Goethe Und Die Schweiz
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Zurich Open Repository and Archive University of Zurich Main Library Strickhofstrasse 39 CH-8057 Zurich www.zora.uzh.ch Year: 2013 Gotthard, Gletscher und Gelehrte: schweizer Anregungen zu Goethes naturwissenschaftlichen Studien Wyder, Margrit Abstract: »Goethe und die Schweiz« bedeutet nicht allein die Erschließung zahlreicher motiv- und werkgeschichtlicher Anknüpfungspunkte – diese bedeutende Beziehung erlaubt es, eine bislang in diesem Ausmaß unbekannte Rezeptions- und Kulturgeschichte aufzuweisen, die neues, oft unbekanntes Licht auf Goethes Schaffen, seine Zeit und seine Beeinflussung zu werfen vermag. Der vorliegende Band nimmtsich erstmals in kulturhistorischer, kulturwissenschaftlicher und ästhetischer Breite diesem Themenkomplex an. Vorgestellt werden etwa Darstellungen der Schweiz um 1800, neue Lektüren zu Topos und Sujet der Schweiz in Goethes Werk sowie dessen »Spuren« innerhalb der Schweizer Literatur. Dabei erscheint die Schweiz sowohl als Inspirationsquelle von Goethes naturwissenschaftlichen Schriften wie als Motivation seiner praktizierten Schreibweisen, als politischer Mythos wie als kulturelles Konzept, als intertextueller Bezugsrahmen wie als poetologische Diskursschule. Posted at the Zurich Open Repository and Archive, University of Zurich ZORA URL: https://doi.org/10.5167/uzh-91863 Book Section Originally published at: Wyder, Margrit (2013). Gotthard, Gletscher und Gelehrte: schweizer Anregungen zu Goethes naturwis- senschaftlichen Studien. In: Ruf, Oliver. Goethe und die Schweiz. Hannover: Wehrhahn, 23-110. Einleitung 3 Goethe und die Schweiz Herausgegeben von Oliver Ruf Wehrhahn Verlag 4 Einleitung Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar. 1. Auflage 2013 Wehrhahn Verlag www.wehrhahn-verlag.de Layout: Wehrhahn Verlag Umschlagabbildung: Johann Wolfgang von Goethe: »Scheide Blick nach Italien vom Gott- hard d. 22. Juni. 1775«. Personen: Goethe, sitzend; Passavant, stehend. Technik: Graphit, grau laviert. Material: Papier, weiß-gelb. Maße: 343 x 432 mm. Herkunft: Digitalisierung der Klassik-Stiftung Weimar. Objektname: 100-2010-0405. Objektbeschreibung: 209652- Inventar-Nr.: GGZ / 0094. Mit freundlicher Genehmigung der Klassik-Stiftung Weimar. Druck und Bindung: Aalexx Buchproduktion, Großburgwedel Alle Rechte vorbehalten Printed in Germany © by Wehrhahn Verlag, Hannover ISBN 978–3–86525–344–6 Einleitung 5 Inhalt Einleitung Oliver Ruf Der Schweizerische Goethe und die Goethe’sche Schweiz ................................ 9 I. Goethes Schweiz Margrit Wyder Gotthard, Gletscher und Gelehrte Schweizer Anregungen zu Goethes naturwissenschaftlichen Studien .............. 23 Uwe Hentschel Goethe und die politische Schweiz .............................................................. 111 Christian Sinn Ästhetische, religiöse und politische Bestimmungen der Schweiz in der deutschsprachigen Literatur um 1800 ............................ 127 II. Die Schweiz bei Goethe Nikolas Immer Mit Werther auf den Gotthard. Goethes Briefe aus der Schweiz .................... 151 Hartmut Reinhardt Das Erschrecken des Enthusiasten. Wie eine Wertheriade in den Briefen aus der Schweiz den Diskurs des Erhabenen eröffnet ............. 173 Maria Behre Naturforschung als Kompensation der Empfindsamkeit? Goethes Kritik des Werther in den Briefen aus der Schweiz ............................ 195 Horst Lange Die Berge als Schule der Männlichkeit. Goethes Briefe aus der Schweiz als Kommentar zu den Leiden des jungen Werther ...... 213 6 Einleitung Hala Farrag Zur Symbolisierung der Berglandschaften in Goethes Faust I und II ............. 233 Franziska Schössler Erinnerung und Abschied. Goethes Schweiz in dem Roman Wilhelm Meisters Wanderjahre ............................................. 265 III. Goethe und die Schweizer Amina Arfaoui Goethes Plan eines zweiten ›Steins des guten Glücks‹ (1779) in Weimar und Johann Heinrich Füssli ............................................ 283 Karl Pestalozzi »Der grosse Göthe ist gestorben.« Goethe bei Gottfried Keller .................... 295 Isabel Hernández Gottfried Kellers Züricher Novellen Goethes Auseinandersetzung mit der Gattung und ihr Niederschlag bei der Gestaltung eines mißverstandenen Zyklus ...... 313 Sibylle Helbich »Beeinflussungen sind begreiflich und daher erlaubt« Robert Walsers Ringen um den Segen Goethes ............................................ 335 Ulrich Weber »Von Zeit zu Zeit seh’ ich den Alten gern.« Friedrich Dürrenmatts Umgang mit Goethe ................................................. 351 Elio Pellin Meisterlich ins Abseits. Wilhelm Meister und der Arbeiterfußball in der Schweiz ....................................................... 