis zu einem Jahr auf ihre Behand- ben, hat sie sehr verletzt. Ein Zusam- rung geht von einer dreijährigen Ausbil- lung warten. menleben erscheint ihr nun fast unmög- dungsdauer aus. Der Entwurf bietet die Mög- Die Sprecherin des Sozialministeriums, Clau- lich. Alles könne sie nicht mit Krank- lichkeit die Ausbildungszeit zu verkürzen. dia Schreyer, kündigte an, Ministerin Mar- heit entschuldigen. Sie wolle ihm nun Zweifelhaft ist, ob mit der verkürzten Ausbil- tina Bunge (PDS) werde sich dafür einset- eine Eigentumswohnung besorgen. Wir empfehlen ihr, sich diesen Schritt zu dungszeit der derzeitige Qualitätsstandard zen, dass es zwischen der KV und den übri- überlegen und verweisen auf das in der Altenpflege aufrecht erhalten werden gen Kassen zu Vereinbarungen komme, die kann. Gelingt dies nicht, werden die Pfle- mit jener vergleichbar seien, die zwischen Betreute Wohnen. lsm genden zu den Leidtragenden. AOK und KV ausgehandelt worden ist.

14 Lichtblick • Jahresheft 2000 HINTERGRUND

Ecstasy-Folgeschäden befürchtet Newsletter www.lichtblick99.de Eine jetzt in Großbritannien veröffentlichte nes Ecstasy gesundheitlich unbedenklich Canabis ist eine Studie weist auf einen Zusammenhang sei. Von diesem fahrlässigen Konzept müs- zwischen Conterganartigen Mißbildun- se sich die Bundesregierung umgehend psychoaktive Droge gen und Ecstasy (MDMA) hin. Es ver- verabschieden, so Hüppe. Er verweist auf „Es gibt deutliche Hinweise darauf, dass dichten sich die Hinweise, dass Ecsta- das von der ehemaligen Bundesregierung Cannabis die Auslösung einer latenten sy für irreparable Hirnschäden, insbe- unterstützte Modellprojekt zur Ecstasy- schizophrenen Psychose bei vulnerablen sondere Gedächtnisdefizite verantwort- Prävention und -Beratung in Rostock, das Personen beschleunigen kann.“ Zu die- lich ist. nun eine duchweg positive Bilanz vorle- ser Einschätzung kommt Dr. med. Fran- gen konnte. Die rot-grüne Bundesregie- jo Grotenhermen vom Berliner Institut für Vor den gesundheitsschädigenden Wir- rung verharre aber weiterhin in Tatenlo- onkologische und immunologische For- kungen von Ecstasy warnt der drogenpoli- sigkeit, „statt endlich die zielgruppenspe- schung. Cannabis kann möglicherweise tische Beauftragte der CDU/CSU-Bundes- zifische Prävention auszubauen“. Entge- bei vorliegender Erkrankung den Verlauf tagsfraktion, Hubert Hüppe. Er fordert gen der Empfehlung des Gesundheits- ungünstig beeinflussen. Umstritten ist umgehende Konsequenzen für Drogenfor- ausschusses wurden die Mittel für Präven- jedoch, ob Cannabis eine chronische schung und Prävention bei Ecstasy. tion im Haushalt 2000 drastisch gekürzt. organische Psychose verursachen kann. Stattdessen diskutiere die Drogenbeauf- „Wer jetzt die Augen vor der immensen Die Vulnerabilitätstheorie besagt, dass tragte der Bundesregierung immer noch gesundheitspolitischen Bedrohung durch eine Person eine Prädisposition für die das sogenannte „Drug Checking“, wo vor Ecstasy-Folgeschäden verschließt, riskiert Entwicklung einer Schizophrenie auf- Ort Esctasy-Pillen auf Hauptinhaltstoffe in kürzester Zeit mit den fatalen Folgen kon- weise, die Erkrankung aber erst dann untersucht werden sollen. Diese Über- frontiert zu werden“, betont Hubert Hüppe. ausbreche, wenn sie durch einen Stres- prüfung auf „Reinheit“ der Pillen geht von In Deutschland gibt es etwa eine Million sor „getriggert“ wird. Cannabiskonsum der unhaltbaren Annahme aus, dass rei- Ecstasy-Konsumenten. newsaktuell.de könnte ein solcher Stressor sein. Cannabisprodukte sind psychoaktive Drogen, die aus Pflanzenteilen des Indi- Für die Entwicklung des Jugendlichen zu einer beziehungsfähigen, eigenständigen schen Hanfs gewonnen werden. Mari- Persönlichkeit ist in der heutigen Zeit das Drogenproblem eine gefährliche Klip- huana besteht aus getrockneten Pflan- pe. Drogen machen abhängig, verarmen das Gefühlsleben, vernebeln das Denken zenteilen und sieht aus wie Tee und Gras. und verhindern eine konstruktive Lösung der anstehenden Lebensaufgaben. In Haschisch ist eine krümel- oder pulver- ganz Europa hat das Drogenproblem in der letzten Zeit stark zugenommen und förmige oder zu Platten gepresste Sub- wird immer mehr zu einer echten Bedrohung unserer Gesellschaft. Davon sind in stanz mit den Farben rot, grün, braun erster Linie Jugendliche und deren Familien betroffen. oder schwarz. Haschischöl ist schwarz- Dr. sc. nat. ETH Franziska Haller, eidg. dipl. Apothekerin und Psychologin (lic. phil. I) braun und hat den höchsten Anteil am Wirkstoff THC (Tetrahydrocannabinol). Konsumiert werden Cannabisprodukte Recherchiert... entweder eingebacken in Gebäck, als Tee oder sie werden in Joints oder Pfei- 1. Cannabis ist weltweit die am meisten gefährdet dieser unbeteiligte Mitmenschen. fen pur oder mit Tabak vermischt konsumierte illegale Droge. Ihr Anteil Untersuchungen belegen, dass z.B. die Ver- geraucht. am illegalen Drogenmarkt beträgt schät- kehrstauglichkeit von Cannabis- und Ecsta- zungsweise 50 Prozent. Dies entspricht sykonsumenten eingeschränkt ist. Diese Drogen bewirken eine Verände- nach amerikanischen Angaben einem Wert Kampagnen gegen das Rauchen und Trin- rung der Sinneswahrnehmung, des Farb- von 250 Milliarden Dollar. ken tragen heute erste Früchte. Warum soll und Geräuschempfindens und des beim illegalen Drogenkonsum solange Raum- und Zeitgefühls. Der Betroffene Das Abhängigkeitspotential von Cann- gewartet werden, bis noch mehr irreparable ist geistig abwesend und kann sich nicht 2. abis wird im allgemeinen unterschätzt. Schäden entstanden sind und uns die sozia- konzentrieren. Die Risiken bei Cannabis Mit zunehmender Toleranz der Gesellschaft len Folgen zu raschem Handeln zwingen? bestehen in der Gefahr der psychischen gegenüber dieser Droge erhöht sich die Zahl Abhängigkeit, bei Apathie und Antriebs- von süchtigen Menschen. losigkeit. Es treten unerwartete Rausch- Haschisch senkt die Hemmschwelle symptome auf. 3. für den Konsum anderer Rauschgif- Faktoren Wie die Bundeszentrale für gesundheit- te, zum Beispiel auch für das Rauchen des liche Aufklärung herausgefunden hat, äußerst gefährlichen „Crack“ beziehungs- Verfügbarkeit von Drogen! sind junge Leute zunehmend bereit, ille- weise „Freebase“, der rauchbaren Form von gale Drogen zu probieren. Das gelte vor Kokain. Soziale Akzeptanz! allem für Cannabis, Ecstasy und Amphe- tamine. Wenn ein entsprechender Ver- Die gesundheits- und gesellschafts- Gruppendruck! 4. Individuelle Empfänglichkeit! dacht besteht, sollten Eltern sich an schädigenden Wirkungen werden seit Beratungsstellen wenden; das Anliegen langem von verschiedenen Gruppen syste- Notlagen und Krisen! der Eltern wird vertraulich behandelt. Bei matisch verharmlost. Das Ziel des Dro- Hinweisen auf illegalen Drogenhandel genkonsums ist aber das Herbeiführen sollte die Polizei verständigt werden. EB eines Rauschzustandes. Nicht zuletzt Drogenkonsum!

Lichtblick • Jahresheft 2000 15 KOOPERATION

„Make Partnerships Work“ Kräfte bündeln für psychisch Kranke

Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker (BApK) und Lilly Deutschland GmbH unterzeichnen Kooperationsvereinbarung

Der Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker e.V. (BApK) unter- zeichnete am 16. Juni 2000 im Rahmen einer feierlichen Veranstaltung eine Kooperationsvereinbarung mit der Lilly Deutschland GmbH in Hamburg. In frei- williger Partnerschaft wolle man sich gegen die Stigmatisierung von psychisch erkrankten Menschen, insbesondere Schizophrenie-Patienten, und deren Angehörigen einsetzen und sich für die Teilhabe dieser Patienten am medizi- nischen Fortschritt stark machen. Lilly Deutschland GmbH ist das erste Phar- maunternehmen, das eine Vereinbarung mit dem Verband getroffen hat. Feierliche Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung

Hamburg (ots/lb-news) Beide Partner kön- aus Erfahrung weiß. Er sagte: „Ausgangs- bandes der Angehörigenverbände (EUFA- nen bereits auf eine Reihe erfolgreicher, punkt für eine Verbesserung der quadrolo- MI) basiert, soll sukzessiv im Bereich der gemeinsam durchgeführter Projekte zurück- gischen Beziehungen kann dabei die Anti- Öffentlichkeitsarbeit erweitert werden. Zudem blicken. Bei der Kooperationsvereinbarung stigma-Kampagne sein, wenn es gelingt alle vereinbarten die Kooperationspartner, dass geht es darum die Kräfte zu bündeln“, sag- beteilgten Gruppen angemessen für eine Mit- weitere Sponsoren einbezogen werden kön- te Burkhard Raming, Marketing Medical arbeit zu gewinnen.“ nen. Coordinator ZNS der Lilly Deutschland Ursula Brand, Vorstandsmitglied BApK und Rund ein Prozent der Bevölkerung erkrankt GmbH, Bad Homburg, „um - so gestärkt - Mitglied im Beirat MedNet (Forschungspro- an Schizophrenie - in Deutschland sind dies schrittweise durch Umsetzung gemeinsa- jekt „Schizophrenie“ und „Depression und rund 800.000 - weltweit 45 Millionen Men- mer Projekte einen Beitrag für psychisch Suizidalität“) brachte das gemeinsame Ziel schen. Nach jüngsten Vorhersagen der Welt- kranke Menschen in Deutschland leisten zu gesundheitsorganisation (WHO) wird die Zahl können.“ psychischer Störungen in den nächsten Jah- Der Vorsitzende des BApK, Dr. Alfred Spei- «Man kann einen einzelnen ren dramatisch ansteigen und sich zu einer del, ist davon überzeugt, dass die Koope- Bambusstab durchbrechen, aber nicht „Krise des 21. Jahrhunderts“ entwickeln, so ration beiden Partnern von Nutzen sein wird. ein ganzes Bündel gleichzeitig» die WHO. Aus diesem Grund hat die Orga- Für ihn ist Öffentlichkeitsarbeit ein zentra- nisation psychische Erkrankungen zu einem ler Bestandteil der Vereinbarung, um die Stig- Chinesisches Sprichwort Schwerpunktbereich ihrer Arbeit erklärt. matisierung psychisch Kranker und deren Der Bundesverband der Angehörigen psy- Familien abzubauen. der Kooperationspartner auf den Punkt: „Ver- chisch Kranker wurde 1985 gegründet. Der Prof. Dieter Naber, Geschäftsführender Direk- besserung der Lebensqualität von Famili- Verband versteht sich als Interessenvertre- tor der Klinik für Psychiatrie und Psycho- en und ihren kranken Angehörigen.“ tung für Patienten, die in der Regel nicht therapie am Universitäts-Krankenhaus Außerdem verwies sie auf einen wichtigen für sich selbst sprechen können. Eppendorf/Hamburg, lobt das Engagement Aspekt: „Sicher ist, dass in einem entspre- Die Lilly Deutschland GmbH ist eine Tochter beider Seiten als vorbildlich und bezeichnet chenden Umfeld, im Kontext eines breiten von Eli Lilly and Company, einem weltweit die Kooperationsvereinbarung als einen Therapieangebotes auch atypische Antip- tätigen, forschungsorientierten pharmazeu- wesentlichen Fortschritt, um verstärkt beste- sychotika ihre gewünschte Wirkung bes- tischen Unternehmen mit Sitz in Indianapo- henden Vorurteilen und Wissensdefiziten ser entfalten können, als in einem Umfeld, lis/USA. In Deutschland beschäftigt das in der Bevölkerung zu begegnen. Das ist im in dem «Ruhigstellen« oft erster Therapie- Unternehmen an drei Standorten - Bad Hom- Alleingang kaum zu bewältigen, wie Peter ansatz sein muss.“ burg, Hamburg und Gießen - rund 1.000 Mit- Arp, BApK-Mitglied und Fördermitglied im Die Kooperationsvereinbarung, die auf einer arbeiter. Bundesverband der Psychiatrie-Erfahrenen, Empfehlung des europäischen Dachver- Foto: Roland Hartig

Peter Arp: ÇSocial SponsoringÈ Ursula Brand: Ein gegenseitiges Dr. Nick Schulze-Solce, Mitglied Dr. Alfred Speidel: Das Projekt Burkhard Raming: Unser Ziel ist hat in Deutschland noch keine Abtasten und Informieren war der der deutschen Geschäftsführung Öffentlichkeitsarbeit ist zentraler es, dem Patienten zu helfen. Das gro§e Tradition. Die Kooperation Beginn. Es waren z.B. ein ãoffe- Lilly: Dieses Beispiel wird zur Bestandteil dieser Kooperations- hei§t für ihn, trotz Erkrankung bietet eine Chance Projekte der ner Brief an Entscheidungsträger“ Überbrückung von Berührungs- vereinbarung. Die ehrenamtlichen familiär eingebunden zu sein, trotz Selbsthilfe weiterhin umsetzen zu und ein Seminar für Öffentlich- ängsten zwischen Selbsthilfe und Mitglieder unseres Verbandes Erkrankung arbeiten zu können, können. keitsarbeit in Frankfurt/Main. Industrie beitragen. können dies alleine nicht leisten. eine Wohnung zu haben.

16 Lichtblick • Jahresheft 2000 ERFAHRUNGEN

Wege aus der Einsamkeit Newsletter www.lichtblick99.de

Erfahrungsbericht von Thomas Greve Bulimie - eine Stoff- Mit meinem Artikel möchte ich zeigen, wie ker e.V. (LApK), Roland Hartig, kennen. Er wechselkrankheit? man Wege aus der Einsamkeit finden kann. berichtete, dass der Verband im Rahmen Vor zwei Jahren war ich aufgrund einer psy- der Selbsthilfe eine Zeitung herausbringt. Die gefährliche Essstörung Bulimie ist chischen Erkrankung und der Nebenwir- Auch stellte er mir die Internetausgabe vor. mehr auf eine Fehlfunktion des Gehirns kungen der damals verordneten typischen Später würde eine Mailingliste hinzukom- als auf den Wunsch, dünn zu sein Neuroleptika sehr depressiv. Ich kapselte men. Nicht nur das, ein Online-Café ent- zurückzuführen. Darauf deuten neue For- mich von der Außenwelt ab. Dabei ging es stehe gerade im Haus. Ansprechpartner ist schungen hin. Britische Wissenschaft- mir immer schlechter und ich konnte mich der Partnerverein „Kontakt halten e.V.“ ler hatten bei bulimiekranken Frauen eine fast nicht mehr allein in meiner sonst so Genau das Richtige für mich, sagte ich mir. deutliche Unterversorgung des Körpers schönen Apartmentwohnung aufhalten, da Schließlich bin ich gelernter Datenverar- mit der Aminosäure Tryptophan gefun- ich immer trauriger wurde. beitungskaufmann und verfüge über Inter- den. Tryptophan spielt indirekt eine wich- net-Erfahrungen. tige Rolle beim Essverhalten. Das musste sich Die Aminosäure ist Bestandteil vieler Mein Interesse an ehrenamtlicher Mitarbeit Lebensmittel und wird im Körper nor- umgehend ändern wurde geweckt. Damit ich einen regel- malerweise dazu benutzt, um Serotonin mäßigen Anlaufpunkt dort hatte, vereinbar- herzustellen, ein Hormon, dass die Stim- Oft zog es mich zurück in die elterliche ten wir anfangs wöchentlich zwei feste Ter- mung und den Appetit reguliert. Wohnung, und das mit 28 Jahren. Damit mine. Als Mitglied im Arbeitskreis Online- Die Forscher stellten fest, dass ein nied- stieg die Belastung meiner Eltern. Wir Café wartete und reparierte ich Compu- riger Serotoninspiegel im Gehirn offen- machten uns schon Gedanken über das ter und half Neueinsteigern beim Umgang sichtlich zu den gleichen Symptomen Betreute Wohnen. Doch das mit der Computersoftware. wollte ich nicht. Dafür hing ich Heute betreue ich von Zeit zu führe, wie sie bei Bulimie auftreten. Das zu sehr an meiner Wohnung. Zeit ehrenamtlich im neu ein- sei ein Hinweis darauf, dass Bulimie Besonders die damit verbun- gerichteten „Atelier Lichtblick“ nicht nur eine psychische Störung, son- dene Freiheit wollte ich nicht des LApK die Lichtblick- dern auch eine körperliche Krankheit sei. aufgeben. Aber so richtig Homepage, die Mailingliste Für die Forscher steht ein endgültiger konnte ich sie nicht nutzen. Als und beim Verein Kontakt hal- Beweis für diese These allerdings noch Erwerbsunfähigkeitsrentner ten das Internet-Café. aus, da die Anzahl der Testpersonen ver- fühlt man sich irgendwie wege- gleichsweise gering gewesen sei. schoben. So dachte ich Mein erster befristeter Archives of General Psychiatry, 14.2.1999, Katharine A. Smith, University of Oxford GB damals. Das musste sich 630-Mark-Job umgehend ändern. Meine Eltern halfen mir und ich Medikamente zwang mich wieder dazu, die Tage zu pla- Inzwischen ermöglichte mir der LApK durch nen. Es fing damit an, dass ich wieder die Vermittlung eines Sponsor den Besuch Aufklärung per E-Mail regelmäßiger zum Spazieren nach War- eines Computerlehrgangs im Bereich nemünde fuhr. Zunächst in Begleitung mei- Novell-Netzwerke. Trotz anfänglicher Lern- Ein neuer Beratungsservice von Net- ner Mutter, später allein. Die frische Luft tat blockaden habe ich die Prüfung zum inter- Doktor will jetzt Schluss machen mit den mir gut. nationalen Zertifikat „Certified Novell Admi- Unklarheiten zu Wirkungen und Neben- Ich begann mich neu zu orientieren. Selbst nistrator 5.0“ geschafft. Darauf bin ich stolz, wirkungen von Medikamenten. meine Beschäftigung am Computer stell- auch darauf, dass ich den fast einjähri- Unter der Adresse www.netdoktor.de te ich auf den Prüfstand. Bislang war es nur gen Kurs nicht abgebrochen habe. Schließ- beantworten Arzneimittel-Experten unter Zeitvertreib und Unterhaltung. In Verges- lich weiß ich, was ich heute will: nichts ver- Leitung der erfahrenen Apothekerin Mari- senheit geratene Begabungen entdeckte passen, mitreden, dabei sein! Und auf wich- on Sauer kostenlos per Email den Besu- ich wieder: z.B. das konzentrierte Arbeiten tige „Sicherheitsgurte“ kann ich mich ver- chern alle Fragen rund um Medikamen- an einem Projekt. Meine erste eigene Hom- lassen: auf meine Freunde, meine Eltern, te und Heilpflanzen. Neben dem Email- page entstand. Über diese lernte ich ande- meine Psychiaterin und last but not least, Service steht den Besuchern eine re PC-Anwender kennen, auch einen Web- auf mein Medikament. Immerhin, danach umfangreiche Medikamentendatenbank master, der nur 30 Kilometer von mir ent- konnte ich jeden Mittwoch ein Praktikum mit mehr als 20.000 deutschen Arznei- fernt bei Heiligendamm wohnt. Meine Eng- in einer Computerfirma absolvieren. mitteln zur Verfügung. Das Nachschla- lisch- und HTML-Kenntnisse musste ich gewerk informiert über Wirkweise, Und Jetzt? Kaum zu glauben, seit zwei auffrischen, schon wegen „HotDog“, ein Nebenwirkungen, Wechselwirkungen Monaten habe ich einen befristeten 630- englischsprachiges Profi-Programm für und Warnhinweisen in leicht verständ- Mark-Job. Das ist mehr als nur ein Weg aus Web-Seiten. Und plötzlich - aus eigenen licher Sprache. der Einsamkeit! Dennoch, leicht und unbe- Kräften und vielleicht auch mit Hilfe der vor- Das Angebot umfasst neben den Medi- genommenen Medikamentenumstellung schwerlich war und ist dieser nicht. Wie überall im Leben gibt es Höhen und kamenten-Informationen rund 1500 Arti- auf ein atypisches Neuroleptika - kam der kel zu Krankheiten, Ratschlägen, Unter- Ruck, ich wollte mich von jetzt an auch mit Tiefen, die gemeistert werden müssen. Ich wünsche mir, dass dieser Beitrag einige suchungen, Kindergesundheit und vie- Leuten vor Ort treffen und austauschen. les mehr. Interaktive Gesundheits- So lernten meine Mutter und ich den Koor- Anregungen für Betroffene in ähnlicher Lage gibt. Checks, Chat-Räume und Diskussions- dinator des Landesverbandes MV der foren ergänzen das Angebot. Angehörigen und Freunde psychisch Kran- Thomas Greve

Lichtblick • Jahresheft 2000 17 HINTERGRUND

Gemeinsame und einheitliche Grundsätze der Spitzenverbände der Krankenkassen Newsletter www.lichtblick99.de zur Förderung der Selbsthilfe gemäß § 20 Abs. 4 SGB V vom 10. März 2000 Tag des Archivs am 19. Mai 2001 Auszüge aus der Vereinbarung Selbsthilfeförderung ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Daher lb-news/rh: Die Mitglieder des Vereins zur Förderung der Selbsthilfe sollten sich die öffentliche Hand, die Sozialversicherungs- Deutscher Archivare wollen erstmals am träger (Renten-, Kranken- und Unfallversicherung) und 19. Mai 2001 bundesweit zu einem „Tag AOK-Bundesverband, Bonn-Bad Godesberg Bundesverband der Betriebskrankenkassen, Essen die Private Krankenversicherung an der Förderung der des Archivs“ einladen. Bereits eine erste IKK-Bundesverband, Bergisch Gladbach Selbsthilfe beteiligen. Die Stärkung der Selbsthilfe durch die Probe fand am 28. Mai in dem in Pulheim Bundesverband der landwirtschaftlichen gesetzlichen Krankenkassen soll und darf nicht zu einem beheimateten Archiv des Landschafts- Krankenkassen, Kassel Rückzug anderer Kostenträger wie beispielsweise der öffent- verbandes Rheinland, statt. Dort zeigten Bundesknappschaft, Bochum lichen Hand führen. Vielmehr sollte sie dazu beitragen, die Archivare nicht nur ihre Bestände, sie See-Krankenkasse, Hamburg die Bereitschaft der anderen Sozialleistungsträger und verwiesen auch auf ihre Dienste. Hier Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V., Siegburg der öffentlichen Hand zu steigern, die Selbsthilfe ihrer- lagern etwa 30.000 Fotos und umfang- AEV - Arbeiter Ersatzkassen-Verband e.V., Siegburg seits durch eine ma§gebliche Erhöhung ihres finanziellen reiches Informationsmaterial aus dem Engagements zu fördern. Diese Auffassung des Gesetz- Rheinland. Das Archiv hat als Schwer- in Kooperation mit Bundesarbeitsgemeinschaft Hilfe für gebers wird von der gesetzlichen Krankenversicherung und punkt unter anderem die überregionale Behinderte e.V., Düsseldorf • Deutscher Paritätischer Wohl- den Vertretern der Selbsthilfe geteilt und liegt diesen Gesundheitspflege, die Psychiatrie, den fahrtsverband - Gesamtverband e.V., Frankfurt ¥ Deutsche ãGemeinsamen und einheitlichen Grundsätzen der Spit- Strassenbau, die Jugendfürsorge, die Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V., Giessen zenverbände der Krankenkassen zur Förderung der Selbst- rheinische Museumstradition und die hilfe“ zugrunde. Denkmalpflege. Auch Dokumente der 1. Präambel Für die Förderung der Selbsthilfe gelten ab dem Jahr 2000 früheren Rheinprovinz können eingese- die nachstehenden grundsätzlichen Ausführungen zur finan- Viele Gesundheitsbedürfnisse können von der Medizin nicht ziellen Unterstützung. hen werden. Studenten, Doktoranten, oder nicht alleine erfüllt werden. Dies gilt insbesondere Historiker, Mediziner, Journalisten, Hei- für die Information, Beratung und Betreuung der Betroffe- 2. Gesetzliche Grundlage matforscher, Schüler und Lehrer wissen nen in Fragen der Gesundheit und Krankheit bzw. ihrer den Service zu schätzen. Kontakt: 50259 Bewältigung. Die Möglichkeiten der Selbsthilfeförderung durch die Kran- Pulheim, Landschaftsverband Rheinland, Seit Anfang der 70er Jahre ist ein zunehmender Aufbau von kenkassen ab dem Jahr 2000 sind in der Neufassung des Ehrenfriedstr. 19, Tel. 02234 - 98 54 - 343. Selbsthilfegruppen, Selbsthilfeorganisationen und Selbst- ¤ 20 Absatz 4 SGB V geregelt. Um sich zurechtzufinden gibt es sogar hilfekontaktstellen zu verzeichnen. Die von Bürgern initiierte ¤ 20 Abs. 4 SGB V eine Übersicht der Bestände in NRW im Selbsthilfebewegung nimmt in unserem Sozial- und Gesund- ã(4) Die Krankenkasse soll Selbsthilfegruppen, -organisa- Internet, die ständig komplettiert wird. heitssystem inzwischen einen festen Platz ein. Sie ergänzt tionen und -kontaktstellen fördern, die sich die Prävention http://www.archive.nrw.de in vielfältiger und wirksamer Weise die institutionellen bzw. oder die Rehabilitation von Versicherten bei einer der im professionellen Angebote der gesundheitlichen Versorgung. Verzeichnis nach Satz 2 aufgeführten Krankheiten zum Ziel Der Erfolg der Selbsthilfe beruht vor allem auf Eigeninitia- gesetzt haben. Die Spitzenverbände der Krankenkassen Auf dem Tellerrand / Denken über tive und Eigenverantwortung ihrer Mitglieder. beschlie§en gemeinsam und einheitlich ein Verzeichnis der Grenzen in der Sozialpsychiatrie Die gesetzlichen Krankenkassen unterstützen und fördern Krankheitsbilder, bei deren Prävention oder Rehabilitation seit Jahren die Aktivitäten der Selbsthilfe zur Prävention oder eine Förderung zulässig ist; sie haben die Kassenärztli- lb-news/rh: In Berlin veranstaltet die Deut- Rehabilitation von Krankheiten und Behinderungen sowie che Bundesvereinigung und Vertreter der für die Wahr- sche Gesellschaft für Soziale Psychia- die der Selbsthilfekontaktstellen durch immaterielle und finan- nehmung der Interessen der Selbsthilfe ma§geblichen Spit- trie (DGSP) vom 2. bis 4. November 2000 zielle Hilfen. Die gesetzlichen Krankenkassen verstehen zenorganisationen zu beteiligen. Die Spitzenverbände der eine Fachtagung zum Thema „Auf dem unter der Selbsthilfe gemäß § 20 Abs. 4 SGB V: Krankenkassen beschlie§en gemeinsam und einheitlich Tellerrand / Denken über Grenzen in der ❑ eine besondere Form des freiwilligen gesundheitsbe- Grundsätze zu den Inhalten der Förderung der Selbsthil- Sozialpsychiatrie“. Der bisherige Stand zogenen Engagements. Sie findet innerhalb selbst orga- fe; eine über die Projektförderung hinausgehende Förde- der Vorbereitung verspricht ein «Lostre- nisierter, eigenverantwortlicher Gruppen, in denen sich rung der gesundheitsbezogenen Arbeit von Selbsthilfe- ten von Brennpunkt-Themen», die bis- Betroffene einschlie§lich ihrer Angehörigen zusam- gruppen, -organisationen und -kontaktstellen durch Zuschüs- lang in Psychiatrie und Selbsthilfe ent- menschlie§en, statt. se ist möglich. Die in Satz 2 genannten Vertreter der Selbst- weder nicht erörtert oder nur von einer ❑ Hilfe außerhalb der Sphäre privater Haushalte und Fami- hilfe sind zu beteiligen. Die Ausgaben der Krankenkasse für Seite bzw. Strömung beleuchtet bzw. lien sowie professioneller Dienstleistungssysteme. die Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach Satz 1 sollen ins- „diktiert“ wurden. Gleich zwei Vorträge gesamt im Jahr 2000 für jeden ihrer Versicherten einen ❑ gesundheitsbezogene Initiativen, Projekte oder Organi- Betrag von einer Deutschen Mark umfassen; sie sind in den sind geplant, die sich mit der „Entwick- sationen im Übergangsbereich zu professionellen Dienst- Folgejahren entsprechend der prozentualen Veränderung lung der Sozialpsychiatrie im Verhältnis leistern. Ihre Leistungen beruhen hauptsächlich auf frei- der monatlichen Bezugsgröße nach ¤ 18 Abs. 1 des Vier- zur biologistischen Psychiatrie“ (Prof. A. willigem Engagement und Ehrenamtlichkeit. Finzen/Prof. Rüther) beschäftigen. Mit ten Buches anzupassen.“ den „Blinde(n) Flecken in der sozialp- Zur Unterstützung der Selbsthilfe haben die Spitzenver- Der Gesetzgeber macht die Förderung der Selbsthilfe als bände der Krankenkassen im Interesse einer einheitlichen sychiatrischen Wahrnehmung“ wird sich Soll-Vorschrift zu einer gesetzlichen Aufgabe der Kranken- Rechtsanwendung gemeinsam und einheitlich Grundsätze der Psychiatriekritiker und Verleger Peter kassen und verstärkt materiell-rechtlich die bisherige Rege- zur Förderung der Selbsthilfe beschlossen. Sie beziehen Lehmann auseinandersetzen. Weitere lung. Es wird ein Richtwert von DM 1,00 pro Versicherten sich ausschließlich auf die finanzielle Förderung der Selbst- pro Jahr vorgegeben. Die Selbsthilfeorganisationen werden Beiträge tragen folgende Arbeitstitel: hilfe und regeln Voraussetzungen, Inhalt, Umfang und For- nun ausdrücklich in die Förderzuständigkeit der gesetzli- „Mauer im Kopf“, „Krisen, die im Dun- men dieser Förderung sowie die Abstimmung mit ande- chen Krankenversicherung aufgenommen. keln ablaufen - Angehörige zwischen den ren Fördersträngen. Die vielfältigen Formen und Möglich- Eine Förderung von Selbsthilfegruppen, -organisationen und Fronten“, „Können wir die Kluft zwischen keiten der immateriellen, sächlichen und strukturellen För- -kontaktstellen soll dann erfolgen, wenn sie sich die Präven- Psychiatrie und forensischer Psychiatrie derung bleiben hiervon unberührt. Die Vertreter der für die tion oder Rehabilitation von Versicherten bei bestimmten überwinden“ und „Entwicklung der Sozi- Wahrnehmung der Interessen der Selbsthilfe ma§geblichen Erkrankungen zum Ziel gesetzt haben. Prävention wird hier alpsychiatrie in Polen und Finnland“. Eine Spitzenorganisationen (Bundesarbeitsgemeinschaft Hilfe im Sinne von Sekundär- bzw. Tertiärprävention verstanden. DGSP-Tagung mit Weitblick, sogar über für Behinderte e.V., Deutscher Paritätischer Wohlfahrts- Selbsthilfegruppen, -organisationen und -kontaktstellen den Tellerrand hinaus. verband - Gesamtverband e.V., Deutsche Arbeitsgemein- mit ausschlie§lich primärpräventiver Zielsetzung werden Kontakt und weitere Informationen: DGSP, schaft Selbsthilfegruppen e.V.*) wurden bei der Erarbeitung nicht gefördert (vgl. hierzu ¤ 20 Abs. 1 und 2 SGB V). Der Stuppstr. 14, 50823 Köln, Tel. 0221-51 10 02 dieser Grundsätze beteiligt. Gesetzgeber unterstreicht mit dieser Formulierung einen *Nachfolgend ãVertreter der Selbsthilfe“ genannt engen Zusammenhang zu medizinischen Erfordernissen.

18 Lichtblick • Jahresheft 2000 HINTERGRUND

3. Begriffsbestimmung im Sinne Bestehenden Selbsthilfegruppen bieten sie infrastruktu- des § 20 Abs. 4 SGB V relle Hilfen wie z.B. Räume, Beratung und supervisorische Newsletter www.lichtblick99.de 3.1 Selbsthilfegruppen Begleitung in schwierigen Gruppensituationen oder bei Pro- Selbsthilfegruppen sind freiwillige Zusammenschlüsse von blemen an. Selbsthilfekontaktstellen stärken die Koopera- Menschen auf örtlicher/regionaler Ebene, deren Aktivitäten tion und Zusammenarbeit von Selbsthilfegruppen und Pro- Lichttherapie fessionellen (insbesondere Ärzten). Durch Öffentlichkeits- sich auf die gemeinsame Bewältigung von Krankheiten Dunkle Wintertage können zu depressi- und/oder psychischen Problemen richten, von denen sie - arbeit (beispielsweise die Durchführung von Selbsthilfeta- gen) tragen Selbsthilfekontaktstellen zur größeren Bekannt- ven Verstimmungen führen. Ärzte spre- entweder selbst oder als Angehörige - betroffen sind. Sie chen von Saisonal Abhängiger Depres- wollen mit ihrer Arbeit keinen materiellen Gewinn erwirt- heit und Akzeptanz von Selbsthilfegruppen bei. Selbsthil- schaften. Ihr Ziel ist eine Veränderung ihrer persönlichen fekontaktstellen sind Agenturen zur Stärkung der Eigen- sion (SAD). Die normale Raumbeleuch- Lebensumstände und häufig auch ein Hineinwirken in ihr verantwortung und gegenseitigen freiwilligen Hilfe. Sie neh- tung liegt in der Regel bei 300 bis 500 Lux. soziales und politisches Umfeld. In der regelmäßigen, meist men eine Wegweiserfunktion im System der gesundheitli- Heute ist bekannt, dass der Mensch eine wöchentlichen Gruppenarbeit betonen sie Gleichstellung, chen und sozialen Dienstleistungsangebote wahr und ver- bestimmte Lichtmenge pro Tag braucht, gemeinsames Gespräch und gegenseitige Hilfe. Die Ziele folgen rehabilitative und präventive Zielsetzungen. Selbst- wenn die komplexen Vorgänge im Kör- hilfekontaktstellen verbessern die Infrastruktur für die Ent- von Selbsthilfegruppen richten sich vor allem auf ihre Mit- per reibungslos ablaufen sollen. Als Takt- stehung und Entwicklung von Selbsthilfegruppen. glieder. Darin unterscheiden sie sich von anderen Formen geber für den biologischen Lebensrhy- des Bürgerengagements. Selbsthilfegruppen werden nicht 3.4 Krankheitsverzeichnis nach § 20 Abs. 4 SGB V thmus wirkt Licht erst bei einer Intensität von professionellen Helfern (z.B. Ärzten, Therapeuten, ande- Das in der Gesetzesfassung bereits anlässlich der Änderung ren Medizin- oder Sozialberufen) geleitet; manche ziehen von mindestens 2.000 Lux. Diese Hel- des ¤ 20 SGB V im Rahmen des Beitragsentlastungsge- jedoch gelegentlich Experten zu bestimmten Fragestel- ligkeit wird zwar auch im Winter tagsü- setzes vom 01.11.1996 enthaltene Verzeichnis der Krank- lungen hinzu. ber im Freien erreicht, aber viele Men- heitsbilder, bei denen eine Förderung der Selbsthilfe zuläs- schen kommen eben gerade in den Win- sig ist, wurde von den Spitzenverbänden der Krankenkas- 3.2 Selbsthilfeorganisationen termonaten tagsüber kaum nach draus- sen unter Beteiligung der Kassenärztlichen Bundesverei- Vielfach haben sich Selbsthilfegruppen in Selbsthilfeorga- nigung und den Vertretern der Selbsthilfe bereits erarbeitet. sen. So kommt es, dass sie zu Depres- nisationen (Verbänden) zusammengeschlossen. Hierbei han- Es hat sich bewährt und gilt weiterhin (vgl. Anlage 1). sionen, Lustlosigkeit, Antriebslosigkeit delt es sich um Organisationen mit überregionaler Interes- und erhöhtem Schlafbedürfnis neigen. senvertretung, meist größeren Mitgliederzahlen, formali- 4. Voraussetzungen der Förderung sierten Arbeits- und Verwaltungsabläufen, bestimmten In solchen Fällen wird heute mehr und Mit der finanziellen Förderung der Selbsthilfe tragen die Kran- Rechtsformen (zumeist eingetragener Verein), stärkeren mehr die 1980 in den USA entwickelte kenkassen dazu bei, die bestehenden bzw. die in Aufbau Kontakten zu professionellen Systemen (z.B. Behörden, Lichttherapie eingesetzt. befindlichen Selbsthilfestrukturen zu unterstützen. Die gesetz- Sozialleistungsträgern, Trägern der Freien Wohlfahrtspfle- In umfangreichen Studien konnte nach- lichen Krankenkassen gehen bei der Förderung der Selbst- ge, Leistungserbringern im Gesundheitswesen). Als Auf- hilfe davon aus, dass sich vor allem die öffentliche Hand gewiesen werden, dass mit Hilfe der gaben der Selbsthilfeorganisationen sind zum Beispiel zu maßgeblich an der Förderung der Selbsthilfe beteiligt. Lichttherapie Symptome der Winterde- nennen: Interessenvertretung im gesundheits- und sozial- pression deutlich gemildert werden kön- politischen Bereich, Herausgabe von Medien zur Informa- 4.1 Förderung der Selbsthilfegruppen nen. Die Idee, auf der sie beruht, ist im tion und Unterstützung der Betroffenen sowie der ihnen ange- Zu den Voraussetzungen der Förderung von Selbsthilfe- Grunde einfach: Das Lichtdefizit muss schlossenen Selbsthilfegruppen und -organisationen, Durch- gruppen nach ¤ 20 Abs. 4 SGB V zählen: führung von Kongressen. Dabei ist hervorzuheben, dass die ausgeglichen werden. Zu diesem Zweck ❑ Selbsthilfeorganisationen nicht nur für die eigenen Mitglie- Voraussetzungen gemäß Abschnitt 3.1, werden spezielle Lampen eingesetzt, die der, sondern weit über den Mitgliederbestand hinaus Bera- ❑ Bereitschaft zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit Licht in einer Stärke von 2.500 bis tungs- und Informationsleistungen erbringen. Sie unter- mit den Krankenkassen, 10.000 Lux abgeben. Um gesundheit- gliedern sich im Allgemeinen auf Bundes-, Landes- und Ort- ❑ Grundsätzliche Offenheit für neue Mitglieder, liche Risiken zu vermeiden, sind bei die- sebene. Der Verbreitungsgrad einer chronischen Erkrankung ❑ Neutrale Ausrichtung (z.B. keine parteipolitische sem Licht die Infrarotstrahlen und die oder Behinderung führt allerdings zu unterschied-lichen Struk- Ausrichtung, keine Verfolgung kommerzieller Interessen), UV-Anteile weitgehend herausgefiltert. turen, so dass nicht immer Landes- und Ortsebene eigen- ❑ ständig ausgebildete Strukturen aufweisen. Dies hat auch Interessenwahrnehmung und -vertretung durch Die Behandlung selbst ist unkompliziert. Betroffene, Auswirkungen auf die Erfüllung der vielfältigen Aufgaben der Der Patient sitzt etwa eine halbe bis zwei ❑ Selbsthilfeorganisationen. Aufgaben, die bei zahlenmäßig Verlässliche/kontinuierliche Gruppenarbeit, Existenz Stunden vor der Lampe. Er kann dabei gro§en Verbänden die örtlichen Selbsthilfegruppen über- von grundsätzlich mindestens einem Jahr. Ausnahmen lesen, arbeiten oder fernsehen. Häufig nehmen (z.B. die Beratung der Betroffenen oder die Infor- sind mit Begründung möglich (z.B. bei Starthilfe), zeigt sich schon nach Tagen eine posi- ❑ mation von Ärzten), werden bei kleinen Verbänden häufig Gruppengröße von grundsätzlich mindestens tive Wirkung. Eine vorhergehende ärzt- unmittelbar von der Bundesebene übernommen. Die mei- 6 Personen, liche Untersuchung und Kontrolle wird sten Selbsthilfeorganisationen sind auf Bundesebene in der ❑ Voraussetzungen gemäß Abschnitt 3.4 empfohlen. Bundesarbeitsgemeinschaft Hilfe für Behinderte e.V. (BAGH), (Krankheitsverzeichnis). Düsseldorf, und im Deutschen Paritätischen Wohlfahrts- verband "Der PARITÄTISCHE" – Gesamtverband e.V., Frank- Nicht gefördert werden soziale oder gesundheitliche Dien- furt, zusammengeschlossen. ste und Einrichtungen, die nicht die o.g. Voraussetzungen LESERBRIEF erfüllen. Dazu gehören insbesondere Wohlfahrts- und Sozi- Vor einiger Zeit las ich in der FAZ, dass 3.3 Selbsthilfekontaktstellen alverbände, Fördervereine und Arbeitsgruppen bzw. Arbeits- zur psychischen Gesunderhaltung nicht kreise der Selbsthilfeorganisationen, PatientInnenstellen Selbsthilfekontaktstellen sind örtlich oder regional arbei- nur eine bestimmte Menge an Lichtstär- tende professionelle Beratungseinrichtungen mit haupt- und Verbraucherverbände, Berufs- und Fachverbände, Kura- amtlichem Personal. Träger sind in der Regel Vereine, Kom- torien, Landesarbeitsgemeinschaften für Gesundheit. ke (Lux) notwendig ist, sondern dass das munen oder Wohlfahrtsverbände. Sie stellen themen- bzw. Von Professionellen geleitete Schulungsma§nahmen, z.B. Licht seine volle Zusammensetzung indikationsübergreifend Dienstleistungsangebote bereit, die Patientenschulungsgruppen, Funktionstrainings- und Reha- haben muß. Es wurde empfohlen wenig- auf die Unterstützung und Stabilisierung von Selbsthilfeak- bilitationssportgruppen nach ¤ 43 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 SGB stens eine Birne in den Räumen, in denen tivitäten abzielen. Eine Hauptzielgruppe von Selbsthilfe- V, und Therapieaktivitäten oder Therapiegruppen kommen man sich häufig aufhält, mit einer „Voll- kontaktstellen sind Bürger, die noch nicht Teilnehmer bzw. ebenfalls nicht für eine Förderung durch die Krankenkassen spektrumlicht-Birne“ auszustatten. Mir Mitglieder von Selbsthilfegruppen sind, sondern sich infor- nach ¤ 20 Abs. 4 SGB V in Betracht. scheint dieser Hinweis sehr wichtig und mieren und beraten lassen möchten. Die Motivation zur Teil- 4.1 Förderung der Selbsthilfeorganisationen besonders leicht zu verwirklichen. nahme an Selbsthilfegruppen ist ein wesentlicher Arbeits- bereich für Selbsthilfekontaktstellen. Auf Wunsch unter- Zu den Voraussetzungen der Förderung von Selbsthilfe- E. Straub stützen sie aktive Betroffene bei der Gruppengründung. organisationen nach ¤ 20 Abs. 4 SGB V zählen:

Lichtblick • Jahresheft 2000 19 HINTERGRUND

❑ Voraussetzungen gemäß Abschnitt 3.2, 5. Inhalte der Förderung Newsletter www.lichtblick99.de ❑ Bereitschaft zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit Als mögliche Inhalte der finanziellen Förderung der Selbst- mit den Krankenkassen, hilfegruppen, -organisationen und Selbsthilfekontaktstellen kommen in Betracht: ❑ Grundsätzliche Offenheit für neue Mitglieder, EU-Gesundheitsprogramm ❑ Information, Aufklärung und Beratung der Betroffenen, ❑ Neutrale Ausrichtung (z.B. keine parteipolitische ihrer Angehörigen oder anderer Interessierter sowie Die EU-Kommission ist derzeit dabei, ein Ausrichtung, keine Verfolgung kommerzieller Qualifizierungsma§nahmen, die im Zusammenhang mit „Gesundheitsprogramm 2000“ zu ent- Interessen), der Selbsthilfearbeit stehen (Förderung der originären wickeln. Vorgaben dafür seien unter ❑ Interessenwahrnehmung der von chronischer Krankheit Selbsthilfe- bzw. -kontaktstellenarbeit). anderem bessere Informationen, schnel- oder Behinderung Betroffenen, ❑ Öffentlichkeitsarbeit und Durchführung von Veran- le Reaktionen auf Gesundheitsbedro- ❑ Verlässliche/kontinuierliche Verbandsarbeit, Existenz staltungen und Aktionen (z.B. Broschüren, Infor- hungen, Auswirkungen der Erweiterung von grundsätzlich mindestens einem Jahr. mationsmedien, Kongresse, Workshops, Seminare, der EU sowie das Verhältnis der Gesund- Ausnahmen sind mit Begründung möglich, Selbsthilfetage). heitspolitik zu anderen Politikbereichen. ❑ Vorhandensein örtlicher/regionaler Selbsthilfegruppen Ausgangspunkt der Förderung ist der Bedarf der antrag- Dies erklärte Paul Weissenberg, Direktor (bei seltenen Erkrankungen und dadurch geringer der Generaldirektion Unternehmen bei Betroffenenzahl kann hiervon abgewichen werden), stellenden Gruppe, Organisation oder Selbsthilfekontakt- stelle. Dieser Bedarf ist inhaltlich zu benennen und trans- der Kommission, anlässlich eines Tref- ❑ Fachliche und organisatorische Unterstützung parent zu machen. Hierüber ist nach Prüfung im jeweiligen fens mit dem Gesundheitsausschuss des der örtlichen/regionalen Selbsthilfegruppen, Einzelfall zu entscheiden. Bundestages in Brüssel. Eine heraus- ❑ Voraussetzungen gemäß Krankheitsverzeichnis ragende Rolle werde die Prävention ein- (vgl. Anlage). 6. Formen der Förderung nehmen. Zum Binnenmarkt für pharma- Die finanzielle Förderung der Selbsthilfegruppen, -organi- zeutische Produkte erklärte Weissenberg, Nicht gefördert werden soziale oder gesundheitliche Dien- sationen und -kontaktstellen kann sowohl durch projekt- er stehe massiven Preisunterschieden ste und Einrichtungen, die nicht die o.g. Voraussetzungen bezogene als auch durch pauschale Zuschüsse erfolgen. für Medikamente in den einzelnen EU- erfüllen. Dazu gehören insbesondere Wohlfahrts- und Sozi- Beide Förderformen sind möglich. Mitgliedstaaten machtlos gegenüber. alverbände, Fördervereine und Arbeitsgruppen bzw. Arbeits- Projektbezogene Förderung meint die gezielte, zeitlich Dies sei Sache der Politik der einzelnen kreise der Selbsthilfeorganisationen, PatientInnenstellen begrenzte Förderung einzelner, abgegrenzter Vorhaben und Länder. Das Problem des Parallelhandels und Verbraucherverbände, Berufs- und Fachverbände, Kura- Aktionen von Selbsthilfegruppen, Selbsthilfeorganisationen werde sich im Zuge der Osterweiterung torien, Landesarbeitsgemeinschaften für Gesundheit. und Selbsthilfekontaktstellen. Das können beispielsweise der Europäischen Union voraussichtlich Von Professionellen geleitete Schulungsma§nahmen, z.B. Veranstaltungen oder Medien sein. Patientenschulungsgruppen, Funktionstrainings- und Reha- noch vergrößern. Diese Praktik könnte Pauschale Förderung meint die direkte finanzielle Unter- bilitationssportgruppen nach ¤ 43 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 SGB stützung der gesundheitsbezogenen Arbeit vor allem von sich jedoch auf die nationalen Gesund- V, und Therapieaktivitäten oder Therapiegruppen kommen heitsbudgets positiv auswirken. ots Selbsthilfeorganisationen und Selbsthilfekontaktstellen mit ebenfalls nicht für eine Förderung durch die Krankenkas- und ohne Bezug auf einen speziellen Verwendungszweck. sen nach ¤ 20 Abs. 4 SGB V in Betracht. Die immateriellen, strukturellen und sächlichen Förde- Pharmazeutische-Industrie: rungsmöglichkeiten durch die Krankenkassen bleiben dane- 4.3 Förderung der Selbsthilfekontaktstellen ben bestehen. Boomende Hightech-Branche Zu den Voraussetzungen der Förderung der Selbsthilfe- 7. Umfang der Förderung „Die forschende Arzneimittelindustrie ist kontaktstellen nach ¤ 20 Abs. 4 SGB V zählen: Die finanzielle Förderung durch die gesetzlichen Kranken- eine international tätige, zukunftsträch- ❑ Voraussetzungen gemäß Abschnitt 3.3, kassen soll auf örtlicher, Landes- und/oder Bundesebene tige Hightech-Branche“, erklärte Apo- ❑ Bereitschaft zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit bedarfsbezogen und angemessen erfolgen. Demgemäß theker Dr. Günther Hanke, Präsident der mit den Krankenkassen, sollen Selbsthilfegruppen, -organisationen (Verbände) und Arbeitsgemeinschaft für Pharmazeuti- -kontaktstellen unter Berücksichtigung des ¤ 1 SGB V ãSoli- ❑ Neutrale Ausrichtung (z.B. keine parteipolitische sche Verfahrenstechnik e. V. (APV) anläs- darität und Eigenverantwortung“ und des ¤ 12 SGB V ãWirt- Ausrichtung, keine Verfolgung kommerzieller slich des „3rd World Meeting on Phar- Interessen), schaftlichkeitsgebot“ gefördert werden (Gesetzestext vgl. maceutics, Biopharmaceutics and Phar- ❑ Anlage 2). Dabei soll eine Förderung zu reinen Marketing- Belegte Vorlaufzeit von grundsätzlich mindestens einem zwecken ausgeschlossen sein. maceutical Technology“ in Berlin. Rund Jahr. Ausnahmen sind mit Begründung möglich, Eine finanzielle Förderung kommt für einzeln abgegrenz- 1000 pharmazeutische Experten aus 40 ❑ Ländern trafen sich zu diesem interna- Angemessene, eigenständige Förderung durch die te Vorhaben, z.B. für zeitlich begrenzte Projekte und Aktio- öffentliche Hand, tionalen Kongress. nen, oder durch pauschale Zuschüsse in Betracht. Eine Voll- ❑ Bei einem Pressegespräch äußerte sich Hauptamtliches Fachpersonal, finanzierung der Selbsthilfearbeit bzw. der Selbsthilfeakti- Hanke zur Situation der Pharma-For- ❑ Regelmäßige Erreichbarkeit und Öffnungs- bzw. vitäten ist ausgeschlossen. Grundsätzlich kann die För- schung in Deutschland und Europa. Die Sprechzeiten, derung durch die jeweilige Krankenkasse, krankenkassen- bzw. kassenartenübergreifend erfolgen. Über Zuwendun- pharmazeutische Industrie in Deutsch- ❑ Dokumentation über regionale Selbsthilfegruppen gen wird auf Antrag jährlich neu entschieden. land beschäftige rund 121.000 Men- bzw. Interessentenwünsche, schen, von denen allein 74.000 bei for- ❑ Aktive Mitarbeit in der jeweiligen Landesarbeits- 8. Abstimmung mit anderen Fördersträngen schenden Arzneimittelherstellern tätig gemeinschaft der Selbsthilfekontaktstellen und Ziel einer Abstimmung mit anderen Fördersträngen ist die Kooperation mit Landeskoordinierungsstellen, seien. Um deren Arbeitsplätze zu erhal- Weiterentwicklung der Selbsthilfeförderung als Gemein- soweit vorhanden. ten, investiere die Pharmazie durch- schaftsaufgabe (vgl. Präambel, Absatz 1). Zur Koordinie- ❑ schnittlich 5,2 Prozent ihres Jahresum- Interessenwahrnehmung und infrastrukturelle rung mit anderen Fördersträngen werden die Spitzenver- satzes und liege damit deutlich vor ande- Unterstützung der gesundheitsbezogenen Selbsthilfe- bände der gesetzlichen Krankenkassen unter Beteiligung ren Industriezweigen. gruppen gemäß Krankheitsverzeichnis. der Vertreter der Selbsthilfe Gespräche mit weiteren, für die Ein wesentlicher Faktor für den Pharma- Selbsthilfeförderung zuständigen Stellen führen. Neben der Standort Deutschland ist der hohe Aus- Nicht gefördert werden solche Einrichtungen, die nicht die Abstimmung mit anderen Fördersträngen wird der Erfah- bildungs- und Wissensstand der Be- o.g. Voraussetzungen erfüllen. Dazu gehören insbesonde- rungsaustausch unter den Spitzenverbänden der gesetz- schäftigten, so Hanke. Die APV wolle mit re die Kooperationsberatungsstellen für Selbsthilfegruppen lichen Krankenkassen intensiviert. ihrem Angebot an wissenschaftlichen und Ärzte der Kassenärztlichen Vereinigungen (KOSA). Die Die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen regen Seminaren und Kongressen mit dazu bei- Förderung der nicht gesundheitsbezogenen Aktivitäten der an, den Austausch, der bereits auf Bundesebene mit den tragen, diesen hohen Ausbildungs- und Selbsthilfekontaktstellen ist ebenfalls ausgeschlossen (z.B. Vertretern der Selbsthilfe erfolgt, analog auch auf ande- soziale Aktivitäten, Seniorengruppen, Alleinerziehende, Initia- ren Ebenen (z.B. der Länder) durchzuführen, damit die För- Wissensstand zu erhalten. newsaktuell.de tiven zur Verkehrsberuhigung etc.). derung der Krankenkassen für die gesundheitsbezogene

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Arbeit der Selbsthilfe nicht zu einem Abbau bestehender Gesetzgeber beabsichtigt mit dieser Formulierung einen öffentlicher und anderer Förderung führt. engen Zusammenhang mit medizinischen Erfordernissen Newsletter www.lichtblick99.de herzustellen. 9. Antragsverfahren Die Spitzenverbände der Krankenkassen haben bereits im Die Antragstellung ist schriftlich vorzunehmen. Die Anträge Rahmen des Beitragsentlastungsgesetzes im Interesse einer Kostenloses Internet müssen Angaben enthalten, die es ermöglichen, die mit der einheitlichen Rechtsanwendung gemeinsam und einheitlich Ein Online-Angebot für Rollstuhlfahrer Zuwendung verfolgten Ziele und Zwecke sowie die Ange- am 14.02.1997 ein Verzeichnis von Krankheitsbildern und Querschnittsgelähmte und der Infor- messenheit der beantragten Mittel zu beurteilen. Weiter beschlossen, bei denen zukünftig eine Förderung zuläs- mationsdienst „Politik-Digital“ haben eine ist anzugeben, bei welchen anderen Stellen Fördermittel für sig ist (vgl. Abschnitt 3). Die Kassenärztliche Bundesver- denselben Zweck beantragt wurden. einigung wurde beteiligt. Das Verzeichnis der Krankheits- Online-Petition gestartet. Darin fordern Für das Antragsverfahren auf Bundesebene gelten die Aus- bilder orientiert sich an medizinischen Kriterien, wie z.B. sie einen kostenlosen und gebührenfrei- führungen des jeweils gültigen gemeinsamen Rundschrei- Stoffwechselerkrankungen, Krebs, Suchtkrankheiten, neu- en Zugang ins Internet für alle Schwer- bens der Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkas- rologische Erkrankungen, Erkrankungen des Bewegungs- behinderten. Die Petition, die an den sen und der Vertreter der Selbsthilfe. Es wird empfohlen, apparates. Dieses Krankheitsverzeichnis hat sich bewährt Behindertenbeauftragten der Bundesre- das Verfahren auf Bundesebene sinngemäß auch auf Lan- und gilt ohne Änderung weiterhin. gierung gerichtet ist, kann von jedem desebene umzusetzen. Bundesbürger unterzeichnet werden. Die jeweilige Krankenkasse bzw. ihr übergeordneter Ver- 2. Begriffsbestimmung http://www.Startrampe.net band oder bei einer kassenartenübergreifenden „Poolför- Nach Änderung der gesetzlichen Vorgabe sollen Selbst- derung“ die jeweilige federführende Kasse bzw. der feder- hilfegruppen, -organisationen und -kontaktstellen durch die führende Verband prüft und bewilligt die Anträge unter Krankenkassen gefördert werden. Neuer Sozialtarif der Telekom Berücksichtigung dieser gemeinsamen und einheitlichen lb-news/rh: Die bisherigen Regelungen für Grundsätze sowie der einschlägigen Haushaltsvorschriften 2.1 Selbsthilfegruppen einen Sozialanschluss wurden durch den in eigener Zuständigkeit und Verantwortung. Selbsthilfegruppen sind freiwillige Zusammenschlüsse von neuen Sozialtarif der Deutschen Telekom Die Krankenkasse kann die finanziellen Zuwendungen Menschen auf örtlicher/regionaler Ebene, deren Aktivitäten zum 1.12.1999 ersetzt. Zu dem berech- zurückfordern, wenn sich die Angaben des Förderungs- sich auf die gemeinsame Bewältigung von Krankheiten tigten Personenkreis gehören Kunden, antrages als unrichtig erweisen. und/oder psychischen Problemen richten, von denen sie - die von der Rundfunkgebührenpflicht entweder selbst oder als Angehörige - betroffen sind. Sie 10. Perspektive befreit sind, Schwerbehinderte mit wollen mit ihrer Arbeit keinen materiellen Gewinn erwirt- Schwerbehindertenausweis „RF“ und Die Erfahrungen bei der Umsetzung der gemeinsamen und schaften. Ihr Ziel ist eine Veränderung ihrer persönlichen Studenten mit Bafög-Bescheid. Die einheitlichen Grundsätze zur Förderung der Selbsthilfe wer- Lebensumstände und häufig auch ein Hineinwirken in ihr Ermäßigung beträgt hier 15,74 DM auf den von den Spitzenverbänden der gesetzlichen Kranken- soziales und politisches Umfeld. In der regelmäßigen, meist die Verbindungsentgelte. Mit dem neuen kassen sowie dem Arbeitskreis „Selbsthilfe“ der Spitzen- wöchentlichen Gruppenarbeit betonen sie Gleichstellung, Sozialtarif wird statt der früher üblichen verbände der Krankenkassen und der Vertreter der Selbst- gemeinsames Gespräch und gegenseitige Hilfe. Ermäßigung auf den monatlichen Grund- hilfe begleitet. Dieser Arbeitskreis prüft zu gegebener Zeit, Die Ziele von Selbsthilfegruppen richten sich vor allem auf preis dieser Betrag jetzt in voller Höhe mit ob eine Überarbeitung bzw. Anpassung erforderlich ist. ihre Mitglieder. Darin unterscheiden sie sich von anderen den Kosten der vom Anschluss abge- Formen des Bürgerengagements. Selbsthilfegruppen wer- Anlage 1 henden bestimmten T-Net Verbindungen den nicht von professionellen Helfern (z.B. Ärzten, Thera- verrechnet. Für Blinde, Gehörlose und ¤ 20 Abs. 4 SGB V „Selbsthilfeförderung“ peuten, anderen Medizin- oder Sozialberufen) geleitet; man- - Krankheitsverzeichnis - sprachbehinderte Menschen ab einem che ziehen jedoch gelegentlich Experten zu bestimmten Grad der Behinderung von 90 beträgt die 1. Gesetzliche Vorgabe Fragestellungen hinzu. Höhe der Ermäßigung 19,78 DM. Diese Die Möglichkeiten der Selbsthilfeförderung durch Kranken- 2.2 Selbsthilfeorganisationen Regelungen gelten ebenfalls, wenn ein kassen ab 2000 sind in der Neufassung des ¤ 20 Absatz im Haushalt lebender Angehöriger die 4 Sozialgesetzbuch V geregelt. Vielfach haben sich Selbsthilfegruppen in Selbsthilfeorga- genannten Voraussetzungen erfüllt. nisationen (Verbände) zusammengeschlossen. Hierbei han- § 20 Abs. 4 SGB V (neue Fassung) Das Auftragsformular ist bei allen T-Punk- delt es sich um Organisationen mit überregionaler Inter- ten erhältlich. Der Sozialtarif wird höch- ã(4) Die Krankenkasse soll Selbsthilfegruppen, -organisa- essenvertretung, meist größeren Mitgliederzahlen, forma- stens drei Jahren gewährt. Danach muss tionen und -kontaktstellen fördern, die sich die Prävention lisierten Arbeits- und Verwaltungsabläufen, bestimmten er neu beantragt werden. Weitere Fragen: oder die Rehabilitation von Versicherten bei einer der im Rechtsformen (zumeist eingetragener Verein), stärkeren Deutsche Telekom AG, 0800 - 33 01 000 Verzeichnis nach Satz 2 aufgeführten Krankheiten zum Ziel Kontakten zu professionellen Systemen (z.B. Behörden, (gebührenfrei). gesetzt haben. Die Spitzenverbände der Krankenkassen Sozialleistungsträgern, Trägern der Freien Wohlfahrtspfle- beschlie§en gemeinsam und einheitlich ein Verzeichnis der ge, Leistungserbringern im Gesundheitswesen). Als Auf- Krankheitsbilder, bei deren Prävention oder Rehabilitation gaben der Selbsthilfeorganisationen sind zum Beispiel zu Umzug in Altenwohnung eine Förderung zulässig ist; sie haben die KBV und die Ver- nennen: Interessenvertretung im gesundheits- und sozial- treter der für die Wahrnehmung der Interessen der Selbst- politischen Bereich, Herausgabe von Medien zur Informa- Die Aufhebung eines bestehenden Miet- hilfe ma§geblichen Spitzenorganisationen zu beteiligen. tion und Unterstützung der Betroffenen sowie der ihnen verhältnisses bei Umzug in eine alten- Die Spitzenverbände der Krankenkassen beschließen angeschlossenen Selbsthilfegruppen und -organisationen, gerechte Wohnung wird nach einem ent- gemeinsam und einheitlich Grundsätze zu den Inhalten der Durchführung von Kongressen. Dabei ist hervorzuheben, sprechenden Urteil des Landgerichts Förderung der Selbsthilfe; eine über die Projektförderung dass die Selbsthilfeorganisationen nicht nur für die eigenen Duisburg erleichtert. Senioren, die in hinausgehende Förderung der gesundheitsbezogenen Arbeit Mitglieder, sondern weit über den Mitgliederbestand hinaus altengerechte Wohnungen umziehen von Selbsthilfegruppen, -organisationen und -kontaktstel- Beratungs- und Informationsleistungen erbringen. Sie unter- möchten, müssen nicht warten, bis ihr len durch Zuschüsse ist möglich. Die in Satz 2 genannten gliedern sich im Allgemeinen auf Bundes-, Landes- und Ort- bestehender Mietvertrag abläuft. Sie Vertreter der Selbsthilfe sind zu beteiligen. Die Ausgaben sebene. Der Verbreitungsgrad einer chronischen Erkran- haben einen Anspruch auf vorzeitige Ent- der Krankenkassen für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben kung oder Behinderung führt allerdings zu unterschiedlichen lassung aus Ihrem Mietverhältnis. Aller- nach Satz 1 sollen insgesamt im Jahr 2000 für jeden ihrer Strukturen, so dass nicht immer Landes- und Ortsebene dings ist erforderlich, dass sie einen Versicherten einen Betrag von 1 DM umfassen; sie sind eigenständig ausgebildete Strukturen aufweisen. Dies hat geeigneten Nachmieter stellen oder die in den Folgejahren entsprechend der prozentualen Ver- auch Auswirkungen auf die Erfüllung der vielfältigen Auf- Neuvermietung sehr leicht möglich ist. änderung der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. gaben der Selbsthilfeorgranisationen. Aufgaben, die bei zah- Ein entsprechendes Urteil fällte jetzt, nach 1 SGB IV anzupassen.“ lenmäßig großen Verbänden die örtlichen Selbsthilfegrup- Informationen des Deutschen Mieter- Danach soll eine Förderung dann erfolgen, wenn Selbst- pen übernehmen (z.B. die Beratung der Betroffenen oder bundes und der „Mieterzeitung“ das hilfegruppen, -organisationen und -kontaktstellen sich die die Information von Ärzten), werden bei kleinen Verbänden Landgericht Duisburg (AZ. 23 S 361/98). Prävention oder die Rehabilitation von Versicherten bei häufig unmittelbar von der Bundesebene übernommen. Die Quelle: OVB, 17.05.2000 bestimmten Erkrankungen zum Ziel gesetzt haben. Der meisten Selbsthilfeorganisationen sind auf Bundesebene

