Preis: 5,00 €

MUSIK VOM MITTELALTER BIS ZUR ROMANTIK KONZERTE AN HISTORISCHEN STÄTTEN Regensburger Domspatzen L’ Orfeo Barockorchester (Österreich) Tiburtina Ensemble (Tschechien) La Ritirata (Spanien) Ensemble sinn&ton (Deutschland) Barokkanerne (Norwegen) & Dresdner Barockorchester (Deutschland) La Compagnia del Madrigale (Italien) L’Achéron (Luxemburg) European Union Baroque Orchestra Les Basses Réunies (Frankreich) Pulcinella Orchestra (Frankreich) Cut Circle (USA) Zefiro (Italien) ClubMediéval (Belgien) Euskal Barrokensemble (Spanien) Les Passions de L’Ame (Schweiz) Solomon’s Knot (Großbritannien) Verkaufsausstellung von Nachbauten historischer Musikinstrumente, von Noten, Büchern und CDs 13. BIS 16. MAI 2016

TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG Mai 2016

Vorwort Grußwort Grußwort

800 Jahre klingende Musikgeschichte Fixstern im Kulturkalender Die ganze Spannweite der Alten Musik

Liebe Musikfreunde Historischer Reichssaal Die Reihe „Pro Musica und Neuhaussaal, Antiqua – Tage Alter die TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG finden Dominikanerkirche, Musik“ in Regensburg in diesem Jahr zum 32. Mal statt. In den vier Tagen Dreieinigkeitskirche zählt zu den renom- des Festivals können wir Ihnen auch heuer wieder und Minoritenkirche, miertesten und tradi- anregende Begegnungen mit Musik vergangener Basilika St. Emmeram, tionsreichsten Festivals Epochen präsentieren. Hervorragende internatio- Alte Kapelle, Salzstadel, für das Genre der Alten nale Orchester, Ensembles und Solisten der Alten St.-Oswald-Kirche, Musik und hat einen Musik aus Österreich, der Schweiz, Tschechien, Schottenkirche und der festen Platz im Reigen Spanien, Norwegen, Italien, Luxemburg, Großbri- wunderschöne Innen- der bedeutenden baye- tannien, Frankreich, Belgien, den USA und aus hof im Thon-Dittmer- rischen Musikveranstal- Deutschland werden die historischen Kirchen und Palais – all diese historischen Orte und Bauwerke tungen. Die UNESCO-Welterbestadt Regensburg Säle unserer Stadt mit musikalischem Leben füllen. unserer Stadt werden ab dem 13. Mai wieder zu bietet mit einer beeindruckenden Zahl historischer Dabei können Sie wieder Musik aus ca. 800 Jahren Spielstätten einer ganz besonderen Musikform. Die Bauten, Säle und Kirchen dafür das ideale Umfeld. Musikgeschichte, in den unterschiedlichsten Beset- „Tage Alter Musik“ präsentieren uns dann einmal Die ganze Spannweite der Alten Musik wird auch zungen lebendig und aufregend interpretiert, erle- mehr Musik vom Mittelalter bis zur Romantik. in der 32. Auflage dieses Festivals wieder deutlich ben. Das Festival für Freunde und Kenner der Alten und sinnlich erfahrbar. Erneut ist es den Veran- Auch heuer gibt es wieder eine Zusammenarbeit Musik, das sich auf die historische Aufführungs- staltern gelungen, ein hochwertiges und abwechs- mit dem Institut für Musikwissenschaft der Uni- praxis und die werkgetreue Wiedergabe Alter lungsreiches Programm zusammenzustellen. Die versität Regensburg (UR). Diese zeigt sich zum Musik spezialisiert hat, findet in diesem Jahr zum Regensburger Domspatzen unter der Leitung von einen in drei Konzerteinführungen (Dresdner 32. Mal in Regensburg statt. 1984 feierte das Format Domkapellmeister Roland Büchner bestreiten Kammerchor, Pulcinella Orchestra, Les Passions als kleine Konzertreihe seine Premiere. Seit diesen zusammen mit dem österreichischen L’Orfeo de L’Ame) bei freiem Eintritt und zum anderen frühen Anfangstagen sind die Tage Alter Musik Barockorchester und exzellenten Solisten das Eröff- haben Prof. Dr. Wolfgang Horn, Dr. Michael stetig gewachsen, haben sich ein Stammpublikum nungskonzert mit der Paukenmesse von Joseph Braun, Theresa Henkel M.A. und Studentinnen aus aller Welt erobert und sich mit großem Erfolg Haydn. Das Publikum erwarten darüber hinaus des Instituts unter der Federführung von Prof. Dr. einen Platz unter den zahlreichen Musikfestivals zahlreiche weitere Ensembles und Solisten, die sich Katelijne Schiltz zu einzelnen Konzerten Beiträge gesichert. Das Regensburger Festival gilt heute als auf den nationalen und internationalen Podien der im vorliegenden Programmheft verfasst. Dafür eines der fünf weltweit renommiertesten und tra- Alte-Musik-Szene einen herausragenden Ruf erar- möchten wir uns an dieser Stelle recht herzlich ditionsreichsten Festivals für die „Alte Musik“ und: beitet haben. Dazu gehört etwa das „European bedanken. Ebenso gibt es zum fünften Mal eine es ist zu einem Markenzeichen unserer Stadt Union Baroque Orchestra“, ein herausragendes Eli- Zusammenarbeit der Tage Alter Musik Regens- geworden, einem unverwechselbaren Angebot und teensemble mit Mitgliedern aus ganz Europa. burg mit der Hochschule für katholische Kirchen- einem Fixstern in unseren Kulturkalendern. Unter dem Motto „Kreatives Europa im 18. Jahr- musik und Musikpädagogik Regensburg (HfKM) Auch in diesem Jahr machen die Regensburger hundert“ geben sie in der Basilika St. Emmeram in Form eines Kurstages. Öffentlich unterrichten Domspatzen – schon als fester Bestandteil des Kon- barocke Orchesterwerke zum Besten. So freue ich werden am Dienstag nach dem Festival die Gei- zertreigens – unter der Leitung von Domkapell- mich sehr, dass der Freistaat Bayern dieses wich- gerin Julia Schröder (Konzertmeisterin des Berner meister Roland Büchner den Beginn der Tage Alter tige Festival fördern kann. Originalklangorchesters Les Passions de l’Ame) Musik. Zusammen mit dem österreichischen L’Or- All denjenigen, die die Tage Alter Musik in Regens- und der Bassist Jonathan Sells (Leiter des britischen feo Barockorchester und exzellenten Solisten prä- burg unterstützen, möchte ich herzlich danken, Vokalensembles Solomon’s Knot). sentieren sie diesmal Werke von Joseph Haydn, denn das private Engagement stellt einen uner- Ein großer Anziehungspunkt des Festivals wird darunter die Missa in tempore belli „Pauken- lässlichen Bestandteil einer blühenden Kulturland- auch in diesem Jahr die alljährlich stattfindende messe“, das „Salve Regina“ und die Sinfonie Nr. schaft dar. Allen Besucherinnen und Besuchern Ausstellung von Nachbauten historischer Musik- 30 „Alleluja“. Im anschließenden Nachtkonzert der Tage Alter Musik 2016 in Regensburg wünsche instrumente, von Noten, Büchern, Ton- und Bild- gastieren die acht famosen Sängerinnen des Prager ich eine spannende Entdeckungsreise in die Welt trägern im historischen Salzstadel mit über 60 Aus- Tiburtina Ensemble in der Schottenkirche – beglei- der Alten Musik mit vielen beeindruckenden musi- stellern aus ganz Europa sein. tet von zwei mittelalterlichen Harfen und Fiedel, kalischen Erlebnissen. Wir möchten an dieser Stelle allen Förderern und genau wie sie am Prager Hof um 1300 gepflegt Unterstützern des Festivals danken, ohne deren wurde. Dr. Ludwig Spaenle Hilfe die TAGE ALTER MUSIK nicht möglich Herausragende Musikerinnen und Musiker, nam- Bayerischer Staatsminister wären. Besonders wollen wir an dieser Stelle der hafte Ensembles, internationale Orchester ebenso für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst SPARKASSE REGENSBURG, dem offiziellen wie ganz junge Talente der Szene werden an die- Hauptsponsor des Festivals und der STADT sem Pfingstwochenende, bis zum 16. Mai, in REGENSBURG und dem FREISTAAT BAyERN Regensburg zu Gast sein. Sechs Jahrhunderte danken. Nicht zuletzt gilt unser Dank allen treuen Musikgeschichte mit auf historischen Instrumenten Musikfreunden, die alljährlich in großer Zahl das aufgeführten Werken warten in den kommenden Festival besuchen. Wir begrüßen alle Freunde der Tagen auf uns! Alten Musik in Regensburg und wünschen erleb- Liebes Publikum, liebe Festivalgäste – lassen Sie nisreiche Tage. sich verführen und entführen und tauchen Sie in den Kosmos der faszinierenden Musikgeschichte Ihr Tage-Alter-Musik-Team ein – es lohnt sich! Ich wünsche Ihnen wunderbare Ludwig Hartmann, Stephan Schmid, Musikerlebnisse, außergewöhnliche Klangmo- Paul Holzgartner mente und vor allem: eine feine Zeit bei den „Tagen der Alten Musik 2016“!

Joachim Wolbergs Oberbürgermeister der Stadt Regensburg

3 Mai 2016 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG

Regensburger Domspatzen & L’Orfeo Barockorchester (Österreich)

Yeree Suh, Sopran Joseph Haydn (1732 – 1809) – Freitag, 13. Mai 2016 Dorothée Rabsch, Alt Symphonie – Motette – Messe 20.00 Uhr Uwe Gottswinter, Tenor Christof Hartkopf, Bass Dreieinigkeitskirche Konzertmeisterin: Julia Huber-Warzecha Gesandtenstraße Leitung: Roland Büchner

Die Sopranistin Yeree Suh, die Regensburger Domspatzen und das L'Orfeo Barockorchester unter der Leitung von Roland Büchner beim Eröffnungskonzert 2015 in der Dreieinigkeitskirche

4 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG Mai 2016

ie Regensburger Domspatzen gibt es seit über tausend Jahren. Bischof Barockorchester löste 2008 bei der Veröffentlichung große Begeisterung DWolfgang gründete im Jahr 975 eine eigene Domschule, die neben dem aus. Zu ihren weiteren Aufnahmen gehören Purcells „Dido und Aeneas“ allgemeinbildenden Unterricht besonderen Wert auf die musikalische Aus- (Ambronay Éditions), Händels „Dixit Dominus“ und Bachs „Osterorato- bildung legte. Den Schülern war der liturgische Gesang in der Bischofskirche rium“ sowie verschiedene Bachkantaten mit Sigiswald Kuijken und La übertragen. Domkapellmeister Dr. Theobald Schrems (17.2.1893-15.11.1963) Petite Bande. In der Saison 2013/2014 war sie Gast beim Luzernfestival machte die Regensburger Domspatzen seit den 30er Jahren des 20. Jahrhun- unter der Leitung von Pablo Heras-Casado. In Jos van Immerseels Neu- derts weltberühmt. In seiner knapp 40-jährigen Tätigkeit als Domkapellmeis- einspielung der Orff’schen „Carmina Burana“ singt sie den Sopranpart. ter von 1924 bis 1963 baute Schrems die Konzerttätigkeit des Chores, der ausschließlich aus Knaben und jungen Männern besteht, zielstrebig aus, ohne Die Altistin Dorothée Rabsch studierte in Detmold und Stuttgart bei Prof. den liturgischen Dienst im Dom St. Peter zu vernachlässigen. Das Musik- Berthold Schmid und Prof. J. Hamari. Auf Einladung von Prof. Irwin Gage gymnasium und Internat der Regensburger Domspatzen und eine Tages- besuchte sie die Meisterklasse „Lied“ am Konservatorium Zürich, was ihr und Internatsgrundschule für Grundschulklassen vor den Toren der Stadt durch ein Zweijahresstipendium des Deutschen Akademischen Austausch- sind sein Lebenswerk. Sein Nachfolger war Georg Ratzinger, der diesen dienstes ermöglicht wurde. Früh sammelte sie erste Erfahrungen im sze- „ältesten Knabenchor der Welt“ von 1964 bis 1994 leitete. nischen Bereich durch Zusammenarbeit mit den Regisseuren Ernst Poett- gen und Beat Wyrsch. Von 2002 bis 2006 war sie festes Ensemblemitglied Seit 1. September 1994 steht Roland Büchner an der Spitze der Institution. am Landestheater Detmold. Im Frühjahr 2007 erschien ihre erste CD Er studierte an der Hochschule für katholische Kirchenmusik und Musik- „Traum der eignen Tage“ mit Liedern von Carl Loewe, Johanna Kinkel pädagogik sowie an der Hochschule sowie Clara und Robert Schu- für Musik und Theater München die mann. Hauptfächer Kirchenmusik und Neben ihrer künstlerischen Tätig- Orgel. Unter Domkapellmeister keit war und ist Dorothée Rabsch Roland Büchner konzertierte der auch die pädagogische Arbeit Chor bereits dreimal in Japan (1998, wichtig. So lehrte sie an der Dom- 2000 und 2004) und unternahm Aus- singschule Paderborn, zeigte sich landstourneen nach Frankreich, Ita- verantwortlich für die Ausbildung lien, Österreich, Ungarn, Schottland im Fach Singen/Sprechen des Erz- und auf die Philippinen. Weitere bistums Paderborn und hatte Lehr- Tourneen führten den Chor nach aufträge am Institut für Musik der Südafrika (2008), Taiwan (2011), Fachhochschule Osnabrück sowie China (2012), die USA (2014) sowie an der Hochschule für Musik Det- im Herbst 2015 nach Spanien und mold. im April 2016 in den Oman. Jedes Seit dem WS 2009/2010 unterrichtet Jahr findet eine Tournee durch die sie an der Hochschule für Kath. Bundesrepublik Deutschland statt. Kirchenmusik und Musikpädago- Die Hauptaufgabe der Regensbur- Roland Büchner Dorothée Rabsch gik Regensburg. Bei den Tagen ger Domspatzen liegt jedoch nach Alter Musik Regensburg gastiert wie vor in der liturgischen Gestaltung der Gottesdienste im Regensburger sie nach 2012 (Schubert: As-Dur-Messe), 2014 (Mozart: Requiem) zum drit- Dom. Während der Schulzeit singen sie jeden Sonntag beim Hochamt Gre- ten Mal mit den Domspatzen. gorianischen Choral sowie mehrstimmige Messen und Motetten. Besonders eindrucksvoll werden die kirchlichen Hochfeste von den Regensburger Dom- Der Tenor Uwe Gottswinter wurde 1989 in Ingolstadt geboren. Er erhielt spatzen gestaltet. Im Rahmen der Tage Alter Musik Regensburg konzertierten seine erste musikalische Ausbildung bei den Regensburger Domspatzen, die Regensburger Domspatzen in den vergangenen dreißig Jahren mit La bevor er das Gesangsstudium bei Prof. Marina Sandel an der Hochschule Grand Ecurie et la Chambre du Roy (1986), Musica Florea (2000), Akademie für Musik, Theater und Medien Hannover begann. 2014 schloss er dieses für Alte Musik Berlin (2004, 2008, 2010, 2012), Concerto Köln (2007, 2011, mit dem Bachelor ab. Mit der Aufnahme seines Masterstudiums im 2013) und L’Orfeo Barockorchester (2009, 2015). Bereich Oper führt er seine Studien fort. Seine Vielseitigkeit kommt ihm auch im Konzertbereich zugute, wo er sich ein ebenso breites Konzert- Die Sopranistin Yeree Suh studierte und Oratorienrepertoire erarbei- an der Seoul National University tete. Darüber hinaus besuchte er Gesang und legte ihr Solistendi- diverse Meisterkurse bei Brigitte plom an der Universität der Künste Fassbaender, Daniel Ferro, Berlin mit Auszeichnung ab. Roman Trekel und Christoph Pré- Anschließend studierte sie noch an gardien. 2013 wurde er für das der Leipziger Musikhochschule Stipendium des Richard-Wagner- und ging an die Schola Cantorum Verband-Hannover ausgewählt. Basiliensis. Sie zählt heute zu den 2014 war er Stipendiat des gefragtesten Sopranistinnen nicht „Deutschlandstipendium“. Als nur in der Alte-Musik-Szene. Sie Stipendiat von „Live Music Now arbeitete u. a. mit René Jacobs, Phil- Hannover e.V.“ bekommt er ippe Herreweghe, Ton Koopman, zusätzliche Unterstützung und Sigiswald Kuijken, Andrea Mar- Auftrittsmöglichkeiten in und um con, Andreas Spering und Masaaki Hannover. Suzuki. yeree Suhs Debütauf- Zudem wird er seit April 2015 nahme „Musik der Hamburger von der „Studienstiftung des Pfeffersäcke“ mit dem Elbipolis Yeree Suh Uwe Gottswinter deutschen Volkes“ gefördert.

5 Mai 2016 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG

Den Grundstein für Christof Hart- von der Vokalmusik der frühen Mehrstimmigkeit und der Renaissance kopfs Sängerlaufbahn bildete seine über die klassische Oper und den Liedgesang bis hin zur zeitgenössischen Zeit bei den Regensburger Dom- Musik. Seine besondere Liebe gilt der geistlichen Musik, insbesondere spatzen, während der er schon als dem Schaffen von J. S. Bach. Knabensolist bei Rundfunk- und Fernsehproduktionen mitwirkte. Seit seiner Gründung an der Anton-Bruckner-Privatuniversität Linz im Jahr Nach dem Abitur absolvierte er an 1996 durch die Barockgeigerin Michi Gaigg und die Blockflötistin und Obo- der Universität der Künste Berlin istin Carin van Heerden hat sich das international besetzte L’Orfeo Barock- bei Anke Eggers ein Gesangsstu- orchester einen Platz unter den führenden Ensembles der historischen Auf- dium mit Liedunterricht bei Die- führungspraxis erspielt. 2016 feiert das international erfolgreiche österrei- trich Fischer-Dieskau. Gleichzei- chische Orchester mit Sitz in Linz seinen 20. Geburtstag. tig konzertierte er als Mitglied des Ensembles Singer Pur unter ande- rem zusammen mit dem und dem RIAS Kammer- chor, bei dem er eine Festanstel- Christof Hartkopf lung erhielt. Christof Hartkopf war Stipendiat des Richard-Wagner-Verbandes und belegte Interpretationskurse bei Tho- mas Quasthoff, Bernd Weikl und René Jacobs. Im Jahr 2004 wechselte der gebürtige Regensburger zum Chor des Bayerischen Rundfunks. Christof Hartkopfs Repertoire umfasst eine große stilistische Bandbreite

Dreieinigkeitskirche vor allem die Neupfarrkirche – dem evangelischen Gottesdienst zur Ver- Die Dreieinigkeitskirche an der fügung standen. So errichtete 1627- Gesandtenstraße ist ein stattlicher 31 der Nürnberger Baumeister Bau des 17. Jahrhunderts. Unge- Hans Carl auf städtischem Grund wöhnlich sind die barocken Prunk- einen einschiffigen, tonnengewölb- Grabmäler an den umgebenden ten Raum mit den üblichen Empo- Hofwänden. Die Namen der Ver- ren einer Predigtkirche. Von den storbenen sind eindeutig unregens- beiden Osttürmen wurde nur der Julia Huber-Warzecha burgerisch: von Kniestedt, von Tres- nördliche vollendet. Die Formen der kow, Björnstjerna. Etwa 40 Grab- Architektur sind frühbarock, jedoch Seine Diskographie umfasst ein Repertoire von der Suite des französischen steine halten hier das Andenken an noch mit Anklängen an die Gotik, Barock über die Sinfonia des musikalischen Sturm und Drang bis zur Lite- evangelische Exulanten und Reichs- vor allem im stuckierten Rippen- ratur der Klassik und frühen Romantik. Viele seiner CD-Veröffentlichungen tagsgesandte wach, die hier verstar- werk des Inneren. Die Dreieinig- wurden ausgezeichnet, u. a. von Diapason, Pizzicato („Supersonic Award“), ben. Der Bau der Dreieinigkeitskir- keitskirche zählt zu den ersten Le Monde de la Musique, BBC Music Magazine, Gramophone („Editor’s che war notwendig geworden, weil bedeutenden evangelischen Kir- in der Stadt nur wenige Bauten – chenbauten in Bayern. Choice“), Fono Forum, Radio Österreich 1 („Pasticcio-Preis“) sowie dem Deutschen Musikpreis „Echo Klassik“. Jüngste CD-Neuveröffentlichungen sind Vol. I der Jugendsinfonien von Felix Mendelssohn Bartholdy (CPO) und Solokantaten von J. S. Bach mit (Carus-Verlag). Das Orchester gastierte bei vielen renommierten Festivals und in den wich- tigsten europäischen Musikmetropolen. Stationen in letzter Zeit waren: Lucerne Festival, Beethovenfest Bonn, Salzburger Festspiele, Innsbrucker Festwochen der Alten Musik, Telemann-Festtage Magdeburg, Schwetzinger SWR-Festspiele, Europäische Wochen Passau, Haydn-Festspiele Eisenstadt, Theater an der Wien, Brucknerhaus Linz, Festspielhaus Baden-Baden, Kölner Philharmonie, Théâtre de Poissy. Bei den Tagen Alter Musik Regensburg gastiert das Orchester zum vierten Mal nach 2005, 2009 und 2015.

