Die Synagogengemeinden in St. Goar Und Oberwesel Im 19. Und 20
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I a i.t: Die Synagogengemeinden in St. Goar und + Oberwesel im 19. und 20. Jahrhundert Spuren landjüdischen Gemeindelebens am Mittelrhein von Doris Spormann Wenn man über die Gegebenheiten in ordnungen, die früheste datiertvon 1539, Erziehung der Juden dienen sollte, in den Synagogenbezirken St. Goar und waren ebensojenseits des Rheines rechts- Wirklichkeit aber die Emrngenschaften Oberwesel berichten will, beginnen die verbindlicht'2. Dies erklärt den Zusam- derRevolutionszeit auf dem Gebiete des Schwierigkeiten bereits bei der Abgren- menhalt mit den rechtsrheinischen Ge- Handels, der Gewerbefreiheit und der zung des Gebiets, auf das sich die Unter- bieten. Mitte des 18. Jahrhunderts wird Freizügigkeit wieder einschränkte. Das suchung bezieht. Dies hat seine Ursache den Juden der Niedergrafschaft Katzen- Gesetz war zunächst auf 10 Jahre be- darin, daß zwei sehr widersprüchliche elnbogen die Genehmigung erteilt, ei- schränkt, blieb jedoch in Rheinpreußen Faktoren die Zuständigkeiten des Ge- nen Rabbiner zu bestellen. Daraufhin bis 1847 in Kraft. Die Königlich Preußi- meindelebens bestimmen : wtrdll54 Löb Josfel aus Koblenz nach sche Regierung regelt die Verhdltnisse 1) Da die staatliche Obrigkeit das religi- St. Goar berufen. Mit dem Sitz des Rab- der Juden durch Gesetz vom 23. Juli öse Leben der jüdischen Gemeinden biners wird St. Goar zum Mittelpunkt 1847 neu. Danach bleibt St. Goar Sitz beaufsichtigt und reglementiert, werden für die katzenelnbogische Judenschaft, der Synagogengemeinde, umfassend den die Zuständigkeiten einerseits durch die denn dem Rabbiner oblag auch die Uber- landrätlichen Kreis gleichen Namens, politischen Gegebenheiten beeinflußt wachung derjüdischen Gottesdienste und ohne die Gemeinden Dommershausen und festgelegt; der Judenschulen in seinem Bezirk. Au- und Niederfell. Die Synagogengemein- 2) da das Gemeindeleben von den sehr ßerdem war er zuständig für die erstin- de St. Goar umfaßt zerstreut lebenden jüdischen Familien stanzlichen Rechtsstreitigkeiten unter 1) den Wahlbezirk Oberwesel mit den organisiert und weitgehend auch finan- den Juden3. Ortschaften Oberwesel, Niederburg, ziell getragen werden mußte, werden Dieser Zusammenhalt der nieder- Damscheid, St. Goar, Werlau, Biebem- andererseits die Zustlindigkeiten, die die katzenelnbo gischen Judenschaft mit den heim, Urbar, Utzenhain und Badenhard, religiöse Praxis ermöglichen, von äuße- rechtsrheinischen Gebieten zerfiel, als 2) da Wahlbezirk Bacharach mit den ren Notwendigkeiten und Zweck- die Franzosen 1 794 die linksrheinischen Ortschaften Bacharach, Steeg, Perscheid, mäßigkeiten bestimmt, zumal die jüdi- Gebiete in Besitz nahmen. Der Geist der Niederheimbach und Oberheimbach, sche Gemeinde ohnehierarchische Struk- Französischen Revolution brachte den 3) den Wahlbezirk Boppard mit den turen auskommt. Juden den Status gleichberechtigter fran- Orlschaften Boppard, Brodenbach, Al- Diese höchst unterschiedlichen Sach- zösischer Bürger. In St. Goar ist zwi- ken, Burgen, Oberfell, Beulich, Hersch- zw änge ergeben den Spannungsbogen, schen 1800 undTS}4Lazants Wolff, ein wiesen, Oberhirzenach, Niederhirzenach