Lichtblick • Jahresheft 2000 21 HINTERGRUND

in der Bundesarbeitsgemeinschaft Hilfe für Behinderte ❑ Suchterkrankungen Newsletter www.lichtblick99.de (BAGH), Düsseldorf, und im Paritätischen Wohlfahrtsver- (z.B. Medikamenten-, Alkohol-, Drogenabhängigkeit, band ãDer PARITÄTISCHE“ - Gesamtverband e.V., Frank- Essstörungen (Anorexie, Bulimie) furt, zusammengeschlossen. ❑ Krankheiten des Nervensystems Leben in zwei Welten (z.B. Multiple Sklerose, Parkinson, Epilepsie, Hydrocephalus, Cho- 2.3 Selbsthilfekontaktstellen rea Huntington, Meningitis, Muskelatrophie, Muskeldystrophie, lb-news/rh: Im Rahmen der 4. Schwe- Polyneuropathien, Zerebralparese/Lähmungen, Narkolepsie, Schä- riner Woche der Gemeindepsychiatrie Selbsthilfekontaktstellen sind örtlich oder regional arbei- digungen des zentralen Nervensystems, Minimale Cerebrale Dys- (19.6. bis 30.6.) begeht die Initiativgrup- tende professionelle Beratungseinrichtungen mit haupt- funktion (MCD), Alzheimer Krankheit, Hereditäre Ataxie, Guillain- pe Sozialarbeit e.V. ihr zehnjähriges amtlichem Personal. Träger sind in der Regel Vereine, Kom- Barré-Syndrom, Recklinghausensche Krankheit) ❑ Bestehen. Die unter dem Motto „Leben munen oder Wohlfahrtsverbände. Sie stellen themen- und Hirnbeschädigungen (z.B. apallisches Syndrom, Aphasie, Apoplexie, in zwei Welten“ laufenden Veranstaltun- indikationsübergreifend Dienstleistungsangebote bereit, die auf die Unterstützung und Stabilisierung von Selbsthilfe- Schädel-Hirn-Verletzungen) gen bieten Austausch und Geselligkeit. aktivitäten abzielen. Eine Hauptzielgruppe von Selbsthil- ❑ Endokrine Ernährungs- und Dazu gehören u.a. die Kunstausstellung fekontaktstellen sind Bürger, die noch nicht Teilnehmer bzw. Stoffwechselkrankheiten „Traum und Alptraum“, das Vereinsfest (z.B. Adipositas, Diabetes mellitus, Zystische Fibrose, Muko- Mitglieder von Selbsthilfegruppen sind, sondern sich infor- viszidose, Zöliakie, Phenylketonurie, Gaucher Krankheit, Bauch- mit der Band „Lewinski`s“, der Angehöri- mieren und beraten lassen möchten. speicheldrüsenerkrankungen) Die Motivation zur Teilnahme an Selbsthilfegruppen ist ein gentreff, ein Lesertelefon der SVZ zum ❑ Krankheiten des Blutes, Thema „Wenn die Kinderseele krank ist, wesentlicher Arbeitsbereich für Selbsthilfekontaktstellen. des Immunsystems/Immundefekte eine Buchlesung mit Dorothea Buck („Auf Auf Wunsch unterstützen sie aktive Betroffene bei der Grup- (z.B. Leukämie, Hämophilie, AIDS, HIV-Krankheit, Sarkoidose) pengründung. Bestehenden Selbsthilfegruppen bieten sie der Spur des Morgensterns“) und die ❑ Krankheiten der Sinnesorgane infrastrukturelle Hilfen wie z.B. Räume, Beratung und super- Podiumsdiskussion „Gemeindepsychia- Hör-, Seh- und Sprachbehinderungen visorische Begleitung in schwierigen Gruppensituationen (z.B. Tinnitus, Ménière, Schwerhörigkeit, Gehörlosigkeit, Reti- trie - eine kommunalpolitische Aufgabe“. oder bei Problemen an. Selbsthilfekontaktstellen stärken nitis Pigmentosa, Stottern) Kontakt: Initiativgruppe Sozialarbeit e.V., die Kooperation und Zusammenarbeit von Selbsthilfegrup- ❑ Infektiöse Krankheiten Rogahner Str. 2, 19061 Schwerin, Tel. pen und Professionellen (insbesondere Ärzten). (z.B. Poliomyelitis/Kinderlähmung, Viruskrankheiten) 0385 - 61 40 15. Durch Öffentlichkeitsarbeit (beispielsweise die Durchführung ❑ Psychische und Verhaltensstörungen / von Selbsthilfetagen) tragen Selbsthilfekontaktstellen zur Psychische Erkrankungen größeren Bekanntheit und Akzeptanz von Selbsthilfegrup- (z.B. psychische und Persönlichkeitsstörungen, psychosomati- pen bei. Selbsthilfekontaktstellen sind Agenturen zur Stär- sche und psychoneurotische Erkrankungen, Suizidalität, Hyper- Auf der Suche nach dem kinetische Störungen, Angststörungen, sexueller Missbrauch, kung der Eigenverantwortung und gegenseitigen freiwilligen Entwicklungsstörungen, Autismus) Hilfe. Sie nehmen eine Wegweiserfunktion im System der idealen Psychopharmakon ❑ Angeborene Fehlbildungen / Deformitäten gesundheitlichen und sozialen Dienstleistungsangebote wahr lb-news/lsm: Am 18.05.00 fand in und Behinderungen und verfolgen rehabilitative und präventive Zielsetzungen. Regensburg im Bezirksklinikum ein Sym- (z.B. Spina bifida, Hydrocephalus, Lippen-, Kiefer- und Gaumen- Selbsthilfekontaktstellen verbessern die Infrastruktur für die spalte, Down- Syndrom, Turner-Syndrom, Klinefelter-Syndrom, posium zur Klinischen Pharmakologie Entstehung und Entwicklung von Selbsthilfegruppen. Körperbehinderungen, Kleinwuchs, geistige Behinderungen). statt, auf dem es schwerpunktmäßig um ❑ Chronische Schmerzen Psychopharmaka ging. Erstmalig kamen 3. Verzeichnis der Krankheitsbilder (z.B. Migräne, Gelenkschmerzen) Patienten selbst zu Wort, neben Klini- Hinweis zur Lesart des Krankheitsverzeichnisses: ❑ Organtransplantationen. kern, Pharmakologen und der Industrie. Maßgebend für das vom Gesetzgeber geforderte Verzeich- Ergebnis: Das ideale Psychopharmakon nis sind die fett gedruckten Krankheitsgruppen. Diese kor- Anlage 2 gibt es noch nicht. „Ein ideales Antipsy- respondieren mit den existierenden Selbsthilfevereinigungen, Gesetzestexte zu §§ 1 und 12 SGB V chotikum soll die Symptome bessern und die i.d.R. indikations- bzw. diagnoseübergreifend organisiert Rückfälle verhüten, ohne unerwünschte sind (z.B. Rheuma Liga). Um zu vermeiden, dass das Ver- § 1 SGB V Solidarität und Eigenverantwortung Nebenwirkungen - und das alles bei ein- zeichnis ständig aktualisiert und neu abgestimmt werden 1. Die Krankenversicherung als Solidargemeinschaft hat die Auf- muss, wurden in Klammer mögliche Diagnosen aufgeführt, gabe, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzu- mal täglicher Dosierung“, sagte der Orga- die der jeweiligen Krankheitsgruppe zuzuordnen sind. Diese stellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern. nisator und wissenschaftliche Leiter, PD Auflistung von Diagnosen bzw. konkreten Krankheitsbildern 2. Die Versicherten sind für ihre Gesundheit mit verantwortlich; sie sol- Dr. Dr. Ekkehard Haen in seiner Eröff- ist exemplarisch und kann jederzeit intern ergänzt werden. len durch eine gesundheitsbewusste Lebensführung, durch frühzei- nungsrede. Die Zusammenarbeit soll mit Selbsthilfegruppen, -organi- tige Beteiligung an gesundheitlichen Vorsorgema§nahmen sowie durch aktive Mitwirkung an Krankenbehandlung und Rehabilitation sationen und -kontaktstellen mit präventiver (sekundär- „Nicht nur die Ärzte, sondern zunehmend dazu beitragen, den Eintritt von Krankheit und Behinderung zu ver- präventiver) oder mit rehabilitativer Zielsetzung in den nach- meiden oder ihre Folgen zu überwinden. die Patienten selbst beurteilen den Erfolg stehend aufgeführten Bereichen erfolgen: ihrer Behandlung“, erklärte Prof. Dr. 3. Die Krankenkassen haben den Versicherten dabei durch Auf- ❑ klärung, Beratung und Leistungen zu helfen und auf gesunde Lebens- Naber, Direktor der Psychiatrischen Kli- Herz-Kreislauf-Erkrankungen (z.B. chronische Herzkrankheiten, Infarkt, Arteriosklerose) verhältnisse hinzuwirken. nik Hamburg-Eppendorf. Gewichtszu- ❑ Krankheiten des Skeletts, der Gelenke, § 12 SGB V Wirtschaftlichkeitsgebot nahme und Müdigkeit wurden von „Phar- der Muskeln und des Bindegewebes makon-Erfahrenen“ als besonders gra- (z.B. rheumatische Erkrankungen, Arthrose, Morbus Bechterew, 1. 1 Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirt- schaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht über- vierende Nebenwirkungen genannt. Sklerose, Myasthenie, Sklerodermie, Skoliose, Fibromatosen, Fibriomyalgie, Osteoporose, Osteomyelitis) schreiten. Kurios: Da von depressiven Patienten ❑ Tumorerkrankungen 1.2. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, kön- als eine der häufigsten Nebenwirkung (z.B. Organe, Mundhöhle, Kehlkopf, Haut, Brust, Blut) nen Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. der Antidepressiva Impotenz und ande- ❑ Allergische und asthmatische Erkrankungen, 2. Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Kran- re sexuelle Störungen genannt wird, prüft Atemwegserkrankungen (z.B. Allergien, Asthma, Neurodermitis) kenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag. die Pharma-Industrie derzeit, ob z.B. das 3. Hat die Krankenkasse Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder ❑ Erkrankungen der Verdauungsorgane und bekannte Mittel Paroxetin gegen des Harntraktes entgegen geltendem Recht erbracht und hat ein Vorstandsmitglied Depressionen nicht auch gegen Ejaku- (z.B. Colitis ulcerosa, Morbus Crohn, Darmschwäche, künstli- hiervon gewusst oder hätte es hiervon wissen müssen, hat die zustän- cher Darmausgang, Dialyse, künstliche Niere, Blasenschwäche) dige Aufsichtsbehörde nach Anhörung des Vorstandsmitglieds den latia praecox eingesetzt werden könn- Verwaltungsrat zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz ❑ te, so Professor Dr. Bruno Müller-Oer- Lebererkrankungen des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch linghausen, Vorsitzender der Arzneimit- (z.B. chronische Hepatitis, Leberzirrhose) zu nehmen, falls der Verwaltungsrat das Regressverfahren nicht telkommission. ❑ Hauterkrankungen bereits von sich aus eingeleitet hat. (z.B. Psoriasis, Atopisches Ekzem, Epidermolysis Bullog) Nachzulesen unter www.selbsthilfe-online.de (Rubrik ãDokumente“)

22 Lichtblick • Jahresheft 2000 HINTERGRUND

Gefährdung der ambulanten Newsletter www.lichtblick99.de psychiatrischen Versorgung Reif für die Couch Es ist leider erforderlich, auf eine Fehlent- 1. Sie machen ausschließlich Psychothe- wicklung hinzuweisen, die viele psychiatri- rapie, kündigen den Helferinnen und ste- „Lange Zeit dachte ich, es wäre normal, sche Praxen existentiell gefährden wird und hen damit zur Versorgung psychiatrischer diese entsetzliche Stimmung, dies lee- die der Öffentlichkeit nicht bekannt ist. Patienten nicht mehr zur Verfügung (kein re Gefühl, diese Müdigkeit. Wenn es Die Vergütung für psychiatrische Leistun- oder nur ein minimales Medikamenten- ganz schlimm wurde, habe ich Tablet- gen war und ist miserabel. Für die Behand- budget, 90 Prozent Regel). ten genommen. Niemand hat mich dar- lung eines schizophrenen oder depressi- auf gebracht, eine Psychotherapie zu 2. Sie machen keine Psychotherapie mehr, ven Patienten stellt die KV dem Arzt 80 bis beginnen.“ So schildert eine 37jährige da diese für sie völlig unwirtschaftlich ist. 100 DM (je nach Punktwert) pro QUARTAL! Patientin ihr Leben vor der Therapie. Dies führt dann möglicherweise dazu, dass zur Verfügung. Vorbehalte, Unwissenheit und die Angst, mehr psychiatrische Leistungen erbracht „reif für die Couch“ zu sein, sind nach Viele Praxen konnten sich nur über Wasser werden und der Punktwert noch weiter Aussage der Verbraucherverbände häu- halten, weil sie die Behandlung psychia- sinkt. Laufende Psychotherapien müssen fige Gründe, warum Patienten vor einer trischer Patienten durch die bessere und abgebrochen werden. Kein Arzt kann ver- Psychotherapie zurückschrecken. nichtbudgetierte Honorierung von Psy- pflichtet werden, weit unter Selbstkosten- Um Licht in den Dschungel des Psycho- chotherapie „subventioniert“ haben. preis zu arbeiten. marktes zu bringen, hat die Verbraucher- Durch ein Urteil des BSG aus dem Jahre Die klassischen Nervenärzte (Neurologie zentrale NRW den Ratgeber „Chance 1999 wird jetzt der Punktwert von Psycho- und Psychiatrie) werden mit Sicherheit nicht Psychotherapie“ herausgegeben. therapieleistungen mit 10 Pfennig (145 mehr psychiatrische Patienten behandeln, „Wann sollte sich ein Mensch thera- DM/Stunde) festgeschrieben. Dies betrifft solange die Vergütung (80 bis 100 peutisch behandeln lassen? Was kostet aber nur Ärzte und Psychologen, die mehr DM/Quartal) so schlecht ist und mit Appa- das und wer bezahlt es? Können auch als 90 Prozent ihrer Kasseneinkünfte durch ratemedizin (z.B. Doppler, ev. Potentiale Kinder psychotherapeutisch behandelt Psychotherapie erzielen. etc.) gut und sicher Geld zu verdienen ist. werden und von wem?“ - Das sind eini- Alle Praxen, die sich um chronisch psy- Die geschilderte Entwicklung hat mit Sicher- ge der Fragen, die der Ratgeber beant- chisch Kranke kümmern und z.B. nur 50 heit Auswirkungen auf die Qualität der wei- wortet. „Chance Psychotherapie“ gibt Prozent Psychotherapieleistungen erbrin- teren ambulanten psychiatrischen Versor- es in allen Beratungsstellen der Ver- gen, bekommen in Zukunft für Psychothe- gung. Es geht hier nicht nur um die Frage braucherzentrale NRW für 18 Mark. rapie vielleicht zehn oder auch vielleicht 30 des wirtschaftlichen Überlebens einer Tel. 0180 - 5001 43 3 lsm Mark oder vielleicht auch gar nichts, wenn ganzen Arztgruppe, sondern auch um die das Psychotherapiebudget durch die «Über- Sicherstellung der weiteren ambulanten 90-Prozent-Therapeuten“ ausgeschöpft ärztlichen Versorgung unzähliger psychisch Patienten-Beratung wurde. Ausschließlich psychotherapeuti- kranker Menschen. Kiel (ots) - Patienten in Schleswig-Holstein sche Ärzte sowie alle Psychologen werden Für jede Unterstützung sind wir dankbar. erhalten künftig eine kostenlose juristi- dagegen mit 145 DM/Stunde honoriert. Das Problem ist nur politisch zu lösen. Der sche Erstberatung in Wohnortnähe. Das Andere Ärzte wie Augenärzte oder Orthopä- Gang zum Bundessozialgericht dauert Pilotprojekt stellte die Stiftung Gesund- den werden einen Teufel tun um die Psy- erfahrungsgemäß mehrere Jahre. Eine heit Ende Juni auf einer Pressekonferenz chiater zu unterstützen, weil es dann an ihr Lösung muss bald gefunden werden, sonst in Kiel vor. eigenes Geld geht. Das Budget für Psy- werden die Kollegen zum Aufgeben oder in Die Beratungsgespräche führt jeweils chotherapie wurde offensichtlich falsch die Insolvenz gezwungen. einer der 14 Vertrauensanwälte der Stif- berechnet. Die Kassen sind dennoch nicht tung Gesundheit durch. Patienten kön- bereit mehr Geld ins System zu stecken. Thomas Lippert, Psychiater Die betroffenen Praxen (Psychiatrie und nen sich unter der kostenlosen Rufnum- Mit Zustimmung des Autors aus Mailingliste Betreuungsrecht mer 0800 0 73 24 83 an die Stiftung Psychotherapie) haben jetzt zwei Optionen. www.ruhr-uni-bochum.de/zme/ML-Betreuungsrecht.htm Gesundheit (Mo. bis Fr. 9.00 bis 12.00 Uhr) wenden. Dort wird ihnen der nächst- „Irre menschlich“ - Aktionstage der Gemeindepsychiatrie in Rostock liegende Vertrauensanwalt genannt und ein Beratungsschein ausgestellt, der zu mit Dorothea Buck, der Ehrenvorsitzenden des Bundesverbandes der Psychiatrie-Erfahrenen, das erste Psychose-Seminar in Deutsch- der kostenlosen Erstberatung berechtigt. land ins Leben gerufen. Sie sind notwendiger denn je, um Wege zur Im Beratungsgespräch wird unter ande- Erleichterung, ja zur Heilung zu finden. rem geprüft, welche Schlichtungsmög- „Motivierende Gesprächsführung zur Rückfallvorbeugung Psycho- lichkeiten bestehen, welche Kosten und seerfahrener“ heißt das Thema einer Infoveranstaltung am 20.9. Sie findet um 14 Uhr in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Laufzeiten der Rechtsweg bringen wür- Uni Rostock, Gehlsheimer Str. 20, statt. Referent ist Dipl.-Psycho- de und welche Möglichkeiten der Pro- loge Thomas Lay. Am 21.9. lädt das Wohnheim „Startbahn“ von 10 zesskostenhilfe es gibt. „Der Patient soll bis 16 Uhr zum Sportfest in die Joseph-Herzfeld-Str. 18 ein. Angehörige von Alzheimerpatienten treffen sich am 26.9., 15 Uhr, in von fachkundiger Stelle eine erste Ein- der Au§enstelle des Sozialpsychiatrischen Dienstes, Stockholmer schätzung mit auf den Weg bekommen, Str. 14 A. Am 27.9., 15 Uhr, geht es um das Thema ãGesunde ob es überhaupt sinnvoll ist, den Fall Ernährung“. Grüner Ring und der LPE laden dazu Psychiatrieer- Unter dem Motto „Irre menschlich“ veranstaltet die Rostocker Gemein- fahrene und Interessierte in die Begegnungsstätte im Schiffbauer- einer genauen juristischen Prüfung zu depsychiatrie vom 16. bis 28. September ihre traditionellen Akti- ring 20 ein. Am 6.10. feiert die Tagesklinik in der Hamburger Str. unterziehen“, sagt Rechtsanwalt Chri- onstage. Den Auftakt bildet um 15 Uhr ein Integratives Sommer- 50 ihr fünfjähriges Bestehen. Die ambulante Einrichtung ist zugleich stian Henning, Vertrauensanwalt der Stif- fest in Gro§ Klein, Schiffbauerring 20. Psychoseerfahrene, Ärzte, von 14 bis 18 Uhr Gastgeber der Fachtagung ãGemeindenahe Psy- tung Gesundheit. Das Pilotprojekt wird Therapeuten und Angehörige werden sich am 19.9. um 16 Uhr in der chiatrie - Chancen und Grenzen, Erfahrungsfelder“. Volkshochschule, Alter Markt 19, zu ihrem ersten Psychosesemi- Ansprechpartner und vollständiges Programm: Förderverein Gemein- von einer Studie in Zusammenarbeit mit nar treffen. Die Kunst das Gespräch in Gang zu bringen trauen die depsychiatrie e.V., Stefan Paulaeck, Schiffbauerring 20, der Universität Kiel analysiert. Veranstalter Dr. Thomas Bock zu. Er hat vor zehn Jahren zusammen 18109 Rostock, Tel. 0381 - 12 37 119.

Lichtblick • Jahresheft 2000 23 MEDIENBERICHT Die Ohren hören, was die Augen nicht sehen Schizophrene fühlen sich häufig stigmatisiert und gebrandmarkt durch die Aufenthalte in der Psychiatrie man, Schizophrene seien von Dämonen besessen; später wur- Von Karen Allihn de die Moral zitiert, indem etwa Homosexualität als Auslöser angesehen wurde. In der Mitte des vergangenen Jahrhunderts FRANKFURT, im Januar. Das erste Mal passierte es, als Carla dann rückten körperliche Ursachen wie Stoffwechselstörungen Fernandez (Name geändert) sechzehn Jahre alt war. Sie hatte ins Blickfeld. Erst Eugen Bleuler erkannte 1911: Schizophrenie ruhig in ihrem Zimmer gesessen. Da spürte sie plötzlich eine klei- ist keine einheitliche Krankheit. Und er fasste ihre verschiedenen ne Explosion im Kopf - und schon befand sie sich mitten in einem Formen unter dem aus dem Griechischen abgeleiteten Wort „Spal- Land, das sie eigentlich nur aus Büchern kannte: dem Mär- tungsirresein“ (schizein = spalten; phrén = Geist, Gemüt) zusam- chenland. Hier traf sie einen Prinzen und fragte sich gleichzeitig: men. „Die wichtigste These für die Ursachen ist heute das Vul- Was tust du da eigentlich? Im Krankenhaus wurde eine Iden- nerabilitätsmodell“, sagt Pflug. Darunter ist eine Verquickung von titätskrise diagnostiziert. individueller Verletzlichkeit und äußerer Belastung zu verstehen.

Später - sie hatte das Abitur bestanden und begonnen, Englisch und Spanisch zu studieren - kam es vor, dass sie sich in der Nacht im Bett nicht mehr rühren konnte. Sie hörte, wie jemand die Trep- pe hinaufkam und die Tür öffnete - und ihre Augen sahen, dass die Tür geschlossen blieb. Als sie endlich auf beiden Füßen stand, hatte sie Angst und nur einen Gedanken: „Jetzt muss ich fort und mich umbringen, um meinen Verfolgern und dem Teufel zu ent- gehen.“ Als die Polizei sie auf einer Baustelle wiederfand, hatte sie zwei Rasierklingen in der Hand. Da war sie 23.

Ein Jahr später befahl ihr eine Stimme, aus dem Fenster zu sprin- gen, um die Welt zu retten. Gerade noch rechtzeitig konnten Freunde sie vom Sims holen. Das Leben ging weiter. Doch das Studium musste sie abbrechen. Besonders schwierig wurde es, als sie einen Mann kennen lernte - weil sie sich zwischen ihm und ihrem Geliebten aus der Traumwelt entscheiden musste. Sie wähl- te den Märchenprinzen. Eines allerdings, sagt Carla Fernan- dez, verstehe sie bis heute nicht. Einmal habe sie sich nach dem Aufstehen „wie durchgeschnitten“ gefühlt und eine unbekann- te Leichtigkeit verspürt. Tatsächlich habe sie an diesem Mor- gen zehn Kilogramm weniger auf den Rippen gehabt - und kei- Eine große Rolle spielten auch Funktionsstörungen des Gehirns ne einzige ihrer Hosen habe mehr gepasst. „Das ist eines der - ein Überschuss von chemischen Botenstoffen wie etwa Sero- großen Rätsel“, sagt die 30 Jahre alte Frau. tonin oder Dopamin. Dadurch wird das Weiterleiten von Reizen zwischen den Nervenzellen gestört; durch den Überschuss an Carla Fernandez fragt sich immer wieder, wo der Traum aufhört, Botenstoffen werden.die Impulse immer stärker, bis psychoti- wo die Wirklichkeit beginnt. Und sie kennt den Begriff, mit dem sche Symptome entstehen. die Medizin solche Merkwürdigkeiten auf den Punkt bringt: Schi- zophrenie. Viele Menschen müssen mit einer solchen Diagno- Wenn das Kind oder der Partner in Welten abzudriften beginnt, se leben. In der Bundesrepublik leiden etwa 600 000 Menschen in die die anderen nicht folgen können, heißt es Abschied neh- an dieser schweren psychischen Krankheit; einer von 100 Deut- men vom üblichen Verständnis von Krankheit und Gesundheit, schen durchlebt mindestens einmal in seinem Leben eine schi- von Hobbys oder auch von Lebensplanungen. Carla Fernan- zophrene Psychose. Zu den Symptomen gehören Halluzinatio- dez zum Beispiel hat als eine der Klassenbesten das Abitur nen und etwa das Hören von Stimmen. Die Erkrankten fühlen bestanden, dann das Studium abgebrochen, später als Park- sich auf bizarre Weise bedroht, das Iogische Denkvermögen platz-Kassiererin gearbeitet. Wie haben sich ihre Eltern damit ist gestört; viele können nicht mehr folgerichtig formulieren. Schi- abgefunden, dass ihre Tochter immer wieder „irre“ wird an sich zophrenie kann auch Antriebsmangel, eine Verarmung der Spra- selbst? „Mein Vater“, sagt sie, „setzt kaum einen Fuß über die che oder ein Verflachen der Gefühle zur Folge haben. Schwelle der Psychiatrie.“ Auch mit der Mutter könne sie nicht offen sprechen. Warum aber hört ein Mensch auf einmal Stimmen, fühlt sich bedroht oder beginnt, in einer Traumwelt zu leben? Warum gelingt Für viele Angehörige, berichtet Jutta Herrlich, Psychologin am es dem einen, mit einer Lebenskrise fertig zu werden, während Frankfurter Universitäts-Klinikum, beginne mit der Erkrankung ein anderer mit Wahnvorstellungen reagiert? „Die Ursachen für ihrer Verwandten ein Teufelskreis. „Viele schämen sich, fühlen Schizophrenie sind bis heute nicht bekannt“, sagt Burkhard Pflug, sich unverstanden, meiden aus Angst vor Fragen Nachbarn, Direktor der Klinik II für Psychiatrie und Psychotherapie am Frank- Bekannte und Freunde.“ Die Sorge, im sozialen Abseits zu lan- furter Universitäts-Klinikum. Noch im 18. Jahrhundert glaubte den, ist nicht unberechtigt: Die Angst, irgendwann einmal selbst

24 Lichtblick • Jahresheft 2000 MEDIENBERICHT psychisch zu erkranken, wird von nicht wenigen Menschen In jüngster Zeit jedoch sprechen Fachleute von einem schnel- mit Abwehr kompensiert. „Du bist ja schizophren!“, heißt es len Fortschritt in der pharmakologischen Entwicklung: Seit Mit- da salopp. Die Worte „irre“ und „Wahnsinn“ kommen im moder- te der neunziger Jahre sind so genannte atypische Neurolep- nen Sprachgebrauch nur verfremdet vor. Bilder von kreischenden tika auf dem Markt. Sie greifen gezielter in den Hirnstoffwech- Kranken in Schlafsälen (wie in dem Film „Einer flog über das sel ein und haben deutlich weniger Nebenwirkungen. Allerdings Kuckucksnest“) geistern noch immer durch die Köpfe - und tra- kosten sie etwa fünf- bis zehnmal so viel wie herkömmliche Medi- gen nicht gerade dazu bei, dass man psychisch Kranken ohne kamente - vor dem Hintergrund der Arzneimittelbudgetierung Angst gegenübertritt. Gewalttaten kämen bei psychisch Kran- kein geringes Problem. „Die Behandlungskosten können für aty- ken indes nicht häufiger vor als bei Gesunden, sagt Pflug. pische Neuroleptika je Kassenpatient im Quartal gerade einmal für viereinhalb Tage finanziert werden“, rechnete Raimund Wim- Nicht nur die Gesunden meiden die Kranken, die Kranken mei- mer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, im vergangenen Mai auf den auch die Öffentlichkeit. Im Landesverband Hessen der Psy- einem Symposion in Gütersloh vor. Doch wenn die Verordnung chiatrie-Erfahrenen etwa lehnt man den Kontakt zu Journalisten atypischer Neuroleptika dem allgemeinen anerkannten Stand ab. „Das ist eine Reaktion auf das Stigma“, sagt eine Mitarbei- der medizinischen Erkenntnisse entspreche, hätten die Versi- terin. „Ein psychisch Kranker ist abgestempelt.“ Da sei es nur fol- cherten auf diese Verordnung einen Rechtsanspruch. gerichtig, „dass wir uns schützen und wehren“. Das eigentli- che Problem, sagt ein Betroffener, sei die Stigmatisierung durch Carla Fernandez nimmt täglich drei verschiedene Medikamen- die Gesellschaft. Wenn man einen Aufenthalt in der Psychiatrie te, unter ihnen auch ein atypisches Neuroleptikum. Seit 1993 hinter sich habe, fühle man sich gebrandmarkt. Geisteskrankheit muss sie mit Psychopharmaka leben, wie lange das noch so sei ein Etikett, das dazu führe, dass man von der Gesellschaft gehen wird, steht in den Sternen. „Die Gefühle - alles ist nicht nicht ernst genommen werde. Während seines Aufenthalts in der mehr so intensiv wie früher, aber ich bin auch nicht mehr so ver- Psychiatrie vor drei Jahren fühlte sich der heute 40 Jahre alte letzlich“, sagt sie. Wenn sie drei Wünsche frei hätte? Einen Leben- Jurist zum Untersuchungsgegenstand degradiert. Deshalb setzt spartner, einen Job als Fremdsprachensekretärin, ein Hobby - er sich sowohl im Verband der Psychiatrie-Erfahrenen für einen und eines noch: sich endlich einmal nicht mehr anders als die sensibleren Umgang mit Menschen in der Psychiatrie ein. Um anderen fühlen zu müssen. „Für viele Gesunde bin ich einfach dieses Thema geht es auch immer wieder in den etwa 80 Psy- zu krank - und für viele Kranke zu gesund.“ chose-Seminaren, die seit 1989 in Deutschland gegründet wur- den. Außerdem helfen psychosoziale Beratungsstellen. Mit freundlicher Genehmigung der Autorin Karen Allihn Erstveröffentlichung: „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (F.A.Z.) vom 22. Januar 2000 „Viele der Schwierigkeiten resultieren aus mangelndem Wissen“, sagt Jutta Herrlich. Zahlreiche Angehörige könnten hoffnungs- voller in die Zukunft blicken, wenn sie wüssten: Die Heilungs- chancen sind besser als allgemein angenommen. Ein Drittel der Zahlen und Fakten zur Schizophrenie Patienten erlebe nur ein- bis zweimal in seinem Leben einen „Zustand“, sagt Pflug. Das zweite Drittel müsse immer wieder NAME: Schizophrenie, richtiger Gruppe der Schizophrenien: (Wortbedeutung mit Schüben rechnen. Nur das letzte Drittel leide an „spekta- mißverständlich „Bewußtseinsspaltung“). Andere Bezeichnungen: Psychose, kulären Psychosen“ und gelte als unheilbar. Auf dem neunten paranoide Psychose, schizophrene Psychose. Weltkongress für Psychiatrie im vergangenen August in Ham- HÄUFIGKEIT: Erkrankungswahrscheinlichkeit ein Prozent: jeder Hundertste burg wurde der Anteil der Erkrankten, die den Sprung in die erkrankt im Laufe seines Lebens an Schizophrenie. Stichtagshäufigkeit ca. 0,5 Prozent: an jedem gegebenen Tag sind 0,5 Prozent der Bevölkerung schizo- ambulante Behandlung schaffen, mit 90 Prozent angegeben. phreniekrank.

SYMPTOME: Vielfältig; zentrales schizophrenes Syndrom: Erleben der Einge- In seiner Klinik, sagt Pflug, setze er auf eine gute Beziehung zwi- bung von Gedanken, Gedankenübertragung, Gedankenentzug, Gedankenlaut- schen Patient und Therapeut - „ein Hilfs-Ich, das stellvertretend werden; Stimmen, die Gedanken und Handlungen begleiten und kommentieren; Strukturen bietet“. Auch das Erlernen von Entspannungsü- Veränderungen des Gefühls und des Wollens, (z.B. nicht wollen können). bungen (etwa Yoga), Verhaltenstherapie, ganzheitliche Pflege DIAGNOSE: Die Schizophreniediagnose ist ein wissenschaftliches Konstrukt. durch eine einzige Bezugsperson spielten eine Rolle. Besonders Sie wird nach Anzahl, Ausmaß und Dauer definierter Symptome gestellt und stützt sich nicht auf ein bestimmtes Krankheitskonzept oder bestimmte Vorstellun- liegt dem Professor am Herzen, dass auf seinen Stationen das gen von den Ursachen. Je nach Definition werden demnach mehr oder weni- Abendessen von Personal und Patienten gemeinsam einge- ger Menschen als "schizophren" diagnostiziert (Schwankungsbreite nach oben nommen wird: „Das schafft ein Gefühl des Eingebunden-Seins, bis zu 100 Prozent). das durch nichts zu ersetzen ist.“ URSACHEN, Entstehung: immer noch weitgehend unbekannt: Nach dem der- zeit allgemein anerkannten „Vulnerabilitätskonzept“ (vulnerabel = verletzlich) rea- gieren Menschen, die schizophren erkranken, besonders empfindsam auf kör- Durch nichts zu ersetzen jedoch sind auch die seit den vierziger perliche, seelische und soziale Reize. Niemand ist schuld, schon gar nicht die Jahren zur Behandlung von Schizophrenie entwickelten Medi- Kranken oder ihre Angehörigen. kamente, die so genannten Neuroleptika. Sie regulieren den THERAPIE: Medikamente (Neuroleptika) bei akuter Erkrankung und zur Rück- Überschuss an Botenstoffen im Gehirn. Die Nebenwirkungen fallprophylaxe, Psychotherapie, soziale Maßnahmen; frühzeitig Mitwirkung der allerdings reichen von Muskelkrämpfen über schwere Bewe- Kranken am Behandlungsplan, aktive Einbeziehung der Angehörigen. gungsstörungen (zum Teil ähnlich der Parkinsonschen Erkran- VERLAUF und Heilungschancen: Auch schwere schizophrene Episoden bes- kung) bis zur Unfähigkeit, länger still sitzen zu können. Außer- sern sich in der Regel. Ein Viertel bis ein Drittel heilen spontan aus. Bei zwei Drit- tel war der Verlauf auch schon vor Einführung moderner Therapien langfristig dem verringern sie die Antriebskraft und das Empfinden, ja sogar günstig. Konsequente Therapie bessert die Chancen erheblich. den Stoffwechsel. Auch Carla Fernandez musste diese Erfah- Aus: Asmus Finzen, ãDer Verwaltungsrat ist schizophren“, Psychiatrie-Verlag, Bonn (1996) rung machen. „Früher hatte ich 65 Kilo“, sagt die etwa 1,70 Meter ISBN 3-88414-178-3, 245 Seiten, 29,80 DM große Frau traurig, „jetzt wiege ich 88.“

Lichtblick • Jahresheft 2000 25 FORSCHUNG Stigma und Diskriminierung hören nicht im privaten Bereich auf Universität Leipzig legt Ergebnis über die Rostocker Focusgruppe vor

Von der Universität Leipzig liegt Lichtblick eine Aufstellung der Stigmatisierungserfah- le dienen. Dass Veränderungen in der medikamentösen rungen aus der Rostocker Fokusgruppe (Angehörige) vor. Die beiden wichtigsten Erkennt- Therapie ohne Information der Eltern oder des Patien- nisse: 1. Stigma und Diskriminierung hören nicht im privaten Bereich auf, sondern sind ten durchgeführt würden, sei eine extreme Form von auch in politischen Entscheidungen und rechtlichen Regelungen verankert. Medienbe- Ignoranz. Ignoriert würde auch das Engagement und die richte über vermeintlich psychisch kranke Gewalttäter verletzen und legen entsprechend Zuwendung der Angehörigen dem Erkrankten gegenü- negative Einstellungen in der Bevölkerung nahe, und die Lebensplanung in Bezug auf ber. Da werden schnell mal alle Fortschritte auf die Medi- Beruf und Familie ist als Folge der Erkrankung und ihres Stigmas stark eingeschränkt. kamente zurückgeführt. 2. Am häufigsten wird Stigma im Rückzug von Freunden und Bekannten erlebt, gefolgt Schuldzuweisungen würden nicht nur durch die thera- von einem oft wenig kooperativen Umgang der psychiatrischen Fachkräfte mit Angehöri- peutisch arbeitenden Profis ausgesprochen. Da kann gen. Eine Veröffentlichung der Studienergebnisse aller Gruppen (Angehörige, schizo- auch schon mal der Amtsrichter die schuldigen Eltern phren Erkrankte, psychiatrisch Tätige) ist geplant. Besonders bedeutsam sind die Erkennt- von ihrer Betreuertätigkeit entbinden wollen und ein Urteil nisse aus der Stigmaforschung beim Aufbau konkreter Anti-Stigma-Projekte. So grün- mit allen was Eltern so alles ihrem erkrankten Angehöri- detet sich in Leipzig der Verein „Irrsinnig menschlich e.V.“, der sich besonders der Medi- gen gegenüber verschuldeten verlesen. Oft genug finde en- und Öffentlichkeitsarbeit im psychiatrischen Bereich widmet. Eine Journalistin unter- man auch die Einstellung, ãdass die Erkrankten uns stützt Medienvertreter bei der Themenfindung und Recherche. Darüber hinaus arbei- nur mit ihrem Verhalten ihren Willen aufzwingen wollten“. tet der Verein mit Angehörigen und Psychiatrieerfahrenen zusammen (Anschrift, S. 4). Beispiel von Rückzug wurden aus dem Freundeskreis Lesen Sie nachstehend die Auswertung der Rostocker Focusgruppe. (leicht gekürzt, d.R.) der Erkrankten geschildert. Vor allem in Tiefpunktpha- schon in den Gesetzen, doch in den Genu§ von Auf- sen könne man den abnehmenden Kontakt besonders MEMO FÜR DIE FOCUSGRUPPE bemerken. ROSTOCKER ANGEHÖRIGER klärung zu kommen dürfe kein Zufall sein. Dies gelte vor allem auch für die Zeit nach dem Klinikaufenthalt. Die negativen Nebenwirkungen der Medikamente wie Gewichtszunahme behinderten das entstehen von Part- Strukturelle Stigmatisierung Kliniken wollten sich zum Teil neue Identitäten geben, dies geschähe aber vorrangig über neue technische und nerschaftsbeziehungen. Durch die Qualität der psychiatrischen Versorgung fühlen räumliche Ausstattungen sowie über den Namen der sich die Rostocker Angehörigen ganz klar am meisten Einrichtung. Meist sei dies aber inkongruent zu dem was Bild psychisch Kranker in der Öffentlichkeit stigmatisiert. Gro§teils fehlen entsprechende Unter- man dort erwarten könne. Hauptverursacher der falschen Bilder in der Öffentlich- stützungs- und Anlaufstellen oder sie seien zu einsei- Die Angehörigen psychisch Erkrankter sehen die psy- tig auf das medizinische Krankheitsmodell ausgerichtet. keit seien die Medien. Nun sei es an der Zeit diese zu chisch Erkrankten in der Anerkennung von Krankhei- korrigieren. Überschriften ständen kaum in Bezug zum So würden Medikamente eben hauptsächlich eingesetzt ten durch die Gesellschaft auf der untersten Stufe ste- um lästige Symptome zu beseitigen, deren Ursache - so eigentlichen Text und Selbsthilfeaspekte fehlten total hen. Ganz deutlich werde dies bei der Bereitschaft zur in der Berichterstattung. Für die Angehörigen sei dies die Ärzte - in einer Stoffwechselerkrankung im Gehirn Kostenübernahme durch die Sozialversicherer. Am liege. Dass Liebe und Zuwendung auch eine wichtige Verhalten unverständlich, da es doch so etwas wie den schwierigsten sei hier die Anerkennung von Pflegestu- Pressekodex gebe. Mancher sieht da die Gefahr, dass Rolle spiele anerkenne man kaum. Absto§ende, kein fen, was aber bei körperlichen Erkrankungen ganz nor- bisschen Geborgenheit spendende Klinikeinrichtungen auch die Erkrankten sich mit einem derartig dargestell- mal sei. Einige Angehörige schildern, dass es bei der tem Bild identifizieren. verdeutlichten dies. Zahlungsbereitschaft der Kassen regionale Unterschie- Wort- und Begriffswahl in der Alltagssprache ständen Die Angehörigen bestritten nicht die Notwendigkeit der de gebe. Das gleiche dann schon einem Glücksspiel teilweise noch in Bezug zur NS-Zeit. Oder Begriffe wer- Medikamente, aber die noch existierende Unwissenheit in den Genu§ verschiedener Versicherungsleistungen den zu Vermarktungszwecken für Medien oder Produkte solle nicht dazu führen, dass die Klinik zur Versuchs- zu kommen oder nicht. Die Angehörigen sind vor allem mi§braucht. anstalt werde oder voreilig zu ãVorschlaghammerme- auch besorgt betreffs der ökonomischen Absicherung Die Menschen suchten sich in ihrem Leben eben nur die thoden“ gegriffen wird. Au§erdem seien die durch die ihrer Erkrankten. Nicht abgeschlossene Ausbildungen angenehmen Seiten. So halten sie auch den Kontakt in Medikamentenum- und -einstellungen verursachten und daraus folgend nicht bestehende Arbeitsmöglich- Hochphasen des Erkrankten und wenden sich ab in Tief- Schwankungen auch von den Angehörigen mitzuer- keiten haben zur Folge, dass viele psychisch Erkrank- punkten. tragen. Und neben der Behandlung des Körpers müsse te sich nie einen Rentenanspruch erwerben können. die Seele eben auch ein entsprechendes Gewicht Wenn das von der Gesellschaft auferlegte Arbeitsverbot Ob Profis oder Umwelt, es werden immer Unterschiede bekommen. doch durch private Jobvermittlungen einmal durchbro- zwischen physischen und psychischen Erkrankungen chen wurde, werden die Grenzen immer wieder durch gemacht, in den Sichtweisen und in den daraus resul- Ursache hierfür sei die Ausbildung der Mediziner, die tierenden Handlungen. entsprechende Sichtweisen vertreten und weiterver- die Leistungsorientierung im freien Markt erreicht, bei breiten. Grundlage für die Meinungsbildung in einer Regi- der psychisch Erkrankte oft nicht mithalten könnten. on seien ortsansässige Universitäten mit ihren Profes- Zugang zu sozialen Rollen soren, deren Einstellungen durch deren Multiplikato- Interpersonelle Interaktion Mit Defiziten bei der Integration in die Arbeitswelt renfunktion auf eine Region abstrahlten. Haben diese Vorrangig sei hier der Umgang der Profis mit den Erkrank- beschrieben die Angehörigen die Situation ihrer erkrank- kein Interesse an sozialpsychiatrischer Forschung und ten und ihren Angehörigen stigmatisierend. Hierzu gehör- ten Familienmitglieder. Es wurden mehrere Beispiele Veränderung, blieben alte Sichtweisen bestehen. ten immer noch Informationsbarrieren, unter anderem beschrieben, bei denen mit Bekanntwerden der Erkran- Wenn in gro§en Belastungssituationen aufgrund akuter aufgrund der Fachsprache, zwischen Ärzten, Angehöri- kung ihr beruflicher Abstieg folgte. So durfte eine Erzie- Phasen eines Angehörigen Klinikeinweisungen von offi- gen und Patienten. Gespräche die zur Diagnosenstel- herin keine Tätigkeit mit den Kindern ohne zusätzliche zieller Seite abgelehnt werden, bliebe dies für die lung dienen sollen lassen schon vermuten, dass die aus- Aufsichtsperson durchführen, selbst beim Musikinstru- Angehörigen unverständlich. Unverständlich bleibe auch schlie§liche Suche in der Kindheit nur nach Fehlern bei ment vorspielen. Sie wurde von ihrer Arbeit mit Men- vieles Andere, da aufgrund der aus Sicht der Angehöri- den Eltern dienen soll. Überhaupt sei der Umgang mit schen zur Tätigkeit als Raumpflegerin gedrängt. gen vorgeschobenen Schweigepflicht notwendiger Infor- den Erkrankten und Angehörigen sehr unsensibel wofür Ein Ehemann beschreibt, dass er aufgrund der Erkran- mationsfluß fehle. So könnten auch Eltern ihre schon das Ausfüllen eines Fragebogens als erste Handlung kung seiner Frau berufliche Einschränkungen hinneh- über 18-jährigen Kinder nicht ausreichend während der beim Erstkontakt mit dem Arzt und auf der anderen Sei- men musste, in der Form, dass er zum Beispiel nicht Therapie begleiten. Die Ursachen hierfür lägen also te das völlige Fehlen von Gesprächen hier als Beispie- mehr auf Montage arbeiten konnte.

26 Lichtblick • Jahresheft 2000 PSYCHIATRIEREFORM Motzener Thesen zur Psychiatriereform

Auf der Tagung 10 Jahre Psychiatriereform in den neuen Bundesländern - Pro- Behandeln wird so zu einem Proze§ des Verhan- fessionelle, Psychiatrieerfahrene und Angehörige ziehen Bilanz“ im Oktober 1999 10. delns und Aushandelns. Psychotische Krisen müs- haben 300 Tagungsteilnehmer in einem trialogischen Diskussionsprozeß wichti- sen als Lebens- und Lernerfahrung verstanden und ernst ge Aspekte psychiatrischer Hilfen erörtert. „Das Ergebnis der Tagung wurde in den genommen werden. In der psychiatrischen Arbeit gibt es «Motzener Thesen» festgehalten. „Würden die Thesen Wirklichkeit werden, dann keine Qualität ohne Zeit. Vor Tabuthemen wie Medika- wären Hilfesuchende, Angehörige und Ärzte ein Team, das gleichberechtigt zusam- mentennebenwirkungen sowie Selbsttötungsrisiken bei psychischen Erkrankungen dürfen psychiatrischen Fach- men eine Therapie aushandelt“, so die Potsdamer Neueste Nachrichten. Die gesamt- kräfte in den Gesprächen mit Betroffenen und Angehöri- deutsche Psychiatrie scheint vor einem radikalen Wandel zu stehen. Die neuen gen nicht zurückschrecken, da sonst Leid und Risiken Impulse, die von der Tagung in der Fontane-Klinik im Dahme-Spreewald-Kreis (Ber- bei Hilfesuchenden ungerechtfertigt erhöht werden. Die- lin-Brandenburg), geben die Richtung vor. Lichtblick se beschreiben es als größte Erniedrigung, in Unwis- senheit belassen zu werden. 1. Die politische Wende wurde auch in der Psychia- 6. Das gesetzlich verankerte Recht der Betroffenen trie der DDR als Befreiung erlebt. Es entstand für auf weitestgehende ambulante und gemeindena- 11. Gerade für psychisch kranke Menschen stellt kurze Zeit ein politisches, ökonomisches und soziales he Hilfen mu§ endlich mit allen zur Verfügung stehen- Arbeitslosigkeit ein besonderes Risiko für Gesund- Vakuum. Der psychiatrische Aufbruch seit 1990 hat krea- den Mitteln umgesetzt werden. Für alle Beteiligten und heit und weiteren Lebensweg dar. Gefordert wird des- tive Potentiale freigesetzt, aber psychisch Kranke, Interessenvertretungen gilt, dass die Suche nach Ver- halb die Langzeitintegration durch Arbeit und Beschäf- Angehörige und Professionelle auch teilweise überrollt. bündeten in der eigenen Gemeinde und Region beginnt. tigungsmöglichkeiten, ersatzweise arbeitsmäßige Das Gesundheits- und Sozialsystem Westdeutschlands Gefordert wird, regelmäßig zu überprüfen, wie Politi- Beschäftigungen zu Lasten der sozialen Hilfesysteme. ist den neuen Bundesländern übergestülpt worden. Es ker ihrer Verantwortung auf dem Gebiet ambulanter Hil- Um die Krankheitsbenachteiligung für Betroffene und ihre wird als unangemessen empfunden, den Beginn der Psy- fen gerecht werden. Angehörigen zumindest ansatzweise auszugleichen, sind chiatriereform als Stunde Null der Sozialpsychiatrie im Modelle der Grundsicherung anstelle der Sozialhilfe zu Osten anzusehen. Im Bereich Arbeit und beruflicher Reha- 7. Die stationäre Psychiatrie darf sich nicht wieder zu erproben. bilitation verfügte die DDR-Psychiatrie über wesentlich einer Wachstumsbranche entwickeln. Der Ausbau Die Erfahrung der Motzener Tagung haben für 300 bessere Möglichkeiten. ambulanter Hilfen ist durch Anreize zu belohnen. Um Ver- 12. schwendungen zu verhindern, wird gefordert, dass Qua- Tagungsteilnehmer aus den neuen Bundesländern Angst und Autoritätsfurcht sind nicht allein auf die litätskontrolle und Ausbau psychiatrischer Hilfen nicht - Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sach- 2. DDR-Psychiatrie beschränkt. Erfahrungen von wie bisher üblich - lediglich Professionellen vorbehal- sen-Anhalt und Thüringen eindruckvoll bewiesen, wie Unterdrückung und das Fehlen eigenständiger Interes- ten bleibt. Überprüfungs, Kontroll- und Planungsgremi- weit inzwischen der fruchtbare Trialog aller Beteiligten senvertretungen von Psychiatriepatienten und Angehöri- en, wie Psychiatriebeiräte, Psychosoziale Arbeitsge- gelungen ist. Aus diesem gemeinsamen Gespräch sol- gen haben die Auflehnung gegen entmündigende meinschaften und Besuchskommissionen, sind nur unter len kreative Potentiale für die Öffentlichkeitsarbeit in den Behandlungserfahrungen und unmenschliche Verwahr- Einbeziehung der Interessenvertretungen der Psychia- einzelnen Bundesländern entwickelt werden im Sinne praktiken erschwert. Die Einbindung in Arbeitskollektive, trieerfahrenen und Angehörigen zu berufen. aufklärender Bildungsprozesse. die Sicherheit des Arbeitsplatzes sowie das Defizit an Einige Stimmen haben vor einer Dämonisierung Verabschiedet am am 9. Oktober 1999, Fontane-Klinik, Motzen demokratischen Aushandlungsprozessen haben den Auf- 8. Weitere Informationen finden Sie unter: http://www.psychiatriereform.de bau von Selbsthilfegruppen verhindert, ebenso wie ein psychiatrischer Kliniken in der Befürchtung gewarnt, geringerer beruflicher Leistungsdruck entlastend wirkte. Krankenhäuser könnten als Rückzugs- und Schutzraum in Krisensituationen nicht mehr zur Verfügung stehen, 3. Die Zwischenbilanz zur gegenwärtigen Situation bevor ambulante Alternativen geschaffen worden sind. der Psychiatriereform in den neuen Bundesländern Andere sprechen sich für die Entwicklung einer Gegen- MEINUNGEN hat gezeigt, dass die Kompetenzen, der Erfahrungsschatz macht auf dem Weg des Trialogs zwischen Psychia- Die Motzener Fachtagung war für uns als Landesver- und das Engagement von Betroffenen und Angehörigen trieerfahrenen, Angehörigen und Professionellen aus, band der Angehörigen in ihrer Konzeption, Durchführung bei der Neuorientierung seit der Wende ungenutzt blieb. um die Dominanz der Landeskrankenhaus-Psychiatrie und ihrem Resultat eine Überraschung. Hier stellte sich Damit sind wesentliche die Qualität psychiatrischer Arbeit und Heime zurückzudrängen. Die Gleichstellung von psy- die Psychiatrie in ihrer ambulanten und klinischen Arbeit bestimmende Ressourcen verschenkt worden. Psy- chisch mit körperlich Kranken kann nur in psychiatrischen in einer völlig neuen Gestalt institutionsübergreifend dar. chiatrische Fachlichkeit erfordert, Nöte, Bedürfnisse und Abteilungen mit Institutsambulanzen an Allgemeinkran- In unserer über sechsjährigen Arbeit im Landesverban- Wünsche der Betroffenen und Angehörigen nicht nur kenhäusern gewährleistet werden. Gefordert wird auch, des, wie auch in unserer über 20jährigen, persönlich/fami- wahr- und ernstzunehmen, sondern auch in die profes- niedergelassener Nervenärzte in gemeindepsychiatri- liären Erfahrung mit Psychiatrie, haben wir Angehörigen sionellen Therapiekonzepte aufzunehmen. Ohne den sche Hilfen einzubinden. Trialog zwischen psychiatrieerfahrenen Menschen, immer gelitten unter der Diskrepanz zwischen diesen Angehörigen und Fachleuten verkommt psychiatrische Betroffene und Angehörige beschreiben Fähig- zwei, jeweils in sich geschlossenen Blöcken von ambu- Professionalität zu medizintechnischen Praktiken. 9. keit und Bereitschaft der Behandler zum gemein- lanter und klinischer Versorgung. Diese Kluft hat die Mot- samen Gespräch über psychiatrische Diagnosen, über zener Tagung bereits in ihrer Konzeption überwunden 4. Ein wesentlicher Teil psychiatrischer Krankenh- Vor- und Nachteile von Behandlungsverfahren sowie über und damit institutionsübergreifend die Frage nach Ver- ausbehandlungen und ca. 80% der Heimunter- die psychischen und sozialen Folgen der Erkrankun- sorgungserfolgen und Versorgungslücken stellen und bringungen sind bei bedarfsentsprechenden kommuna- gen als bislang völlig unzulänglich. Krankheits- und Pro- beantworten können. len Unterstützungsmöglichkeiten überflüssig. Deshalb gnose-Urteile von Psychiatern sind wesentlich geprägt Frank Richter, Vors. Landesverband Brandenburg ApK entspricht sowohl dieser Anteil der einrichtungsmäßigen von ihrer Grundhaltung zum Phänomen „psychische Unterbringungen als auch die öffentlich-rechtlich geför- Störung“. Deshalb sind der gleichberechtigte, trialogische Motzen hat aufgezeigt, dass es ohne die Einbeziehung derte Untätigkeit beim Aufbau ambulanter Strukturen Austausch und die Beteiligung von Psychiatrieerfahre- von Angehörigen und Psychiatrie-Erfahrenen keine Fort- einem eklatanten Rechtsbruch und erfüllt den Tatbestand nen, Angehörigen und Professionellen auf den Ebenen schritte in der Psychiatriereform geben kann. Besonders der Freiheitsberaubung. Ausbildung, Forschung, Gesetzgebung, Justiz, Verwal- richtungsweisend finde ich die Ansicht von Prof. Dr. Dör- Damit diesem rechtlich und moralisch-ethischen tung und Leistungserbringer Voraussetzung für eine ange- ner. Er sagte: ãWenn ich wähle, im Gesundheits- oder 5. Mi§stand endlich abgeholfen wird, mu§ die Ver- messene Auseinandersetzung mit wesentlichen Fragen Sozialwesen tätig zu sein, habe ich auch die Pflicht teilung aller Geldmittel für psychiatrische Hilfen der kom- von Betroffenen und Angehörigen. Um das kommunika- gewählt, meinen Job überflüssig zu machen.“ Die Kli- munalen Ebene übertragen werden. Kommunen sind so tive Defizit unter den Beteiligten zu mindern, wird gefor- nikbetten in Gütersloh konnten drastisch schrumpften, auszustatten, dass sie den Ausbau der Hilfen den örtli- dert, die seit Jahren an weit über hundert Orten in weil gleichlaufend dazu die gemeindenahe Unterbringung chen Rahmenbedingungen entsprechend und an den Deutschland als sehr hilfreich sich erweisenden ãPsy- der Patienten mit ambulanter Versorgung und sinnvollen Bedürfnissen der Nutzer orientiert planen und finanzie- choseseminare“ zu einem Regelbestandteil professio- Beschäftigungsangeboten erfolgreich verwirklicht wer- ren können. neller Ausbildung und Praxis zu machen. den konnte. Helmut Hartig, Ehrenvorsitzender LApK MV e.V.

Lichtblick • Jahresheft 2000 27 PSYCHOSE-SEMINAR

Newsletter www.lichtblick99.de Ohne Absicht therapeutisch: Zum Verhältnis Psychoedukation als von Psychose-Seminar und Psychotherapie Selbstsicherheitstraining Ausgangspunkt des Psychose-Seminars ein schwarz zu färben. Doch genau an die- lb-news/rh - Vor drei Jahren hatten Nervenärzte, war und ist das Eingeständnis, dass eine sen Stellen bietet der Trialog die Chance Psychologen, Psychiatrieerfahrene und Angehöri- wissenschaftliche Erklärung oder auch nur einer »Korrektur«. ge in Leipzig und Saarbrücken die zündende Idee, ein einheitliches Bild der (schizophrenen Um es noch einmal deutlich zu sagen: Das im Rahmen eines Pilotprojektes ãIntegrierte Schi- oder manisch-depressiven) Psychose nicht Psychose-Seminar ist keine Therapie! Und zophreniebehandlung“ zu prüfen, ob sich durch eine Stärkung des ambulanten Bereiches die Behand- möglich ist. Weitere Erkenntnisfortschritte doch hat es (vielleicht gerade deshalb) viel- lungsqualität schizophrener Patienten verbessert setzen einen wechselseitigen Austausch fach eine therapeutische Wirkung. Vielleicht und gleichzeitig die direkten Kosten der Krankheit und eine stärkere Berücksichtigung der sub- ist die so zu erklären: Wenn sich jemand mit reduzieren lassen. jektiven Wahrnehmungen voraus. seinen psychotischen Wahrnehmungen Inzwischen liegen erste Ergebnisse zum Leipzi- betrachtet, sich sogar offen und öffentlich ger Projekt vor, die bundesweit für Furore sorgen. Wissen vervielfachen in wohlwollender Umgebung zu ihr bekennt, So auch in Rostock, wo sich eine Arbeitsgruppe ãVer- so wirkt das selbst-integrierend, also der sorgungsqualität psychisch Kranker in Mecklenburg- Lange Zeit fanden sich Patienten im wesent- Spaltung entgegen. So kann ein Prozeß in Vorpommern“ gebildet hat. Einen Überblick über lichen in der Rolle des Objektes von Behand- Gang kommen, der durch reine medizini- das Projekt gab gestern der mitarbeitende Leipzi- sche oder psychotherapeutische Sym- ger Psychiater Dr. med. Rainer A. Richter in der Han- lung sowie Angehörige sich in der des ptombekämpfung eher verhindert wird. sestadt. So ziele das wissenschaftlich begleitetes Störenfrieds. Eine gleichberechtigte Begeg- Vorhaben auf die Lebensqualität der Patienten und nung mit dem Ziel, Wissen zu addieren, Die relative Öffentlichkeit des Seminars kann ihrer Angehörigen. Dabei stehe die Wissensver- wechselseitig zu ermöglichen und so zu ver- helfen, der Gefahr der gesellschaftlichen mittlung über die Erkrankung, Möglichkeiten der stehen, war überfällig. Dabei erwies sich die Stigmatisierung entgegenzuwirken. Das Therapien wie Soziotherapie, Psychotherapie, Phar- Begegnung unabhängig von den »Barrie- Erkenntnisinteresse im Psychose-Seminar makotherapie sowie das Erkennen von Frühsym- ren« therapeutischer oder familiärer Abhän- signalisiert eine grundlegende Akzeptanz: ptomen und die Erarbeitung eines Krisenplanes im gigkeit als besonders fruchtbar. Psychosen gibt es - was bedeuten sie? Im Vordergrund. Dafür wurde unter der Trägerschaft Noch ein anderer paradoxer Effekt war zu Vordergrund steht weniger die Suche nach des ãVerein für ergänzende psychiatrische Thera- beobachten: Menschen, die sich unter dem Ursachen, als die nach dem Sinn. Psycho- pie und Information e.V.“ ein spezielles Therapie- Druck therapeutischer Absichten eher ver- seerfahrene Menschen lernen sich unter- und Informationszentrum gegründet, das eng mit einander, auch in der Wahrnehmung durch den niedergelassenen Ärzten zusammenarbeitet. schließen, öffneten sich im Psychose-Semi- Kern am Zentrum bilden die sogenannten psy- nar – das sich explizit nicht als therapeuti- Angehörige und Profis, als ganze Menschen choedukativen Gruppen für Patienten, Familienan- sche Einrichtung versteht – eher beiläufig kennen, als Menschen mit besonderer gehörige und enge Bezugspersonen, die sich hier und aus sich heraus. Hilfreich war dabei ver- Lebenserfahrung. unter psychologischer Anleitung - in enger Zusam- mutlich, dass gewissermaßen eine Verkeh- menarbeit mit niedergelassenen Ärzten - in regel- rung der Rollen stattfand: Psychoseerfah- Leichtigkeit und Humor mäßigen Abständen treffen. Drei Monate nach Been- rene gelten im Psychose-Seminar als Exper- digung des „Selbstsicherheitstrainings“ ist ein Auf- ten, Angehörige als deren »Kenner« und Pro- Um das leisten zu können, braucht das Psy- frischungskurs vorgesehen, um die günstige Krank- fis als die, die sich einen persönlichen chose-Seminar bei aller Dringlichkeit und heitsprognose nachfolgend zu beeinflussen. Zugang zum Geschehen erst noch erarbei- Besonders der aus der Wissensvermittlung gewon- Schwere der Themen auch Leichtigkeit und ten müssen. nene Çemanzipatorische AspektÈ erleichtere den Humor. Ich war selbst anfangs überrascht, Umgang mit der Krankheit Schizophrenie, trage zur wie sehr meistens beides möglich war, viel- Entstigmatisierung sowie zu einem ãWohlgefühl“ in Der Status ist für alle gleich leicht weil Therapie und Veränderung nicht den betroffenen Familien bei, so Dr. Richter. Zudem das erklärte Ziel waren. Sinnsuche geschieht habe sich bei den Patienten die Compliance (The- Studenten lernen die Verschränkung der im Psychose-Seminar nicht so sehr auf indi- rapiebereitschaft) deutlich erhöht. Anbahnende Rezi- Perspektiven kennen, bevor sich die übli- vidueller psychoanalytischer Ebene, son- dive (Rückfälle) konnten rechtzeitig behandelt wer- che Haltung machtvollen Tuns allzu sehr ver- dern auf einer eher grundsätzlichen »phi- den. Jedoch der Nachweis, Krankenhaustage ein- festigen kann. Die Erfahrungen im Psycho- losophischen«, vielleicht auch manchmal zusparen, stehe noch aus. se-Seminar verdeutlichen einen Wider- etwas oberflächlichen Ebene. So wird dort Der Leipziger Mediziner verwies darauf, dass obwohl Psychose verstanden als Ausdruck eines der medizinische Fortschritt besonders auch für spruch, den manche Therapie nicht auf- Schizophreniekranke innovative Therapien bereit- zulösen vermag: Emanzipatorisch wirken zu Ringens um Eigenheit, als Lösungsversuch halte, wie z.B. Psychoedukation und moderne aty- wollen, durch eine eher hierarchische Bezie- vorausgegangener Konflikte und Krisen, als pische Neuroleptika, werde ihnen immer noch die- hung aber eben das gleichzeitig zu erschwe- Rückgriff auf frühere Entwicklungsstufen, se Chance weitestgehend vorenthalten. Der bis- ren. Im Psychose-Seminar ist der Status des als verzweifelter Versuch der Angstredukti- herige positive Verlauf des Projektes ist somit auch Seminarteilnehmers für alle gleich. Darin on usw. Dieser eher bescheidene Ansatz mit der Frage verbunden, ob die Psychoedukati- steckt eine Chance. kann ermutigend wirken. on als sozialrechtliche Behandlungsleistung abge- Natürlich gibt es auch allgemeine Risiken Das Psychose-Seminar wird nicht nur von sichert werden kann. und Gefahren, die es zu vermeiden gilt: So sogenannten »leichten Fällen« besucht. Die Bislang werden die Kosten für das Modellprojekt sind die professionellen Mitarbeiter manch- meisten psychoseerfahrenen Seminarteil- von Janssen-Cilag, einem führenden forschenden mal versucht, ihr professionelles Wissen zu nehmerinnen und -teilnehmer haben meh- pharmazeutischen Unternehmen, getragen. Im Ergebnis der anschlie§enden Diskussion sprachen verstecken und zuwenig Farbe zu beken- rere Psychosen erlebt. Im Unterschied zur sich die Teilnehmer der Rostocker Arbeitsgruppe nen. Bei manchen Erfahrenen besteht die Klinik kommen nicht nur Menschen in aku- für ein ähnliches Projekt in ihrer Hansestadt aus. Tendenz, die Erlebnisse im nachhinein rosa, ter oder nur in Rehabilitationsphasen bei manchen Angehörigen die, im nachhin- zusammen, sondern eine bunte Mischung

28 Lichtblick • Jahresheft 2000 PSYCHOSE-SEMINAR von Menschen, darunter auch solche, die fahrenen Menschen zu stärken – und zwar »über ihrer Erkrankung stehen«. Anderer- zunächst einmal unabhängig von der Forte- Newsletter www.lichtblick99.de seits ist die Kommunikation im Psychose- xistenz der psychotischen Wahrnehmun- Seminar mitunter sehr »verrückt«. Psycho- gen. Es fördert die Auseinandersetzung mit Meinungen senahe Spannungen können dann die der eigenen Erkrankung oder Störung oder Atmosphäre bestimmen. besonderen Verletzbarkeit. Das kann in „Stimmenreich“ und „Im Strom der Manchmal fühlen sich auch akut psycho- bestimmten Phasen der eigenen Entwick- Ideen“ - zwei Bücher aus dem Psy- tische Menschen vom Psychose-Seminar lung allerdings auch schon mal falsch sein. chiatrie-Verlag - dokumentieren die angesprochen oder können dies auf unter- Es kann hingegen wichtiger sein, sich abzu- spannende Geschichte dieses Ham- burger Psychose-Seminars, das zum schiedliche Weise bereichern. Manchmal wenden von der Beschäftigung mit der Psy- Vorbild wurde für eine bunte Vielfalt von aber kommen alle Beteiligten an ihre Gren- chose, ihren Hintergründen und Bedeutun- mittlerweile über hundert ähnlichen Ver- zen und können dies (vielleicht unbefange- gen. Es kann wichtiger sein, die Selbstver- ständigungsbemühungen quer durch die ner als in einer Therapie) nur zugeben. ständlichkeit des Lebens auf andere Weise Bundesrepublik (und darüber hinaus). (wieder) zu erringen. Sie sind bis jetzt überwiegend an außer- Wichtig: Freiwilligkeit Die Balance liegt in jedem einzelnen Men- klinischen Diensten und Institutionen schen. Von daher ist das Psychose-Semi- angesiedelt, leider noch zu selten an psy- Eines ist in jedem Fall wichtig: Ein Psycho- nar nicht für diese Gruppe immer und für die chiatrischen Kliniken, obwohl sie gera- se-Seminar kann nicht »verordnet« werden. andere nie geeignet. Es kann für einen kon- de hier - als eine Form von institutio- Die Teilnahme ist in jedem Fall und in ganz kreten Menschen in einer bestimmten Pha- neller Supervision - wichtige Impulse umfassendem Sinne freiwillig. Das gilt auch se und entsprechend seiner Offenheit Impul- geben könnten für die Entwicklung einer für die Häufigkeit, Intensität und Aktivität der se geben bzw. von ihm empfangen. In einer menschlicheren, einer verständigeren Teilnahme. Das heißt, es gibt Menschen, die anderen Phase kann sich das mehrfach ver- Psychiatrie. sagen nie etwas, kommen immer und pro- ändern. Günstigenfalls gelingt diese Unter- „Dabei kann man ruhig mal darauf ver- weisen, dass solche Foren für die Aus- fitieren mehr als die, die ständig im Mittel- scheidung auch im Seminar. und Weiterbildung eine hohe Bedeutung punkt stehen. haben können“, heißt es im Vorwort zu Dass die Psychose-Seminare so viel Zulauf Alle sind Gewinner dem Band „Im Strom der Ideen“. „Denn finden, dass diese banale Idee auf soviel wo sonst erlebt man als werdende Fach- Echo stößt, ist eigentlich beschämend. Dabei ist es wichtig, sich immer wieder ins kraft so hautnah die notwendige Ver- Offensichtlich gibt es einen Nachholbedarf Gedächtnis zu rufen: Das Psychose-Semi- unsicherung des unbedingten Helfen- an vorurteilsfreier Begegnung, an gleich- nar ist keine Therapie und keine Selbster- Wollens und so lebendig die ,Ver- berechtigtem Austausch und an Gelegen- fahrung im engeren Sinne. Es soll ein wech- schränkung der Perspektiven“'. Weshalb heit zu offenem Bekenntnis. Offensichtlich selseitiges Lernen ermöglichen mit dem Ziel, eine chinesische Weisheit empfiehlt: ist der phänomenologische Ansatz vergan- das jeweilige Bild und das gemeinsame Wis- „Willst du etwas wissen, so frage einen gener Zeiten, das Bemühen, dem Phäno- sen zu vervollständigen sowie die Souver- Erfahrenen und keinen Gelehrten.“ men Psychose unvoreingenommen und änität der drei Gruppen im möglichst gleich- Susanne Heim in einem Beitrag zum Kölner Psychose-Forum nicht nur medizinisch zu begegnen, immer berechtigten Umgang zu stärken. Für psy- noch hochaktuell. Offensichtlich ist man- chotherapeutisch tätige Mitarbeiter bietet Schizophrene ches an unserer gewohnten professionellen der Austausch im Psychose-Seminar eine Einstellung gegenüber Psychosen überho- ungeahnte Möglichkeit, den Doppelcha- Nicht gefährlicher als andere lungsbedürftig. rakter der Psychose als Störungs- und vor- Vorurteile erschweren psychisch kranken läufigen Lösungsversuch in seiner vollen Menschen häufig den Heilungsprozess Ambivalenz zu erfassen und frühe Balan- Auseinandersetzung und die Wiedereingliederung in den All- cierungs-und Selbstheilungsversuche des tag. Besonders betroffen von dieser Stig- Einen besonderen Wert haben Psychose- einzelnen kennenzulernen. Das ist in seiner matisierung sind Schizophrenie-Kranke. Seminare für eine Patientengruppe, die nach Bedeutung kaum zu unterschätzen, denn Wie Richard Warner, Vorsitzender des Ansicht vieler Experten die künftige Psy- für alle Therapien gilt, dass die am scho- Stigma-Komitees der World Psychiatric chiatrie besonders kritisch auf die Probe nendsten und besten wirkt, die an den Association, in Leipzig sagte, haben die stellen wird: Gerade jüngere Psychosepati- Selbstheilungkräften ansetzt. Betroffenen vor allem mit dem Vorurteil enten, auch und gerade die, die wieder- zu tun, sie seien gewalttätig oder unzu- holt psychotisch werden, brauchen Gele- Thomas Bock verlässig. Tatsache sei jedoch, dass Schi- genheit, sich kritisch mit der Psychiatrie und zophrene in Behandlung nicht gefährli- selbstkritisch/reflektierend mit der eigenen cher als andere Menschen und durchaus Psychose auseinanderzusetzen. leistungsfähig seien. Das Negativ-Bild Gerade die sogenannten »neuen chroni- Es ist sonderbar, werde jedoch in Medien stark verbreitet. schen Patienten«, die keine ewige Kran- aber Eltern sind auch „Das Stigma psychischer Erkrankungen ist eine der letzten Bastionen in der kenhaus-Sozialisierung hinter sich haben Menschen, und sie sind, und sich dann dankbar rehospitalisieren las- Gesellschaft mit Vorurteilen - mehr als sen, die vielleicht noch hochfliegende Plä- was die «Herstellung und gegenüber Körperbehinderten“, rügt War- ner. Deshalb neigten Betroffene und deren ne haben und die die Psychiatrie als fremd Aufzucht» von Nachwuchs Angehörige häufig dazu, die Krankheit und feindlich erleben, suchen im Psycho- betrifft, so was wie nicht zu akzeptieren. Beklagt wurde auch se-Seminar eine ihnen angemessene Form ungelernte Arbeiter. der Ausschluss psychischer Erkrankun- der Auseinandersetzung. gen aus der allgemeinen Gesundheits- Das Psychose-Seminar ist in der Regel „Loriot“, Vicco von Bülow Debatte. Frankfurter Rundschau, 29.4.00 geeignet, die Identität eines psychoseer-

Lichtblick • Jahresheft 2000 29 EUFAMI-KONGRESS Tagebuchnotizen zum EUFAMI-Kongress...