Zum Programm:

Im Jahr 1792 begann der erste Revolutionskrieg, den eine große Koalition, bestehend aus fast allen europäischen Monarchien, gegen Frankreich führte. Auch Kaiser Franz von Österreich war an diesem Krieg beteiligt. Doch mit dem Italienfeldzug von Napoleon Bonaparte und seinen zahl- reichen Siegen in Norditalien zwang Napoleon Österreich schließlich zum Frieden. So hatte sich das revolutionäre Frankreich am Ende gegen die verbündeten Mächte weitgehend durchgesetzt, territoriale Gewinne erzielt und den Rhein zur deutsch-französischen Grenze gemacht. Zu die- ser Zeit war Joseph Haydn in Eisenstadt, wo er mit der Komposition der Missa in tempore belli (Hob. XXII:9) in C-Dur für den Fürsten Nikolaus II. Esterházy begann. Der Titel (zu Deutsch: „Messe in Kriegszeiten“) spielt

6 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG Mai 2016

auf diesen Koalitionskrieg gegen stellt wird. Absteigende Linien im Adagio-Tempo sind bei der Textstelle Frankreich an. Den Beinamen „gementes et flentes in hac lacrimarum valle“ („trauernd und weinend „Paukenmesse“ erhielt sie wegen in diesem Tal der Tränen“) zu hören. Nach dem Wechsel vom Allegro der Solopauken im Agnus Dei. zum Largo hört man im breiten und sehr ruhigen Tempo, wie die Bitte Die Missa in tempore belli für vier besungen wird, dass Jesus nach diesem Elend die gebenedeite Frucht sei- Solisten, Chor, Orchester und nes Leibes zeige („Et Jesum, benedictum fructum ventris tui, nobis post Orgel ist in zwei Fassungen über- hoc exsilium ostende.“). Daraufhin erfolgt der letzte Tempowechsel ins liefert, der autographen Eisen- Allegretto, in der die gütige, milde und süße Jungfrau Maria besungen stadt-Fassung und der reicher wird („O clemens, o pia, o dulcis Virgo Maria“). instrumentierten Wiener Fassung. Ungewöhnlicherweise bezieht sich auch Haydns Sinfonie Nr. 30 Hob. I:30 So sind in der früheren Eisenstadt- in C-Dur, die 1765 ebenfalls im Schloss Esterházy entstanden ist, auf die Fassung nur einige Sätze der Kla- Liturgie. Im ersten Satz (Allegro) wird nämlich die gregorianische Melodie rinettenparts im Credo enthalten, des Oster-Allelujas im Hauptthema zitiert und daraufhin moduliert und wohingegen die spätere Wiener mit anderen Themen kombiniert. Zu Beginn des zweiten Satzes (Andante) Fassung, die heute Abend aufge- greift die Soloflöte den Themenkopf als Variante auf, und auch das von führt wird, auch für die übrigen der Musikwissenschaftlerin Christa Landon so bezeichnete vogelrufartige Sätze Klarinettenstimmen hat. Motiv in der im Dialog mit den Streichern lässt sich auf das Haupt- Dies beweist ein sehr frühes thema zurückführen. Der dritte Satz zeichnet sich durch die Verschmel- Manuskript aus Klosterneuburg zung von Menuett und Finale zu einem im „Tempo di Menuet“ gehaltenen bei Wien. Haydns Autorschaft für Joseph Haydn Rondo aus. Das Menuett hat zwei Trios: zunächst das ländlerartige erste, dieses Manuskript konnte lange welches nur mit Flöte und Streichern besetzt ist, und daraufhin das zweite nicht sicher nachgewiesen werden, da das originale Stimmenmaterial aus Trio, an dem das gesamte Orchester beteiligt ist. Eisenstadt verloren war. Es stellte sich jedoch heraus, dass es zusammen © Stefanie Hecht, UR mit Johann Sebastian Bachs h-Moll-Messe in einem Schornstein versteckt wurde, als die russischen Truppen das Schloss Esterházy 1945 besetzten. Des Weiteren erklingen in der ersten Fassung die die Trompeten verstär- kenden Hörnerstimmen nur solistisch im Gloria und Credo, während die Hörnerstimmen in der zweiten Fassung an allen Sätzen beteiligt sind. Dies belegt Aufführungsmaterial der Messe, das in den Musikarchiven der Hofkapelle zu Wien gefunden wurde. Schließlich sind in der Wiener Fassung durchweg Flötenstimmen enthalten, wohingegen das Autograph sie lediglich im „Qui tollis“ enthält. Das Kyrie der Missa in tempore belli beginnt mit einer langsamen Einlei- tung, bevor das Hauptthema präsentiert wird. Das „Christe“ ist mit seinen vier Takten dagegen denkbar kurz. Nach einem stürmisch anfangenden Gloria sticht insbesondere das lyrische „Qui tollis peccata mundi“ mit einer Glanzrolle für und Bass-Solo hervor, bevor ab „Quoniam tu solus sanctus“ ein feierlicher, weitgehend homophoner Teil erklingt. Am Anfang des darauffolgenden Credo setzen die vier Chorpartien nachein- ander mit einem jeweils neuen Textabschnitt ein. Bei „et incarnatus est“ wechselt Haydn zu einem langsamen Dreiertakt und lässt die Solisten einzelne Abschnitte des Textes singen, bevor der Chor bei „et homo factus est“ übernimmt. Für das „Et resurrexit“ wechselt er passenderweise zum Dur. Das abschließende „Et vitam venturi saeculi. Amen“ fängt mit einer Fuge an; anschließend lässt Haydn den Text größtenteils akkordisch deklamieren. Im Sanctus folgt auf eine langsame Eröffnung ein lebhaftes „Pleni sunt coeli“ und ein feierliches „Osanna“. Am graziösen Benedictus sind bis auf den Tutti-Schluss hauptsächlich die Solisten beteiligt. Wenn aber nun das Agnus Dei mit seinen unheimlichen Paukenschlägen erklingt, so ist unmittelbar nach Beginn des Satzes zum ersten Mal das Paukensolo zu hören. Zusätzlich zu den Pauken werden im Agnus Dei Trompeten eingesetzt; beide Instrumente waren zu Haydns Zeit vorrangig Hoheitssymbole, die dem Adel am Hofe vorbehalten waren. Mit dem Wechsel zum Allegro con spirito wird der Beginn des letzten Teils deutlich markiert, an dem nun auch die Solisten beteiligt sind. Auch das Salve regina (Hob. XXIII/b:2) in g-Moll für vierstimmigen Chor, Streicher und obligate Orgel ist in Eisenstadt entstanden. Haydn kompo- nierte das Werk 1771 angeblich in Erfüllung eines Gelübdes nach seiner Genesung, da er zuvor schwer erkrankt war. Haydn hat den Text der Marienantiphon mit Hilfe von diversen Parametern musikalisch umge- setzt. So ruft bei der Textstelle „Ad te clamamus, exsules filii Evae“ („Zu dir rufen wir, verbannte Kinder Evas“) der ganze Chor zu den verbannten Kindern Evas, wohingegen die Textstelle „Ad te suspiramus“ („Zu dir seufzen wir“) mit solistischen und absteigenden Seufzermotiven darge-

7 Mai 2016 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG

PROGRAMM AUSFüHREnDE

JOSEPH HAYDn (1732-1809): L’ORFEO BAROCKORCHESTER SYMPHOnIE – MOTETTE – MESSE Julia Huber-Warzecha Konzertmeisterin

Roswitha Dokalik, Martin Jopp, Sabine Reiter, Symphonie C-Dur „Alleluja“ (1765) nr. 30, Hob. I:30 Petra Samhaber, Elisabeth Wiesbauer Violine I

Allegro Martin Kalista, Linda Pilz, nina Pohn, Andante Tokio Takeutchi, Simone Trefflinger Violine II Tempo di Menuet, più tosto Allegretto Lucas Schurig-Breuß, Daniela Henzinger, Johanna Weber Viola

Anja Enderle, Katie Stephens, Peter Trefflinger Violoncello Salve Regina g-Moll (1770/71) Hob. XXIII b:2 für Soli und Orchester Maria Vahervuo, Martin Hofinger Kontrabass

Adagio – Salve Regina Reinhard Führer Orgel Allegro – Eja ergo advocata nostra Andreas Sommer Querflöte Largo – Et Jesum Allegretto – O clemens, o pia Carin van Heerden, Ulrike neukamm Oboe nikolaus Broda, Makiko Kurabayashi Fagott

Ernst Schlader, Markus Springer Klarinette PAUSE Hermann Ebner, Michael Söllner Horn

Franz Landlinger, Martin Mühringer Trompete Missa in tempore belli C-Dur „Paukenmesse“ (1796) Hob. XXII:9 Alexander Georgiev Pauken Kyrie Gloria Credo Sanctus Benedictus Agnus Dei – Dona nobis pacem

Wir danken der Meisterwerkstätte für Orgelbau Josef Maier, 88138 Hergensweiler für die freundliche Bereitstellung der Truhenorgel.

Dieses Konzert wird in Verbindung mit dem Verein „Freunde des Regensbur- ger Domchors e.V.“ durchgeführt.

Die Regensburger Domspatzen werden in besonderer Weise von der LIGA- Bank eG unterstützt.

Dieses Konzert findet auch schon am Donnerstag, dem 12. Mai 2016, 20.00 Uhr, in der Dreieinigkeitskirche als Vorpremiere statt.

Live-Sendung Eröffnungskonzert BR-KLASSIK Video-Livestream: www.br-klassik.de

Sendung Deutschlandradio Kultur: 15.05.2016, 20.03 Uhr

Erstmals Konzerte der TAGE ALTER MUSIK 2016 im Video-Livestream

REGEnSBURGER DOMSPATZEn & L’ORFEO BAROCKORCHESTER 13.05.2016, 20.05 Uhr www.br-klassik.de

DRESDnER KAMMERCHOR & DRESDnER BAROCKORCHESTER 14.05.2016, 20.05 Uhr Die Videos sind ein Jahr lang nach www.br-klassik.de Erstausstrahlung im Netz abrufbar.

8 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG Mai 2016

Die Regensburger Domspatzen und das L’Orfeo Barockorchester im Jahr 2009 in der Alten Kapelle

Sendungen der Konzerte der TAGE ALTER MUSIK 2016 im Radio (chronologisch)

REGEnSBURGER DOMSPATZEn & PULCInELLA ORCHESTRA L’ORFEO BAROCKORCHESTER 27.06.2016, 18.05 Uhr, Sendung 13.05.2016, 20.05 Uhr, BR-KLASSIK (Festspielzeit) Live-Sendung BR-KLASSIK EUROPEAn UnIOn BAROqUE 15.05.2016, 20.05 Uhr, Sendung ORCHESTRA DeutschlandradioKultur (Über- 02.07.2016, 18.05 Uhr, Sendung nahme von BR-KLASSIK) BR-KLASSIK (Festspielzeit)

„TAFEL-COnFECT" IMPRESSIOnEn DRESDnER KAMMERCHOR & VOM FESTIVAL 2016 DRESDnER BAROCKORCHESTER 16.05.2016, 12.05 bis 14.00 Uhr, 05.07.2016, 20.03 Uhr, Sendung Live-Sendung BR-KLASSIK BR-KLASSIK (Festspielzeit)

LES PASSIOnS DE L'AME & BAROKKAnERnE SOLOMOnS KnOT 11.07.2016, 18.05 Uhr, Sendung 19.05.2016, 20.03 Uhr, Sendung BR-KLASSIK (Festspielzeit) DeutschlandradioKultur CLUBMEDIéVAL LA COMPAGnIA DEL MADRIGALE 26.07.2016, 21.05 Uhr, Sendung 21.05.2016, 22.05 Uhr, Sendung BR-KLASSIK (Festspielzeit) BR-KLASSIK (Forum Alte Musik) PULCInELLA ORCHESTRA CUT CIRCLE 01.08.2016, 21.05 Uhr, Sendung 28.05.2016, 22.05 Uhr, Sendung Deutschlandfunk (Musik-Panorama) BR-KLASSIK (Forum Alte Musik) (Übernahme von BR-KLASSIK) Der Sendetermin dieses Konzerts im Deutschlandfunk steht noch nicht fest.

9 Mai 2016 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG

Tiburtina Ensemble (Tschechien)

Sopran, mittelalterliche Harfe Regina Lucti – Königin der Trauer Freitag, 13. Mai 2016 & Leitung: Barbora Kabátková Gesang und Poesie am 22.45 Uhr (nachtkonzert) Hofe Wenzeslaus’ II. um 1300 Schottenkirche St. Jakob Jakobstraße

Tiburtina Ensemble Foto: Vojtech Havlik

as Tiburtina Ensemble wurde 2008 in Prag gegründet. Das Repertoire der historischen Ereignisse rekonstruieren, sondern an eine Epoche erinnern, in der Dacht Vokalistinnen umfasst gregorianischen Choral, mittelalterliche Poly- Ritterlichkeit, höfische Liebe und tiefer christlicher Glaube das letzte Wort hatten. phonie und zeitgenössische Musik. Innerhalb kurzer Zeit hat sich das Ensemble Kehren wir zurück in das Jahr 1278. An die unglückliche Kriegsaffäre und an in der Alte-Musik-Szene einen herausragenden Ruf erworben. Der Name des Ottokars Tod erinnert das Klagelied Wafen iemer mêre. Die Musik dazu ist nicht Ensembles leitet sich von der antiken Tiburtinischen Sibylle ab, die zur bekann- erhalten, deshalb benutzen wir eine anonyme Melodie aus der Jenaer Lieder- testen Prophetin des christlichen Mittelalters wurde. Mittlerweile war das handschrift (14. Jahrhundert), um den Gesang wieder zum Leben zu erwecken. Ensemble Gast bei zahlreichen renommierten Festivals, u. a. in Prag, Ostrau, Wie wir dem Chronicon Aulae Regiae (der Chronik aus der Zisterzienser-Abtei Bratislava, Brüssel, Utrecht und Brügge. Das Ensemble hat zwei vielbeachtete in Zbraslav in Prag) etwa aus dem Jahre 1283 entnehmen können, kam der neue CDs veröffentlicht: „Flos inter Spinas“ (Supraphon) und „Apokalypsis“ (Animal König Wenzel in der Hauptstadt als triumphierender Herrscher an und wurde Music). vom Volk und den Kirchenführern mit dem Anstimmen der Hymne, dem Can- Barbora Kabátková, die Leiterin des Tiburtina Ensembles, ist eine gefragte Sän- gerin in der Alten Musik. Sie studierte an der Prager Karlsuniversität. Ihr Haupt- Schottenkirche berühmt wegen ihres Portals mit interesse gilt der Interpretation mittelalterlicher Musik - besonders des grego- seinem rätselhaften plastischen rianischen Gesangs und früher mittelalterlicher Polyphonie - und der Interpre- Um 1090 erhielten irische Benedik- Schmuck. Hinter dem Portal im tation des Vokalrepertoires der Alten Musik. Sie singt regelmäßig als Solistin tiner ein Grundstück vor den Mau- Inneren ist die liegende Figur des bei prominenten tschechischen und europäischen Ensembles, darunter dem ern der Stadt zum Bau ihres Klos- Mönches Rydan als Türschließer Collegium 1704, dem Collegium Marianum, der Musica Florea, Doulce Mémoire ters. Von der ersten Jakobskirche, dargestellt. Der Mönchschor besitzt die 1120 geweiht wurde, sind die noch die alten steinernen Chorge- und dem . beiden Osttürme erhalten. St. Jakob stühlschranken und den originalen wurde das Mutterkloster aller Nier- Bodenbelag des 12. Jahrhunderts. derlassungen irischer Mönche im Die Gestaltung der vielen Säulchen Zum Programm: deutschsprachigen Raum. 1216 war hat Parallelen in der englischen der Bau vollendet. Im 16. Jahrhun- Architektur. Verschiedene Ausstat- Unsere Geschichte beginnt 1278. Der dert lösten schottische Mönche die tungsstücke haben sich erhalten: die berühmte König von Böhmen, Ottokar Iren von St. Jakob ab, und bis 1862 romanische Kreuzigungsgruppe, gehörte das Kloster zum schotti- eine Madonna und die Heiligen II., wurde von den Truppen Rudolphs schen Zweig der Benediktiner. Die Jakobus, Paulus und Christophorus von Habsburg in der Schlacht auf dem Schottenkirche ist vor allem aus dem 14. Jahrhundert. Marchfeld getötet. Es ist nicht nur eine Geschichte von Ottokars Sohn Wences- laus (Wenzel) II. und Rudolphs Tochter Judith (Guta) von Habsburg, eine Geschichte über ihre treue Liebe (bitte tolerieren Sie diesen Anspruch unserer romantischen Seelen) – sondern vor allem die Geschichte der Koexistenz der tschechischen „Nation“ mit dem Hause Habsburg, die im Jahre 1918 durch das Scheitern Habsburgs endete.

Barbora Kabátková Foto: Vojtech Havlik Unser Konzertprogramm will nicht die

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ticum triumphale Cum rex gloriae, willkommen geheißen. Der jahrelange Streit zwischen den Přemysliden und den Habsburgern hörte nach der Schlacht nicht auf, die Eheschließung zwischen Wenzel und Guta im Jahre 1285 war die einzig mögliche Lösung zur Linderung der Probleme. Das junge Paar wurde nach der Zeremonie für zwei Jahre getrennt – erst im Jahre 1287 kam die Königin nach Böhmen und wurde leidenschaftlich bejubelt. Der Hof Wenzels war zu dieser Zeit sehr modern. Wir können uns ihn nicht ohne den populären Minnesang vorstellen. Der König war fasziniert von den Minnesängern und dem Genre – er komponierte selbst einige Lieder, eines davon ist das Lied Ûz hôher âventiure. Dieses Stück war wahrscheinlich ebenso durch das Hohelied beeinflusst wie der bekannte Marienleich, der von Heinrich von Meißen – dem sogenannten Frauenlob (†1318) – auf Wenzels Wunsch kom- poniert wurde. Die Marienverehrung war sehr innig, so können wir auch viele andere Stücke finden, die über das Marianische Thema komponiert wurden. Codex Manesse Wenzel II. von Böhmen Ottokar II., der Vater von Wenzel II. Einige der zeitgenössischen Quellen erwähnen weitere Minnesänger am Hof, deren Musik auch nach ihrem Tod noch sehr populär war – da ist z.B. Der Mar- könnte ein Glaubensbekenntnis sein, deshalb legen wir es der Prinzessin Guta ner (†1270) – sein marianisches Gebet Maria, muter, reine meit findet sich am vor der Krönung in den Mund. Ende unseres Konzertprogramms. Wir sind sicher, dass die Lieder der wichtig- Wenzels und Gutas Leben fand seinen Höhepunkt in ihrer Krönung im Jahre sten Minnesänger auch am Hof der Přemysliden in Prag gesungen und gespielt 1297. Diese Krönung war ein gewaltiges Ereignis – die bedeutendste High wurden – z. B. Lieder von Neidhart von Reuental (†1240) oder von dem berühm- Society Europas, angeführt von Gutas Bruder, dem König der Römer Albert I. ten Walther von der Vogelweide (†1230). Walthers Lied Vil wohl gelobter got von Deutschland, kam nach Prag. Die Krönung dauerte viele Tage und vor und nach der Krönungsmesse gab es zahlreiche weltliche Festlichkeiten mit Tanz und Ritter-Turnieren (wir erinnern an das Hochzeitmachen mit Neidharts wun- PROGRAMM derschönem Lied Meie, dîn liehter schîn). Wir haben nicht viele Belege für die liturgische Krönungszeremonie – wir wissen nur, dass sie an Pfingsten in der REGInA LUCTI – KÖnIGInDER TRAUER Hauptkathedrale St. Vitus stattfand. Wir können auch nur vermuten, welche GESAnG UnD POESIE AM HOFE WEnZESLAUS’ II. Art von Repertoire während der Messe aufgeführt worden sein könnte – z. B. UM 1300 das tropierte Gloria Spiritus ut alme für Pfingsten oder der Gesang Hospodine, Die Schlacht auf dem Marchfeld (1278) pomiluj ny, der als traditionelle Hymne benutzt wurde. Als Teil unseres Pro- Cantilena de Rege Bohemiae Wafen iemer mêre! gramms finden sich einige polyphone Stücke, Conductus genannt. Diese Con- (Colmarer Dominikanerchronist) ductus stammen aus den europäischen Hauptquellen der Epoche, und wir neh- Die Ankunft des böhmischen Herzogs in Prag (1283) men an, dass sie als Stil auch in Böhmen bekannt waren. Heinrich von Meißen „Frauenlob“ (1250/60 - 1318): Die Königin Guta und ihre Leute erfreuten sich der Krönungsfestlichkeiten nicht Ei, ich sach in dem trone (Marienleich, Verse 1 & 2) lange. Guta starb wenige Tage nach der Zeremonie, wahrscheinlich ermüdet Canticum triumphale Cum Rex gloriae - Psalm 23 von der Frühgeburt ihres und des Königs zehnten Kindes. Die Trauer erfasste Conductus Novi sideris Lumen resplenduit das ganze Land - im Chronicon Aulae Regiae steht: „...Wer immer konnte die Trä- Wenzeslaus II. von Böhmen und Judith von Habsburg (1285) nen zurückhalten und sich nicht von ganzem Herzen grämen...“ (Lectio O dolor! O Heinrich von Meißen „Frauenlob“: plus quam dolor!). Vielleicht grämte Ich binz der sterne von Jacop (Marienleich, Vers 15) sich auch Wenzel (Gesang Jižť mne vše Lectio Dudum contracta sic fit omnino peracta radost ostává eines unbekannten Kom- (Chronik des Klosters Königssaal bei Prag) ponisten, des sogenannten Záviš). Wenzeslaus II. von Böhmen (1271 - 1305): Ûz hôher âventiure Guta lebte nicht lange, es scheint, als sei sie wirklich die Königin der Sorge Walther von der Vogelweide (ca. 1170 - ca. 1230): Vil wol gelobter got – wenn sie einen Anlass zum Glück- Die Krönung (1297) lichsein hatte, folgte unmittelbar dar- Cantio Hospodine, pomiluj ny auf ein tragischer Schicksalsschlag. Heinrich von Meißen „Frauenlob“: Ob ich die warheit lerne Wir möchten an sie erinnern als an (Marienleich, Verse 7 & 8) Gloria Spiritus et alme einen Teil der wichtigsten Periode der Conductus Redit etas aurea böhmischen Historie. Cover der CD „Flos inter spinas“ © Barbora Kabátková des Tiburtina Ensembles Lectio Sancti Evangelii secundum Matthaeum Conductus Custodi nos, Domine AUSFüHREnDE Neidhart von Reuental (ca. 1185 - ca. 1240): Meie, din lichter schin (instrumental) TIBURTInA EnSEMBLE Die Königin der Trauer Lectio O dolor! O plus quam dolor! (Chronik des Klosters Königssaal bei Prag) Barbora Kabátková Sopran, mittelalterliche Harfe Cantio Jižť mne vše radost ostává Hana Blažíková Sopran, mittelalterliche Harfe