375 Beiträgerinnen und Beiträger ...................................................................... 385 Schweizer Anregungen zu Goethes naturwissenschaftlichen Studien 23 Margrit Wyder Gotthard, Gletscher und Gelehrte Schweizer Anregungen zu Goethes naturwissenschaftlichen Studien Die Beziehungen zur Schweiz in Goethes Arbeiten zur Naturwissenschaft wur- den bisher noch nie ausführlich dargestellt. Die gezielte Suche danach – sie ist durch die in den letzten Jahren erschienenen Kommentarbände der Leopoldina- Ausgabe (LA) bedeutend erleichtert worden – ergibt eine überraschend große Ausbeute. Zahlreich sind die Schweizer Ärzte und Naturforscher, die Goethe persönlich kannte, zahlreich die wissenschaftlichen Werke von helvetischen Autoren, die er bei seinen Forschungen konsultierte, und zahlreich die Orte in der Schweiz, an denen er Naturphänomene beobachtete. Auch zog er Schweizer Künstler zur Illustrierung seiner wissenschaftlichen Studien bei. Im Rahmen eines auf die Naturwissenschaften konzentrierten Überblicks kann die Wirkung von europäischen Geistesgrößen wie Paracelsus, Albrecht von Haller oder Jean-Jacques Rousseau auf Goethe nur unzureichend gewürdigt werden. Doch liegen dazu bereits einige Einzelstudien vor, auf die in den Anmerkungen verwiesen wird. Der hier versuchte Blick auf jene aktive Wissensgemeinschaft, an der Goethe zeitlebens regen Anteil nahm, erfasst dagegen auch Schweizer Gelehrte und Ärz- te, die im aktuellen kulturellen Bewusstsein nicht mehr präsent sind. Der lebhafte Austausch unter den europäischen Wissenschaftlern und Intellektuellen im 18. und frühen 19. Jahrhundert bezog die Eidgenossenschaft uneingeschränkt mit ein. Vie- le junge Schweizer zogen zum Studium nach Deutschland, und manche deutsche Naturforscher erhielten Lehrstühle an helvetischen Universitäten. Die Akademiker der Suisse romande pflegten entsprechende Kontakte zu den wissenschaftlichen In- stitutionen Frankreichs.1 Die Palette der Forschungsgebiete, für die Goethe Anregungen aus der Schweiz erfuhr, ist ebenfalls breit. Naturgemäß hat die unübersehbare Präsenz der Alpen geologische Fragestellungen in diesem Land gefördert, doch auch botanische Un- 1 Vgl. dazu Urs Boschung: Medizinische Beziehungen zwischen der Schweiz und Deutschland in der Zeit von 1770 bis 1830. In: Helvetien und Deutschland. Kulturelle Beziehungen zwischen der Schweiz und Deutschland in der Zeit von 1770–1830. Hrsg. v. Hellmut Thomke/Martin Bircher/Wolfgang Proß. Amsterdam/Atlanta: Rodopi 1994 (Amsterdamer Publikationen zur Sprache und Literatur 109), S. 195-217; G[erhard] Rudolph: Schweizerisch-deutsche Beziehungen in Medizin und Natur- wissenschaft unter besonderer Berücksichtigung des 18. Jahrhunderts. In: Gesnerus 29 (1972), S. 45- 58; André Bandelier: Des Suisses dans la République des lettres. Un réseau savant au temps de Frédéric le Grand. Genève: Slatkine 2007. Relativ kurz behandelt ist die Thematik bei Julia Gauß: Goethe und die Genfer Naturforscher. In: Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts (1978), S. 28-46. Explizit nicht berücksichtigt sind die schweizerischen Wissenschaftler bei Kai Torsten Kanz: Nationalismus und internationale Zusammenarbeit in den Naturwissenschaften. Die deutsch-französischen Wissenschaftsbe- ziehungen zwischen Revolution und Restauration, 1789–1832. Stuttgart: Franz Steiner 1997, S. 22 f. 24 Margrit Wyder tersuchungen fanden aufgrund der abwechslungsreichen Topographie ein reich be- stelltes Feld. Die helvetischen Anregungen Goethes reichen bis hin zu Anatomie, Meteoro logie und Farbenlehre. Goethes Kontakte zu Schweizer Ärzten stellen in unserem Zusammenhang ein Grenzgebiet dar, denn der Übergang zu philosophischen, philanthropischen und psychologischen Themen ist hier oft fließend. Doch die Medizin war das Grund- studium der meisten Naturforscher, und auch dem ärztlichen Praktiker stellten sich allgemeine Fragen zur Natur, ihrer Wahrnehmung und Beeinflussung. Ebenso war die Theologie ein Studium, das den Absolventen Beiträge zur Darstellung und Deutung der Natur erlaubte. In einer Zeit, wo die Naturwissenschaften noch we- nig spezialisiert und professionalisiert waren und ihre Erkenntnisse zur allgemeinen Wissenskultur gehörten, konnten schließlich auch Dilettanten, zu denen Goethe sich in den Naturwissenschaften ja zählte,2 wichtige Beiträge in Einzelgebieten leis- ten. Die Notwendigkeit, zugleich die Entstehung und Entwicklung von Goethes naturwissenschaftlichen Interessen nachzuzeichnen, verlangte nach einer streng chronologischen Form der Darstellung, zumindest bis zur dritten Schweizer Reise von 1797. Nachher war Goethe auf schriftliche oder bildliche Zeugnisse oder auf Gespräche mit helvetischen Besuchern und Freunden