Freitag, 08.10.99

Der Wecker klingelte um 3.30 Uhr. Frühes aufstehen war angesagt, um 06:40 ging der Flieger von Bre- men nach Frankfurt, dann weiter nach Stockholm. In Frankfurt traf ich Frau Hanschke und Herrn Peukert. Sie flogen mit der selben Maschine und so konnten wir dann auch gemeinsam mit dem Airport Bus in die City von Stockholm fahren. Kurz nach 14.00 Uhr haben wir im Hotel eingecheckt. Noch Zeit zum Koffer auspacken und frisch machen. Das Konferenzzentrum von Stockholm ist nur 5 min zu Fu§ entfernt. 17.00 Uhr, Bas van Raay, Präsident EUFAMI, und Rolf Lundquist, Präsident des Angehörigenverbandes

EUFAMI-Tagungsort für Angehörigenverbände aus 15 europäischen Ländern Schweden, begrüßen im großen Sitzungssaal die bis dahin eingetroffenen Angehörigen. Ein Chor junger Frauen singt mit viel Engagement Musicalmelodien. Danach Empfang, „Smaltalk“ mit Häppchen, Wein und Fruchtsäften. Die EUFAMI-Delegierten aus Deutschland kommen hinzu. Sie haben schon die ersten Sit- zungen hinter sich. Frau Brand möchte noch den Info-Tisch des BApK herrichten. Ich besorge TESA-Film zum Befestigen des Plakats. Ulrike Schob und Roland Hartig haben einige Exemplare „Lichtblick“ mitge- bracht. Es werden BApK- und EUFAMI-Infos in deutscher und englische Sprache ausgelegt. Die „Lichtblick“- Exemplare sind schnell vergriffen.

Samstag, 09.10.99 Frühstück gibt es ab 6.30 Uhr. Ich gehe aber erst um 7.30 Uhr und treffe auch gleich andere Teilnehmer aus Deutschland. Wir sind alle im selben Hotel untergebracht. Einen Gro§teil der Anderen kenne ich auch schon von anderen Veranstaltungen. So geht auch sofort eine rege Unterhaltung los, die wir abbrechen müs- sen, um nicht zu spät zur Eröffnung zu kommen. Lennart Lundin, Vizepräsident des schwed. Angehörigenverbandes RIKS-IFS Um 9.00 Uhr sind (wohl) alle Kongressteilnehmer im gro§en Konferenzsaal A anwesend. Bas van Raay und Rolf Lundquist eröffnet den Kongress. Dabei überbringt Rolf Lundquist die herzlichen Grüße der Schwe- dischen Königin Sylvia, die die Schirmherrin des Kongress ist, und des Bürgermeisters von Stockholm. Der Kongress hat drei Themenschwerpunkte, die in Kurzvorträgen vorgestellt wurden: 1. Kinder von psychisch erkrankten Eltern, 2. Selbsthilfe und Information gegen Stigmatisierung, 3. Gute Praxis der Vorbeugung und Behandlung.

Bis 10.50 Uhr werden drei Vorträge a‘ ca. 20 min zum 1. Schwerpunkt gehalten. Dabei hat mich die Vor- stellung eines Theaterprojektes, welches sich mit kindgerechter Darstellung der Krankheitsproblematik beschäf- tigt besonders berührt. Die vortragende Theaterleiterin hatte selbst eine erkrankte Mutter und bringt das The- ma sehr intensiv rüber. Im Anschluss an diese Vorträge werden nach kurzer Pause in verschiedenen Sälen

Die über 200 Konferenzteilnehmer waren von dem Programm überwältigt. Symposien zum 1. Schwerpunktthema abgehalten. Hier ist auch (allerdings recht knapp) Gelegenheit zur Diskussion. Mittags ein besonderer Höhepunkt. Die Stadt Stockholm lädt zu einem Empfang mit Büfettimbiss ins Rat- haus. Wir werden von der stellvertretenden Bürgermeisterin sehr herzlich begrüßt. Der Empfang findet im Saal, in dem auch das Nobelpreisdinner abgehalten wird statt. Hier ergibt sich eine besonders gute Gele- genheit, mit Angehörigen aus anderen Ländern der EU ins Gespräch zu kommen. Nach dem Empfang wird die Veranstaltung mit Kurzvorträgen zum 2. Schwerpunktthema fortgesetzt. Auch hier spricht mich ein Vortrag besonders an. Der Vortrag ãVom Opfer zum Sieger“ berichtete über den Weg eines stimmenhörenden Mannes. Da er selbst verhindert ist, wird der Bericht von seiner Lebensgefährtin in beein- druckender Weise vorgetragen. Er ist auch ein Dank an die Menschen, die ihm zur Seite standen und gehol- fen hatten. Prof. M. Romme und Sandra Escher, die auch in Deutschland sehr bekannt sind, werden beson- ders erwähnt. Auch im Anschluss an diese Kurzvorträge wird das Thema in verschiedenen Sälen vertieft. Ich besuche das Symposium, das sich mit der Partnerschaft zwischen Patienten, Angehörigen und profes- Wissenschaftler, Ärzte und Sozialarbeiter stellten neue Untersuchungen vor. sionellen Helfern sowie dem Programm gegen Stigmatisierung und Diskriminierung von Menschen, die unter Psychosen des schizophrenen Formenkreises leiden, befasst. Hier stellt Prof. Angermeyer aus Leip- zig in Vertretung des Präsidenten der Weltverbandes der Psychiater (WPA) die Kampagne ãSchizophrenia –open the doors“ (Schizophrenie – öffnet die Türen) vor. Er erläutert an selbst untersuchten Beispielen die Stigmatisierung und Diskriminierung psychisch kranker Mitbürger. Das Programm des Samstag endet ca. 19.00 Uhr. Abends nehme ich die Gelegenheit wahr, mir die Stock- holmer Altstadt anzusehen und mal allein auf ein (recht teueres) Bier ein Lokal aufzusuchen.

Sonntag, 10.10.99

Die Kurzvorträge und vertiefenden Symposien des Sonntags sind dem 3. Hauptthema gewidmet. Hervor- gehoben wird dabei die Notwendigkeit sich ergänzender Therapien medikamentöser und psychosozialer Art. Prof. Dieter Naber vom UKE Hamburg hält einen Vortrag zum Thema: ãAtypische Antipsychotika und sub- Mitglieder der deutschen Delegation in Stockholm. jektive Erfahrungen mit Neuroleptika“. Neu war für mich ein Vortrag über die Kunst der Behandlung mit Neu-

30 Lichtblick • Jahresheft 2000 EUFAMI-KONGRESS ...vom 8.10. bis 10.10.1999 in Stockholm roleptikern von Prof. Lars Farde, Karolinske Hospital Stockholm. Prof. Farde vertritt die Auffassung, dass die optimale Wirkung – grösst mögliche antipsychotische Wirkung bei kleinst möglichen Nebenwirkungen nur in einem schmalen Bereich der Wirkstoff-Dosierung liegt und dass es keine Grund gibt, einen Patienten mit mehr als einem Neuroleptikum zu gleichen Zeit zu behandeln, solange sie nach dem selben Prinzip arbei- ten. In Anschluss daran finden wieder vertiefende Symposien statt. Ca. 14.00 Uhr versammeln sich alle Teilnehmer zu einer abschiessenden Diskussion noch einmal im größ- ten Saal. Der Kongress endet ca. 15.45 Uhr, nach dem der Präsident EUFAMI Bas van Raay die Erklärung von Stockholm (Deklaration für das Jahr 2000) mit der Aufforderung, diese von möglichst vielen Angehöri- gen und Freunden psychisch Kranker an möglichst viele EU-Parlamentarier zu versenden, verlesen hat. Ursula Brand: Psychiater, Patienten und Angehörige müssen zusammenarbeiten. Die Erklärung fordert das EU-Parlament auf, sich für eine optimale und in allen Länder der EU gleich gute Versorgung von psychisch kranken Mitbürgern nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse einzusetzen. Abschlie§end danken die Teilnehmer den schwedischen Organisatoren für die gute Ausrichtung des Kongresses. Abends treffen sich die deutschen Teilnehmer zu einer Busrundfahrt durch Stockholm und zu einem gemein- samen Abendessen. Hier ist eine gute Gelegenheit der Diskussion unter den deutschen Teilnehmern.

Nacharbeit am Montag, 11.10.99

09.00 Uhr, die deutschen Teilnehmer treffen sich zu einem Workshop im Hotel. Die Moderatorin des Work- shops bittet die Teilnehmer um Angabe von zwei Themen zur weiteren Vertiefung. Aus den Anregungen kristallisieren sich drei Schwerpunkte heraus, die in Arbeitsgruppen vertieft werden sollen. Ich wirke in der Arbeitsgruppe „Interner Informationsfluss“ mit. Wir diskutieren, wie wir die Deklaration 2000 weiter behan- Fragen über Fragen an die Podiumsrunde ... und alles in englisch! deln wollen, so dass das Ziel einer grösst möglichen Versendung an die EU-Parlamentarier erreicht wird. Wir schlagen vor, die Erklärung mit einem Standardschreiben im Schneeballsystem über den BApK an alle Landesverbände und die an alle Mitglieder, Mitgliedsgruppen und Ðvereine zu versenden. Wir hoffen, dass damit möglichst viele Mitglieder erreicht werden. Diese sollen dann „vor Ort“ eine Kampagne zur Ver- sendung der Erklärung an die jeweiligen EU-Parlamentarier ihrer Region starten. Nach einem abendlichen Altstadtrundgang treffen wir uns noch einmal zu einem abschlie§enden Abend- essen. Das Essen findet in sehr entspannter Atmosphäre statt. Ich habe selten einen Abend so genossen. Vielleicht liegt das ja daran, dass Angehörige, die zu solchen Veranstaltungen fahren eine ähnliche Wel- lenlänge haben.

Dienstag, 12.10.99

Nach einem Frühstück und der Fahrt zum Flughafen startet der Flieger nach Frankfurt bei herrlichem Wet- BApK-Vorsitzender Dr. Alfred Speidel bedankt sich bei den Gastgebern. ter pünktlich um 09.15 Uhr. Bei gleich schönem Wetter komme ich gegen 14.00 Uhr in Bremen an. Ich hole mein Auto aus dem Flughafen-Parkhaus und fahre nach Wilhelmshaven. 15.15 Uhr bin ich zuhause. Meine Frau steht gerade auf. Ich bemerke, dass ich meine Jacke im Flugzeug vergessen habe. Der Alltag hat mich wieder.

Was bleibt noch anzumerken?

Der Kongress war anstrengend. Er forderte ein hohes Maß an Konzentration. Er bot die Möglichkeit des Aus- tausches von Problemen und Sorgen. Er ist die logische Fortsetzung der örtlichen Gruppentreffen, Lan- desverbandstreffen und Bundesverbandstreffen. Eine einheitliche Sprache innerhalb Europas zu finden ist bei immer grösser werdender Gesetzgebungs-Zuständigkeit und Macht der EU unabdingbar. Hier wird dazu eine Gelegenheit geboten. Der Kongress hat viel Spass gemacht. Es wurde viel gelacht bei Gesprächen mit Teilnehmern aus ande- ren EU-Ländern oder auch mit anderen Deutschen. Dieses gute Klima habe ich auch schon bei anderen Ver- Angehörige: keine stummen Partner mehr! anstaltungen an denen Angehörige psychisch Kranker teilnehmen erfahren. Der Kongress machte mir wieder einmal deutlich, dass Angehöriger eines psychisch kranken Familienmit- gliedes zu sein nicht nur Angst, Kummer und Sorge bedeutet. Angehöriger eines psychisch kranken Fami- lienmitgliedes zu sein kann auch eine Herausforderung sein, kann einen auch wachsen lassen. Die Kontakte, die ich auf solchen Veranstaltungen in der Angehörigenbewegung knüpfen kann, helfen mir, die Erkran- kung meiner Frau zu akzeptieren, helfen mir der Angst entgegenzuwirken und die Sorge zu tragen. Abschließend möchte ich mich bei Ursula Brand und Linde Schmitz-Moormann bedanken, dass sie mir, als einfachem Mitglied eines Landesverbandes, die Möglichkeit eröffnet haben, mit dabei zu sein. Ich möch- te mich auch bei den Sponsoren bedanken. Durch ihr finanzielles Engagement ist es den Meisten von uns erst möglich geworden teilzunehmen. Ohne diesen Beitrag wäre die deutsche Delegation kleiner als die Italiens, Österreichs oder Norwegens gewesen. Die Vertreter der Sponsoren haben sich dabei wohltuend im Hintergrund gehalten. Peter Arp, Wilhelmshaven, 16.10.1999 / E-Mail: [email protected] Susan Kirkwood vom EUFAMI-Vorstand verteilt die ãDeklaration 2000“.

Lichtblick • Jahresheft 2000 31 HINTERGRUND

Newsletter www.lichtblick99.de Jahre sind vergangen und nichts ist passiert! Der 4. Suizidversuch machte Wilfried zum Schwerstpflegefall / Keine Suizidprophylaxe, SOS-Krisenhilfe falsche Medikation, keine Zusammenarbeit mit Angehörigen, Fehleinschätzung der Situation ... in der Psychiatrie Ein schwerer Verkehrsunfall, Herzinfarkt Es reicht! Jahre sind vergangen und nichts, zigen, die er damals nur noch hatte, wur- oder die lebensbedrohliche Zuspitzung absolut nichts ist passiert. Ich bin hin- und den draußen gelassen. Als Ehefrau wurde einer chronischen Erkrankung - effekti- hergerissen, zwischen Wut und Hilflosig- ich wie ein kleines dummes Ding abgefer- ve medizinische Notfallhilfe ist zentra- keit. Es ist alles tausendfach gesagt, trotz- tigt. Sehr oft bin ich die 300 Kilometer heu- ler Bestandteil und Qualitätskriterium dem die Hintergründe noch einmal in Stich- lend, völlig verzweifelt nach Hause gefah- der gesundheitlichen Versorgung. punkten: ren. Statt Hilfe stieß ich auf Ablehnung. Ganz anders stellt sich die Situation Wilfried, 44 Jahre alt, ist nach dem vier- Gespräche mit den Profis verliefen, wenn allerdings bei psychischen Krankheiten ten Suizidversuch im Mai 1994 mit Tablet- sie überhaupt stattfanden, auf der Basis dar, obwohl diese doch wesentlich ten zum Schwerstpflegefall geworden. Er von Schuldzuweisungen und Beschim- durch krisenhafte Zuspitzungen gekenn- kennt keinen, wird gewickelt, vegetiert in pfungen. Ich frage mich, wer gibt jemanden zeichnet sind. Diese Krisen können für der geschlossenen Abteilung eines Pfle- das Recht, ohne die anderen und die häus- die Betroffenen und ihre Familien durch- geheimes, ohne ein Fünkchen Hoffnung auf lichen Umstände zu kennen, Angehörige aus lebensbedrohliche Dimensionen Besserung. Zeitweise ist Wilfried aggres- von psychisch Kranken derart anzumotzen annehmen. Trotz der Reform der psy- siv, sodass er nicht einmal richtige Möbel und dazu noch den Kranken negativ zu chiatrischen Versorgung liegt die psy- haben kann. An dieser Stelle ein Dank an beeinflussen? chosoziale Krisenhilfe nach wie vor in die Mitarbeiter des Pflegeheimes, die sich Ein Hilferuf in Form eines Briefes existiert erster Linie bei den Familien. Deshalb um ihn rund um die Uhr fürsorglich und pfle- und die lapidare Antwort darauf beweist, ist sie für den Bundesverband der gerisch kümmern. Anfangs war es fraglich, wie falsch die Situation damals eingeschätzt Angehörigen psychisch Kranker (BApK) ob er überhaupt wegen der Schwere der wurde. Ich wollte diese Ungerechtigkeiten auch ein Dauerthema, das der Verband Erkrankung und Behinderung in diesem hinausschreien. Damals hatte ich dafür kei- auf seiner 18. Jahrestagung im Novem- Heim aufgenommen werden kann. ne Kraft. ber in Bad Hersfeld aufgegriffen hat. Seine Erkrankung: Endogene manische Die Zeit läßt sich nicht mehr zurückdrehen. In den letzten Jahren sind in den ver- Depression mit schizophrenem Formen- Wilfried ist jetzt ein Schwerstpflegefall. Aber schiedenen Regionen, so z.B. in Bie- kreis von Jugend an (1988 heirateten wir, ich weiß auch, dass unser Schicksal kein lefeld, Hannover oder Berlin, psycho- kein Mensch hielt es für nötig, mir zu sagen, Einzelfall ist. Deshalb will und werde ich soziale Krisendienste entstanden. Eine wie krank er war). Aber das soll hier nicht nicht still sein, sonst hören diese Mißstän- Befragung des Angehörigenverbandes de nie auf. bei seinen örtlichen Gruppierungen das Thema sein. Er befand sich gerade in einer guten Pha- An dieser Stelle will ich betonen, dass ich ergab, dass die Versorgung dennoch keine Schwarzmalerei betreiben will, was nach wie vor mangelhaft ist. Ganz se, über viele Monate. Heute weiß ich, eine Scheinwelt, in der er sich geflüchtet hat- die Psychiatrie betrifft. Ich weiß aus meiner besonders trifft dieses Urteil auf die Berufserfahrung im sozialen Bereich, wie sogenannten Flächenländer zu, wo spe- te. Ich liebte diesen Mann, er war der lieb- ste, beste, ausgeglichenste, zärtlichste schwer und kompliziert dieses Fachgebiet zifische Angebote bei seelischen Krisen der Medizin ist. Ich zolle denen, die da arbei- besonders dünn gesät sind. Mann und Vater, den ich mir wünschen konnte. Er sah gut aus, war intelligent, ver- ten durchaus meinen Respekt. Was wir aber Konzepte und Modelle einer psychia- erlebt haben, schreit zum Himmel! trischen Krisenhilfe sind inzwischen ent- fügte über ein geniales Computer-Wissen, er fühlte sich wie ein unverstandenes Man neigt auch in seiner Verzweiflung die wickelt und auch ausreichend wissen- „Schuld“ bei anderen zu suchen. Das ist schaftlich evaluiert. Dies betonte auch Genie... Doch als bei ihm die Krankheit nach nicht der richtige Weg. Wenn Sie ähnliches Dr. Annegret Kriegel vom Bundesmi- zweieinhalb Jahren wieder ausbrach, stürz- erlebt haben, dann reiche ich Ihnen mei- nisterium für Gesundheit in Bonn. Wich- te alles wie ein Kartenhaus in sich zusam- ne Hand, mache Ihnen Mut und ermuntere tig sei die Umsetzung solcher Baustei- men. Jahre durch die Hölle folgten. Sie, nicht still zu sein. Schliesslich geht es ne wie krisenorientierte Akutbehandlung Wenn es eine Chance gegeben hätte, wie um Ihren betroffenen Angehörigen, um sei- (Soteria), ambulante Soziotherapie froh und dankbar wäre ich damals. Jede sowie der Ausbau der lnstitutsambu- noch so kleine hätte ich ergriffen. Allein im ne durch Krankheit beeinträchtigte Lebens- lanzen auch an psychiatrischen Abtei- Kampf gegen diese schlimme Krankheit - situation, die letztlich auch die ganze fami- lungen in Allgemeinkrankenhäusern. zwischen Hoffen und Bangen - besteht die liäre Situation erfaßt. Den weiteren zügigen Ausbau dieser Gefahr, wenn man nicht auch an sich denkt, Über Jahre habe ich versucht, mit Hilfe von Elemente der psychiatrischen Notfall- selbst daran kaputt zu gehen. zwei Anwälten etwas zu bewegen. Doch so versorgung forderten die Angehörigen. Damals gab es nur einen Psychiater, der recht hat sich keiner an dieses heiße Eisen Ziel sei, so Dr. Alfred Speidel, Vorsit- uns wirklich half und die Krankheit richtig herangetraut. Es ist nämlich nichts passiert, zender des BApK, kompetente, aufsu- einschätzte, Dr. med. Frick aus Malchin. Er bis auf das wenige hin und her Wortge- chende Hilfen am Ort der Krise flächen- weiß, dass ich ihm dankbar bin, ohne ihn plänkel. „Götter in Weiß“ - ein heikles The- deckend zu ermöglichen. Dies würde wäre ich wirklich zerbrochen. ma. Na ja, und in der Psychiatrie ist es dop- die Gewähr bieten, Leid und Gefahr für Fatal ist, dass die anderen „Experten“, in pelt schwierig, da manches nicht greifbar die Betroffenen und ihre Familien zu mil- deren Hände sich Wilfried vertrauensvoll ist. Keine Suizidprophylaxe, falsche Medi- dern und gleichzeitig die Kosten, die aus einer nicht adäquat behandelten Krise begeben hatte, nur experimentiert haben. kation, keine Zusammenarbeit mit Angehöri- entstehen, entscheidend zu senken. Sie hätten helfen können, doch sie haben gen, Fehleinschätzung der Situation! nur zerstört. Es wurde völlig unqualifiziert Auskünfte bekomme ich nicht, der behan- B. K-L gearbeitet. Wir als Wilfrieds Familie, die ein- delnde Arzt auch nicht. Akteneinsicht? -

32 Lichtblick • Jahresheft 2000 HINTERGRUND

Unter fadenscheinigen Ausflüchten gibt es Und wenn es keinen Anwalt gibt, der sich auch die nicht mehr. Direkt vor Ort nach- mit Rückgrat hinter diesen Fall stellt, werde Newsletter www.lichtblick99.de gefragt, sagte man uns, die Akten seien ver- ich trotzdem nicht still sein. Schon um derer schwunden. Ein Witz? Außer einer leeren Willen, die ähnliches erleben mussten oder Todesfälle Hülle, kein einziges Krankenblatt! Unver- heute kurz davor stehen. Ich will darüber ständliches Schulterzucken bei den kleinen reden, will nicht, dass andere so «enden» Gentherapie gestoppt Mitarbeitern, Wutausbrüche bei der wie Wilfried. Denn wenn es eine Chance Oberärztin über unsere Dreistigkeit. Dabei gibt, bei dieser Krankheit, die ohnehin sehr lb-news: Über 600 schwerwiegende Vor- suchten wir nur ein klärendes Gespräch - schwierig ist, dann nur, wenn alle an einem fälle bei gentherapeutischen Studien ich war doch seine Frau. Strang ziehen. räumt ein jetzt von der US-Gesund- Der Anwalt sagt, wenn die Akten weg sind, Ich sage nicht, dass die benannten Ärzte heitsbehörde NIH vorgelegter Bericht ein. kann man nichts mehr machen. Warum ist schuld daran sind, dass sich Wilfried durch Darunter auch mehrere Todesfälle. es so schwierig, im Kampf gegen „Ärzte- eine Tablettenüberdosis so schwer schä- Die US-Behörden haben die ersten Kon- pfusch“ berechtigte Ansprüche durchzu- digen konnte. Ich weiß nicht, wie der Ver- sequenzen gezogen: Mehrere klinische setzen? Nur wenige haben die Kraft und die lauf sonst gewesen wäre. Aber ich weiß, Prüfungen, die als zu risikoreich einge- Mittel für eine jahrelange, nervenaufreibende dass ihm und unserer Familie jegliche Chan- schätzt werden, sind vorerst auf Eis Auseinandersetzung. ce genommen wurde. Noch was: auf den gelegt worden. Aufmerksam auf die zum Zustand von Wilfried angesprochen, hat- Teil drastischen Nebenwirkungen der Ich bin kein Jurist, nur ein Mensch mit Ge- te die Oberärztin nicht mal ein Wort des Mit- Gentherpien wurden die US-Behörden fühlen, einer gesunden Portion Menschen- gefühls übrig. Das ist fünf Jahre her. Ob sie erst durch den Tod des 18jährigen Jes- verstand und Gerechtigkeitssinn. Die dama- inzwischen mal nachgedacht hat? se Gelsinger, der bei einer Versuchsreihe lige Stationsärztin praktiziert übrigens seit am Institute for Human Gene Therapy Jahren nicht mehr dort, sagte man uns. Ob Ich bin nicht zerbrochen an dem, was so (IHGT) in Philadelphia an Organversagen sie inzwischen an anderer Stelle Unheil unsagbar schwer war. Für mich gab es trotz starb. Dem 18jährigen hatten die Ärzte anrichtet? (meine ganz persönliche Frage) allem einen Neuanfang. Wie? Das erzähle manipulierte Adenoviren verabreicht. Mit Sie meinen, das alles gibt es doch nicht, es ich Ihnen ein anderes mal. Dankbar bin ich, den manipulierten Schnupfenviren sollte klingt wie ein Märchen aus tausend und dass es den Landesverband für Angehöri- eine genetische Stoffwechselstörung der einer Nacht? Leider ist es das nicht. Es ist ge Psychisch Kranker und Freunde in Meck- Leber korrigiert werden. Für Gelsinger grausame erlebte Wirklichkeit, in der Cha- lenburg-Vorpommern gibt. Hätte ich diese war die Krankheit nicht lebensbedrohend. rité Berlin, Klinik für Psychiatrie, im Zeit- engagierten Mitglieder eher getroffen, dann gekürzter Bericht von Wolfgang Löhr, raum von 1993 bis 1994. Konkret auf Sta- hätte ich sicher viel früher mit der Faust auf TAZ vom 9.2.2000, Seite 14 tion 7 mit OÄ Frau Dr. Ruser und der dama- den Tisch gehauen... Danke Helmut, Roland ligen Stationsärztin Frau Ruhrig. und wie Ihr alle heißt. Winni Schrapps Fehldiagnose

lb-news: Eine Psychiaterin aus einer Kli- Bei Genesung mehr Geld nik in W. diagnostizierte bei einer 45jähri- gen Patientin eine „schizo-affektive Stern/lb-news: Noch laufen viele Ärzte Ersatzkassen ein eigenes Budget zuge- Störung“. Im Arztbericht steht „hypo- Sturm gegen erfolgsabhängige Honorare. standen. Beispiele aus dem In- und Ausland zeigen Verbesserte Qualität durch Erfolgshonora- manisch, depressiv, mimische Starre, jedoch: Die Methode funktioniert. re können unsere Gesundheitsversorgung gebundene Körperhaltung“. Für die So zahlt z.B. die Gmünder Ersatzkasse einer rund 25 Milliarden Mark billiger machen, Behandlung mit Psychopharmaka sah Reha-Klinik in Bad Füssing pauschal 2700 schätzt man bei der GEK. Das Ausland zeigt die Fachärztin einen Zeitraum von min- Mark pro behandeltes Knie. Davon werden längst, wo es lang geht. destens zwei Jahren vor. zunächst nur 2160 Mark ausgezahlt. Den In den USA bekommen Internisten umso Der Zustand der Patientin verschlech- Rest gibt es, wenn nach eineinhalb Jah- mehr Geld, je weniger Zuckerkranke ins terte sich weiter. Zwei Monate später ren Patienten besser dran sind als stati- Krankenhaus müssen. Chirurgen sammeln liess sich die 45jährige in eine Klinik in stische Vergleichsgruppen. Pluspunkte, je weniger Patienten innerhalb Holstein einweisen. Dort konnten die In der brandenburgischen Reha-Fachlinik von 30 Tagen nach der Operation sterben. Psychiater die Laborbefunde richtig Bad Freienwalde hat die GEK einen Son- In der Schweiz werden an Gemein- lesen. Sie diagnostizierten nicht nur eine dervertrag für Rückenpatienten unter 51 schaftspraxen Pauschalen pro Patient Schilddrüsenstörung, einen Mangel an Jahren abgeschlossen. Für 4200 Mark wird gezahlt. Durch effektive Medizin können Eisen, sondern auch ein Parkinson-Syn- dort die Wirbelsäule drei Wochen lang auf sich Ärzte einen Zusatzverdienst schaffen. drom, hervorgerufen durch die verab- Vordermann gebracht. Verursacht der Pati- Kosteneinsparungen für die Kassen: 30 bis ent in den folgenden 18 Monaten 30 Pro- 35 Prozent. Die besonders umhegten Pati- reichten Psychopharmaka. zent weniger „Rückenkosten“ durch enten sind zufrieden. Während einer dreiwöchigen Therapie Arbeitsausfall oder Operation als der Durch- wurde die Psychopharmaka abgesetzt. schnitt, bekommt Freienwalde 420 Mark Ihr Hausarzt übernahm die weitere Zuschlag, andernfalls erfolgt ein Abzug. Behandlung. Inzwischen arbeitet die Die Barmer belohnt in Westfalen Hausärz- Der gesündeste Wettbewerb Betroffene wieder. „Sie lebt förmlich auf“, te, die es ohne die Hilfe von Fachärzten kommt dort zustande, so der Ehemann. Inzwischen hat sich schaffen, die Blutwerte von Diabetikern rich- wo Durchschnittsmenschen die Frau wegen Verdacht einer Fehldia- tig einzustellen. Im westfälischen Herdecke Überdurchschnittliches leisten. gnose an die Ärztekammer Mecklen- wird Medizinern, die sich zu einer „Qua- burg-Vorpommern gewandt. Die Unter- litätsgemeinschaft“ zusammenschließen, Colin Powell suchungen laufen noch. seit Januar von einem Konsortium aus

Lichtblick • Jahresheft 2000 33 AUTOREN VORGESTELLT Auszüge aus dem „Tagebuch eines Erziehers“

aufgenommen, also auf Dauer von der Familie getrennt wurde, ist selten wieder Volker Keßling, Jahrgang 1939, in diese Gemeinschaft zurückzubringen. wurde Forstfacharbeiter, später Leistungssportler, So wandern die Kinder von der Kinder- Bauhilfsarbeiter und schließlich Unterstufenlehrer. station in die Arbeitstherapie und später Er unterrichtete an einer Hilfsschule und absolvierte in das klinikeigene Altersheim, sorgsam ein Hochschulstudium für Sonderpädagogik, leitete getrennt von der Gesellschaft. Alle vor- eine Hilfsschule und danach eine Tagesstätte für geistig bildliche Arbeit der Kolleginnen und Kol- schwerbehinderte Kinder in Neubrandenburg. legen in den Kliniken kann diese Kluft nicht Sein 1980 erschienenes »Tagebuch eines Erziehers« überwinden. brach in der DDR ein Tabu und wurde zum Bestseller. Für uns kann es nur eine „Flucht“ aus der traditionellen Psychiatrie geben. ... 18.10. Rehabilitationspädagoge K.: diese Schriften ausnahmslos westlichen 27.1. Die Wohnbedingungen bei fünf Fami- Dr. Unger hat mir einen Berg Schriften Ursprungs sind. Vor allem die Amerikaner lien unserer Kinder sind nicht gut. Wir wer- zurechtgelegt, die ich unbedingt lesen soll. übertreiben es mit der Diagnose «Kindliche den mit dem Wohnungsamt reden müs- Schizophrenie“, das sagen unsere Wis- „Ich habe hier neue Ausarbeitungen über sen. Die Kinder brauchen Platz, Ruhe und senschaftler jedenfalls. In den USA wer- Zuwendung. den Autismus, hochinteressant“, sagt er, de ein regelrechter Schizophrenierummel „Sie sollten diese zuerst lesen.“ getrieben, und das wird eher gesellschaft- 21.2. Meine erste Elternversammlung in „Niemand scheint genau zu wissen, was liche denn medizinische Ursachen haben.“ der Fördereinrichtung. Die Eltern sind alle frühkindlicher Autismus ist, und noch weni- anwesend. Das habe ich in der Schule nie „Nun, Herr K., als ich so alt war wie Sie, erlebt. Ich sage: „Die Aufgabe der För- ger scheint über die Ursache bekannt zu habe ich mich in Amerika, Nordafrika, Spa- sein“, sage ich. dereinrichtung ist es, geistig schwerbe- nien umhergetrieben, damals gab es kei- hinderte Kinder so weit zu fördern, dass „Das ist ja das Unglück“, sagt Dr. Unger. ne, wie Sie sagen, westliche Literatur. Man diese relativ selbständig am gesellschaft- „Es wird hier (ehem. DDR, d.R.) nicht ernst mußte sich sein Urteil bilden. Also lesen lichen Leben teilnehmen können.“ genommen, und darüber gehen Hunderte Sie und vertrauen Sie Ihrem Verstand.“ 17.10. Wir hatten Besuch aus der Volks- von Kindern buchstäblich zugrunde. Das Eine Mitarbeiterin (Pädagogin) zu K.: „Bil- erlebe ich täglich.“ republik Polen. Die Gäste waren beein- den und erziehen kann man die geistig druckt von unserer Arbeit. Ich hielt meinen Weshalb will Dr. Unger mich immer wieder Behinderten im eigentlichen Sinne nicht. Vortrag. Dann erzählten die Gäste von ihren auf dessen Weg drängen? „Ich kenne Son- Man kann ihnen nur sein eigenes Leben Vorhaben. Der Delegationsleiter sagte: „Wir derbegabungen bei vielen geistig Behin- widmen.“ haben die Kinder und haben die Pädago- derten“, sage ich, „Auswendigkönnen 6.12. Der Rat des Bezirkes möchte eine gen, mehr noch nicht.“ Er arbeite in einer ganzer Fahrpläne, hervorragende Zei- Vorlage zum Aufbau von Förderungsein- Kommission, die sich in fast allen Ländern chenleistungen mit geradezu fotografischer richtungen und zur Rehabilitation geistig Europas umgesehen hat, um die richtigen Genauigkeit ... Aber immer handelt es sich geschädigter Bürger jeder Altersstufe. Ich Wege zu finden. Fast überall, so sagte er, um geistig Behinderte mit deutlich gemin- schlage vor, eine Arbeitsgruppe zu beru- sei das „Problem Euthanasie“ genannt derter Intelligenz.“ fen. Wir brauchen dafür alle Spezialisten worden. ... Wir denken eigentlich nie dar- über nach. „Nein“, sagt Dr. Unger, „ich meine die Son- des Bezirkes. derform der Schizophrenie, nicht Sonder- 15.12. Ein „Weihnachtsgeschenk“: Im 20.7. Was hülfe uns ein Dorf für Behin- begabungen bei ansonsten üblicher gei- Januar wird die angekündigte erste derte, wie es solche in der Schweiz, auch stiger Behinderung. Wissen Sie, das Wocheneinrichtung des Bezirkes im Land- in der BRD gibt. Auch alle Versuche mit Besondere dabei ist gerade, dass diese kreis eröffnet. Bis zu dreißig Kinder können „Stadteilen“ für Behinderte, mit Gemein- Kinder wie jedes geistig behinderte Kind in das Wochenheim aufgenommen werden. schaftswohnungen und so weiter sind kein erscheinen, im Hintergrund aber eine ver- Damit haben wir zu unseren vierundzwan- Weg, der in die Zukunft führt. borgene Intelligenz liegt.“ zig Kindern in der Tagesstätte bald diese „Meinen Sie nicht auch“, frage ich, „dass dreißig in der Wocheneinrichtung. (Aber es Nach authentischen Aufzeichnungen frei gestaltet, Oktober 1977 der Begriff Schizophrenie, auf Kinder ange- sind erst vierundfünfzig von sieben- bis wendet, nach unserem Verständnis pro- achthundert Kindern im Bezirk!) Volker Keßling Neue Bücher von der Realität in der ehemaligen DDR blematisch ist? 2.1. Das Psychiater-Ehepaar hat mit der „Rene und die 66“ (Thema: Behinderung) DM 22,80 „Vielleicht sollten Sie erst einmal nachle- Arbeit begonnen. Beide kommen aus einer Gebundene Ausgabe (1992), Verlag Junge Gemeinde E. sen, bevor wir weiterreden“, sagt Dr. Unger großen Klinik, sollten demzufolge viel Sinn Schwinghammer GmbH & Co. KG; ISBN: 3702656499 und erhebt sich. für die Arbeit mit meinen Kindern und „Tod in Kuscherow“ (Gesellschaftskritischer Roman) Jugendlichen haben. In der Klinik wurde 224 Seiten (1997), DM 19,80, Taschenbuch „Das will ich gern tun“, erwiderte ich, jahrzehntelange Pionierarbeit in unserer Am Park, Berlin; ISBN: 3932180399 „obwohl es mir etwas zu denken gibt, dass Sache geleistet. ... Wer einmal in die Klinik Tipp: www.amazon.de

34 Lichtblick • Jahresheft 2000 HISTORIE

Der Weltkongress der Psychiatrie beschäftigte sich Newsletter www.lichtblick99.de auch mit der „Psychiatrie im Nationalsozialismus“

Rund 200.000 Menschen sind von 1939 bis zu begründenden Erlasses wurden in Gewalt und Psychiatrie 1945 im nationalsozialistischen Deutsch- Deutschland bis zum Beginn des Zweiten Es sei noch nicht allzu lange her, dass land ermordet worden, weil sie psychisch Weltkrieges rund 300.000 Menschen psychisch Kranke unwürdig unterge- krank oder geistig behindert waren. zwangssterilisiert. Mediziner zeigten die bracht waren, erklärte Karl-Ludwig Die Psychiatrie war in diese grauenhaften Betroffenen an, erstellten Gutachten und Täschner, ärztlicher Direktor der Klinik für Vorgänge tief verstrickt. Darüber besteht saßen als Beisitzer zu Gericht. Psychiatrie und Psychotherapie am Stutt- heute Einigkeit unter den Historikern. Mit dem Überfall auf Polen am 1. Septem- garter Bürgerhospital, auf der Winterta- Nach Kriegsende herrschte jahrzehntelang ber 1939 setzte ein systematischer Vernich- gung. „Wir müssen nicht bis Griechen- ein bleiernes Schweigen, bis vor etwa 15 tungsfeldzug gegen Patienten psychiatri- land gehen, wo vor zehn Jahren noch Jahren die Auseinandersetzung mit diesem scher Anstalten ein. Im Zuge der Aktion T4, psychisch Kranke in einem Krankenhaus Thema begann. Die Ausstellung „Psychia- nach dem Zentrum der Organisation in der angekettet waren.“ trie im Nationalsozialismus“ dokumentier- Berliner Tiergartenstraße 4 benannt, wurden Deutliche Worte fand Prof. Udo Rauch- te beim 11. Weltkongress der Psychiatrie mehr als 70.000 Psychiatriepatienten in fleisch (Uni in Basel): „Gewalt muss nicht (August 1999) in Hamburg - dem ersten auf eigens eingerichteten Tötungsanstalten mit immer physisch sein. Oft ist sie ganz deutschen Boden - das Geschehene. Dar- Gas ermordet. Rund 5000 Kinder wurden subtil.“ Die viel zitierten Sachzwänge sei- über hinaus befaßten sich renommierte Opfer der sogenannten Kindereuthanasie, en eine solche Form der Gewalt. Auch Experten mit dem Thema Ethik in der Psy- die nach dem Stopp der T4-Aktion 1941 hinter Theorien und Konzepten der Psy- chiatrie. systematisch ausgebaut wurde. chologen und Psychiater könne Gewalt Der Leiter des Fachkrankenhauses für Psy- Nach dem Einstellen der T4-Aktion ging das stecken. „Wir überhöhen oft das Bild der chiatrie in Kaufbeuren und Organisator der Morden von Psychiatriepatienten im Rah- Mutter als wichtigste Bezugsperson für Ausstellung, Michael von Cranach, hat men der „Wilden Euthanasie“ weiter - zum ein Kind. Welche Schuldgefühle laden gemeinsam mit Hans-Ludwig Siemen in Teil durch Todesspritzen, zum Teil durch die wir diesen Frauen aber auf, wenn in der dem kürzlich erschienenen Buch „Psychia- von den Nazis so benannte Hungerkost. Erziehung ihres Kindes etwas schief läuft. trie im Nationalsozialismus“ (Oldenbourg Dabei starben mehr als 90.000 Menschen Das Umfeld spielt in solchen Konzepten Verlag, München) eine Bestandsaufnahme an Unterernährung. Über die in Anstalten oft gar keine Rolle.“ Stuttgarter-Zeitung, 29.11.1999 versucht. vorgenommenen Menschenversuche ist noch immer wenig bekannt. Das Fazit der Autoren: „Die Tötung von Psy- chiatriepatienten im Nazi-Deutschland war „Machen wir uns die Geschichte klar, so „Neue Euthanasie“ das grauenhafte Ende eines Ausgrenzungs- müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass fast Der deutsch-schweizerische Psychiater prozesses, in dessen Verlauf psychisch die gesamte wissenschaftliche und klini- Asmus Finzen sieht nach dem Massen- Kranke als lebensunwert, abartig und die sche Elite unseres Faches in irgendeiner mord und den Zwangssterilisierungen im Volksgemeinschaft schädigend denunziert Weise an diesen Verbrechen beteiligt war Dritten Reich abermals die psychisch wurden, in Anstalten elend dahinleben mus- und dass so gut wie niemand Widerstand Kranken durch das Aufkommen einer sten, als vermeintlich Erbkranke zwangs- geleistet hat“, sagt Prof. Josef Aldenhoff. „neuen Euthanasie“ bedroht, so die F.A.Z. sterilisiert und schließlich ermordet wurden.“ Er ist Chef der Klinik für Psychiatrie und in ihrem Vorspann zu Finzens Beitrag Am 14. Juli 1933 verabschiedeten die Natio- Psychotherapie der Universität Kiel und Lei- vom 13. März, S. 52 («Die Anmaßung nalsozialisten das „Gesetz zur Verhütung ter des Ethik-Referats der Deutschen einer neuen Euthanasie, Gewalt gegen erbkranken Nachwuchses“. Mit Hilfe die- Gesellschaft für Psychiatrie, Psychothe- psychisch Kranke: Die Diskussion um ses weder wissenschaftlich noch moralisch rapie und Nervenheilkunde. Aus: Wiener Zeitung aktive Sterbehilfe und Beihilfe zum Sui- zid in den Niederlanden, den Vereinigten Staaten und der Schweiz»). Morbus Parkinson: Weniger Dyskinesien mit Pergolid Finzen berichtet darüber, dass sich in Hamburg (ots) - Morbus Parkinson ist keine Aufgrund geringerer motorischer Nebenwir- den Niederlanden die Beihilfe zum Krankheit mehr, die nur ältere Menschen kungen stellt die Behandlung mit dem Dopa- Selbstmord etabliert habe. Auch werde betrifft. Im Gegenteil: Der Anteil der Parkinson- minagonisten Pergolid eine wichtige Alterna- der sogenannte „begleitete Suizid“ in der Erkrankten unter vierzig Jahren liegt bei zehn tive dar. In einer im Rahmen des „6th Inter- Schweiz und in den Vereinigten Staaten Prozent - Tendenz steigend. Jüngstes promi- national Congress on Parkinson's Disease forciert. In Holland sind etwa 0,3 bis 0,4 nentes Beispiel ist der amerikanische Schau- and Movement Disorders“ in Barcelona vor- Prozent aller Todesfälle begleitete Suizi- spieler Michael J. Fox. Er erkrankte bereits mit gestellten Drei-Jahres-Studie zur Monothe- de und in der Schweiz sind es mehr als Ende Zwanzig an Parkinson und hat mit der rapie mit Pergolid versus L-Dopa in der frühen 13 Prozent. Finzen: „Im amerikanischen Gründung seiner Stiftung die Parkinson-Pro- Parkinson-Erkrankung zeigen die Ergebnisse Bundesstaat Oregon ist der ärztlich blematik jüngerer Menschen ins Blickfeld der eine deutliche Überlegenheit von Pergolid begleitete Suizid seit Ende 1997 gesetz- Öffentlichkeit gerückt. gegenüber L-Dopa bezüglich der motorischen lich erlaubt. In den Niederlanden ist die Es gibt vielfältige therapeutische Ansätze zur Komplikationen. So verzögert die Pergolid- Duldung des ärztlich begleiteten Suizi- Behandlung des Morbus Parkinson. Dem vor- Monotherapie signifikant das Einsetzen von des vor kurzem mit Billigung der medi- läufigen Nutzen steht eine sorgfältige Betrach- Dyskinesien (motorische Komplikationen wie zinischen Fachgesellschaften auch auf tung der mittel- und langfristigen Nebenwir- Bewegungsunfähigkeit und Überbeweglich- psychisch Kranke ausgedehnt worden.“ kungen gegenüber. So führt die gängige keit in ständigem Wechsel) und zeigt im Ver- Damit wird, so eine Kernaussage des Behandlung mit dem Wirkstoff Levodopa (L- gleich zu L-Dopa signifikant weniger schwere Beitrages, die Hilfe zur Selbsttötung in Dopa) bereits nach drei bis fünf Jahren zu motorische Komplikationen. Durch seine lan- den Status einer legalisierten „medizini- schweren motorischen Störungen, die dem ge Halbwertszeit entfaltet es eine optimale Wir- schen“ Behandlungsmethode erhoben. Patienten ein erwerbstätiges Leben kaum noch kung, die dem Wirkmechanismus des natür- F.A.Z./EB erlauben. lichen Dopamins sehr ähnlich ist.

Lichtblick • Jahresheft 2000 35 ESCAP

11. Internationale Kongress der Europäischen Vereinigung Newsletter www.lichtblick99.de für Kinder- und Jugendpsychiatrie (ESCAP) Kommentiert Ausgewählte Berichte von Absolventen der Henri-Nannen-Schule Hamburg Versicherungsverträge nur Der 11. Internationale Kongress der Europäischen Vereinigung für Kinder- und Jugend- noch nach einem Gentest? psychiatrie (ESCAP), der vom 15. bis 19. September 1999 in Hamburg stattfand, lock- Der „Donaukurier“ vom 21. März berich- te mehr als 1.000 Experten aus aller Welt in das CCH-Congress Centrum. Das Spektrum tet, dass britische Versicherer von ihren der Themen reichte dabei von epidemiologischen Studien über Eßstörungen, Sucht, Kunden bald Gentests verlangen kön- aggressivem und kriminellem Verhalten von Kindern und Jugendlichen bis hin zu Autis- nen, um das Risiko von Erbkrankhei- mus und Lernstörungen. Auch Suizidalität, Angststörungen, der Einfluß von somatischen ten vor Vertragsabschluß abschätzen zu und psychischen Erkrankungen der Eltern auf die Entwicklung ihrer Kinder, Mißbrauch können. Der „Daily Telegraph“ schreibt und Vernachlässigung von Kindern sowie die Folgen von Krieg und Verfolgung auf die psychische Entwicklung standen auf dem Programm. Darüber informieren die ausge- dazu, dass die britische Regierung bereit wählten Beiträge von Absolventen der Hamburger Journalisten-Schule. www.cch.de/ESCAP sei, spezielle Gentests dafür zuzulassen. Bei dem Risiko einer schweren Erkran- kung könne die Versicherung eine höhe- Europaweit: Einheitliche Ausbildung in der Kinderpsychiatrie re Prämie fordern. (hns.cs) - „Die Qualität eines Arztes ergibt sich aus sem Jahr erscheinen soll. Dort werden Vorschläge zur Soweit die Meldung, und wie sieht dann der Qualität seiner Ausbildung.“ Nach dieser Devise Ausbildung festgehalten, unter anderem wie viele Pati- die Zukunft der psychisch kranken Men- forderte der Göttinger Universitätsprofessor für Kin- enten ein junger Arzt persönlich betreut haben soll- schen aus? Wie wird sie sich entwickeln, derpsychiatrie Aribert Rothenberger eine europawei- te und dass neben der Ausbildung auch der Kontakt wenn fast ausschliesslich das Hauptau- te Koordination der kinderpsychiatrischen Lehr- und zu Selbsthilfegruppen dazugehört. Auch soll über ein genmerk bei Ursache und Diagnose auf Trainingsprogramme. größeres Mitbestimmungsrecht der Auszubildenden dem Biologischen und Genetischen ãEine gute Ausbildung verbessert die Betreuung der gesprochen werden. liegt? Schon heute schließen Sach- und Patienten. Und die bessere Betreuung verringert die Ziel ist die europaweite Vereinheitlichung: ãDenn wenn Risiko-Versicherungen Menschen mit Gesundheitskosten“, so Rothenberger. Zur Zeit erar- innerhalb der europäischen Gemeinschaft der schwe- beitet eine Kommission der Europäischen Gemein- dische Doktor nach Sizilien wechseln kann und umge- Psychosen als Versicherungsnehmer schaft Medizinischer Spezialisten (UEMS) ein Lehr- kehrt - dann soll auch garantiert werden, dass er mit aus. In einer Werbeanzeige aus einer buch zur Methodik der Ausbildung, das noch in die- dergleichen Qualifikation kommt.“ Mieterzeitschrift, Januar 2000: DMB- Mieter-Police bietet Hausrat-, Glas-, Unfall- und Haftpflichtversicherung an, Schleswig-Holstein-Studie belegt: Drogeneinstieg immer früher alles für Personen „die weder an einer (hns.ub) Die Partydroge Ecstasy hat Dauerkonjunk- Fast 40 Prozent aller Gymnasiasten hatten bereits Erkrankung des zentralen Nervensy- tur. Seit Beginn der neunziger Jahre werden die klei- Kontakt mit Drogen, jedoch nur 30 Prozent der Real- stems leiden, noch pflegebedürftig oder nen bunten Pillen in den Discotheken verkauft. Oft ist schüler und 22 Prozent der Hauptschüler. psychisch krank sind“. ihre Mischung unbekannt, und auch später nicht mehr Cannabis ist neben legalen Rauschmitteln wie Alko- Versicherungen waren einmal der Inbe- rekonstruierbar. Dadurch werden sie zu einem unbe- hol (81 Prozent) und Tabak (62 Prozent) die am mei- griff einer Solidargemeinschaft. Durch- rechenbaren Cocktail mit oft tödlichen Nebenwir- sten verbreitete Droge unter den Schülern Schleswig- löchert ist dieses System im alltäglichen kungen. Holsteins: 23 Prozent haben schon einmal einen Joint Leben längst. Und wer ist der Dumme? Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Sozia- geraucht, fünf Prozent haben Ecstasy genommen. Der sowieso schon durch Krankheit, Leid les des Landes Schleswig-Holstein hat eine Befra- Der Drogeneinstieg erfolgt meistens mit 14 oder 15 und Behinderung Benachteiligte. es gung zum Drogenkonsum schleswig-holsteinischer Jahren - ein Alter, in dem viel experimentiert wird. Das Schüler in Auftrag gegeben. Die Autoren der Studie Durchschnittsalter der Ecstasy-Erstkonsumenten - Andreas Speck und Sönke Reimers - haben knapp beträgt im Schnitt 17, bei Heroin und Kokain 18 Jah- Ärztelatein im Klartext 2000 Schüler und Discobesucher 1998 und 1999 re. Fazit der Studie: Illegale Drogen haben sich offen- befragt und kamen zu überraschenden Ergebnissen: sichtlich unter den Jugendlichen etablieren können. Wenn die Medizin den Laien als eine Art Geheimwissenschaft erscheint, hat das mehrere Ursachen: Welcher Arzt, wel- Erfolgreich: Behandlung psychisch kranker Kinder im Elternhaus che Ärztin findet aus dem lange Jahre (hns.ub) - Schon vor zehn Jahren hatten Kinderthe- Kriterien sind: Die Patienten sollten zwischen sechs trainierten Fachjargon schon heraus, rapeuten die Idee, ihre psychisch kranken kleinen Pati- und 16 Jahre alt sein; Eltern und Kind müssen der zurück zur Sprache ihrer Klienten? enten in deren vertrauter Umgebung zuhause zu Zuhause-Therapie zustimmen. Auch sollte die näch- Auch das Gesundheitssystem trägt dazu behandeln. Studien belegten, dass die auffälligen Kin- ste Klinik nicht mehr als 30 Kilometer entfernt sein. bei, dass dem Arzt wenig Zeit bleibt für der im Elternhaus sogar besser und schneller geheilt Für e§gestörte, leicht depressive oder hyperaktive Kin- geduldige und verständliche Erläute- werden konnten als im Krankenhaus. Bis heute wird der ist diese Therapie am besten geeignet. Die Vor- rungen. Ein Buch mit dem Titel „Ärzte- diese Idee jedoch kaum umgesetzt. teile liegen für Lay auf der Hand: ãOft sind die Ergeb- latein im Klartext“ enthüllt jetzt einiges Barbara Lay vom Zentralinstitut für Seelische Gesund- nisse nach einer stationären Behandlung zunächst darüber, u.a. wie sich manche Ärzte bei heit in Mannheim kündigte an, sie werde zusammen gut, doch wenn das Kind in sein normales Umfeld Überweisungen gegenseitig informie- mit anderen Ärzten dafür kämpfen, dass bestimmte zurückkehrt, fällt es schnell in seine alten Verhaltens- ren. Hinter lateinischen Vermerken ver- kranke Kinder auch daheim behandelt werden. muster zurück.“ In vertrauter Umgebung fühle sich das bergen sich mitunter auch die miesesten Seit 1995 hat sie rund 70 Fälle untersucht. Obwohl sie Kind sicherer und öffne sich eher für eine Therapie. Patientenbeschimpfungen. noch mit der Auswertung ihrer Studie beschäftigt ist, Die ambulante Behandlung ist bis zu 25 Prozent bil- Zum Beispiel: CP = Fauler Sack, C2 = kann sie heute schon sagen: Die Therapie in den eige- liger als die stationäre. Deshalb versteht Barbara Lay Alkoholiker, OS = Oralsau, d.h. man- nen vier Wänden ist ein voller Erfolg. Fast alle ver- auch nicht, warum die Krankenkassen sich nicht für gelnde Mundhygiene. Weitere „Klartex- haltensgestörten Kinder aus ihrer Untersuchung konn- diese Therapiemethode interessieren. In einem Jahr te“ unter www.almeda.de. ten innerhalb von dreieinhalb Monaten nach rund 20 will sie die ausgewertete Studie vorlegen - und hofft, Sitzungen als weniger auffällig eingestuft werden. dass sie dann mehr Akzeptanz findet.

36 Lichtblick • Jahresheft 2000 ESCAP

Kinder und Jugendliche mit Schizophrenie Newsletter www.lichtblick99.de (hns.yw) - Kinder und Jugendliche, die an Schizo- enten, die im Alter von etwa 14 Jahren an Schizo- phrenie erkranken, haben schlechte Heilungschan- phrenie erkrankten, stellte er bei 57 Prozent Pro- Enquete soll „Recht und Ethik cen. Dies trifft auf etwa 20 Prozent der an Schizo- bleme bei der Sprach- und Bewegungsentwicklung phrenie erkrankten in Deutschland zu. Bei ihnen tre- fest, die bereits vor Beginn der Schizophrenie auf- der Medizin“ untersuchen ten typische Symptome wie plötzlicher Gedanken- getreten waren. 63 Prozent der Kinder waren zudem Eine Enquete-Kommission mit dem Titel abri§, Halluzinationen oder Wahnvorstellungen bereits stark introvertiert. „Recht und Ethik der modernen Medi- im Alter zwischen 14 und 18 Jahren auf. Zehn Jahre nach Krankheitsbeginn waren nur 20 Pro- zin“ soll vom Bundestag eingesetzt wer- Wichtige Entwicklungsprozesse werden durch den zent der Patienten symptomfrei. 43 Prozent benötig- den. SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die frühen Beginn der Krankheit unterbrochen. Ein großer ten weiterhin Tag und Nacht Betreuung in psychiatri- Grünen und F.D.P. haben hierzu einen Teil dieser Patienten zeigt allerdings schon vor Aus- schen Einrichtungen. Die übrigen Patienten waren auf Antrag eingebracht. bruch der Krankheit Auffälligkeiten, die eher behan- Unterstützung durch ihre Angehörigen angewiesen. Die Kommission soll den Sachstand delt, möglicherweise zu besseren Ergebnissen führen „Ein großes Problem für viele Patienten ist der Ein- über die Entwicklungen in der medizini- könnten. tritt ins Erwachsenenalter“, sagte Professor Eberhard schen Forschung darstellen und dabei ãVieles wei§t darauf hin, dass schizophrene Sym- Schulz. ãWenn die enge Betreuung der jugendpsy- ethische, verfassungsrechtliche, sozia- ptome bei Kindern und Jugendlichen, die später das chiatrischen Dienste entfällt, bleiben die Patienten le, gesetzgeberische und politische Vollbild einer schizophrenen Psychose entwickeln, häufig sich selbst überlassen. Das Risiko für Rück- Aspekte einbeziehen. Sie soll außerdem schon lange vor dem Ausbruch der Krankheit vor- schläge ist dann besonders hoch." In besseren Über- die zugehörige Forschungspraxis unter- liegen“, sagte Professor Eberhard Schulz aus Frei- gangslösungen sieht Schulz Möglichkeiten, den Pati- suchen und insbesondere auf gesetz- burg. In einer Langzeituntersuchung an 101 Pati- enten zu helfen. lich nur unvollständig geregelte Berei- che hinweisen. Es wird erwartet, dass Resozialisierung jugendlicher Sexualtäter sie Kriterien für die Grenzen der medi- zinischen Forschung entwickelt, die das (hns.cf) - ãAuch wenn mein Leben durch Mi§brauch die Jugendliche selber Opfer von Ausgrenzung oder unbedingte Gebot zur Wahrung der ruiniert wurde Ð ich will Hilfe, denn ich habe kein sie drangsalierten ihre Mitschüler. Sobald ein Kind Menschenwürde beinhalten. Recht, das Leben anderer Kinder zu zerstören.“ John neben auffälligem sexuellem Verhalten mehrere die- Zur Begründung heißt es, die fort- ist einer der 240 - hauptsächlich männlichen - jugend- ser schweren Persönlichkeitsstörungen zeigt, zählt schreitende weltweite Entwicklung in lichen Sexualstraftäter, die von der englischen Ärz- Vizard es zu einer Hochrisikogruppe: ãKann die The- Biologie und Medizin eröffne neue tin Eileen Vizard in einer Londoner Anlaufstelle betreut rapie dann vor der Pubertät einsetzen, ist die Chan- Ansätze für den Umgang mit bislang werden. John ist nach seiner Therapie nicht mehr ce gro§, dass der Wille zu sexuellem Mi§brauch nicht oder nur begrenzt heilbaren Lei- rückfällig geworden. durchbrochen wird." den. Dadurch würden grundsätzliche Über 60 Prozent der von ihr betreuten jugendlichen Bei älteren Jugendlichen gelingt das in der Regel ethische und moralische Fragen aufge- Sexualstraftäter sind selber sexuell mißbraucht wor- nicht mehr. Im Gegenteil entwickeln die jungen Straftä- worfen, die das Verständnis von Ge- den, knapp die Hälfte wurde körperlich mißhandelt ter eine Art Suchtverhalten. sundheit, Krankheit und Behinderung und von ihren Eltern vernachlässigt. Au§erdem zeig- Der Mißbrauch wird als ständig benötigte Befriedi- berühren. Gleichzeitig stelle sich die Fra- ten die meisten weitere auffällige Verhaltensweisen: gung wiederholt, die Opfer werden planvoll ausge- ge nach der Vereinbarkeit dieser Ent- Fast alle beteiligten sich häufig an Schlägereien, über sucht und in die Falle gelockt. - ãEine Therapie kann wicklung mit dem verfassungsrechtlich 80 Prozent beginnen sinnlose Zerstörungen und 60 vor Rückfällen schützen - das Problem ist die Zeit gebotenen Schutz der Würde des Men- Prozent waren als Brandstifter in Erscheinung getre- nach der Behandlung", erklärte Vizard. Erst dann zei- schen. Der Enquete-Kommission sollen ten. Zwei Drittel quälten Tiere. Dazu kamen schwe- ge sich, ob die jugendlichen Sexualtäter noch unter je 13 Abgeordnete und Sachverständi- re Mobbingprobleme in der Schule - entweder waren Kontrolle zu bringen seien. ge angehören. hib/RAB-ge

Dilemma für Ärzte und Kinder: Nichtzugelassene Medikamente Zitat verschreckte (hns.sk) - Die rasante Entwicklung neuer Wirkstoffe nannten Aciclovir-Fall verurteilte erstmals 1991 das anfangs Gäste für Neuroleptika, Aids- oder Meningitis-Medikamen- Oberlandesgericht Köln einen Mediziner, der einem „Heimträger sind Geiselnehmer und die te ist für viele Patienten ein Segen: Die Nebenwir- an Gehirnhautentzündung erkrankten Kind nicht das Kostenträger leisten Beihilfe zur Geisel- kungen sind geringer, und die Heilwirkung ist wesent- neue Medikament Acyclovir verabreicht hatte. Diese nahme!“ Mit diesem Zitat verschreckte lich verbessert. Doch diese Mittel stehen nicht allen Klippen können Ärzte nur umschiffen, wenn sie von Professor Dr. Dr. Klaus Dörner als Gast- Menschen gleich zu Verfügung: Etwa 80 Prozent der Eltern und Kindern die ausdrückliche Erklärung ein- redner bei der Eröffnung eines Wohn- in der Kindermedizin angewandten neuen Medika- holen, im Fall schädlicher Nebenwirkungen selbst zu hauses für psychisch Kranke in Hamm mente sind für Kinder nicht zugelassen. haften. ãSo verlagern die Arzneifirmen Risiko und die Öffentlichkeit. Anwesend waren unter Weil Arzneimittelfirmen Geld sparen wollen, haben Kosten“, erläuterte Fegert. den geladenen Gästen aus Politik und sie die Forschungsversuche der Medikamente für Die Lage könnte noch brisanter werden: Im Herbst Verwaltung auch das Sozialwerk St. Kinder gestrichen. Die Folge: Die neuen Pillen dür- wird im Bundestag die neue Arzneimittelrichtlinie Georg als Kostenträger und der Caritas- fen von Ärzten nicht ohne weiteres an unter 18jähri- debattiert. Ein Neuvorschlag lautet, dass die Kran- Verband. Dörner wurde aber dann ver- ge verschrieben werden. ãDas ist eine Diskriminie- kenkassen keine Kosten mehr für nicht zugelassene söhnlich: Hier sei gerade nicht wieder rung, die nicht hingenommen werden kann“, erklär- Medikamente übernehmen müssen. Das hieße: Kin- ein Heim entstanden, das im Endeffekt te Jörg Fegert, Professor für Kinder- und Jugend- der müssen zahlen, Erwachsene nicht. psychisch Kranke ausgrenze und ent- neuropsychiatrie am Universitätsklinikum Rostock. Fegerts Forderung: Die Arzneikonzerne müssen durch mündige. Die Situation ist ein Dilemma für die kleinen Pati- gesetzliche Verordnungen oder finanzielle Anreize Hinweis: Anlässlich des Forums Psy- enten - und für die Ärzte. Sie geraten schnell in die dazu gebracht werden, die Medikamente für alle Men- chosoziale Rehabilitation im Kongress- Gefahr, sich im Dickicht des Arztrechts zu verirren: schen zulassungsreif zu machen. Amerika nennt Centrum Hamburg (4. bis 6.05.) erhält Verschreiben die Mediziner ein Medikament, für das Fegert als Vorbild in dieser Beziehung: Dort versucht der Historiker und Psychiater Prof. Dr. es die aktuellen Fachgesellschafts-Leitlinien gibt, aber die Food & Drug Administration gerade durchzuset- Dr. K. Dörner aus der Hand von Gesund- noch keine offiziellen Zulassung, können sie bei Schä- zen, dass Firmen, die Medikamente auch für Kin- heitsministerin Fischer das Bundesver- den strafrechtlich verfolgt werden, weil sie den Pati- der erforschen, auf diese Produkte wesentlich län- dienstkreuz. lsm enten nicht bestmöglich versorgt haben. Im soge- gere Patentzeiten genehmigt erhalten.