Conductus Marie, qui gratiam Daniela Čermáková Alt, Rezitation

Heinrich von Meißen „Frauenlob“: Tereza Havlíková, Ivana Bilej Brouková Sopran Ich bin erkennig (Marienleich, Verse 10 & 11) Marta Fadljevičová, Anna Chadimová Havlíková, Kamila Mazalová Alt Der Marner (um 1230 - 1270): Maria, muter, reine meit Thomas Wimmer (als Gast) Fiedel

11 Mai 2016 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG

La Ritirata (Spanien)

Violoncello & Leitung: Il Spiritillo Brando – Samstag, 14. Mai 2016 Josetxu Obregón Tänze am Hof der spanischen Vizekönige 11.00 Uhr (Matinee) in neapel (17. Jh.) Reichssaal Rathausplatz

La Ritirata

er Name des Ensembles La Ritirata leitet sich vom letzten Satz des DQuintetts „La Musica Notturna delle strade di Madrid“ von Luigi Boc- cherini ab, der mit „La Ritirata di Madrid“ (Rückzug nach Madrid) über- schrieben ist. Gründer und Spiritus rector des Ensembles ist der baskische Cellist Josetxu Obregón. La Ritirata konzertierte bei bekannten Festivals wie dem Festival Utrecht, dem Festival de Música Antigua in Mexiko, bei den Festivals in Ludwigsburg und Potsdam, im Museo de Bellas Artes in Santiago (Chile), im Centro Studi Boccherini (Lucca), dem Nationaltheater Peking sowie dem Centre de Musique Baroque de Versailles. Als einzige spa- nische Formation nahm La Ritirata 2010 beim ersten großen Konzert des Europäischen Netzwerks für Alte Musik (REMA) teil. Bach und Händel spielen in Konzertprogrammen von La Ritirata eine ebenso große Rolle wie italienische und spanische Komponisten. Die iberischen und italienischen Traditionen an den Höfen des Frühbarock hat das Ensemble mit seinem Album „Il Spiritillo Brando“ (Teile davon erklingen im heutigen Konzert) nachgezeichnet, während die Aufnahme der Streichquartette von Juan Crisóstomo de Arriaga den Weg in die Klassik bzw. Frühromantik weist (beide CDs sind bei Glossa erschienen). Der Bezug zu Boccherini im Namen des Ensembles geht natürlich mit einer speziellen Vorliebe für diesen Kom- ponisten einher, der aus Lucca stammte und in Spanien seine Heimat fand: Programme mit Boccherinis Cellosonaten, Streichtrios und weiteren Kam- mermusikwerken gehören ebenfalls zum Repertoire von La Ritirata. Im Jahr 2013 erhielt das Ensemble den spanischen Rundfunkpreis „El Ojo Crítico“ und wurde vom Klassikmagazin Codalario 2014 mit dem Preis „Best musical product“ ausgezeichnet. Seit 2013 nimmt La Ritirata für das CD-Label Glossa auf; frühere Einspielungen sind bei den Labels Verso, Arsis, Columna Musica Josetxu Obregón

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und Cantus erschienen. Außerdem wurden zahlreiche Konzerte durch große europäische Rundfunkanstalten übertragen. Der Cellist Josetxu Obregón, Gründer und künstlerischer Leiter des Ensem- bles La Ritirata, wurde in Bilbao geboren und studierte Violoncello, Kam- mermusik und Dirigieren. Er schloss seine Ausbildung (Bachelor & Master) in Spanien und Holland ab. In Den Haag studierte er Barockvioloncello am Koninklijk Conservatorium und wurde von Anner Bylsma besonders geför- dert. Josetxu Obregón hat sich auf Alte Musik spezialisiert, aber sein solisti- sches Repertoire umfasst Werke aller Epochen. Er unterrichtet am Real Con- servatorio Superior in Madrid. Er spielt ein Violoncello von Sebastian Klotz aus dem Jahr 1740.

Zum Programm:

Spiritillo: Nach dem Volksglauben ein himmlisches Wesen, das seit Jahrhunderten in den Straßen Neapels lebt, wie ein Kobold von Haus zu Haus geht und versucht, Diego Ortiz: Trattado De Glosas die Fehler der Menschen zu rechtfertigen. Brando: Italienische Bezeichnung für die „branle“, einen französischen Renais- mutlich vor seiner neapolitanischen Zeit komponiert, als er als Lautenist in sancetanz, dessen Schritte in der Orchésographie (1588) des Thoinot Arbeau Parma, Florenz, Modena und Genua wirkte. Wir spielen Werke aus seinem beschrieben wurden, der Kanoniker in Langres war. primo libro di Canzone, Sinfonie, Fantasie, Capricci, Brandi, Correnti, Gagliarde, Alemane, Volte per Violini, Viole overo altro Strumento á uno, due, et tré con il Nach dem triumphalen Einzug Alfons’ V. von Aragon (genannt „el Mag- Basso continuo, das von Pietro Paolini und Giuseppe Rizzi 1650 in Neapel nanimo“, der Großmütige) in Neapel im Jahr 1443 entwickelte sich der dor- gedruckt wurde, sechs Jahre vor dem Tod des Komponisten während einer tige Hof zu einem der kultiviertesten und prachtliebendsten der Renais- schrecklichen Pestepidemie, die in der kampanischen Hauptstadt verhee- sance. Ab 1504 wurde das Königreich Neapel von der spanischen Krone rende Auswirkungen hatte. zum Vizekönigreich gemacht, und einige der Vizekönige führten diese Diese Sammlung umfasst 58 Werke, darunter 32 dreistimmige, 54 zweistim- humanistische Kulturpolitik fort. Sie wurden zu Mäzenen von Musikern mige und 12 einstimmige Stücke, wobei die Auswahl der Instrumente den und bildenden Künstlern (unter anderem für den Maler José de Ribera), Interpreten überlassen bleibt. Die Kompositionen sind in zwei bis vier trotz der Kriege, der Komplotte und der anderen Unglücksfälle, die die Abschnitte unterteilt, der dreiteilige Aufbau kommt dabei am häufigsten bewegte Geschichte dieser süditalienischen Region prägten. vor. Wie es in der italienischen Musik dieser Zeit üblich war, finden sich In der Barockzeit wurde am neapolitanischen Hof ein Zeremoniell befolgt, nur selten Tempoangaben, aber gelegentlich kommen italienische (si sona das strengen Regeln unterlag, die detailliert in einem Buch mit dem Titel presto, schnell zu spielen) oder spanische (muy despacio, sehr langsam) Etiquetas de la Corte de Nápoles beschrieben werden, das José Raneo im Jahr Anmerkungen vor. Auch die Titel der Werke sind in einer reizvollen 1634 herausgab. Daraus geht hervor, dass die höfischen Tänze über das Mischung aus Kastilisch und Italienisch verfasst, die die sprachlichen Gege- reine Privatvergnugen̈ hinaus in den Zeremonien einen offiziellen Charakter benheiten des Palastes widerspiegeln. hatten. Nach dieser Quelle wurde jeder Tanz von einem strengen Protokoll Hier kann nicht in allen Einzelheiten auf jedes der Werke eingegangen wer- begleitet, das den Rang derjenigen festlegte, die ihn eröffneten, die Positio- den, die das Ensemble La Ritirata im heutigen Konzert spielt, aber einige nen der Damen und Edelleute bestimmte, die daran teilnehmen mussten, sollen doch kurz beschrieben werden. sowie die Choreographie und die Funktionen des maestro de dança vor- Die Pasacalle, die Folias echa para mi Señora Doña Tarolilla de Carallenos und die schrieb, der wohl von entscheidender Bedeutung war. Raneo war kein Ciaccona (ein Auszug aus L'Eroica) werden durch Variationen strukturiert. Gelehrter, sondern ein einfacher und ungebildeter Mann, der das beschrieb, Die Battaglia de Barabaso yerno de Satanás entspricht der deskriptiven musi- was er sah, und den Ablauf von Festlichkeiten detailreich veranschaulichte: kalischen Form der battaglia und bezieht sich thematisch auf eine inferna- „Die Violinen hoben zu spielen an, und alle Damen begannen mit einem lische und diabolische Vorstellungswelt, die wohl zum kollektiven Bewusst- munteren Tanz“ oder „Die Vizekönigin tanzt niemals“. sein der Neapolitaner gehörte, denn man findet sie auch in anderen Titeln Trotz der detaillierten Beschreibung der Tänze fehlt ein grundlegendes Ele- dieser Sammlung wieder: Riñen, y pelean entre Berzebillo con Satanasillo, y ment: der Klang dieser Musik mit ihren suggestiven Möglichkeiten, die eine Caruf, y Pantul oder Bayle de los dichos Diabolos. große Intensität erreichen können. Manchmal werden wir durch gewisse Partituren mit einer solchen Macht in eine Zeit oder an einen Ort versetzt, dass wir völlig in eine bestimmte Atmosphäre eintauchen können. Dies ermöglicht uns auf ganz einzigartige Weise der Italiener Andrea Falconieri: Durch ihn lernen wir kaum 20 Jahre nach der Veröffentlichung des Buches aus der Feder von Raneo jene Musik kennen, die man damals im Königreich Neapel spielte und zu der man tanzte. Falconieri - oder Falconiero - war seit 1639 Lautenist in der Kapelle des Vize- königreichs Neapel; er hatte von 1621 bis 1628 auf der iberischen Halbinsel gelebt. Seine Verbindungen zu zahlreichen Persönlichkeiten des Hofes spie- geln sich beispielsweise in der Widmung einer seiner Chansons (L'Austria) wider, die Johann Joseph von Habsburg zugedacht ist, oder im Bezug auf Don Pedro de la Mota in der Corriente dicha la Mota. Falconieri wurde 1647, nach dem Tod seines Vorgängers Giovanni Maria Trabaci, Kapellmeister der Hofkapelle und aus seiner Hand ist eine abwechs- lungsreiche und bemerkenswerte Auswahl von Tänzen überliefert, die man bei Hof zu offiziellen Anlässen aufführte. Einige dieser Tänze wurden ver- Domenico Gabrielli Gaspar Sanz

13 Mai 2016 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG

David Mayoral Tamar Lalo und Miren Zeberio Ignacio Prego

Aber ansonsten herrschen Tanzsätze vor, man findet Allemanden, Couran- Der Augustinermönch Bartolomé de Selma y Salaverde, der unter seinem ten, Branles... Besonders schöne Melodien wie La Benedetta oder La Suave italianisierten Vornamen Bartolomeo bekannt war, war vermutlich ein Sohn Melodia und Rhythmen, die auf verschiedene Einflüsse zurückgehen, ver- eines maestro de los imtrumentos der königlichen Hofkapelle in Madrid. binden sich in dieser Sammlung mit einer zukunftsweisenden Musikspra- Aus dem Vorwort zu seinem Canzoni, fantasie e correnti da suonar a 1, 2, 3, 4 che. voci con Basso Continuo, Venedig, 1638 geht hervor, dass er seine Ausbildung Falconieri war aber bei Weitem nicht der einzige illustre Musiker der nea- in Spanien erhielt. Später trat er in die Dienste Erzherzog Leopolds V. von politanischen Hofkapelle, und aus der Reihe seiner zahlreichen spanischen Österreich, des Bischofs von Straßburg. Dort spielte er den Dulzian, einen Kollegen sei beispielsweise der aus Toledo stammende Diego Ortiz genannt, Vorläufer des heutigen Fagotts. der 1558 Kapellmeister am neapolitanischen Hof wurde, zur Zeit des Vize- Im Jahr 1638 ließ er in Venedig den genannten Sammelband drucken, das königs Fernando Alvarez de Toledo, dem 3. Herzog von Alba. Diese Position einzige seiner Werke, das erhalten ist. Es ist für verschiedene Instrumente hatte er mindestens bis 1565 inne, als Pedro Afán de Ribera, Herzog von und Basso continuo komponiert und dem Prinzen Johann Karl von Polen Alcalá, Vizekönig war. und Schweden, dem Bischof von Breslau, gewidmet, sicher in der Hoffnung, Ortiz’ Hauptwerk ist der Trattado de glosas sobre cláusulas y otros géneros de in dessen Kapelle eine Stellung als Dulzianspieler zu erhalten. puntos en la música de violones nuevamente puestos en luz; er wurde Die Canzon quinta a tre, Doi Soprani e Basso zeichnet sich durch 1553 in Rom veröffentlicht, zu jener Zeit, als der Komponist außergewöhnliche Schönheit und durch eindrucksvolle tech- in Neapel wirkte. Diese Abhandlung ist mit Bezug auf die nische Anforderungen aus. Gambe geschrieben (die als vihuela de arco oder auch vio- Giovanni Battista Vitali, Domenico Gabrielli und Giu- lón bezeichnet wird) und erschien sowohl auf Kastilisch seppe Maria Jacchini (alle drei Cellisten) waren Mitglie- als auch auf Italienisch. Ortiz hatte sich vorgenommen, der der Kapelle der Basilika San Petronio in Bologna dem Mangel an Werken für dieses Instrument abzu- (in dieser Kirche wurde Karl V. durch Papst Clemens helfen, das er für so wichtig hielt. Sein Werk ist Pedro VII. zum Kaiser gekrönt) und der Accademia Filarmo- de Urries, Baron von Riesy, gewidmet und umfasst nica dieser Stadt. zwei Bände. Im besonders wichtigen ersten Band zeigt Vitali war vermutlich ein Schüler von Maurizio Cazzati, Ortiz mit einer Fülle von Notenbeispielen, wie ein kleines maestro di cappella an San Petronio. Zu dieser Kapelle Melodieelement aus einer Kadenz verziert werden kann gehörte er seit 1658 als Violonespieler. Anschließend wurde und wie seine Intervalle ausgefüllt und umspielt wer- er Kapellmeister an der Confraternità del Santissimo den können; im zweiten Band lehrt er, wie man auf Rosario und neben Giuseppe Colombi zweiter Kapell- der Gambe über eine Choralmelodie oder über andere Alfons V. auf einer Silbermedaille meister am Hof Francescos Il. in Modena. Dort wirkte Werke „fantasieren“ (improvisieren) kann. von Pisanello 1449 hoc auch Domenico Gabrielli, der für seine Virtuosität Dieser zweite Band enthält 27 Werke, die als recercadas bekannt war und im bologneser Dialekt den Spitzna- bezeichnet werden - Beispiele, die die beschriebenen Techniken illustrieren men Mingéin dal viulunzèl, also „der kleine Domenico am Violoncello“ trug und einen wahren Musterkatalog bilden, der den Reichtum und die Origi- (Mingéin ist eine Verniedlichung von Domenico). Er schrieb sieben ricercari, nalität der spanischen Renaissancemusik deutlich macht. Zwei dieser Werke die ersten überlieferten Kompositionen für Violoncello solo. Sein Schüler sind im heutigen Konzert zu hören: Die erste recercada über „Doulce Memo- Jacchini - bei ihm handelt es sich ire“, eine vierstimmige französische Chanson von Pierre Sandrin, veran- wahrscheinlich um den gleichen schaulicht die Kunst der differencia (dieser Begriff wurde auf der iberischen Musiker, der Giosefo del Violonzino Halbinsel für Variationen verwendet) über ein musikalisches Fragment; genannt wurde – verfolgte den Weg außerdem stehen die Recercadas sobre tenores italianos auf dem Programm, weiter, den sein Lehrer eingeschla- die am Ende des Trattado zu finden sind und auf einigen Choralmelodien gen hatte, und betraute das Violon- basieren, „welche man in Italien gemeinhin tenores nennt“. cello häufig mit solistischen Aufga- Unser heutiges Programm umfasst auch Werke anderer Komponisten des ben. Diese drei Komponisten 17. Jahrhunderts, die Zeitgenossen jener Musiker waren, die sich am nea- erweiterten erstmals die Rolle des politanischen Hof aufhielten. So entsteht ein umfangreiches Panorama, das Violoncellos, dessen Funktion bis unsere Vorstellung von der barocken Instrumentalmusik in Spanien und dahin darin bestanden hatte, den Italien erweitert und klarmacht, wie verbreitet diese Musik in weiteren euro- Basso continuo zu unterstützen. Cover der CD von La Ritirata päischen Ländern war. © José Luis Obregón Perea „Il spiritillo brando“

14 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG Mai 2016

PROGRAMM

IL SPIRITILLO BRAnDO – TänZE AM HOF DER SPAnISCHEn VIZEKÖnIGE In nEAPEL (17. JH.)

AnDREA FALCOnIERI Folias echa para mi Señora Doña (1585-1656) Tarolilla de Carallenos (Il primo libro di Canzone, Sinfonie, Fantasie, Ca- pricci, Brandi, Correnti, Gagliarde, Alemane, Volte per Violini, Viole overo altro Strumento á uno, due, et tré con il Basso continuo, Neapel, 1650) Passacaglia

MARCO UCCELLInI Sonata Sopra La Prosperina (ca. 1603-1680) (Sonate, correnti et arie da farsi con diversi stro- menti, sì da camera, come da chiesa, à uno à due & à trè. op. 4,Venedig, 1645)

DOMEnICO GABRIELLI Ricercare I für Violoncello solo (1659-1690) (Ricercari per il violoncello solo, Manuskript, Bologna, 1688)

GIUSEPPE MARIA JACCHInI Sonata VIII per Camera Daniel Zapico und Enrike Solinís (1667-1727) (Sonate a violino e violoncello e a violoncello solo per camera, op. 1, Bologna, ca. 1692) AnDREA FALCOnIERI Corrente detta L’Auellina Reichssaal Corriente dicha la Cuella Il Spiritillo Brando Regensburg war seit den Karolin- La Benedetta gern bevorzugter Ort für die Abhal- Corriente dicha la Mota, echa por Don tung von Reichstagen. Im Mittelalter Pedro de la Mota zählte man 45 Reichstage in Regens- Brando dicho el Melo burg. 1541 war der Reichssaal Ort (Il primo libro di Canzone… Neapel, 1650) des berühmten Religionsgesprächs

BARTOLOMé DE SELMA Canzon quinta a tre, Doi Soprani e Basso zwischen Melanchthon und Dr. Eck. Von den Reichstagen sind besonders Y SALAVERDE (Canzoni, fantasie e correnti da suonar a 1, 2, (ca. 1580-ca. 1640) 3, 4 voci con Basso Continuo, Venedig, 1638) der von 1623, bei dem Bayern die Kurwürde erhielt, und der von 1630, AnOnYM Chacona als Wallenstein von der Mehrheit der (17. Jahrhundert) (Flores de música, 1706, zusammengestellt von katholischen Fürsten abgesetzt Antonio Martin y Coll [ca. 1680-1734]) wurde, zu nennen. Von 1663 bis 1806

GIOVAnnI GIROLAMO Improvisationen über eine Passacaglia war der Reichssaal Tagungsort des KAPSBERGER (Libro Quarto d'Intavolatura di Chitarrone, „Immerwährenden Reichstags“. Er (ca. 1580-1651) Rom, 1640) ist als erstes deutsches Parlament anzusehen. Der um 1360 gebaute DIEGO ORTIZ Recercadas sobre la canción Reichssaal darf in seinen Dimensio- (ca. 1510-ca. 1570) „Doulce Memoire“ nen und seinem Alter für Deutsch- (Trattado de glosas sobre cláusulas y otros land als einzigartig gelten. Hervor- géneros de puntos en la música de violones nue- zuheben ist die mächtige Holzdecke, vamente puestos en luz, Rom, 1553) an deren Unterseite man die Relieffi- gur des thronenden Petrus (des GIOVAnnI BATTISTA Toccata y Bergamasca per la lettera B Stadtpatrons) erkennt. VITALI (Partite sopra diverse Sonate di Gio: (1632-1692) Batta: Vitali per il Violone)

GASPAR SAnZ Marionas (1640-1710) (Instrucción de Música sobre la guitarra españ- ola y Método de sus primeros rudimentos, hasta tañerla con Destreza, Saragossa, 1674) AUSFüHREnDE nICOLA MATTEIS Diverse Bizzarie sopra la Vecchia LA RITIRATA (ca. 1650-ca. 1714) Sarabanda o pur Ciaccona (Ayrs For the Violin, Preludes, Allmands, Sar- Tamar Lalo Blockflöten abands, Courantes, Gigues, Divisions and dou- Miren Zeberio Violine ble Compositions fitted to all hands and Capaci- ties By Nicola Matteis. The 1st Part, ca. 1676) Enrike Solinís Gitarre

GASPAR SAnZ Canarios (vgl. Marionas) Daniel Zapico Theorbe

AnDREA FALCOnIERI La Suave Melodía Ignacio Prego Cembalo (Il primo libro di Canzone… Neapel, 1650) David Mayoral Perkussion DIEGO ORTIZ Recercadas sobre tenores italianos (Trattado de glosas… Rom, 1553) Josetxu Obregón Violoncello

AnDREA FALCOnIERI L’Eroica Battaglia de Barabaso yerno de Satanás (Il primo libro di Canzone… Neapel, 1650) Wir danken der Meisterwerkstätte für Orgelbau Markus Harder-Völkmann, 85579 Neubiberg, für die freundliche Bereitstellung des Claviorganums.