aus dem die verschiedenen Verbin- St. Goarer jüdischer Abstammung, Bür- und Holzfeld6. dungen und Zuständigkeiten erwachsen germeister. Emanuel Dettz, geb. 1763 undin derenWechselwirkungen sich die in Koblenz, studierte an der Talmud- Der hier noch gesetzlich festgeschriebe- Geschichte der Gemeinden entwickelt. schule in Mainz und kam dann als Rab- ne Schwerpunkt in St. Goar vediert in biner nach Koblenz. Zuvor wirkte er in den folgenden Jahrzehnten mehr und I. Die durch staatlichen Einfluß be- Oberwesel, wo 1194 seine älteste Toch- mehr an Bedeutung, weil St. Goar in der gründeten Zuständigkeiten ter Sara geboren wurde. 1807 wird er Vergangenheit seine Mittelpunktstellung Mitglied des Großen Sanhedrin in Paris, nur durch den Zusammenhalt mit den Jahrhundertelang gehörten die jüdischen bis 1 842 ist er Großrabbiner des Zentral- rechtsrheinischen Gebieten behauptet Familien von St. Goar und Werlau zur konsistoriums der französischen Judenas. hatte. In der zweiten Heilfte des 19. Jahr- Grafschaft Katzenelnbogen. Nach dem Mit dem Dekret Napoleons vom 17. hunderts verschieben sich die Ztstär,- Tod von Phillip dem Großmütigen ( 1 567) März 1808 erhalten die Juden eine Kon- digkeiten durch die praktischen Verhält- und der damit verbundenen Erbteilung sistorialverfassung. Damit war eine prak- nisse des religiösen Lebens zu Ungun- bestimmten die Herren der Niedergraf- tisch gleichberechtigte dritte Staatsreli- sten von St. Goar. 1888 existiertbereits schaft Katzenetnbogen die Geschicke in gion begründet. Am gleichen Tag verab- ein Statut für die Synagogengemeinde St. Goar undWerlau. 1626 kam St. Goar schiedet Napoleon auch das als ,,infa- Oberwesel. Diese umfaßt die Gemein- an Hessen-Darmstadt, L641 an Hessen- mes Dekret" bekannte Ausnahmegesetz, den Oberwesel, Oberhirzenach, Per- Kassel. Auch die hier gültigen Juden- das angeblich der staatsbürgerlichen scheid und WerlauT. Der ehemalige Wahlbezirk B oppard verselbständigt sich 7."1 ebenfalls zur eigenen Synagogen- gemeinde, während Bacharach zunächst, ähnlich wie St. Goar ohne Anbindung Statut bleibt. Damit stimmen die praktischen $6[6nitt I. Itrr bit Verhältnisse und die gesetzliche Re- 80[ !?r 5rnn0o0n-Grnrirlr yu Bbtrurftl übrrfaryl ![! Drn ltrilglid.n trrßbrn in[onbulril. gelung mehr überein. nicht §r. gundoog.trE.lirt §t1trogogen-@eue inbe O* Oierroeiel unfogt bie . !1 oeneirbm Dberrurlel, D6.r,&irif tru0, !Prr, Praxis ge- löetb rü !0elIou. II. Die durch die religiöse '.. wachsenen Zuständigkeiten rt r: Die jüdischen Gemeinden in den mittel- §bcttocicl. rheinischen Dörfern und Städten beste- hen jeweils nur aus wenigen Familien. Entsprechend familiär und zufällig sind die Verbindungen zwischen den Juden- ----r--rq@x.+.-+- schaften der einzelnen Orte, aus denen die israelitischen Kultusgemeinden ent- stehen. Diese,,Kultusgemeinden" sind Familien, die sich zusammenschließen, um aus eigenen Mitteln die Wahrung der Tradition zu sichern. Dazu muß vor Ort Statut der Synagogengemeinde Oberuteselvon 1888, LHA Koblenz, Best. 631-519 der Gottesdienst organisiert werden. So schließen sich jeweils einige Dörfer zum Friedhof in Nochern ,,Hinter dem wei- der Gemarkung ,,Untern Budbach" im gemeinsamen Gottesdienst zusarnmen. ßen