Lichtblick • Jahresheft 2000 37 ESCAP

Autismus: Bezeihungs- und Kommunikationsstörung Newsletter www.lichtblick99.de (hns.yw/awi) - Ähnlich wie eine Antilope bald nach der antwortlich sein können - und nicht etwa äußere Ein- Kurz & bündig Geburt lernt, dass ein Löwe Gefahr bedeutet, erken- flüsse wie fehlende Mutterliebe oder falsche Behand- nen Babys normalerweise in den ersten 18 Monaten, lung. Nach internationalen Studien sind vier bis fünf Nach Angaben der Bundesversiche- ob Mutters Gesicht froh oder traurig ist. von 10.000 Kindern autistisch. Die Kinder sind meist rungsanstalt für Angestellte (BfA) wird Autistische Kinder können das nicht. Sie reagieren fixiert auf spezielle Themen, können mit anderen Kin- ab 2001 jeder Versicherte eine Progno- auch nicht auf Hände, die sich ihnen entgegenstrecken dern nichts anfangen und haben Angst vor jeder Ver- se zu seiner Altersrente erhalten. Die im - oder sie schreien, weil sie die zarteste Berührung änderung. Abstand von drei Jahren geplanten quält. Das erste Wort ist nicht „Mama“, sondern meist Die Begabung der Kinder ist sehr unterschiedlich. Sie etwas ganz Abstraktes. „Quadrat“ zum Beispiel. - „Für reicht von geistiger Behinderung bis zu normaler Intel- Schreiben enthalten rentenrelevante die Eltern ist das ein Schock“, berichtete Professor ligenz, wobei Autisten häufig schon früh erstaunli- Daten, u.a. die gespeicherten Zeiten, Donald J. Cohen in Hamburg. Diese Kinder sehen die che Leistungen im Rechnen, in technischen Diszi- Arbeitsentgelte, Beiträge und erreichte Welt nur in Details, sie registrieren die Mimik der Mut- plinen oder in der Musik zeigen. Die Hälfte aller auti- Rentenanwartschaft sowie die Höhe ter, können sie aber nicht in einen größeren Zusam- stischen Kinder lernt niemals sprechen. einer nach derzeitigem Recht zu zah- menhang einordnen. Sie verstehen keine Geste, kein Es gibt nur kleine Schritte, die das soziale Defizit die- lenden Monatsrente. Lächeln, kein Bitte. Sie ziehen sich zurück, kapseln ser Kinder verringern können. Die Wissenschaftler Krankenkassen müssen Pflegedienste sich „autistisch“ ab. Daher der Name für die Bezie- warnten die Eltern vor sogenannten ãWunderthera- auch dann bezahlen, wenn sie lediglich hungs- und Kommunikations-Störung. pien" mit Spezial-Diäten oder Hormonbehandlungen. auf ärztliche Anweisung Medikamente ãUntersuchungen zeigen, dass im Gehirn autistischer Der Leidensdruck der Eltern sei groß, das verführe zu verabreichen. Dies entschied das Bun- Kinder andere Prozesse ablaufen", erklärte Profes- unerfüllbaren Hoffnungen. dessozialgericht am 30.03. (Az:B3 KR sor Cohen. Wenn Autisten im Umgang mit anderen Bei Zusatzförderung können manche sogar Abitur 14/99 R). Konkret ging es um eine nicht Menschen gefordert sind, wird ein Bereich ihres machen. Der Übergang ins Erwachsenenalter ist trotz- pflegebedürftige Frau, der Mitarbeiter Gehirns aktiv, mit dem gesunde Menschen sich eigent- dem eine kaum zu überwindende Hürde. Viele rea- eines Pflegedienstes zwei Mal täglich lich nur über abstrakte Gegenstände Gedanken gieren auf die Veränderungen der Pubertät hilflos und Medikamente verabreichten, weil sie zur machen. Aus diesem Grund sind Bilder auf Puzzle- aggressiv. Auch die Arbeit in einer normalen Firma regelmässigen Einnahme nicht zu bewe- Spielen für autistische Kinder keine Hilfe: Sie emp- ist nur mit speziellen „Job-Coaching“-Programmen gen war. finden das Motiv sogar als störend, drehen es nach denkbar, die bei jeder kleinen Veränderung Hilfe unten, und fügen die einfarbigen Teile dann in Win- gewährleisten. Bleibt sie aus, wird oft auf bizarre Wei- deseile zusammen. se Widerstand geleistet. Ein ganz eigenständiges Wird an der falschen Verursacht werden diese Störungen durch sehr frühe Leben kann es für autistische Kinder nie geben, so die Stelle gespart? Hirnschädigungen, für die auch bestimmte Gene ver- Einschätzung der Wissenschaftler und Eltern. lb-news/es: Jährlich werden 4.500 Ton- nen Arzneimittel im Wert von 4 Mrd. DM Untersuchungen zur Magersucht auf den Müll geworfen. Da empören sich (hns.nl) - Anorexia Nervosa, als Magersucht bekannt, dafür, dass die Essstörung Teil eines anderen Krank- der Steuerzahler und vor allem Angehöri- tritt fast nur bei jungen Mädchen und Frauen auf. heitsbildes war. ge psychisch kranker Menschen. Wer- Es ist eine Essstörung, die im schlimmsten Fall zum Die vierte Untersuchung stammt ebenfalls aus dem den doch rigorose Sparmaßnahmen bis Tod führen kann. Auf dem 11. Internationalen Kon- schwedischen Institut: 51 an Magersucht erkrankte hin zum Vorenthalt notwendiger, atypi- gress für Jugend- und Kinderpsychiatrie in Hamburg und 51 gesunde Jugendliche wurden einem Intelli- scher Neuroleptika auf Kosten der Kran- stellten Wissenschaftler ihre neusten Forschungser- genztest unterzogen. Beide Gruppen entsprachen ken durchgezogen. gebnisse zu den Ursachen dieser Störung vor. dem allgemeinen Mittelwert normal intelligenter Men- Ein Grund für die Verschwendung der Die Psychiaterin, Frances Connan vom Londoner Insti- schen. Allerdings gab es eine kleine Auffälligkeit. Die Medikamente wird in den gesetzlich tut für Psychiatrie, erläuterte die Bedeutung von Stress Gruppe der Kranken hatte Probleme beim Zusam- geforderten, Angst auslösenden Bei- als Ursache der Magersucht. Gefühle der Hilflosigkeit mensetzen von Objekten, etwa bei einem Puzzle. packzetteln gesehen. Worin auch immer oder der Unfähigkeit, ein Problem zu bewältigen, kön- Hier lagen ihre Leistungen unter dem Normalwert. die Ursache zu suchen ist, das Bun- nen gerade in der Pubertät zur Magersucht führen. Sie blieben auch in den Folge-Untersuchungen immer desgesundheitsamt sollte sich endlich Die Weigerung Nahrung aufzunehmen ist dann ein leicht unter dem Durchschnitt. Möglicherweise deu- dieses Problems annehmen, „statt der Symbol für Machtlosigkeit. Kommen Umweltfaktoren tet das auf eine Schwäche im kohärenten Denken Vergeudung der Gelder der gesetzlichen mit biologischen Faktoren, wie etwa eine Funktions- hin. Ferner fanden sich in der Gruppe der Kranken Krankenkassen tatenlos zuzusehen“, so störung des Gehirns, zusammen, dann kann es zu häufiger Personen mit Problemen der Motorik. Prof. Jürgen Fritze, in „psycho“ Nr. 3. einer chronischen Appetitlosigkeit kommen, weil der Zudem laufen magersüchtige Frauen größere Gefahr, Und noch ein paar Zahlen: In 45 000 Körper kein Signal sendet, dass er Nahrung braucht. an Osteoporose zu erkranken. Dieter Schlamp von Die Frage, inwieweit Essstörungen vererbbar sind, der Heckscher-Klinik für Kinder und Jugendpsychia- zugelassenen Medikamenten sind gera- haben Wissenschaftler der dänischen Universität von trie München stellte eine gemeinsame Studie der Uni- de mal 8 500 Wirkstoffe enthalten. Nur Odense untersucht. 61 eineiige und zweieiige weib- versitäten Würzburg, Marburg und München zur Kno- die Hälfte dieser Medikamente sei nach liche Zwillingspaare wurden auf ihre genetische Bela- chendichte bei Magersüchtigen vor. 52 junge Frau- dem geltenden Arzneimittelrecht zuge- stung hin untersucht. Die Ergebnisse deuten auf eine en mit der Esstörung Anorexia Nervosa wurden seit lassen, so ist ebenso in dem Buch der mögliche erbliche Veranlagung zu Anorexia Nervosa 1989 regelmäßig untersucht. Durch Röntgenbilder Stiftung Warentest „Handbuch der Medi- bei eineiigen Zwillingen hin, doch für eine allge- und Computer-Tomographie konnte die Entwicklung kamente“ zu lesen wie die Mitteilung, meingültige Aussage sind weitere Studien nötig. der Knochendichte festgehalten werden. Besonders „dass jährlich – so die Schätzung – in Den Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsstörung die Dichte im innersten Teil des Knochens, der sen- Deutschland 25 000 Menschen an uner- und Magersucht erläuterte Maria Rastam vom Insti- sibel auf Stoffwechselveränderungen reagiert, zeig- wünschten Arzneimittelwirkungen ver- tut für Gesundheit von Frauen und Kindern in Göte- te sich rückläufig. Die Folgeuntersuchungen lassen sterben. borg, Schweden. Über zehn Jahre lang wurden 51 vermuten, dass die Knochendichte bei ehemals Kommentar: Wenn alle diese Zahlen stim- Jugendliche (48 Mädchen, 3 Jungen) von Beginn der Magersüchtigen auch nach Genesung geringer ist men, ist das eine Katastrophe, und hier Magersucht an beobachtet. 94 Prozent der Kran- als bei anderen Frauen. Es besteht somit höheres sollte eigentlich angesetzt werden, wenn ken waren nach zehn Jahren geheilt. Der Rest war Risiko an Osteoporose zu erkranken, da Knochen- von Gesundheitsreform die Rede ist. zwar auch nicht mehr magersüchtig, litt aber an dichte nach der Pubertät nicht mehr aufgebaut wer- schweren Persönlichkeitsstörungen. Ein Zeichen den kann.

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Medikamente können helfen Newsletter www.lichtblick99.de (hns.stö) - Bei der Behandlung psychisch kranker Kin- Behandlung mit Medikamenten zustimmen“. Medi- der mit Medikamenten sto§en die Kinder- und Jugend- kamente seien in der Kinder- und Jugendpsychiatrie psychiater immer noch auf Vorurteile in der Öffent- lediglich eine von drei Säulen der Behandlung. Neues Neuroleptikum lichkeit. ãDie machen unsere Kinder süchtig“, lautet Den Schwerpunkt legten die Mediziner heute auf die lb-news/es: Wie die Zeitschrift „psycho“ ein gängiges. Helmut Remschmidt, Präsident der Psychotherapie und Aufklärung. Tabletten bekommen Nr.3 berichtet, hat die Firma AstraZene- Europäischen Vereinigung für Kinder- und Jugend- lediglich fünf Prozent der Patienten verabreicht, in der ca Anfang März ein neues Neuroleptikum psychiatrie, führt die Vorurteile auf Unkenntnis zurück. stationären Behandlung sind es 30 Prozent, sagte zur Behandlung der Schizophrenie mit Unzureichend informiert seien auch die Lehrer. ãDabei Remschmidt. Der Einsatz von Medikamenten zeige dem Namen „Seroquel“ eingeführt. sitzen in jeder Klasse zwei Schüler mit seelischen vor allem beim hyperkinetischen Syndrom, der Depres- Der darin enthaltene Wirkstoff Quetiapin Störungen“, sagt Remschmidt und wünscht sich des- sion, Schizophrenie und bei Zwangsstörungen Erfol- hat eine höhere Affinität zu Serotonin- halb, dass in der Lehrerausbildung wenigstens Grund- ge. Viele der Medikamente seien heute wirksamer und rezeptoren als zu Dopaminrezeptoren. kenntnisse über psychische Auffälligkeiten vermittelt riefen weit weniger Nebenwirkungen hervor als frühe- Dieses Medikament beeinflußt, so psy- werden. Auch Eltern hätten teilweise gro§e Vorurtei- re. Allerdings seien nur die wenigsten Medikamente cho, sowohl die Positivsymptomatik mit le. ãSie unternehmen oft eine ganze Odyssee, gehen an Kindern erprobt worden. Das gelte andererseits Wahnvorstellungen und Halluzinationen zu den unterschiedlichsten Leuten, bevor sie einer aber auch für Antibiotika. wie die Negativsymptomatik mit Zurück- gezogenheit und Motivationsmangel. Unter anderem wird berichtet, dass extra- Der Zappelphilipp wird erwachsen pyramidalmotorische Störungen nicht (hns.yw) Neurobiologische Ursachen sind hauptsäch- heute einerseits die Störungen der Kinder nur häufiger auftreten als unter Plazeboga- lich verantwortlich für die hyperkinetische Störung bei begrenzt verstehen, andererseits aber Grund zu der be. Regelmäßige Blutbildkontrollen sei- Kindern. In den USA lassen sich nun auch immer Vermutung haben, dass die Probleme der Kinder en auch nicht nötig. mehr Erwachsene behandeln. irgendetwas mit vererbten Abläufen im Gehirn zu tun haben", sagte Steinhausen. Er selbst geht davon aus, „Ob der Philipp heute still Medikamente getestet dass eine ungünstige genetische Ausstattung mit wohl bei Tische sitzen will?“ einem veränderten Stoffwechsel im Gehirn zusam- lb-news/es: Stiftung Warentest testet Also sprach im ernsten Ton Medikamente, A.Bopp, V. Herbst (Hrsg.) der Papa zu seinem Sohn, menhängt. Dadurch soll die Übertragung von Infor- mationen zwischen den Nervenzellen beeinträch- Handbuch Medikamente - Über 5000 und die Mutter blickte stumm Arzneimittel für Sie bewertet. 767 S., ISBN tigt sein. Psychosoziale Faktoren wie mangelnde Auf- auf dem ganzen Tisch herum. 3-931908-12-7, 78 Mark. Doch der Philipp hörte nicht, merksamkeit dem Kind gegenüber, zu wenig Beschäf- Prof. Jürgen Fritze, Pulheim, setzt sich was der Vater zu ihm spricht. tigung mit dem Kind und chaotische Verhältnisse wür- mit diesem Buch in der Zeitschrift „psy- Er gaukelt den diese Anlagen ausformen und verstärken. cho“ Nr. 3 auseinander. Er begrüßt, dass und schaukelt, In den USA lassen sich seit Beginn der 90er Jahre die von der Bundesregierung gegründe- er trappelt auch immer mehr Erwachsene behandeln. Dort sind te Stiftung Warentest sich der Aufgabe, und zappelt inzwischen sogar Selbsthilfegruppen entstanden. Die Laien über Medikamente zu informieren, auf dem Stuhle hin und her. Betroffenen klagen über anhaltende Konzentrations- unterzogen hat. „Philipp, das mißfällt mir sehr!“ probleme und haben Schwierigkeiten im Berufsleben. In dem Buch ist der Besprechung der Viele könnten nur schwer stabile Beziehungen ent- So beginnt die Geschichte vom Zappelphilipp, die der Medikamente eine kurze Einführung in wickeln. Steinhausen glaubt, dass die Behandlung Arzt Heinrich Hoffmann vor mehr als 150 Jahren auf- die betroffenen Krankheitsbilder voran- Erwachsener in einigen Jahren auch in Europa ver- gestellt, und am Ende jeden Kapitels folgt schrieb. Wie sie ausging, ist bekannt: Das Geschirr mehrt auf der Tagesordnung stehen könnte. eine tabellarische Zusammenstellung. Die liegt in Scherben, das Essen auf dem Boden. Die Bewertung ist vierstufig: „geeignet“, Eltern sind wütend. Philipp aber zappelt weiter. Heu- „auch geeignet“, „mit Einschränkungen te würde der Junge vermutlich auf Grund einer hyper- geeignet“, „wenig geeignet“. kinetischen Störung mit Verhaltenstherapie und Medi- Fritze nimmt die Beurteilung einiger kamenten behandelt werden. Medikamenten aus der Psychiatrie unter ãDiese Störung ist kein Zeitgeistphänomen, es hat die Lupe. Die Bewertungen einiger Mit- sie immer schon gegeben, heute schenkt man die- tel kommentiert er mit: erstaunlich, ver- sen Kindern lediglich mehr Aufmerksamkeit", sagte blüffend, „scheint den kompetenten Professor Hans-Christoph Steinhausen aus Zürich. Fachlauten perfekt verborgen geblieben Die Häufigkeit der hyperkinetischen Störung ist zu sein“, bis ignorant. Zwischen den Zei- umstritten. Die Zahlen schwanken je nachdem, wel- len ist zu lesen, dass wohl der Zweck die- che Kriterien und Methoden Wissenschaftler bei ihren ser Buches, seines Erachtens nach, offenbarer wird, wenn man bedenkt, dass Untersuchungen heranziehen. Europäische Wis- der Schlußgutachter, Prof. Glaeske, ehe- senschaftler gehen von etwa einem Prozent der Kin- mals bei der Barmer Ersatzkasse für der aus, die schon früh durch deutliche Unaufmerk- medizinische Grundsatzfragen zustän- samkeit, mangelnde Ausdauer bei geistigen Anfor- dig, war. Die Aktualität des Werkes derungen, motorische Unruhe und starke Impulsivität bezweifelt Fritze u.a. wegen des Fehlens auffallen. US-Amerikaner kommen auf bis zu zehn der neueren Antipsychotika wie Olanza- den Prozent. pin und Amisulprid und anderer Mittel. Als sicher gilt, dass Jungen etwa drei bis neun Mal Er beendet seine Besprechung wie folgt: häufiger betroffen sind als Mädchen. Die Probleme „Das Werk ist nicht geeignet, den Dialog der Kinder nehmen vor allem mit der Einschulung zu. zwischen Patient und Arzt zu ersetzen, Sie lassen sich bereits durch Kleinigkeiten ablenken, aber sehr wohl geeignet, diesen Dialog so dass sie dem Unterricht nur schwer folgen können. zu stimulieren“. "Es ist sehr schwer den Eltern zu vermitteln, dass wir

Lichtblick • Jahresheft 2000 39 BUCHTIPP

Newsletter www.lichtblick99.de DER AKTUELLE Bücher-Tipp Patientenvereinigungen Carola Burkhardt-Neumann lb-news/lsm: „Wer schon immer mal wis- sen wollte, wer oder was hinter den Pati- Bin ich wirklich schizophren? entenvereinigungen steckt, kann sich Die unsicheren Diagnosen der Psychiatrie jetzt einen Überblick verschaffen: Im und ihre Folgen für die Patienten neuesten Heft «Dr. med. Mabuse» findet sich eine sorgfältig recherchierte Unter- 144 Seiten – DM 19,80 – ISBN 3-928316-13-3, ZENIT Verlag suchung, welche Verbände, Vereine und «...Psychose... Stoffwechselstörung im Gehirn... Gruppen die Interessen der Patienten zur Vorbeugung regelmäßig Medikamente nehmen...» unabhängig und neutral vertreten. Wer seine seelische Krankheit so erklärt bekommt, leidet Auch graue und schwarze Schafe wer- an einer Form der Schizophrenie. den genannt. Zu lesen bei «Dr. med. Aber: Bei der Diagnose Schizophrenie gibt es mehr offene Mabuse», Nr. 123, Januar und Februar Fragen als brauchbare Antworten. Dieses Buch weist auf die 2000, S. 22. offenen Fragen hin und fordert die Leser auf: Fragen Sie wei- ter! Lassen Sie sich nicht entmutigen! www.oeko-net.de/mabuse/ Denn oft ist der Verlauf dieser Krankheit gutartig: Nach einer psychotischen Phase werden die Betrof- fenen wieder gesund. Die Autorin fordert energisch eine Weiterentwicklung der Psychiatrie ein, bei der die Erfahrungen der psychisch Kranken und ihrer Angehörigen ernst genommen werden. Medikamentenmüll Psychopharmaka dürfen nicht die wesentliche Antwort bleiben. Ein Buch für Betroffene und Angehörige – und alle, die mit den vorschnellen Diagnosen der Psy- lb-news/rh: „Wir bekommen täglich chiatrie unzufrieden sind. nichtverbrauchte Medikamente zurück, Carola Burkhardt-Neumann, Jg. 1943, Dr. med., Fachärztin für Psychiatrie. Mitbegründerin der Bayerischen Gesell- die noch nicht verfallen sind“, berichte- schaft für Soziale Psychiatrie. Langjährige Tätigkeit in der Krisenstation des Bezirkskrankenhauses Haar bei München, an Sozialpsychiatrischen Diensten und bei der Drogenberatung der Stadt München. Seit 1991 niedergelassen in te Apothekerin Dagmar Weinländer in freier Praxis als Psychiaterin mit der Zusatzbezeichnung Homöopathie. der tm3-Sendung «Forum Gesundheit». Dr. Christian Ruetz vom Schweizer Apo- thekerverein legte Zahlen vor: „In 650 Apotheken wurden in nur einen Monat Rudolf Winzen über 183.000 Medikamentenpackungen zurückgegeben.“ Zwang Im Rahmen der Aktion zur „Entrümpe- lung der Hausapotheke“ wurde ein Was tun bei rechtlicher Betreuung und Unterbringung? „großer Prozentsatz“ nicht angebro- Wie Vorsorge treffen? chener Medikamente mit mindestens noch einjähriger Gültigkeit abgeliefert. 2., erweiterte und aktualisierte Auflage Als Gründe wurden die schnelle Wirkung ISBN 3-928316-08-7, ZENIT Verlag der Medizin, Angst vor Nebenwirkungen 224 Seiten - DM 24,80 und die sichere Entsorgung genannt. Wer in eine schwere psychische Krise oder in geistige Ver- Zudem würde der Beipackzettel „über- wirrung gerät, kann „entmündigt“ und sogar eingesperrt wer- gewichtete“ Informationen zu den den - das geht manchmal schneller, als man denkt. Nebenwirkungen enthalten. Beschrei- Juristen sprechen seit einigen Jahren nicht mehr von Ent- bungen zum eigentlichen Nutzen der mündigung, sondern von Betreuung, nicht mehr vom Vormund, Arznei kämen zu kurz. Häufig löse gera- sondern vom Betreuer – jedoch hat sich die Lage der Betrof- de die Nichteinnahme weitere Ver- fenen nur teilweise verbessert. Dieses Buch informiert über die Gesetze und Vorschriften zu Betreu- schreibungen aus. „Man greift zu ande- ung und Zwangs-Unterbringung und erklärt, wie man sich dagegen wehren kann. Ausführlich werden ren, stärkeren Medikamenten“, erklär- die Möglichkeiten der Vorsorge beschrieben: mit Hilfe von Vollmachten und Patientenverfügungen te Dr. Ruetz. kann man auch für Krisenzeiten sein Selbstbestimmungsrecht weitgehend sichern. „Nur ein informierter und letztlich über- Zahlreiche Musterbriefe mit Anträgen und Beschwerden sowie Beispiele von Vollmachten und Ver- zeugter Patient wendet auch die Medi- fügungen ergänzen diesen Ratgeber und machen ihn unentbehrlich für Psychiatrie-Erfahrene, alte kamente richtig an!“, ergänzte Apothe- Menschen, Behinderte, Heimbewohner, Angehörige und Helfer. Die überarbeitete Neuauflage geht auch auf die Änderungen des Betreuungsrechts ein, die am 1. Januar 1999 in Kraft getreten sind. ker Dr. Theo Voegtli. Es sei jedoch enorm schwierig, Patienten zur Therapietreue Rudolf Winzen, Jg. 1948, Berufserfahrung in den unterschiedlichsten Bereichen: vom Behinderten-Pfleger bis zu ermuntern, wenn der unmittelbare zum Bildungsreferenten bei einer sozialpolitischen Organisation. Mitbegründer von antipsychiatrischen Initia- Erfolg ausbleibt. Im Rahmen des Bera- tiven - u.a. Beschwerdezentrum Psychiatrie München - und psychiatriekritischen Zeitschriften. Heute selbst- tungsauftrages geben inzwischen die ändiger Referent, Lektor und Verleger. Schweizer Apotheker auch therapiebe- gleitende Aufklärungsmaterialien her- Pressestimmen zu diesem Buch aus. Fazit der Sendung: Die teuersten „Der Ratgeber, der eine fundierte und weitgehend allgemeinverständliche Einführung in die Rechte der Betroffenen Medikamente sind die, die weggewor- vermittelt, dürfte auch für Professionelle ... ein nützliches Nachschlagewerk sein." sozial extra 2/94 fen werden! „Das Buch liefert hier wertvolle Aufklärungsarbeit in Richtung eines besseren Verständnisses der Begriffe." Soziale Psychiatrie 3/99

40 Lichtblick • Jahresheft 2000 BUCHTIPP

Rosa Geislinger Newsletter www.lichtblick99.de

Experten in eigener Sache Kommentiert Psychiatrie, Selbsthilfe und Modelle der Teilhabe Leben mit Depressionen

252 Seiten – DM 24,80 / ÖS 180,- / SFr 23,- lb-news: In letzter Zeit hat sich die Krank- ISBN 3-928316-10-9, ZENIT Verlag heit „Depression“ in den Medien beina- In den letzten Jahren sind zahllose Selbsthilfegruppen von he zu einem Modethema entwickelt. Nicht Psychiatrie-Erfahrenen entstanden. Psychiatrie-Erfahrene immer seriös wird da berichtet: Depres- haben entdeckt, dass sie sich durch Erfahrungsaustausch sionen werden mit kleinen Stimmungs- und praktische Solidarität gegenseitig stärken und stabili- schwankungen verwechselt oder durch sieren können – und dass sie Fähigkeiten und Kompetenzen die Bezeichnung „Winterblues“ ver- haben, die ihnen von den Professionellen früher überhaupt harmlost. nicht zugetraut wurden. Gleichzeitig entstanden viele Projekte, bei denen Psychia- Anders im WDR-Beitrag „Gefangene trie-Erfahrene und professionelle Helfer gemeinsam die Ver- Gefühle - Leben mit Depressionen“ vom antwortung tragen: Werkstätten, Teestuben, Clubhäuser etc. Außerdem entwickelten sich - als Forum 17. Januar. Drei Menschen sprachen über des gleichberechtigten Erfahrungsaustauschs von Betroffenen, Angehörigen und Profis - die soge- ihre Depression und wie sie ihr Leben ver- nannten Psychose-Seminare. ändert und gefährdet hat. Vieles blieb den Die Herausgeberin, Rosa Geislinger, ist im Bereich Selbsthilfe seit vielen Jahren als Psychologin tätig. Sie hat die Erfah- Protagonisten und den Zuschauern uner- rungen von Betroffenen, Angehörigen und professionellen Helfern zusammengestellt. Das Ergebnis ist ein Buch, klärlich. Es wurden keine platten das Selbsthilfe aus unterschiedlichen Blickwinkeln darstellt und von Menschen in ähnlicher Situation als Anregung und Erklärungsmodelle angeboten. Gerade Ratgeber genutzt werden kann. Rosa Geislinger, Jg. 1949, Diplom-Psychologin, beschäftigt sich seit Mitte der 80er Jahre mit alternativen Projekten deshalb weckte der Film grosses Mitge- und Beteiligungs-Modellen für Psychiatrie-Erfahrene. Unter anderem ist sie Mitbegründerin der Teestube Kontak- fühl für die Unerträglichkeit des Lebens Tee, eines Qualifizierungs- und Betreuungsprojekts. Seit 1990 Mitarbeiterin im Selbsthilfezentrum München mit den in einer Depression. Aus der Sicht der Schwerpunkten Beratung, Psychiatrie und Sucht. Betroffenen wurde gezeigt, wie sie durch- Pressestimmen zu diesem Buch lebt und überstanden wird. Ein hervorra- gender Beitrag gegen Stigmatisierung Soziale Psychiatrie, Nr. 4/98: „Dieses Buch versucht, die Erfahrungen von Betroffenen, die Berichte von Profis und die Reflexionen von Theoreti- und für mehr Verständnis. ker/innen unter einen Hut zu bringen. Man kann sagen: es gelingt ihm ziemlich gut. .... Linde Schmitz-Moormann Fazit: Für Psychiatrie-Erfahrene und Angehörige ermutigend. Für Profis ein guter Überblick." Psychosoziale Umschau, Nr. 1/99: "Kaleidoskopartig versammeln sich in diesem Buch Beiträge, die aus unterschiedlicher Perspektive Entwicklungen und Psychoseseminar Erfahrungen schildern und zur Selbsthilfe und zur Selbstorganisation anregen." in Rostock ergotherapie, Nr. 1/99: Eine neue Art und Weise über seelische "Zu Wort kommen Psychiatrie-Erfahrene, Angehörige, LeiterInnen von Selbsthilfegruppen und professionelle Helfer. Diese Mischung schafft die Voraussetzung für sehr interessante, persönliche Darstellungen ..... Krisen und psychische Erkrankung zu Aber nicht nur die praxisnahe Darlegung der einzelnen Gruppen und Projekte macht das Buch lesenswert. Auch die sprechen, eröffnet das 1. Psychose Semi- theoretischen Aspekte und Anregungen tragen das ihre zur Komplettierung dieses Buches bei." nar, das am 19. September in Rostock stattfinden wird. Psychoseerfahrene, Ärz- te, Therapeuten und Angehörige werden der die Webseiten und sein Internet-Know-how zur sich um 16 Uhr in der Volkshochschule, Verfügung stellt - und keinen öffentlichen Zuschu§- Alter Markt, treffen. Gleichberechtigter geber. Austausch über das innere Erleben, das Dazu hei§t es in der Ankündigung: ãjanus wird deshalb in „psychotischen“ Phasen zu Angst, ohne aktive Mitwirkung seiner Leserschaft nicht beste- Weltflucht und scheinbar unverständli- hen können. Wir benötigen die Mitarbeit von Menschen, chem Verhalten führt, soll hier möglich die Artikel schreiben, und von Informanten, die uns auf sein. Nur die Bereitschaft zur freien Äuße- fachliche Veranstaltungen sowie alles, was rund um rung und zum Zuhören sind notwendig. die Psychiatrie passiert und berichtenswert ist, hin- Die Kunst das Gespräch in Gang zu brin- weisen.“ gen trauen die Veranstalter Dr. Thomas Bock zu. Er hat vor zehn Jahren zusam- Wer sich für janus interessiert, kann sich an den Her- emnächst geht ãjanus“ - ein kostenloses Onli- men mit Dorothea Buck, der Ehrenvor- ne-Magazin ins Netz. In janus sollen Psy- ausgeber per Email ([email protected]) wenden. Briefadresse: Postfach 75 09 74, 81339 München sitzenden des Bundesverbandes der Psy- D chiatrie-Erfahrene, Angehörige, Laienhelfer chiatrie-Erfahrenen, das erste Psychose- und Professionelle gleicherma§en - und vor allem Weitere Informationen unter: www.zenit-verlag.de Seminar in Deutschland ins Leben geru- gleichberechtigt - zu Wort kommen. fen. Heute gibt es sie überall im deutsch- Die Homepage wird sich kritisch mit der Psychiatrie sprachigen Raum. Sie sind notwendi- beschäftigen - besonders kritisch dann, wenn es um die ger denn je, um Wege zur Erleichterung, stationäre Psychiatrie geht, so Herausgeber Rudolf Win- ja zur Heilung zu finden. zen. Die Initiatoren haben nicht vor, aus janus eine Kla- gemauer zu machen. ãVielmehr wird janus dem Infor- Veranstalter: Gemeindepsychiatrie Rostock e.V., mationsaustausch dienen und allen zur Verfügung ste- LV Psychiatrieerfahrener und LV der Angehörigen hen, die sich für die Selbstbestimmung von Psychiatrie- und Freunde psychisch Kranker, Anmeldung: LPE, Erfahrenen einsetzen.“ W. Mundt, Henrik-Ibsen-Str. 20, 18106 Rostock, Besonderheit: es wird keine bezahlten Redakteure Rudolf Winzen Tel./Fax: 0381 - 76 80 214 (siehe auch S. 23 unten) geben, keinen Sponsor - au§er dem ZENIT-Verlag, Lektor und Verleger

Lichtblick • Jahresheft 2000 41 AUS DER ONLINE-SPRECHSTUNDE

Antworten aus der Online-Sprechstunde der Redaktion Lichtblick Behandelt werden nicht Diagnosen, sondern Menschen

Unter dem Motto „Sie fragen, Experten antworten“ hatte die Redaktion Lichtblick im April zu einem Online-Forum «Psychiatrie» via Internet eingeladen. Der erste Versuch, per E-Mail die Antworten an die 290 Abonnenten unseres Newsletters zu verschicken, ist uns gelungen. Selbst die gela- denen Gäste, Prof. Dr. med. Michael Stark (DRK Krankenhaus Rissen) und PD Dr. Thomas Bock (Uni- versitäts-Krankenhaus Eppendorf), fanden unsere Aktion „spannend“. Beide sagten zu, trotz Ter- mindruck. Auf diesen Seiten und unter www.lichtblick99.de können Sie die Antworten von PD Dr. Thomas Bock nachlesen. Etwas später werden wir die Zuarbeit von Prof. Dr. med. Michael Stark auf unserer Homepage veröffentlichen und über den Newsletter bekanntgeben. Besonders freut uns: Die aus dem Internet „gewonnenen“ Lichtblick-Inhalte haben auch in der Medienlandschaft, Selbst- hilfe und Psychiatrie eine breite Leserschaft gefunden. Selbstkritisch möchten wir aber darauf hin- weisen, dass wir die Fragen redaktionell aufbereitet und auf eine Namensnennung verzichtet haben. Somit kommen die persönlichen Hintergründe der Ratsuchenden einfach zu kurz. Mit den hoffent- Thomas Bock lich hilfreichen Antworten können wir dieses Manko etwas ausgleichen. Lichtblick/Newsletter

Was kann ich tun, wenn mein Angehöriger sich nicht für krank Ich bin seit einem Jahr in Behandlung, aber die Psychiater hält und jede Hilfe ablehnt? sagen mir nicht, was ich eigentlich habe. Die Medikamen- te, die ich bekomme, z.B. Lithium, Dapothom, Adol und Aki- Bei Ihrer Frage gilt es, verschiedene Aspekte zu beachten, z.B., die Perspektive neton schlagen nicht an. Ich kann mich nicht konzentrieren ihres kranken Familienmitgliedes und die Ihrige, als Angehöriger. Einem Psy- und bin immer müde. Was können Sie mir empfehlen? chose-Erfahrenen kann die Nicht-Wahrnehmung der eigenen Krankheit ein Schutzmechanismus sein: Man möchte das eigene Selbstbild so lange wie Wenn die Psychiater nicht sagen, was sie haben, kann das bedeuten, dass möglich aufrechterhalten. Das was allgemein als psychische Krankheit ver- sie es auch nicht wissen. Bedenken Sie, dass alle Diagnosen nur Konstruk- standen wird, erscheint einem unpassend, und vor Hilfe hat man Angst und tionen oder Überschriften sind. Sie aber sind ein einzigartiger Mensch - mit vielleicht sogar schlechte Erfahrungen damit gemacht. Nach meiner Meinung ganz besonderen Erfahrungen, Ressourcen, Handicaps. Sie sind also der trägt die Psychiatrie selbst zu dieser Strategie vieler Patienten bei: Sie hat ein eigentliche Experte und die Psychiater brauchen Ihre Hilfe, um gemeinsam zu enges Krankheitsverständnis und sie macht so viele Voraussetzungen, um herauszufinden, was hilft und was nicht. Längst nicht alle psychischen Leiden dann Hilfe zu gewähren, die ebenfalls oft viel zu eng konzipiert ist. sind mit Medikamenten oder nur mit Medikamenten zu beseitigen. Müdig- keit und mangelnde Konzentration können auch für maßlose Erschöpfung Nun zu Ihrer Perspektive als Angehöriger: Sie sind Angehöriger, nicht The- sprechen oder auch für Depressionen. rapeut oder Arzt, d.h. über weite Strecken halte ich es für richtig oder ange- Entsprechend fallen mir folgende Rückfragen ein: „Wie haben Sie sich früher messen, dass Ihre Beziehung als Vater, Mutter, Tochter, Schwester, usw. nicht erholt?“ - „Was macht Ihnen (noch) Spaß?“ - „Wann waren Sie zuletzt im in erster Linie über Krankheit definiert ist, sondern über die gemeinsame Zusam- Urlaub?“ - „Hatten Sie schon einmal Phasen, in denen Ihre Kräfte unerschöpflich mengehörigkeit und Lebenserfahrung. Dazu kann es gehören, möglichst lang schienen?“- „Haben Sie schon einmal mit Ihrem Arzt über (neue) Antidepressiva den gemeinsamen Alltag und das gegenseitige alltägliche Verständnis auf- gesprochen?“, und vor allem: „Wie können Sie akzeptieren, dass Ihre Kräf- rechtzuerhalten. Genauso wichtig ist es, deutlich zu machen, wenn in diesem te zur Zeit erschöpft sind?“, und „Wie können Sie sich ganz bescheidene Zie- Zusammenhang für Sie eine Grenze erreicht ist, was sie aushalten können le stecken und sich so Erfolge organisieren, statt immer neue Niederlagen?“ und wollen und wo sie selbst eine deutliche Angst spüren um sich oder den anderen. Diese Grenze offen zu bekennen, sich nicht dauernd selbst aus- zubeuten oder ausbeuten zu lassen, ist wichtig, um Normalität und Unbe- Gibt es für Schizophrenie-Kranke stationäre Psychothera- fangenheit, so weit irgendmöglich, zu wahren, dem Menschen gegenüber pie oder entsprechende Kurangebote, die von den Kran- Schuldgefühle zu ersparen und um zu verhindern, dass die wichtige Rolle/Auf- kenkassen bezahlt werden? gabe des Vaters, der Tochter, der Schwester, usw. nicht alle Konturen verliert. Für stationäre psychiatrische und therapeutische Behandlungen ist die Kran- Es gibt kein Patentrezept, wie die eigenen Grenzen zu verdeutlichen sind. kenkasse zuständig. In der Regel ist Psychiatrie und Psychotherapie nicht Das fängt an beim Einhalten eigener Interessen und Hobbys und beim Pfle- zu trennen sowie auch in der neuen Facharzt-Ausbildung beides integriert wird. gen eigener Freundschaften und reicht über eigenen Urlaub bis zum Antrag Entsprechend haben Sie Anspruch auch auf stationäre Psychotherapie im für Betreuung oder dem Einschalten des psychiatrischen Notdienstes bei aku- regional zuständigen psychiatrischen Krankenhaus. Leider ist dieses manch- ter Gefahr. mal Theorie, weil die Liegezeiten immer weiter und zum Teil unzulässig ver- kürzt werden und weil sich das Selbstverständnis der Behandler entsprechend immer mehr auf Symptombehandlung reduziert. Einige überregionale Kran- Immer mehr niedergelassene Ärzte gehen aus Kostengrün- kenhäuser bieten statt explizit stationäre Psychotherapie, die dann entweder den dazu über, unseren Angehörigen, statt Leponex, Elcrit über die Krankenkassen oder als Maßnahme der medizinischen Rehabilita- oder Clozapien zu verschreiben. Haben diese Generika tion über die Rentenversicherung bezahlt wird. Manche dieser Krankenhäu- tatsächlich dieselbe Wirkung? ser schließen Menschen mit Psychose-Erfahrung aus. Sie können letztlich über die Kostenträger bzw. über den behandelnden Arzt herauskriegen, wo eine Bei dieser Frage verweise ich auf Prof. Stark. stationäre Psychotherapie in diesem Sinne, auch für Sie, möglich ist.

42 Lichtblick • Jahresheft 2000 AUS DER ONLINE-SPRECHSTUNDE

Warum werden Patienten immer früher aus der Klinik ent- erfahrener Therapeut oder Arzt spürt die Wirkung des anderen auf sich, macht lassen, obwohl sie noch nicht für „das Leben in der Gemein- also sich zum diagnostischen Instrument. Das hei§t., er nutzt sich selbst de fit genug“ sind? als Spiegel und muss darauf achten, dass er diesen Spiegel durch Selbs- treflektion und Supervision blank hält und nicht nur durch Tests und Manua- Die Frage ist kompliziert, die Antwort entsprechend auch. Die immer kürze- le stellt. ren Liegezeiten haben sicher vor allem gesundheits- bzw. sparpolitische Grün- de. Doch passen sie auch zum modernen Selbstverständnis, wie die Psy- chiater, als Ihre vorrangige Aufgabe ansehen, Symptome zu reduzieren. Doch steckt in der Frage, Vorannahme, dass eine längere Behandlung bes- Psychisch kranken Menschen soll durch Einführung einer ser auf das eigenständige Leben in der Gemeinde vorbereiten könnte. ambulanten Soziotherapie unnötiger Krankenhausaufent- Das ist mit Sicherheit nicht automatisch so. Im Gegenteil ist eher davon halt erspart bleiben. Wie bewerten Sie dieses Angebot? auszugehen, dass eine langfristige Hospitalisierung zusätzlichen Schaden macht. Aus meiner Sicht sollten Kliniken nicht so schematisch vorgehen Soziotherapie ist nicht neu. Sie findet in vielen Krankenhäusern statt, und und sich selbst bzw. Krankheitsverständnisse erweitern. Das würde bedeu- im Sinne einer strukturübergreifenden Behandlung wird es Sinn machen, dass ten, dass Sie dem einen Menschen nur sehr kurzfristig stationär aufneh- diese Krankenhäuser die gleiche Leistung auch ambulant abrechnen. Sie fin- men, im Sinne einer Krisenintervention, dem anderen Menschen aber mehr det aber vor allem in vielen sozialpsychiatrischen Einrichtungen statt, im Bereich Zeit lassen. Vor allem sollten Kliniken aus meiner Erfahrung heraus, dazu des Betreuten Wohnens‚ und in vielen sozialpsychiatrischen Beratungsstel- übergehen, Menschen, die mehr Unterstützung brauchen, strukturübergrei- len und sozialpsychiatrischen Diensten. Ich hoffe, dass die Einführung ambu- fend zu begleiten. Das bedeutet, dass ein Therapeut zuständig bleibt, auch lant zur Soziotherapie als Kassenleistung dieses Angebot stärkt und stützt wenn die stationäre Behandlung zu Ende ist, und dann teilstationär oder ambu- und nicht unnötig bürokratisiert. Möglicherweise werden in Zukunft manche lant weiter begleitet. Beratungsstellen und Dienste diese Leistung extra abrechnen müssen (Nun Ein letzter Aspekt: In mancher Hinsicht geht es meiner Meinung nach weni- statt mit dem örtlichen Sozialträger in Krankenkassen). Vielleicht werden aber ger darum, Menschen mit Psychose-Erfahrung fit für das Leben in der Gemein- auch neue Institutionen und vor allem auch niedergelassene Psychiater und de zu machen, sondern umgekehrt, die Gemeinde fit für das Leben für Psy- psychologische Psychotherapeuten diese Leistung in ihre Praxis integrieren. chose-Erfahrene. Das hätte positive Konsequenzen für unsere Lebenskultur, Das würde bedeuten, dass sie entweder selbst solche Leistungen erbringen, für unsere Großzügigkeit, Toleranz, für Wiederentdecken von Langsamkeit oder aber Kollegen einstellen, deren Leistungen sie nun neu abrechnen kön- und Feinfühligkeit. Diese Zielsetzung hat aber auch ganz konkrete Konse- nen. Auf diesem Wege könnten mehr Patienten als bisher in den Genuss quenzen für die Organisation sozialpsychiatrischer Hilfen vor Ort. Wenn ambulanter Soziotherapie kommen. Aber auch hier bleibt die Frage, wie genau solche begleitende Hilfe im Wohnraum und aber am Arbeitsplatz vorhan- die Gestaltung aussieht. Im Bereich der ambulanten Behandlungen, etwa von den ist, dann ist es kein Problem, wenn die Aufgaben der stationären Behand- Psychose-Erfahrenen, geht es ja nicht in erster Linie um einzelne kurzfristige lungen in Kliniken sich auf kurze Zeit beschränkt. therapeutische Ma§nahmen (Kasse XY bewilligt zwölf soziotherapeutische Ma§nahmen), sondern die Gestaltung einer therapeutischen Beziehung mit möglichst vielen Facetten. Insofern wird es jetzt darauf ankommen, die neue Kassenleistung auf gute Weise in die bestehenden Angebote zu integrie- Was muss der Arzt bei der Stellung einer Diagnose beach- ren, damit sie die therapeutische Beziehung nicht bürokratisiert, sondern berei- ten und welche Hilfsmittel/Verfahren stehen ihm dabei zur chert. Verfügung? Er muss vor allem beachten, dass jede Diagnose nur eine Konstruktion ist. D.h., die Fachleute haben sich geeinigt, bestimmte Symptome unter einer bestimmten Überschrift zusammenzufassen, um sich untereinander besser Von Cannabis, Ecstacy und Amphitamin hört man gele- über die Behandlung verständigen zu können. gentlich, dass sie eine Psychose auslösen können. Was ist Behandelt werden aber nicht Diagnosen, sondern Menschen. Der einzelne dran? psychisch kranke Mensch ist einzigartig und hat individuell besondere Erfah- Ich bin in diesem Bereich kein Experte. Nach meiner Erfahrung können die- rungen, Ressourcen, Probleme, Beeinträchtigungen, usw. Seine positive Sicht se Stoffe Psychosen auslösen, in dem Sinne, dass bestimmte Halluzinatio- der Dinge, seinen biografischen und seinen sozialen Kontext gilt es zu beach- nen auch auftreten, wenn der Stoff nicht mehr wirkt oder nicht mehr genom- ten. Dabei kann eine Diagnose durchaus auch im Weg stehen. Bei der Stel- men wird. Das kann im Sinne eines Flash Back‚ auf wenige kurze Zeiten lung von Diagnosen ist der Arzt also der Aufpasser, dass er nicht den Ver- und wenige Symptome beschränkt sein. Die genannten Stoffe können aber suchen unterliegt, zu glauben, er sei jetzt der Experte und wisse, was für den auch Psychosen im engeren Sinne, also eine umfassendere Wesensverän- anderen Menschen gut und richtig ist. In aller Regel kann er dieses nicht oder derung auslösen. Ob in diesem Fall die genannten Stoffe allein für die Psy- nur sehr eingeschränkt wissen. Umgekehrt neigen auch viele Patienten dazu, chose verantwortlich zu machen sind, oder eine andere Krise (hormoneller, in dem Moment der Diagnosestellung Verantwortung abzugeben und eige- psychischer, chemischer, sozialer Art) den selben Effekt gehabt hätte, ist in ne Ressourcen und Möglichkeiten gering zu schätzen. der Regel nicht zu klären. Andere Patienten brechen im Moment der Diagnose die therapeutische Bezie- hung innerlich oder äußerlich ab, weil die Diagnose nicht mit ihrem eigenen Auf der anderen Seite ist aber auch zu beachten, dass manche Patienten die Selbstbild übereinstimmt, oder weil sie die gesellschaftlichen Konsequen- genannten Stoffe quasi zur Selbstbehandlung einsetzen, um bestimmte schon zen einer Stigmatisierung fürchten. vorhandene psychotische Symptome zu kontrollieren, oder aber die Zuspit- zung einer psychischen/psychotischen Krise zu vermeiden bzw. All diese Gründe und Perspektiven tragen dazu bei, dass eine Diagnose herauszuzögern. nur mit äußerster Vorsicht und im Kontext einer therapeutischen Beziehung zu stellen ist. Hilfsmittel bei einer solchen Diagnosestellung sind nicht in erster Linie Manuale und Tests, sondern die therapeutische Beziehung selbst. Ein ➡

Lichtblick • Jahresheft 2000 43 AUS DER ONLINE-SPRECHSTUNDE

Welche Erfahrung gibt es mit der text der Psychoseseminare entstanden ist, wird deutlich, dass sich einiges in Behandlungsvereinbarung? dieser Richtung schon bewegt hat. Bei dem bundesweiten Erfahrungsaustausch der Psychoseseminare vom Behandlungsvereinbarungen sind Vereinbarungen zwischen einem Psychia- 7. bis 9. Juli 2000 in Schwerin wird es auch darum gehen, die Anstrengungen trie-erfahrenen Patienten und dem zuständigen Krankenhaus, um in stabilen der Psychoseseminare in diese Richtung zu verstärken, also die Antistig- Zeiten die Modalitäten des Umgangs mit einer neuen Krise partnerschaft- ma-Kampagne zu unterstützen, in die Provinz zu tragen, sie dabei aber dia- lich zu klären. Dazu gehören soziale und alltägliche Dinge (wen informie- logisch zu konzipieren. In diesem Sinne hat sich in Hamburg eine Untergruppe ren, was regeln?), aber auch Fragen der Behandlung (welche Station? Wel- des Psychoseseminars gebildet und bereitet eine eigene Kampagne an Ham- cher Arzt? Medikamente - Ja oder Nein? Welches Medikament (nicht)? usw.). burger Schulen vor nach dem Motto: ÇEs ist normal, verschieden zu seinÈ. Die Botschaft solcher Vereinbarungen ist - nur dann funktionieren sie - den Patienten als Experten ernst zu nehmen und als Partner an der Konstituti- Scientology und KVMP brandmarken psychiatrische Diagnosen als erfun- on individueller Hilfen zu beteiligen. denen Wahnsinn‚ und treten als Fürsprecher psychisch Kranker auf. Wie geht die Psychiatrie mit diesem Phänomen um? Welche Folgen hat das für die Die Behandlungsvereinbarung wurde zuerst vom Psychoseseminar Biele- praktische Arbeit als Therapeut? feld, also unter Beteiligung von Psychose-Erfahrenen, Angehörigen und Pro- fis entwickelt und hat sich zuletzt über die Psychoseseminare verbreitet. Die Wenn Scientologen gegen die Psychiatrie mobilisieren, kann man das ent- Haupterfahrung ist bisher, dass Verhandlungsvereinbarungen als vertrau- weder als Bauernfängerei oder als Ablenkungsmanöver (Haltet den Dieb!) ensbildende Ma§nahmen funktionieren. Das hei§t, sie helfen Angst abzu- verstehen. In jedem Falle aber als Marktgeschrei, das zu hinterfragen gilt: Die bauen, Schwellen zu erniedrigen, und führen dazu, das Hilfen rechtzeitiger Scientologen kritisieren die Psychiatrie als fremdbestimmende Macht und in Anspruch genommen werden und auch, dass sie flexibler und individu- haben doch selbst nichts als Fremdbestimmung im Sinn. Sie kritisieren sie als eller gestaltet werden. autoritär und sind selbst hierarchischer strukturiert als jede mittelalterliche Anstalt.

Wenn jemand ernsthafte psychische Störungen hat, erst recht, wenn er dabei Was halten Sie von der Info-Kampagne Open The Doors‚ mit Psychiatrien in Berührung kommt, so wird er in aller Regel von der Scien- gegen Ausgrenzung Schizophrener? tology stigmatisiert und ausgeschlossen. Im Menschen- und Weltbild des Scien- Bei dieser Kampagne des Weltverbands für Psychiatrie geht es darum, die tologen gibt es für Psychose-Erfahrung keinen Platz. Nach dem Motto, das negative Wirkung des Stigmas Schizophrenie in der Öffentlichkeit zu verän- nicht ist, was nicht sein darf, werden Menschen mit Psychose-Erfahrung in dern. Insofern handelt es sich um eine Antistigma-Kampagne. Die Intension extremer Weise allein gelassen und wird ihnen bzw. ihren Familien Schuld ist nicht neu, die Kampagne dennoch in ihrer Grundintension zu begrüßen. zugesprochen - in einer Weise, die mit moderner Psychotherapie nichts zu tun Ich bedaure, dass die Kampagne nicht von vorneherein dialogisch angelegt hat - dafür viel mit der Tradition kirchlicher Inquisition des Mittelalters. war, also von vorneherein in Angehörige und Psychose-Erfahrene und mehr Auf dem Weltkongress für Psychiatrie in Hamburg im August 99 ist die Psy- Beteiligte. Au§erdem scheint mir die Kampagne zu sehr auf die Botschaft chiatrie insgesamt mit diesem Phänomen eher ungeschickt umgegangen. fixiert, dass die Psychiatrie alles im Griff hat und psychische Störungen einsch- Oberflächlich war die Kritik von Patientenorganisationen und Scientology lie§lich schizophrene Psychosen inzwischen ausreichend heilbar sind. an der Psychiatrie und am Kongress nicht leicht zu unterscheiden. Die Inten- Bei dieser Frage ist zu beachten, dass ein Gro§teil der Vorurteile gegenü- tion aber ist geradezu gegensätzlich. Im therapeutischen Alltag ist es oft ber Psychosen quasi ein Reflex auf die Fehler der Psychiatrie sind, die Psy- erscheckend, welchen zusätzlichen Schaden Patienten durch den Kontakt zu chiatrie also für das Stigma mit verantwortlich ist. Eine Umkehr dieser Ent- Scientology erfahren - und es ist mühsam, den subtilen negativen Zuschrei- wicklung, eine Veränderung des Bildes von Verrücktheit in der Öffentlichkeit bungen entgegenzuwirken. wird nur gemeinsam gelingen, in gemeinsamer Anstrengung von Psychia- trietätigen, Psychose-Erfahrenen und Angehörigen. Dieses Ziel könnte ein Anliegen sein, dass die drei Gruppen zutiefst gemein- sam berührt und verbindet. Deshalb ist eine trialogische Konzeption der Kam- pagne nötig. Wir brauchen nicht einen Zirkus von Hochglanzveranstaltungen, der einmal durch die Republik zieht, sondern kontinuierliche gemeinsame Anstrengungen. Dabei spielt auch die inhaltliche Zielsetzung eine gro§e Rol- le: Ich glaube nicht, dass eine Psychiatrie, die behauptet, alles im Griff zu haben, nachhaltig Vertrauen schafft. Im Vertrauen schaffen vielleicht Psy- chose-Erfahrene, die sich in ihrer besonderen Verletzlichkeit und allzu Mensch- lichkeit‚ für sich und über sich sprechen, und Angehörige, die sich aus der Iso- lation heraus, in die Öffentlichkeit trauen. Ziel ist ein anderes Bild von Ver- rücktheit, als eine menschliche Reaktion auf existentielle Krisen, als beson- dere Dünnhäutigkeit, als Rückgriff auf kindliche Wahrnehmungen, als Auf- brechen von Unbewu§tem, als eine Erscheinung vergleichbar den Träu- men nur ohne Schutz des Schlafes, usw.

In diesem Sinne sind Psychoseseminare von Anfang bemüht gewesen, statt einer ausschließlich pathologischen Betrachtung, subtil und vielfältig eine Anthropologie und Psychosen zu entwerfen. Von Anfang an war ihr Anliegen, das Stigma, also die öffentlichen Vorurteile gegenüber Psychosen zu ver- ändern. Denkt man an den Begriff Psychose-Erfahrung‚ der in diesem Kon-

44 Lichtblick • Jahresheft 2000 INTERNET

Hilfe für die Helfer Newsletter www.lichtblick99.de Lichtblick-online Wie melde ich mich an? Auf www.lichtblick99.de können Sie sich einschreiben. Sie bekommen dann eine Bestätigungsmail, die Sie bitte ohne Inhalt bei unverändertem Betreff beant- „Man entdeckt keine neuen Erdteile, worten. ohne den Mut zu haben, alte Küsten Die Adresse der Redaktion lautet: aus den Augen zu verlieren.“ [email protected] André Gide, franz. Schriftsteller Wir freuen uns über jeden eingesandten Beitrag, bitten jedoch um Verständnis dafür, dass wir auf Grund der Anzahl der Lediglich einen Mausklick entfernt von SPIE- Sprechstunde und Download von PDF- Zuschriften und Manuskripte keinen GEL oder FOCUS, TAZ oder Süddeutsche Dokumenten (Faltblätter, Broschüren, Rechtsanspruch auf Veröffentlichung Zeitung tummeln sich die Websites von Manuskripte, Studien usw.), ist ein Muss. gewähren können. Die Redaktion behält Unternehmen und PR-Agenturen, von Orga- Lichtblick-online wendet sich an alle Inter- sich vor, Zuschriften gekürzt und kom- nisationen und Privatpersonen. „Die Jour- mentiert wiederzugeben. nalisten stehen demnach nicht mehr allein netnutzer, die an psychiatrischen Themen auf der massen- und multimedialen Bild- interessiert sind. Hauptzielgruppen und Für den Fall, dass Sie sich aus dieser fläche.“* Kommunikationspartner sind Angehörige Liste austragen wollen, E-Mail an: und Freunde psychisch Kranker, Psychia- [email protected] Dennoch, trotz wachsendes World-Wide- trie-Erfahrene, psychiatrisch Tätige, Stu- mit dem Betreff „help“ (ohne Anführungszeichen) Web konzentrieren sich die Surfer auf weni- denten, Ausbilder, Politiker und Journali- Vieles kann auch über die Website ein- ge Angebote. Das ergab eine Studie von sten. Lichtblick-online ist offen für alle Anre- facher veranlasst werden. Dazu gehen Media Metrix. Demnach nutzten die Sur- gungen, die helfen, Verletzungen der Men- Sie zu: fer etwa 35 Prozent ihrer Onlinezeit für ihre schenwürde, besonders der psychisch Top 50 Bookmark-Sites. Die besten zehn Erkrankten und ihrer Angehörigen, aufzu- https://mail.selbsthilfe.franken2000.de/ Sites konnten immerhin 19 Prozent der ver- decken und beiseitezuräumen. mailman/listinfo/lichtblick surften Zeit auf sich buchen. Die Liste „Lichtblick-newsletter“ wird auf Ein klares Indiz dafür, dass es vor allem auf Lichtblick-online bietet u.a. Nachrichten www.selbsthilfe-online.de betrieben. aktuelle Inhalte und nützliche Archive und Beiträge über die häufigsten psychi- ankommt. Insbesondere für bislang kaum schen Krankheiten, beschreibt allgemein- beachtete Beiträge bietet das Internet ermu- verständliche, aber fachlich fundierte Arti- Psychi@trie im Internet kel über die Wirkungsmöglichkeiten von tigende Wege der Informationsbeschaffung. Bonn/LJ - Das Psychiatrienetz (www.psy- Psychopharmaka, stellt die wichtigsten psy- Dabei geht es vor allem um den inhaltlichen chiatrie.de) hat sich zu einer der wichtig- „Mehrwert“ der Angebote, egal ob von Pro- chotherapeutischen Verfahren vor und ver- sten Anlaufstellen zum Thema Psychia- fis oder Laien gemacht. weist auf die wichtigsten Anlaufstellen der trie im Internet entwickelt. Das zeigt u.a. Angehörigenverbände in den Bundeslän- die Resonanz in ganz unterschiedlichen dern. Newsletter: Nachrichten aus Presseorganen. Die Frauenzeitschrift Bri- Lichtblick-online steht ganz im Zeichen der gitte («Sprechstunde im Internet: Die Psychiatrie und Selbsthilfe Mitverantwortung gegenüber psychisch besten Internet-Adressen für Körper & Seele») verweist ebenso auf das Psy- Kranken und der Aktivierung der Selbst- chiatrienetz wie das Deutsche Ärzteblatt „Lichtblick-online“ ist seit Januar 1998 hilfekräfte der Familien. Wie die Betroffenen in seiner Beilage Praxis («Dienstleistun- dabei, Nachrichten und Artikel aus dem mit den Auswirkungen einer psychischen gen für die Seele») oder die Computer- Bereich Psychiatrie und Selbsthilfe zu Erkrankung im Alltag besser zurechtkom- zeitschrift c´t («WWWissen: Fachspezi- schreiben, aufzuspüren und publik zu men - auch wie eine verfrühte Berentung fische Online-Nachschlagewerke»). machen. Seit Juli 1999 ist an zentraler Stel- vermieden werden kann - und was le der Lichtblick-newsletter gerückt. Eine andere Form der Kommunikation im Angehörige selbst für ihr gesundheitliches Psychiatrienetz ist ein „virtuelles“ Psy- Die direkte Anbindung an das Internet sorgt Wohlbefinden und für ihre berufliche Absi- choseseminar in Form einer Mailingliste. für weniger finanziellen und administrativen cherung und Entwicklung tun können, sind Dort tauschen sich etwa 120 Betroffene, Aufwand, jedenfalls was das Versenden von wichtige Brennpunktfragen unserer Auf- Angehörige, Bürgerhelfer und Profis über E-Mails betrifft. Das ermöglicht Aktualität klärungsbemühungen. die Möglichkeiten von Selbsthilfe im Inter- und einen zuverlässigen Informationsfluss. net aus und entwickeln die Mailingliste Alles in allem, es geht um das Thema «Psy- selbst zu einem Psychoseseminar. Seit Juli 1999 präsentiert sich unsere Home- chiatrie und Selbsthilfe», das in den klas- Neu im Psychiatrienetz ist ein Experten- page www.lichtblick99.de in einem neuen sischen Medien bislang viel zu selten auf- forum. Dort beantworten vier Experten „erfrischenden Design“ und verbesserter taucht. Lichtblick bietet Denkanstöße und Fragen per E-Mail, u.a. zur Angehöri- Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme mit Benutzerführung, so das Lob vieler Surfer. genarbeit, zu Diagnosen und Therapie, Doch es geht nicht nur um das Erschei- Namen und Adressen von Ansprechpart- zum Betreuungsrecht, Unterbringung, nungsbild. Immer wieder Neues aufzugrei- nern. Forensik sowie Hilfsmöglichkeiten der fen, z.B. Anti-Stigmakampagne, EUFAMI, *Internet-Journalismus, Bd. 35, Klaus Meier (Hg.), Gemeindepsychiatrie. Gesundheitsreform, Interviews, Online- Konstanz: UVK Medien, 1998, ISBN 3-89669-233-X, Seite 16