15 Mai 2016 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG

Ensemble sinn&ton (Deutschland)

Musikalische Leitung: Rahel Mai „Der Sturm“ – Ein Jugendstück mit Alter Musik Samstag, 14. Mai 2016 nach dem komödiantischen Drama 14.00 Uhr von William Shakespeare (1564-1616) neuhaussaal Musiktheater für Leute ab 10 Jahren Theater am Bismarckplatz

Ensemble sinn&ton Fotos: www.KerstinZillmer.de

ie Schauspielerin Christine Marx gründete 1999 eine eigene Thea- Als professionelle Musikerinnen und Musiker haben sich die Mitglieder Dtertruppe mit dem Namen sinn&ton. Zusammen mit verschiedenen des Ensembles sinn&ton bei der Arbeit in verschiedenen renommierten Orchestern, wie z. B. der Akademie für Alte Musik Berlin und dem Baro- Ensembles für alte Musik kennengelernt, darunter Concerto Köln, Lautten ckensemble Elbipolis, zeigt sie regelmäßig ihre Kindertheater-Produktio- Compagney Berlin und Akademie für Alte Musik Berlin. Sie reisen durch nen im ganzen deutschsprachigen Raum. So trat sie beispielsweise bei den ganz Europa, aber auch nach Asien und in die USA und präsentieren Bachtagen Leipzig, dem Rheingau Musikfestival und den Innsbrucker erfolgreich ihre Konzertprogramme, CD-, Tanz- und Musiktheaterproduk- Festwochen für Alte Musik auf. Mit ihren szenischen Lesungen, den „Hör- tionen. Als Ensemble sinn&ton möchten die MusikerInnen junges Publi- spielen zum Zugucken“, hat sie sich seit vielen Jahren in Berlin einen kum in ihrer Heimatstadt Berlin für das Musiktheater begeistern und am Namen gemacht. Christine Marx arbeitet auch als Regisseurin und Autorin. Zusammenwirken von Musik und Sprache teilhaben lassen. Sie unterrichtet Kinder und Erwachsene im darstellenden Spiel.

Die Geigerin Rahel Mai studierte im Anschluss an eine musiktherapeutische Zum Programm: Ausbildung alte Musik und Barockgeige in Leipzig. Mit ihrem Ensemble NOEMA widmet sie sich vor allem der Musik der Spätrenaissance und des Aus der Sicht der erwachsen gewordenen Miranda wird die Geschichte Frühbarock. Sie brachte als Konzertmeisterin des Ensembles Leipziger Concert des großen Zauberers Prospero erzählt. Wir erfahren von der Feindschaft u.a. das Stück „Scipolo oder die Macht der Musik“ von Christoph Meyer in der Brüder Prospero und Antonio, der großen Liebe Mirandas zum verschiedenen Schüler- und Familienpräsentationen (u.a. im Gewandhaus Königssohn Ferdinand, vom Luftgeist Ariel und vom wilden Caliban. Leipzig, im Händelhaus Halle und auf Schloss Michaelstein) zur Aufführung. Der phantastische wie zeitlose Stoff des Shakespearschen Bühnenstückes Als Mutter von drei Kindern ist es ihr ein großes Anliegen, Musik für Kinder „The Tempest“ (UA 1611) wurde im England der Barockzeit immer wieder und Jugendliche als genussvollen Teil des Lebens erfahrbar zu machen. musikalisch aufgegriffen. So kennen wir von Matthew Locke eine 1695

16 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG Mai 2016

Werkausgabe 1623 Christine Marx & Heinrich Kubitschek herausgegebene Instrumentalmusik mit dem Titel „The Tempest“, die wohl Shakespeares letztes Bühnenwerk enthält eine Fülle von musikalischen als Zwischenaktmusik zu Schauspiel oder Oper gedient hat. Die Oper „The Anweisungen, die auf ein Hinzuziehen von Musikinstrumenten schließen Tempest or The Enchanted Island“ (um 1674) mit einem Libretto von Th. lassen. Die im Originaltext befindlichen Lieder, sogenannte Ayres („Come Shadwell enthält Werke verschiedener Komponisten wie J. Banister, P. unto these yellow Sands“, „Full Fathom Five“ und „Where the Bee Sucks“) Humphrey, J. Weldon und H. Purcell. Es findet sich gar eine spitzzüngige sind mit Sicherheit tatsächlich gesungen worden. Die beiden letzteren sind Parodie der 'King's Company' aus dem Jahre 1675 unter dem Titel „The uns noch aus der Feder des Lautenisten Robert Johnson erhalten, der zwi- Mock Tempest or The Enchanted Castle“, die sich beim Londoner Publi- schen 1610 und 1616 eng mit dem Dramatiker zusammenarbeitete und kum großer Beliebtheit erfreute. Musik für seine Bühnenstücke schrieb. Mithilfe von fantasievollen Acces- Ensemble sinn&ton möchte das junge Publikum in die Klangwelt des soires und Requisiten werden die Musikerinnen und Musiker im Nu zu Barock entführen – nicht des großen, pompösen Barock mit seinen Bra- Figuren des Spiels um Macht, Rache, Liebe und Versöhnung. Erzählung vourarien und Bühnenmaschinerien, sondern in den mal feinen und und Musik, Szene und Klang verschmelzen und nehmen uns mit auf eine durchsichtigen, mal kraftvoll zupackenden Klang der historischen Streich- von Geistern, Kobolden und Zauberern bewohnte Insel. instrumente und des Cembalos. © Ensemble sinn&ton

Rahel Mai & Christine Marx

17 Mai 2016 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG

neuhaussaal Nach einem Brand wurde es 1849 PROGRAMM in etwas veränderter Form wieder- Der Bau des Stadttheaters mit dem aufgebaut. Ein Mittelteil mit „DER STURM“ – Neuhaussaal wurde unmittelbar Dreiecksgiebel und seitliche Bal- EIn JUGEnDSTüCK MIT ALTER MUSIK nach der Säkularisation vom neuen kone zeichnen den Bau aus, der nACH DEM KOMÖDIAnTISCHEn DRAMA Stadtherrn, dem Kurfürsten und eine reiche Theatergeschichte Erzkanzler Carl von Dalberg, in schreibt. Der klassizistische Neu- VOn WILLIAM SHAKESPEARE (1564-1616) Auftrag gegeben. Der Architekt haussaal kann auf eine reiche Kon- 1. Einleitung d'Herigoyen schuf das Stadttheater zert- und Ballgeschichte zurückbli- „Le grand Orage (1745)“ aus „Recueil de différentes Pièces de Clavecin“ im Jahr 1804. cken. von CéLESTIn HARST (1698-1778) (Ausschnitt)

2. Ariels Zauber „Come unto these yellow Sands“ aus der HEnRY PURCELL zugeschriebe- nen Oper „The Tempest“ (ca.1695) nach dem Originaltext von William Shakespeare (I/2)

Come unto these yellow sands, And then take hands: Courtsied when you have, and kiss'd The wild waves whist, Foot it featly here and there; And, sweet sprites, the burthen bear. Hark, hark! (Bow-wow) The watch-dogs bark! Hark, hark! I hear The strain of strutting chanticleer, Cry, Cock-a-diddle-dow.

3. Streit zwischen Caliban und Ariel Aire aus „Abdelazer“ (1695), semi-opera von HEnRY PURCELL (Bearbeitung: Heinrich Kubitschek)

4. Traum – Musik Curtain Tune aus „The Tempest“ (ca.1675), Bühnenmusik von MATTHEW LOCKE (1621-1677) (Ausschnitte und Improvisation)

5. Sturm „Le grand Orage (1745)“ aus „Recueil de différentes Pièces de Clavecin“ von CéLESTIn HARST (1698-1778) (Ausschnitt)

6. Prosperos Wehmut „Pavana Lachrimae“ (Ausschnitt) von JAn PIETERSZOOn SWEELInCK (1562-1621)

7. Ariels Zauber

8. Prosperos Wut „Corrente“ aus dem Fitzwilliam Virginal Book (1612)

9. Prosperos Triumph „Nancie“ von WILLIAM BYRD (ca.1543-1623) Sabine Erdmann 10. Alonsos Auftritt Rondeau aus „Abdelazer“ (Ausschnitt)

11. Antonios Auftritt Jigg in g aus „Abdelazer“

12. Trinkszene „The Sailor's Dance“ aus „Dido and Aeneas“ (1689), Oper von HEnRY PURCELL (1659-1695)

13. Ferdinands Trauer Kanon von WILLIAM LAWES (1602-1645)

14. Ferdinands Liebeslied „Calleno costure me“ (Anonym) (Textverweis in Shakespeare „Henry V“ II/4)

When as I view your comely grace Calleno costure me Your golden hairs, your angel's face: Calleno costure me Your azure veins much like the skies Calleno... Your silver teeth, your crystal eyes: Calleno... James Bush

18 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG Mai 2016

Your coral lips, your crimson cheeks Calleno… AUSFüHREnDE That gods and men both love and leeks: Calleno… EnSEMBLE SInn&TOn My soul with silence moving sense Christine Marx Miranda, Erzählerin, Textfassung & Regie Calleno… Rahel Mai Ariel, Violine, musikalische Konzeption Doth wish of God with reverence. Calleno… Susanne Walter Alonso Stephano, Violine Long life and virtue you possess Heinrich Kubitschek Ferdinand, Antonio, Trinculo, Violine, Viola Calleno costure me To match the gifts of worthiness. James Bush Caliban, Violoncello Calleno costure me. Sabine Erdmann Prospero, Cembalo 15. Heuchelei Jens Uwe Behrend Bühnenbild „Full Fathom Five“ (ca.1610), Lautenlied von ROBERT JOHnSOn (ca.1583- ca.1633) (Bearbeitung für drei Stimmen: Heinrich Kubitschek) Rudi Kostüme Shakespeare Originaltext (I/2) (Das Lied erklingt hier nicht an der im Original dafür vorgesehenen Stelle. Da der Text aber nicht zu hören ist, erlauben wir uns aus musikdramaturgischen Gründen diese Freiheit.)

Full fathom five thy father lies; Of his bones are coral made; Those are pearls that were his eyes: Nothing of him that doth fade But doth suffer a sea-change Into something rich an strange. Sea-nymphs hourly ring his knell (Ding-dong) Hark! Now I hear them,--Ding-dong, bell.

16. Picknick Gavot aus „The Tempest“ von MATTHEW LOCKE

17. Harpye „Air pour les Vents“ aus der Oper „Cadmius et Hermione“ (1673) von JEAn-BAPTISTE LULLY, auch verwendet von Henry Purcell in „The Tempest“ (Bearbeitung für vier Stimmen: Heinrich Kubitschek)

18. Chimären Lilk aus „The Tempest“ von MATTHEW LOCKE

19. Sphärenmusik Curtain Tune aus „The Tempest“ von MATTHEW LOCKE

20. Versöhnung aus „Fantazia in Three Parts“ von HEnRY PURCELL (Bearbeitung: Rahel Mai)

21. Verlobung „Trumpet Tune“ von JEREMIAH CLARKE (ca.1674-1707) (Bearbeitung Heinrich Kubitschek)

22. Calibans Triumph Irish Tune „Paddy Fahy's Reel“

23. Ariels Freiheit „Where the Bee Sucks“ von ROBERT JOHnSOn Shakespeare Originaltext (V/1)

Where the bee sucks, there suck I, In a cowslips bell I lie; There I couch when owls do cry. On the bat's back I do fly After summer merrily. Merrily, merrily shall I live now Under the blossom that hangs on the bough.

24. Abschied aus „Fantazia in Three Parts“ von HEnRY PURCELL

Wir danken der Meisterwerkstätte für historische Tasteninstrumente Detmar Hungerberg, 42499 Hückeswagen für die freundliche Bereitstellung des Cembalos.

19

TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG Mai 2016

Die Batzdorfer Hofkapelle 2015 in der Basilika St. Emmeram

Il Suonor Parlante Orchestra 2015 in der St.-Oswald-Kirche

21 Mai 2016 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG

Barokkanerne (norwegen)

Marianne Beate Kielland Alt Johann Sebastian Bach (1685-1750) – Samstag, 14. Mai 2016 Oboe & Leitung: Alfredo Bernardini Solokantaten BWV 35 & 170 16.00 Uhr Georg Philipp Telemann (1681-1767) – St.-Oswald-Kirche Ouverture & Oboenkonzert Weißgerbergraben

Barokkanerne

arokkanerne ist eines der führenden Barockorchester Norwegens, das in Santiago de Compostela, Hamor in Händels Jephta und Adalgiso in Bseit 2007 in Oslo eine eigene Konzertreihe bestreitet. In Regensburg Scarlattis Carlo, Re d’Alemagna in Stavanger sowie Aronne in Francesco gibt Barokkanerne sein Deutschland-Debut. Das Orchester arbeitet regel- Nicolò Fagos Il Faraone Sommerso. Marianne Beate Kielland hat über 30 mäßig mit bekannten Künstlern der Alte-Musik-Szene zusammen, u. a. CDs mit Oratorien, Opern, Kantaten und Liedern von Bach, Händel, mit Rachel Podger, Emma Kirkby, Rolf Lislevand, David Hansen, Kathi Vivaldi, Caldara, Scarlatti, Beethoven, Schumann, Mussorgsky, Martin, Debretzeni und Alfredo Bernardini. Beim CD-Label Lawo Classics erschie- Chausson, Korngold, Suppé und Sigurd Islandsmoen eingespielt. nen preisgekrönte Aufnahmen mit Werken von Vivaldi („Bellezza Cru- del“), C. Ph. E. Bach („Empfindsamkeit“) und Telemann („Totally Tele- mann-Music for Orchestra“).

Die norwegische Mezzosopranistin Marianne Beate Kielland studierte an der staatlichen Musikakademie in Oslo und ist heute eine der gefragtesten Konzertsängerinnen ihres Stimmfachs. In Regensburg gastiert sie zum ersten Mal. 2001 erhielt sie ein Engagement als Solistin an der Staatsoper Hannover. Sie arbeitet regelmäßig mit den großen Dirigenten zusammen, darunter Fabio Biondi, Thomas Dausgaard, Gottfried von der Goltz, Phil- ippe Herreweghe, Andrew Manze, Emilio Moreno, Hans-Christoph Rade- mann, Daniel Reuss, Joshua Rifkin, Helmuth Rilling, Jukka-Pekka Saraste, , Andreas Spering, Christoph Spering, Masaaki Suzuki, Thomas Søndergård, , Bruno Weil und Michael Willens. Regel- mäßig tritt sie in den großen Konzertsälen und bei bedeutenden Festivals in Europa und Japan auf. Ihr ungewöhnlich breites Repertoire reicht von Monteverdis Werken aus dem frühen 17. Jahrhundert über Bach, Händel, Vivaldi, Gluck, Haydn, Mozart, Beethoven, Mendelssohn, Schumann, Brahms, Berlioz, Dvořák, Elgar, Mahler, Schönberg, Berg und Weill bis hin zu zeitgenössischen Werken von Berio, Cage, Stockhausen, Ratkje und Plagge. Zu ihren jüngsten Opernpartien in verschiedenen spanischen Städ- ten sowie Krakau und Salzburg gehören Messaggiera und Proserpina in Monteverdis L’Orfeo in Oslo, die Titelrolle in Vivaldis Juditha Triumphans Marianne Beate Kielland

22 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG Mai 2016

Der Oboist Alfredo Bernardini ist sicherlich einer der Künstler, die in der Geschichte der Tage Alter Musik am häufigsten in Regensburg zu Gast waren. Er wurde 1961 in Rom geboren. Im Alter von 19 Jahren zog er in die Niederlande, um sich dort unter anderem bei Bruce Haynes und Ku Ebbinge auf Barockoboe und Alte Musik zu spezialisieren. 1987 erhielt er am Königlichen Konservatorium von Den Haag sein Solistendiplom. Als Mitglied der bedeutendsten Barockensembles wie z. B. Hesperion XX, Le Concert des Nations, , The Amsterdam Baroque Orchestra, Freiburger Barockorchester, , oder Balthasar Neumann Ensemble ist er in ganz Europa sowie Russland, USA, Japan, China, Korea, Malaysia, Ägypten, Israel, Südamerika und Australien aufgetreten. 1989 gründete er mit den Brüdern Paolo und Alberto Grazzi das Ensemble ZEFIRO. Er war an ca. 100 CD-Einspielungen beteiligt, für die er diverse Auszei- chungen erhielt. So wurde seine CD mit Vivaldi-Oboenkonzerten mit dem Cannes Classical Award 1995 gewürdigt und eine andere mit Händels Royal Fireworks Music mit dem Diapason d'Or de l'Année 2009 ausge- Christian Kjos zeichnet. 1999 verwirklichte er mit ZEFIRO einen Dokumentarfilm über Antonio Vivaldi für das belgische Fernsehen. mitglied des Barockorchesters Harmony of Nations, mit dem er 2011 schon Auch als Dirigent hat er bereits viele Erfolge mit verschiedenen Orchestern, bei den Tagen Alter Musik in Regensburg gastierte. Als Continuo-Cem- u. a. Concerto Copenhagen, The English Concert, La Orquesta Barroca de balist spielt er neben Barokkanerne regelmäßig mit dem Norwegian Ba - Sevilla, Tafelmusik Toronto, The Australian Brandenburg Orchestra, The roque Orchestra und Concerto Copenhagen. Auf Barokkanernes C. Ph. E. Jerusalem Baroque Orchestra oder The European Union Baroque Orches- Bach-CD spielt Christian Kjos den Solopart im d-Moll Cembalokonzert tra, gefeiert. Zudem wurden seine Forschungen über die Geschichte der (Wq 17) und erhielt dafür beste Kritiken. Als Mitglied des Ensembles Meri- Holzblasinstrumente in den renommiertesten internationalen Fachzeit- diana gewann er erste Preise beim Telemann-Wettbewerb in Magdeburg schriften veröffentlicht. (2007), beim york-Early Music Competition (2009) und beim Händel-Wett- Von 1992 bis 2015 unterrichtete er Barockoboe am Konservatorium von bewerb in Göttingen (2011). Amsterdam. Von 2002 bis 2008 war er Professor an der Escola Superior de Musica de Cataluña in Barcelona. Seit 2014 ist er Professor für historische Oboe am Mozarteum in Salzburg. Zum Programm:

Christian Kjos studierte an der staatlichen Musikakademie in Oslo und Georg Philipp Telemann lernte Johann Sebastian Bach 1708 bei seinem an der Schola Cantorum Basiliensis Cembalo. Er machte 2006 sein Solis- Aufenthalt in der damaligen Residenzstadt Eisenach kennen und hat für tendiplom. Als erster Norweger überhaupt war er Mitglied des European Bachs zweiten Sohn Carl Philipp Emanuel 1714 sogar die Patenschaft über- Union Baroque Orchestra und spielte dort unter Lars Ulrik Mortensen, nommen. Während seines Aufenthaltes in Eisenach komponierte Telemann Andrew Manze, Ton Koopman und Christophe Coin. Er ist Gründungs- vermutlich 1713 das Konzert c-Moll für Oboe, Streicher und Basso continuo (TWV 51:c1). Gleich zu Beginn im Adagio lässt die Grundtonart lange auf sich warten und kann schließlich erst im zweiten Satz in einem Frage-Ant- wort-Spiel von Oboe und Streichern etabliert werden. Im dritten Satz, wiederum ein Adagio, ließe der harmonische Rhythmus wieder mehr Raum für Modulationen, doch steht hier die Ausarbeitung des im gesamten Konzert immer wieder auftretenden Seufzermotivs im Mittelpunkt. Das abschließende Vivace überzeugt vor allem durch seine Leichtigkeit, die vorrangig dem eingängigen Thema in der Oboe zu verdanken ist. Wenige Jahre später begegneten sich Bach und Telemann erneut, als es um die Frage ging, wer die Nachfolge Johann Kuhnaus (1660–1722) als Tho- maskantor in Leipzig antreten würde. Telemann wurde 1722 für dessen Nachfolge nach Leipzig berufen. Er schlug das Amt jedoch aus, so dass Bach letztendlich nach Leipzig kam. Telemann blieb stattdessen in Ham- burg und baute dort ein öffentliches Konzertwesen auf. Ein Werk, das er vermutlich 1730 in diesem Zusammenhang komponierte, ist die neuntei- lige Suite in B-Dur für drei Oboen, Fagott, Streicher und Basso conti- nuo (TWV 55:B10). Bach wurde indes Thomaskantor in Leipzig und leitete von 1729 bis 1741 das Collegium musicum, das Tele- mann bereits 1702 gegründet hatte. Bach schrieb während seiner Leip- ziger Zeit die Kantaten Vergnügte Ruh, beliebte Seelenlust (BWV 170) und Geist und Seele wird verwirret (BWV 35) für den dritten Kantaten- Cover der CD von Barokkanerne Alfredo Bernardini jahrgang (1725–1727). Beide Kan- „Totally Telemann“

23 Mai 2016 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG

St.-Oswald-Kirche sig, die das feine, weiße Leder her- stellten. 1553 wurde St. Oswald vom Die gotische Kirche des 1318 erstmals Rat der Stadt an die protestantische erwähnten „Spitals auf Turnau“ Kirche übergeben, 1708 barockisiert. wurde von Friedrich Auer und Karl Dabei entstand eine für B ayern ein- Prager gestiftet und in der Folgezeit malige „Bilderpredigt“ an Decke und vom reichen Patriziergeschlecht der Emporen: „Des Herren Wort bleibt Auer reich beschenkt. Sie ist dem hl. in Ewigkeit“. 1750 errichtete hier der Oswald, dem Patron der Pilger und Regensburger Orgelbauer Franz Reisenden, besonders aber der Kreuz- Jakob Späth seine heute einzig erhal- fahrer, geweiht und steht an der Ein- tene Barockorgel (a = 468 Hz), eine mündung des Vitusbacharmes in die von maximal fünf original erhaltenen Donau, am sogenannten Weißgerber- Barockorgeln Bayerns. Die letzte Res- graben, dem ehemaligen Graben der taurierung von Kirche und Orgel, bei frühmittelalterlichen Stadtmauer (um der die Orgelmodernisierung von 920 von Herzog Arnulf von Baiern 1958 rückgängig gemacht wurde, war errichtet). Hier waren Gerber ansäs- am 6. 10. 1991 abgeschlossen.