Stein". Jedoch 1932wird dofi auch Distrikt Kellerchen, mitten im Waldel0. Dafürbrauchtman einen Betsaal und die Jakob Grünebaum aus Lierschied begra- Erhalten sind 15 Grabsteine aus Basalt- erforderliche Anzahl männlicher Gottes- ben. Auf dem Friedhof in Nochem sind lava bzw. grauem Sandstein und drei dienstteilnehmer um den Minjan (Min- nur noch wenige alte Gräber erhalten. stark verwitterte Schieferplatten. Die jar, = Zahl, 10 erwachsene Männer, die Wahrscheinlich bestand er schon vor ältesten erhaltenen Grabmale mit noch die Gemeinde repräsentieren) sicherzu- dem Bornicher Friedhof, da 1681 zwei lesbarer Inschrift in hebräischer Sprache stellen. Ebenso bemüht man sich, die Juden aus St. Goarshausen in Nochern kommen aus der Mitte des 19. Jahrhun- Fußwege am Sabbat und den Feiertagen bestattet worden sein sollens. Der Fried- derts, der größte Teil stammt aus dem so kurz wie möglich zu halten. So kommt hof ist 2543 qm groß. späten 19. und frühen 20. Jahrhundert; es, daß die Gottesdienstgemeinschaft der Der in der Gemarkung Bornich ,,Im (Jahreszahlen: 1 885 - 1 9 I 2)11. DerFried- flexibelste Zusammenschluß ist. Haushecker Wald" gelegene jüdische hoi der von den Hirzenacher Familien Ein weiteres Bindeglied zwischen den Friedhoi der für die Juden aus Bornich, Feist und Benedikt erworben und um die Judenschaften einzelner Dörfer ist der Bogel, St. Goarshausen, Welterod und Jahrhundertwende als Eigentum der is- gemeinsame Besitz eines Friedhofs. Ruppertshofen (rechtsrheinisch) sowie raelitischen Kultusgemeinde Hirzenach Dabei war der Rhein keine zwingende für die linksrheinischen Orte St. Goar beurkundet wurde, sollte 1944 als dem Grenze. Die Friedhöfe waren oft im ge- und Werlau als Begräbnisplatz diente, DeutschenReich gehörig für50.- RM an meinsamen Besitz rechts- und linksrhei- ist mit 3134 qm der bedeutendste und die Gemeinde Holzfeld veräußerl wer- nischer Orte: Auf dem 1016 qm goßen kulturhistorisch interessante ste Friedhof den. Der Kaufvertrag kam nicht mehr Wellmicher Friedhof ,,Vor der Heu- im Gebiet dieser Untersuchung. Ver- zustande, der letzte Schriftwechsel da- marktpforte" wurden auch Holzfelder mutlich wurde er bald nach 1681 ange- tiert vom 13.Dez. 194412. Juden beerdigt. Die israelitische Bru- legt. Einer der älteren Grabsteine, ge- derschaftsgemeinde zu Bacharach un- widmet der anmutigen und redlichen Der jüdische Friedhof der Stadt Ober- terhielt einen Friedhof in Kaub ,,Am Frau Beila, Gattin des Vorstehers Herz, wesel ,,An der grauen Lay" wurde für Schloßberg", von dem es 1904 heißt, weist das Jahr 1724 aus. Damit kann die Bevölkerung von Oberwesel und daß er seit Menschengedenken nicht man als gesichert annehmen, daß die Perscheid genutzt. Der Frie dhofist272l mehr benutzt und nach jüdischem Ge- Friedhofsbenutzung in der Zeit begrün- qm groß. Bei der Anlegung der beiden setz niemals veräußert werden darf. Er det wurde, als die Niedergrafschaft Kat- Längswege - vermutlich Anfang des 19. war nur 150 qm groß. zenelnbogen noch eine Einheit war, also Jh. - ist der Friedhof offenbar einmal Um die Jahrhundertwende sind die jüdi- bevor die linksrheinischen Gebiete ll 9 4 aufgefüllt worden. Davon zeugen die in schen Familien Gerson und Oster aus französisch besetzt wurden.