Lichtblick • Jahresheft 2000 45 HINTERGRUND

Newsletter www.lichtblick99.de DDR-Psychiater kooperierten mit der Stasi Wissen verdoppelt Sonja Süß: Befugnisüberschreitungen zum Nachteil von psychisch Kranken sich alle fünf Jahre Buchautorin Sonja Süß, Psychiaterin und anwaltschaft Leipzig Anklage gegen den Köln (ots) - Der Deutsche Ärztetag hat das ehemalige Oppositionelle, kommt in ihrer ehemaligen ärztlichen Direktor wegen Weiterbildungsrecht der Ärzte neu struk- wissenschaftlichen Monographie „Politisch schwerer Körperverletzung und Freiheits- turiert und die Bundesärztekammer mißbraucht? - Psychiatrie und MfS“ zu dem beraubung. Das Hauptverfahren endete am Schluß, dass es keinen systematischen poli- 28. Dezember 1998 mit einem Freispruch. beauftragt, die Muster-Weiterbildungs- tischen Mißbrauch der Psychiatrie in der Dass führende Experten an der Sektion Kri- ordnung (MWBO) weiterzuentwickeln. DDR gegeben hat. minalistik der Humboldt-Universität (Berlin) Die Delegierten stimmten mit großer Auch wenn sich das wie ein Schlußstrich als MfS-Psychiater diffamierende Gutach- Mehrheit den Eckpunkten für eine Novel- anhört, so sind die Ergebnisse ihrer langjähri- ten über politische Häftlinge schreiben konn- lierung zu. „Oberstes Ziel dieser Weiter- gen Recherchen aufschlußreich. Sonja Süß ten, verdeutlicht das besonders obskure entwicklung ist eine optimale Patienten- konnte nachweisen, dass tatsächlich ein Teil Zusammenspiel von SED, Justiz, MfS und versorgung durch qualifizierte Ärztinnen der Ärzte, die als inoffizielle Mitarbeiter des Psychiatrie in der DDR. und Ärzte“, erläuterte Dr. Hans Hellmut MfS tätig waren, Patientengeheimnisse ver- Die Autorin wies nach, dass die politischen Koch, Präsident der Bayerischen Lan- raten haben. Zudem wurden psychisch Häftlinge in den Untersuchungshaftanstal- desärztekammer. Er wies darauf hin, dass Kranke anläßlich politischer Höhepunkte als ten des MfS auch einer zweifelhaften For- sich das Wissen in der Medizin alle fünf potentielle Störer zeitweilig in psychiatrische schung ausgesetzt waren. So beschäftig- Jahre verdoppele. Krankenhäuser eingewiesen. Weiterhin te sich eine Arbeitsgruppe „Forensische Psy- gelang es ihr, mehrer Fälle von Psychiatrie- chiatrie“ mit dem Thema „Hirnschaden als mißbrauch zur Disziplinierung unbequemer mögliche Komponente spezieller Arten der Menschen durch die politischen Machtha- sozialen und kriminellen Gefährdung“. Die- Jeder dritte fällt durch ber nachzuweisen. se Untersuchung lief unter Geheimhaltung. Jährlich müssen 120 000 Autofahrer zur Selbst in „personalpolitische Entscheidun- An der Juristischen Hochschule des MfS in medizinisch-psychologischen Untersu- gen“ griff das MfS ein. So erfuhr die Auto- Potsdam wurden die Methoden der Zer- rin aus den Kaderakten der Berliner Charité, setzung politisch Andersdenkender als Uni- chung, um zu klären, ob sie körperlich dass die dort tätigen MfS-Offiziere für ein versitätsfach gelehrt. Dazu stellt Sonja Süß und charakterlich in der Lage sind, Auto umfangreiches Netz von IM und GMS ver- fest: „Bei der Erarbeitung und Vermittlung zu fahren. Bei diesem Test fällt jeder drit- antwortlich waren, „bei denen es sich größ- psychologischer Kenntnisse wurde Wert auf te Prüfling durch. Ihm müssen sich oft tenteils um Ärzte oder Schlüsselpositio- eine möglichst große Nähe zur «operati- Alkoholsünder stellen. P.S. nen handelt(e)“. ven Praxis» des MfS gelegt.“ Damit ließ und Sicherheitsmaßnahmen des MfS schränk- läßt sich Karriere machen. Die erworbenen ten die Bewegungsfreiheit psychisch Kran- akademischen Titel an der Potsdamer Hoch- Medizin und Medien ker ein. Im Rahmen z.B. der MfS-Aktion schule des MfS sind auch im vereinten „Dialog“ (Besuch von Bundeskanzler Hel- Deutschland gültig! An Journalisten und andere Interessier- mut Schmidt in Güstrow, 1981), die der Sonja Süß liefert den Nachweis, dass es te wendet sich die Tagung „Das Bild des damalige Gesundheitsminister Mecklinger in der DDR-Psychiatrie „Befugnisüber- Arztes in der Öffentlichkeit“, die von der mit einer Weisung an Bezirksärzte flankier- schreitungen zum Nachteil von psychisch Ärztekammer Westfalen-Lippe und dem te, gestattete keine Beurlaubungen von ein- Kranken, Verletzungen der ärztlichen Berufsverband Deutscher Pathologen gewiesenen Patienten und ermöglichte die Schweigepflicht und andere Normenverlet- am 9. September in Dortmund veran- Zwangseinweisung psychisch Kranker, „von zungen“ gegeben hat. In das Blickfeld ihrer staltet wird. Kontakt: Universität Dort- denen eine Gefährdung der öffentlichen Ord- Untersuchungen rückten fast nur Psychia- mund, Institut für Journalistik, Tel. 0231 nung und Sicherheit ausgehen kann“. Als trische Kliniken und Personen, die nach der - 755-2820. DJV „befremdlich“ bezeichnet Sonja Süß den Wende für Schlagzeilen in der Presse sorg- dazu herausgegebenen 41seitigen Mielke- ten. Sonja Süß „lag viel an einer gründlichen Befehl 17/81, der Psychiatrische Kranken- Klärung der Angelegenheit“. Alzheimer-Hilfe häuser in den Bezirken Berlin, Potsdam, Sie hat sozusagen die Spitze des Eisberges Frankfurt/O., Schwerin und Rostock von den untersucht. Wird es bei diesem „überregio- Die neue Broschüre „Die Alzheimer- Schutzmaßnahmen her in einem Satz „mit nalen“ Stand der Aufklärung bleiben? Krankheit: Wissenswertes und Tipps für Waffenlagern“ einstufte. Lichtblick Interessierte, Betroffene und Angehöri- Auf „absolut außergewöhnliche Behand- ge“, herausgegeben von der Alzheimer- lungsmethoden“ verwies der Bericht der Hilfe, gibt einen umfassenden Einblick ersten Waldheimer Untersuchungskom- Sonja Süß in das Krankheitsbild. Sie hilft erste mission (1990). Demnach hatte der Chef- Politisch mißbraucht? Warnsignale zu erkennen, informiert über arzt Dr. Wilhelm Hoppe an mehreren Wald- Psychiatrie und Staatssicherheit den Weg zur Diagnose, skizziert den Ver- heimer Patienten Hirnoperationen und in der DDR lauf der Erkrankung und gibt Tipps für Kastrationen vornehmen lassen. Sonja Süß 773 Seiten, 58,00 DM Betroffene und Angehörige. recherchierte: „In keinem Fall fand sich in Ch.Links Verlag, Berlin den Waldheimer Krankenunterlagen eine ISBN 3-86153-173-9 Erhältlich bei: Alzheimer-Hilfe, Postfach Analysen und Dokumente, 70833, 60599 Frankfurt, Tel. 0180-33 Dokumentation darüber, dass die Patienten Band 14, wissenschaft- liche Reihe des Bundes- 666 33 (DM 0,18/min.), montags bis frei- oder ihre gesetzlichen Vertreter über die Ein- griffe aufgeklärt worden wären und in kei- beauftragten für die Unter- tags von 8.00 bis 20.00 Uhr. lagen des Staatssicher- nem Fall lag eine Einwilligungserklärung der heitsdienstes der ehemali- gen DDR, Herausgegeben Internet: www.alois.de Patienten oder ihrer gesetzlichen Vertreter von der Abteilung Bildung vor.“ Im Frühjahr 1993 erhob die Staats- und Forschung

46 Lichtblick • Jahresheft 2000 HINTERGRUND

Gewaltbereitschaft Newsletter www.lichtblick99.de Realistische Einschätzung oder Kaffeesatzleserei? Schizophrenie-Studie Diese provokante Frage muß auch nach der Lektüre gegenüber früheren Jahren, vor allem was die kurz- des FAZ-Artikels vom 24.5.2000 mit, ãdie Wahrheit liegt fristige Einschätzung anbelangt und die Zuverlässig- Bisher folgte man bei der Einschätzung in der Mitte“, beantwortet werden. keit erhöht sich noch, wenn soziale und biographische des Verlaufs von Schizophrenien der Sie läßt weder die Fachwelt, noch die Betroffenen, Daten in die Beurteilung mit einflie§en. Zu Aussagen „Drittelung“: ein Drittel heilt ganz wie- noch die Angehörigen und schon gleich gar nicht die herangezogen werden „Aggressivität in der Vergan- der aus, ein Drittel der Betroffenen muß Medien zur Ruhe kommen – die Frage wie gewalttätig genheit, nebeneinander von Psychose und Sucht, aku- mit geringen Restsymptomen leben und sind psychisch kranke Menschen, und wie vorher- te psychotische Symptome und bestimmte Formen ein Drittel chronifiziert. Wen allerdings sehbar ist die Gewaltbereitschaft. von wahnhafter Verkennung der Lebensumwelt.“ welches Drittel trifft, konnte man nicht mit Viele Jahre hindurch hielten sich alle Beteiligten an Neue Erkenntnisse dazu aus Untersuchungen des Sicherheit vorhersagen. Statistiken, aus denen hervorging, dass psychisch englischen forensischen Psychiaters Jonathan San- Die FAZ, 31.5.2000, berichtet nun von kranke Menschen prozentual nicht mehr schwere ders sind ernüchternd. Er stellte fest, dass ein Vier- einer Langzeitstudie des „Mannheimer Gewalttaten verüben als „normale“ Bürger. Man wei§ tel aller von ihm untersuchten, hospitalisierten Foren- Zentralinstituts für Seelische Gesund- längst, dass sich diese statischen Daten heute nicht sikpatienten aggressive Gedanken haben, dass ein heit“, in der Wolfram an der Heiden mit mehr so halten lassen. Die Gewaltbereitschaft psy- Sechstel Vorstrafen wegen Aggressivität hatten, dass der Arbeitsgruppe Schizophreniefro- chisch Kranker hängt von vielen Faktoren ab. 10 Prozent Waffen besitzen, dass 5Prozent sie stän- schung zu einer pessimistischeren Ein- In dem mit A.F. gezeichnet FAZ-Artikel schreibt der dig mit sich herumführen. Die Befragungen ergeben schätzung kommt. 56 an Schizophrenie Autor zur Häufigkeit, die Zahl der Gewalttaten, began- auch, dass die Kranken häufiger an Selbstmord als an Leidende wurden von ihrem ersten sta- gen durch psychisch kranke Mensch, sei „gegenü- Mord denken. A.F. bemerkt dazu, dass bei Gesunden tionären Aufenthalt an über mehr als 15 ber der Allgemeinbevölkerung statistisch etwas erhöht. die Auswirkungen einer solchen Kumulation von Jahre mehrmals untersucht. Da Gewalttaten gegen das Leben aber eher selten erschwerenden Faktoren zum Vergleich nicht unter- Resultat: Die Erkrankung verläuft bei den sind, bewegt sich dieses erhöhte Risiko in Promille und sucht wurden. Einzelnen äußerst unterschiedlich. Mehr nicht in Prozent.“ Es bleibt also schwierig die potentielle Gewaltbereit- als 60 Prozent der Betroffenen (34 Pati- Beruhigend wirkte bisher die Aussage, dass der Auf- schaft psychisch Kranker frühzeitig einzuschätzen. In enten) zeigten auch eineinhalb Jahrzehnte stau von Gewalt bei psychisch kranken Menschen Anbetracht dieser Umstände haben sich zwei Kolle- nach ihrem ersten Klinikaufenthalt noch leichter zu erkennen sei als bei Gesunden. gen von Sanders dafür ausgesprochen, das Gewaltri- immer ausgeprägte Krankheitssympto- Eine möglichst genaue Risikoeinschätzung wird von siko durch konsequente, intensive Behandlung der me mit wiederkehrenden Schüben (Drehtürpatienten). Bis auf eine Ausnah- Behandelnden und Gutachtern erwartet. Bei einer Fehl- Erkrankung zu mindern. "Dieser Weg ist wirksam; er me wurden alle mit Neuroleptika behan- einschätzung drohen dem Arzt rechtliche Konse- wirft sehr viel weniger rechtliche und ethische Fragen delt. Sie waren überwiegend unverheira- quenzen. Auch daher das Interesse der Professionel- auf als statistisch begründete Risikoabschätzung, die tet, aus dem Berufsleben ausgegliedert len an einer möglichst genauen Vorhersage. Die Tref- der jeweiligen individuellen Situation des Kranken nicht und auf beschützende Wohnverhältnis- ferquote, so A.F., ist heute wesentlich gestiegen gerecht wird", so der Autor. Eva Straub sen angewiesen. Sieben Patienten waren zum Zeitpunkt der Untersuchung unauf- fällig, mußten aber zur Vermeidung von Psychisch Kranke in der Serie „Emergency Room“ Rückfällen Neuroleptika nehmen. „Mut- maßlich geheilt waren die 15 Patienten Zwei Psychiater aus dem englischsprachigen Raum, samkeit wurden den Zuschauern als typisch für eine der dritten Gruppe“, ohne Medikamente Rita Mairead Condern, Dublin und Peter Byrne, Kent, Psychose untergejubelt. seit Jahren symptomfrei. schreiben in der Zeitschrift „British Medical Journal“ Alle diese Beispiele sollen weismachen, dass psy- Bei den 15 am Ende geheilten Patien- (BMJ) zum permanent ärgerlichen Thema der Dis- chisch Kranke entweder zerstörerisch gegenüber sich ten nahm die Psychose einen anderen kriminierung psychisch kranker Menschen in Fern- selbst oder gegen andere sind. Die Autoren werfen Verlauf: die ersten fünf Jahre hin und wie- sehfilmen. Sie nehmen die allseits sehr geschätzte der Serie vor, dass eine Atmosphäre von Gewalt mit der Schübe, ab dem 6. Jahr ein „deutli- und ungeheuer viel gesehene Serie ãEmergency all diesen Geschichten erzeugt wird, die ein Mitge- cher Knick“ zum Besseren, bei allen dann Room“ auf’s Korn. fühl mit den Kranken unmöglich macht. Es wird eine keine Einweisung mehr. Auch im englischsprachigen Raum hat die Serie starke Verbindung von psychischer Krankheit und Bei der zweiten Gruppe, den Symptom- enorm hohe Einschaltquoten. In Deutschland wird sie Gewalt hergestellt. Die Tendenz fügt sich damit glatt freien, ist dieser Knick nach dem 5. Jahr regelmäßig von ProSieben ausgestrahlt. in die bekannte Stigmatisierung durch Medien ein, so an nur noch sporadischen Krankenhau- Auslöser für eine Untersuchung der Serie über die die Meinung der Autoren. saufenthalten auch zu erkennen. Darstellung psychisch Kranker und den Umgang mit Erschwerend wirke sich aus, finden sie, dass diese Nicht bestätigen konnten die Mannhei- psychiatrischen Krankengeschichten war eine Sen- Serie gerade den Anspruch auf Realität erhebt, wenn mer Forscher, so die FAZ, dass Positiv- dung, in der ein psychisch kranker Mann schlie§- es sich um medizinische und chirurgische Behand- symptome in den ersten Jahren der Psy- lich zwei Ärzte so mißhandelt, dass eine Ärztin stirbt, lung dreht. Sie wünschten die gleiche Gründlichkeit chose und „Negativsymptome wie eine Verflachung des Intellekts und des jede Menge Blut flie§t und die ganze Hilflosigkeit des der Berichterstattung für die Psychiatrie, und sie Gefühlslebens später in den Vordergrund Teams dramatisiert wird! wünschten sich die Darstellung einer hilfreichen, stüt- treten.“ Das Ergebnis: 28 psychisch kranke Patienten kamen zenden Begleitung der psychisch Kranken in die- An Wahn und Halluzinationen litten die in den 22 aufeinanderfolgenden Sendungen vor, die sen „Emergency Room“ Serien. Sie verweisen dar- untersuchten Patienten auch nach 15 meisten waren Suchtkranke, sechs waren psycho- auf, dass die Zahlen über Körperverletzungen durch Jahren noch. Ernüchterung macht sich tisch. Stimmenhören, Wahnvorstellungen, Halluzi- psychisch Kranke in Groß Britannien seit 1957 stän- breit bei der Beurteilung der Prognose. nationen und daraus resultierende Gewalttaten ver- dig zurückgegangen sei. Aber was werden diese Erkenntnisse für vollständigten das Szenario. Von Selbstverstüm- Folgen auf die Behandlung haben? Wird melungen, Polizistenmord, der Ausrottung der ganzen Bemerkenswert an diesem Bericht ist nicht die Tat- man in den kritischen „Knick-Jahren“ eigenen Familie war alles vertreten. Vier hyperakti- sache der Diskriminierung an sich in diesem Publi- besonders engmaschig behandeln, oder ve Kinder wurden gezeigt, und vier Erwachsene mit kumsliebling. Ungewöhnlich ist, dass sich Profis öffent- sollten die Medikamente wenigstens bis einem postraumatischen Syndrom, ein Kind, dem lich dagegen wenden. zu dem kritischen 6. Jahr genommen man psychische Probleme unterstellte, tötete ein werden? Eva Straub anderes. Noch etliche weitere Varianten der Grau- E.S.

Lichtblick • Jahresheft 2000 47 SELBSTBILDNIS Ausflug durch den Wahnsinn Bryans «Selbstportrait» - eine tragische Entscheidung

Um 11 Uhr an einem sonnigen Morgen im portrait“ nennt, macht er deutlich, was es August 1991 hält Pater Bayley ein Requiem heißt, immer „auf Messers Schneide“ zu in «St.Joseph und das heilige Kind», einer leben, Tag und Nacht mit geistigen Kräf- grossen viktorianischen Kirche nahe dem ten zu ringen wie Gut und Böse, Hell und Zentrum von Bedford. Die Türen sind offen. Dunkel, Vernunft und Chaos. Er selbst Von Zeit zu Zeit übertönt der Straßenlärm beschreibt seine Absicht sehr eindringlich: die Stimme des Priesters. Eine dunkelhaa- „Selbstportrait“ will zeigen, was es bedeu- rige Frau geht nach vorn und legt eine klei- tet, ein Mensch und schizophren zu sein.“ ne Blume auf den Sarg. Als Pater Bayley den Sarg mit Weihrauch Ziel: Akute Phase 16.4.1991 Bryan Charnley stellt einen ganz gewöhnlichen Mann dar, viel- segnet, ahnt kaum jemand das Ausmaß der leicht etwas ängstlich über das Experiment, das er unternehmen will. Tragödie, das diesem Tod vorausgegangen Ein Leidender seit seinem 18. Lebensjahr. er hat gelernt, die Schizophrenie Um diesen Ausflug durch den Wahnsinn zu ist - dass ein 41jähriger Künstler Suizid mit Hilfe einer Kombination aus antipsychotischen und antidepressiven malen, entschloss er sich, die Zusammen- Medikamenten zu kontrollieren. Für diese Serie von Selbstbildnissen ent- begangen hat. Doch dann, in seiner kurzen schlo§ er sich, die Medikamente zu reduzieren und es zuzulassen, dass setzung und Dosierung seiner Medikamen- Lobrede, beschreibt der Priester, was Bryan die Symptome wiederkommen. te zu ändern, von denen seine relative Sta- Charnley seit seinem 18 Lebensjahr durch bilität abhängig war. Es waren dies Depixol, seine schizophrene Erkrankung erleiden ein neuroleptisches Medikament, das die musste. Seit 23 Jahren kämpfte er einen ein- akuten und bedrängenden Symptome samen täglichen Kampf gegen seine Krank- dämpft, und Tryptisol, ein Antidepressivum. heit - eigensinnig, hartnäckig. Jeder, der ihn Er glaubte, wenn er gleichmäßig die Dosis kannte, achtete ihn dafür. reduziere, könne er den chemischen Vor- hang zurückziehen und die charakteristi- Der gescheiterte Versuch schen Merkmale der Schizophrenie in sei- nen Selbstbildnissen darstellen - ein küh- einer Verständigung nes und riskantes Experiment. Am 29. Juli 1991, zehn Tage nach Beendigung seines Trotz seiner Niederlage im Kampf gegen die letzten Portraits, legte er Hand an sich. Krankheit hat Bryan eine letzte triumphale Neuere Forschungen deuten darauf hin, Leistung vollbracht, bevor er sich das Leben dass die Krankheit durch ein biochemisches nahm. In einem bemerkenswerten, dreimo- Ungleichgewicht im Gehirn hervorgerufen natigen Experiment nutzt er alle seine künst- wird. Auslöser können soziale oder emo- lerischen Fähigkeiten, um sein Leiden und tionale Faktoren sein. In einigen Fällen kön- 20.4.1991 ÇSehr paranoidÈ, schreibt Bryan in sein Tagebuch. ãDie Person oben liest meine Gedanken und spricht zu mir in einer Art ÇEgo- das seiner Leidensgefährten für Aus- nen Medikamente die Symptome beruhi- Kreuzigung».“ - „Das lange Hasenohr bedeutet, dass ich konfus bin und senstehende erfahrbar zu machen. gen. Bryan selbst glaubte dies, obwohl er extrem empfänglich für menschliche Stimmen - wie ein wildes Tier.“ In einer Serie von Bildern, die er „Selbst- sie, wie die meisten Leidenden, ablehnte.

23.4.1991 Eine Woche, nachdem der die Medikamente halbiert hat, fühlt 24.4.1991 ãWarum schaffe ich es nicht, in meiner Malerei die totale men- 29.4.1991 Bryan nimmt wieder eine höhere Dosis Depixol, aber so schnell Bryan die Effekte des Rückzugs. Er fühlt sich inspiriert von Louis Wains tale Auflösung zu beschreiben?“, fragt sich Bryan in seinem Tagebuch wirken die Medikamente nicht, den Aufruhr seines Geistes zu unter- berühmter Katzenserie: „sie scheinen ein integriertes Ego zu zeigen“, und fährt dann fort: „Die Tropfen auf dem Gehirn sind Blut, um die Schmer- drücken. Sein Portrait wirkt fragmentarisch, fühlt sich einsam und aus- schreibt er. „Ich erwarte etwas ähnliches, statt dessen bin ich nicht mehr zen auszudrücken, die ich erleide. - Ich rauche zuviel, darum die Pfeife... gesetzt - wie auf einer Bühne. „Eine fremde geistige Kraft sagt mir, ich in der Lage, mich zu konzentrieren. So nehmen die Bilder die Rohheit keine Augen, um zu sehen, was vor sich geht und ein zugenähter Mund... solle nicht so viel rauchen, andernfalls würde ich ein Desaster herauf- schlechter Zeichnungen an.“ Bryans Ängste vor Menschen, die seine Ich weiß, ich kann nicht mehr länger so weitermachen.“ Ängstlich, weil er beschwören.“ Bryans Zwillingsbruder ruft an, besänftigt ihn und nimmt Gedanken lesen können, haben sich intensiviert. - „Ich bin wie ein blin- seine Medikamente zu schnell reduziert hat, nimmt er eine Dosis von 15 den spirituellen Kräften ihre Macht. „Liebe ist seltsam - dies ist die erste der Mann - deswegen die Kreuze auf meinen Augen.“ Depixoltabletten, siebenmal mehr als die verordnete Dosis. wirkliche Hilfe, die mir mein Bruder gegeben hat.“

48 Lichtblick • Jahresheft 2000 SELBSTBILDNIS

Er bezeichnet sie an einer Stelle im Tage- Bryans Kunst war von zwei Künstlern beein- buch als „Leitschuhe“. flusst: Vincent van Gogh, der seinen geisti- gen Aufruhr durch reiche Texturen und küh- Wie «Selbstportrait» zeigt, war Bryan ein ne, deutliche Farben darstellte, der „Che- klassischer Schizophrener, Opfer der meist miker der Malerei“, und Louis Wain, der sei- verbreiteten Symptome. Er hörte Stimmen ne eigene Schizophrenie in einer berühm- und gab Unwesentlichem eine besondere ten Katzenserie manifestierte. Für kurze Zeit Bedeutung. Er war überzeugt, dass andere hing eines von Bryans frühen Bildern im seine Gedanken lesen können und dass Bethlehem Royal Hospital neben Bildern fremde Mächte die Kontrolle über seinen von Wain. Geist haben. Er konnte z.B. keine Ablen- kung durch Fernsehen oder Radio finden, weil er glaubte, bedrohliche Nachrichten Eine Mission, um zu helfen würden über ihn verbreitet.

Die Tragik der Schizophrenie ist, dass sie Bryan suchte bewußt nach einfachen und Menschen trifft, die normal und intelligent kraftvollen Symbolen, damit der Betrachter 14.5.1991 Bryan beschreibt dieses Bild als ãdas Ego, das sich wie eine sind, wenn sie sich nicht gerade in der mit ihm jede Phase seiner Reise in den Krebszelle teilt, wenn es unter Druck gerät.“ Er hat seine Antidepressi- Gewalt der Krankheit befinden. Das Stigma, Wahnsinn teilen könne. Außergewöhnlich, va auf gerade eine Tablette pro Tag reduziert. Das Ergebnis sind Gefüh- dass er trotz fortschreitendem Chaos noch le der Angst, Beklemmung und Schuld. Ihn quält der Gedanke, es habe das immer noch mit psychischen Erkran- den Suizidversuch seiner Freundin provoziert. Er glaubt, wenn er im alten kungen verbunden ist, verstärkt das Gefühl immer in der Lage war, nach rationalen Sym- Rom gelebt hätte, wäre er von ihrer Familie verfolgt worden. von Ablehnung und Isolation der Betroffe- bolen seiner irrationalen Gedanken zu nen. Wie Pater Bayley auf Bryans Beerdi- suchen. gung sagte: „seine Krankheit verhindert all Einige der wiederkehrenden Themen wie die Beruhigungen, die das Leben erträglich das allsehende böse Auge, die Stifte und machen.“ Nägel, die religiöse Bildsprache, sind gut bekannt in der psychotischen Kunst. „Es „Ehrliche Aussagen ...“ gibt Bilder von schizophrenen Künstlern, die dieselben gestörten Vorstellungen vermit- teln“, sagt Professor Michael Gelder, Chef In gewisser Weise war Bryan der Typ des der Psychiatrie an der Oxford University, als ringenden Künstlers. Er lebte allein in einer er „Selbstportrait“ sah. armseligen Wohnung, aß unregelmäßig und Was Bryans Arbeit einzigartig macht, ist die fühlte sich vernachlässigt. Traurig, dass erst Intention, mit der er aufbrach, die Welt über „Selbstportrait“ ihn nach seinem Tod seine Erfahrungen zu informieren und dass bekannt gemacht hat. Edward Adamson, er die Serie abschloss. Vermutlich sollte sie ein Künstler in Großbritannien, der sich für keine Therapie für ihn selbst darstellen, son- die heilenden Kräfte der Kunst einsetzt, war dern eine Mission, um anderen zu helfen. 18.5.1991 Acht Tage nach Reduzierung der Antidepressiva ist Bryans sehr beeindruckt, als er Bryans Bilder sah: Selbstbildnis zerstört. „Mein Verstand ist ein Gedankenradio, und ich kann „Ich bin sicher, dass er sehr erfolgreich Bryans Zwillingsbruder Terence, ein Video- nichts dagegen tun. Ich habe mein Gehirn als einen riesigen Mund gemalt, der unabhängig von mir agiert. Ich fühle, dass ich geteilt bin, in mir und geworden wäre. Es sind ehrliche Aussagen, produzent, schickte die ersten Bilder von gegen mich. Der Nagel im Mund drückt meine soziale Lächerlichkeit aus, wie es ist, schizophren erkrankt zu sein.“ „Selbstportrait“ an eine Zeitung. Man mach- meine Unfähigkeit, mich zu integrieren, die mich zur Zielscheibe macht.“

2.5.1991 Die massive Dosis Depixol wirkt. „Ich bin fast ohne Energie“, 6.5.1991 Vier Tage lang hat Bryan die ihm verschriebene Medikamen- 23.5.1991 „Das Blau ist da, weil ich mich depressiv fühle, durch die Ver- schreibt er. „Das drückt sich in der Insektenlarve aus, im erstarrten Zustand tendosis beibehalten, aber die Turbulenzen der zu hohen Dosierung minderung der Medikamente. Die Wellenlinien bedeuten, dass, als ich mich eines Insektes. Der Geist, ausgedrückt durch einen Vogel, zerquetscht die halten an. Er hat den Blick für sein Gesicht wiedergewonnen. Aber es ver- gerade sicher fühlte, eine Stimme von der Straße mich emotional aus- Made. Die widerstreitenden Gedanken sind ausgedrückt durch einen Mann wandelt sich nun in eine Dartscheibe. „Ich fühle mich als Zielscheibe grau- plünderte. Ich bin dankbar, dass ich fähig bin, ein so reines, mentales Kon- mit zwei Köpfen, einer ist eine Nase. Die Wäscheleine bedeutet, dass all samer Bemerkungen anderer Menschen. Was geht vor? Ich habe einem zept wie ein Gedankenradio darzustellen mit Hilfe der einfachen Idee, meine schmutzige Wäsche - meine Gedanken - zur Ansicht ausliegt.“ Ermu- Mädchen den Selbstmord mit Engelszungen eingeredet, weil ich keine das Gehirn in einen Mund zu verwandeln, sodass ich es noch einmal gemalt tigt durch das Gespräch mit seinem Bruder, nimmt Bryan jetzt wieder die Zunge hatte. Die Frau, die er meint, ist eine Freundin, von der er glaubt, habe. Man kann schon was, wenn man es schafft, in der Malerei etwas Medikamentendosis vor dem Experiment. er habe sie zum Suizidversuch angestiftet. zu zeigen, was total unsichtbar ist.“

Lichtblick • Jahresheft 2000 49 SELBSTBILDNIS

te einen Termin aus, Bryan zu besuchen. zu lösen. „Ich hasste es, nur ein halber Bryan wartete sehnsüchtig auf diesen Mensch zu sein und die Charnley-Zwillinge Besuch und hoffte, dass seine Serie ver- gerufen zu werden. Wir waren wie ein altes öffentlicht würde. Aber dann verschob man Ehepaar. Ich wollte die «Scheidung».“ Die den Termin auf Ende August. Mutter führt viele von Bryans sozialen Unan- gepaßtheiten auf Terence Entschluß zurück, die Fesseln des Zwillingsdaseins zu zer- Rückblick reißen. Bryan war viel weniger in der Lage, Freunde zu finden. Er war immer derjenige, Bryan hinterließ keine Nachricht. Dafür Fra- der im Schatten stand. Beide Jungen hat- gen, z.B.: Könnte es eine Bedeutung haben, ten vorstehende Zähne, aber nur Bryan litt dass sein Todestag der 29. Juli war, der Tag, darunter, sagt sie. Ein leichter Sprachfehler an dem sich Bryans Idol, Vincent Van Gogh, machte ihm den Kontakt zu Menschen erschossen hat? zusätzlich schwer. Auf der Beerdigung waren Familie und Er war 18 Jahre alt - beide Jungen gingen Freunde versammelt, sprachlos und betäubt inzwischen auf verschiedene Kunstschulen 2.6.1991 ãVielleicht ist ein gebrochenes Herz die Ursache von allem. Durch von ihrem Verlust. Alle fühlten sich schuldig, die Spinnenbeine auf der rechten Seite versuche ich, meine Unsicherheit - als er seinen ersten Zusammenbruch hat- alle waren verstört. In Gesprächen stellte auszudrücken. Ich fühle, dass ich mehr und mehr meiner Schizophre- te. „Er zog sich ganz in Weiß an und woll- nie Ausdruck geben kann.“ sich heraus, wie allein gelassen sich die te mit uns über den Gekreuzigten reden“, Familie während Bryans Krankheit fühlte. sagt die Mutter. „Er wurde sehr aggressiv Seit der ersten Diagnose vor mehr als 20 und veränderte sich.“ Jahren hatte sie keinerlei Ratschläge oder Informationen erhalten, sie wußten keine Von diesem Zusammenbruch erholte er sich Stelle, an die sie sich hätte wenden können. schließlich soweit, dass er sein Vordiplom Sie war sich der Gefährdung ihres Angehöri- an der Kunstschule abschließen konnte, wo gen nicht bewußt, hielt sein Verhalten für man ihn für einen der begabtesten Schüler absonderlich. hielt. Dann gewann er einen begehrten Platz „Ich bedaure schmerzlich, dass ich mir nicht in der Central School of Arts und Design mehr Zeit genommen habe, nach ihm zu in Hofborn. Beide Brüder spielten in den sehen“, sagt sein Zwillingsbruder Terence, sechziger Jahren ein wenig mit Drogen her- „aber irgendwie dachte ich immer, er wür- um, nahmen Marihuana und LSD. „Ich war de damit fertig werden.“ o.k.“, sagt Terence, „aber Bryan konnte nicht Bryan kam eine halbe Stunde vor Terence damit fertig werden.“ Er geriet außer sich, zur Welt. Wie viele Zwillinge entwickelten sie sprach unaufhörlich und nahm dabei für starke Abhängigkeiten voneinander. Als Drei- Stunden eine starre Position ein. jährige sprachen sie miteinander in einer Seine Eltern holten ihn nach Hause, wo er 8.6.1991 Das Bild zeigt einen eintönigen rechteckigen Kopf der mit Klöt- Geheimsprache. „Wir waren zwei gegen die die meiste Zeit im Bett verbrachte und nur zen und Dreiecken gefüllt ist, die Gedanken bedeuten sollen. Bryan fühlt Welt, ich wußte, was er dachte und er wuß- noch selten malte. Er geriet in eine schwe- sich attackiert, daher die brennenden Pfeilspitzen. Die Spinnenbeine sym- bolisieren Schuldgefühle. Er schreibt in sein Tagebuch:ãSie strahlen aus te, was ich dachte“, sagt Terence. Als sie re Krise. Er musste in die Psychiatrie, bekam und werden schwächer, wenn sie mein Gehirn verlassen.“ auf dem Gymnasium waren, begann Teren- schwere Medikamente und Elektroschocks. ce, sich mehr und mehr von seinem Bruder Erstmals fiel das Wort: „Schizophrenie“.

13.6.1991 Seit dem 24.5. hat Bryan seine Antidepressiva ganz abge- 19.6.1991 „... möchten sie alle partipizieren? Jeder hat seinen Fuß in der 27.6.1991 Dies ist Bryans komplexeste Bild. Er spürt, dass er in den setzt. Sein Selbstportrait zeigt zwei geköpften Eierschalen ohne Inhalt. Tür. Mein Mund ist zugenagelt, meine Zunge angebunden, ich habe Zwängen seiner Schizophrenie eingeschlossen ist. Er fühlt sich durch- Die Eier sind leer wie ein Kopf ohne Gedanken, seiner Geheimnisse keine wirkungsvolle Antwort für sie ...“ sichtig: „Ich starte verrückte Experimente, um eine Art Kontrolle über die- beraubt. Er schreibt: „Jemand, der Macht über mich hat, stillt seinen Appe- se unmögliche Situation zu bekommen (der Mann mit dem Kontroll- tit an ihnen.“ Bryan hat die Krähen aus Van Goghs letztem Weizenfeld- Bryan ist endgültig in die Gewalt der Depression geraten. Sein Selbst- knüppel). Mein Verstand, mein Ego ist mit Nägeln durchbohrt wie Chri- Bild übernommen. Die Krähen sind wie seine Gedanken, die wegfliegen. portrait reduziert sich auf das, was wir in der kleinen Tür sehen. stus, der sich am Kreuze nicht mehr bewegen konnte... Ich kann nicht Von jetzt ab erwähnt er in seinem Tagebuch ganz offen seine Absicht, mehr denken ohne Gefühle des Schmerzes. ... Meine Sinne werden durch sich das Leben zu nehmen. Angst zu Halluzinationen.“

50 Lichtblick • Jahresheft 2000 SELBSTBILDNIS

Er kam wieder nach Hause zurück und dies verfügbar, um ihm zu helfen. Ein Psychiater wäre der Zeitpunkt gewesen, durch Bera- gab ihm regelmäßig Rezepte. Alle diese Hel- Newsletter www.lichtblick99.de tung und Hilfe der Familie und Bryan selbst fer arbeiten nach dem Grundsatz, das unab- in ihrer wechselseitigen Verzweiflung zu hel- hängige Leben des Klienten zu unterstützen Toleranz für psychisch fen. Doch niemand war dazu bereit. und seine Verantwortlichkeit zu respektie- kranken Nachbarn Die Eltern fühlten sich zunehmend unsi- ren. Diese Grundsätze setzen voraus, dass cherer und nicht in der Lage, zu helfen. Sie jedermann in der Lage ist, Hilfe nachzufra- Hausbewohner müssen für einen psy- drängten ihn, eine Ausbildung zu machen gen, wenn er sie braucht. chisch kranken Nachbarn ein erhöhtes oder einen Job zu übernehmen. Sie ver- Unglücklicherweise verhindern aber gera- Maß an Toleranz aufbringen. Das ent- mittelten ihn sogar in eine Reinigungsfirma. de die Symptome der schizophrenen Erkran- schied jetzt das Oberlandesgericht Kar- Unfähig, irgendeinen Job durchzuhalten, kung wie Wahnideen und Stolz, dass der lsruhe in zweiter Instanz (Az.: 14 U 19/99). entschloß sich Bryan mit 28 Jahren, seinen Klient die notwendige Hilfe anfordert. Die Richter lehnten damit die Klage eines Leben und seine Krankheit selbst in die Ehepaares ab, das versucht hatte, einem Hand zu nehmen und ernsthaft mit Malen „Er war ein sympathischer Mensch, aber psychisch kranken Nachbarn die Nut- zu beginnen. verbittert über den Mangel an Anerkennung zung seines eigenen Hauses zu verbie- für seine künstlerischen Fähigkeiten. Hät- ten. Den Richtern zufolge sind Einwir- te er sie erhalten, wäre zwar seine Krankheit kungen auf ein Grundstück durch Lärm Jede Hilfe verweigert nicht geheilt, aber sein Leben erträglicher oder in anderer Form zu dulden, soweit gewesen“, sagt sein behandelnder Arzt. die Nutzung des Grundstückes nur „unwesentlich beeinträchtigt“ ist. Bei der Er suchte sich selbst eine Wohnung im Zen- „Selbstportrait“ war eine einsame Ent- Beantwortung der Frage, ob diese trum von Bedford, wo er für den Rest sei- scheidung mit einem einsamen Resultat. Schwelle überschritten sei, komme es nes Lebens allein lebte, in vernachlässigten Vielleicht hätte doch jemand ihm Hilfe und auf das Empfinden eines „verständigen Räumen, schmutzig, mit verstreuten Sachen Unterstützung geben können - eine mensch- Durchschnittsmenschen“ an. Von einem und halbfertigen Werbearbeiten. Er verwei- liche Stimme, die seine qualvollen Gedan- verständigen Bürger könne erwartet wer- gerte jede Hilfe von seinen Eltern. Sein All- ken gemildert hätte? den, dass er auch dem Verfassungsge- tag war freudlos. Es gelang ihm nicht, mit bot, wonach niemand wegen seiner seinen Arbeiten Anerkennung als Künstler Die Tragik von Bryans Leben und Tod, die Behinderung benachteiligt werden darf, zu finden, geschweige Freundschaften zu sich in seinen Bildern spiegelt, wird ande- Rechnung trage. Die Grenze der Dul- schließen oder aufrechtzuerhalten. ren Künstlern besonders deutlich. Der dungspflicht sei hier noch nicht über- Eine ernsthafte Verbindung zu einer Frau bekannte Maler Edwards Adamson sagte: schritten. Der an einer Psychose leiden- endete unglücklich. Er war überzeugt, dass „Sie sind Schreie, Schreie nach Hilfe! Es ist de Mann warf u.a. nachts Gegenstän- er für ihren Suizidversuch verantwortlich sei. schade, dass er nicht zu uns gekommen ist, de herum, verursachte Klopfgeräusche Sie war die Frau, die die Blume auf seinen als er noch lebte. Wir hätten ihm helfen kön- und ließ das Radio laut laufen. gms/ddp Sarg legte. nen! Wir hätten ihn auf seiner Reise beglei- Wenn Bryan nicht malte, verbrachte er sei- tet und ihn durchgebracht!“ ne Zeit schlafend oder spazierengehend. In AOK Bayern untersucht Mobbing mancher Beziehung stellt er ein klassisches Mobbing am Arbeitsplatz kommt die Beispiel für die Sozialfürsorge einer Stadt Krankenkassen und Arbeitgeber teuer dar. Er war relativ unabhängig, konnte, wenn Aus „telegraph magazin“ zu stehen. Die AOK Bayern hat ausge- er wollte, zur Tagesklinik oder zur Grup- Übersetzung: Bettina Schmitz-Moormann rechnet, dass jeder Mobbingfall zwischen pentherapie gehen. Sozialarbeiter waren (gekürzt, die Bilder sind im Original farbig, d.R.) 30 000 und 100 000 Mark kostet. Berechnungsgrundlagen sind Fehlzeiten in der Firma und Leistungsausfälle. Nach Schätzungen der Kasse sind etwa zwei bis vier Prozent aller Beschäftigten von Mobbing betroffen.

Die Kunst des Boulevard Zwei Einführungskurse in die Kunst des Boulevard-Journalismus bietet die Ber- liner Journalistenschule vom 20. bis 21. Juli und vom 23.11. bis 24.11.2000 in Berlin, Karl-Liebknecht-Str. 29. Wie den- ken Boulevard-Journalisten, welche Mit- tel setzen sie ein, was wollen sie bewir- ken? Ein Kursus über die Handhabung großer Gefühle, über Zwänge, Freiheit 12.7.1991 Bryan macht an diesem Tag keinen Eintrag ins Tagebuch. Viel- 19.7.1991 Bryan Charnley hat den Çpoint of no returnÈ erreicht. Er hat und Moral, mit vielen praktischen Übun- leicht will er die Betrachter seines Portraits auffordern, es selbst zu ent- sich selbst in eine endgültige Leere gemalt. schlüsseln. In diesem Bild wird sein Gesicht zur Luftaufnahme eines gen. Gebühr für DJV-Mitglieder 200 Schlachtfeldes, der Kern seiner Persönlichkeit zu einem isolierten Batail- Mark, für Nichtmitglieder 400 Mark. lon auf einem Hügel, das die Stellung hält, während Feinde und Riva- Zehn Tage nach diesem Bild nahm er sich das Leben. ... len sich in der Ebene zusammenziehen. Verstand und Hoffnung sind bela- Tel. 030 - 2327-6009, [email protected] gert. Er zitiert einen Bob-Dylan-Song: ãDie Karten sind nicht gut, die www.berliner-journalisten-schule.de Du in der Hand hast, außer sie kämen aus einer anderen Welt.“

Lichtblick • Jahresheft 2000 51 PRÄVENTION

Suizidprävention und Krisenintervention - obligatorischer Bestandteil der Aus- und Fortbildung psychosozialer und medizinischer Berufe

In Deutschland werden jährlich etwa 13 000 Todesfälle wegen Suizid (1995: 12 888) keitsstörungen und Depressionen auf einen registriert. Im europäischen Vergleich der Sterblichkeit nimmt Deutschland einen elterlichen Suizid folgen können. Es gibt mittleren Platz ein. Bezogen auf die verlorenen Lebensjahre je 100 000 Einwohner dazu noch weitere Suizidarten, die andere unter 70 Jahren weisen Finnland und Österreich bei Männern und Luxemburg bzw. Personen direkt betreffen und hohe Folge- Portugal bei Frauen die höchsten Werte auf. Die niedrigsten haben Griechenland kosten, u.a. für Behandlungen, nach sich und Italien (Männer) und Großbritannien und die Niederlande (Frauen). ziehen (z.B. Eisenbahnsuizide). Aufgrund bisher fehlender bundesweiter Legt man die mittlere Lebenserwartung zu schlägigen Studien Suizidraten von 7 bis 22 Präventionsprogramme fordert die Deut- Grunde, dann nimmt sich zur Zeit im Westen Prozent auf. sche Gesellschaft für Suizidprävention dazu etwa jeder 71. Mann und jede 161. Frau Zu den Risikogruppen zählen außerdem auf, Suizidprävention als gesundheitspoliti- selbst das Leben, im Osten ist es jeder 58. chronisch Kranke mit geringer oder fehlen- sche Aufgabe zu verstehen und primär- und Mann bzw. jede 147. Frau. der Heilungsaussicht oder einem hohen sekundärpräventive Konzepte zu entwickeln. Innerhalb Deutschlands variierten die stan- Sterberisiko. Bei Dialysepatienten soll das Dabei wird vor allem auf die notwendige dardisierten Suizidraten 1995 zwischen 11,0 Suizidrisiko 100 bis 400mal größer sein als enge Vernetzung verschiedener Einrichtun- je 100 000 Einwohner im Saarland und 22,4 das der Normalbevölkerung, bei Magersucht gen hingewiesen. Die Fort- und Weiterbil- in Bremen. Innerhalb der Flächenstaaten 20mal, bei HIV-Infektionen und AIDS-Erkran- dung in Fragen der Suizidprävention und weisen Sachsen, Sachsen-Anhalt und kungen 7mal, bei Krebserkrankungen nach Krisenintervention sollte obligatorischer Thüringen bei den Männern die höchsten Schätzungen bis zu 20mal. Außerdem wer- Bestandteil der Ausbildungs- und Studien- Werte auf. Allerdings wurden in diesen Län- den Personen in Haft - insbesondere in ordnungen psychosozialer und medizini- dern historisch schon immer überdurch- Untersuchungshaft - als besonders suizid- scher Berufe sein. schnittliche Suizidraten registriert. gefährdet angesehen. In Deutschland muss man in der Bevölke- rung über 15 Jahren von jährlich 70 000 bis Verhaltenskodex Risikogruppe: 75 000 Suizidversuchen ausgehen, die für Berichterstattung chronisch Kranke einer medizinischen Behandlung bedürfen. Mit 340 Suizidversuchen je 100 000 Ein- Zur Prävention sollte man vor allem die Eine psychische Erkrankung erhöht das Risi- wohner weisen 15 bis 19jährige Frauen die Schule als Ort sozialen Lernens einbeziehen ko suizidaler Handlungen deutlich. Patien- höchsten Raten auf. und einen Verhaltenskodex für die Bericht- ten mit wiederholten Suizidversuchen befin- In Deutschland gibt es kein länderübergrei- erstattung über suizidales Verhalten ent- den oder befanden sich meist in psychia- fendes Versorgungskonzept für durch Sui- wickeln. Ländervergleichende Studien zei- trischer Behandlung. Besonders gefähr- zid gefährdete Menschen. Die meist von Kir- gen, dass zwischen der Art der Berichter- det sind Personen in den ersten Monaten chen getragenen Telefonseelsorgeeinrich- stattung in den Medien und der Suizidrate nach der Entlassung aus einer psychiatri- tungen sind die einzigen überregionalen ein Zusammenhang besteht, und dass eine schen Klinik. Nach den vorliegenden epi- primär- und sekundärpräventiven Einrich- zurückhaltende Berichterstattung einen demiologischen Befunden gilt für folgen- tungen. Ihre präventive Wirksamkeit ist aller- deutlich suizidpräventiven Effekt ausübt. de Gruppen ein besonders erhöhtes Sui- dings nicht eindeutig. Nach überwiegender Krisenhilfsangebote sollten zu jeder Tages- zidrisiko: Meinung besteht die beste sekundäre Sui- und Nachtzeit zur Verfügung stehen; das Die Untergruppe der affektiven Psychosen zidprävention darin, suizidale Tendenzen zu betrifft vor allem die Stunden außerhalb der weist insgesamt das höchste Suizidrisiko erkennen und psychiatrische Grunderkran- Öffnungszeiten von Beratungsstellen und auf. Die Suizidrate liegt je nach beurteiltem kungen zu behandeln. sozialpsychiatrischen Diensten. Die Ange- Schweregrad der depressiven Symptoma- Zu den durch Suizidversuch und Suizid ver- bote sollten telefonisch und persönlich tik zwischen vier Prozent bei allen depres- ursachten direkten Kosten zählen die Aus- erreichbar sein, und wo notwendig auch auf- siven Syndromen und 14 bis 15 Prozent bei gaben für die somatische und psychoso- suchend helfen. Sie sollten ein psychoso- depressiven Patienten, die wegen dieser matische Behandlung, z.B. die Aufwen- ziales Hilfeangebot vorhalten und bei Bedarf Erkrankung stationär behandelt wurden. dungen für den Notarzt, die Ermittlungsko- fachärztliche Kompetenz hinzuziehen kön- Bei Patienten mit Schizophrenieerkrankun- sten der Behörden, die Transportkosten in nen. Ihr Einzugsgebiet sollte 300 000 bis gen werden Suizidraten von bis zu 13 Pro- eine Klinik und die dortige Behandlung. 500 000 Einwohner umfassen. zent geschätzt. Die Suizidrate bei Alkoholi- Aufgrund der geschätzten Zahl von Suizid- Die entsprechenden Dienste müssen eng kern beträgt etwa zwei Prozent bei unbe- versuchen, der mittleren Verweildauer im mit den anderen psychosozialen Einrich- handelten und bis zu 3,4 bei behandelten. Krankenhaus und Kostensätze für Notarzt tungen der Region und mit den Einrichtun- und stationäre Versorgung lassen sich die gen des Rettungswesens zusammenarbei- Das Risiko einer Suizidhandlung scheint im direkten Kosten auf 57 bis 200 Millionen ten. Sie sollten strukturell über einen festen mittleren Lebensalter höher zu sein als in Mark beziffern. Kern von Mitarbeitern verfügen, der um eine jüngeren Jahren. Das Suizidrisiko nimmt mit Zu den indirekten Kosten eines Suizids Gruppe von Honorarkräften oder ehren- dem Alter vor allem für Männer zu. Die Sui- zählen die verlorenen Erwerbstätigkeits- und amtlichen Mitarbeitern erweitert sein kann. zidgefährdung Medikamenten- und Dro- Lebensjahre und die psychischen Auswir- Über die Akuthilfe hinaus sollten auch wei- genabhängiger dürfte 5 bis 50mal höher sein kungen. Jeder Suizid betrifft nach ver- terführende Gesprächsmöglichkeiten ange- als in der Gesamtbevölkerung. schiedenen Studien im Mittel direkt fünf boten werden. Personen, die schon einen Suizidversuch andere Personen. Bei Kindern wird z.B. Gesundheitsbericht für Deutschland 1998, unternommen haben, weisen nach ein- angenommen, dass schwere Persönlich- Bundesamt für Statistik, gekürzt und zusammengestellt d.R.

52 Lichtblick • Jahresheft 2000 KRANKHEITEN Zecken können schwere Erkrankungen auslösen Kopfschmerzen, Konzentrationsschwäche, Depressionen

Die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) merkt. Beides kann die Behandlung verzö- Was tun bei Zeckenstichen und Infektionen? ist eine Infektionserkrankung des Zentralen gern und den Erfolg beeinträchtigen. Da sowohl FSME als auch die Borreliose zu Nervensystems (ZNS). Sie wird durch FSME- Anders als bei der FSME sind die Erreger schwersten Komplikationen führen können, Viren verursacht, die durch Zeckenstiche nicht auf mehr oder weniger gut abgrenzba- ist die Vorbeugung besonders wichtig. übertragen werden. Der erste Bericht über die re "Endemiegebiete" beschränkt. In Deutsch- Zeckenstiche lassen sich nicht völlig ver- FSME in Europa stammt aus dem Jahr 1931. land kommt es nach Schätzungen zu 30.000 meiden. Einen gewissen Schutz bieten Damals wurden Fälle aus Österreich beschrie- bis 80.000 Infektionen pro Jahr. geschlossene Kleidung und zeckenabwei- ben. 1937 gelang die Isolierung der Viren. Der zuverlässigste Schutz vor FSME ist daher sende Mittel. Man sollte außerdem hohes In der Folge wurde die Krankheit in fast allen eine vorbeugende Impfung. Gras, Gebüsch und Unterholz meiden und europäischen Staaten nachgewiesen. nach Spaziergängen oder nach der Garten- Bei 20 bis 30 Prozent der Infizierten kommt arbeit den Körper gründlich nach Zecken es nach der Infektion zur Erkrankung des absuchen. ZNS. Die Symptome reichen von starken Hat sich eine Zecke festgesaugt, läßt sie sich Kopfschmerzen, Brechreiz und Fieber bis hin normalerweise mit einer Pinzette oder mit den zu Bewußtseinsstörungen, Lähmungen und Fingernägeln entfernen. Dazu wird sie mög- in seltenen Fällen zum Koma. Ein Teil der lichst weit vorne gepackt, gelockert und vor- schwer erkrankten Patienten leidet langfri- sichtig, ohne sie zu zerquetschen, unter leich- stig an neuropsychiatrischen Störungen, etwa ten Drehbewegungen herausgezogen. Die Kopfschmerzen, Konzentrationsschwäche, Drehrichtung ist dabei völlig nebensächlich. Depressionen. Beobachtet wurden auch Entgegen früheren Ratschlägen wird heute Koordinations-, Gleichgewichts-, Hör- und nicht mehr empfohlen, die Zecke mit Öl oder Sehstörungen.In etwa einem Prozent der ähnlichem zu betäuben, da durch den „Todes- Infektionen verläuft die Krankheit tödlich. Weltweit sind ca. 850 Zeckenarten beschrieben, kampf“ des Tieres nur mehr infektiöse Flüs- In den siebziger Jahren wurde in Österreich wovon in unseren Breiten acht Vertreter der Grup- sigkeiten in die Stichwunde gelangen. Das ein Impfstoff zum Schutz vor der FSME ent- pe der Schildzecken besondere Bedeutung als sofortige Entfernen ist besonders wirksam wickelt. Krankheitsüberträger der Früh-Sommer-Menin- gegen Borrelien, da sie erst Stunden nach Zu den von Zecken übertragenen Mikropa- go-Encephalitis, aber auch der Borreliose erlangt dem Einstich in die Wunde wandern. Gegen rasiten gehören auch Bakterien wie die spi- haben. Dazu gehört Ixodes ricinus, der gemeine FSME ist die Wirksamkeit begrenzt, weil die ralförmigen Borrelien. Sie können - wie etwa Holzbock, der in Europa den wichtigsten und am Viren sehr rasch auf den Menschen übertra- FSME-Viren - beim Menschen schwere Er- weitesten verbreiteten Vertreter darstellt. gen werden. Bei der Lyme-Borreliose tritt nach krankungen auslösen. Nach dem Ort Old dem Zeckenstich oft eine ringförmige Hau- Lyme in Connecticut (USA), wo sie erstmals trötung auf. In diesem Fall sollte unbedingt 1976 beschrieben wurde (Steere et al.), heißt Sie ist sinnvoll für Menschen, die voraus- der Hausarzt weiter beraten. diese Krankheit auch Lyme-Borreliose. Sie sichtlich in FSME-Gebiete reisen oder dort Zecken sind weltweit verbreitete blutsaugende ist auch in Europa weit verbreitet. Die Lyme- arbeiten, Urlaub machen oder wohnen und Parasiten. Die achtbeinigen Tiere (Ixodoidea) Borreliose kann Haut, Nerven, Herz und in der Natur Zeckenstichen ausgesetzt sind. sind eine Unterordnung der Milben (Acarina). Gelenke schädigen. Da es sich um Bakteri- In verschiedenen deutschen Bundesländern Diese bilden mit der Ordnung der Spinnen en handelt, können Borrelien grundsätzlich haben sich interdisziplinäre Landesarbeits- (Arachnea) die Klasse der Spinnentiere mit Antibiotika bekämpft werden. Schwie- gruppen gebildet, um die Fälle von FSME (Arthropoda). Sie ernähren sich ausschließ- rigkeiten macht allerdings die Diagnose. Häu- und anderer von Zecken übertragener Krank- lich von Blut und sind Überträger von zahl- fig bleibt der Zeckenstich überhaupt unbe- heiten genauer zu dokumentieren. reichen Mikroparasiten (Viren, Bakterien, u.a.).

Lyme-Borreliose FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis)

Borrelien übertragende Zecken kommen überall in Mittel-, Ost-, und Nordeuropa vor, außerdem in Nor- Die Erkrankung ist auf Endemiegebiete beschränkt. In Deutschland ist die Anzahl der erkrankten Per- damerika und Australien. 10 bis 15% aller Zecken sind von dem Erreger Borrelia burgdorferi befal- sonen in den letzten Jahren deutlich gestiegen; 1994 wurden 306 Erkrankungsfälle registriert. FSME- len. In Höhen über 1500m besteht kaum noch Gefahr für eine Infektionsübertragung durch Zecken. Virus übertragende Zecken kommen in vielen europäischen Ländern gehäuft vor. Das natürliche Reser- Symptome: Zwischen Zeckenbiß und ersten Krankheitszeichen vergehen drei Tage bis maximal 12 voir des Erregers sind Mäuse. Symptome: In 70 bis 90% verläuft die Erkrankung asymptomatisch. Wochen. In 50% entsteht um die Bißstelle eine ringförmige, zentrifugal sich ausbreitende Hautrö- Für den Fall eines krankhaften Verlaufs ist dieser durch zwei unterschiedliche Phasen charakterisiert. tung, die begleitet sein kann von einer grippeähnlichen Symptomatik mit Fieber, Lymphknotenschwel- Zwei bis 28 Tage nach dem Zeckenbiß kommt es in 10 bis 30% zu Fieberanstieg mit grippalen Erschei- lung, Gelenk- und Kopfschmerzen, außerdem Abgeschlagenheit. Die frühen Krankheitszeichen haben nungen. Nach einem fieberfreien Intervall von etwa einer Woche entsteht in circa 10% in der zweiten einen jahreszeitlichen Gipfel von Juli bis August. Krankheitsphase ein erneuter Fieberanstieg. 60% der davon betroffenen Patienten erleiden Entzün- Oftmals heilt die Erkrankung in diesem Stadium von alleine aus. Im folgenden Stadium der Lyme- dungen von Gehirn und Hirnhäuten, in 30% entzünden sich Nervenbahnen und -wurzeln. Diese Ent- Borreliose, das Wochen bis Monate nach Erkrankungsbeginn einsetzen kann, zeigen sich Komplika- zündungen gehen mit Lähmungen einher, die sich vor allem im Bereich des Schultergürtels zeigen. Kin- tionen im Bereich des Zentralnervensystems bzw. des Herzens. Dabei kann es in schweren Fällen zu der und Jugendliche haben in der Regel leichtere Krankheitsverläufe. Entzündungen von Herzmuskel und Hirnhäuten mit Herzrhythmusstörungen und Lähmungen beson- Chronische Schäden: Einen dauerhaften Schaden tragen 6 bis 46% der an FSME erkrankten Patienten ders von Gesichtsnerven kommen. davon. In 10 bis 15% handelt es sich dabei um lange andauernde Kopfschmerzen, bei 3 bis 11% beste- Monate bis Jahre nach dem akuten Krankheitsbild kommt es zu einem dritten Stadium. Hier findet man hen Restlähmungen und Schwäche der Muskulatur. In Einzelfällen kann ein Anfallsleiden zurückblei- chronische Gelenkbeschwerden, fortschreitende neurologische Veränderungen und pergamentartige ben. Das Risiko an einer FSME zu versterben beträgt etwa 1%. Therapie: symptomatische Behandlung. Hautveränderungen. Die Erkrankung kann in jedem Stadium spontan ausheilen oder chronische Beschwer- Schutzimpfung: Es stehen sowohl aktive wie auch passive Impfmöglichkeiten zur Verfügung. Die Akti- den (vorwiegend Gelenkschmerzen) hinterlassen. Therapie: Antibiotika vimpfung mit abgeschwächten Viren ist für solche Personen vorgesehen, die sich aus beruflichen Gründen oder bei Freizeitaktivitäten in FSME-Endemiegebieten aufhalten müssen (Waldarbeiter, Land- wirte, Sportler). Nach ärztlicher Rücksprache kann es eventuell sinnvoll sein, Normalbevölkerung bzw. Rufen Sie bei akuten Vergiftungsunfällen oder im Zweifelsfall immer bei der Informations- Urlauber in Endemiegebieten zu impfen. Die Passivimpfung mit Antikörpern kann in Erwägung gezo- zentrale gegen Vergiftungen in der Universität Bonn an. Sie erhalten dort 24 Stunden am gen werden, wenn eine Person innerhalb eines Endemiegebietes gleichzeitig mehr als fünf Zecken- Tag eine individuelle, kostenlose Beratung. Tel.: 0228-287-3211 / Fax: 0228-287-3314 bisse aufweist. Achtung: Seit Ende August darf die passive Immunisierung nicht mehr bei Kindern (bis vollendetem 14. Lebensjahr) angewendet werden.

Lichtblick • Jahresheft 2000 53 KREATIVE SEITEN

Omi Je ne peux pas tout faire Du bist nun über 80 Jahre schon, Wir gingen zur Volkshochschule doch es ist nicht ein Hohn, und lernten Französisch. du hast nie über dich gesprochen, will auch nicht pochen. Mir war alles neu. Einmal sagtest du, ein Leben allein, Ich übte zu Hause Vokabeln das kann´s nicht sein. und sagte zu meinem Mann: Dein Mann ist im Krieg geblieben. „Je ne peux pas tout faire!“ Konntest wohl keinen anderen lieben. Du hast dein Leben, Das heißt: dann uns gegeben. „Ich kann nicht alles selber machen!“ Omi, was hast du bloß alles für uns gemacht, Er verstand mich. nicht oft, hast du gelacht. Seidem wäscht mein Mann unser Geschirr. Seelische Gesundheit hat auch was mit der Die schönsten Geschichten konntest du erzählen, Fähigkeit zu tun, sich gegen schwierige Men- und was musstest du dich beim Nähen quälen. Ingrid Kliß schen abgrenzen zu können, bzw. umge- Du hast gerackt und getan. kehrt ertragen zu können, dass andere uns Warum verließ dich bloß dein Mann?! als zu schwierig empfinden und uns sig- Ich wünsche dir noch recht angenehme Stunden, nalisieren, dass sie keinen oder nur einen Im Wechsel der Zeiten begrenzten Kontakt mit uns wollen. diese heilen wohl nicht die Wunden. Kalle Pehe, Krefeld Antje Kasten Viele nannte ich Freunde, bis sie von mir gewichen sind. Ich war ihnen wohl nicht normal genug. Andere streckten mir ihre Hand entgegen, Einsam die ich dankend annahm. Mir ist so schrecklich kalt, Eine Tür wird zugestoßen ich friere in meinem Panzer und eine andere öffnet sich dafür. aus Eis. Ich brauche die Menschen und die Menschen brauchen bestimmt auch Keine Wärme von den Menschen, Zu meiner Krankheit die mir fehlen. mich! Keine Arme, die mich zärtlich Wie überall, gibt es in meiner Familie Streit, Volkmar Frank umschließen. gleich denken sie, es wäre wieder soweit. Keine lieben Worte, Ich weiß ja, dass es sich wiederholen kann, nach denen ich mich sehne. bloß nicht warum und wann. Die Rubrik „KREATIVE SEITEN“ wurde zusam- Keiner, der mich auffängt, mengestellt von Psychiatrieerfahrenen und der Doch sollte nicht das Glück ausklingen. nach meiner langen Reise Psychiatriekoordinatorin des Landkreises Ost- Seht her! Wir können noch viel vollbringen. durch schwere Träume vorpommern, Frau H. Kubik, Gesundheitsamt Hier gibt es Menschen, die mich besser kennen, des Landkreises Ostvorpommern, Leipziger und Gedanken. gern werde ich ihnen meine Sorgen nennen. Allee 26, Zimmer 115, 17389 Anklam; Telefon: 03971/84645; FAX: 03971/84644 Wo bist du, Helga Müsebeck Hoffnung, Freude, Glück?