Johann Sebastian Bach: Gemälde von Elias Gottlieb Haussmann, 1746 Georg Philipp Telemann

taten sind für Alt-Solo geschrieben, sodass die Vermutung nahe liegt, dass Bach für diese Kantaten auf einen herausragenden Alt-Solisten zurück- greifen konnte; insgesamt hat er nur etwa zehn Kantaten mit nur einer Solostimme komponiert. Die Texte der beiden Kantaten, bei denen her- vorzuheben ist, dass sie keine Bibelwortzitate beinhalten, wurden von Georg Christian Lehms (1684–1717), dem in Darmstadt ansässigen Hof- poeten und Hofbibliothekar, verfasst. Die Kantate BWV 170 wurde am sechsten Sonntag nach Trinitatis 1726 zum ersten Mal aufgeführt. An diesem Tag wurde im Evangelium die Bergpredigt (Matthäus 5, 20-26) gelesen, in der Jesus dem Volk Israel den Willen Gottes kundtut. Unter anderem verlangt Christus von seinen Anhängern mehr Gesetzestreue und missbilligt jeglichen Streit unter den Mitmenschen. Auch die Kantate steht im Zeichen der Nächstenliebe. Zu Beginn singt die Alt-Solo-Stimme im ruhigen 12/8-Takt „[…] beliebte See- lenlust, dich kann man nicht bei Höllensünden, wohl aber Himmelsein- tracht finden […]“. Damit versetzt sich die Seele nach Daniela Wissemann in den Zustand engster Verbundenheit mit Gott. Musikalisch wird dies von Bach umgesetzt, indem er bei den „Höllensünden“ eine abwärts lau- fende und im Gegensatz dazu bei der „Himmelseintracht“ eine aufwärts laufende Tonfolge komponierte. Im anschließenden Rezitativ, „Die Welt, das Sündenhaus“, soll der Gegensatz zwischen den „Höllensünden“, durch deren Gottferne die Wirklichkeit der Welt bestimmt wird, und der „Himmelseintracht“ dazu dienen, der Welt ihre Lasterhaftigkeit vor Augen zu führen. In der zentralen Arie werden nun die Menschen, die diesen Sünden verfallen sind, bedauert. Die Altstimme singt hier „Wie jammern mich doch die verkehrten Herzen, die dir, mein Gott, so sehr zuwider sein. Ich zitt‘re recht und fühle tausend Schmerzen, wenn sie sich nur an Rach‘ und Hass erfreu‘n […]“ und verkörpert damit fühlende Nächstenliebe. Bach wählt hier eine harmonisch abenteuerliche Sprache und versinnbildlicht das labile Fundaments, auf dem die Welt steht. Bezeichnenderweise „fehlt“ hier der Generalbass als harmonische Stütze. Im darauffolgenden Rezitativ wird nach Wissemann die Sehnsucht der Seele nach einem Leben bei Gott zum Ausdruck gebracht. Dieser Teil leitet zur Abschlussarie über: „Mir ekelt mehr zu leben, drum nimm mich, Jesu, hin!“ Dieser Ruf sei jedoch nicht als Todessehnsucht zu verstehen, son- dern drückt das Verlangen zur Verbindung mit Gott aus, wie die Alt- stimme am Ende auch treffend formuliert: „[…] mir graut vor allen Sün- den, lass mich dies Wohnhaus finden, wo selbst ich ruhig bin“. Diese positive Botschaft spiegelt sich auch in der Verwendung von D-Dur und dem schnellen Tempo wieder. In den beiden letzten Arien ist in Bachs Partitur eine obligate Orgel vor- gesehen, wobei die Orgelstimmen nur in der autographen Partitur und nicht in den ebenfalls erhaltenen Stimmen überliefert sind. Dies könnte bedeuten, dass Bach selbst bei der Aufführung in der Leipziger Nikolai- kirche den Orgelpart aus der Partitur spielte.

24 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG Mai 2016

Auch in der Kantate Geist und Seele wird verwirret (BWV 35) kommt eine von der Heilung des Taubstummen (Markus 7, 31-37) an. obligate Orgel zum Einsatz. Daneben ist diese Kantate mit Alt-Solo, zwei Hierbei untersagt Jesus jedoch dem Geheilten, von diesem Wunder zu Oboen, Taille, Streicher und Basso continuo besetzt. Das erste Mal wurde sprechen („Das sind die Wunderwerke, / Und Ihre Stärke/ Ist auch der sie am zwölften Sonntag nach Trinitatis aufgeführt. Die Zweiteiligkeit der Engel Chor nicht mächtig auszusprechen“). In der beschwingten Schlus- Kantate erklärt sich dadurch, dass ein erster Teil vor, ein zweiter Teil nach sarie „Ich wünsche nur bei Gott zu leben“ im 3/8-Takt und heiterem C- der Predigt gespielt wurde. Jeder Teil wird von einer instrumentalen Sin- Dur wagt Bach nach Christine Blanken einen Ausblick auf das himmlische fonia eingeleitet. Vorlage der ersten Sinfonia ist das fragmentarisch über- Jerusalem: „Ach wäre doch die Zeit schon da, ein fröhliches Halleluja mit lieferte Konzert in d-Moll BWV 1059. Dieses Modell der Verarbeitung einer allen Engeln anzuheben.“ Diese Arie wechselt wirkungsvoll zwischen dem Sinfonia in einer Kantate wendete Bach auch in anderen Kantatenjahrgän- irdischen „jammerreichen Schmerzensjoch“ und dem herbeigesehnten gen an. Der Text der Kantate lehnt sich an das Evangelium des Sonntags ewigen Leben. © Stefanie Hecht, UR

PROGRAMM AUSFüHREnDE

JOHAnn SEBASTIAn BACH: BAROKKAnERnE SOLOKAnTATEn BWV 35 & 170 Huw Daniel, Karolina Radziej, Ingrid Økland Violine I GEORG PHILIPP TELEMAnn: OUVERTURE & OBOEnKOnZERT Dagny Bakken, Susanne Schwarz, Astrid Kirschner Violine II

GEORG PHILIPP TELEMAnn Ouverture B-Dur TWV 55:B10 Mari Giske, Marja Liisa Sandbakken Viola (1681-1767) für drei Oboen, Fagott, Streicher und Basso Mime Brinkmann, Gunnar Hauge Violoncello continuo Ouverture – Rondeau – Air, un peu viste – Einar Schøyen Violone Hornepipe – Menuet I & II, Bourrée, Plainte, Alfredo Bernardini Oboe I, Oboe d’amore Combattants, Passepied I & II Anna Starr Oboe II JOHAnn SEBASTIAn BACH „Vergnügte Ruh, beliebte Seelenlust“ Johan nicolai Mohn Oboe III, Oboe da caccia (1685-1750) Solokantate für Alt, Oboe d’amore, Streicher und Basso continuo BWV 170 Per Hannisdal Fagott - Arie: Vergnügte Ruh, beliebte Seelenlust Christian Kjos Cembalo, Orgel - Rezitativ: Die Welt, das Sündenhaus - Arie: Wie jammern mich doch die verkehrten Herzen - Rezitativ: Wer sollte sich demnach wohl hier zu leben wünschen - Arie: Mir ekelt mehr zu leben

PAUSE

GEORG PHILIPP TELEMAnn Konzert c-Moll für Oboe, Streicher und Basso continuo TWV 51:c1 Adagio – Allegro – Adagio – Allegro

JOHAnn SEBASTIAn BACH „Geist und Seele wird verwirret“ Solokantate für Alt, 2 Oboen, Oboe da cac- cia, Streicher und Basso continuo BWV 35 - Sinfonia - Arie: Geist und Seele wird verwirret - Rezitativ: Ich wundre mich - Arie: Gott hat alles wohlgemacht - Sinfonia - Rezitativ: Ach, starker Gott - Arie: Ich wünsche nur bei Gott zu leben

Wir danken der Meisterwerkstätte für Orgel- und Cembalobau Walter Chinaglia, I-22072 Cermenate (CO) für die freundliche Bereitstellung der Truhenorgel.

Wir danken der Meisterwerkstätte für historische Tasteninstrumente Christian Fuchs, 65929 Frankfurt/Hoechst für die freundliche Bereitstellung des Cembalos.

Sendung BR: 11.07.2016, 18.05 Uhr (Festspielzeit auf BR-KLASSIK)

25 Mai 2016 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG

Dresdner Kammerchor & Dresdner Barockorchester (Deutschland)

Leitung: Heinrich Schütz (1585-1672) - Samstag, 14. Mai 2016 Hans-Christoph Rademann Psalmen Davids 20.00 Uhr Dreieinigkeitskirche Gesandtenstraße Foto Alexander Bischoff Foto

Dresdner Kammerchor (oben) & Mitglieder des Dresdner Barockorchesters (unten)

er Dirigent Hans-Christoph Rademann ist ein ungemein vielseitiger Hans-Christoph Rademann arbeitet mit führenden Chören und Ensembles DKünstler mit einem breiten Repertoire; er widmet sich mit gleicher der internationalen Konzertszene zusammen. Von 1999 bis 2004 war er Leidenschaft der Aufführung und Wiederentdeckung Alter Musik wie der Chefdirigent des NDR-Chors und von 2007 bis 2015 Chefdirigent vom Uraufführung und Pflege Neuer Musik. RIAS-Kammerchor. Regelmäßige Gastdirigate führten und führen ihn zum Geboren in Dresden und aufgewachsen im Erzgebirge (Schwarzenberg), Collegium Vocale Gent, der Akademie für Alte Musik Berlin, dem Frei- wurde er früh geprägt von der großen mitteldeutschen Kantoren- und burger Barockorchester, Concerto Köln, den Rotterdamer Philharmoni- Musiktradition. Er war Schüler im traditionsreichen Kreuzgymnasium, kern, der Sächsischen Staatskapelle Dresden u. a. Mitglied des berühmten Kreuzchors, der 2016 sein achthundertjähriges Seit Juni 2013 ist Hans-Christoph Rademann der Leiter der Internationalen Bestehen feiert, und studierte an der Musikhochschule Dresden Chor- und Bachakademie Stuttgart. Die erste CD-Einspielung mit der Gächinger Kan- Orchesterdirigieren. Während seines Studiums gründete er den Dresdner torei erschien im Juni 2015 beim Stuttgarter Carus-Verlag und präsentierte Kammerchor und formte ihn zu einem internationalen Spitzenchor, der eine neue Lesart von Johann Sebastian Bachs h-Moll-Messe: basierend auf bis heute unter seiner Leitung steht. Ein eindrucksvoller Beleg für die Qua- einer Neuedition auf der Grundlage der Dresdner Quellen von Kyrie und lität dieser künstlerischen Zusammenarbeit ist die gefeierte Einspielung Gloria und erstmalig mit dem FreiburgerBarockorchester. des Gesamtwerks von Heinrich Schütz beim Stuttgarter Carus-Verlag, die Hans-Christoph Rademann ist Professor für Chorleitung an der Hoch- 2017 ihren Abschluss finden wird. schule für Musik Carl Maria von Weber in Dresden.

26 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG Mai 2016

Der Dresdner Kammerchor gehört druck gebracht werden. So war solch eine Reise auch für Heinrich Schütz ein zu den Spitzenchören Deutschlands Schlüsselmoment in seinem Leben. Mit Hilfe der finanziellen Unterstützung und ist bekannt für seinen unver- durch seinen damaligen Brotherrn, den Landgrafen Moritz von Hessen (1572– wechselbaren Klang von großer 1632), der fest an das musikalische Talent des jungen Komponisten glaubte, Intensität und Klarheit. Lebendige machte sich Schütz 1609 auf den Weg nach Italien, um sich dort bei Giovanni Ausstrahlung sowie die oft Gabrieli (1554/57–1612), den er später als seinen einzig wahren Lehrmeister gerühmte klangliche Homogenität bezeichnen sollte, in die Musiktheorie und Musizierpraxis einweisen zu lassen. und Transparenz sind die Stärken Da sich Gabrielis gesundheitlicher Zustand zunehmend verschlechtert hatte, des international gefragten Ensem- war es dem Landgrafen ein Anliegen, Schütz so schnell wie möglich nach bles, das eine Vielzahl von Rund- Venedig zu schicken. Unter der Obhut des Komponisten und Organisten funk- und CD-Aufnahmen sowie die Gabrieli lernte er die italienische Mehrchörigkeit kennen und schätzen. 1611 Zusammenarbeit mit international krönte Schütz sein dortiges Studium mit der Veröffentlichung seines ersten bedeutenden Orchestern und Diri- Opus Il Primo libro di madrigali. Gabrieli hatte schon lange vor seiner Bekannt- genten auszeichnet. Seit seiner schaft mit Schütz enge Kontakte ins Ausland, insbesondere nach München, Gründung 1985 durch Hans-Chris- wo er mehrere Jahre am Hofe Wilhelms V. (1548–1626) tätig war. Die dadurch toph Rademann hat sich der Chor zu Hans-Christoph Rademann entstandenen kulturellen Beziehungen zwischen den Mitgliedern der venezi- einer festen Größe im deutschen und anischen Schule und der deutschen Musikwelt wurden über Jahrzehnte hin- europäischen Musikleben entwickelt. weg gepflegt und waren auch dafür verantwortlich, dass Gabrieli als Lehrer Bis 2017 realisieren Hans-Christoph Rademann und der Dresdner Kammer- bei ausländischen Musikern sehr begehrt war. chor gemeinsam mit dem Carus-Verlag Stuttgart und MDR Figaro die erste Schütz verweilte bis zu Gabrielis Tod weiterhin in Venedig und kehrte erst Heinrich-Schütz-Gesamteinspielung. 1613 nach Deutschland zurück, wo er die Stelle des zweiten Organisten am Die eigene Konzertreihe „Dresdner Kammchor. a cappella“ lotet die Mög- Hofe des Landgrafen Moritz von Hessen antrat. Nach seiner Rückkehr aus lichkeiten der Chormusik vom 16. bis zum 21. Jahrhundert aus. Und in der Italien begann Schütz mit der Komposition seines zweiten Opus, der Psalmen eigens initiierten Dresdner Chorwerkstatt für Neue Musik findet eine inten- Davids, die jedoch erst 1619 erschienen. Widmungsträger dieses Werkes ist sive Auseinandersetzung mit der Gegenwart und Zukunft vokalen Musizie- Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen (1585–1656), der seit seiner ersten Begeg- rens statt. In der Zusammenarbeit mit dem Dresdner Barockorchester und nung mit Schütz 1613 von ihm so angetan war, dass er ihn unbedingt bei sich weiteren musikalischen Partnern konnten zahlreiche Werke wiederentdeckt, am Hofe einstellen lassen wollte. Nach dem daraus entstandenen Interessen- aufgeführt und dokumentiert werden. Einspielungen mit Werken u. a. von konflikt mit dem Landgrafen Moritz von Hessen, der Schütz partout nicht Heinrich Schütz, Johann Adolf Hasse, Johann David Heinichen und Jan Dis- gehen lassen wollte, gelang es Johann Georg I. letztendlich doch, Schütz am mas Zelenka wurden mit Preisen wie dem Preis der Deutschen Schallplat- Dresdner Hof einzustellen. tenkritik gewürdigt.

Dresden und die Barockmusik haben eine gemeinsame Geschichte, da die Stadt im 17. und 18. Jahrhundert eine Musikstadt von europäischem Rang war. Hier lebten und wirkten bedeutende Komponisten und Musiker der Zeit wie zum Beispiel Jan Dismas Zelenka, Johann David Heinichen und Johann Adolph Hasse. 1991 entdeckten Absolventen der Dresdner Musikhochschule ein gemeinsames Interesse an dieser Musikepoche und gründeten das Dresd- ner Barockorchester. Lebendiges Musizieren auf barocken Instrumenten im Sinne der historischen Aufführungspraxis und besonders die Wiederentde- ckung vergessener Werke aus der Sammlung der Dresdner Hofkapelle sind den Musikern des Orchesters wichtige Anliegen und wurden zu ihren Mar- kenzeichen. Im Laufe der Jahre eroberte sich das Orchester seinen festen Platz im Dresdner Musikleben. Bei seinen Konzertreisen im In- und Ausland wirkt das Dresdner Barockorchester als kultureller Botschafter der Stadt. Eine fruchtbare Zusammenarbeit verbindet das Orchester mit dem Dresdner Kammerchor und seinem Leiter Hans-Christoph Rademann unter anderem bei Aufführungen der großen Oratorien Bachs und Händels und bei der jüng- sten Gesamteinspielung der Werke von Heinrich Schütz. Publikum und Presse bestätigten immer wieder die ergrei- fende Wirkung der Verschmelzung von Chorklang und historischem Instrumentarium.

Zum Programm:

Reisen in fremde Länder und die dortigen Begegnungen mit Men- schen und Künstlern, die dasselbe Interesse verbindet, bilden eine wich- tige Grundlage für den kulturellen Austausch und können in verschie- Heinrich Schütz denster Weise künstlerisch zum Aus-

27 Mai 2016 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG

Gerlinde Sämann Isabel Jantschek

Einweihung der Dreieinigkeitskirche Titelbild des Erstdrucks der am 5. Dezember 1631 Psalmen Davids von 1619 David Erler Stefan Kunath

Recht turbulent war für Schütz das Jahr 1617, da zwei wichtige Ereignisse (Nummer 25, SWV 46) basiert auf der Bibelstelle Jesaja 49, 14-16. Zudem ver- bevorstanden: der Besuch des Kaisers im Sommer einerseits und die Jahrhun- tont Schütz in Nun lob, mein Seel, den Herren (Nummer 20, SWV 41) die erste dertfeier der lutherischen Reformation andererseits. Aus letztgenanntem Strophe des gleichnamigen Kirchenliedes von Johann Gramann. Anlass kam eine Reihe von großangelegten mehrchörigen Werken zur Auf- Jeder der Psalmen zeichnet sich durch die musikalische Umsetzung bildlicher führung, von denen sechs später in den Psalmen Davids veröffentlicht wurden. Motive aus. Solche fast lautmalerischen Darstellungen finden sich in prägnan- Bei den Psalmen Davids (SWV 22-47) handelt es sich um insgesamt 26 mehr- ten Wörtern wie „Ewigkeit“ (SWV 37) oder „ewiglich“ (SWV 32) wieder. Diese chörige Stücke in deutscher Sprache, in denen italienische und deutsche sind geprägt durch lange, punktierte Notenwerte und einen ansteigenden Musiktraditionen miteinander verschmelzen. Der Originaldruck besteht aus Melodieverlauf. Die Phrase „sie gehen hin“ in Die mit Tränen säen (SWV 42), insgesamt dreizehn Stimmbüchern: acht für die Chori, vier für die Capellae bei welcher die Noten aufsteigend „davonlaufen“ und eine Art Echo durch und eine für Basso Continuo. Schütz war der Unterschied zwischen Chori und den Wechsel der Singstimmen erzeugt wird, fällt ebenfalls unter diese laut- Capellae sehr wichtig, weshalb er im Vorwort dazu auch einige Anweisungen malerische Darstellung. Durch das Echo in den verschiedenen Stimmlagen gegeben hat. Während die Chori klein besetzt werden sollten und somit den wird der Effekt des Davongehens weiter verstärkt. Phrasen oder Wörter, die Kern des Werkes verkörpern, dienen die Capellae als Ausschmückung und den Schmerz versinnbildlichen, wie z. B. „Tränen“ (SWV 42), werden mit Hilfe können fakultativ nur instrumental oder sogar vokal-instrumental besetzt wer- von chromatischen Verläufen zum Ausdruck gebracht. Das in Zion spricht oft den. Dazu schreibt er Folgendes: „Die Capellen, so mit hohen Stimmen gesetzet wiederkehrende Wort „verlassen“ (SWV 46) wird durch lange Notenwerte / seynd meistentheils auff Zincken und andere Instrument gerichtet / Jedoch gestreckt, sodass die zurückbleibende Einsamkeit fast greifbar wirkt. wann man auch Sänger dabey haben kan / ist so viel desto besser“. Als Quelle Erwähnenswert ist auch die abwechslungsreiche Gestaltung der Anfänge und für die Texte diente vor allem das Buch der Psalmen in der deutschen Über- der Stimmverlauf innerhalb der Psalmen, was den Einsatz der Chöre und der setzung von Martin Luther. Drei Nummern entstanden aus anderen Vorlagen: Solisten betrifft. So beginnt zum Beispiel der 121. Psalm (SWV 31) mit einem Die Motette Ist nicht Ephraim mein teurer Sohn (Nummer 19, SWV 40) stammt Solo, das im weiteren Verlauf des Psalms eine wichtige Rolle spielt, da es durch aus dem Buch Jeremia und das Concerto Zion spricht, der Herr hat mich verlassen alle Stimmen hindurchwandert. Dabei werden ein oder mehrere Verse vorge- sungen, die anschließend vom Chor wie ein Refrain beantwortet werden. Als Gegenbeispiel sei der antiphonal beginnende Psalm An den Wassern zu Babel (SWV 37) genannt, bei dem Chor I und Chor II sich geschlossen gegenseitig antworten. In einigen Psalmen wird der Psalmton verwendet, der den liturgischen Cha - rakter der Psalmen unterstreicht. Ein sehr deutliches Beispiel findet sich im Psalm „Der Herr sprach zu meinem Herren“ (SWV 22), bei dem häufig ein ganzer Satz auf einem einzigen Ton gesungen wird.