Ich friere und merke eit 1990 bin ich psychisch krank. Mit der Wende fing alles an. wie ich langsam sterbe, Nacht-Gedicht Arbeitslosigkeit des Bruders, ungewisse Zukunft, Umdenken. Stück für Stück. S Ich nahm kaum wahr, was um mich herum passierte. Habe Simone Stark Hier bist du, oft tagelang nicht gesprochen, nur geweint, Alkohol zu mir genom- und die Spiralen- men, nicht sauber gemacht, alles praktisch vernachlässigt. Habe nichts gegessen, bin nicht nach draußen gegangen. Meine drei Kinder haben windung des Abends sehr darunter gelitten. ist eben zerbrochen - Die Probleme wurden immer mehr: z.B. Lehrstelle für meinen Großen. Nach einem Jahr klappte es endlich mit einer Lehre. Hinzu kam der das dunkelblaue Ärger mit meinem zweiten Sohn. Nach dem Hauptschulabschluß - Nachtlicht keine Lehrstelle, ging schwarz arbeiten, entwendete Geld aus der stürzt herein Haushaltskasse, machte und macht Schulden, musste sich wegen Diebstahl und Körperverletzung vor Gericht verantworten. Zur Zeit hat er eine Lehrstelle, nimmt aber die Chance nicht ernst. Habe versucht, Du trittst ans Fenster mit Alkohol und Tabletten, die Probleme runterzuspülen. Es folgten und wie ein Absturz Zusammenbruch und Klinikaufenthalt. Seit 1997 bin ich arbeitslos. Der SPDI machte mich auf die Tages- endet das Zimmer stätte für psychisch Kranke aufmerksam. Hier fühle ich mich wohl, der Abend das Jahr habe das Gefühl, in einer Familie zu leben, was in meinem Verwand- das Jahrhundert gar? tenkreis nicht der Fall ist. Ich fühle mich oft von ihnen unverstanden. Über einen Jetzt Besuch meiner Verwandten in wäre es gut, der Tagesstätte würde ich mich sehr freuen. Dann würden sie ein Schicksal zu haben meine Krankheit besser verste- und die Stille zu hüten hen, denke ich. im Universum In der Tagesstätte habe ich gelernt, mein „Temperament“ zu von der hellen zügeln. Problemen stelle ich mich Winzigkeit heute offen und laufe nicht vor ihnen weg oder überlasse alles deines Zimmers aus. dem Zufall. Marianne Beese Besucherin, Tagesstätte Anklam

54 Lichtblick • Jahresheft 2000 KREATIVE SEITEN

Die Psychose als Traum nach einer erhofften Welt

Ein Bewußtsein wird von vielen als ein geschlossener ungelösten kleinkindlichen Gedanken über diese All- Raum ohne Türen und Fenster betrachtet, in dem die macht durcheinandergebracht werden. Gedanken Schatten an den Wänden sind. Es setzt Zum Beispiel: Der Mittelpunkt eines allumfassenden sich aus allen Inhalten, aus Erfahrung, Vertrauen, Eifer- Planes zu sein. Der Drang zum Erleben dieses sucht, Identität, usw. zusammen. Dies sind Bestand- grundsätzlichen EinsSein (die Suche nach Liebe) hat teile, und wenn ich einen Kern erkennen will, muß ich seine gefährlichen Seiten. Der Drogen- oder Alko- ihm volle Aufmerksamkeit schenken. Eine Erinnerung holrausch kann mir für kurze Zeit die Illusion des Eins- ist nicht nur in persönlichen Umständen; sie ist ver- Sein vermitteln - zumindest führt er dazu, dass ich über wurzelt in unserem Kulturmuster, in dem auch die Auf- meine Grenzen nicht mehr im klaren bin, was mir viel- fassungen, Aktivitäten und verdrängten Inhalte unse- leicht ein Gefühl der Freiheit verschafft. rer Ahnen enthalten sind. Psychosen und Träume sind ein Ursprung zur Heilung. Das Freiwerden durch aufgeplatzte Knoten gelöster Psychose als eine Befreiung von Bedingungen, als Bedingungen empfinde ich als erhebend und wun- einen Neuanfang, im Selbstfindungs- und Selbst- derbar lösend. Das EinsSein überflutet mein Bewußt- heilungsprozeß zu erfahren, wird als solches nicht ver- sein, weil EinsSein Grenzen überschreitet. Die Leben- standen. Stattdessen werden von Psychiatern Dia- senergie fließt dann stark, und ich fühle mich wohl. gnosen erfunden, welche mit den Mitteln der Neu- Synchronizitäten und Assoziationen begegnen mir aller roleptika bekämpft werden sollen. Von den Neuro- Orten. Dabei kann ich das Pulsieren des Kosmos leptika mit ihren schädlichen Nebenwirkungen wird spüren. Vorübergehend fühle ich grenzenlose Lie- keine Ursache für mein Erleben verändert, aber mei- be, fühle mich eins mit der Natur und sehe alles durch- ne Lebensgefühle abgetötet. Anstatt die Psychose zu strahlt von einem goldenen Licht, aber all erleben und durchzuarbeiten, wird sie chro- das läßt in seiner Intensität wieder nach. nisch. Der Arztbesuch Die bisherige aus der Organmedi- Die Möglichkeit, Verbindung mit zin übernommene Beobachtung Es ist wieder soweit, der regelmäßige Arztbesuch ist fällig. Mein dem pathologisch kollektiven meines von der Norm abwei- Zustand hat sich nicht gebessert, vielleicht kann mir der Dok- tor heute helfen. Hoffentlich hat er heute mehr Zeit für mich. Unbewußten zu erhalten, ist chenden Verhaltens und Mit Niemanden sonst kann ich über meine Probleme sprechen. dann groß, was dazu führt, meiner Symptome entwer- dass eine erhöhte Emp- Die Familie will nichts mehr davon hören. Ich will sie auch nicht tet mich zu einem beob- immer damit belasten. Aber es muss raus aus mir! fänglichkeit für Zeichen- achteten und behandel- Wer kann mir denn noch helfen, wenn nicht mein Arzt?! Doch sprache entsteht. Wenn ten Objekt. Die in der im Warteraum sitzen noch zehn Personen, also wird es wohl diese Energie zurück- Regel nur medikamentö- wieder nichts. Wieder hört niemand zu, spricht mit mir über mei- ebbt, erscheinen wieder se Symptomverdrängung ne Krankheit. Wieder nur ein Rezept! Jetzt bloß nichts sagen, die alten Begrenzungen. zwingt mich dazu, mein der Arzt ist schon genug gestreßt, denn es warten noch genü- Die alten Probleme schei- Erleben als nur „krank“ von gend Leute. - So viel Medikamente, ob das gut ist? Was hin- dert mich, einen anderen Arzt aufzusuchen, der sich vielleicht nen noch frustrierender, mir selber abzuspalten und mehr Zeit für mich nimmt, der freundlich und vertrauensvoll ist? weil ich einen Zustand verunsichert zu bleiben, bis geschaut habe, der bestehen - Es liegt an mir selbst, ich müsste meine «Geschichte» immer es erneut aufbricht und mein und immer wieder erzählen, und das fällt schwer, wenn man könnte, wenn das Leben frei Selbstvertrauen weiter untergräbt. psychisch krank ist. von ihnen wäre. Ich kann erwa- Meine erkrankte Seele hat ebenso Besucher der Tagesstätte Anklam, Landkreis Ostvorpommern) chen und irrtümlicherweise glauben, Bild: Birgit Friedrich wie der körperlich Kranke ein Recht auf was ich in blitzartiger Ahnung geschaut Heilung und nicht nur auf eine Symptomver- habe, sei bereits manifestierte Wirklichkeit. Ich hat- drängung mit oft irreversiblen Schäden als Neben- ch bin 20 Jahre alt und meine Diagnose lautet aus- te dies Erlebnis und denke vielleicht: „Gut, jetzt sind wirkungen. I geprägte chronifizierte phobische Neurose mit depres- alle meine Probleme gelöst. Alle Möglichkeiten ste- siver Dekompensation. Zur Zeit besuche ich die Tages- hen mir offen, ich bin endlich frei und angekommen.“ Ich fordere eine subjektorientiert-empirische Psychia- stätte in Anklam. Unbetroffenen fällt schwer, uns zu ver- trie, die von meiner Erfahrung als Patient und meinem stehen. Es kommt daher, dass diese Krankheiten zu sehr Leider wird mir schon bald klar, dass dies erst ein Erleben im Zusammenhang mit meiner Lebensge- im verborgenen gehalten werden. Ein gebrochenes Bein Anfang ist. Ich bin eben noch nicht da. Manchmal erle- schichte ausgeht, die meine Bedürfnisse berücksichtigt sieht man, psychische Krankheiten nicht. Soll ich sagen be ich große Schwierigkeiten, dieses Fließen von und Hilfe zur Verarbeitung meines Erlebens anbie- zum Glück oder Leider? Das ist der Punkt. Wie oft höre ich: „Du siehst ja gar nicht so aus!“ Wie muss man aus- Lebensenergie aufzunehmen. Mein Nervensystem tet: z.B. lernen, in Gesprächen darüber zu reflektie- kann verwirrt werden und unter dem Zuviel an die- sehen, wenn man psychisch krank ist? Zum Glück erfah- ren. Einfühlen und Verstehen im Zusammenhang mit re ich in meiner Familie und näheren Umgebung nur posi- ser Energie zusammenbrechen. Manchmal höre ich Erreichbarkeit, das ist es was mir weiterhilft. tive Reaktionen. aus dem Unbewußten Stimmen oder habe Visionen, Diese Initiative möchte dazu beitragen, dass die Psy- Anfangs, als ich selber nicht wusste, was mit mir los ist, die ich nicht deuten kann. Unter Umständen kön- hat sich sehr viel Ärger aufgebaut. Durch meine Ver- nen meine unbewußten Vorstellungen sich organisie- chiatrie öffentlich wird und die Verzerrung in den herr- schlossenheit und mein schauspielerisches Können, konn- ren, können eine Selbständigkeit gegenüber dem schenden Medien aufhört. Die Verdrängung von te niemand zu mir vordringen. Leider haben mich alle mis- Bewußten gewinnen, so dass beide Erleben als zwei Straftaten wie Mißhandlung, Mißbrauch und Ver- sverstanden und mein Verhalten falsch gedeutet. Ich leg- getrennte Ströme nebeneinander erscheinen. Es kann wahrlosung sowie psychische Gewalt durch unsere te alles daran, mich zu ändern, doch es ging einfach nicht. ein Schub von Lebensenergie in meiner Persönlich- Angehörigen muss beendet werden, da sie unter Es war ein sehr langer Leidensweg, bis ein Arzt bestätig- anderem oft zu einer Psychiatrisierung führt. te, dass ich krank bin. keit neue Formen auslösen. Das Erleben kann zu Emp- Seitdem ist alles anders. Ich kam in eine Klinik, wo ich sehr findungen von Größe führen, die unter Umständen mit Raimund M. viel über meine und andere psychische Krankheiten erfah- ren konnte. Seit meinem Aufenthalt in der Klinik verste- he ich mich einfach besser. Ich habe das Glück, sehr Angst zu leben Gaukelei eines andauernden Friedens. viel Unterstützung von meiner Familie zu erhalten. Ich weiß, Leben ohne Mühlräder im Kopf. dass es nicht bei allen so ist, und das ist sehr traurig. Der Keiner kennt mich mehr. Welche Versuchung! Rückhalt in der Familie ist ein wichtiger Bestandteil des Erschrecken in den Augen der „Freunde“. Gebe ich nach, oder warte ich eigenen Wohlbefindens. Die Angehörigen des Betroffe- Ich weiß - irgendwo auf den nächsten Moment nen sollten sich über die Krankheit besser informieren. zwischen Nachtalp und Morgenrauen - Nach meinem Aufenthalt in der Klinik kam ich in die Tages- bin ich noch. stätte, wo ich von Menschen umgeben bin, die wenig- der mich erinnern wird Zwischen Nachtalp und Morgengrauen stens versuchen neben ihren eigenen Problemen auch die liegt eine Ahnung von an bessere Tage? der anderen zu verstehen. Hier warte ich nun auf eine glücklichen Tagen. Lehrstelle im geschützten Rahmen. Ich wünsche kein Mit- Wispernde Gestalten im Kopf, Gudrun Oestreich, Tagesstätte Wolgast, leid, einfach nur ein bisschen mehr Verständnis. die Mitspracherecht fordern. Landkreis Ostvorpommern Marlen Tetzlaff

Lichtblick • Jahresheft 2000 55 VORSORGE

Newsletter www.lichtblick99.de Alternativen zur Betreuung Vorsorgevollmacht - Betreuungsverfügung - Patiententestament Gerichtsurteil Erhebliche Konflikte unter nahen Die meisten Menschen gehen davon aus, dass sie in Notfällen für ihre nächsten Angehöri- gen Entscheidungen treffen können. Beispielsweise, wenn ein Verwandter im Koma liegt Angehörigen des Betroffenen, die ihrer- oder durch eine psychische Erkrankung oder eine geistige oder körperliche Behinderung seits zur Übernahme der Betreuung vorübergehend oder dauerhaft nicht in der Lage ist, seine Angelegenheiten selbst zu bereit wären, rechtfertigen nur dann die regeln. Doch in diesen Fällen sieht das Gesetz keine automatische Vertretung vor: Ohne Bestellung eines familienfremden Berufs- Vollmachten bzw. Verfügungen können Angehörige in der Regel weder Geld bei der Bank betreuers, wenn der Betroffene diese abheben, noch wichtige Entscheidungen im Sinne des Betroffenen treffen, z.B. über Spannungen wahrnimmt und unter ihnen die schulische oder berufliche Zukunft oder die ärztliche Behandlung. leidet und wenn die Auswahl eines fami- lienfremden Betreuers die Spannungen Liegt ein wirksames Schriftstück vor und gütungen mehr gezahlt. Typische Aufga- zu mindern geeignet ist. Bei der Auswahl ist es dem Gericht bekannt, prüft das ben sind die Vermögensvorsorge, Woh- des Betreuers sind das Wohl und der Wil- Gericht, ob dieses die Bestellung eines nungsangelegenheiten sowie die Sorge für le des Betreuten entscheidend. fremden Betreuer entbehrlich machen die Gesundheit. Mitunter sind auch prekä- kann. Ein Betreuer wird gemäß § 1896 re Situation zu lösen, z.B. der Betreute ver- Im vorliegenden Fall hatte die Betreute Absatz 2 Satz 2 BGB nur dann eingesetzt, jubelt das zugeteilte Geld für Lebensmit- hierzu keinen Vorschlag gemacht. Die wenn kein Bevollmächtigter tätig werden tel am Spielautomaten, telefoniert fort- Stellungnahme der Betreuten sowie die kann und es keine anderen Hilfen gibt. dauernd, gefährdet immer wieder als Auto- Berichte der ehemaligen Verfahrens- Damit kein falsches Bild entsteht, auch fahrer sich und andere Verkehrsteilnehmer pflegerin und jetzigen Betreuerin mach- Berufsbetreuer mit Erfahrungswissen sind oder vermüllt seine Wohnung. ten deutlich, dass zwischen den drei gefragt, besonders in schwierigen Fällen Geschwistern erhebliche Konflikte beste- - etwa bei schwer psychisch erkrankten, Wer klug ist, sorgt vor! hen, die auch beim Zusammentreffen mit geistig behinderten, suizidgefährdeten der Betreuten, ihrer Mutter, zum Aus- oder drogenabhängigen Menschen. Eine Wer für den Betreuungsfall vorsorgen will, druck kommen, und dass diese unter Tatsache ist aber, dass Berufsbetreuer von sollte die nachfolgenden Informationen den Spannungen zwischen den Kindern Seiten der Gerichte zunehmend darauf beachten. Zum besseren Verständnis und leidet. Im vorliegenden Fall hielt das OLG getrimmt werden, nur noch die Betreu- für die sinnvolle Verwendung der Muster- Köln die Bestellung einer familienfrem- ten gerichtlich und außergerichtlich zu ver- formulare (Vorsorgevollmacht, Betreuungs- den Berufsbetreuerin für gerechtfertigt. treten. Für Hilfen zur Förderung größt- und Patientenverfügung) lesen Sie bitte möglicher Selbständigkeit ihrer Mandan- Nr. 129 OLG Köln - BGB §§1896 I, 1895 H, 1897 IV, 1897 V auch die kurzen Erläuterungen. ten (z.B. Haushaltsführung, Lebensge- staltung) werden in der Regel keine Ver- Lichtblick Betreuungen werden selten aufgehoben Vorsorgevollmacht Ende 1992 standen in Deutschland ca. 419.000 Menschen unter gesetzlicher Unter einer Vorsorgevollmacht versteht man Regelungen, mit denen Sie eine oder mehrere Personen Betreuung. Ende 1998, also nur sechs Ihres Vertrauens ermächtigen, im Falle ihrer Handlungs- und Entscheidungsunfähigkeit für Sie bestimmte Jahre später, waren es über 800.000. Angelegenheiten zu regeln. Anderenfalls würde nämlich das Vormundschaftsgericht von Amts wegen „Damit steht jeder 105. Deutsche unter einen Betreuer bestellen, der Ihre Angelegenheiten regelt. Die Vorsorgevollmacht leitet sich aus ¤ 1896 Abs. gesetzlicher Betreuung“, erklärt Dr. Rolf 2 Satz 2 BGB ab. Bei schwerwiegenden medizinischen Ma§nahmen bleibt jedoch die Genehmigungs- Coeppicus in seinem Beitrag „Faszinie- pflicht durch das Vormundschaftsgericht bestehen. Eine notarielle Beurkundung ist nicht vorgeschrieben, rende Zahlen im Betreuungsrecht“. Das aber dringend anzuraten (kostenpflichtig). Anliegen des Betreuungsgesetzes, die Fremdbestimmung durch gesetzliche Betreuungsverfügung Vertretungen (damals Vormundschaften Auch mit einer Betreuungsverfügung benennen Sie eine Person des eigenen Vertrauens, die Sie in gericht- und Pflegeschaften) zurückzudrängen, lichen und au§ergerichtlichen Fragen vertreten soll, wenn Sie selbst nicht mehr in der Lage dazu sind. habe sich nicht erfüllt, so der Autor. Allerdings muss die von Ihnen in einer Betreuungsverfügung vorgeschlagene Person (es können auch Für die fast doppelte Zunahme der ein- hier mehrere sein) erst vom Vormundschaftsgericht als Ihr gesetzlicher Vertreter bestellt werden (¤ 1901a gerichteten Betreuungen in nur sechs BGB), bevor sie Entscheidungen in Ihrem Namen treffen darf. Bei der Bestellung eines Betreuers muss Jahren sind in erster Linie die Vormund- das Vormundschaftsgericht sich nach den in der Betreuungsverfügung festgelegten Wünschen des Betrof- schaftsgerichte verantwortlich „Es wird fenen richten. Anders als der durch eine Vorsorgevollmacht Bevollmächtigte, wird ein gesetzlich bestellter nicht hinreichend geprüft, ob die Betreu- Betreuer in seinen Entscheidungen regelmäßig vom Vormundschaftsgericht kontrolliert. Bei schwerwie- ung erforderlich ist.“ genden medizinischen Ma§nahmen ist eine vormundschaftliche Genehmigung erforderlich. Nach Dr. Rolf Coeppicus Recherchen erfüllten die Betreuer ihre Pflicht nach § 1901 Abs. 5 S. 1 BGB - die Aufhebung Patientenverfügung von Betreuungen anzuregen - in mehre- Auch für seine medizinische Versorgung kann jeder klare Richtlinien vorgeben. Mit einer Patientenverfügung ren hunterttausend Fällen nicht. „Diese wahrt man sein Selbstbestimmungsrecht für den Fall, dass die Entscheidungsfähigkeit blockiert ist. So kann Nichterfüllung kann nur mit finanziellen etwa geregelt werden ob man in bestimmten Situationen Wiederbelebungsversuche will oder durch Appa- Interessen erklärt werden.“ Zudem wür- rate künstlich am Leben erhalten werden soll. Eine Patientenverfügung bietet Rechtssicherheit, vor allem für de oft ohne wirklichen Bedarf abge- die behandelnden Ärzte, die nicht wissen können, wie ein Patient sich bei vollem Bewußtsein entscheiden rechnet. EB würde. Um sicher zu gehen, dass die Verfügung wirklich respektiert wird, sollte man diese immer mit einer Vorsorgevollmacht kombinieren. Man entscheidet somit selbst, wer für einen handeln darf.

56 Lichtblick • Jahresheft 2000 VORSORGE

Vorsorgevollmacht Muster Newsletter www.lichtblick99.de Für den Fall, dass ich, Heinrich Mustermann, len dieselbe Wirksamkeit haben, als wenn geb. am 12.12.1940 in Musterdorf (jetzige ich sie selbst ausführen würde. Aus dem Vermögen bedient Anschrift), vorübergehend oder dauerhaft Die Vollmacht gilt nur, wenn die Bevoll- lb-news/rh: Das Thema Betreuung hat nicht in der Lage sein sollte, meine Angele- mächtigte das Original dieser Vollmacht vor- DER SPIEGEL in seiner Ausgabe vom 8. genheiten selbst zu regeln und meinen Wil- legen kann. Ich behalte mir vor, diese Voll- Mai aufgegriffen - nicht die positiven Bei- len zu äussern, bevollmächtige ich Traute macht jederzeit zu widerrufen. spiele, sondern sechs Einzelfälle von Trautmann, geb. am 11.11.1970 in Traut- Sollte trotz dieser Vollmacht ausnahmsweise Betrug. Cordula Meyer beschreibt in mannshagen (jetzige Anschrift), mich - auch die Bestellung eines Betreuers notwendig ihrem Beitrag „Porsche vorm Alters- über meinen Tod hinaus - gemäß §§ 1896 werden, weil z.B. die Bevollmächtigte ihre heim“, wie leicht es kriminell motivierte Abs. 2, 164 ff. BGB, zu vertreten. Aufgabe (insbesondere wegen Krankheit) Betreuer haben, sich aus dem Vermögen (Falls möglich, einen Ersatzbevollmächtig- nicht wahrnehmen kann, so schlage ich ihrer Schützlinge zu bedienen. Der ten benennen.) dafür vor: Name, Geburtsdatum, wohnhaft, Bericht schliesst mit einem prekären Die Feststellung, dass ich wegen meiner Telefon. Ort, Datum, Unterschrift Betreuungsfall: „In Freiburg ließ ein körperlichen oder geistigen Verfassung aus- Anwalt das 1,2 Millionen Mark schwere Ich/Wir bestätige(n) mit meiner/unserer serstande bin, meine Angelegenheiten selbst Wertpapierdepot eines alten und kran- Unterschrift, dass Herr/Frau die Verfügung zu regeln und meinen Willen zu äußern, ken Universitätslehrers auf seinen eige- im Vollbesitz ihrer/seiner geistigen Kräfte muss in jedem Fall von einem Arzt getrof- nen Namen umschreiben. Der Professor verfaßt hat. fen werden. Die Bevollmächtigte soll mich hatte den Anwalt selbst als Vermögens- verwalter eingesetzt.“ in allen persönlichen, gesundheitlichen und Ich habe den Inhalt erneut überprüft und finanziellen Angelegenheiten vertreten, weil bestätige, dass dieser weiterhin mein Wil- ich ihr vertraue. Ihre Rechtshandlungen sol- le ist: Ort, Datum, Unterschrift. Vorsorgevollmacht lb-news/rh: Im Rahmen einer „Tournee durch Deutschland“ will der Landesver- Betreuungsverfügung Muster band Psychiatrie-Erfahrener Berlin-Bran- denburg e.V. über eine speziell für die Für den Fall, dass für mich eine Betreuung weiterhin regelmässigen Kontakt zu fol- Psychiatrie entwickelte Vorsorgevoll- eingerichtet werden muss, möchte ich, genden Personen/Angehörigen haben: macht informieren. Mit dieser könne man (Name, Geburtsdatum, Wohnort), dass mei- Name, Geburtsdatum, Wohnort. sich vor den „Gewalttätigkeiten der Psy- ne Mutter (Name, Geburtsdatum, Wohnort, (*Beispiele: Unzutreffendes streichen, eige- chiatrie schützen, in der man wegge- Telefon) meine Rechtliche Betreuerin wer- ne Wünsche einfügen) Ich behalte mir vor, sperrt und gegen den Willen gespritzt den soll. Sollte meine Mutter diese Aufga- diese Vollmacht jederzeit zu widerrufen. werden kann, ja sogar eine Fixierung be (insbesondere wegen Krankheit) nicht Ort, Datum, Unterschrift droht“, heißt es in einem Aufruf an ört- wahrnehmen können, so schlage ich dafür liche Initiativen. „Da viele noch Fragen Ich/Wir bestätige(n) mit meiner/unserer meinen Vater vor: Name, Geburtsdatum, haben mit dem Ausfüllen“, so der Ver- Unterschrift, dass Herr/Frau die Verfügung Wohnort, Telefon. anstalter, sind bundesweite Schulungen im Vollbesitz ihrer/seiner geistigen Kräfte *Ich möchte, dass mein in der anliegenden geplant. Für Berlin stehen folgende Ter- verfaßt hat. Patientenverfügung geäusserter Wille kon- mine fest: 29./30.Mai, 1./2.Juni und am sequent beachtet wird. *Ich möchte im Pfle- Ich habe den Inhalt erneut überprüft und 3.6. (Gesundheitstag). Vom 5. bis 15. Juni gefall solange wie möglich und zumutbar zu bestätige, dass dieser weiterhin mein Wil- sind Treffen in den neuen Bundesländern Hause versorgt werden. *Ich möchte gern le ist: Ort, Datum, Unterschrift geplant. Alte Bundesländer: 18. Juni bis 2. Juli (beginnend am 18.6. in Bielefeld). Besonders die Empfehlungen zur Vor- Patientenververfügung Weitere Hinweise sorgevollmacht, die unter www.vo-vo.de abrufbar sind, werden von Berufsver- Seit Jahren schon werden »Für den Fall, klärung einmal als Bestandteil einer Vorsor- bänden, Selbsthilfeinitiativen und von dass ...« unter der Bezeichnung „Patien- gevollmacht, kombiniert mit einer Betreu- Juristen „kritisch“ bewertet. tentestament“ Vordrucke von verschiede- ungsverfügung, abzugeben und sie zum nen Organisationen angeboten. Diese Ange- zweiten als Auszug - zum Verbleib in den bote reichen von Vordrucken, in die ledig- Krankenakten - gesondert zu gestalten. Betreuungsrecht lich der Name einzusetzen ist, bis zu kleinen Hilfreich ist es, die Therapiewünsche Vormundschaftsgerichtstag Ratgebern, die Muster und Formulierungs- (Umfang und Dauer) genau zu benennen. www.ruhr-uni-bochum.de/zme/VGT vorschläge für die Abfassung von Regelun- Die Patientenverfügung mit einer Betreu- Bundesverband der Berufsbetreuer gen, einschließlich der Patientenverfügung, ungsverfügung zu verknüpfen hat den Vor- www.bdb-ev.de zur Verfügung stellen. teil, als Unterzeichner dem Gericht vor- www.betreuung.de Eine Patientenverfügung dokumentiert den schlagen zu können, wen man im »Ernst- Online-Lexikon Betreuungsrecht Willen eines Patienten für den Fall, dass er fall« als Betreuer oder Betreuerin eingesetzt www.betreuer-netz.de/btr sich nicht mehr äußern kann. Es richtet sich sehen möchte. Die Patientenverfügung soll- an Ärzte und ist ein gewichtiges Indiz für den te regelmäßig (jährlich) überprüft und erneut Welche Aufgaben hat der Betreuer? mutmaßlichen Willen des Patienten bezüg- durch Datum und Unterschrift bestätigt wer- http://www.justiz-augsburg.de/ag/vormallg.htm lich der medizinischen Behandlung. den. Die Indizwirkung der Verfügung ist News aus dem Sozialbereich Arzt sowie Bevollmächtigter und Rechtlicher umso stärker, je kürzer Abfassen bzw. http://www.sozial.de/default.htm Betreuer sind an Ihren Willen gebunden, Bestätigen zurückliegen und je genauer die Menschen betreuen Menschen wenn Sie sich unmißverständlich aus- Aussagen zur Therapie sind. http://www.betreuung-online.de/ drücken. Empfohlen wird, diese Willenser- © Psychosoziale Umschau 3/99

Lichtblick • Jahresheft 2000 57 PORTRÄT

Rede von Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer Newsletter www.lichtblick99.de Handlungsleitlinien zur Bundesverdienstkreuz für Prof. Dr. Klaus Dörner Unterbringung nach PsychKG Lb-news/lsm: Der Arbeitskreis Psychia- trie der Stadt Münster, in dem auch Angehörige und Betroffene mitarbeiten, hat Handlungsleitlinien zur Unterbringung in psychiatrische Kliniken herausgebracht. Sie sind als praxisnahe Verfahrenshin- weise gedacht, wenn eine Unterbringung nach PsychKG nicht zu vermeiden ist. Besonders gut: die kleine Broschüre stellt zwar den Patienten in den Mittelpunkt, berücksichtigt aber auch die Probleme der Angehörigen. Zu bestellen bei apk- [email protected] Patienten in M-V verunsichert Nach einer OZ-Pressemeldung sei aus Sicht der Ärzte in Mecklenburg-Vorpom- mern die medizinische Grundversorgung nicht mehr länger gesichert. Bereits jetzt seien Sterblichkeit und Zahl der Erkran- kungen bei vielen Krankheitsbildern im In der ersten Reihe: Prof. Dr. med. (a.D.) Dr. phil. Klaus Dörner und Bundes- Osten deutlich höher als in den alten Bun- desländern. Die Verweildauer der Pati- gesundheitsministerin Andrea Fischer. Foto: Anke Hinrichs, Der Eppendorfer enten in Krankenhäusern habe mit acht Tagen den niedrigsten Stand im Bun- Sehr geehrter Herr Prof. Dörner, Auszeichnung stehen? Er wird von seinen Mitstreiterin- desgebiet. In den meisten Kliniken beste- sehr geehrter Herr Prof. Stark, nen und Mitstreitern als jemand beschrieben, der sich sehr geehrte Frau Vogel, unglaublich engagiert und immerzu aktiv ist. Gleichzei- he das ärztliche Personal mit Ausnahme meine Damen und Herren, einer dünnen Verwaltungsspitze aus Assi- tig gilt er als Mensch, der wenig übrig hat für Formalitä- stenzärzten und unerfahrenen Ärzten im Ich freue mich sehr, heute am ãForum Rehabilitation Ð ten, der fast asketisch wirkt und Luxus ablehnt. Praktikum. Für eine dem Stand der ande- Brennpunkte in der Psychiatrie“* hier in Hamburg teil- Wird Herr Dörner das Bundesverdienstkreuz eher als ein ren Bundesländer entsprechende Ver- nehmen zu können. Dieses Forum hat sich zu einer zen- wohlfeile Geste sehen, mit dem der Staat das Engage- sorgung der Bevölkerung fehlten insge- tralen Fortbildungs- und Wissenschaftstagung in der Psy- ment seiner Bürgerinnen und Bürger zwar würdigt, ihre samt rund 47 Millionen Mark. chiatrie entwickelt. Der breite Kreis der veranstaltenden Anliegen aber dennoch kaum zur Kenntnis nehmen muss? Organisationen und die Konzeption der Veranstaltung Oder betrachtet er das Bundesverdienstkreuz als Aner- ermöglicht einen berufsübergreifenden Austausch aller an kennung für seine bisherige Arbeit, als Ermutigung in die- der Psychiatrie und dem weiten Feld der Rehabilitation Spendenaufruf ser Richtung weiterzugehen und freut sich schlicht und beteiligten Gruppen. Besonders wichtig ist aus meiner einfach darüber. Sicht, dass auch Verbände der Betroffenen und der Es ist nicht genug, zu wissen, Angehörigen in die Vorbereitung dieser Veranstaltung mit Ich vermute mal, dass Ihre Beziehung zu Orden und Urkun- man muß auch anwenden; einbezogen sind. den eher ambivalent sein dürfte, so wie dies bei vielen von uns der Fall ist. Ich würde mir aber wünschen, dass bei Die vielfältigen Themen, die Sie während der letzten Tage es ist nicht genug zu wollen, aller Skepsis die Freude über die Anerkennung überwiegt. und auch heute behandeln, wären schon Grund genug Denn Sie Herr Prof. Dörner haben sich wirklich um die- man muß auch tun. dafür, dass ich heute hier bin und einige Worte zu Ihnen se Gesellschaft verdient gemacht, Ihre Arbeit hat die Ent- spreche. Der Hauptgrund ist jedoch, wie Sie sicher wis- Kurt Goetz (dt. Schriftsteller) wicklung der psychiatrischen Versorgung in unserem Lan- sen, ein anderer. de entscheidend geprägt. Wer, wenn nicht ein Mensch wie Der Bundespräsident hat Herrn Prof. Klaus Dörner für sei- Sie, hat so eine Auszeichnung verdient. ne besonderen Verdienste um die Gestaltung einer moder- Als Vertreterin der Bundesregierung darf ich Ihnen au§er- nen, humanen psychiatrischen Versorgung in Deutsch- lichtblick dem versichern, dass ich die Verleihung des Bundes- land und auf internationaler Ebene das Verdienstkreuz 1. verdienstkreuzes auch als Auftrag an uns sehe, dass wir Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutsch- gemeinsam auf dem Weg der Reform der psychiatrischen Geld- und Sachspenden land verliehen. Die Deutsche Gesellschaft für Soziale Psy- Versorgung in unserem Lande weitergehen. sind steuerlich absetzbar. chiatrie, hat Herrn Prof. Dörner dafür vorgeschlagen und dies mit meiner vollen Unterstützung. Deshalb habe ich Klar ist, dass einer alleine niemals eine solch tiefgrei- heute die Ehre, Ihnen Herr Prof. Dörner, diese Auszeich- fende Veränderung bewirken kann, wie sie in der Psy- Selbsthilfe-Konto nung zu überreichen. chiatrie in Deutschland in den letzten 25 Jahren stattge- KNr. 12 00 00 16 01 funden hat. Er muss andere Menschen überzeugen, mit Das Forum Rehabilitation erschien uns dafür ein sehr gut- BLZ 14 05 10 00 ihm in die gleiche Richtung zu gehen. Aber gerade, wenn er Rahmen, denn hier sind viele versammelt, die sich seit man sich Ihr Lebenswerk ansieht, Herr Prof. Dörner, dann Jahren gemeinsam mit Ihnen, Herr Prof. Dörner, für die Sparkasse Mecklenburg-Nordwest (Wismar) wird deutlich, wie viel das Engagement eines einzelnen Interessen psychisch Kranker engagieren. bewirken kann, vor allem dann, wenn er so inspirierend Rufen Sie uns an: Tel. 0381 - 72 20 25 Im Vorfeld zu dieser Verleihung habe ich mich gefragt - auf andere wirkt wie Sie und sie damit ermutigt, sich eben- wie wird ein Mensch wie Herr Prof. Dörner wohl zu dieser so zu engagieren.

58 Lichtblick • Jahresheft 2000 PORTRÄT

Ich möchte nur beispielhaft einiges von dem herausgrei- Rehabilitierung forderten. Ohne seine Briefaktion wäre fen, was sie für dieses Land getan haben. Dabei möch- Vertrauen ins unsere Psychiatrie nach ihrem Verbrechen Newsletter www.lichtblick99.de te ich betonen, dass mir der Name Klaus Dörner und sei- im NS-Staat nur schwer mehr möglich.“ Dieser Anerken- ne Verknüpfung mit der Psychiatriereform in Deutschland nung ist kaum mehr etwas hinzuzufügen. schon lange bevor ich mich professionell mit diesem The- Schizophrene Mäuse ma auseinandergesetzt habe, ein Begriff war. Dies zeigt, Aber damit nicht genug. Sie haben bereits vor der Wen- lb-news: Was haben Menschen mit Mäu- de, aber ebenso danach die sozialpsychiatrisch orien- dass sie weit über die Grenzen Ihres Faches hinaus gewirkt sen gemeinsam? Unter anderem, dass haben. tierten Mitarbeiter in den ostdeutschen Ländern in ihren Reformvorhaben unterstützt. Dabei wird Ihnen vonsei- beide an Schizophrenie erkranken kön- Sie haben den Blick auf die sozialen Bedingungen der ten derjenigen, die in der damaligen DDR in der Psy- nen, so berichtet die FAZ am 20.10.99. psychiatrischen Erkrankungen gelenkt und treten schon chiatrie gearbeitet haben, bescheinigt, dass es sich um „Schizophrenie wird möglicherweise seit vielen Jahren dafür ein, dass kein psychisch kran- eine partnerschaftliche Zusammenarbeit gehandelt habe, durch einen Mangel an bestimmten Bin- ker Mensch dauerhaft im stationären Bereich leben muss. die bei aller Kritik und Auseinandersetzung vor allem dungsstellen für den Nervenbotenstoff auch von Neugierde auf die Arbeit der Kolleginnen und Glutamat begünstigt.“ Darauf lassen, laut Als Leitender Arzt des Landeskrankenhauses in Güters- Kollegen im anderen Teil Deutschlands geprägt war. FAZ, Untersuchungen, die amerikanische loh konnten Sie in der Praxis zeigen, dass der größte Teil Über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus haben Sie Forscher an Mäusen vorgenommen der chronisch psychisch kranken Menschen in eigene au§erdem bereits 1985 Kontakte zu Psychiatern in Polen haben, schließen. Bei den Bindungs- Wohnung im Rahmen des Betreuten Wohnens entlassen aufgebaut. Schlie§lich wurde die Deutsch-Polnische werden könnte. Die Voraussetzung dafür ist vor allem die stellen handelt es sich um so Gesellschaft für seelische Gesundheit gegründet, die die genannte NMDA-Rezeptoren. Die For- umfassende Integration psychisch Kranker in die Gemein- Basis für eine breite Zusammenarbeit zwischen psychia- scher konnten nach gentechnischen Ein- de und die Schaffung von Arbeitsplätzen und Zuver- trischen Kliniken in beiden Ländern bildet. Auch bei den griffen an Mäusen, bei denen diese dienstmöglichkeiten für die betroffenen Menschen. Kontakten nach Polen wurde die Vergangenheit nicht aus- Rezeptoren verringert wurden, feststel- Die Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Bedin- geklammert, sondern die Auseinandersetzung mit der Psy- len, dass die Tiere Verhaltensanomalien gungen, die den Umgang mit psychisch Kranken prägen, chiatrie unter der Okkupation bildete die Basis für die wei- hat Ihren Blick auch auf die dunkelste Zeit der Psychiatrie tere Zusammenarbeit. entwickelten. Sie waren unruhig, führten in Deutschland, die Zeit des Nationalsozialismus gelenkt. stereotype Bewegungen aus, interes- Dies waren nur einige Beispiele Ihres vielfältigen Enga- sierten sich wenig für ihre Artgenossen Inzwischen gibt es vielfältige Versuche, die Ermordung gements. Ein besonderes Kennzeichen ihrer Arbeit ist und hatten einen geringen Sexualtrieb. dabei aus meiner Sicht, dass Sie immer wieder in der Lage psychisch Kranker und Behinderter historisch aufzube- Wenn das zutrifft, was bedeutet das dann reiten und zum Verstehen beizutragen. In mühevoller Arbeit waren, sich selbst und ihre eigene Profession in Frage zu stellen. Vielleicht hat es mit dazu beigetragen, dass sie für uns Menschen? Die Hoffnung vieler sind die Geschehnisse in den Einrichtungen für psychisch an Schizophrenie erkrankter Menschen Kranke erforscht und aufgearbeitet worden. sich schon während des Studiums nicht allein auf medi- zinische Fragen, sondern ebenso auf Philosophie, Sozio- und ihrer Angehörigen es könne endlich Sie Herr Prof. Dörner haben entscheidend mit dazu bei- logie und Geschichte konzentriert haben, dass sie viel stär- die Ursache für diese Krankheit gefun- getragen, dass diese Entwicklung überhaupt erst in Gang ker als andere, die gesellschaftliche Voraussetzungen den werden, erhält zum x-ten Male neue kam. Dabei haben Sie es nicht nur bei der Aufarbeitung medizinischer und psychiatrischer Tätigkeit in den Blick Nahrung. der Geschehnisse der Vergangenheit belassen, sondern genommen haben. Sie haben deutlich gemacht, dass der Hoffnungen, dass mit dem Finden von sich politisch für die Rehabilitation der Opfer engagiert. Umgang einer Gesellschaft mit den psychisch Kranken, der Ursachen auch Heilungsmöglich- Es war vor allem ihrem unermüdlichen Engagement zu sehr viel über die Gesellschaft als ganzes aussagt. keiten entwickelt werden könnten, dass verdanken, dass 1987 im Innenausschuss des Deutschen mit einem einleuchtenden Entstehungs- Bundestages eine Anhörung zur Frage der Entschädi- Sie haben sich damit auch der Zumutung gestellt, dass nachweis der psychischen Krankheiten gung der ausgeschlossenen Nazi-Opfer stattfand, bei der die Frage, wer ist irre und wer nicht, in unterschiedlichen die Betroffenen selbst gehört wurden. Sie haben durch Gesellschaften verschieden beantwortet wird und dass auch Vorurteile und Diskriminierungen, vielfältige Aktionen, die Politik dazu gebracht, sich mit der dann auch die Kategorien für die Arbeit mit psychisch Kran- Schuldgefühle und Scham verschwin- lange vergessenen Opfergruppe der psychisch Kranken ken verschwimmen. den mögen. Wie oft schon wurden sol- che Erwartungen vieler Menschen ent- zu beschäftigen. Wer Sie, Herr Prof. Dörner heute erlebt, der weiß, dass täuscht! Und doch - wir berichten dar- es heute nicht darum gehen kann Ihr Lebenswerk als Ein Merkmal, das Ihre Arbeit auf allen Feldern durchzieht, über, man weiß ja nie ...! ist dass Sie diejenigen, mit denen Sie zusammenarbeiten ganzes zu würdigen, denn ich bin sicher, Sie haben noch in einer Weise ernst nehmen, wie es leider noch nicht einiges vor. Ihr Rückzug aus der Arbeit in der Klinik hat Kommentierte Nachricht von Eva Straub immer und überall der Fall ist, gerade wenn es um psy- die Arbeitsschwerpunkte in den letzten Jahren lediglich chisch Kranke geht. Sie haben sowohl die Angehörigen verschoben. Sie haben sich grundsätzlicher mit Fragen Toter auf dem Klinikgelände psychisch Kranker als auch die Betroffenen immer wie- der ärztlichen Ethik befasst und ich bin schon sehr neu- der ermutigt, sich selbst zu engagieren. Sie hatten einen gierig auf die Ergebnisse. lb-news: Es war ein Sonntag, der 3. Advent vergangenes Jahr. Gegen elf Uhr wichtigen Anteil an der Entwicklung des Verbandes der Bei der Vorbereitung auf den heutigen Tag, habe ich mir meldeten der Polizei zwei Jugendliche Angehörigen psychisch Kranker und an der Gründung des auch die Festschrift angesehen, die zu Ihrem 60. Geburts- Bundesverbandes Psychiatrie Erfahrener. tag veröffentlicht worden ist. Sehr treffend fand ich darin vom Wismarer Friedenshof, dass sie den kurze Beitrag von Helga Stimpfle, der dem Buch auch einen offensichtlich hilflosen Mann gefun- Gerade die Auseinandersetzung mit der Psychiatrie im den haben. Er lag im hinteren Bereich Nationalsozialismus war eine entscheidende Vorausset- seinen Namen gegeben hat: Herr Dörner hat eine Idee. des Klinikums am Friedenshof. Polizei- zung, dass psychisch Kranke überhaupt wieder Vertrau- Ich zitiere: „Wie war das noch? Herr Dörner ruft an, hat en in die Psychiatrie fassen konnten und bereit waren, mit eine Idee und will mich für die Mitarbeit gewinnen. Ich habe beamte stellten dann fest, dass der Mann Ärzten und Psychiatern bei aller kritischen Auseinander- natürlich Bedenken, er versteht diese Bedenken, räumt tot war. Die Leichenstarre hatte bereits setzung zusammenzuarbeiten. Wie wichtig dies für die sie mit der ihm eigenen Überzeugungskraft und seinem eingesetzt. Anzeichen für ein Verbrechen Betroffenen war, macht Dorothea Buck vom Bundesver- Charme aus, und wir werden uns einig. So einfach ist das lagen nicht vor. band Psychiatrie-Erfahrener deutlich: „Klaus Dörner dan- – was gibt es da schon zu erzählen." Vor allem das wün- Bei dem Toten handelt es sich um einen ken wir, dass er und seine MitstreiterInnen, die gegen uns sche ich Ihnen auch für die Zukunft: weiterhin viele gute 44-jährigen Wismarer, der Patient in der gerichteten Ausrottungsma§nahmen der Zwangssterili- Ideen und Menschen, die sich von diesen Ideen begei- Neurologie war. Er hatte die Station am stern lassen. sationen und der «Euthanasie» nach vierzigjährigem Ver- Sonnabend gegen 18.30 Uhr verlassen. drängen und Verschweigen als Unrecht und Verfolgung Quelle: OZ Lokalausgabe, 21.12.1999 ins Bewusstsein der Öffentlichkeit brachten und unsere Gehalten auf dem Forum Rehabilitation am 6.5.0 0 in Hamburg

Lichtblick • Jahresheft 2000 59 HINTERGRUND

Newsletter www.lichtblick99.de Erinnerung an grausame Vernichtung vor 60 Jahren

Forensik 1265 Patienten aus Stralsunder Anstalt wurden deportiert und ermordet

So sicher wie eine JVA? Lange war es ein Tabu-Thema, eines der nutzen kann. Das besondere in Stralsund: dunkelsten Kapitel der Medizingeschichte: Mit vorauseilendem Gehorsam des Gau- lb-news/rh: Fast alle Sachverständigen, die am 23. Februar 2000 an der öffentli- Die Verschleppung und Tötung psychisch leiters Franz Schwede-Cohburg begann die chen Anhörung zur Novelle des Psy- Kranker und Behinderter im NS-Staat und Aktion hier zwei Monate vor dem offiziellen chischkrankengesetzes (PsychKG) in die Verstrickung von Ärzten in dieses Pro- Start. „Bereits am 14. November 1939 wur- Mecklenburg-Vorpommern im Gesund- gramm. In der „IV. Pommerschen Heil- und den die Stralsunder Patienten nach Mese- heitsausschuss des Schweriner Land- Pflegeanstalt Stralsund“, dem heutigen Kli- ritz-Obrawalde, Ueckermünde, Treptow an tages teilnahmen, verwiesen darauf, dass nikum West, waren es allein 1200 Patien- der Rega und Lauenburg deportiert, wo sie die vorgeschlagenen Regelungen zum ten, die ermordet wurden. durch Kohlenmonoxid, Giftinjektionen oder Maßregelvollzug im wesentlichen der Im November 1999 erinnerten die Kirchen- Verhungernlassen starben. Sicherheit der Öffentlichkeit und des Per- gemeinden der Stadt in einem ökumeni- Mehr als 300 Menschen wurden im Wald sonals dienen. „Dieser Ansatz ist uns zu einseitig“, erklärte Ulrike Schob, Vorsit- schen Gottesdienst an dieses Unrecht. von Piasznicza von der SS erschossen. Bis zende des Angehörgenverbandes. Dazu hatte sich in der Klinikumkirche eine zum 14. Dezember 1939 waren alle 1265 „Forensische Patienten haben einen große Anzahl von Besuchern eingefunden. Patienten der Stralsunder Anstalt verlegt Anspruch auf optimale Therapie und „Um der Anteilnahme und Betroffenheit dar- und anschließend getötet worden“, so Freia Resozialisierung.“ Fakt ist, dass etwa 22 über Ausdruck zu vergeben, was sich Sachtleber, Oberärztin in der Kinderneu- Prozent der Mitarbeiter in MV über kei- damals zugetragen hat. Gegen eine Wie- ropsychiatrie, die darüber ihre Doktorarbeit ne spezielle Ausbildung verfügen. Zudem derholung solch schlimmer menschlicher schreibt. ist die Qualifizierung der ambulanten Entgleisung“, so Pfarrer Dietmar Prophet. Die Stralsunder Anstalt wurde als erste in Nachsorge gesetzlich nicht geregelt. Schüler des Hansa-Gymnasiums gestalte- Deutschland an die SS übergeben und soll- „Ambulante Psychiater fürchten um ihren ten gemeinsam mit den Behinderten Ronny, te bis zum Kriegsende SS-Kaserne bzw. Ruf, wenn sie ehemalige Forensiker behandeln“, so ein Berufskollege. Medien- Lars und Gunnar eine szenische Lesung mit SS-Lazarett bleiben. Gerettet werden konn- berichte würden noch immer ein negati- Texten von Zeitzeugen. Der Direktor der Kli- ten nur etwas 200 bis 300 Patienten, die ein ves Bild von der Forensik zeichnen. nik für Psychiatrie und Psychotherapie, Prof. mutiger Oberarzt kurz zuvor entließ. Im Fall der Ausbrüche straffällig gewor- Harald J. Freyberger sagte: „60 Jahre „Als der Krieg vorbei war, glaubte manch dener psychisch Kranker in Nord-Vor- danach und zehn Jahre nach dem Mauer- einer, dass auch diese Euthanasiegedan- pommern wurde die betroffene Foren- fall muss man das Thema öffentlich ken endgültig der Vergangenheit angehören. sik als Nervenklinik bezeichnet. Es wer- machen. Es ist die beste Möglichkeit, mit Ein Irrglaube?“ Das fragte in seinem Vor- de praktisch kein Unterschied gemacht. den Dingen, die unsere Großväter ange- trag Dr. Ulrich Müller, Chefarzt der Klinik für Bemerkenswert ist die Aussage eines Mit- richtet haben, umzugehen.“ Kinderneuropsychiatrie. arbeiters aus der Forensik: „In der Regel Im Frühjahr 1939 begann die sogenannte Er setzte sich scharf mit der 1979 veröf- werden bei uns persönlichkeitsgestörte und suchtkranke Patienten behandelt.“ „Aktion Gnadentod“. Nachdem sich kaum fentlichten Schrift des Australiers Peter Sin- Bundesweit werde geprüft, ob Sexual- Widerstand regte, schloss sich die „T4-Akti- ger „Praktische Ethik“ auseinander, in der straftäter in spezielle Abteilungen des on“ an. Sie erhielt ihren Namen durch den erneut die Begriffe „Lebenswert“ und Strafvollzuges untergebracht werden kön- Standort der Organisationszentrale in der „Unwert“ auftauchen. Die Schrift habe kein nen. Eine Gesetzesänderung ist für 2003 Berliner Tiergartenstraße 4. SS-Führer menschliches Fundament. zu erwarten. Himmler war versprochen worden, dass er Mit freundlicher Genehmigung: Ostsee-Zeitung, Lokalausgabe die freiwerdenden Anstalten als Kasernen Stralsund, November 1999, Autorin M. Walther, gekürzt, d.R. Deutschland Medizinethik vernachlässigt? Patentamt ändert Patent für „Killer-Cocktail“ lb-news/lsm: Seminare zur Ethik sind für Das Europäische Patentamt (EPA) in Mün- Cocktail soll zum Herzstillstand führen. Die Medizinstudenten in den meisten Ländern chen hat ein 1996 erteiltes Patent für ein Kläger, darunter der CDU-Bundestagsab- Pflicht. In Deutschland wurde dieses The- „Euthanasie-Kompositionen“ genanntes Mit- geordnete Hubert Hüppe und die Initiative ma lange Jahre ignoriert. Nun soll durch tel zum Töten von Säugetieren nach einer „Mut zur Ethik“, meinten, der Mensch sei die neue Ausbildungsverordnung für Ärz- Sammelbeschwerde auf niedere Säuge- nicht ausreichend von der Anwendung des te der Besuch von Ethikseminaren für Stu- tiere beschränken lassen. EPA-Sprecher Rai- Mittels ausgenommen worden; das Patent dierende Pflicht werden. Medizinethik ist ner Osterwalder erklärte, die alte Fassung sei daher sittenwidrig. ein Fach zwischen Theologie und Philo- des Patents hätte möglicherweise den Ein- Mitglieder der Deutschen Hospiz Stiftung sophie und hat mit Moral wenig zu tun. Der Ethiker soll Entscheidungshilfen z.B. satz beim Menschen zugelassen. hatten zu Beginn der Einspruchsverhand- zu folgenden Fragen geben: Wann dürfen Das von Kritikern „Killer-Cocktail“ genann- lung als Ratten verkleidet vor dem Patent- lebenserhaltende Apparate abgestellt wer- te Mittel war mit finanzieller Unterstützung amt gegen das Euthanasie-Patent demon- den? Wie klärt man Patienten mit unheil- des Chemiekonzerns Hoechst von der Uni- striert. Sie bezeichneten die Erteilung des barer Krankheit auf? Welche genetischen versität Michigan (USA) entwickelt worden. Patents als „Skandal“ und erklärten, in Defekte dürfen korrigiert werden? Lehr- Die Universität hält auch die Patentrechte Deutschland dürfe das Töten von Menschen stühle für Geschichte und Ethik der Medi- und stimmte dem Änderungsvorschlag der nie wieder legal sein. Das ursprüngliche zin gibt es in Deutschland bisher nur in EPA-Einspruchsabteilung zu. Laut Patent- Patent hätte der Möglichkeit Tür und Tor Hannover, Münster, Tübingen, Göttingen schrift ist das Mittel für Tierärzte „zum huma- geöffnet, angeblich „unwertes Leben“ eines und Köln. nen Einschläfern“ von niederen Säugetie- Tages zu „vernichten“. ren wie Katzen und Hunde gedacht. Der AFP, dpa am 23.05.2000

60 Lichtblick • Jahresheft 2000 MEDIENTAG Psychisch Kranke im Spiegel der öffentlichen Meinung Symposium des Landesverbandes Thüringen der Angehgörigen psychisch Kranker in Jena

Jena, 19. Juni 1999 (fh) Ð Anläßlich des Symposi- wird die Schizophrenie häufig mit der Multiplen Per- schen moralischer Verantwortung der Journalisten ums „Psychisch Kranke im Spiegel der öffentlichen sönlichkeitsstörung á la Dr. Jekyll und Mr. Hyde ver- und dem Interesse des Lesers oder Mediennutzers.“ Meinung“ haben sich fast 200 Angehörige, Patienten, wechselt. Bei der Schizophrenie treten solche Phä- Die beste Reportage z.B. sei nur Altpapier, wenn sie Ärzte und Journalisten für eine qualitativ bessere Infor- nomene jedoch nicht auf“, so Prof. Matthias Anger- nicht auf das Interesse des Lesers trifft. Der Leser wün- mation der Öffentlichkeit über psychisch kranke Men- meyer, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychia- sche vor allem „news to use“, also Informationen, die schen ausgesprochen. trie der Universität Leipzig. er direkt gebrauchen und in seinem konkreten Alltag Der größte Teil der Bevölkerung habe keinen persön- Die Schizophrenie gehört in den westlichen Kultu- umsetzen kann. Also müsse die Fülle von Nachrich- lichen Bezug zur Psychiatrie und beziehe daher die ren zu den schwerwiegendsten psychischen Erkran- ten nach einem Schema selektiert werden, wie z.B. Informationen aus den Medien, stellte der Landes- kungen, unter anderem deshalb, weil ihre typischen Aktualität, Außergewöhnlichkeit oder Negativität. Die- verband Thüringen der Angehörigen psychisch Kran- Symptome, z.B. das Stimmenhören, als sehr abson- se Nachrichtenfaktoren führten u.a. dazu, dass auch ker e.V., (LApK) Veranstalter des Symposiums, fest. derlich und beunruhigend angesehen werden. „Negativ-Schlagzeilen“ über psychisch Kranke ent- Etwa ein Prozent der Bevölkerung ist irgendwann im stehen könnten. In der Diskussion merkte Fischer an, Leben wegen einer schizophrenen Psychose in dass die Medien durchaus für mehr Anregungen und Behandlung. Die Krankheit bricht vorrangig im jungen Anlässe von seiten der Angehörigen, Betroffenen und Erwachsenenalter aus. Bei einigen bleibt der Aufent- Ärzten offen seien, allerdings fehle oft bei den Angehöri- dpa im Januar 1996 halt in der Psychiatrie einmalig, der Großteil zeigt mäßi- gen und Betroffenen die Bereitschaft, offen auf die ge bis gute Behandlungserfolge. Medien zuzugehen. Neue Therapien, die nebenwirkungsarme Medika- Einige Angehörige machten deutlich, dass ihnen immer mente mit geeigneten sozialpsychiatrischen und psy- wieder die Kraft und zum Teil auch der Mut fehle, sich chotherapeutischen Maßnahmen verknüpfen, zeigen mit der Öffentlichkeit zu konfrontieren. Dies liege z.T. Wilhelmshavener Zeitung vom 3.9.1999 bereits eine hohe Erfolgsrate. Sie tragen damit ent- auch am Versäumnis der Psychiatrie, die die Vorur- scheidend dazu bei, dass psychisch Kranke in der teile von seiten der Bevölkerung maßlos unterschätzt Familie und somit in der Gemeinschaft leben können. und so nicht rechtzeitig aktiv dagegen gearbeitet hät- Die Folgen der Stigmatisierung der Angehörigen in ten, so Heinz Deger-Erlenmaier, Angehöriger und Lei- der öffentlichen Meinung führen bei den Betroffenen ter einer Tagesstätte für psychisch Kranke. und Angehörigen jedoch häufig zu Isolation, Rückzug, Gefühlen von Scham und Schuld. Soziale Kontakte ãDen anderen einfach die Schuld in die Schuhe zu Ostsee-Zeitung vom 23.9.1995 zu Verwandten, Freunden und Bekannten reduzieren schieben, hilft niemandem. Man mu§ selber etwas sich immer mehr, je länger die Erkrankung dauert. Die tun“, so Susanne Heim, Beiratsmitglied im Bundes- „Psychiatrie“ suggeriert: dort werden gewalt- Angehörigen verstecken sich und am liebsten auch verband der Angehörigen psychisch Kranker e.V. Zu tätige Menschen untergebracht. die Erkrankung. den wichtigsten Aufgaben der Verbandsarbeit zähl- te sie die Solidarisierung der Betroffenen und ihre In den Medien werde jedoch die Wirklichkeit verzerrt Über Ansichten eines Journalisten und die Aufga- Ermutigung zum aufrechten Gang. Darüber hinaus und es herrsche vor allem das Aufmerksamkeit hei- ben der Presse sprach Dr. med. Christoph Fischer, müßten die Gruppen vor Ort und ihre Mitglieder zur schende Bild des gewalttätigen Irren vor. verantwortlicher Ressortleiter Medizin der Bundes- Öffentlichkeitsarbeit befähigt werden: durch gezielte Untersuchungen ergaben, dass psychisch Kranke ausgabe der BILD-Zeitung. Die Hauptaufgabe der Anleitung und praktische Hilfen für den Umgang mit meist nur im Zusammenhang mit Kapitalverbrechen Medien bestünde in sachlicher Berichterstattung. Bei den Medien und Multiplikatoren. und z.B. Attentaten auf deutsche Politiker genannt der Informationsflut sei die Auswahl schwer, müsse werden. Nur sehr selten wird über das persönliche aber notwendigerweise sein. Weitere Zwänge sind im Schicksal berichtet. Die Vertreter der Medien beton- jeweiligen Medium selbst begründet: Zeitdruck (z.B. Symposium am 19.6.99 im Best Western Hotel, Jena, mit freundli- ten in Jena ihre Bereitschaft, mehr Verantwortung für Andruck oder Sendezeiten) und Platzmangel. Ein wei- cher Unterstützung des Hauptsponsors Lilly Deutschland GmbH und diese Themen zu übernehmen, signalisierten aber terer Fakto r ist der Zwang zur Produktion von Texten Janssen-Cilag gleichzeitig, dass es ohne Offenheit von Angehörigen, und Bildern, die den Absatz der Zeitung oder Sendung Landesverband Thüringen der Angehörigen psychisch Kranker e.V. Betroffenen und Ärzten nicht ginge. „In den Medien gewährleisten. „Schwierig ist die Gratwanderung zwi- Bahnhofstr. 1a, 07641 Stadtroda, Telefon/Fax: 03 64 28/5 62 18

Psychothriller: Fördern das Vorurteil, psychisch BILD-Redakteur Dr. med. Christoph Fischer im Mit Ihrem Medientag zu frieden: Irene Norberger Kranke sind gefährlich und unberechenbar. Gespräch mit einem Psychiatrieerfahrenen. (LApK Thüringen) und Prof. K.-D. Dresler (FH Jena).

Lichtblick • Jahresheft 2000 61 MEDIENTAG Psychiatrie im Brennglas der Medien Von Eva Straub

Im Film und in der Presse ist Psychiatrie dann attrak- Sorge haben müssten gesellschaftliche und berufliche tiv, wenn sie von der Faszination des Unheimlichen, Nachteile erleiden zu müssen, wenn die Bevölkerung des Unerklärlichen und des Schreckens umgeben ist. ein vertrauensvolles Verhältnis zur Psychiatrie hätte, Psychothriller im Fernsehen, Sensationsberichte in der könnte den Familien viel Leid erspart und könnte man- Boulevardpresse über mysteriöse Tötungen durch Gei- che Chronifizierung vermieden werden. Zur Wieder- steskranke, psychopathische Serienkiller, die auf den eingliederung gehören also zwei: der Betroffene und Filmleinwänden ihr Unwesen treiben, garantieren hohe die Gesellschaft. Zuschauerraten, steigern die Auflage und ziehen Kino- Die Medien tragen dazu bei, wie die Wiedereinglie- besucher an. derung gelingt, indem sie das Klima dafür bereiten. Sie Autorin Eva Straub, hier im Gespräch mit Bun- bestimmen wer „in“ ist und wer „out“, von wem, was despräsident Rau in München, setzt sich öffent- geredet wird. Sie entscheiden, was wir erfahren sollen lich für mehr Toleranz gegenüber Menschen mit Was fremd ist, macht Angst und wieviel. Sie wecken Mitgefühl und Hilfsbereitschaft, psychischen Erkrankungen ein. oder stempeln andere zu Sündenböcken. Vorurteile gegenüber Irren, Besessenen, Verrückten - Aus Informationsbruchstücken wie - psychisch kran- geraten, aus dem labilen psychischen Gleichgewicht die Menge der Ausdrücke ist riesig - hat es fast zu allen ke Menschen sind unberechenbar, geistesverwirrt, hin- zukommen? Didaktische Beiträge können sehr erfol- Zeiten gegeben. Aber heute hätten wir mit der rasant terhältig und brutal, am besten unter Kontrolle halten greich sein, wenn sie: Neugier wecken, Spannung wachsenden Medientechnik die Möglichkeit, aufklärend - setzt sich das Bild über Menschen mit psychischen erzeugen, Gefühle ansprechen und Wissen vermitteln. Problemen zusammen. Auf die Personen und Ein- und verständnisfördernd zu handeln. Zu persönlichen richtungen, die sie therapieren - und auf die, die mit Begegnungen mit Menschen die an einer Schizo- Ich könnte mir vorstellen, dass von psychisch Kranken ihnen leben, färbt das ab. Sicher, auch Menschen phrenie leiden, kommt es nur noch selten. verursachte spektakuläre Ereignisse, die immer wie- mit psychischen Erkrankungen verüben Gewaltta- der in den Nachrichten gezeigt werden, von Fach- ten, das wollen und können wir nicht leugnen. Stati- leuten, von Psychiatern kommentiert werden. Ich könn- sche Zahlen über den Umfang liegen längst vor. Vorurteile sind mächtig te mir weiter vorstellen, dass sich daran eine faire Dis- Wer sich mit der Öffentlichkeit der Psychiatrie beschäf- kussion entzündet. Zum Beispiel über Behandlungs- tigt, befasst sich nicht mit Fachliteratur, nicht mit der Thorsten Freytag stellte bei einer Stra§enumfrage in möglichkeiten, über das Leben in der Gemeinde - und Geschichte der Psychiatrie, sondern mit den tagtäg- Magdeburg 1993 fest, dass von 160 Befragten nur drei nicht nur über Einsperren oder nicht! lich auf uns einströmenden Eindrücken. Personen jemals privaten Kontakt mit Schizophrenie- Wie wäre es mit einer Serie, in der ein schizophren Wer anders ist, ist fremd und was fremd ist, macht kranken hatten. In unserer Wahrnehmung existiert also Erkrankter ganz selbstverständlich einen festen Platz Angst! Angermeyer und Matschinger haben in einer kein realistisches Bild von psychischen Erkrankungen, in der Familie hat und dabei versucht, sein Schicksal ihrer Untersuchungen belegt: das Fremde wird mit Arg- sodass wir den Vorurteilen nichts entgegenzusetzen zu bewältigen. Eine Serie ähnlich wie die Lindenstraße. wohn bis Angst betrachtet, und zu dem geht man auf haben. Um nicht auch in die Schublade gefährlich, Mit Herz, Schmerz und Krankheitsbewältigung! Es gibt „soziale Distanz“. Ich zitiere: „...insgesamt betrachtet unberechenbar zu geraten, verheimlichen Betroffe- ja einige wenige solcher Filme, wie „Rain man“ oder ging die Bevölkerung gegenüber schizophrenen Kran- ne und ihre Angehörigen die Erkrankung. Ein Teu- ãEin Engel an meiner Tafel“. Es gibt sie nur zu wenig. ken am stärksten auf Distanz. Es folgten Asylanten..." felskreis setzt sich in Bewegung: Vorurteile sind mäch- Stattdessen werden wir mit Psychothrillern überhäuft! Die Autoren setzen die Stufenleiter in Richtung Akzep- tig, deshalb geben sich Betroffene und Familien nicht Wie mit einem Brennglas wird in diesen Psychothril- tanz weiter fort: depressiv Erkrankte, Türken und Rück- zu erkennen, weil sie sich nicht zu erkennen geben, lern das Gruselige und Schockierende überbetont. siedler. Auf der Imageskala stehen Schizophrenie- können psychistrieunerfahrene Laien die Vorurteile In Horrorgeschichten tummeln sich „unheimliche Irre“, kranke ganz unten. Jede Gesellschaft braucht ihre nicht abbauen. „verrückte Serienkiller“. - Hauptsache es verursacht Buhmänner, aber müssen es Kranke sein? Müssen es Nervenkitzel und Gänsehaut. Das steigert Einschalt- gerade die sein, die man als besonders verletzlich und quoten und Auflagen! Das gräbt sich tief ins Bewußt- sensibel ansieht, die sowieso schon Probleme mit der Rolle der Medien sein ein, prägt Wertevorstellungen und Verhaltens- Wahrnehmung und ihrer Beziehung zur Umwelt haben weisen. Die Brennglasmethode läßt gesunde Zeiten - die man Dank der Psychiatrie-Reform wieder in die- Durch die rasende Geschwindigkeit und die Fülle der aus, zeigt den Menschen nur in seiner schlimmen Pha- se, sie ablehnende Gesellschaft schickt. Informationen werden Nachrichten immer oberflächli- se der Krankheit, ohne sein Leid zu beleuchten. cher. Markante, sensationelle, schrille Reize durch- Die Auswirkungen auf Patienten, Angehörige, auf brechen die Abstumpfung oder die zur Gesunderhal- Gemeindepsychiatrie und Reintegration sind ver- Handeln tut Not tung notwendige Abschottung der Konsumenten. (Das hängnisvoll - und nicht zuletzt auch teuer! erklärt teilweise den Trend der Medienmacher nach Ganz abgesehen von der im Grundgesetz untersag- Es stellt sich hierbei die Frage nach den gesellschaft- immer mehr, immer schneller, immer lauter, immer ten Diskriminierung wegen Krankheit und Behinderung lichen Normen, nach unserer ethischen Einstellung, schockierender.) Die modernen Medien bieten fan- läßt so mancher Fernsehsender - sicher auch aus auch danach, wie die Gesellschaft mit ihren fremd- tastische Möglichkeiten, Unbekanntes bekannt zu Unkenntnis der Zusammenhänge bei der Auswahl der wirkenden Minderheiten umgeht, was Gewinnmaxi- machen. Fernsehen, Rundfunk, Zeitungen und Inter- Thriller-Filme, in erheblichem Ma§e Verantwortung für mierung, Entsolidarisierung und Individualisierung damit net - mit einer Breitenwirkung, wie es sie nie gab. Jeder gesellschaftliches Zusammenleben und für Minder- zu tun haben. Bundesbürger sieht täglich drei Stunden fern. Das heitenschutz vermissen. Aber nicht alle Minderhei- Gerade heute im psychiatrischen Zeitalter der Wie- macht neun Jahre bei einer Lebenszeit von 75 Jahren. ten sind betroffen. Niemand würde es wagen, etwas dereingliederung von psychisch kranken und behin- In Arbeitszeit umgerechnet beträgt der Fernsehkon- Abfälliges über HIV-Infizierte, Juden oder Sinti und derten Menschen in die Gemeinde, wirken sich Dis- sum ca. 27 Jahre. Roma zu sagen. kriminierungen dieser Menschen, ja der ganzen Psy- Gibt es in diesem System einen Platz für unser Anlie- chiatrie, fatal aus. Berührungsängste und Vorbehal- gen nach realistischer, fachlich richtiger, psychiatri- Brauchen wir also mehr lautstarken Protest? Brauchen te gegenüber psychiatrischen Einrichtungen, Psy- scher Information? Wer interessiert sich schon für eine wir eine breitere Lobby für psychisch Kranke? Brau- chiatern, Psychotherapeuten und Psychopharmaka trockene Psychiatrie-Info-Sendung, wer will schon Men- chen wir einen prominenten Schutzpatron, einen verhindern eine frühzeitige und regelmäßige Inan- schen mit fremden Verhaltensweisen sehen und ver- Schirmherrn oder eine Schirmherrin für Schizophre- spruchnahme dieser Dienste. Wenn keine Stigmati- stehen lernen, wer will in die Tiefen der menschlichen niekranke und ihre Angehörigen? Ich denke alles das, sierung zu befürchten wäre, wenn Angehörige nicht Psyche schauen und vielleicht selbst dabei in Gefahr aber vor allem brauchen wir Solidarität mit Schwachen.