Foto Hanya Chlala Foto Hanya Der Abend endet mit dem Psalm Charles Daniels Tobias Mäthger Danket dem Herren, denn er ist freund- lich (SWV 45). Besonders eingängig ist hier die immer wiederkehrende Zeile „denn seine Güte währet ewig- lich“, die deutlich und imposant zur Wirkung gebracht wird. Diese Ver- tonung, die am 22. Juli 1650 im Dankgottesdienst nach Beendigung des Dreißigjährigen Krieges aufge- führt wurde, lag Schütz selbst Cover der Doppel-CD des Dresdner Kammerchors

Foto Pablo Kornfeld Foto Pablo besonders am Herzen. Lisandro Abadie Felix Schwandtke © Julia Rudlof, UR „H. Schütz, Psalmen Davids“

28 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG Mai 2016

PROGRAMM Capellchor I: Chor SATB Capellchor II: Chor SATB Basso continuo: Violone, 2 Theorben, Dulzian, Orgel HEInRICH SCHüTZ (1585-1672): PSALMEn DAVIDS Ich hebe meine Augen auf Psalm 121 SWV 31 Favoritchor: Sämann, Erler, Daniels, Abadie Danket dem Herren, denn er ist freundlich Psalm 136 SWV 32 Capellchor I: Chor SATB Favoritchor I: Sämann, Violine, 2 Violen da Gamba Capellchor II: Chor SATB Favoritchor II: Erler, Daniels, Mäthger, Abadie Basso continuo: Violone, 2 Theorben, Orgel Capellchor I: Chor SATB Capellchor II: 2 Zinken, 2 Posaunen Danket dem Herren, denn er ist freundlich Psalm 136 SWV 45 Basso continuo: Violone, 2 Theorben, Dulzian, Orgel Favoritchor I: Sämann, Jantschek, Erler, Mäthger Der Herr sprach zu meinem Herren Psalm 110 SWV 22 Favoritchor II: Daniels, 3 Posaunen Favoritchor I: Sämann, Erler, Daniels, Schwandtke Capellchor I: Chor SSATB, 2 Zinken, 2 Violinen, 3 Violen da Gamba Favoritchor II: Jantschek, Kunath, Mäthger, Abadie Capellchor II: 2 Trompeten, 3 Posaunen, Pauke Capellchor: Chor SSATB, 2 Zinken, 3 Posaunen Basso continuo: Violone, 2 Theorben, Dulzian, Orgel Basso continuo: Violone, 2 Theorben, Dulzian, Orgel

nun lob mein Seel den Herren SWV 41 Wir danken der Meisterwerkstätte für Orgelbau Favoritchor I: Sämann, Erler, Daniels, Abadie Markus Harder-Völkmann, 85579 Neubiberg Favoritchor II: Jantschek, Kunath, Mäthger, Schwandtke für die freundliche Bereitstellung der Truhenorgel. Capellchor I: 2 Violinen, 3 Violen da Gamba Capellchor II: 2 Zinken, 3 Posaunen Basso continuo: Violone, 2 Theorben, Dulzian, Orgel Video-Livestream: www.br-klassik.de An den Wassern zu Babel Psalm 137 SWV 37 Sendung BR: 05.07.2016, 20.03 Uhr Chor I: SATB (Festspielzeit auf BR-KLASSIK) Chor II: SATB Basso continuo: Violone, 2 Theorben, Dulzian, Orgel Singet dem Herrn ein neues Lied Psalm 98 SWV 35 Konzerteinführung: Dr. Michael Braun, 19.00 Uhr Vortragsraum im Chor I: SATB „Haus der Begegnung“ der Universität Regensburg, Hinter der Grieb 8 – Chor II: SATB Eintritt frei! Basso continuo: Violone, 2 Theorben, Dulzian, Orgel Wie lieblich sind deine Wohnungen Psalm 84 SWV 29 Favoritchor I: Jantschek, Sämann, Erler, Mäthger, 2 Violinen, AUSFüHREnDE 2 Violen da Gamba Favoritchor II: Daniels, Svoboda, Abadie, Schwandtke, 4 Posaunen VOKALSOLISTEn Basso continuo: Violone, 2 Theorben, Dulzian, Orgel Gerlinde Sämann Sopran I Die mit Tränen säen Psalm 126 SWV 42 Isabel Jantschek Sopran II Favoritchor I: Sämann, Daniels, 3 Violen da Gamba David Erler Altus I Favoritchor II: Jantschek, Mäthger, 3 Posaunen Stefan Kunath Altus II Basso continuo: Violone, 2 Theorben, Dulzian, Orgel Charles Daniels Tenor I Zion spricht: Der Herr hat mich verlassen SWV 46 Tobias Mäthger Tenor II Favoritchor I: Sämann, Daniels, 3 Zinken, Dulzian Čenĕk Svoboda Tenor III Favoritchor II: Jantschek, Mäthger, 4 Posaunen Lisandro Abadie Bass I Capellchor I: Chor SATB Felix Schwandtke Bass II Capellchor II: Chor SATB Basso continuo: Violone, 2 Theorben, Orgel DRESDnER KAMMERCHOR

PAUSE Sandra Bernhardt, Elisabeth Göckeritz, Birgit Jacobi, Katharina Salden, Albertine Selunka, nicola Zöllner Sopran Lobe den Herren, meine Seele Psalm 103 SWV 39 Bernadette Beckermann, Sarah Kaulbarsch, Favoritchor: Sämann, Erler, Daniels, Abadie Franziska neumann, Monika Zens Alt Capellchor I: Chor SATB Alexander Bischoff, Markus Klose, Claudius Pobbig, Capellchor II: Chor SATB Basso continuo: Violone, 2 Theorben, Dulzian, Orgel Čenĕk Svoboda Tenor Gustav Augart, Dirk Döbrich, Christoph Jacobi, Georg Preißler Bass Herr, unser Herrscher Psalm 8 SWV 27 Favoritchor I: Sämann, Jantschek, Kunath, Mäthger Favoritchor II: Erler, Daniels, Abadie, Schwandtke DRESDnER BAROCKORCHESTER Capellchor: Chor SSATB, 2 Violinen, 2 Zinken, 3 Violen da Gamba, 3 Posaunen Margret Baumgartl, Karina Müller Violine Basso continuo: Violone, 2 Theorben, Dulzian, Orgel Juliane Laake, nina Lehniger, Sarah Perl Viola da Gamba Sebastian Krause, Julia nagel, Steffen Schwartz, Der Herr ist mein Hirt Psalm 23 SWV 33 Fernando Günther, Janos Orban, Masafumi Sakamoto Posaune Favoritchor: Sämann, Erler, Daniels, Mäthger Josué Meléndez, Julia Fritz, Thomas Friedlaender Zink Capellchor I: Chor SSAT Thomas Friedlaender, Karel Mnuk Trompete Capellchor II: Chor SATB Cornelius Altmann Pauke Basso continuo: Violone, 2 Theorben, Orgel Andreas Arend, Magnus Andersson Theorbe Ist nicht Ephraim mein teurer Sohn SWV 40 Clemens Schlemmer Dulzian Favoritchor I: Abadie, 2 Zinken, Posaune Matthias Müller Violone Favoritchor II: Erler, 3 Posaunen Sebastian Knebel Orgel

29 Mai 2016 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG

La Compagnia del Madrigale (Italien)

Carlo Gesualdo da Venosa (1566-1613) – Samstag, 14. Mai 2016, 22.45 Uhr (nachtkonzert) Ausgewählte Madrigale aus den Minoritenkirche Madrigalbüchern I, III, IV, V und VI Dachauplatz

La Compagnia del Madrigale Foto: Simone Bartoli

a Compagnia del Madrigale gilt als das führende Madrigalensemble der Nach erfolgreichen Auftritten in der Kölner und Essener Philharmonie, Linternationalen Musikszene. Die Gründungsmitglieder Rossana Ber- im Pariser Musée d’Orsay, bei den Schwetzinger Festspielen, bei Rhein tini, Giuseppe Maletto und Daniele Carnovich verbindet seit mehr als 20 Vokal sowie in der Genfer Victoria Hall, in der Londoner Wigmore Hall, Jahren eine intensive Zusammenarbeit. Ihre Erfahrungen als Madrigal- in Zürich, Venedig, Turin und Rom wird das Ensemble demnächst u.a. spezialisten legen den Grundstein für ihre Ensemblearbeit. 2008 beschlos- erneut bei den Schwetzinger Festspielen und in der Schweiz gastieren. sen die Madrigalisten sich mit vier weiteren Solisten von internationalem Rang - Francesca Cassinari, Elena Carzaniga, Raffaele Giordani und Marco Scavazza - unter dem Namen La Compagnia del Madrigale zusammen- Zum Programm: zuschließen. Das Ensemble musiziert ohne einen Dirigenten. Stattdessen intensivierten die Musiker das Aufeinanderhören und die feinfühlige Kom- Die Rezeptionsgeschichte Carlo Gesualdos (1566–1613), dessen 450. munikation untereinander. Geburtsjahr wir 2016 feiern, scheint hauptsächlich von einem Ereignis Eine wichtige Erfahrung bot die Zusammenarbeit mit Radio-Televisione überschattet und geprägt zu sein: Als der Fürst von Venosa 1590 seine della Svizzera und dem Ensemble I Barocchisti unter der Leitung von Frau Maria d’Avalos mit ihrem Liebhaber Fabrizio Carafa „auf frischer Diego Fasolis. Zunächst entstand eine Videoproduktion, die dem „Amfi- Tat“ ertappte, tötete er beide. Bereits damals schlug diese Eifersuchtstra- parnaso“ von Orazio Vecchi gewidmet war. Die Debut-CD der Compagnia gödie hohe Wellen. Während der Dichter Torquato Tasso in einem Sonett del Madrigale erschien 2011: Das Label Arcana veröffentlichte die Madri- den Tod der beiden Geliebten beklagt, bildet Gesualdos grausamer Dop- gale auf den Text „Orlando Furioso“ von Ludovico Ariosto - eine CD, die pelmord noch in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts – mehr als fünfzig von Presse und Publikum enthusiastisch aufgenommen wurde. Im Januar Jahre nach dem Tod des Komponisten – die Grundlage für eine Tragödie 2013 begann die Zusammenarbeit mit dem Label Glossa und das Ensemble Giacinto Andrea Cicogninis. Und auch im 20. Jahrhundert haben sich veröffentlichte das Sechste Madrigalbuch von Carlo Gesualdo zu dessen Künstler unterschiedlicher Disziplinen mit dem Verbrechen des schillern- 400. Todesjahr. Mit dieser Jubiläumsaufnahme gewann das Ensemble den den Komponisten und Adeligen auseinandergesetzt. Bücher wie Gesualdo Diapason d’Or de l’Année und den Choc de Classica. Anschließend ovvero assassinio a cinque voci („Gesualdo oder Mord für fünf Stimmen“) – erschien, ebenfalls bei Glossa, die Aufnahme des Ersten Madrigalbuchs so der Titel eines Romans von Alberto Consiglio – oder die geradezu nach von Luca Marenzio, welche wiederum mit einem Diapason d’Or und dem einer Anzeige aus der Sensationspresse klingende Monographie Carlo Editor’s Choice prämiert wurde. Ebenfalls mit dem spanischen Label nahm Gesualdo, Prince of Venosa: Musician and Murderer sprechen Bände. La Compagnia del Madrigale die Responsorien und andere geistliche Wenn man sich vor diesem biografischen Hintergrund mit Gesualdos Kompositionen Carlo Gesualdos auf. Jüngst erschien das Fünfte Madri- Musik beschäftigt, neigt man schnell dazu, eine direkte Verbindung zwi- galbuch von Luca Marenzio bei Glossa - ebenfalls ausgezeichnet mit dem schen beiden zu sehen, scheint doch der experimentelle Stil gut zum Bild Diapason d’Or, dem Editor’s Choice und dem Preis der deutschen Schall- der exzentrischen Persönlichkeit zu passen. Wie problematisch die Frage plattenkritik. Kürzlich erschien eine Aufnahme geistlicher Werke von Clau- nach dem Einfluss von Gesualdos Charakter auf sein Schaffen auch sein dio Monteverdi unter dem Titel „Pianto della Madonna“ bei Glossa, die mag, so kommt man nicht umhin, die hyperexpressive musikalische Spra- ebenfalls mit einem Diapason d’Or ausgezeichnet wurde. che zu bewundern, die den Zuhörer unweigerlich in ihren Bann zieht. Ins-

30 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG Mai 2016

besondere in seinen italienischen Madrigalen, von denen La Compagnia se m’ancidete, la mia vita […]“) zu del Madrigale heute eine repräsentative Auswahl präsentiert, aber auch einer Gegenüberstellung langer in seinem geistlichen Œuvre versucht Gesualdo, durch den gezielten Ein- und kurzer Notenwerte. Und auch satz von zum Teil radikalen musikalischen Mitteln den Text in Tonsprache ein wenig später begegnet uns der umzusetzen und dem Zuhörer „vor Augen zu führen“. Gegensatz als Stilmittel. Diesmal Zu Gesualdos Lebzeiten erschienen insgesamt sechs Madrigalbücher für betont Gesualdo den Kontrast mit fünf Stimmen (von einem 1626 postum erschienenen siebten Buch ist nur melodischen Mitteln: Während die eine Stimme überliefert, sodass eine Rekonstruktion unmöglich ist). Die Sopranstimme einen aufsteigenden ersten vier Bücher wurden zwischen 1594 und 1596 gedruckt, als Gesualdo Sextsprung bei „la mia vita“ singt, Gesualdo da Venosa mit seiner zweiten Ehefrau, Leonora d’Este, in Ferrara lebte. In dieser kul- wählt er für „la mia morte“ abstei- turell florierenden Stadt begegnete er namhaften Kollegen wie etwa Luz- gende Intervalle – im Alt und im zasco Luzzaschi (um 1545–1607), dessen virtuose Madrigale einen wesent- Sopran ist sogar ein Septimsprung lichen Einfluss auf Gesualdo ausübten. Das fünfte und sechste Madrigal- zu hören. Durchaus typisch für buch erschienen 1611, zwei Jahre vor seinem Tod, als Gesualdo sich auf Gesualdos Umgang mit dem Text sein Landgut zurückgezogen hatte. ist weiterhin das „cangiando In den ersten beiden Büchern dominiert ein relativ leichter Stil, den Gesu- sorte“. Das „sich ändernde Schick- aldo später fast apologetisch als „quel primo stile“ bezeichnen sollte. Mit sal“ interpretiert er nicht nur durch Baci soavi e cari, das 1594 im Primo libro veröffentlicht wurde, vertonte er den ständigen Wechsel zwischen e ein Gedicht von Giovanni Battista Guarini (1538–1612) – nur sieben Jahre und es, sondern auch durch subtile zuvor hatte kein Geringerer als Claudio Monteverdi diesen Text in seinem melodische Variationen ein und – ebenfalls ersten – Madrigalbuch vertont. Das Werk beginnt mit einem desselben Motivs. Giovanni Balducci, Altartafel mit homophonen Gestus, in dem die „süßen und lieblichen Küsse“ als Lebens- Auch in Or che in gioia credea viver der Vergebung, 1609 (Detail) – elixier gepriesen werden. Die akkordische Deklamation geht dann in eine contento aus dem vierten Madrigal- Carlo Gesualdo, von San Carlo imitative Passage über, bei der zwei Textabschnitte („come un’alma rapita“ buch ist es ein Gegensatz – die Borromeo unterstützt, erhält die und „Non sente il duol di morte“) zum Teil gleichzeitig erklingen. Das Freude und das Leid der Liebe –, Vergebung seiner Sünden. Chiesa der Anlass zu einer kontrastreichen di Santa Maria delle Grazie Komposition bietet: Kurze Noten- werte und melodische (Freuden)sprünge bei „nella gioia non men“ werden bei „che nel dolore“ mit reibenden Dissonanzen und Querständen pariert. Besonders frappant sind am Ende der prima parte die chromatisch abstei- genden Linien für den Ausruf „oimè“ (im Sopran sogar von e“ bis a‘), die den Schmerz zum Ausdruck bringen. Im sechsten Madrigalbuch bildet eine Reihe von leichteren Madrigalen – wie etwa Volan quasi farfalle, Al mio gioir il ciel si fa sereno und Quando ridente e bella – eine willkommene Abwechslung zum überwiegend düsteren Charakter der Sammlung. Tatsächlich erschöpft Gesualdo in diesem Buch die Grenzen der Expressivität. Allein schon der Anfang von Madrigalen wie Se la mia morte brami, Ancide sol la morte und Moro lasso, al mio duolo ist im wahrsten Sinne des Wortes „unerhört“. Durch die radikale Chromatik führt die Musik

Or, che in gioia, Tenorstimme, 4. Madrigalbuch 1596 ständige Changieren zwischen homophonen und fugierenden Stellen sollte Gesualdo auch in seinen weiteren Madrigalbüchern als formales Prinzip beibehalten. Mit dem 1595 gedruckten dritten Madrigalbuch wird der Ton von Gesualdos Madrigalen allmählich düsterer und komplexer. Seine Musik wird in jeder Hinsicht immer extremer, sei es im Umgang mit Dissonanzen oder durch den Einsatz von Chromatik. Interessanterweise sind für die Bücher drei bis sechs kaum Textdichter bekannt. Könnte Gesualdo die Texte selber verfasst haben, um so ein Maximum an Expressivität zu erreichen? Nicht umsonst dominieren hier Gefühle wie Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit oder Themen wie Leiden und Tod. Und nicht umsonst verglich Alessandro Gua- rini in seiner Schrift Farnetico savio (Ferrara, 1610) Gesualdo mit dem berühmten Dichter Dante Alighieri, da er in Übereinstimmung mit dem Text „weder Rauheit scheut noch Dissonanzen meidet“ und keine Angst davor hat, „harte, ungewöhnliche und fremde Klänge“ zu verwenden. Das 1595 im dritten Madrigalbuch erschienene Donna se m’ancidete ist durchaus kennzeichnend für diese Tendenz. Gleich am Anfang nutzt Gesu- aldo den im Text geäußerten Kontrast zwischen Tod und Leben („donna Titelblatt sechstes Madrigalbuch, Cantus

31 Mai 2016 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG

in immer neue Bereiche, sodass der precht (gegen 1300) und der Minoritenkirche Zuhörer jede Orientierung verliert. berühmte Volksprediger Berthold Gesualdo analysiert die Texte bis ins Das Regensburger Minoritenkloster von Regensburg (gest. 1272). Die wurde im Jahre 1226, im Todesjahr Minoritenkirche ist die größte Kir- kleinste Detail, sodass musikalische des hl. Franziskus gegründet. Auf- che des Franziskanerordens in Süd- Kontraste auf engstem Raum vor- grund reicher Stiftungen konnte um deutschland. Das frühgotische kommen und das Publikum immer die Jahrhundertmitte mit dem Neu- flachgedeckte Langhaus wurde um wieder Überraschungen erlebt. bau einer großen Ordenskirche, der 1260/70 erbaut, der gewölbte Chor Angesichts des avantgardistischen Minoritenkirche, begonnen werden. im 14. Jahrhundert. Die Wandma- Stils von Gesualdo verwundert es Im ersten Jahrhundert seines Beste- lereien des 14. bis 16. Jahrhunderts hens wirkten drei berühmte Mön- wurden in den letzten Jahrzehnten nicht, dass sich im letzten Jahrhun- Cover der CD von La Compagnia del che in diesem Kloster: der gelehrte freigelegt. Vor der Stelle, wo sich dert eine Vielzahl von Komponis- Madrigale „C. Gesualdo, sechstes Mystiker David von Augsburg (um der Hochaltar befand, wurde das ten von dessen kompositorischem Madrigalbuch, 1611“ 1240), der geistliche Dichter Lam- Grab Bertholds eingelassen. Schaffen inspirieren ließ – Igor Stravinsky und Peter Maxwell Davies seien hier stellvertretend für die kre- ative Auseinandersetzung mit Gesualdos Œuvre genannt. Der experimen- telle und gewagte Charakter von seiner Musik hat sie wohl ihrerseits zur Erkundung musikalischen Neulands beflügelt. © Katelijne Schiltz, UR

PROGRAMM

CARLO GESUALDODAVEnOSA (1566-1613): AUSGEWäHLTE MADRIGALE AUSDEn MADRIGALBüCHERn I, III, IV, V UnD VI Baci soavi e cari I Libro, 1594 Or che in gioia IV Libro, 1596 Deh, come invan sospiro VI Libro, 1611 Sparge la morte IV Libro, 1596 Al mio gioir il ciel si fa sereno VI Libro, 1611 Resta di darmi noia VI Libro, 1611 Dolcissimo sospiro III Libro, 1595 Il sol qual or più splende IV Libro, 1596

KURZE PAUSE Bitte bleiben Sie auf Ihren Plätzen!

Tu segui o bella Clori VI Libro, 1611 Volan quasi farfalle VI Libro, 1611 O dolce mio tesoro VI Libro, 1611 Chiaro risplender suole VI Libro, 1611 quando ridente e bella VI Libro, 1611 T'amo mia vita V Libro, 1611 Candido e verde fiore VI Libro, 1611 Moro lasso, al mio duolo VI Libro, 1611

Sendung BR: 21.05.2016, 22.05 Uhr (Forum Alte Musik)

AUSFüHREnDE

LA COMPAGnIA DEL MADRIGALE

Rossana Bertini, Francesca Cassinari Sopran

Giuseppe Maletto Alt, Tenor

Raffaele Giordani, Massimo Lombardi Tenor

Daniele Carnovich Bass

32 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG Mai 2016

Die Musiker von Les Ambassadeurs kurz vor dem Konzert 2015

Profeti della Quinta 2015 in der Schottenkirche St. Jakob

33 Mai 2016 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG

L’Achéron (Luxemburg)

Sopran-Viola da gamba & Leitung: Anthony Holborne (ca. 1545-1602) – Sonntag, 15. Mai 2016 François Joubert-Caillet The Fruit of Love – 11.00 Uhr (Matinee) Englische Tanzmusik für Gambenconsort Reichssaal Rathausplatz

L'Achéron Foto Eric Larrayadieu

n der griechischen Mythologie ist Acheron jener Fluss, den Orpheus lichter Sammlung „Ludi Musici“. 2017 werden dann die Orchestersuiten Iüberschreiten muss, um Eurydike aus der Unterwelt zu befreien, ein von Johann Bernhard Bach auf CD veröffentlicht. Eine rege Konzerttätigkeit Bild für zwei gegensätzliche Welten: Tod und Leben, Vergangenheit und hat das Ensemble mittlerweile in viele europäische Musikzentren geführt. Gegenwart, Idealismus und Realität. Das 2009 von Francois Joubert-Caillet gegründete Gambenconsort François Joubert-Caillet studierte Viola da Gamba bei Ariane Maurette L'Achéron, das seinen Sitz in Luxemburg hat, bringt eine junge Generation am Conservatoire National de Région de Paris und bei Paolo Pandolfo an von Musikern aus verschiedenen Gegenden der Welt zusammen, um ver- der Schola Cantorum Basiliensis sowie Improvisation bei Rudolf Lutz in gangene Musik für ein heutiges, modernes Publikum ansprechend zu Basel. 2006 gewann er den Ersten Preis sowie den Publikumspreis beim interpretieren. Neben den fünf Gambist(inn)en hat sich das Ensemble für Internationalen Festival für Alte Musik in Brügge. Seither ist François Jou- sein Regensburg-Debut mit drei weiteren Instrumentalisten verstärkt, die bert-Caillet ein international gefragter Solist, der zudem Meisterklassen so seltene Instrumente wie Cister (eine Laute mit Metallsaiten) und Pan- in Europa, Asien und Südamerika gibt und am Konservatorium Bern dora (eine Art Basscister) spielen. unterrichtet. Der Gambist spielt in verschiedenen Ensembles für historische Mit dieser Kombination aus Gambenconsort und Spezial-Lauten sorgt das Aufführungspraxis wie Les Talens Lyriques, Le Concert d’Astrée, La L'Achéron-Ensemble für einen ganz feinen, delikaten und farbenreichen Fenice, La Cappella Mediterranea und dem Ensemble Clematis. Mit La Klang. Beim Label Ricercar hat das Ensemble bislang zwei CDs veröffent- Chapelle Rhénane spielte François Joubert-Caillet unter der Leitung von licht. Eine Aufnahme, die zahlreiche Stücke des heutigen Konzerts enthält, Benoît Haller die „Musicalischen Exequien“ und die „Auferstehungshis- trägt den Titel: Anthony Holborne: „The fruit of love“. Im vergangenen torie“ von Heinrich Schütz ein. Weitere CD-Produktionen entstanden im Herbst erschienen Tänze und Fantasien aus Samuel Scheidts 1621 veröffent- Duo mit dem italienischen Gambisten Paolo Pandolfo. Mit seinem Ensem-

34 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG Mai 2016

ble L’Achéron erschien beim Label Ricercar Anthony Holbornes „The fruit of love“. Darüber hinaus wirkte François Joubert-Caillet bei Soundtracks zu diversen Filmen mit und war regelmäßig in verschiedenen europäi- schen Rundfunkstationen zu hören. Mittlerweile hat er mit der Gesamt- aufnahme sämtlicher Werke für Gambe von Marin Marais für das Label Ricercar begonnen. Dieses Mammutprojekt (fünf Bücher, über 600 Stücke, ca. 20 CDs) soll bis 2021 abgeschlossen sein. Die erste CD dieser Produktion ist im Februar 2016 veröffentlicht worden.

Zum Programm:

Im Jahr 1599 erscheint in England der offenbar erste veröffentlichte Band von Musikstücken für Consort: Pavans, Galliards, Almains and other short Aeirs both grave and light, in five parts, for , Violins, or other Musical Winde Instruments. Ihr Autor heißt Anthony Holborne und ist Gentleman and Ser- vant to her most excellent Majesty. Doch was weiß man von Anthony Hol- borne, wenn man vom Titel des Bandes absieht, der aussagt, dass der Kom- François Joubert-Caillet Foto Jean-Baptiste Millot ponist im Dienst der Königin Elisabeth steht? Über seine Karriere und sein Leben ist fast nichts bekannt, außer dem Datum seiner Hochzeit, dem 14. Zeit bestimmt war, A plaine and easie Introduction to Practicall Musicke von Juni 1584 in Westminster, einer diplomatischen Mission (wie sie oft von Thomas Morley (1597), und das andere auf Latein, das den Band der Can- Musikern übernommen wurde) in den Niederlanden und schließlich sei- zonets to foure voices von Giles Farnaby (1598) einleitete. Außerdem widmete nem ungefähren Sterbedatum zwischen dem 29. November und dem 1. John Dowland im Jahre 1600 in seinem Second Booke of Songs or Ayres eines Dezember 1602. Er stand also im Dienst der Königin, doch ist auch seiner schönsten Lieder (1 saw my lady weep) „to the most famous Anthony bekannt, dass er bei verschiedenen Personen der Aristokratie tätig war Holborne“. Nicht zuletzt war der Herausgeber des 1599 erschienenen Ban- wie etwa bei „Sir Richard Champernowne, knight“, dem er diesen Band des der berühmte Thomas Morley, der es auch „at his shop in Gratious- 1599 widmete. streete“ verkaufte. Holborne gehörte also zum kleinen Kreis der illustren Andererseits ist anzunehmen, dass Holborne sehr enge Beziehungen zu Londoner Musiker des Elisabethanischen Zeitalters. bedeutenden Persönlichkeiten der Musikwelt unterhielt. So verdanken Ganz wie John Dowland war Anthony Holborne sicher Lautenspieler. Er wir ihm zwei Widmungsgedichte, von denen das eine in englischer Spra- spezialisierte sich sogar auf das Spiel von Instrumenten mit gezupften che geschrieben und für die wichtigste musikalische Abhandlung seiner Metallsaiten, nämlich auf die Bandura und die Cister, durch die er schon 1597 mit der Veröffentlichung von The Cittarn Schoole bekannt wurde. Die Existenz dieser Schule bestätigt, wie bedeutend dieses Instrument war, weil es damals in London, abgesehen von der Übersetzung von Adrian Le Roys Abhandlung aus dem Jahre 1574, noch zu keiner Publikation einer Lautenschule gekommen war. Im Jahr zuvor waren zwei Stücke Holbornes für Bandura im New Booke of Tabliture von William Barley veröffentlicht worden. Holborne hatte übrigens einen guten Ruf als Banduraspieler, wenn man den oft zitierten Brief eines gewissen Francis Derrick in Betracht zieht, der, als er sich in den Niederlanden aufhielt, seinen englischen Kor- respondenten Henry Wickham bat, ihm die wichtigsten „Lektionen“ für dieses Instrument zu besorgen ... nämlich die von Holborne! Holbornes Band der Pavans, Galliards... verdient es, unter mehreren Gesichtspunkten betrachtet zu werden, vor allem unter denen der Art des Repertoires und der von ihm vorgeschlagenen Instrumentierungen. In der Renaissancezeit bildete die Tanzmusik eines der Lieblingsrepertoires der Instrumentalisten. Der Ursprung dieser Tänze ist zwischen den volkstüm- lichen Traditionen und den aristokratischen Tänzen zu suchen. Manchmal gingen einige Tanzweisen von einer Kategorie in die andere über. In der Mitte des 16. Jahrhunderts wurden vor allem in Italien und in Frankreich Sammelbände mit Tanzmusik beliebt, denen die Komposition von vier- stimmigen, seltener sogar fünfstimmigen polyphonen Fassungen zugute kam. Dieses Repertoire war in England sicher schon zur Zeit Heinrichs VIII. bekannt, in der es zahlreiche Quellen mit französischer Musik gab. Danach ließen sich am Ende des Jahrhunderts viele italienische Kompo- nisten und Instrumentalisten in England nieder, wo sie Posten bei Hofe bekleideten. Nach und nach wurde die Kompositionsweise dieser polyphonen Tänze komplexer, so dass sie für die Tanzpraxis weniger geeignet und anschei- nend einzig zum Vergnügen der Musiker und ihrer Zuhörer bestimmt waren. Das ist jedenfalls bei Holbornes Stücken festzustellen. Wie der Titel angibt, bilden Pavanen und Galliarden den wesentlichen Bestandteil des Bandes: Dabei ist allerdings offenkundig, dass viele dieser Stücke darin Michael Praetorius: Syntagma Musicum zwar nicht als ,,Pavane“ oder ,,Galliarde“ bezeichnet werden, bei näherer

35 Mai 2016 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG

Betrachtung jedoch eben diesen Tanzarten zuzuordnen sind. Viele dieser Auch in Dowlands Band werden Werke werden mit englischen, lateinischen, italienischen und sogar spani- die Gamben und die Geigen schen Titeln bezeichnet, von denen einige sehr suggestiv sind (The genannt. Wie sind diese Informa- Funeralls, Infernum, Paradizo, The image of Melancholly, The Fruit of Love, tionen aber zu interpretieren? Es Hermoza); andere sind weniger präzise (Ecce quam Bonum, The Choice, scheint offensichtlich, dass das Nec Invidio). Im Großen und Ganzen kommen in der Reihenfolge des Ban- „Consort of viols" das typischste des zuerst die Pavanen, von denen die meisten mit Galliarden kombiniert Ensemble der englischen Instru- sind, wobei diese Stücke größtenteils in Zweiergruppen zusammengestellt mentalmusik war, das in diesem und in derselben Tonart geschrieben sind. Von den insgesamt 65 Stücken Land auch als engster Partner der sind 53 Pavanen und Galliarden, deren letztes Paar Last will and testament Vokalensembles galt, was die in pavan & galliard ist. Die letzten elf Stücke sind vor allem Allemanden (oder Madrigalsammlungen zu findende Stücke mit binärem Rhythmus, die diesem Tanz ähneln) sowie einige ter- Angabe ,,apt for Viols and voices“ näre Stücke. Offensichtlich ist, dass Holborne aufgrund der beschränkten beweist. Dennoch hielten, wie man Anzahl der Stücke nicht über genügend verschiedene Tänze verfügt, um weiß, mit der Ankunft italienischer komplette Suiten zu bilden, die Pavanen, Gaillarden, Allemanden und Aeirs Musiker – z. B. der Lupos bereits beinhalten. Alles in allem ist der Band der Lachrimae or seven Tears, den John während der Herrschaft Heinrichs Dowland einige Jahre später veröffentlichte, im selben Geist konzipiert. Es VIII. - auch die Geigen Einzug in ist übrigens amüsant festzustellen, dass das Eingangsmotiv von Holbornes Anthony Holborne: das englische Musikleben. Doch Pavana Ploravit dasselbe ist wie das der ersten der Lachrimae Pavans von Titelblatt der Cister Schule wurden sie nicht, wie bestimmte Dowland! Sollte es sich um eine diskrete Hommage Dowlands an Holborne Bildquellen bezeugen, schon frü- handeln? Schließlich bestätigt der Reichtum des fünfstimmigen Satzes die her öfter zur Begleitung von Tänzern eingesetzt? Erst später, d. h. im ersten rein instrumentale Bestimmung dieser Stücke sowie ihre Distanz gegenüber Viertel des 17. Jahrhunderts, wurden sie zu manchen seltenen Gelegen- der Tanzpraxis; die Charaktere und die Tempi dieser Tänze müssen den heiten bei reinen Instrumentalstücken - wie etwa bei den Fantasien – Interpreten allerdings zumindest im Geist präsent gewesen sein! Was die erwähnt. Was die Blasinstrumente betrifft, so ist ihre Verwendung ebenfalls Instrumentierung dieser Stücke betrifft, so legt die Titelseite Holbornes sie ab der Regierungszeit Heinrichs VIII. belegt, wobei eine gewisse Vielfalt explizit fest: Sie gibt ausdrücklich der Reihe nach Gamben, Geigen und festzustellen ist (Flöten, Schalmeien, Tournebouts, Zinken und Posaunen). verschiedene Blasinstrumente an. Wie auf dem Kontinent bestanden die städtischen Musikerensembles (die Waits) aus gemischten Gruppierungen, in denen sowohl Instrumente mit Metall-Mundstück als auch Rohrblattinstrumente vertreten waren. Natür- lich konnte man auch damit diese Stücke spielen. Doch sind sie für die DIE BEGEGnUnG harmonische Feinheit der Pavanen und die rhythmische Nuanciertheit der ZWISCHEn MUSIK, TAnZ Galliarden gut geeignet? Sollte man in dieser instrumentalen Alternative nicht vor allem eine einfache publizistische und kommerzielle Angabe UnD POESIE sehen, die dazu diente, verschiedene Arten von Musikern davon zu über- zeugen, diese Notenbücher zu kaufen? Anthony Holborne scheint regelmäßig in Künstlerkreisen verkehrt zu haben, besonders in denen der Dichter, die um Mary Sidney, der Coun- Im Titel des Bandes werden dagegen keine polyphonen Instrumente tess of Pembroke, kreisten. Stehen einige seiner Stücke direkt mit ihr in Verbindung (Paradizo wurde nach dem Gedicht „Arcadia“ ihres Bru- erwähnt, obwohl ihre Verwendung für diese Art von Repertoire durchaus ders Philip Sidney komponiert, The Funeralls zum Tod der Eltern und belegt scheint. Einige der Stücke gibt es übrigens in Fassungen für Cister des Bruders der Gräfin), so sind andere Titel geheimnisvoller: Die in The Cittarn Schoole oder für Laute in verschiedenen Handschriften, und Pavane Bona Speranza, mit der der Sammelband beginnt, spielt viel- die Tatsache, dass Holborne selbst ein Virtuose auf der Laute, der Cister leicht auf das Kap der Guten Hoffnung an, das einer der vielen Stütz- und der Bandura war, konnte die Interpreten nur ermuntern, diese Instru- punkte von Francis Drake war, dem damaligen General der Elisabetha- mente zum „Consort of viols“ hinzuzufügen. Um nochmals auf die Lachri- nischen Flotte, und verleiht dem Werk von Anfang an ein Flair von mae von Dowland zurückzukommen, so ist zu sagen, dass dieser Band Reise, Ferne und Eroberungen. Diese Exotik findet sich bei anderen Stü- eine echte Lautenstimme enthält, der in gewisser Hinsicht das Spiel mit cken mit kastilischen Titeln wieder, wie etwa bei Hermoza und Muy der harmonischen Kompositionsstruktur durch einige ornamentale Figu- Linda, und das in einer Zeit, in der die Beziehungen zwischen Spanien ren anvertraut wird. Eine andere Spur dieser Gepflogenheit, die Instru- und England besonders angespannt waren: Man kann sich dabei vor- mente zu kombinieren, ist der Band, den Thomas Morley genau im selben stellen, dass es sich um eine ironische Anspielung Holbornes auf die Jahr 1599 herausgab (The first book of Consort Lessons): Es handelt sich um Siege Elisabeths über Philipp II. von Spanien handelt, doch ist es auch die erste Veröffentlichung von Stücken für ein anderes typisch englisches möglich, darin einen Lobgesang auf die Schönheit einer Frau zu sehen, Ensemble, das „Broken consort“, das aus einer Diskantgambe (oder einer natürlich auf Elisabeth, auf Mary Sidney oder wer weiß auf wen… Violine), einer Bassgambe, einer Flöte und drei Zupfinstrumenten, einer Wer ist diese Fruit of Love? Wem widmete Holborne sein Honey-Suckle, Laute, einer Cister und einer Bandura bestand, also aus genau den Instru- ein Geißblatt, das ewige Treue symbolisiert? Was schildert Image of menten, die Holborne spielte. Die Laute wurde vor allem dazu eingesetzt, Melancholly? Welches Vermächtnis meinte Holborne in Last Will and die Diminutionen zu spielen, die Cister sollte die rhythmischen Schläge Testament? Und warum weinen die Musen? betonen und die Bandura eine Art Basso continuo spielen. Übrigens ist Die poetische Dimension der Musik Anthony Holbornes ist im engli- erwähnenswert, dass einige Stücke aus Holbornes Band in den Lessons for schen Instrumentalrepertoire etwas Außergewöhnliches, und diese Consort (1609) von Philip Rosseter als Bearbeitungen für das Broken consort Tänze bieten unserer Phantasie die Möglichkeit, jeden davon unserem veröffentlicht wurden. Schließlich ist aber auch in verschiedenen Quellen, Geschmack und unserer Geschichte gemäß zu interpretieren, da jedes von denen einige Bildquellen sind, die Verwendung von Tasteninstrumen- Thema oder Symbol verschiedene Bedeutungen in sich birgt und jed- ten innerhalb dieser Zusammenstellung von Instrumenten nachgewiesen. wede Musik uns frei träumen lässt. Holborne selbst hielt sich als Diplomat in den Niederlanden auf, doch © François Joubert-Caillet auch seine Musik überschritt rasch die Grenzen; so sind einige seiner Stü- cke in einer 1607 in Hamburg veröffentlichten Anthologie für Instrumen-

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talmusik zu finden: Ausserlesener Paduanen und Galliarden... in Sonder- PROGRAMM heit auff Fiolen zu gebrauchen... AnTHOnY HOLBORnE (CA. 1545-1602): Dem Zuhörer bleibt es überlassen, THE FRUIT OF LOVE – sich von der Wehmut oder der EnGLISCHE TAnZMUSIK FüR GAMBEnCOnSORT Theatralik der Pavanen, von der Vitalität oder der Eleganz der Gal- The Fruit of Love liarden sowie von der Originalität Galliard oder der Spontaneität der anderen Bona Speranza Galliard Stücke mit freierem Charakter ein- The Night Watch nehmen und seiner Phantasie bei Cover der CD von L’Achéron der Interpretation der Titel freien „A. Holborne, The Fruit of Love“ Lauf zu lassen. Last Will and Testament © Jérôme Lejeune Hermoza Muy Linda Infernum Galliard

Pavana Ploravit Ecce quam bonum The Choice The Teares of the Muses The Funerals

Almaine Pavan Galliard Paradizo Transporter der Tage Alter Musik The Honey-Suckle The Fairie-Round

Wir danken der Meisterwerkstätte für historische Tasteninstrumente Christoph Kern, 79291 Staufen für die freundliche Bereitstellung des Cembalos.

AUSFüHREnDE

L’ACHéROn François Joubert-Caillet Sopran-Viola da Gamba Lucile Boulanger Alt-Viola da Gamba Marie-Suzanne de Loye Tenor-Viola da Gamba Andreas Linos Bass-Viola da Gamba Sarah van Oudenhove Consort-Bass-Viola da Gamba Miguel Henry Laute & Cister Sofie Vanden Eynde Pandora Yoann Moulin Cembalo

PRESSE-ALMAnACH

nEU! Der Presse- Zum Preis von 2,50 Euro ist er Almanach zum ebenso wie die Presse-Almanache Festival 2015 von 1984 bis 2014 erhältlich im Informationszentrum im histori- mit zahlreichen Farbfotos und schen Salzstadel neben der Steiner- Rezensionen ist erschienen. nen Brücke.

37 Mai 2016 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG

European Union Baroque Orchestra

Violine & Leitung: Rachel Podger Kreatives Europa im 18. Jahrhundert – Sonntag, 15. Mai 2016 neue Technologien – neue Unternehmen – 14.00 Uhr neues Publikum Basilika St. Emmeram Emmeramsplatz

European Union Baroque Orchestra

as European Union Baroque Orchestra (EUBO) ist mit keinem ande- Orchestra of the Age of Enlightenment. Sie arbeitete mit vielen renom- Dren Orchester vergleichbar. Es ist das herausragende Eliteensemble mierten europäischen und amerikanischen Barockorchestern zusammen. der Europäischen Union. Die Mitglieder des EUBO kommen aus ganz Für das niederländische CD-Label Channel Classics nimmt sie exklusiv Europa und erarbeiten Konzertprogramme mit weltweit führenden Musi- auf. Ihre CD-Veröffentlichung „Guardian Angel“ erhielt im April 2014 den kern der Alte-Musik-Szene, von denen viele ebenfalls durch die Schule BBC Music Magazine Award. Rachel Podger ist Ehrenmitglied der Royal des EUBO gingen. In seinem Gründungsjahr 1985 gab das EUBO in Academy of Music, in der sie den 2008 gestifteten Micaela Comberti Chair Regensburg sein Deutschlanddebut, damals unter der Leitung von Roger für Barockvioline innehat, und sie unterrichtet am Royal Welsh College of Norrington. Musikalische Souveränität, hohe technische Brillianz, jugend- Music and Drama in Cardiff. Das Unterrichten ist ein wesentlicher liche Energie und ein unbändiger Drive werden immer wieder als heraus- Bestandteil ihres musikalischen Lebens; sie gibt zudem jedes Jahr eigene ragende Eigenschaften der jungen Musiker gepriesen. Die jüngste CD-Ein- Sommerkurse im walisischen Brecon. Ihr Unterrichtsangebot umfasst dem- spielung mit Werken von G. F. Händel erhielt 2014 den Gramophone nächst auch Meisterklassen an der Juilliard School. Rachel Podger ist dar- Award. Das Orchester wird von der Europäischen Kommission als Kul- über hinaus die künstlerische Leiterin ihres eigenen Festivals, des Brecon turbotschafter unterstützt. „Das EUBO ist“, wie der ehemalige EU-Präsi- Baroque Festival, das 2006 gegründet wurde und seither jedes Jahr vier dent José Manuel Barroso sagte, „ein perfektes Symbol für die Kraft der Inte- Tage lang führende Vertreter der historischen Aufführungspraxis in die gration, ein subtiles und starkes Instrument für die Harmonie zwischen Menschen Brecon Beacons holt. und Nationen.“

In diesem Jahr leitet die in Regensburg bestens bekannte Barockgeigerin Zum Programm: Rachel Podger das EUBO. Nach 2012 mit Brecon Baroque und 2015 mit einem Solorecital in der Alten Kapelle gastiert sie nun zum dritten Mal in Die Entwicklung des talentierten Florentiner Knaben Giovanni Battista Regensburg bei den Tagen Alter Musik. Seit etwa 20 Jahren zählt sie zu Lulli zum Zentralgestirn des französischen Musiklebens Jean-Baptiste den herausragenden Vertreterinnen der Barockvioline. Nach Anfängen Lully ist wohl eine der eindrucksvollsten Karrieren, die das Barockzeitalter beim Palladian Ensemble und beim Ensemble Florilegium war sie mehrere zu bieten hat. Aus dem Aufeinandertreffen seiner musikalischen, tänzeri- Jahre Konzertmeisterin in Trevor Pinnocks English Concert und beim schen, darstellerischen und nicht zuletzt auch organisatorischen Begabung