62 Lichtblick • Jahresheft 2000 MEDIENTAG

So stellte sich uns betroffenen Angehörigen die Situa- Wenigstens sollte deutlich gemacht werden, bei wel- hintendanten, baten Bundestagsabgeordnete um Mit- tion dar, als der Landesverband der Angehörigen in chen Filmen es sich um einen Psychiatrie relevanten hilfe und schalteten die Arbeitsgemeinschaft Behin- Bayern, damals noch unter meiner Vorgängerin, eine Inhalt handelt. Ich denke an die Warnungen vor derte in den Medien ein. Sie alle verwiesen auf die Untersuchung über Häufigkeiten und den diskriminie- Gesundheitsschädigungen, wie sie bei der Zigaret- Presse- und Meinungsfreiheit, auf die künstlerische renden Charakter von Psychothrillern begann. tenwerbung durchgesetzt wurden. ãAnschauen auf Freiheit - und natürlich auf den Abschaltknopf. Auf eine eigenes seelisches Risiko!“ Welcher Mensch, der meiner letzten Aufforderungen um Unterstützung, beka- an einer Schizophrenie leidet, traut sich noch nach men wir einen sehr verständnisvollen Brief von der Mehr Fachinformationen einem Film wie „Das Schweigen der Lämmer“ auf die Staatskanzlei, die höchste Instanz der bayerischen Stra§e? Grundaussage: psychisch Kranke sind intel- Regierung. Darin verspricht der Staatsminister Huber, Fortwährend hörten wir Klagen von Angehörigen über ligent - aber Monster. sich mit unserem Anliegen an die führenden Medi- gesellschaftliche Isolation und massive Nachteile, über Wir haben auch einige wenige Filme gesammelt und enverbände zu wenden. Schuldzuweisungen, über Verlust von Beziehungen aufgenommen die wirklichkeitnäher und einfühlsam In neuester Zeit sind in Presse und Fernsehen weni- ganz besonders zu Zeiten aufsehenerregender mit dem Thema psychische Erkrankung umgehen, die ger Angriffe auf die Menschenwürde unserer Betrof- Gewalttaten, die in den Medien psychisch kranken beispielhaft einen zwar schwierigen aber toleranten fenen zu finden, bei Gerichtsberichterstattungen wird Menschen zugeschrieben wurden. Am meisten ver- und gelassenen Umgang mit den Erkrankten zeigen. sorgsamer mit Vorverurteilungen umgegangen. Wor- letzend waren und sind Reaktionen auf sexuelle Grau- Das sind Filme wie „Danny“, „Rain man“, „Siegfried, an das liegt, vermag ich nicht zu sagen. Wir hoffen, samkeiten, weil dabei kein Unterschied gemacht wird mein schizophrener Bruder". Das sind Filme, in denen dass unsere Interventionen Wirkung gezeigt haben. zwischen sexueller Abnormität und psychischer sich das Hilfe-Verhältnis fast umkehrt, in denen der Momentan versuchen wir in einer Briefaktion auf dis- Erkrankung. Besonders schmerzlich fiel uns auf, dass Erkrankte dem „Normalen“ hilft, zu sich selbst zu fin- kriminierende Psychothriller mit Briefen aus allen Tei- Richtigstellungen und Fachinformationen aus dem den. Ein solcher Film gibt dem Kranken eine positi- len Bayerns zu reagieren. Munde von Psychiatrieprofessoren und Ärzten nicht ve Bedeutung und macht ihn nicht zu einem gedul- Allein stehen wir Angehörigen auf verlorenem Posten zu hören waren. So sahen wir uns veranla§t in die deten Almosenempfänger von Hilfen. Öffentlichkeit zu gehen. Wir nahmen dazu Stellung im Kampf gegen Vorurteile, Diskriminierungen und und äußerten uns über die Kriminalitätsrate bei Psy- Unwissenheit über Psychiatrisches. Nur in einer kon- chosekranken, über die Chance, bei guter Behand- Alle müssen sich einmischen zertierten Aktion aller Beteiligten und in nicht nach- lung und dichter Betreuung aufkeimende Gewaltbe- lassendem Einsatz werden wir zu einem besseren Ver- reitschaft frühzeitig erkennen zu können, über die Not- ständnis und mehr Toleranz unseren psychisch erkrank- Die Erkenntnisse habe ich in einem Aufsatz zusam- ten Menschen und ihren Angehörigen gegenüber kom- wendigkeit einer engmaschigen ambulanten Versor- mengefa§t und an Experten und Politikern geschickt. gung und über die verheerenden Folgen rücksichts- men. Und die Professionellen in der Psychiatrie bitte Auf die Briefe bekamen wir verständnisvolle, bedau- ich, die Betroffenen und ihre Angehörigen nicht allein loser Kommerzialisierung der Medien. Um etwas bewe- ernde Antworten. Kurz gesagt: von oben könne man gen zu können, braucht man auch Fakten. zu lassen, kommen auch Sie, aus ihren Krankenhäu- nichts machen. Immerhin, meiner Vorgängerin im LVB- sern heraus und mischen Sie sich ein, klären Sie auf, APK gelang es, eine Fernsehdiskussion zum The- protestieren Sie und stellen Sie sich schützend vor ihre Psychothriller untersucht ma „Psychisch Kranke in den Medien“ anzuregen. Sie Patienten oder doch wenigstens an ihre Seite. nahm mit ihrem betroffenen Sohn daran teil. Eine durch- schlagende Programmänderung haben wir zwar nicht Eine Angehörige nahm z.B. die riesige Arbeit und psy- erreicht, aber das Problem wurde ins Bewu§tsein chische Belastung auf sich, bekannte Fernsehsender gerückt. Zusätzlich protestierten wir gegen eklatante Gekürzter Vortrag nach diskriminierenden Inhalten von Psychothrillern Mediendiskriminierungen bei Zeitungen und Fernse- ãPsychisch Kranke im Spiegel zu untersuchen. Alle relevanten Filme hat sie aufge- der öffentlichen Meinung“, 19. Juni 1999, Jena nommen. Innerhalb von vier Wochen kamen über 52 Filme zusammen, in denen die Psychiatrie der Angel- punkt der Geschichte ist. Erschreckende Tatsache: die Häufigkeit und die Ausstrahlung zu den besten Sen- dezeiten. Zudem sind es die Inhalte, die sich in drei gro§e Gruppen aufteilen lassen: 1. Der verrückte Serienkiller, das blutrünstige Unge- heuer, der unberechenbare Mörder ist psychisch krank, aus der Psychiatrie ausgebrochen oder lebt als unbe- scholtener aber hintertückischer Zeitgenosse unter den „Normalen“. 2. Der perverse Verbrecher, der auf Grund seiner Kind- heit, Erziehung oder Umwelt zu dem geworden ist, was er ist, nämlich psychisch krank und gewalttätig. Die- ser Typ kann sich gut getarnt hinter unauffälligem Ver- halten verstecken, dann aber bricht es unberechen- bar und vernichtend aus ihm heraus. 3. Die ganze Psychiatrie versagt. Deshalb sind Men- schen auf freiem Fu§ und begehen Verbrechen. Hier wird niemand verschont. Weder der Psychiater, der durchtrieben und gewinnsüchtig nur an seiner Bet- tenbelegung interessiert ist und wie ein Tyrann herr- scht, noch das Pflegepersonal, das nach dem Klischee Alfred Hitchcocks „Psycho“ - die Geschichte vom 1988 lernten viele durch den Film „Rain Man“ erst- der Verwahrer auf Ruhe und Ordnung sieht, ruhig persönlichkeitsgespaltenen Motelbetreiber Nor- mals eine Erkrankung kennen, unter der allein in spritzt, das fixiert und Elektroschocks androht. Da ist man Bates, wurde von Van Sant neu verfilmt. „Die Deutschland etwa 40.000 Menschen leiden: Autis- die Klinik, die wie ein Gefängnis geführt wird, mit Video- berüchtigte Duschszene, für die Hitchcock 78 Ein- mus. Dustin Hoffman spielte den Autisten: einen kamera und drakonischen Strafen, der Psychothera- stellungen und sieben Drehtage brauchte, zeigt im extrem selbstbezogenen, in sich gekehrten Men- neuen Streifen mehr nackte Haut und deutliche- schen mit panischer Angst vor Veränderungen in peut, der sich von dem Patienten linken läßt - und dann re Messerstiche. Van Sant erlaubte sich hier Frei- seiner Umwelt. Dustin Hoffman und Tom Cruise findet sich auch die böse Familie, die an der Erkran- heiten, die Hitchcock wegen der Zensur nicht hat- zeigen realitätsnah, wie man miteinander lernen kung Schuld ist oder die den Patienten los sein will. te“, schreibt Filmkritikerin Jutta Lehmer-Conti. kann, mit dieser Behinderung umzugehen.

Lichtblick • Jahresheft 2000 63 MEDIENTAG

Informationen zum Medientag des Landesverbandes Thüringen der Angehörigen psychisch Kranker e.V. vom 19. Juni 1999 Sind Schizophrene wirklich gefährlich? Betroffene, Angehörige und Ärzte beklagen irrationale Vorurteile und Stigmatisierung der Betroffenen

Jena, 19. Juni 1999 (fh). Oskar Lafontaine hatte klinik für Psychiatrie in Leipzig. Im Gegenteil, sie unzuverlässig und sogar gefährlich eingestuft. Glück gehabt: Nur um wenige Millimeter verfehlte suchten eher Schutz vor ihren vermeintlichen ãVer- Vorurteile erschweren Rückkehr ins normale Leben die 30 Zentimeter lange Klinge eines Küchenmes- folgern“, von denen sie sich bedroht fühlten. „Es gibt In früheren Zeiten wurden sehr viele Patienten auf- sers die Hauptschlagader des SPD-Kanzlerkandi- also für den Einzelnen keinen Grund, sich vor einem grund mangelnder Behandlungsmöglichkeiten über daten. Die Tat im Frühjahr 1990 beging eine kranke schizophren Erkrankten zu fürchten“, so Angermeyer. viele Jahre in psychiatrischen Einrichtungen unter- Frau. Diagnose: paranoide Schizophrenie. Weni- In Ausnahmefällen könne es vorkommen, dass sich gebracht und damit dem Blick der Öffentlichkeit ent- ge Monate später schoß ein ebenfalls schizophre- Patienten derartig bedroht fühlten, dass sie sich, zogen. Mittlerweile haben sich die Behandlungs- ner Mann auf den damaligen Bundesinnenminister in vermeintlichem Selbstschutz, ihren Widersachern möglichkeiten aber grundlegend verändert. Wolfgang Schäuble und brachte ihm Verletzungen bei, die ihn lebenslang an den Rollstuhl fesseln wer- „Der überwiegende Teil schizophrener Krankheiten den. Dass solche spektakulären, allerdings äußerst bedarf nur noch einer vorübergehenden klinischen seltenen Ausbrüche paranoider Schizophrenie Behandlung“, erklärte Prof. Dr. med. Hans-Jürgen Betroffenheit und Angst auslösen, ist allzu ver- Luderer, Chefarzt am Zentrum für Psychiatrie Weins- ständlich. berg. Nach der Akutbehandlung, die möglichst in einem Psychiatrischen Krankenhaus durchgeführt Dämonisierte Krankheit werden solle, sei die Mehrzahl der Patienten wieder in der Lage, ihre früheren sozialen Beziehungen Angehörige, Betroffene und Experten wiesen anläß- wahrzunehmen und am Arbeitsleben teilzuhaben. lich des Symposiums ãPsychisch Kranke im Spie- Doch hier behindern Vorurteile eine Wiedereinglie- gel der öffentlichen Meinung“ allerdings darauf hin, derung in ein normales Leben. „Die Öffentlichkeit dass die Leidtragenden der Schizophrenie in mu§ Verständnis für die Krankheit aufbringen, sonst Deutschland vor allem die etwa 800.000 Kranken sind unsere Möglichkeiten deutlich begrenzt“, so selbst und ihre Familien sind. Sie leiden nicht nur Prof. Angermeyer. unter ihrer schweren Krankheit, sondern auch unter dem Stigma und den Vorurteilen, mit denen sie Einbeziehung belegt ist. Entgegen landläufigen Vorurteilen sind der Angehörigen Schizophrene nicht gefährlicher als andere „nor- male“ Bevölkerungsguppen, wie z.B. junge Männer. Auch psychoanalytische Thesen, die vor allem in Der überwiegende Teil der Betroffenen kann dank den Vereinigten Staaten während der 50er Jahre moderner Behandlungsmöglichkeiten auch ein weit- sehr populär waren, haben Schuld an der Stigma- gehend normales Leben führen. tisierung von Familien mit einem schizophren Wohl keine andere Krankheit wird in der Bevölke- Erkrankten: Die ohnehin schwer belasteten Eltern rung derart dämonisiert wie die Schizophrenie. Der gegenüber verzweifelt zur Wehr setzten. Das beträ- wurden ohne wissenschaftliche Grundlage nun auch Schizophrene ist geradezu ein Sinnbild für den unbe- fe aber eher Menschen aus der eigenen Familie oder noch als Auslöser der Krankheit verdächtigt. „Heu- rechenbaren, irrationalen, aggressiven und doch dem persönlichen Umfeld. Patienten, die sich te ist die Beratung der Angehörigen, deren Einbe- irgendwie genialen Irren. Auf der Straße indes möch- bedroht fühlen, gehörten also unbedingt in die Hän- ziehung in Therapie und Rehabilitation, zum festen te man ihm nicht begegnen. de von geschulten Fachkräften, um zu verhindern, Bestandteil einer guten Schizophreniebehandlung dass sie sich oder andere gefährden. geworden“, betonte dagegen Prof. Luderer. Wie eine repräsentative Befragung des renom- mierten Mannheimer Zentralinstituts für Seelische Die Vorurteile gegenüber Patienten, die an einer Um die Rückfallraten möglichst niedrig zu halten, ist Gesundheit belegt, ist es im Gefolge der beiden Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis lei- es neben einer adäquaten Behandlung wichtig, Pati- erwähnten Attentate zu drastischen Einstellungs- den, seien tief in den Köpfen der Menschen ver- enten das nötige Know-how zu vermitteln, um mit veränderungen gekommen. Rund 38 Prozent der wurzelt, beklagte Irene Norberger vom Landesver- ihrer Krankheit besser leben zu können. Dazu Befragten lehnen einen Schizophreniekranken als band Thüringen der Angehörigen psychisch Kran- ergänzte Irene Norberger: „Bekannt ist, dass Stig- Arbeitskollegen ab, vor den Attentaten war dies ker e.V., dem Veranstalter des Symposiums in Jena. matisierung, Schuldzuweisung und Vorurteile sich bei lediglich 20 Prozent der Fall. Gar 63 Prozent der Sie gingen auf jahrhundertelangen Aberglauben und zumindest indirekt negativ auf die Schizophrenie- Befragten wollen nicht mit einem Schizophrenen darauf basierende Mißverständnisse zurück. „Lei- behandlung auswirken.“ Es ginge nicht darum, Men- bekannt sein, vorher: 45 Prozent. der besteht auch heute noch ein weit verbreitetes schen umzuerziehen, sondern das Spannungsfeld, Schizophrene suchen Schutz vor ihren ãVerfolgern“ Mißtrauen in der Öffentlichkeit gegenüber psychisch das zwischen den Betroffenen sowie ihren Angehöri- Laut Studienergebnissen sind Schizophrene kei- Kranken. Dies beruht auch darauf, dass in einer gen und der öffentlichen Meinung noch immer neswegs gefährlicher als einige andere Gruppen der arbeitsteiligen Gesellschaft von allen Menschen eine bestünde, wahrzunehmen und sich der Auseinan- Normalbevölkerung, z.B. männliche Jugendliche. absolute Verläßlichkeit ihres Verhaltens erwartet dersetzung zu stellen. Schizophrene Patienten seien in aller Regel auch wird, was bei einigen Patienten vorübergehend nicht nicht aggressiv oder gewalttätig, sagte Prof. Dr. med. der Fall ist“, so Irene Norberger. Die Kranken wür- Symposium am 19.6.99 im Best Western Hotel, Jena, mit freundlicher Unterstützung des Hauptsponsors Matthias Angermeyer, Direktor der Klinik und Poli- den daher zu Unrecht als generell unberechenbar, Lilly Deutschland GmbH und Janssen-Cilag

64 Lichtblick • Jahresheft 2000 MEDIENTAG Psychisch kranke Menschen brauchen unser Verständnis OTZ-Gespräch mit Prof. Klaus-Dieter Dresler, Fachhochschule Jena

Herr Professor Dresler, heute debattieren Mediziner, Professor Angermeyer festgestellt. Eva Wie ist dem zu begegnen? Sozialarbeiter, Journalisten, Patienten und Angehöri- Straub, Mutter eines an Schizophrenie ge über „Psychisch Kranke im Spiegel der öffentli- erkrankten Kindes, hat darüber Beobach- Professor Dresler: So, wie es Angehörige chen Meinung“ - so der Titel des Symposiums in Jena. tungen im Fernsehen und bei Filmen zunehmend tun: Die Öffentlichkeit suchen, Soll ein schiefes Bild geradegerückt werden? gemacht und wird sie heute vortragen. aufklären, sensibilisieren für das Problem Andere Betroffene tun das ebenfalls. Eine und um Verständnis werben. Psychisch Professor Dresler: Nun, das wird mit einer solche Darstellungsform verfestigt und ver- Kranke brauchen Integration, keine Aus- Tagung allein nicht gelingen. Aber der Grund stärkt natürlich die seit Jahrhunderten beste- grenzung. Es muß doch in einer aufgeklär- dieser Zusammenkunft, die vom Landes- henden Vorurteile gegenüber psychisch ten Gesellschaft möglich sein, das ver- verband Thüringen der Angehörigen psy- Kranken. ständlich zu machen. Wir hoffen, dass uns chisch Kranker e.V. veranstaltet wird, ist die Medien dabei unterstützen. schon die leider immer noch überwiegend Welche Auswirkungen hat das für die Betroffenen? negative öffentliche Darstellung von Men- Das Gespräch führte Reinhard Querengässer Professor Dresler: Die sind für Patienten teil- schen mit psychischen Störungen. Wir wol- weise katastrophal. Menschen mit schizo- Mit freundlicher Genehmigung aus len aber keine Medienschelte betreiben, Ostthüringische Zeitung vom 19.Juni 1999 phrenen Störungen sind extrem dünnhäu- sondern gemeinsam mit Medienvertretern tig, sehr sensibel und empfindlich. Sie regi- nach Änderungswegen suchen. strieren solche Darstellungsformen als Die sind also nötig? gesellschaftliche Ablehnung, als Abdrän- gung in eine Randgruppe. Das hat ungün- Professor Dresler: Unbedingt. So wird heu- stige Auswirkungen auf den Krankheitsver- te Professor Angermeyer aus Leipzig mit lauf, macht auch Heilungschancen zunich- Ergebnissen einer Studie belegen, wie psy- te, wie ich als Nervenarzt oft genug erfah- chisch Kranke gerade in Boulevardzeitun- ren mußte. gen immer wieder in Zusammenhang mit Und die Angehörigen der Patienten leiden Gewalttaten gebracht werden, so wie auch ebenso darunter. Nicht wenige Familien das alte Klischee von Unberechenbarkeit werden so in die Isolation getrieben, sozia- und Gefährlichkeit dieser Menschen immer le Kontakte brechen ab. Man will der Öffent- wieder bedient wird. „Psychische Krankheit lichkeit verbergen, Angehöriger eines Men- findet überwiegend im Rahmen der Ver- schen zu sein, dessen Krankheit als gefähr- Moderator Klaus-Dieter Dresler (rechts) mit brechensberichterstattung Erwähnung“, hat lich für die Umgebung dargestellt wird. dem Referenten Heinz Deger-Erlenmaier

Thesen Nicht die Freiheit der Medien ist das höchste Gut, sondern die Wür- Stigmatisierung im Alltag der betroffenen Familien de des Menschen. Von Heinz Deger-Erlenmaier, Bezirkskrankenhaus Kaufbeuren Konrad Weiß

Psychisch kranke Menschen gehören, wie eine stecken sich und am liebsten auch die Erkrankung. mit psychisch kranken Menschen nicht vorbereitet. 1. ganze Reihe anderer Personengruppen (Straf- Dies führt immer mehr zu einem „Leben auf der Insel" Nun leben nicht mehr so viele Menschen in der fällige, Ausländer, Homosexuelle, Asylanten, Heim- mit extrem reduzierten Kontakten und Beziehungen. Anstalt, in der Klinik, ihr Getto hat sich in die Gemein- kinder, Behinderte etc.) zu den Randgruppen der Neben den ohnehin schon gro§en psychischen, de verlagert oder - wie der Bundesverband der Gesellschaft, die durch soziale Vorurteile und Stig- gesundheitlichen und materiellen Belastungen der Angehörigen feststellt "die Gettos sind schöner gewor- matisierung diskriminiert, an den Rand gedrängt und Angehörigen muß die Familie mit den bekannten Aus- den". von der normalen Teilhabe am Leben der Gemein- wirkungen der Vorurteile leben. Dies führt zu einer schaft ausgeschlossen werden. Randgruppen sichern ganz erheblichen Einschränkung der Lebensqualität. 6. Die Entwicklung der Medienlandschaft der letz- den Zusammenhalt der Mehrheit der Gesellschaft. ten Jahre hat zu einer extremen Verstärkung 3. Vorurteile gegenüber psychisch Kranken sind dieser früh erworbenen Vorurteile massiv beigetra- Die Vorurteile gegenüber den psychisch Kran- keine Erscheinung des modernen Zeitalters, gen (siehe Vortrag von Eva Straub). 2. ken treffen in der vollen Härte die Angehörigen, sondern existieren schon jahrhundertelang. Sie sind Wollen Angehörige psychisch kranker Menschen die Familie. All die negativen Zuschreibungen gegenü- wesentlich geprägt von den Einstellungen gegenü- 7. sich nicht mit einem "Leben auf der Insel" ein- ber psychisch Kranken werden auch auf deren Fami- ber psychiatrischen Anstalten und Kliniken. richten, sind Kreativität, Bekennermut und die Ent- lie übertragen. Diese Familie hat ja, so jahrzehnte- Das Vorurteil gegenüber der Anstalt, der Klinik, wicklung neuer Strategien der Öffentlichkeitsarbeit lang bis heute die Überzeugung diverser psycho- 4. wird auf den psychisch Kranken und dessen gefragt. therapeutischer Schulen und auch des „gesunden“ Familie übertragen. Diese Vorurteile werden schon Volksempfindens, dieses Elend hervorgebracht und im Kindesalter „erlernt“ (Kinderreime und Witze über Sowohl Psychiatrie-Erfahrene wie Angehörige möglicherweise auch verursacht. Die Folgen der Stig- 8. psychiatrische Anstalten). müssen zu den Vorreitern und Entstigmatisie- matisierung der Angehörigen führen auch bei diesen rungs-Strategen werden, da die professionelle Psy- zu Isolation, Rückzug, Gefühlen von Scham und Eines der größten Versäumnisse der Sozialp- chiatrie hier eklatant versagt hat. Schuld. Soziale Kontakte zu Verwandten, Freun- 5. sychiatrie und Gemeindepsychiatrie besteht den und Bekannten reduzieren sich immer mehr, je Aus Abstracts der Referenten zum Symposium: ãPsychisch Kranke darin, diese Vorurteile maßlos unterschätzt zu haben. im Spiegel der öffentlichen Meinung“, Medientag Thüringen länger die Erkrankung dauert. Die Angehörigen ver- So wurde in aller Regel die Gemeinde auf ein Leben der Angehörigen psychisch Kranker e.V., 19. Juni 1999, Jena

Lichtblick • Jahresheft 2000 65 MEDIENTAG

„Sprich, damit ich dich sehe“ Sokrates Susanne Heim, Autorin und Referentin in Sachen Angehörigenarbeit

„Nicht Tatsachen, sondern Meinungen über Tatsachen bestimmen das Handeln der Menschen.“ Darauf hat schon der griechische Philosoph Epiktet hingewiesen. Er ist im Jahr 50 unserer Zeitrechnung geboren, als es noch keine Massenmedien gab. Doch das ist bis heute so geblieben: Nicht die Information an sich, sondern wie wir sie verstehen, wie wir sie in unser Weltbild einordnen, das prägt unser Urteil, unse- re Haltung, unser Verhalten. Und das gilt für uns alle, die wir „die Gesellschaft / die Öffentlichkeit“ bilden, psychisch Kranke und ihre Angehörigen eingeschlossen.

Ich möchte das an ein paar Beispielen verdeutlichen: so lange habe ich auch immer wieder Stigmatisierung langwierige tiefgründige Nach-Prüfung. Viele Witze In der renommierten Fachzeitschrift ãSchizophrenia und Diskriminierung erlebt. Meine Erkrankung (eine würden wir ohne solches Vor-Wissen gar nicht ver- Bulletin“ war unlängst ein Artikel zu lesen über „Psy- chronische Depression, die zur Erwerbsunfähigkeit stehen: Sie kennen doch die Schwaben - schaffe, chosoziale Auswirkungen von Stigma infolge einer geführt hat), meine eigene Psychiatrieerfahrung und schaffe, Häusle baue... Sie wissen doch, was Sie von Fehldiagnose“: Erfahrungen eines ehemaligen Pati- die Psychose meines Sohnes habe ich nie als Stig- den Sachsen zu halten haben, Sie erkennen auf enten, der im Alter von 14 Jahren - irrtümlich, wie sich ma gesehen, nie verheimlicht - und werde dafür trotz- Anhieb, ob typisch Wessi oder Ossi. Und hüte Dich später herausstellte - als schizophren diagnostiziert dem - oder gerade deshalb - nach meiner Wahrneh- vor dem schwarzen Mann - wieso? Der Schornstein- worden war. Der Autor ist heute als Sozialarbeiter in mung nicht schief angesehen. feger bringt doch Glück - oder? einer psychiatrischen Klinik tätig. In seinem Beitrag Dennoch geht auch mir der Hut hoch, wenn ich sehe, schildert er seinen verzweifelten Kampf mit dem Stig- höre, lese, wie unmöglich psychisch Kranke und ihre Vorurteile machen die komplexe Welt durch ein gro- ma, das ihn seiner Identität beraubt habe. Angehörigen gelegentlich in den Medien abgehan- bes Raster überschaubar und geben so zunächst ein- delt und in der Psychiatrie behandelt werden. mal Sicherheit. Sie werden erst dann zum Problem, Er schreibt: ãDas Stigma, das psychiatrischen Etiket- wenn wir bei der Beurteilung eines Menschen oder ten innewohnt, führt zur lebenslangen Beeinträchti- Sachverhaltes uns mit dem groben Vorurteil begnü- gung der individuellen Fähigkeit, ein sinnvolles Leben Medien als Vermittler gen und damit Verurteilung und Diskriminierung betrei- zu führen und eine Identität zu bewahren... Ich betrat ben. Und wenn wir dem andern, dem Andersartigen das Krankenhaus als Robert Bjorklund, ein Indivi- Die Medien aber, als Massenmedien viel genutzt und das Recht absprechen, anders zu sein - befremdlich, duum, aber ich verließ es drei Wochen später als gern gescholten, können eigentlich gar nichts dafür. meinetwegen auch absonderlich! ÇSchizophrenerÈ... Ich hatte eine psychiatrische Dia- Sie sind lediglich Vermittler, Transporteure von Infor- gnose, die ich nicht wollte und war gezwungen, Medi- mationen und Meinungen, die von Menschen gesam- Beides gehört zum Leben: Gesundheit und Krank- kamente mit unerwünschten Nebenwirkungen einzu- melt, gebündelt, aufbereitet werden. Was welche heit, beides ist normal. In diesem Sinne plädiere ich nehmen... Jegliche Aussicht auf ein auch nur Medien wie verbreiten, wird aber nicht nur von ihren für die „Normalisierung“ auch psychiatrischer Krank- annähernd normales Leben schien verloren." „Machern“ bestimmt, sondern auch von all denjeni- heiten. Ich plädiere nicht für die unbedingte „Nor- Erst als er - nach 2-jähriger Odyssee vom 6. Psy- gen, die sich informieren und/oder unterhalten (las- malisierung“ psychisch Kranker! Denn ihnen ver- chiater, der ihn behandelte - korrekt als manisch- sen) wollen - und dafür Geld ausgeben. Sie und ich, danken wir viel zu viel - nicht zuletzt unzählige Wer- depressiv diagnostiziert worden war (und erfolgreich wir alle sind also, gestaltend oder goutierend und ke der Weltliteratur, der Bildenden Kunst, der Musik... auf Lithium eingestellt), habe er mit der Rekon- finanzierend, an der öffentlichen Meinungsbildung - Wie grau und langweilig wäre die Welt, wenn sich alle struktion seiner Identität beginnen können. auch über psychisch Kranke und ihre Angehörigen Menschen auf Normalma§, also auf Durchschnitt- Macht es einen qualitativen Unterschied, welchem - beteiligt. Was kein Interesse, also keine Käufer lichkeit einebnen ließen! Ich halte es da mit dem Köl- Formenkreis eine Psychose zuzuordnen ist? Ver- findet, verschwindet bald aus dem Angebot. ner Kabarettisten Jürgen Becker: Um die Bekloppten ändert sich mit der Diagnose die Macht der Bedro- müssen wir uns keine Sorgen machen. Die Norma- hung, die ich erlebe, wenn ich mich verfolgt oder fern- Ich halte es für wenig hilfreich, wenn wir unsererseits len sind das Problem. gesteuert fühle? „die Medien“ diffamieren. Wir sollten nicht die gleichen Fehler machen und nicht nur auf die Defizite schau- en. Es gibt auch viel Positivs zu entdecken. Der Öster- Informationsquellen Akzeptanz – durch wen? reichische Angehörigenverband hat angefangen, vor- bildliche Beispiele öffentlich zu loben. Und der Medien- Wie kommt es nun immer wieder zu so verzerrten, In der jüngsten Ausgabe der KERBE stellt Hans-Wolf- preis, den unser Bundesverband gemeinsam mit herabwürdigenden Darstellungen, dass psychische gang Knudsen Überlegungen „Zum Akzeptanzpro- einem Sponsor ausloben will, ist ein ermutigender Krankheit zum kränkenden Stigma wird? Woher neh- blem psychisch erkrankter Menschen“ an. Der Pastor, Schritt. Im übrigen lohnt es sich, uns auch einmal men Autoren und Redakteure von Printmedien, Funk selbst psychose-erfahren, schreibt: ãGewi§ habe ich selbstkritisch zu fragen, was unser Interesse weckt, und Fernsehen ihre Informationen? Wenn sie nicht viel zu kämpfen gehabt, um mein Persönlichkeitsprofil was uns neugierig macht. Was nur den gewohnten gerade „vom Fach“ sind, wissen sie selten besser als Theologe vor dem Hintergrund einer langjährigen Rahmen füllt, fällt uns nicht auf, erregt kein Aufsehen. Bescheid als das Gros ihrer „Kunden“. Was durchaus psychischen Behinderung durchzuhalten. Nicht jeder Auch wir Angehörigen sind im Zweifelsfalle nicht davor nicht von Nachteil ist: So nämlich stellen sie die glei- in meiner Umgebung konnte meinen persönlichen gefeit, Mitmenschen, Handlungs- und Lebensweisen chen Fragen wie ihre geneigten Leser/Hörer/Zuschau- Kampf kennen. Aber ich habe, um adäquat einge- für „krank“ oder „verrückt“ zu erklären, nur weil sie er. Und mit diesen Fragen wenden sie sich - genau- schätzt zu werden, mich von Anfang an geoutet, und nicht in unser jeweils ganz persönliches Weltbild pas- so wie die meisten Angehörigen - an ausgewiesene das hat offenbar geholfen, gerade bei der Frage: Wie sen! Auch Angehörige (und Patienten!) machen einen Fachleute und an psychiatrisch Tätige, sog. Profes- kann ich innerhalb meines gesellschaftlichen Umfel- Unterschied zwischen „besseren“ und „schlechteren“ sionelle, die sie für Experten halten. Psychose-Erfah- des identisch sein und leben.“ psychischen Krankheiten. Warum sind wir so gekränkt, rene und ihre Angehörigen zählten bislang in der Regel ãWas beißt, steckt in deinen eigenen Kleidern“, sagen beleidigt, wenn es uns selber trifft? Ist es womög- nicht dazu. Denn dass auch sie Experten = Erfahre- die Suaheli. Ich kann das nur bestätigen: Solange ich lich unsere eigene Beschränktheit, die uns schmerzt? ne sind, das wird ja selbst in und von der Psychia- mich meiner unehelichen Geburt geschämt habe, Vorurteile hegen und pflegen wir doch alle! Sie ermög- trie erst in jüngster Zeit zaghaft und immer noch recht solange ich mich selber als Makel empfunden habe, lichen uns schnelle, vorläufige Orientierung - ohne zögerlich zur Kenntnis genommen.

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Mut zum aufrechten Gang haben sie im Laufe ihrer Ausbildung verinnerlicht. Wer seinen Buckel herzeigt, trägt ihn leichter, sagen Kein Wunder, wenn später nur selten jemand aus die Chinesen. Wer freilich selber noch Vorurteile Dass unter den angesehenen „Professionellen“ nicht ihren Reihen den Mut aufbringt, sich ggf. als Angehöri- gegenüber Buckligen hegt, wer also heimlich an sein wenige selber psychoseerfahren oder Angehörige ger oder Psychose-Erfahrener zu erkennen zu geben? Stigma glaubt und sich dessen schämt, wird in der sind, wird dabei geflissentlich übersehen und ver- Wenn sie sich in ihren eigenen Vorurteilen verfangen, Öffentlichkeit ständig Stigmatisierung erleben - und drängt. Dabei wären gerade sie als Identifikations- darin gefangen bleiben - und sich dementsprechend seinen Buckel krampfhaft zu verbergen suchen. So figuren dazu berufen, das Bild psychisch Kranker verhalten: Opfer sind schwach und verletzlich wie sitzen auch wir Angehörigen unseren eigenen Vor- in der Öffentlichkeit zu korrigieren - und Betroffe- kleine Kinder und rohe Eier. Sie müssen bemuttert urteilen auf. Solange wir aber das Stigma hochhal- nen durch ihr Beispiel Mut zu machen zum aufrech- und geschützt werden. Nur wenn sie sich allzu eigen- ten und uns dahinter verbarrikadieren, überlassen wir ten Gang. Mich hat es seinerzeit unglaublich entla- sinnig aufführen - dann muss man sie zur Räson brin- unbesehen all jenen das Feld, von denen wir uns stet, versöhnt, als ich - leider erst aus dem Nachruf - gen. Täter sind Missetäter, die Schaden angerich- schlecht vertreten oder falsch beurteilt fühlen! erfuhr, dass auch gro§e Schriftsteller wie Uwe John- tet haben - müssen also bestraft werden, mindestens mit Mi§achtung. Wir hatten in Köln gerade wieder einmal das Fern- son anhaltende Schreibblockaden erleiden können - sehen im Haus. Nicht, weil wir uns darum gerissen dass es so etwas tatsächlich gibt. Dass psychisch erkrankte Menschen eigentlich etwas zuviel haben, wovon die andern eher etwas zu wenig hätten - sondern weil im näheren Umkreis des ZDF Wenn wesentliche Teile verborgen bleiben, kann das haben, nämlich: Sensibilität - davon spricht man in keine Mitwirkenden aufzutreiben waren. Eine Fami- Bild ja nur unvollkommen, einseitig, verzerrt ausfallen. der Psychiatrie allzu selten. Wie viel Leid und Leiden lie mitsamt dem Erkrankten - wie ursprünglich erhofft Weshalb zu fragen wäre: warum so viele, die es bes- aber außergewöhnliche Talente verursachen können, - schon gleich gar nicht. Obwohl klar zu erkennen ser wissen (müssten), ihre Erfahrung geheim halten. solange sie unerkannt bleiben, verkannt werden, war: Es geht nicht um Sensationsmache. Hier bemüht Harald Juhnke z.B. lebt das auf seine Weise vor. Schaut davon können auch Hochbegabte und ihre Famili- sich eine Autorin, selbst Angehörige und als wohl- man sich die Krankheitstheorien, die Sprache der Psy- en ein Lied singen! Wir tun also gut daran, auf die wollend einfühlsame Regisseurin ausgewiesen durch chiatrie und den Umgang psychiatrisch Tätiger mit Psy- professionelle Fachwelt weder unbesehen zu bauen ihren Film „Siegfried, mein schizophrener Bruder“, in chose-Erfahrenen und deren Angehörigen genauer noch blindlings zu vertrauen. dem sie auch selber zu sehen war. Sie war schon an, wird die Zurückhaltung schon verständlicher. drauf und dran, das Projekt abzublasen - als sie dann These 2 Das durch „professionelle“ Voreinge- doch noch fündig wurde. Immerhin hat da wenigstens These 1 Ich behaupte, die stigmatisierende Gering- nommenheiten geprägte veröffentlichte Bild von psy- das Netzwerk der Angehörigen funktioniert. schätzung psychisch Kranker und die Diffamierung chisch Kranken und ihren Angehörigen können und Es ist gar nicht nötig, dass alle Angehörigen zu jeder ihrer Angehörigen gehen von der Psychiatrie selbst müssen diejenigen zurechtrücken, die es besser wis- Zeit bereit und in der Lage sind, öffentlich aufzutre- aus. Beispiele dafür finden sich zuhauf: nicht nur sen: die Betroffenen selbst. im Erleben gekränkter Patienten und Angehöriger, ten. Dass es aber mehr werden, die sich trauen - dafür Es ist nicht genug, das Gute zu wissen, sagen die zu sorgen ist Aufgabe der Verbände. Sie müssen dafür sondern in einschlägigen wissenschaftlichen Abhand- Chinesen. Wenn wir unser Wissen für uns behal- lungen, Fach- und Lehrbüchern. sorgen, dass die Gruppen und ihre Mitglieder zur ten, es den andern vorenthalten, dann fördern wir Öffentlichkeitsarbeit ermutigt und befähigt werden. So ist es gar nicht ungewöhnlich, wenn ein wohl- deren beschränkte Sicht. Verleugnen, verschweigen meinender Student der Sozialarbeit, 7. Semester, sei- und sich verstecken hei§t, Fehlurteilen Vorschub lei- ne Diplomarbeit über die „Arbeit mit Angehörigen von sten. Wer gesehen und (an-)gehört, wer wahrge- Hilfe zur Selbsthilfe psychisch kranken Menschen“ schreiben will und dies nommen werden will, mu§ sich zeigen, mu§ seine so begründet - ich zitiere aus einem Brief an den Bun- Stimme erheben. Wenn wir uns Gehör verschaffen und (besser) ver- desverband: ãAusgehend von der Vermutung, dass Die Medien vermitteln Abbilder der augenfälligen Wirk- an der psychischen Erkrankung des Familienan- standen werden wollen, dann müssen wir uns ver- lichkeit. Wenn wir also eine differenzierte, ausgewo- ständlich machen. Wie das geht, was wann wem wie gehörigen die Familie möglicherweise eine gewis- gene Berichterstattung über uns und unsere Anlie- se Mitschuld trägt, muss sie auch in die Behandlung gesagt werden sollte, damit es wahrgenommen wird, gen haben wollen, dann müssen wir dafür sorgen, das kann man lernen: Wie man Kontakte zur örtlichen mit einbezogen werden, um mögliche Störungen im dass psychisch Kranke und ihre Angehörigen in Familiengefüge beseitigen oder lindern zu können, Presse aufbauen und pflegen kann. Wie man Anläs- Erscheinung treten - in ihrer ganzen bunten Vielfalt. se schaffen und nutzen kann. Wie Nachrichten, klei- die neben anderen Faktoren zur psychischen Erkran- Unsere von HIV und Aids betroffenen Mitbürger führen kung geführt haben.“ ne Berichte, Leserbriefe, Presse-Erklärungen anspre- seit Jahren - mit beneidenswertem Elan und Ein- chend verfa§t und handlich gestaltet werden. Ja, die „schizophrenogene Mutter“ - eigentlich schon fallsreichtum - vor, wie das geht: Die Herausforde- zur Zeit ihrer Erfindung wissenschaftlich widerlegt - rung annehmen, daran wachsen und seine Sache Wir müssen den Journalisten nicht die Arbeit aus der feiert in Büchern und Therapeutenköpfen bis heute selbstbewu§t vertreten. Hand nehmen. Es genügt, wenn wir als Ansprech- fröhliche Urständ. Der Psychiater Helm Stierlin, ein partner präsent sind, wenn wir ihnen brauchbares Die Psychose-Seminare, zu denen sich in den letz- hochverehrter Pionier der Systemischen Therapie, Material an die Hand geben - so aufbereitet, dass es ten Jahren Psychiatrie-Erfahrene, Angehörige, pro- charakterisiert diese Mütter, zu denen auch ich mich bequem zu verarbeiten ist. Das erleichtert ihnen den fessionelle Helfer in öffentlichen Räumen zusam- zählen darf, als „unerbittliche Folterknechte“ und „dra- Job und beugt zudem Mißverständnissen vor. In Eng- mengefunden haben, sind ein Anfang. Sie bieten sich matisierende, frigide Hysterikerinnen“. Wir Mütter land scheint es bereits erfolgreiche Ansätze zu geben als Übungsfeld an für gegenseitiges Kennenlernen, müssen ihm allerdings zugute halten: Stierlin hat - mit Unterstützung professioneller Berater. Unser Ernstnehmen und Geltenlassen. Fazit einer Teilneh- immerhin entdeckt, dass auch psychisch kranke Men- Bundesverband startet im August, gemeinsam mit merin des Kölner Psychose-Forums: Durch diese schen Väter haben - die er sogleich als „Zwangsty- den Organisatoren dieses Medientages, ein erstes Begegnungen ãhat sich meine ÇHemmschwelleÈ eben- pen“ und „sexuelle Krüppel“ entlarvte. Modellprojekt zur Schulung von Angehörigen. so wie meine Angst vor dieser Krankheit reduziert". Der angesehene Mailänder Psychiater und Famili- Vorsichtshalber noch ein Tip für die Angehörigen und entherapeut Luigi Boscolo bestätigte noch 1996 - These 3 Die Verbände der Angehörigen und Psy- Psychiatrie-Erfahrenen unter uns: Achten Sie in der Zitat: ãWie allgemein bekannt, zeichnen sich Fami- chiatrie-Erfahrenen dürfen die Öffentlichkeitsarbeit nächsten Zeit auf die Berichterstattung von dieser Ver- lien in schizophrenen Transaktionen durch rigide nicht ihren Funktionären überlassen und sich nicht anstaltung. Wenn Sie auf mißverständliche Informa- Beziehungsmuster, Gefühle und Gedanken aus.“ Und auf die Verbreitung von Sach-Information beschrän- tionen sto§en: Seien sie dankbar! Nutzen Sie die Chan- sein deutscher Kollege Fritz Simon verglich ãdieses ken. Nichts ist wirkungsvoller als ein persönliches Bei- ce! Falsches bietet Gelegenheit zur Richtigstellung. Verrücktheit hervorbringende System mit einem Staat, spiel. Zu den wichtigsten Aufgaben der Verbands- Auf diese Weise können Sie dafür sorgen, dass unser in dem Bürgerkrieg herrscht. Man weiß nie, wer gera- arbeit zählt zu allererst die Solidarisierung der Basis, Anliegen gleich zweimal abgehandelt wird. de mit wem kämpft... “ der Betroffenen und ihre Ermutigung zum aufrechten Merke: Besser mangelhaft als gar nichts... Genug der bösen Beispiele. Das Dumme ist nur: Psy- Gang. Das fängt schon damit an, dass die Gruppen vor Ort erreichbar sein müssen. Die Anschrift und die Gekürzter Vortrag chiater, Psychotherapeuten und andere Helfer haben ãPsychisch Kranke im Spiegel solche Theorien als Wahrheiten gelehrt bekommen, Termine ihrer Treffen sollten schon bekannt sein. der öffentlichen Meinung“, 19. Juni 1999, Jena

Lichtblick • Jahresheft 2000 67 MEDIENTAG

Newsletter www.lichtblick99.de Schizophrenie in der öffentlichen Meinung Von Prof. Dr. med. Matthias C. Angermeyer Universität Leipzig

Das Stereotyp vom gewalttätigen, unbere- chenbaren und gefährlichen psychisch Kranken in der Bevölkerung ist auch heute noch weit verbreitet. Zu diesem Ergebnis kommen Repräsentativerhebungen, die in den letzten Jahren in Deutschland durch- geführt wurden. Schizophrenie wird in erster psychische Krankheit fast ausschließlich Linie mit Persönlichkeitsspaltung in Ver- als Erklärungsversuch für besonders bru- bindung gebracht, wobei die Vorstellung tale, scheinbar unmotivierte Gewaltverbre- Presse-Workshop vorherrscht, dass - nach dem Muster von chen herangezogen wurde. 15 Mitglieder der Landesverbände und Dr. Jekyll und Mr. Hyde - eine gute und eine Beinahe die Hälfte aller Nachrichten, die im des Bundesverbandes der Angehörigen böse Person nebeneinander in einem Men- Zusammenhang mit einem Verbrechen einen psychisch Kranker nahmen im August schen existieren. psychisch kranken Täter präsentierten, 1999 an einer ersten Schulung für Öffent- Die Konsequenz davon ist, dass man psy- berichteten über Fälle von Mord, mehrfa- lichkeitsarbeit in Frankfurt am Main teil. chisch Kranken, insbesondere schizophre- chem Mord oder versuchtem Mord. Dies galt in besonderem Maß für die Schizophrenie Es wurden u.a. Ziele und Anlässe der nen Kranken gegenüber auf Distanz geht und andere psychotische Störungen. Pressearbeit, Formen der Zusammen- und wenig bereit ist, mit diesen in soziale arbeit mit Journalisten und der Aufbau Beziehungen einzutreten. Die Kranken sind Dass eine derartige einseitige Berichter- von Pressebeiträgen besprochen. Zudem in unserer Gesellschaft nach wie vor Dis- stattung tatsächlich zur Reaktivierung des erklärten PR-Profis, wie die Kommuni- kriminierungen und abwertenden Reak- Stereotyps vom unberechenbaren und kation mit den Medien funktioniert und tionen ausgesetzt. gefährlichen psychisch Kranken und so zu wie Vereine und Gruppen ihre Thema- Das Bild vom psychisch Kranken als jeman- einer vermehrten Ablehnung führen kann, tik wirksam in die Öffentlichkeit stellen den, der für seine Umwelt eine Gefahr dar- konnte am Beispiel der Reaktion auf die Attentate psychisch Erkrankter auf promi- können. Die Veranstaltung im Hause von stellt, wird durch die Berichterstattung in nente deutsche Politiker eindrucksvoll Fleishman & Hillard wurde von Lilly den Medien verstärkt. So ergab eine Inhalts- demonstriert werden. Deutschland GmbH unterstützt. analyse der BILD-Zeitung (Januar bis Sep- tember 1997), dass psychische Krankheit In direktem Zusammenhang mit diesen überwiegend im Rahmen der Verbre- Ereignissen kam es zu einer drastischen Psychiatrie 2000 in MV chensberichterstattung Erwähnung findet. Zunahme der sozialen Distanz gegenüber Über die Hälfte der Beiträge implizierten schizophrenen Kranken. einen Zusammenhang zwischen psychi- Aus Abstracts der Referenten zum Symposium: ãPsychisch Kranke scher Krankheit und gewalttätigem, unbe- im Spiegel der öffentlichen Meinung“, Medientag Thüringen rechenbarem Verhalten. Auffällig war, dass der Angehörigen psychisch Kranker e.V., 19. Juni 1999, Jena

Konfliktmanagement in der Psychiatrie Eine interessante Studie führte der Land- 40 Prozent der Unfallmeldungen aus psy- schaftsverband Westfalen-Lippe, Träger von chiatrischen Einrichtungen sind Folgen von 14 psychiatrischen Kliniken, zum Thema Patientenübergriffen. Gewalt ging vorwie- Gewalt durch. Gefördert vom Gemeinde- gend von Patienten mit längerer Kranken- versicherungsverband Westfalen-Lippe wur- geschichte aus. Pflegekräfte wurden häufi- „Psychiatrie 2000 - Zur Notwendigkeit des den Patientenübergriffe auf Mitarbeiter, ihre ger angegriffen als z.B. Ärzte und anderes Qualitätsdenkens in der Sozialpsychia- Entstehung und Folgen untersucht. Personal. Mitarbeiter mit geringer Berufser- trie“ - so hieß die Tagung des Landes- Ziel der Untersuchung: Gewalt zu reduzie- fahrung wurden überproportional angegrif- verbandes Psychosozialer Hilfsvereine ren und ein Programm zu entwickeln, wie fen, ebenso Krankenpflegeschüler. MV e.V. in Kooperation mit dem Dach- Mitarbeiter mit aggressiven Situationen bes- Die gemeldeten Vorkommnisse fanden vor- verband und der Friedrich-Ebert-Stiftung ser umgehen lernen. Dadurch sollen Zwangs- wiegend auf geschlossenen Stationen und in Schwerin. Sozialministerin Dr. Marti- medikation, Isolierung und Fixierung der Pati- am Vormittag statt. In mehr als der Hälfte der na Bunge betonte: „Hilfsangebote für psy- enten einerseits und Arbeitsunfälle der Mit- Fälle kam es zu Tätlichkeiten. Die Untersu- chisch Kranke Menschen müssen noch arbeiter andererseits reduziert werden. chung mündete in praktische Ergebnisse: besser erreichbar und individueller wer- Im Gegensatz zu angelsächsischen Ländern Psychologen der Landespolizeischule wer- den.“ Erstmals öffentlich wurde der Stand wurde in der Vergangenheit dieses Thema in den in den Kliniken ein Trainingsprogramm des Modellprojektes zur Entwicklung Deutschland kaum erforscht. Inzwischen hat eines landesweiten Psychiatriebedearfs- zur Gewaltvermeidung anbieten - In der Aus- planes vorgestellt. Neben Fragen der sich die Meinung durchgesetzt, dass umfang- bildung zur Krankenpflege sollen Mitarbei- Finanzierung psychiatrischer Hilfen geht reiches Wissen und konkretes Zahlenma- ter künftig für den Umgang mit schwierigen es auch um die Organisation „personen- terial notwendig sind, um Präventivmaß- Patienten besser sensibilisiert werden. - bezogene Hilfen“. nahmen zu ergreifen. Weniger Stress während der Aufnahme und Hier einige der Untersuchungsergebnisse: auf der Akutstation. lsm

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Rückkehr in die Gemeinschaft Newsletter www.lichtblick99.de Von Christine Theml, Herausgeberin „Nicht ohne uns“

In einem Buch das Blättchen. Ich gewann Mitstreiter und über Selbsthilfe- erhalte nun viele Einsendungen. Das Blatt ist gruppen las ich: etabliert. „Gegen die ge- Dann trat ich in den Verein „Aktion psychisch sellschaftlichen Kranke Jena e.V.“ ein. Dort schaffen wir Vorurteile kom- Lebenswelten für chronisch Kranke (Wohn- men wir nicht an, verbundsystem, Tagesstätte, Integrationsfir- gesellschaftliche men, auch eine Ergotherapiepraxis). Ich bin Veränderungen die zweite Vorsitzende und arbeite mit kom- aber beginnen petenten Menschen zusammen. Im Vorstand bei uns selbst.“ bin ich aber die einzige Betroffene. Wir haben sonst eher Ärzte. Die Vereinsarbeit ist mir ans Herz gewachsen. Am Anfang stand ein fünfmonatiger Klini- Seit einem Jahr leite ich eine Selbsthilfe- kaufenthalt. Dort begegnete mir ein sehr ein- gruppe, die ich übernommen habe. Die Auf- fühlsamer Arzt , dessen Art, mit mir umzu- bauarbeit hat eine andere geleistet. Der Aus- gehen, die erste Voraussetzung zur schritt- tausch tut uns allen gut. weisen Genesung und Normalisierung Mein nächstes Standbein ist die Klassik. Ich bedeutete. arbeite in einer Gedenkstätte. Über die täg- Ich erhielt Medikamente. Daneben waren mir liche Führungstätigkeit lernte ich, mich in Men- die Familie geblieben und ein Teil meiner schen einzufühlen, mich zurückzunehmen, Freunde. Und sogar eine Teilzeitarbeit. Ich Gespräche zu führen. Ich bin im Museum kehrte, zwar geschwächt, aber doch hand- „Nicht ohne uns“ - Das Selbsthilfe-Blatt unter anderem ein Vermittler zwischen West hat sich etabliert. Christine Theml lungsbereit, in eine Struktur zurück. Neu in und Ost. Aus der Museumsarbeit heraus ent- meinem Leben war nun die Bekanntschaft mit schreibt in der Ausgabe März 1999 zum wickelte ich eine umfangreiche Veranstal- Thema „Sehnsucht“. einer psychischen Krankheit und mit Men- tungstätigkeit. Ich erarbeite Programme und schen, die von ihr betroffen waren. Eine Selbst- Vorträge und wirke mit bzw. halte sie. Das ist hilfegruppe suchte ich nicht auf, sie erinnerte Ich denke, alles ist gut. Es gibt viel zu stark öffentlichkeitsbezogen. tun. Bücher lesen, um über sie zu schrei- mich zu sehr an die Klinik. Ich las Bücher über Aus anfänglichen Ängsten wurden Sicherheit die Krankheit. Damit verallgemeinerte ich mei- ben, Führungen machen im Schillermu- und Freude. Ich habe es gern, wenn sich seum, Veranstaltungen selber machen ne Erfahrung und machte mich eher gesell- Menschen zusammenfinden, um mir schaftsfähig. Ich war nicht allein. oder betreuen, Freunde oder eher zuzuhören. Freundinnen treffen, ins Kino gehen, mit Dann gründete ich eine Selbsthilfezeitung. Mein letztes, aber entscheidendes Standbein Ich nannte sie „Nicht ohne uns“. Mein Arzt dem Mann essen, Haushalt erledigen. ist das Bücherschreiben. Im Moment kommt Der Tag ist ausgefüllt, es gibt kein Loch, nannte den Titel trotzig. Das war ich. Ich hat- mein viertes Büchlein heraus (sie haben nie te erlebt, wie sich viele von mir zurückge- in das ich fallen könnte, es gibt keinen mehr als 120 Seiten). Das ist die Tätigkeit, Nebel, in dem ich mich verlieren müsste. zogen haben, weil ich nicht mehr kommu- die mir innere Ruhe gibt. Das Recherchieren nizieren konnte. Nun war ich wieder da und Aber plötzlich schiebe ich alles beisei- und Schreiben sind Tätigkeiten, bei denen te und horche in mich: Was ist denn da neben mir waren auch Gleichbetroffene. Aber ich mich wohlfühle. es war ein zäher Beginn. noch neben aller Betriebsamkeit. Und Auch mit der Zeitung. Fast alles schrieb ich Soviel zur Rückkehr ins Leben. Der Arzt, die deutlich und nicht wegzuschieben spü- selbst. Die Auflage erhöhte sich mit den Jah- Zeitung, die Familie, die Freunde, die Arbeit re ich es: Sehnsucht. ren von 150 auf 400 Stück. Die Seitenzahl und nicht zuletzt die Medikamente haben mir Mit ihr habe ich zu tun, seit ich empfin- wuchs von 8 auf 16. Jeden Monat erscheint geholfen. de, seit ich nachdenke. Vielleicht ist es die Mutter, die mir als Kind genommen wurde. Vielleicht ist es all das Wirblige, was die Sehnsucht nach Tiefe und Ruhe Meinungen zum Medientag erzeugt. Dieses Gefühl macht mich trau- rig bis hin zu Tränen. Aber ein Stück macht es mich auch froh, so paradox das klingt. Ich weiß durch meine Sehnsucht, dass ich noch tiefer Gefühle fähig bin. Es Dr. med. Christoph Fischer, gab eine Zeit, wo ich nichts mehr spür- Freier Journalist und te, die Zeit war schlimm. Ich erfülle mir verantwortlicher die Sehnsucht auch nicht oder doch? Ich Irene Ellenberger, Ressortleiter Medizin fühlte, stand auf und schrieb. Hab ich Ministerin für Soziales und der Bundesausgabe das Gefühl nun umgebracht? Gesundheit Thüringen der BILD-Zeitung Bettina Brentano schrieb einmal: Es macht nichts, dass man einen Gedan- ãSie haben erkannt, dass eine Veränderung der öffent- „Über ein Drittel der in den Massenmedien vermit- ken festbindet, es kommen immer neue. lichen Meinung und der Berichterstattung in den Medi- telten Nachrichtenstoffe stammen aus den Bereichen en nur dann erfolgen kann, wenn psychisch Kran- Medizin - Gesundheit - Wissenschaft. Dabei sind nicht „Nicht ohne uns - Die Zeitung für psychisch Kranke ke mit Hilfe der Menschen, die beruflich und privat nur der reine Nachrichtenwert, sondern vor allem und Genesende aus Jena“ Kontaktadresse: Chr. Theml, Dornburger Str. 59, für sie verantwortlich sind, in die Öffentlichkeit treten die mit diesen Nachrichten verbundenen konkreten 07743 Jena, Telefon 03641 - 44 44 86 können.“ (Aus dem Gru§wort zum Medientag Thüringen) Nutzeffekte („news to use“) von größtem Interesse.“

Lichtblick • Jahresheft 2000 69 HISTORIE Von Aderlässen, Brechkuren und Sturzbädern zur Pharmako-, Psycho- und Soziotherapie am Ende des 20. Jahrhunderts Zur Geschichte der psychiatrischen Behandlungsverfahren

Von Prof. Dr. H. J. Luderer

Die Beziehung zwischen psychisch Gesunden und psychisch Kranken war seit jeher ambivalent. Auf der einen Seite stand das Bedürfnis, zu helfen, auf der anderen Prof. Dr. H. J. Luderer die Versuchung, die Augen vor dem Elend der Hilfsbedürftigen zu verschließen, Zentrum für Psychiatrie Weinsberg sie auszugrenzen, sie zu misshandeln oder sich über sie lustig zu machen. Im Fol- Stark gekürztes Manuskript eines Vortrags genden soll die wechselhafte Geschichte der Behandlung und Versorgung psychisch zum Medientag des Landesverbands Thüringen Kranker vom Altertum bis zur heutigen Zeit skizziert werden. der Angehörigen psychisch Kranker e.V., Jena, 19.6.1999 Behandlung und Versorgung psychisch Weltliche Irrenfürsorge: Parallel zu den kirchlichen entwickelten Kranker in Altertum, Mittelalter und zum sich seit dem Spätmittelalter weltliche Formen der Irrenfürsorge. Die sozialen Verpflichtungen der freien Reichsstädte in Deutsch- Beginn der Neuzeit: Desinteresse und Fürsorge land führte vielerorts zur Gründung von Städtischen Bürgerhos- Umgang mit psychisch Kranken im Altertum: Seit dem Alter- pitälern, in denen neben Armen und Alten auch „harmlose Irre“ tum wurden körperliche wie psychische Krankheiten durch kör- aufgenommen wurden. Unruhige und aggressive Kranke wur- perliche Eingriffe behandelt, vor allem durch Entfernen der „mate- den allerdings in die Stadttore gesperrt oder vor die Stadt in eigens ria peccans“ durch Reinigung der vier Körpersäfte Blut, Schleim, dafür aufgestellte Holzkisten verbracht. Gelbe und Schwarze Galle. Regeln für den Umgang mit psychisch Beginnende Neuzeit: Durch das Verschwinden der Lepra und das Kranken wurden erstmals durch den römischen Autor Celsus im 1. Ausbleiben von Pestepedemien konnten psychisch Kranke seit Jahrhundert nach Christus formuliert. Er beschreibt verschiede- dem 16.-17. Jahrhundert in Lepra- und Pesthäusern untergebracht ne Möglichkeiten der psychischen Beeinflussung, z.B. die heilsa- werden. Im katholischen Würzburg gründete Julius Echter von Mes- me Lüge, den heilsamen Schmerz, den heilsame Schrecken, die pelbrunn 1579 das nach ihm benannte Juliusspital, das für Arme heilsame Ablenkung und vor allem das heilsame Gespräch, das und Kranke offenstand, auch wenn sie keine Bürger der Stadt Würz- einfühlende Eingehen auf die Patienten. burg waren. Seit 1589 wurden dort auch psychisch Kranke betreut. Glaube an wundertätige Reliquien im Mittelalter: Das christliche Mittelalter entwickelte andere Formen der psychischen Beein- flussung. Neben dem Exorzismus war dies vor allem der Glaube Behandlung und Versorgung psychisch Kranker an wundertätige Reliquien. im 17. Jahrhundert: Humanität und Menschen- Ein zentraler Wallfahrtsort für Familien psychisch Kranker war der verachtung kleine Ort Gheel in Belgien. Dort liegt Dymphna begraben, eine iri- sche Königstochter, die nach der Legende von ihrem Vater sexu- Absolutismus und Aufklärung: Zu Beginn des 17.Jahrhunderts ell belästigt wurde. Sie versank in geistige Umnachtung, floh nach entstand in Frankreich ein gegliedertes Versorgungssystem. Akut Gheel, wurde dort von ihm eingeholt und enthauptet. An Ihrem Kranke wurden zu einer mehrwöchige Behandlung in das „Hôtel- Grab flehten die Pilger um Hilfe für ihre geisteskranken Angehöri- Dieu“ verbracht. Wer nicht gesund wurde, wechselte in das „Hôpi- gen. Sie übernachteten bei den Bauern in der Umgebung. Schließ- tal général”, bestehend aus dem „Hôpital de Bicètre“ für Män- lich begann man, die Kranken gegen Entgelt bei den Bauern zu ner und dem „Hôpital de la Salpétrière“ für Frauen. Beide Häu- lassen, damit sie möglichst nahe bei den Reliquien leben konnten. ser beherbergten große Abteilungen für psychisch Kranke.In Die Kranken erwiesen sich als gute Einnahmequelle, und die mei- Deutschland entstanden in Abwandlung dieses Vorbilds Zucht- sten waren durchaus in der Lage, bei der Feldarbeit zu helfen. Hier und Tollhäuser. liegt die Wurzel für die auch heute wieder praktizierte psychia- Wer allerdings im „Hôpital général“ ankam, hatte kaum eine Chan- trische Familienpflege. ce, wieder lebend herauszukommen. Gewalt gegen Patienten war oder unter den Patienten an der Tagesordnung. Die unruhigen und Errichtung von Domspitälern: Ebenfalls im Mittelalter wurde in gefährlichen Patienten wurden in Ketten gelegt und geprügelt. Frankreich und Deutschland mit dem Bau von Domspitälern begonnen, in denen neben Armen und anderweitig Hilfsbedürfti- gen auch Geisteskranke aufgenommen wurden. Von besonderer 18. und 19. Jahrhundert: Bedeutung für die Entwicklung des kirchlichen Versorgungssy- Bemühungen um menschenwürdige stems war die Tätigkeit einiger Ordensgemeinschaften (Alexianer Behandlung psychisch Kranker im heutigen Nordrhein-Westfalen, „Barmherzige Brüder“ in Polen, Italien, Österreich und Bayern). Klösterliche Werte wie Gehorsam, Die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert: Die Wende vom 18. Armut und Keuschheit wurden in diesen Häusern zu Prinzipien zum 19. Jahrhundert brachte erste Bemühungen um menschen- des Umgangs mit den Patienten, Arbeit, Einsamkeit und Gebet würdige Behandlung psychisch Kranker mit sich. Bedeutsam für zu zentralen Elementen der Therapie. die Entwicklung der psychosozialen Versorgung war der neue the-

70 Lichtblick • Jahresheft 2000 HISTORIE rapeutische Optimismus. Die Wurzeln dieses Umdenkens liegen Park verteilte Villen, in denen die Patienten teilweise ausgespro- vor allem in England. Der Quäker William Tuke (1732-1822) grün- chen komfortabel untergebracht waren. dete 1794 in York ein privates „madhouse“, dem er den pro- grammatischen Namen „The Retreat“ gab. Die heilsame Einsam- Der 1. Weltkrieg: All diese Errungenschaften wurden durch den keit in einer idyllischen Landschaft bot Schutz vor der Welt und Beginn des 1. Weltkriegs zunichte gemacht. Während des 1. Welt- vor der aus den Fugen geratenen Natur, die sich in der psychi- kriegs starben etwa 140.000 Menschen in Deutschen Anstalten. schen Krankheit äußerte. Offenbar ist es im „Retreat“ gelungen, Räumliche Enge, unzureichende Heizung und Unterernährung auf Prügel, Ketten und Zwangsjacken zu verzichten. Besucher bedeuteten besonders für Alterskranke, Patienten mit Tuberkulo- waren von der freundlichen Atmosphäre beeindruckt. Gerade auch se oder Paralyse das Todesurteil. Nach dem 1. Weltkrieg erholte deshalb beeinflusste das Ideal der heilsamen ländlichen Einsam- sich die Deutsche Psychiatrie langsam wieder. keit die Zielvorstellungen der Reformpsychiater des 19. Jahrhun- Es waren vor allem zwei Personen, die neue Impulse für die psy- derts nachhaltig. chosoziale Versorgung gaben: Hermann Simon (1867-1947) und die „aktivere Krankenbehandlung“ in Gütersloh sowie Gustav Kolb Die Deutsche Psychiatrie zu Beginn des 19. Jahrhunderts: Die (1870-1938) und die offene Irrenfürsorge in Erlangen. Kritik an den Zuständen in den Irrenanstalten wurde in Deutsch- Hermann Simon und die „aktivere Krankenbehandlung“: Aktive land ebenso aufgegriffen wie die Idee, Geisteskrankheiten mit psy- Elemente in der Krankenbehandlung gab es auch vor Simon. chischen Methoden zu behandeln. 1803 schilderte Johann Chri- Der Alltag in den meisten Häusern war allerdings bis zum Anfang stian Reill in seinem Buch „Rhapsodieen über die Anwendung der des 20. Jahrhunderts entscheidend durch langwierige Bettbe- psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttung“ unerträgliche handlungen und chaotische Wachsaalszenen gekennzeichnet. Zustände in den damaligen Deutschen Zucht- und Tollhäusern und Hermann Simon entwickelte ab 1914 sein Konzept der aktiver- schlug zur Überwindung dieses Übels Methoden des Umgangs en Krankenbehandlung in Gütersloh. Die Organisation war auf mit psychisch Kranken vor, die an Celsus und das englische Vor- Beschäftigung aller Patienten ausgerichtet. Täglich wurden die bild des „Retreat“ erinnern. arbeitenden, die körperlich Kranken und die wegen der psychia- trischen Symptomatik unbeschäftigten Patienten namentlich regi- Wilhelm Griesinger (1817-1868) und die Einführung der gewalt- striert. Diese lag bei einer Gesamtbettenzahl von 1350 in der Regel freien Behandlung in Deutschland: Griesinger war einer der ersten unter 1 Prozent. Deutschen Psychiater, die sich erfolgreich für die gewaltfreie Diese hohe Zahl konnte nur durch ausgeklügelte Belohnungs-, Behandlung psychisch Kranker einsetzten. Bis zur Mitte des 19. Bestrafungs und Kontrollmaßnahmen erreicht werden. Von Pati- Jahrhunderts waren trotz einzelner Ausnahmen Zwang und Gewalt enten und Mitarbeitern wurde bedingungslose Anpassung ver- bei der Behandlung und Unterbringung psychisch Kranker an der langt. Bei Arbeitsverweigerung drohten negative Folgen. Kritik an Tagesordnung. Schläge mit Ruten, Stöcken und Peitschen gehör- der Unerbittlichkeit des Systems blieb auch in den 20er Jahren ten ebenso zu den üblichen Maßnahmen wie Drehstühle, Sturz- nicht aus. Selbst die schärfsten Gegner mußten allerdings zuge- bäder mit kaltem Wasser, Zwangsstehen oder die Einreibung stehen, dass Patienten und Mitarbeiter zufrieden waren. Gewalt- der Kopfhaut mit Brechweinstein, wodurch sich schmerzhafte handlungen kamen in Gütersloh sehr selten vor, beruhigende Medi- Geschwüre bildeten. kamente mußten kaum gegeben werden. Anregungen zur Überwindung dieser Zustände kamen wieder- um aus England. Dort veröffentlichte John Conolly 1856 eine Gustav Kolb und die offene Irrenfürsorge: Gustav Kolb war der Abhandlung mit dem Titel „The treatment of the insane without erste Psychiater, der Grundzüge der gemeindenahen Psychia- mechanical restraint“. 1860 wurde das Buch ins Deutsche über- trie in die Tat umsetzte. Er öffnete die Anstalt nach außen, führte setzt. 1861 hielt sich Griesinger in England auf und lernte dort die die psychiatrische Familienpflege ein und baute in Erlangen ein Behandlung ohne Zwangsmittel kennen. System der offene Fürsorge auf, das später von fast allen Kliniken Eine größere Anzahl von Psychiatern schloss sich nach einem übernommen wurde (Böcker 1985). Bericht Griesingers dessen Forderung nach Einführung der zwang- Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde in vielen Kliniken nach der freien Behandlung an. Griesinger selbst begann in Zürich und 1865 Aufnahme eines Patienten kaum mehr über seine Entlassung nach- nach seiner Berufung nach Berlin mit der neuen Methode, ande- gedacht. Durch diesen Umstand wuchs die Anzahl der Betten re Kliniken folgten. Griesinger forderte zusätzlich die Errichtung von wesentlich rascher als die Bevölkerung. Kola setzte sich in Kut- „Stadt-Asylen“ (Rössler 1992) zur kurzfristigen wohnortnahen sta- zenberg (1905-1911) und Erlangen (1911-1934) für die Erleich- tionären Behandlung. Nur unruhige und gefährliche Patienten soll- terung von Aufnahmen und Entlassungen ein und sorgte für Arbeits- ten weiterhin in Pflegeanstalten auf dem Land versorgt werden. und Beschäftigungsmöglichkeiten. Er befürwortete die Einrich- tung von „Irrenschutzgerichten“ zur Kontrolle der Anstaltsbe- Die Entstehung neuer Kliniken: Nach den Vorstellungen Griesin- triebe sowie den Aufbau von Kinderabteilungen, Trinkerheilstät- gers entstanden in den folgenden Jahren an vielen Orten neue ten und Altenheimen. Stadtasyle, fast immer in Form von Universitätskliniken (z.B. Hei- Als wichtigste Maßnahme, die einer Überfüllung der Anstalten ent- delberg 1878, Freiburg 1887). An diesen Einrichtungen und an den gegenwirken kann, sah Kolb die Organisation von Fürsorgemaß- bereits bestehenden Kliniken wurden dann auch wieder Studen- nahmen außerhalb der Anstalt an. Zu den Aufgaben der „offe- ten unterrichtet. Die Ausbildung der Ärzte ging teilweise wieder in nen Fürsorge“ gehörten nach seinen Vorstellungen die Erfassung die Hände der Universitäten über. sowie berufliche und soziale Wiedereingliederung der aus den Die Universitätskliniken waren natürlich nicht in der Lage, die psy- Anstalten entlassenen Patienten. chiatrische Versorgung der Bevölkerung allein sicherzustellen. Bevölkerungswachstum und Verstädterung erforderten immer Psychiatrie im Nationalsozialismus: höhere Behandlungskapazitäten. Überall wurden seit etwa 1870 neue Anstalten gebaut, die in aller Regel noch heute in Gebrauch das dunkelste Kapitel sind. Die bevorzugte Architekturform war neben der Unterbrin- Eugenik und Euthanasie: 1920 veröffentlichten der Jurist Karl Bin- gung in aufgelassenen Klöstern der Pavillionstil: malerisch in einem ding und der Psychiater Alfred Hoche eine Schrift mit dem Titel

Lichtblick • Jahresheft 2000 71 HISTORIE

„Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens“. Hierin sung aller Anstaltspatienten durch Meldebogen mit Angaben zu sprachen sie den Tod vieler wertvoller Menschen an, die im 1. Welt- persönlichen Daten, Diagnose, Rassenzugehörigkeit, Bettläge- krieg ihr Leben lassen mussten, während die „Insassen“ von „Idi- rigkeit, Therapie und Art der Beschäftigung. Die Daten wurden an oteninstituten“ ein sicheres Leben führten, eine angesichts des begutachtende Psychiater weitergeleitet. Sterbens in den Anstalten offensichtlich falsche Behauptung. Zu Die für die Tötung vorgesehenen Patienten wurden in sechs den Menschenleben, deren Weiterbestehen nach der Auffas- Tötungsanstalten (Schloß Grafeneck, Kreis Münsingen, Schloß sung von Binding und Hoche „für die Lebensträger wie für die Hartheim bei Linz, ehemaliges Zuchthaus, Brandenburg/Havel, Gesellschaft dauernd allen Wert verloren hat ...“ zählen die durch Bernburg/Saale, Sonnenstein bei Pirna und Hadamar bei Limburg Krankheit oder Verwundung ”unrettbar Verlorenen, die im vollen verbracht. Bis 1941 wurden 70.253 Patienten durch Kohlenmo- Verständnis ihrer Lage den dringenden Wunsch nach Erlösung noxidgas umgebracht. besitzen und in irgendeiner Weise zu erkennen geben” und die „unheilbar Blödsinnigen... Sie haben weder den Willen zu leben, Am 24.8.1941 wurde die Aktion T4 offiziell beendet. Zum einen war noch zu sterben.“ das „Plansoll“ von 70.000 Patienten erfüllt, zum anderen gab es zunehmen Proteste der Angehörigen, die das Verschwinden der Das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses: Diese Patienten misstrauisch gemacht hatte. Das Töten wurde deshalb Schrift blieb zunächst ohne größere Resonanz. Ihr Inhalt wurde in einigen Anstalten heimlich fortgesetzt. Bis zum Kriegsende wur- aber spätestens bei der Machtübernahme der Nationalsozialisten den zusätzlich in vielen Anstalten „dezentrale Euthanasien“ durch erneut aufgegriffen. Den ersten Niederschlag fand die neue Ideo- Injektionen mit Scopolamin oder Luminal durchgeführt. Andere Pati- logie im „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses (GzVeN)“ enten starben durch „Hungerkuren“. Insgesamt wurden bis 1945 vom 1.1.1934. Sterilisiert werden sollten nach diesem Gesetz wurden mehr als 150.000 psychisch Kranke ermordet. „erbkranke“ Personen mit den Diagnosen „angeborener Schwach- sinn, Schizophrenie, zirkuläres Irresein, erbliche Fallsucht, erb- licher Veitstanz, erbliche Blindheit oder Taubheit, schwere ererb- te körperliche Mißbildung und schwerer Alkoholismus“. Die Psychiatrie nach dem 2. Weltkrieg Alle Angehörigen von Heilberufen mussten „Erbkranke“ beim Amts- Nachkriegszeit: In der Nachkriegszeit war niemand so recht an arzt anzeigen. Zuwiderhandlungen wurden strafrechtlich verfolgt. der Aufarbeitung der Nazi-Verbrechen interessiert. Zwar wurden Der Amtsarzt beantragt beim „Erbgesundheitsgericht“ im Bedarfs- durch den Nürnberger Ärzteprozeß 1946-1947 und durch mehr als fall die Sterilisierung. 40 Euthanasieprozesse bis ca. 1965 die wesentlichen Fakten Zur Rechtfertigung der Zwangssterilisierung wurde unter anderem der Vernichtungsaktionen allgemein bekannt. Trotzdem fanden bis die von Kolb in Erlangen eingeleitete frühzeitigen Entlassung der zum Ende der 70er Jahre Bücher über die Psychiatrie im Natio- Patienten herangezogen. Viele Kranke lebten außerhalb der Anstal- nalsozialismus keinen Verlag oder wurden nicht beachtet. Über- ten und konnten somit - so die Befürchtungen der Eugeniker - haupt wurde die Situation psychisch Kranker von Politik und Öffent- ohne äußere Einschränkungen heiraten und Kinder in die Welt set- lichkeit kaum zur Kenntnis genommen. zen. Man befürchtete eine explosionsartige Vermehrung von „Bal- lastexistenzen“, durch welche die „Volksgesundheit“ gefährdet Der Bericht zur Lage der Psychiatrie in der Bundesrepublik (Psy- und das Volksvermögen belastet werde. Das Geld wurde radikal chiatrie-Enquête): 1970 wies der Mannheimer Psychiater H. Häf- gekürzt. Der Tagespflegesatz sank von 4,00 RM im Jahr 1923 ner auf gravierende Mängel der psychiatrischen Versorgung hin. auf 3,00 RM im Jahr 1929 und 2,70 RM im Jahr 1939. 1971 erteilte der Deutsche Bundestags einer Expertenkommis- sion den Auftrag, einen Bericht zur Lage der Psychiatrie anzu- Die Begeisterung für neue somatische Therapieformen: Ausge- fertigen. Eine erste Erhebung kam zu den erwarteten alarmie- rechnet in dieser Zeit wurden die ersten wirksamen biologischen renden Ergebnissen. Die stationäre psychiatrische Versorgung Behandlungsverfahren entwickelt wurden: die Insulinkomathe- wurde größtenteils durch 68 Psychiatrische Landes- oder Bezirks- rapie (Sakel 1933), die Cardiazolkrampftherapie (Meduna 1935) krankenhäuser sichergestellt. Die durchschnittliche Größe von und die Elektrokrampftherapie (Bini, Cerletti 1937). 1200, das Arzt-Patientenverhältnis von 1:64 (alle Ärzte) bezw. 1:87 Die Erfolge der neuen Therapieverfahren wurden in Deutschland (nur Assistenzärzte) zeigte die personellen Mängel auf. Bei >70 als Argument für eine Weiterführung der „erbbiologischen Maß- Prozent aller Patienten wurde die Behandlung gegen den Willen nahmen“ ins Feld geführt. Durch die Erfolge der neuen Therapi- der Betroffenen durchgeführt. Positive Ausnahme war lediglich en solle der Bevölkerung vor Augen geführt werden, dass alles für das Land Baden-Württemberg mit ca. 10 Prozent Zwangsbe- die Heilbaren getan werde und nur die Unheilbaren von diesen erb- handlungen. Bei 80 Prozent der Patienten erfolgte die Behandlung biologischen Maßnahmen betroffen seien. auf geschlossenen Stationen. Es gab lediglich 1200 niederge- Die Tötung psychisch Kranker und geistig Behinderter: Die Tötung lassene Nervenärzte die pro Patient <15 min im Monat erübri- psychisch Kranker und geistig Behinderter wurde 1939 nicht durch gen konnten. ein Gesetz, sondern durch einen „Geheimen Führererlaß“ einge- leitet. Der Zwischenbericht zur Situation in den Landeskrankenhäu- Die Aktion T4 (nach der Zentrale in einer Berliner Villa in der Tier- sern (1973) warf ein Licht auf die baulichen Mängel in den Kran- gartenstraße 4) wurde mit Hilfe von vier Tarnorganisationen durch- kenhäusern. Die Bausubstanz war veraltet, die Stationen um 35 geführt: Die „Reichsarbeitsgemeinschaft Heil- und Pflegeanstal- Prozent überbelegt. 40 Prozent der Patienten waren in Schlafsälen ten“ übernahm die Auswahl der Patienten, die „Gemeinnützige untergebracht. Die Patienten hatten keine Möglichkeit zum Tragen Krankentransportgesellschaft“ die Transporte in die Tötungsan- eigener Kleidung und keinen Platz für die Aufbewahrung von Eigen- stalten. Die „Gemeinnützige Stiftung für Anstaltspflege“ und die tum. Für die in den anstaltseigenen Betrieben geleistete Arbeit „Zentralverrechnungsstelle Heil- und Pflegeanstalten“ waren für erhielten sie nur eine minimale Entlohnung. die verwaltungsmäßige Abwicklung zuständig. Die Kommission erhob eine Reihe von Forderungen: Sofortmaß- nahmen zur Befriedigung von Grundbedürfnissen, Gleichstellung Im Oktober 1939 wurde die Gesamtzahl der zu tötenden Patien- von psychisch und körperlich Kranken, Verkleinerung der Groß- ten auf 65.000 - 70.000 festgelegt. Gleichzeitig begann die Erfas- krankenhäuser mit weniger als 600 Betten und die Schaffung psy-

72 Lichtblick • Jahresheft 2000 HISTORIE chiatrischer Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern mit einer Weitere Therapieverfahren: Trainierende und tagesstrukturieren- Mindestgröße von 200 Betten, die Bildung kleinerer Versor- de Verfahren (Beschäftigungstherapie, gezieltes Training geistiger gungsgebiete und die Spezialisierung der stationären Einrich- Fähigkeiten und Arbeitstherapie), Körperorientierte und kreati- tungen. vitätsfördernde Verfahren (Bewegungstherapie, Tanztherapie, Im Abschlußbericht der Sachverständigenkommission von 1975 Kunsttherapie und Musiktherapie) ergänzen vor allen Dingen im wurden Vorschläge zur Personalentwicklung unterbreitet: Ver- Rahmen stationärer und teilstationärer Behandlungen die Psy- besserung der Relation Arzt-Patienten und Pflegepersonal/Pati- chopharmako- und Psychotherapie. Die psychosoziale Bera- enten, Einstellung vom Mitarbeitern anderer therapeutischer tung ebnet den Patienten den Weg aus der Klinik. Berufsgruppen wie Diplompychologen, Sozialarbeitern und Ergo- therapeuten.

Seitdem hat sich die psychosoziale Landschaft durchgreifend ver- ändert. Die großen psychiatrischen Krankenhäuser wurden klei- Ausblick ner und überschaubarer, die räumlichen und sanitären Verhältnisse besserten sich. Zusätzlich entstanden in Deutschland über 100 Zu allen Zeiten haben sich Ärzte gemeinsam mit anderen thera- psychiatrische Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern, eben- peutischen und pflegenden Berufen, Politikern und Verwaltungs- soviele Tageskliniken, ambulante Dienste sowie zahlreiche Wohn- beamten der Behandlung psychisch Kranker angenommen. Dies und Arbeitsmöglichkeiten für psychisch Kranke. geschah mit unterschiedlichen Zielen: Hilfe auf der einen, Aus- grenzung und Misshandlung bis hin zur gezielten Tötung auf der Das System der psychiatrischen Versorgung: Die Geschichte der anderen Seite. Psychiatrie nach 1975 ist eine Geschichte von Erfolgen. Das System Heute bietet das psychiatrische Versorgungssystem eine Vielzahl der psychiatrischen Versorgung wurde immer weiter differenziert. von Möglichkeiten der Behandlung, Beratung und Unterstützung Es umfasst die Bereiche der stationären und teilstationären Behand- für alle Betroffenen, ohne dass eine dieser Möglichkeiten verzichtbar lung, der ambulanten Behandlung und Beratung und der kom- wäre. Psychiatrie und Psychotherapie sind auf einem guten Weg. plementären Einrichtungen. Gefährdet wird dieser Weg in Deutschland durch den immer enge- Die stationäre und teilstationäre Behandlung wird von den großen ren finanziellen Rahmen, dem sich alle an der psychiatrischen Ver- psychiatrischen Kliniken, den Universitätskliniken, den Abteilungen sorgung beteiligten Institutionen gegenübersehen. Ihre Aufgabe ist an Allgemeinkrankenhäusern und den autonomen oder in ein Kran- es, gemeinsam mit Politik und Öffentlichkeit nach Möglichkeiten kenhaus integrierten Tageskliniken sichergestellt. Die Ambulante einer Lösung des Dilemmas zwischen dem Wünschbaren, dem Behandlung und Beratung erfolgt durch Niedergelassene Ner- Notwendigen und dem Finanzierbaren zu suchen. venärzte, Psychiater und Psychotherapeuten, durch Institutsam- bulanzen und Polikliniken und durch Sozialpsychiatrische Dienste, die in manchen Bundesländern eine ausschließlich beratende Funk- tion, in anderen durch Anbindung an die Gesundheitsämter zusätz- lich eine Kontrollfunktion wahrnehmen. Darüber hinaus bestehen je nach Bundesland weitere beratende Dienste. Zu den komplementären Einrichtungen zählen die Einrichtungen Literatur des betreutes Wohnens (Wohngemeinschaften, betreutes Ein- Böcker FM: Psychiatrische Familienpflege und offene Irrenfürsorge: Sozialpsychiatrische zel- oder Paarwohnen und Heime) und die Hilfen am Arbeits- Konzepte bei Gustav Kolb und heute. In: Lungershausen E, Baer R (Hrsg): Psychiatrie platz (Dienste zur Wiedereingliederung der Patienten am alten in Erlangen. Perimed, Erlangen, 1985 Arbeitsplatz, Rehabilitationseinrichtungen für psychisch Kranke Deutscher Bundestag: Enquête über die Lage der Psychiatrie in Deutschland: Schluß- (RPK), Werkstätten für psychisch Behinderte (WfB) und Firmen für bericht der Sachverständigen-Kommission. Bundesdrucksache 7/4200, 1975 psychisch Behinderte (Selbsthilfefirmen). Jetter D: Grundzüge der Geschichte des Irrenhauses. Wissenschaftliche Buchgesell- schaft, Darmstadt, 1981 Der Siegeszug der Psychopharmaka nach dem 2. Weltkrieg: Mit Reimer F, Lorenzen D: Moderne Psychiatrie gestern und heute. Braun, Karlsruhe, der Entwicklung der ersten Neuroleptika und Antidepressiva in den 1996 50er Jahren änderte sich die psychiatrische Therapie tiefgreifend. Rössler W: Wilhelm Griesinger und die gemeindenahe Versorgung. Nervenarzt 64 (1992), Die Entdeckung der therapeutischen Wirkung der Lithiumsalze im 257-261 Jahr 1948 und ihr klinischer Einsatz seit Mitte der 50er Jahre, Schulte W: Hermann Simon. In: Kolle K: Große Nervenärzte Band 2. Thieme Stutt- die Einführung des ersten atypischen Neuroleptikums Clozapin im gart, 1970 Jahr 1974 sowie die Synthese neuerer Neuroleptika und Antide- Siemen HL: Psychiatrie im Nationalsozialismus. In: Baer R: Themen der Psychiatrie- pressiva in den 90er Jahren sind weitere Meilensteine dieser Ent- geschichte. Enke, Stuttgart, 1998 wicklung. Wittern R: Die psychische Erkrankung in der klassischen Antike. Fundamenta Psy- chiatrica 1 (1987), 93-100 Psychotherapie, Psychoedukation und Angehörigenarbeit: Einen weiteren Fortschritt bedeutete die Integration der Psychotherapie in die Psychiatrie. Seit 1994 ist eine fundierte psychotherapeuti- sche Ausbildung Bestandteil des neu geschaffenen Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie. Eine Sonderform der Psycho- therapie, die Psychoedukation vermittelt den Patienten notwen- dige und hilfreiche Informationen und hilft ihnen bei der Ausein- andersetzung mit ihrer Krankheit. Patientengruppen werden heu- Anschrift des Verfassers: te - ebenso wie Angehörigengruppen - in vielen psychiatrischen Prof. Dr. H. J. Luderer Kliniken angeboten. Auch sie sind aus der Behandlung der Schi- Zentrum für Psychiatrie Weinsberg zophrenie nicht mehr wegzudenken. Weissenhof, 74189 Weinsberg

Lichtblick • Jahresheft 2000 73 HINTERGRUND

Staatsanwaltschaft Gera ermittelt Newsletter www.lichtblick99.de Jenaer Arzt Ibrahim in Jenaer Klinikchefin soll „Euthanasie“- NS-Euthanasie verstrickt Der bekannte Jenaer Kinderarzt Jus- Programm der Nazis unterstützt haben suf Ibrahim (1877-1953) war nach Anga- ben von Wissenschaftlern in das NS- Der Thüringer Landesbeauftragte für die des Westlers Klee“. Kaum zu glauben, der Euthanasieprogramm verstrickt. An der Unterlagen der DDR-Staatssicherheit, Jür- Wegbereiter der NS-Forschung aus Frank- Erkenntnis, dass der in Kairo gebore- gen Haschke, hat gegen eine Jenaer Ärztin furt am Main, der zunächst selbst in der alten ne Arzt nach 1941 aktiv in die Euthana- Anzeige wegen des Verdachts auf aktive Bundesrepublik auf eine Mauer des Schwei- sie schwerstgeschädigter Kinder ein- Beteiligung am „Euthanasie“-Programm der gens stieß, wird ausgerechnet hier in den gebunden war, gebe es keinen Zweifel Nationalsozialisten erstattet. neuen Bundesländern zum „Störenfried“ mehr, teilte der Vorsitzende einer von der Die ehemalige Dekanin der Jenaer Medi- erklärt. Doch die Untersuchungen lassen Universität Jena eingesetzten Kommis- zinischen Fakultät, Rosemarie Albrecht, soll sich nicht mehr aufhalten. Im Fall der Ver- sion, Klaus Dicke, in Jena mit. als Leiterin der Frauenstation der psychia- strickung des Jenaer Kinderarztes Jussuf Die Auswertung von Krankenakten, trischen Klinik in Stadtroda Gutachten über Ibrahim sah sich der Rektor der Friedrich- Archivmaterial und 63 Zeitzeugen- Kranke geschrieben und sie damit praktisch Schiller-Universität Jena Ende 1999 gezwun- Berichten hätten die Verstrickung von in den Tod geschickt haben, erklärte Hasch- gen, eine Kommission einzusetzen. Diese Ibrahim in das NS-Programm erwiesen. ke in Jena. In ihrer Amtszeit von 1940 bis kommt am 17. April 2000 zu dem Ergeb- Auf Grund der Faktenlage werde die 1942 seien dort 159 Frauen und elf Kinder nis: „Der Verdacht, dass Prof. Dr. Jussuf Ibra- nach Ibrahim benannte Kinderklinik der zu Tode gekommen. Die Totenscheine sol- him an der Tötung «lebensunwerten Lebens» Universität in Kürze umbenannt, kün- len ihre Unterschrift tragen. Im Mai 1942 in der Zeit des Nationalsozialismus beteiligt digte Rektor Georg Machnik an. Ibra- wechselte sie an die Universitätsklinik Jena. war, hat sich bestätigt.“ Sie empfiehlt drin- him, der am Aufbau der Jenaer Kinder- Im Rahmen der ersten Ermittlungen der gend eine „Forschungsstelle zur Analyse der klinik beteiligt war und sie bis zu seinem Staatsanwaltschaft Gera konnten ihr «20 Geschichte der Medizin an der Friedrich- Tod im Jahr 1953 leitete, ist auch Jena- Fälle» nachgewiesen werden. Schiller-Universität zur Zeit des Nationalso- er Ehrenbürger. Mit der Aberkennung der Bei Recherchen im Archiv in Gera sei man zialismus“ einzurichten. Ehrenbürgerschaft befasst sich nun der auf die Akte aus den 60er Jahren gestoßen, Ein folgerichtiger Hinweis, stehen doch die Jenaer Stadtrat. Dazu Pressesprecher so Haschke. Das von der Stasi als „gesperrt“ Medizinprofessorin Rosemarie Albrecht und Olaf Schroth auf Lichtblick-Anfrage: „Die abgelegte Dossier enthalte Informationen noch weitere Personen unter Verdacht, an Beschlussvorlage zur Aberkennung wur- über die Tätigkeit Albrechts in Stadtroda. den „Euthanasie“-Morden beteiligt gewesen de zunächst zurückgenommen. Es müs- Rosemarie Albrecht, die in der DDR Leite- zu sein. Die Gutachter verweisen darauf, sen noch weitere Zeitdokumente und rin der Hals-Nasen-Ohren-Klinik der Uni- „dass hier insgesamt ein Gebiet angespro- Zeitzeugen herangezogen werden, um versität und als Fachärztin geachtet und chen ist, in dem auch bundesweit erhebli- eine Entscheidung aus dem holen Bauch anerkannt war, lebt heute 85-jährig in Jena. che Lücken aufzuweisen sind“. heraus zu vermeiden.“ Über den Umgang der Menschen mit der ddp(Götz Aly) / lb-news/rh Geschichte sei Haschke «sehr verwundert». Prozess gegen Gross So hätten die betreffende Akte vor ihm min- destens fünf Historiker gelesen. Keiner Der Prozess gegen den Psychiater und erstattete Anzeige, »dabei liegt der Mord- später beschäftigten Gerichtsgutach- verdacht doch auf der Hand». Friedrich-Schiller-Universität Jena ter Heinrich Gross ist wegen Verhand- Das Papier enthalte auch zahlreiche Hin- Aus dem Ergebnisbericht der Kommission lungsunfähigkeit im Wiener Landgericht weise auf andere Mediziner und Pfleger. „Kinderklinik Jussuf Ibrahim“ vertagt worden. Dem 84-Jährigen wird Besonders enttäuscht sei er darüber, «dass Beihilfe zum Mord an neun geistig behin- von Seiten der Friedrich-Schiller-Universität Die Kommission kommt einstimmig zu dem Ergeb- derten Kindern in der Wiener NS-Eut- bisher kein Antrag auf Akteneinsicht gestellt nis: Der Verdacht, dass Prof. Dr. Jussuf Ibrahim hanasie-Anstalt „Am Spiegelgrund“ vor- wurde». Dabei sei die Akte X63/65 doch an der Tötung „lebensunwerten Lebens“ in der geworfen. Während der NS-Zeit wurden gerade für die Kommission, die die Ver- Zeit des Nationalsozialismus beteiligt war, hat sich in dieser Klinik Hunderte Kinder für grau- strickung des berühmten Jenaer Kinder- bestätigt. Unter Zugrundelegung höchster Maß- same medizinische Experimente miss- arztes und Ehrenbürgers, Jussuf Ibrahim in stäbe kann eine Beibehaltung des Namens „Jus- braucht und ermordet. Gesundheits- das Euthanasie-Programm der Nazis unter- suf Ibrahim“ für die Universitätskinderklinik nicht stadtrat Dr. S. Rieder stellt klar: „Was sucht, «von ungeheurer Wichtigkeit». verantwortet werden. Die Kommission empfiehlt nach 1945 nicht endete, war die wis- Dass sich die DDR nie um eine lokalge- deshalb der Medizinischen Fakultät sowie dem senschaftliche Ausbeutung der ermor- schichtliche Aufarbeitung der NS-Euthana- Senat der Friedrich-Schiller-Universität, nach Her- deten Kinder, auf deren Leichen nicht nur sie-Verbrechen bemüht habe, wird beson- stellung des Einvernehmens mit der zuständigen eine Karriere im Nachkriegsösterreich ders von westdeutschen Historikern kriti- Stiftung den Namen „Jussuf Ibrahim“ für die Kli- aufgebaut wurde.“ Es liege nach seiner siert. Thüringen ist das einzige Bundesland, nik für Kinder- und Jugendmedizin der Friedrich- Ansicht an der Gesellschaft, zu definie- in dem nach 1945 kein einziger Strafprozess Schiller-Universität nicht fortzuführen. ren, wie der Umgang der Wissenschaf- wegen „Euthanasie“-Verbrechen geführt Jena, den 17. April 2000 ten mit Menschenrechten und Men- wurde. Die jetzt eingeleiteten Ermittlungen gez. schenwürde geregelt wird. Diese Frage könnten auch dazu beitragen, warum Prof. Dr. Dr. Olaf Breidbach könne man, wenn einem an den huma- Prof. Dr. Klaus Dicke bekanntes Archivmaterial, dokumentierte nen Grundwerten etwas liege, niemals Prof. Dr. Eberhard Eichenhofer Zeitzeugenaussagen und historische For- Prof. Dr. Herbert Gottwald unbeantwortet lassen. „Denn die Wis- PD Dr. Susanne Zimmermann schungsergebnisse aus dem Westen solan- senschaft ist zwar grundsätzlich frei, nicht Prof. Dr. Felix Zintl ge verdrängt und verharmlost werden konn- aber frei gegenüber den Menschen- ten. Einige Prominente Jenas sprechen Den ausführlichen Bericht der Kommission finden Sie unter: rechten und der Menschenwürde.“ bizep www.verwaltung.uni-jena.de/oeff/ibrahim bereits von einer „inszenierten Kampagne

74 Lichtblick • Jahresheft 2000 ERFAHRUNG

„Geholfen hat mir die Erkenntnis, Newsletter www.lichtblick99.de dass ich etwas tun muss“ Unterschiede in der Konzentration Ein Bericht von Gudrun Brandstetter Johanniskraut-Präparate

Es liegt mir sehr viel daran, dass seelisch ich jemanden hatte, bei dem ich mich selbst Hamburg (ots) - Der Kauf von Johannis- Kranke genauso über ihre Krankheit spre- etwas mehr verstehen lernte. Eigentlich kraut-Präparaten kann zur reinen Glücks- sache werden. Eine Exklusiv-Untersu- chen dürfen, wie körperlich Kranke. Lei- geholfen hat mir die Erkenntnis, dass ich chung der Zeitschrift VITAL hat ergeben, der ist das in unserer Gesellschaft immer etwas tun muss. In den sogenannten dass es „eklatante Unterschiede“ in der noch nicht so. Vor allem Berufstätige könn- „gesunden“ Phasen hielt ich Dialoge mit mir Konzentration der wesentlichen Wirk- ten dadurch Nachteile haben. selbst. Ich versuchte, auf mein eigenes stoffe gibt. Keines der außerhalb der Schicksal zuzugehen. Immer wieder rede- Meine Krise begann 1989 mit der Trennung Apotheke verkauften Mittel erreiche die te ich mir zu „die letzte Attacke hat mich von meinem damaligen Mann. Die Ehe war erforderliche hohe Dosierung, wie sie nicht umgebracht, so wird mich die näch- gescheitert. Ich wusste nicht, wohin. Damals zum Beispiel ein Vergleichspräparat des ste auch nicht umwerfen“. Ich versuchte, war ich nicht berufstätig, ich wollte nur für Marktführers hat, das nur in der Apotheke aus meinem Tief zu lernen. Langsam merk- meine zwei Kinder da sein. Jetzt stand ich zu haben ist. Etwa die Hälfte der 15 im te ich, wie ich immer stärker wurde - und vor dem „Nichts“. Auftrag von VITAL vom renommierten die Attacken immer schwächer wurden. Da bekam ich den Rat, nachdem ich zwei Bremer Umweltinstitut untersuchten Jahre zuvor bereits eine Psychotherapie Geholfen hat mir, mein Schicksal anzuneh- Präparate sei unterdosiert, erfülle nicht begonnen und wieder abgebrochen hatte, men und auf die Panik zuzugehen. Ich kann die Mindestanforderung, die vom Bun- desgesundheitsamt gestellt wird. für ein paar Wochen freiwillig in eine psy- nur sagen, dass dies eine äußerst schwe- Johanniskraut hilft bei richtiger Dosierung chosomatische Klinik zu gehen. Wie re Aufgabe ist, die man auf keinen Fall ein- nachweislich bei leichten bis mittel- schlecht es mir zu diesem Zeitpunkt bereits fach so voraussetzen darf. Sprüche wie „reiß schweren depressiven Störungen. Die ging, habe ich gar nicht mehr wahrgenom- Dich mal zusammen“ oder „komm, wir Kommission E des Bundesgesundheit- men. Die Klinikzeit war anfangs recht schön gehen ein bißchen spazieren oder Kaffee samts empfiehlt pro Tag 0,2 bis ein Milli- - nur meine Kinder fehlten mir. Und außer- trinken“ sind wenig hilfreich. Nur, indem man gramm Gesamthypericin. Die vom Insti- dem wurden aus den paar Wochen 7 Mona- nicht bagatellisiert, was derjenige erlebt, tut überprüften Pflanzenstoffe Hypericin, te. Während dieser Zeit lernte ich einen kann man diese Menschen unterstützen. Pseudohypericin - beide zusammen als Mann kennen, mit dem ich recht schnell eine Ich selbst hatte nach fünf Jahren diese Gesamthypericin gemessen - und Hyper- Beziehung aufbaute. Dieser Mann leidet an Krankheit besiegt - obwohl mir gesagt wur- forin gelten als Hauptwirkstoffe. Die Parkinson. de, dass diese Krankheit „schwer heilbar Untersuchung hat deutlich gezeigt, dass Zwei Monate nach dem Kennenlernen war sei. Heute muss man auch keine Angst mehr die Hersteller nicht dieselben Ansprüche an das Produkt „Johanniskraut“ stellen. ich schwanger. Von da an begann meine vor Psychopharmaka haben. Denn die Ent- Zum Teil fehle das Hyperforin, zum Teil bewußt erlebte Leidenszeit. Kurz vor der wicklung ist in den letzten Jahren rapide kämen Hypericin und Pseudohypericin Schwangerschaft ließ ich noch zwei Zäh- fortgeschritten. Es gibt nur in seltenen Fäl- in verschwindend geringen Mengen vor. ne mit Amalgam füllen, was nach meinen len noch Abhängigkeit und schwerwiegen- In einigen Produkten ließen sich alle drei jetzigen Erfahrungen maßgeblich zu seeli- de Nebenwirkungen. nur in Spuren nachweisen. schen Störungen beitragen kann. Plötzlich, Von meinem damaligen Freund habe ich ohne Vorwarnung bekam ich eine Panik- mich getrennt. Inzwischen bin ich wieder Attacke. Wer das - hoffentlich - noch nicht Blickpunkt verheiratet. - mit einem Diplom-Psycholo- erlebt hat, kann mit Sicherheit kaum nach- gen. Ein schönes „Happy End“. Wir haben Öffentliche Gesundheit fühlen, was das heißt. Es ist ein lebensbe- uns aber beim Singen und nicht in der „Psy- drohlicher Zustand, der einen auch in eine lb-news: Bereits im 16. Jahrgang choszene“ kennen- und lieben gelernt. massive Todesangst versetzt. Man möch- erscheint das Fachblatt „Blickpunkt - Öffentliche Gesundheit“. Es wird her- te die eigene Haut verlassen, was natür- Durch meine Erfahrungen bin ich auf einen ausgegeben von der Akademie für öffent- lich unmöglich ist. völlig anderen Weg gekommen. Ich habe viele Ausbildungen im Gesundheits- und liches Gesundheitswesen in Düsseldorf. Unter diesen massiven Zuständen erlitt ich Die Akademie ist eine öffentlich-rechtli- Psychologiebereich absolviert und arbeite einen Abgang meiner Schwangerschaft. che Anstalt der Länder Bremen, Ham- heute in einer Feierabendpraxis gemeinsam Nach dem Aufenthalt in der psychosoma- burg, Hessen, Niedersachsen, NRW, und mit meinem Mann. Im Herbst strebe ich die tischen Klinik zog ich mit meinem Freund Schleswig-Holstein und dient der Aus-, für mich wohl wichtigste Prüfung an, die zusammen. Meine beiden Kinder holte ich Fort- und Weiterbildung von Berufen des Prüfung in heilkundlicher Psychotherapie zu mir und dachte, dass jetzt wieder alles öffentlichen Gesundheitswesens sowie beim Amtsarzt. Als nächstes habe ich vor, gut wird, dass jetzt ein wunderschönes der angewandten Forschung. Das Blatt mich in Systemischer Therapie und Orga- Familienleben beginnt. Doch die Panik- Nr. 2/2000 beschäftigt sich u.a. mit „Auf- nisationsberatung ausbilder zu lassen. Attacken ließen mich nicht mehr los, die mit suchende Prävention in der GK-Bera- der Angst vor der Angst und Depressionen Dass bei uns die Menschen bereits nach tung“, sinnvollen Strategien des Infekti- onsschutzes im allgemeinen und im einhergingen. Ich verzweifelte am Leben. eineinhalb bis zwei Jahren gestärkt die the- Umgang mit sexuell übertragbaren Und was noch dazu kam, mein Freund - rapeutische Situation verlassen können, Erkrankungen und stellt ein Kennzahlen- gezeichnet von der eigenen Krankheit - hängt sicherlich auch mit unseren unter- system für den Amtsärztlichen Dienst vor. distanzierte sich immer mehr von mir. Noch schiedlichen Erfahrungen zusammen. Lang- Zudem werden spezielle Anregungen zur eine Schwangerschaft ging ab. fristig gesehen möchte ich die Praxis in eine Gesundheitsförderung gegeben. Mein Lebensmut sank von Tag zu Tag. Die Tagespraxis umwandeln - was hoffentlich Internet: www.afoeg.nrw.de Psychoanalyse half mir nur insofern, dass bald der Fall ist.

Lichtblick • Jahresheft 2000 75 STANDPUNKT

Wir Patienten fragen uns, wann die nächste Reguliert der Markt alles? Entlassungswelle auf uns zu kommt? Womit weitere Krisen, Neuaufnahmen und Kosten Wer möchte schon daran erinnert werden, ich zum Körbeflechten gehe (ich kann die vorprogrammiert wären. wie es vor der Wende in einer Nervenkli- Dinger nicht mehr sehen) oder lieber am See Der Psychiatrieplan ist ein nützliches Instru- nik aussah. Große Schlafsäle, unzumutba- spaziere, einfach um mich zu entspannen, ment, aber lassen sich die Besonderhei- re Lebens- und Behandlungsbedingungen, nachzudenken. ten jedes einzelnen mit seinem Krankheits- Tabuisierung, wenig Personal sowie mar- bild in Zahlen und Tabellen „verrechnen“? Doch welche Kriterien bestimmen noch das ode Bausubstanz. Zudem nehmen die Nervenkrankheiten zu. Bild unserer Nervenklinik? Hier einige Stich- Dann die Wende. Große Hoffnungen hatten punkte: Sparzwänge, steigende Kosten, Warum entscheiden Krankenkassen über Ärzte, Schwestern und Patienten. Die Kassendiktat, harter Wettbewerb .... Wobei den weiteren Verbleib des Patienten in der Schweriner Nervenklinik begann sich zu öff- die Träger sich mit dem Argument rechtfer- Klinik? Kann bei diesen Sparzwängen der nen. Sie wurde modernisiert und dezentra- tigen: Krankenhäuser müssen nach wirt- Versorgungsauftrag noch erfüllt werden? lisiert. Rehabilitative, komplementäre und schaftlichen Grundsätzen arbeiten (obwohl Werden wir bald britische Verhältnisse ambulante Einrichtungen und Initiativen ent- alles immer teurer wird), sie seien ein büro- haben? Viele Fragen. Antipsychiatrisch Strö- standen, z.B. die „Dreescher Werkstätten“, kratischer Moloch. mungen haben die Ohren gespitzt. Aber was „KISS“, Betreutes Wohnen und die Initia- steckt dahinter? Liebäugelt schon wieder Zwar ist von Angleichung an das Westniveau tivgruppe Sozialarbeit. jemand mit Privatisierung? Reguliert der die Rede, aber nur die Kliniken im Westen Markt wirklich alles ? Ein weiterer Schritt zur Liberalisierung voll- können pro Behandlungsfall das Doppelte zog sich 1998 mit der Auflösung der ausgeben. Kurzum, eine richtige Zwickmühle. Ein gesundes Arbeitsklima wirkt sich auch geschlossenen Station 23. Nur noch weni- Wir Patienten, Schwestern und Pfleger gesundheitsfördernd auf die Patienten aus. ge Plätze gibt es auf der Station 3. Die letz- bekommen das direkt zu spüren. „Die Pati- Nur im Zusammenwirken von Ärzten, Kran- te „Geschlossene“ - Prima! enten stehen Schlange“, so auch eine Sta- kenschwestern, Krankenkassen, Patienten Und nicht nur für mich entstand ein weite- tionsschwester. Obwohl die Aufnahmezah- und den Berufs- und Selbsthilfeverbänden rer Vorteil. Die Zwangstherapie wurde abge- len steigen, sind Bettenzahlen und Ver- wird die Psychiatriereform eine Zukunft

schafft. Jetzt kann ich frei entscheiden, ob weildauer drastisch reduziert worden. haben. Gerd Broh, Vorsitzender LPE MV e.V.

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Landesverband Psychiatrie-Erfahrener dd dd dd

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dd Mecklenburg-Vorpommern e.V. dd

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Henrik Ibsen Str. 20 • 18106 Rostock dd dd dd

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Telefon (bitte auch Anrufbeantworter benutzen) + Fax: dd

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0381 - 76 80 214 dd dd dd

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Vertrauen und Hilfe SELBSTHILFE dd

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dd Wer bei seinem Namen gerufen werden kann, ist individuell und unverwechselbar. dd

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Wir wollen nicht als Fälle behandelt werden. dd

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„ich habe es selbst erlebt...“ dd

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„Alle Menschen haben Augen. Es gibt auch solche, die blind sind. Die Blinden werden von einem dd dd dd

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dd am Arm geführt....Es gibt auch Leute, die nichts sehen und noch dazu solche, die nichts hören. dd

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Aber ich kenne auch einige, die hören zuviel. Man kann zuviel hören. Man kann zuviel sehen. dd

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In *** gibt’s viele Kranke. Man sagt zu ihnen Patienten. dd

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Einer lehrte mich: Hier gibt’s vielerlei: Patienten, Insassen, Wärter. Dann hat’s noch solche, die dd dd dd

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dd gar nicht hier sind. Es sind alles merkwürdige Leute...“ dd

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dd Ein Patient Prof. Bleulers an seine Mutter, im Jahr 1911. ¥ Eugen Bleuer schuf 1908 das Wort „Schizophrenie“. dd

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76 Lichtblick • Jahresheft 2000

STANDPUNKT

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dd Durch den Abbau von Unter- und Fehlversorgung in dd dd

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dd www.lichtblick99.de

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dd den Bereichen Soziotherapie, Psychotherapie, Phar-

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dd im Vergleich zu anderen Bundesländern fällt unsere makotherapie und medizinische Rehabilitation sowie dd dd

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dd 9,1 Krisenfälle auf 1000 Einwohner dd dd

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dd Mitgliederzahl eher bescheiden aus. Sie hat sich auf durch eine bessere Kooperation zwischen Klinikern

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dd 170 eingepegelt. Schon möglich, dass die geringe und niedergelassenen Fach- und Hausärzten lie§en

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dd Münchner Krisenstudie

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dd Bevölkerungsdichte Mecklenburg-Vorpommerns mit sich bestimmt Milliarden sparen. Zudem konnten wir dd dd

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dd nur 71 Einwohnern je Quadratkilometer bei einer auf unserer letzten Jahrestagung erfahren, warum sich

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dd In einer vom Bundesministerium für dd dd

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dd Bevölkerungszahl von 1,8 Millionen auf die Lobby- Angehörige- und Psychoseerfahrenegruppen im Ost-

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dd Gesundheit geförderten Studie wurde dd dd

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dd arbeit schwer drückt. Zum Vergleich: In Bayern leben seezentrum für seelische Gesundheit Neustadt tref-

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dd die Versorgung von Menschen in psy-

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dd 171 Menschen pro Quadratkilometer, bei einer Ein- fen und austauschen (Foto, unten links). Neuere Unter-

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dd chiatrischen Krisen- und Notfallsituatio-

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dd wohnerzahl von 12 Millionen! suchungen weisen darauf hin, dass gerade diese Form dd dd

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dd nen in der Region München Süd (360 000

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dd des Austausches zur Vermeidung von Rückfällen und

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dd Aber Aufklärungsarbeit tut überall Not. Denn rund ein dd dd

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dd Einwohner) untersucht. Entsprechend dd dd

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dd einer Verbesserung des Umgangs mit Krisen beitra-

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dd dd Prozent der Bevölkerung erkrankt an Schizophre-

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dd der Datenlage wurde 9,1 Krisenfälle auf dd dd

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dd gen kann. Leider gibt es diese Angebote nur in weni-

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dd nie. In MV sind 18 000 Menschen davon betroffen.

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dd dd 1000 Einwohner pro Jahr ermittelt.

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dd gen Kliniken, noch seltener für Angehörige!

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dd Susanne Heim, Referentin in Sachen Angehörigen- dd dd

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dd dd 77,9 Prozent aller Krisen traten an Werk-

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dd dd arbeit, sagte auf dem Thüringer Medientag: ãZu den

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dd tagen, 22,1 Prozent an Wochenenden

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dd wichtigsten Aufgaben der Verbandsarbeit zählt zu aller- dd dd

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dd und Feiertagen auf. In den Abendstun- dd dd

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dd dd erst die Solidarisierung der Basis, der Betroffenen und

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dd den von 17 bis 21 Uhr war die Inan-

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dd ihre Ermutigung zum aufrechten Gang.“ Schlie§lich

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dd spruchnahme genauso hoch wie in den

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dd leisten die meisten Angehörigen für ihre Kranken eine dd dd

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dd dd üblichen Sprechzeiten von 9 bis 17 Uhr.

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dd dd enorme fürsorgliche und materielle Unterstützung.

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dd Am Wochenende lag die durchschnitt- dd

dd Doch werden die Sorgen und Nöte gehört, werden

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dd dd Angehörige spürbar entlastet?

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dd liche Inanspruchnahme mit 6,6 Krisen- dd dd

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dd Immerhin: Auf der Tagung

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dd fällen pro Tag nur um ein Drittel niedriger

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dd ãPsychiatrie 2000 - Zur Not- dd dd

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dd dd dd dd als an den Werktagen mit 10 Krisenfäl-

Schizophrenia - Open the doors dd dd

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dd dd wendigkeit des Qualitätsden-

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dd dd len/Tag. Krisen- und Notfallhilfe wurden

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dd kens in der Sozialpsychiatrie“,

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dd in vier Formen in Anspruch genommen: dd dd

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dd Oder die Wanderausstellung des Angehörigenver-

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dd sagte Sozialministerin Dr. Mar- dd dd

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dd bandes ÇSchizophrenia - open the doorsÈ, um Vor- ambulant, stationär, telefonisch und als

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dd tina Bunge (Foto, links):

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dd dd urteile, Ausgrenzungen und Klischees weiter abbau-

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dd Hilfe vor Ort. 35 Prozent der Krisenin-

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dd ãHilfsangebote für psychisch dd dd

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dd en zu helfen. Die aus 20 Tafeln bestehende Doku-

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dd terventionen fanden vor Ort statt. 29 Pro-

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dd dd Kranke Menschen müssen

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dd mentation wurde vergangenes Jahr am ãTag der offe-

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dd dd zent der betroffenen Menschen wand-

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dd noch besser erreichbar und

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dd dd nen Tür“ im Schweriner Landtag gezeigt. An der Aus-

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dd ten sich direkt an ambulante Einrichtun- dd dd

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dd individueller werden.“ dd dd

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dd stellung beteiligten sich Psychiatrieerfahrene, Angehöri-

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dd gen, 15 Prozent erhielten Hilfen im Rah-

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dd dd ge und psychiatrisch Tätige aus Rostock, Stralsund

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dd Längst hat sich unser Verband in der Politik, quer durch

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dd men einer stationären Aufnahme und 21

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dd und dem Landkreis Ostvorpommern. In ihren Beiträ-

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dd dd alle Parteien, und im Gesundheitswesen einen Namen

dd dd Prozent fanden Rat per Telefon. 13,2 Pro-

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dd gen befassen sie sich u.a. mit Stigmatisierung, Dif-

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dd gemacht. Wie die Betroffenen mit den Auswirkungen

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dd zent der Krisenfälle gingen mit einer dd dd

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dd dd famierung, Schuldzuweisung und den Folgen. Zudem

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dd einer psychischen Erkrankung besser zurechtkom- dd dd

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dd Selbstverletzung oder einem Suizidver- dd dd

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dd dd verweist die Ausstellung darauf, ein schweres psy-

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dd men und was Angehörige selbst für ihr gesundheitli-

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dd such einher, in 8,4 Prozent lag Fremd-

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dd chisches Leiden als eine behandelbare Krankheit dd dd

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dd ches Wohlbefinden und für ihre berufliche Entwick-

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dd zu begreifen. Im Ergeb- gefährdung vor. 38,9 Prozent der Klien-

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dd lung tun können, darauf will der LApK nicht nur auf- dd dd

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dd nis der Einnahmen

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dd dd ten in Krisen- und Notfallsituationen

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dd merksam machen, sondern auch der Frage nach-

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dd dd überreichte der Frakti-

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dd waren männlich, 59,7 Prozent weiblich.

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dd gehen, was rechtzeitige Hilfen leisten können. dd dd

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dd dd onsvorsitzende der

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dd Bezogen auf das Alter bildeten die 18 bis

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dd Es sind unsere engagierten Mitglieder, die bereits eini-

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dd CDU-Landtagsfraktion, dd dd

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dd 35jährigen mit 41,4 Prozent die grösste

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dd ges bewegen konnten, z.B. wirkten sie bei der Novel-

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dd dd Eckhardt Rehberg

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dd lierung des Psychiatrischen Krankengesetzes mit. Gruppe, gefolgt von den 36 bis 50jähri- dd dd

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dd (Foto), dem Landesver-

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dd dd Auch haben wir eine Stimme im Landesfachbeirat Psy-

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dd dd gen mit 32,3 Prozent und den 51 bis

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dd dd band der Angehörigen

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dd chiatrie. Eine Mitarbeit im Integrationsförderbeirat steht

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dd 65jährigen mit 11,5 Prozent.

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dd dd und Freunde psychisch

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dd bevor. Wir haben auch zusammen mit der Kas-

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dd Mobilität im Sinne von Krisenhilfe vor Ort

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dd Kranker einen Scheck dd dd

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dd senärztlichen Vereinigung ein ãExpertenforum zur Ver-

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dd wurde zu fast 90 Prozent durch nicht-psy-

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dd dd von über 1000 Mark.

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dd sorgung psychisch Kranker“ ins Leben gerufen. Ein dd dd

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dd dd chiatrische Einrichtungen (Rettungsdienst,

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dd dd wichtiger Grund: Obwohl der medizinische Fortschritt

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dd Polizei) bereitgestellt, nur 11 Prozent dd dd Um viele Menschen im Land zu erreichen, setzt der

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dd besonders auch für Schizophreniekranke innovative

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dd LApK auf Öffentlichkeitsarbeit. So erscheint der Licht- durch psychiatrisches Fachpersonal.

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dd Therapien bereithalte, wird ihnen immer noch diese

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dd blick in einer Auflage von 3000 Exemplaren. Das Blatt dd dd

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dd Von allen Krisenfällen wurden nur vier

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dd Chance weitestgehend vorenthalten.

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dd dd steht sogar im Internet zum Download bereit. Bereits

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dd dd Prozent durch den Nervenärztlichen Not-

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dd über 300 eingeschriebene Rundbriefleser beziehen

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dd dienst versorgt.

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dd via E-Mail alle 14 Tage den Lichtblick-newsletter. dd dd

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dd Die Ergebnisse der Studie sind so dd dd

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dd dd Besonders freut uns: innerhalb weniger Monate

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dd beschaffen, dass sich aus ihnen sowohl

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dd besuchten 11 000 Ratsuchende (!) unsere Home- dd dd

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dd Schlußfolgerungen für den Versor-

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dd dd page www.lichtblick99.de. Und mit unseren Gedan-

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dd dd gungsbedarf des untersuchten Sektors,

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dd ken sind wir schon bei unserer nächsten Jahresta-

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dd als auch planerische Daten für andere

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dd gung im Oktober. Dazu erhalten Sie im August eine dd dd

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dd Regionen ableiten lassen. dd dd

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dd dd Einladung. Teilen Sie uns Ihre Anregungen mit!

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dd dd Projektleitung: Dr. Gabriele Schleuning,

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dd Ulrike Schob • [email protected]

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dd Dr. W. Krüger, Ostseezentrum für Seelische Gesundheit Neustadt, infor-

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dd mierte Angehörige in Rostock über die Gruppen an seiner Klinik. dd dd dd

dd Dr. Michael Welschehold, Psychiatrisches

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dd dd Ja, ich werde Mitglied!

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dd Krisenzentrum Atriumhaus, Bavariastr. 11, dd dd

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dd 80336 München, Tel. 089 - 76 78 - 0 dd dd

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dd LApK MV e.V., Henrik-Ibsen-Str. 20, 18106 Rostock ¥ Tel. 0381 - 72 20 25

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Lichtblick • Jahresheft 2000 77 NACHWORT

Newsletter www.lichtblick99.de in kleineres Nachwort zum liebevoll Neuer Strohhalm? E gemachten Begleitheft zum Sym- posium „Psychisch Kranke im Spiegel der Neubeelterung öffentlichen Meinung“ in Jena.

lb-news/ub/rh - Als „eine Chance für psy- Das Begleitheft vermittelt optisch eine lie- chotische Menschen“ bezeichnet die bevolle Ausstrahlung. Der besondere Blick- Lebensschule Therapeutische Gesell- fang ist zweifellos das Umschlagbild, es ist schaft (LTG) in Konstanz die Cathexis- wahre Kunst. Kunst verstehen zu wollen, Therapie. Sie ist in Deutschland unter ehrt den Menschen, es schult ihn. dem Begriff „Neubeelterung“ (Reparen- ting) bekannt. Diese Theorie, begründet Also: „Willst Du Kunst verstehen, mußt Du von J. Lee Schiff, ist Bestandteil einer der das Kunstwerk mit den Augen des Künst- Schulen in der Transaktionsanalyse. Sie lers sehen.“ Wenn auch die Interpretatio- beinhaltet, dass der Therapeut mit Ein- nen verschieden ausfallen, hat das Kunst- verständnis des Patienten dessen alte werk doch seinen Zweck erfüllt, es hat Eltern-Ich-Strukturen durch neue ersetzt angeregt, Bewegung geschaffen. und im Therapiezeitraum (5 bis 7 Jahre) Welch schöne Anregung kann dieses leicht sein therapeutischer Vater oder seine the- wirkende Bildnis doch vermitteln, wenn man rapeutische Mutter ist. die Eleganz der Balettschuhe auf dem „Alle Patienten müssen, wenn sie sta- tionär zu einer «häuslichen» Therapie auf- schweren Untergrund als Gegensätzlich- genommen werden, bereit sein, ihren vor- keit erkennen will, von dem die Tänzerin herigen Wohnsitz aufzugeben“, be- abhebt. So möchte ich das Bild als Auffor- schreibt Ulrich Neumayer das Konzept derung nehmen, dass Schwere und Leich- der LTG. Eine weitere Auflage ist, „dass tigkeit nur scheinbar sind. Und dass die der Kontakt zu den biologischen Eltern Erkenntnis der Gegensätze auch immer die Aufforderung zur Harmonisierung sind. für das erste Therapiejahr nur schriftlich Das erste Drittel besteht vorwiegend aus stattfindet, keine noch so kurzen Besu- Nicht der Kampf gegen oder gar für etwas dem, was den „Normalen“ ausmacht: Vor- che oder Telefonate sind erlaubt. Eine ist gut, sondern die Befriedung ist es. wort, Grußwort, Programm und Referenten. Änderung dieses Punktes wird nach Gestatten Sie mir, das Bild zur gemeinsa- einem Jahr, in Abhängigkeit der Ent- Das zweite Drittel ist „Abstracts“ tituliert. men „Auftragserteilung“ an die Betroffenen wicklung des Patienten, besprochen.“ Was immer das aussagen will. Die Refe- und deren Angehörige zu deuten: Wenn die Es wird angenommen, die Schizophre- renten beschreiben, aus ihrer Sicht sehr gut, Mentalität der breiten Öffentlichkeit nicht nie sei Resultat genetischer Prädisposi- entsprechend ihrer Position in der Masse, zum besseren Verstehen und Handeln, tion und wiederholter pathologischer ihr Anliegen. Beziehungsmuster. Bei einer schizo- gegenüber den Betroffenen bereit ist, dann phrenen Erkrankung würde die erste sig- nützt keine Verurteilung Unserseits. Das letzte Drittel reicht kaum aus, die Daten nifikante Beziehungsstörung vor dem Was hilft, ist auch dadurch möglich, das wir der einzelnen Referenten aufzulisten. zweiten Lebensjahr stattfinden. In den folgenden Jahren käme es auf jeder Ent- unser Verhalten verändern. Die desinteres- sierte Öffentlichkeit reagiert nun einmal wicklungsstufe - „mit ihren je eigenen Ergo: sensiblen Phasen“ - zu Wiederholungen leichter auf Ereignisse die Bedrohlichkeit in und Verstärkungen dieser Störungen. Der sich haben. Zum Beispiel: wenn die Tän- Die Darstellung des Lebens der Betroffe- Therapieansatz geht davon aus, dass Hei- zerin nunmehr mit ihrem schwebenden nen, ihrer Angehörigen und ihrer täglichen lung dann stattfinden kann, wenn der Stuhl abstürzen würde, auf den harten Umgebung, in aller Dramatik und auch aller Patient die Möglichkeit erhält, entstan- Boden aufschlagend sich so schwer ver- Freude, 24 Stunden lang beschrieben, dene Defizite nachzuholen und psychi- letzt, dass sie in all ihrer Schönheit und Zart- gezeigt, als Geräusch und Gefühl vermit- sche Schädigungen durch korrigierende heit, wie tot daliegt. telt, alle Sinne multimedial ansprechend, Erfahrungen in einer therapeutischen nur kann das bewirken, was die Wahrheit So versetze ich mich in eine neue Umge- Eltern-Kind-Beziehung auszugleichen. des Lebensumfeldes dieser Menschen ist. Die LTG läßt eine medikamentöse Begleit- bung der Verhältnisse zueinander. Ich will versuchen, dass mir eine kleine Verbes- behandlung zu. Aufgenommen werden Wenn die öffentliche Meinung vergleichbar serung gelingt: Das neue Bild entspricht der 18 bis 25jährige Patienten mit Diagnosen einem groben Klotz ist, kann, entsprechend reinsten Wahrheit. Es zeigt die Umstände aus dem schizophrenen Formenkreis und dem Grundgesetz der Natur - das die Har- wie sie sind. Die Aufarbeitung des Stoffes mit einer Persönlichkeitsstörung. Die The- monisierung der Polaritäten bewirkt - nur rapie muss aus eigener Tasche bezahlt „Verständnis zur Mithilfe wegen eigener ein grober Keil die Öffnung der Herzen ein- werden, „trotz ihrer Wirksamkeit“, so Gesundheit“, die so gut sein kann, dass die leiten. Ulrich Neumayer in seinem 15seitigen Gewissen der Angesprochenen wieder ihre Praxisbericht, der dem Lichtblick vorliegt. ursprüngliche Funktion erhalten. Tagessatz: 200 bis 300 Mark. „Jeder liegt so, wie er sich bettet.“ Machen Den ethischen Spiegel wollen wir ihnen vor- wir unser Bett neu, wir können, wenn wir Erstes Lichtblick-Fazit: Patient muss moti- zeigen. Der Spiegel der öffentlichen Mei- wollen. viert sein, die Eltern müssen betucht sein! nung wird immer so sein, wie wir selbst ihn Angehörige, was meint Ihr dazu? sein lassen. Er bildet sich auch aus diesem optisch gefällig gestalteten Heft. Fritz Augustin, Ribnitz-Damgarten

78 Lichtblick • Jahresheft 2000 IMPRESSUM-ABO-INTERNET

Lichtblick-newsletter alle zwei Wochen Impressum lichtblick Herausgeber: Redaktion Lichtblick im Landesverband Mecklenburg-Vorpommern Der Lichtblick-Rundbrief per E-Mail der Angehörigen und Freunde psychisch Kranker e.V. (LAPK) zum Thema «Psychiatrie & Selbsthilfe» Anschrift: Redaktion LICHTBLICK IM LAPK E.V., Henrik-Ibsen-Straße 20, 18106 Rostock-Evershagen, Telefon/Fax: 03 81 - 72 20 25. Einfach einschreiben auf Leitender Redakteur und Layout: Roland Hartig (ViSdP) Mitarbeit: Ulrike Schob, Linde Schmitz-Moormann, Eva Straub E-Mail: [email protected] und [email protected] www.lichtblick99.de Internet: http://www.lichtblick99.de ! Webmaster: Thomas Greve ([email protected]) Sie bekommen dann eine Bestätigungsmail, Druckauflage: 3.000 Exemplare / Erscheinungsweise: einmal jährlich mit ca. 80 Seiten Gefördert durch das Sozialministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Printausgabe) die Sie bitte ohne Inhalt bei unverändertem und Sponsoring (Onlineausgabe) durch Lilly Deutschland GmbH und Janssen-Cilag GmbH

Betreff beantworten! Die Redaktion freut sich über die Einsendung von Manuskripten und Leserbriefen, behält sich Kürzungen aber vor. Lichtblick-newsletter bietet neue Recherchemöglichkeiten Nachdruck und Kopie oder Wiedergabe durch Vortrag, Funk- und Fernsehsendung, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Redaktion. und Aufklärungsinformationen für Redakteure, psychiatrisch Die mit Namen gekennzeichneten Beiträge geben Auffassungen der Autoren wieder, nicht Tätige, Angehörige, Betroffene, Betreuer und Interessierte. unbedingt die Meinung der Redaktion.

Das Email-Abo ist kostenlos! Alle Angaben erfolgen nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr.

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Lichtblick • Jahresheft 2000 79 Lichtblick-Abstract Demenz Depressionen

Symptomatisch für die Altersdemenz sind unpräzises Denken, Depressionen äußern sich durch Verstimmung, Traurigkeit und Vergeßlichkeit, Einschränkung bzw. Versagen des sprachlichen Niedergeschlagenheit. In Abhängigkeit von Dauer, Intensität Vermögens und Orientierungsstörungen oftmals gekoppelt mit und Häufigkeit des Auftretens handelt es sich um eine behand- Antriebsschwäche und depressiven Verstimmungen. Die sozia- lungsbedürftige Erkrankung. Rund sechs Prozent der Bevölkerung le Integrationsfähigkeit und die Fähigkeit, sich selbst zu versorgen, leiden an Depressionen. Etwa zehn Prozent der Bevölkerung erkran- gehen verloren. In späteren Stadien werden einige Patienten für ken einmal oder mehrmals im Leben an einer schweren depres- die Angehörigen bzw. die Wohnumgebung oft sehr belastend. siven Episode. Frauen erkranken mehr als doppelt so häufig wie Dies ist u.a. bedingt durch Desorientiertheit, Fehlhandlungen, Männer. 1993 waren ca. 282 000 Arbeitsunfähigkeits-Fälle speziell aggressive Handlungen und mögliche Selbstgefährdung, (AU) mit etwa 10,9 Millionen AU-Tagen (2,2 Prozent aller AU- etwa durch Weglaufen und Verlaufen in der früher vertrauten Tage) auf depressive Erkrankungen zurückzuführen. Umgebung. Neben den Belastungen im Umgang mit dem 18 629 Frühberentungen (7 146 Männer und 11 483 Frauen) Kranken erfordert die wachsende Hilflosigkeit und Pflegebedürftigkeit wurden 1995 als Folge depressiver Erkrankungen registriert. Dies zunehmenden Zeit- und Kraftaufwand für die Betreuenden, entsprach sechs Prozent aller Frühberentungen. Als Risikofaktoren der zudem mit einem erheblichen Angebundensein einhergeht. für depressive Erkrankungen gelten Angst- und Suchterkrankungen, Häufig bleibt für die Familie und für die Menschen aus dem sozia- schwere Persönlichkeitsstörungen, aber auch Trennung, len Umfeld keine andere Lösung, als den Kranken in einem Heim Arbeitslosigkeit und finanzielle Not sowie genetische Veranlagung. pflegen zu lassen. Etwa fünf bis sechs Prozent der über 65jähri- Depressiv Erkrankte haben ein erhöhtes Selbsttötungsrisiko. Es gen (1995: rund 700 000) sind von einer mittelschweren bis schwe- wird geschätzt, dass sich drei bis vier Prozent der Erkrankten ren Demenz betroffen. Bei den über 90jährigen wird ein Anteil sich im weiteren Verlauf das Leben nehmen. Für stationäre von 40 Prozent geschätzt. Mit der Zunahme an hochbetagten Behandlungen (1995: rund 159 000 Fälle) werden jährlich etwa Menschen in den nächsten Jahrzehnten ist von einem bedeu- zwei Milliarden Mark aufgewendet. Durch prophylaktische tenden Anstieg der Pflegebedürftigkeit dementer Menschen medikamentöse Behandlung läßt sich die Wahrscheinlichkeit, auszugehen. Die direkten Kosten werden auf knapp 6,3 Milliarden erneut zu erkranken, erheblich senken. Nach wie vor werden über Mark (1994) beziffert. 50 Prozent aller depressiven Erkrankungen nicht diagnostiziert Mit der zunehmenden Lebenserwartung der Bevölkerung und bzw. unzureichend behandelt. der Verschiebung der Altersstruktur wird die gesundheitspoli- Grundlage für die vier Beiträge auf dieser Seite: Gesundheitsbericht für Deutschland 1998, tische Bedeutung der Demenz zudem noch steigen. Bundesamt für Statistik, gekürzt und zusammengestellt von Lichtblick

Schizophrenie Suizid

Für die Schizophrenie sind Störungen des Denkens, der Legt man die mittlere Lebenserwartung zu Grunde, dann nimmt Wahrnehmung und des Affektes bei sonst klarem Bewußtsein sich zur Zeit im Westen etwa jeder 71. Mann und jede 161. Frau charakteristisch. Es wird von jährlich 10 bis 20 Neuerkrankungen selbst das Leben, im Osten ist es jeder 58. Mann bzw. jede 147. je 100 000 Einwohner ausgegangen. An Schizophrenie erkrank- Frau. In Deutschland werden jährlich etwa 13 000 Todesfälle wegen te Personen besitzen über die gesamte Lebenszeit ein um zehn Suizid (1995: 12 888) registriert. Im europäischen Vergleich der Prozent erhöhtes Selbsttötungsrisiko gegenüber Nichterkrankten. Sterblichkeit nimmt Deutschland einen mittleren Platz ein. Generell gelten schizophrene Psychosen als die kostenintensivste Bezogen auf die verlorenen Lebensjahre je 100 000 Einwohner psychische Erkrankung. Laut internationalen Schätzungen unter 70 Jahren weisen Finnland und Österreich bei Männern beanspruchen sie ca. 50 Prozent der insgesamt für psychiatri- und Luxemburg bzw. Portugal bei Frauen die höchsten Werte sche Versorgungsleistungen aufgewendeten Mittel. Nur ca. 30 auf. Die niedrigsten haben Griechenland und Italien (Männer) und Prozent der durch Schizophrenie verursachten gesellschaftlichen Großbritannien und die Niederlande (Frauen). Innerhalb Gesamtkosten entfallen jedoch auf die direkte medizinische Deutschlands variierten die standardisierten Suizidraten 1995 und rehabilitativ-soziale Krankenversorgung. Sie betragen etwa zwischen 11,0 je 100 000 Einwohner im Saarland und 22,4 in 6,9 Milliarden Mark (1994). Es muss darauf verwiesen wer- Bremen. Innerhalb der Flächenstaaten wiesen Sachsen, Sachsen- den, dass schizophren Erkrankte aufgrund ihres frühen Anhalt und Thüringen bei den Männern die höchsten Werte auf. Erkrankungsalters meist nicht die Voraussetzungen für Leistungen Allerdings wurden in diesen Ländern historisch schon immer über- der Sozialleistungsträger, insbesondere der Rentenversicherung durchschnittliche Suizidraten registriert. Eine psychische und der Bundesanstalt für Arbeit erfüllen. Daher hat sich für die- Erkrankung erhöht das Risiko suizidaler Handlungen deutlich. sen Personenkreis faktisch eingebürgert, dass rehabilitative Zu den Risikogruppen zählen außerdem noch chronisch Kranke Leistungen in der Regel durch die Sozialhilfe finanziert werden. mit geringer oder fehlender Heilungsaussicht oder einem hohen Diese Regelung führt dazu, dass die Betroffenen und ihre direk- Sterberisiko. Bei Dialysepatienten soll das Suizidrisiko 100 bis ten Angehörigen in weitaus größerem Maße zu finanziellen 400mal größer sein als das der Normalbevölkerung, bei Eigenleistungen verpflichtet sind als bei der Zuständigkeit von Magersucht 20mal, bei HIV-Infektionen und AIDS-Erkrankungen anderen Leistungsträgern. Betroffene und Angehörige gelangen 7mal, bei Krebserkrankungen nach Schätzungen bis zu 20mal. dadurch nicht selten bis an die Armutsgrenze. Eine Veränderung Außerdem werden Personen in Haft - insbesondere in dieser Benachteiligung chronisch psychisch Kranker wird von Untersuchungshaft - als besonders suizidgefährdet angesehen. vielen Verantwortlichen angestrebt. Weitere Informationen Seite 52

Lichtblick • Jahresheft 2000