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mit dem Selbstverständnis und Repräsentationsbedürfnis des fran- zösischen Absolutismus unter Ludwig XIV. entstand eine natio- nale Bedeutung Lullys, die noch Generationen nach seinem Tod Einfluss auf das französische Musikleben ausüben sollte. Der Kern seines künstlerischen Erbes ist dabei sicherlich die „Tragédie lyrique“ (zeitgenössisch oft auch als „tragédie en musique“ bezeich- net), die Lully maßgeblich und vor- bildhaft in Form und Stil ausgestal- tete. Die Tragédie lyrique wurde zur typisch französischen Ausprä- gung der barocken Oper und bewahrte sich ihre lockere Zusammenfügung von Rezitati- Rachel Podger bei ihrem Solo-Rezital 2015 in der Alten Kapelle ven, liedhaft einfachen Arien, Ensembles, Chören und Tänzen gegen den Trend der italienischen Oper, wurde. Lullys Tanzmusik, die mit dem höfischen Repräsentationsstil Lud- die sich bald im restlichen Europa durchzusetzen begann und durch einen wigs XIV. so perfekt harmonierte, sorgte in den für die Tragédies typischen vergleichsweise schematischen Wechsel von Rezitativ und Arie geprägt Tanzeinlagen für unterhaltsame Abwechslung; so auch die Chaconne in war. G-Dur, zu der in der Aufführung Gruppen von „Ägyptern“, „Äthiopiern“ Zwischen 1673 und 1686 brachte Lully beinahe jährlich eine neue Tragédie und „Indern“ tanzten. Über einem viertaktigen Bass-Schema, das beinahe in äußerst aufwändigen Aufführungen vors Publikum, darunter auch Pha- 40mal wiederholt und auch selbst Gegenstand rhythmischer Variation éton, das erstmals im Januar 1683 in Versailles gegeben und – wie die meis- wird, baut Lully einen großen melodischen Bogen auf und garniert ihn ten von Lullys Tragédies – noch im selben Jahr im Druck veröffentlicht mit Struktur- und Besetzungskontrasten. Während Lullys Ruhm noch maßgeblich auf vokalen Gattungen basierte, etablierte sich im beginnenden 18. Jahrhundert, ausgehend von Italien, Basilika St. Emmeram terkirche birgt neben zahlreichen Grabstätten von Seligen auch die mit dem Concerto ein neuer Typus der Instrumentalmusik, der seinen Aus einer kleinen, möglicherweise Grabstätte von Bischof Wolfgang, wesentlichen Reiz aus dem Kontrast zwischen vollem Orchesterklang spätantiken Georgskapelle entstand die sog. Wolgangskrypta. Wolf- (genannt „ripieno“ oder „tutti“) und Solo-Stimmen zog. Das Instrumen- die karolingische Basilika um das gang hatte in St. Emmeram die talkonzert stand fortan im Zentrum des Schaffens von Komponisten wie Grab des westfränkischen Wander- klösterliche Gemeinschaft refor- Corelli, Torelli, Albinoni und Vivaldi. Verschiedene Musiker konnten bischofs Emmeram, der im Jahr 652 miert und sie 974 von einer bis durch Publikationserfolge und den Ruf legendärer Spielfertigkeit innerhalb bei Regensburg getötet wurde. Am dahin geltenden Personalunion mit Grab Emmerams, des ersten baye- dem Bischofsamt befreit. kurzer Zeit Furore machen. Häufig verbanden sich einzelne Namen fest rischen Nationalpatrons, ließen sich 1731-33 erfolgte eine barocke mit bestimmten Stil- und Formausprägungen. Arcangelo Corelli etwa übte Benediktinermönche nieder und Modernisierung durch Michael mit seinen 1714 posthum veröffentlichten Concerti grossi op. 6 noch über gründeten eines der ältesten Klöster Prunner. Durch die Gebrüder Asam zwei Jahrzehnte später Einfluss auf Händel und seine Konzertsammlung in Bayern. erhielt die Klosterkirche ihr festli- op. 6 aus. Antonio Vivaldi wiederum machte sich vor allem durch seine An eine Ringkrypta mit dem Grab ches Aussehen mit Stukkaturen, spektakulären Violinkonzerte international einen Namen. Seine Sammlung des Heiligen schloss sich noch im Figuren und Malereien. L’Estro armonico op. 3 (übersetzbar als „Die harmonische Eingebung“), 8. Jahrhundert eine dreischiffige Seit der Säkularisation im Jahr 1803 Basilika an, die um 1050 ein mäch- besteht die Kirche als Pfarrkirche 1711 in Amsterdam verlegt, rief bis weit über die Grenzen Italiens hinaus tiges Westquerhaus mit Dionysiu- fort, die Klostergebäude kamen 1812 Begeisterung hervor und legte den Grundstein für seine enorme Popula- schor erhielt. Die weitläufige Klos- an die Fürsten Thurn und Taxis. rität. Vivaldis Estro war eine Art zwischenzeitliche Bestandsaufnahme sei- ner Konzertkompositionen, indem die Sammlung je vier Concerti für eine, zwei und vier Solovioline(n) vereinte. Das E-Dur-Konzert an zwölfter Stelle ist ein Solokonzert und zeigt bereits einige Facetten, die Vivaldi in den fol- genden Jahren noch stärker als seine Markenzeichen herausarbeiten sollte: prägnante und motorisch aufgeladene Rhythmik, schnelle sequenzierte Spielfiguren in den Solo-Passagen sowie thematisch und strukturell her- vorgehobener Kontrast zwischen Tutti- und Solo-Abschnitten. Vivaldis Stil war originell und aufsehenerregend, aber kein gänzlich vor- bildloses Phänomen. Schon kurz vor der Jahrhundertwende hatte Giuseppe Torelli in seinen 1698 gedruckten Concerti musicali dem Solokonzert den Weg geebnet, praktisch zeitgleich mit Tomaso Albinoni – Venezianer wie Vivaldi –, der die Wiederholung eines Tutti-Ritornells als formales Konzept bekannt machte. Während Vivaldi diese Anlagen in seinen virtuosen Kon- zerten zur Freude seines Publikums immer deutlicher profilierte, blieb Albi- noni einem weniger spektakulären, eher konservativen Stil treu. Das zeigt sich auch in seiner letzten Konzertsammlung, den Concerti a cinque op. 10 (Amsterdam 1735/36). Die Herausarbeitung von Solo-Tutti-Kontrasten spielt hier nur eine geringe Rolle, und auf spieltechnische Virtuosität wird

39 Mai 2016 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG

wenig Wert gelegt. In manchen dieser Konzerte löst sich die eigentliche Solo-Violine nur gele- gentlich von der ersten Tutti-Violine, in den meisten überhaupt nicht. Auch beim Konzert in C-Dur an dritter Stelle der Sammlung kann nicht von einem Violinkonzert im eigentlichen Sinn die Rede sein. Albinonis Concerto-Prinzip läuft hier weniger auf ein kontrastierendes Wetteifern als auf ein einmütiges Zusammenwirken hinaus: Die einzelnen Sätze werden vollständig von den einleitenden thematischen Gedanken getragen, und Solo-Passagen treten in den Ecksätzen nur ansatzweise hervor, überraschenderweise durch das Cello, nicht die Solo-Violine. Beinahe gleichzeitig (1734) wurden in London Georg Friedrich Händels 6 Concerti grossi op. 3 (HWV 312–317) gedruckt. Was auf den ersten Blick wie Händels groß angelegter Start in die Welt des Konzerts aussieht, war tatsächlich 1985

Die Gründung des European Baroque Orchestra Andrew Parrott und Sigiswald Kuijken. Im Juli (damals fehlte im Ensemblenamen noch das ging das Orchester dann auf eine dreimonatige „Union“) war 1985 eines der Hauptprojekte der Europatournee und gastierte auch in Regensburg Europäischen Gemeinschaft und des Europarats in der Minoritenkirche unter der Leitung von im Europäischen Jahr der Musik (300. Geburtstag Roger Norrington. Schon damals waren zwei von J. S. Bach, G. F. Händel und D. Scarlatti, 400. heute wohlbekannte Musiker mit dabei: Alfredo Geburtstag von H. Schütz). Geradezu revolutio- Bernardini (Oboe) und Alberto Grazzi (Fagott), när wirkte es vor über 30 Jahren, dass die EG ein die auch heuer wieder bei den Tagen Alter Musik auf historischen Instrumenten musizierendes in Regensburg gastieren; Alfredo Bernardini als Spezialensemble gründete und finanzierte. Solist und Gastdirigent des norwegischen Barock- Das Orchester wurde von Januar bis Juni 1985 in orchesters Barokkanerne sowie als Leiter und Oxford von renommierten Vertretern der histo- Oboist „seines“ Ensembles Zefiro, Alberto Grazzi rischen Aufführungspraxis gecoacht, u. a. von als erster Fagottist im Ensemble Zefiro. Ton Koopman, Jean-Claude Malgoire, Jaap ter Wir freuen uns sehr, das Orchester nach über 30 Linden, Monica Huggett, Joshua Rifkin, Jordi Jahren wieder in Regensburg begrüßen zu dür- Savall, Frans Brüggen, Roger Norrington, fen. Georg Friedrich Händel, Bild von Balthasar Denner

durch die Bearbeitung und Zusammenstellung früherer Einzelsätze zustande gekommen. Vom Konzert Nr. 1 in B-Dur ist immerhin vermutet worden, es sei in der gedruckten Form auch tat- sächlich zusammenhängend komponiert wor- den. Wegen der solistischen Verwendung der Oboen in mehreren der Werke war die Samm- lung bald als „Oboe Concertos“ bekannt, auch wenn keines davon im heutigen Sinne als European Baroque Orchestra 1985, A. Parrott Oboenkonzert bezeichnet werden würde. Kon- zert Nr. 1 beispielsweise entpuppt sich letztlich als „Konzert für mehrere Instrumente“ (eine Bezeichnung, die auf Vivaldi und Bach zurück- geht). Händel scheint nach der Veröffentlichung „sei- nes“ Opus 3 auf den Geschmack an der Konzert- komposition gekommen zu sein. 1739 erschie- nen seine Twelve Grand Concertos op. 6 als zusammengehöriges Korpus aus zwölf Werken. Händel nutzte derartige Konzerte mit weidli- chem Erfolg als Zwischenaktsmusiken für seine Oratorien und Anthems. Schon das Concerto grosso HWV 318 in C-Dur hatte ursprünglich diesen Zweck erfüllt und war erstmals 1736 zur European Baroque Orchestra, Leitung: Roger Norrington 1985 in der Minoritenkirche Aufführung der Cäcilienode Alexander’s Feast, or: The Power of Music, gespielt worden. Als

40 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG Mai 2016

Solistengruppe treten hier durchgehend zwei Violinen und ein Violoncello hervor. Deren Rolle ist gerade im ersten Satz besonders exponiert, da sie PROGRAMM in ihren Solo-Abschnitten motivisch weitgehend andere Wege beschreiten KREATIVES EUROPAIM18. JAHRHUnDERT – als die Tutti-Sektion – gänzlich anders also als in Albinonis nur wenig frü- nEUE TECHnOLOGIEn – nEUE UnTERnEHMEn – her erschienenen Concerti a cinque op. 10 –, und dieses Prinzip findet sich nEUES PUBLIKUM auch im dritten Satz wieder, der insgesamt schon beinahe Vivaldische Züge trägt. JEAn-BAPTISTE LULLY Ouverture und Tänze aus der Zwischen Namen wie Lully, Vivaldi, Albinoni und Händel muss Unico (1632-1687) Oper Phaéton Wilhelm Graf van Wassenaer zunächst wie ein Überraschungsgast wirken, Ouverture – Air – Air – Air – denn bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein ist er als Kom- Air pour les suivants de Saturne – ponist vollkommen unbekannt gewesen – anders als seine Musik: Seine Chaconne 6 Concerti armonici, 1740 in Den Haag gedruckt, hatten sich die Jahrhun- TOMASO ALBInOnI Concerto a cinque C-Dur derte hindurch bei Kennern Alter Musik stets einer gewissen Beliebtheit (1671-1751) opus 10 Nr. 3 erfreut. Bis ins 20. Jahrhundert blieb die Wertschätzung für diese Werke Allegro – Adagio – Allegro ungebrochen, und verschiedene Ensembles nahmen die Konzerte in ihr Repertoire auf. Trotzdem war van Wassenaers Name auf der musikge- GEORG FRIEDRICH HänDEL Concerto grosso B-Dur opus 3 Nr. 1 (1685-1759) HWV 312 schichtlichen Landkarte nirgends zu finden. Auf der Basis spärlicher Argu- Allegro – Largo – Vivace mente wurden stattdessen Carlo Ricciotti (gestorben 1756 in Den Haag) und Giovanni Battista Pergolesi (1710–1736) als Urheber vermutet. UnICO WILHELM VAn WASSEnAER Concerto Armonico A-Dur Das änderte sich erst 1979, als auf (1692- 1766) für 4 Violinen Nr. 3 Schloss Twickel bei Delden ein Grave sostenuto – Da capella – Largo andante – Vivace Manu skript der Concerti gefunden

wurde, in dessen Vorwort sich der AnTOnIO VIVALDI Konzert E-Dur für Violine, Streicher ehemalige Schlossherr van Wasse- (1678-1741) und Basso continuo opus 3 Nr. 12, naer als Autor zu erkennen gab. RV 265 (aus L’estro armonico) Daraus geht auch hervor, dass die Allegro – Largo – Allegro Verschleierung seiner Identität als GEORG FRIEDRICH HänDEL Concerto grosso C-Dur Komponist durchaus gewollt war. „Alexander’s Feast“ HWV 318 Van Wassenaer war in eine ein- Allegro – Largo – Allegro – flussreiche niederländische Adels- Andante non presto familie geboren worden, der wich- tige politische Ämter anvertraut Wir danken der Meisterwerkstätte für historische Tasteninstrumente wurden. Sein Vater war Botschafter Detmar Hungerberg, 42499 Hückeswagen für die freundliche Bereitstellung der Vereinigten Niederlande am des Cembalos. kurpfälzischen Hof in Düsseldorf Kofinanziert durch das Programm Jean-Baptiste Lully gewesen, und auch Unico vereinte Kreatives Europa der Europäischen Union. mehrere wichtige politische Posten In Kooperation mit der EUBO in seiner Person. Die Veröffentlichung der Konzerte unter eigenem Namen Mobile Baroque Academy. kam für den angesehenen Aristokraten nicht in Frage; allerdings gestattete Sponsor des European Union er auf Betreiben Ricciottis einen anonymen Druck. Ricciotti stellte der Erst- Baroque Orchestra: The Early Music Shop. veröffentlichung – ohne sich selbst als Autor zu bezeichnen – eine Wid- mung in eigenem Namen voran und galt in einem englischen Piratendruck fünfzehn Jahre später prompt als Komponist der Concerti. Pergolesis Name Sendung BR: 02.07.2016, 18.05 Uhr kam durch eine handschriftliche Bemerkung ins Spiel, die sich auf einer (Festspielzeit auf BR-KLASSIK) Abschrift der Concerti aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts befand. So kommt es zum Beispiel, dass eine Edition der Konzerte aus den 1950er Jahren als Autor „Ricciotti (Pergolesi?)“ angibt. Die Unsicherheit der Zuschreibung hat der Beliebtheit dieser Werke keinen AUSFüHREnDE Abbruch getan. Obwohl sich stilistische Bezüge etwa zu Corelli finden las- EUROPEAn UnIOn BAROqUE ORCHESTRA sen, sind van Wassenaers Concerti in erster Linie originelle Kompositionen von einem außerordentlich talentierten Amateur, der sich nicht um Ellen Bundy (GB), Matthea de Muynck (nL), Geschmack und Anforderungen eines Dienstherrn zu scheren brauchte. Mayah Kadish (I), David Rabinovici (R), Van Wassenaer orientierte sich vermutlich am Vorbild Corellis, indem er Corinne Raymond-Jarczyk (Pl), Justyna Skatulnik (Pl), Hed Yaron Mayersohn (D), Maria Ines Zanovello (I) Violine I & II jedes seiner viersätzigen Konzerte mit einer langsamen Einleitung begin- nen ließ, der meist ein schnellerer fugierter Satz folgt. Im A-Dur-Konzert Isabel Juárez Juarranz (E), Sara Gómez Yunta (E), verwendete er hierfür einen Kanon als Grundlage, der verschiedentlich Priscila Rodriguez Cabaleiro (E) Viola Byrd oder Palestrina zugeschrieben wurde und in unterschiedlicher Form Candela Gómez Bonet (E), auch die Aufmerksamkeit von Corelli, Bach, Mozart und Beethoven Ester Domingo Sancho (E) Violoncello erregte. Der Schlusssatz im 9/8-Takt lebt vor allem vom Wechselspiel zwi- Carlos navarro Herrero (E) Kontrabass schen zwei Solo-Violinen und Ripieno und erinnert in manchen Facetten Tatjana Zimre (D), Ana Inés Feola (A) Oboe an Vivaldis Konzertstil, der – wohlgemerkt – zur Zeit der Veröffentlichung der Concerti bereits außer Mode kam. Aber einen anonym veröffentlichen- Alessandro nasello (I) Fagott den Aristokraten brauchte das ja nicht zu kümmern. Andreas Westermann (D) Cembalo © Michael Braun, UR

41 Mai 2016 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG

Les Basses Réunies (Frankreich)

Violoncello, Tenorvioline Bach & Vivaldi – Sonntag, 15. Mai 2016, & Leitung: Bruno Cocset Seelenverwandte Charaktere? 16.00 Uhr Sonaten – Choräle – Trios – Concerti Basilika U. L. Frau zur Alten Kapelle Alter Kornmarkt

Zum Programm:

Während seiner Zeit in Weimar tauschte Johann Sebastian Bach einige Werke – vor allem italienischer Komponisten – mit dem Dresdner Musikdirektor Johann Georg Pisendel (1688–1755) aus. Bach und Pisendel waren sich 1709 in Weimar zum ersten Mal begegnet. Pisendel war ein Schüler von Antonio Vivaldi und kümmerte sich jahrelang um eine intensive Vivaldi-Pflege am kursächsischen Hof. Daher wird vermutet, dass er es war, der Bach einige Originaldrucke von Vivaldis Werken mit nach Deutschland brachte und ihn damit bekannt machte. Eine weitere nicht ganz unwichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang der sächsische Kronprinz Friedrich August II. Dieser hegte selbst ein reges Interesse an Vivaldis Werken, nachdem er mit der italienischen Musik in den Niederlan- den das erste Mal in Berührung gekommen war. Amsterdam war damals ein Zentrum des Musikdrucks und der Kronprinz brachte von seiner Reise einige Drucke und Partituren mit, die er an Bach weitervermittelte. Bei diesen Drucken handelte es sich höchstwahrscheinlich um Op. 3 (L’Estro armonico), Op. 4 (La Stravaganza) und Op. 7 (Violin- und Oboenkonzerte) von Vivaldi. Die Auseinandersetzung mit Vivaldis Werken und das Anfertigen von Trans- kriptionen und Bearbeitungen war eine Bereicherung für Bachs Schaffen. Vor allem von Vivaldis Instrumentalkonzerten, insbesondere vom Zyklus L’Estro armonico (Op. 3), schien Bach sehr angetan gewesen zu sein, denn er bearbeitete nicht weniger als sechs Concerti für unterschiedliche Besetzungen. Durch Bachs Beschäftigung mit der italienischen Gattung des Solokonzertes nahm er auch Einfluss auf andere Komponisten seiner Zeit, die nun auch Gefallen an diesem Musikstil fanden. Ob Vivaldi dagegen Affinitäten zu Deutschland besaß, lässt sich weder belegen noch gänzlich ausschließen. Höchstwahrscheinlich unternahm er eine Studien- Bruno Cocset - Consort de violons reise nach Deutschland, um dort verschiedene Eindrücke zu sammeln. Obwohl keine konkreten Daten seiner Stationen überliefert sind, kann man dennoch runo Cocset, Jahrgang 1963, studierte am Konservatorium in Tours davon ausgehen, dass er die Städte Wien, Dresden und vielleicht auch Prag Bund war unter anderem Schüler von Anner Bijlsma, Christophe Coin besucht hatte und sich dort selbst mit einigen anderen renommierten Kompo- und Jaap Schröder. Er gehört heute zu den renommiertesten französischen nisten austauschen konnte. Cellisten mit einer Vielzahl an CD-Veröffentlichungen bei den Labels Ago- Den Auftakt des heutigen Konzerts bildet die Sonate in G-Dur (BWV 1027). Sie gique und Alpha. ist in den drei Sonaten für Viola da gamba und Cembalo (BWV 1027-1029) ent- Nach dem Studium spielte er als „Violoncello-Nomade“ mit zahlreichen halten und um 1720 entstanden. Es gibt eine weitere Fassung für zwei Travers- renommierten Musikern und Ensembles, u. a. mit Les Arts Florissants, Ensemble Baroque de Limoges, Le Concert Français, La Petite Bande, Les Musiciens du Louvre, Les Talens Lyriques, und Al Ayre Espanol, mit Henri Ledroit, Véronique Gens, Frans Brüggen, Gustav Léon- hardt, Jos van Immersel, Jean-Claude Malgoire und Philippe Herreweghe. Festes Ensemblemitglied war er bei Il Seminario Musicale (Gérard Lesne) von 1988 bis 2004 und bei Jordi Savalls Concert des Nations sowie Hespe- rion XX/XXI von 1990 bis 2005. 1996 gründete er sein eigenes Ensemble Les Basses Réunies, mit dem er nun erstmals in Regensburg (Deutschlandpremiere) mit einem Bach- Vivaldi-Programm gastiert. Wie der Ensemblename schon andeutet, stehen die tiefen Instrumente im besonderen Fokus der Gruppe; Bruno Cocset wird dabei auch unterschiedliche Celloinstrumente spielen wie Tenorvio- line und Alto a la bastarda, die er in Zusammenarbeit mit dem französi- schen Instrumentenbauer Charles Riché nach berühmten historischen Vor- bildern anfertigen ließ. Als solche dienten Instrumente von Gasparo da Salò oder Amati, aber auch Tenor- oder Bass-Formen, wie sie auf Gemälden der Zeit abgebildet wurden. Seit 2005 hat Bruno Cocset eine Professur für Antonio Vivaldi (Kupferstich von Barockvioloncello am Konservatorium in Genf inne. Bach-Denkmal Leipzig François Morellon la Cav)

42 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG Mai 2016

Alte Kapelle Scheffler und Gottfried Bernhard PROGRAMM Götz sowie der Regensburger Altar- Die Anfänge der Stiftskirche Unserer bauer und Bildschnitzer Simon Sorg. BACH & VIVALDI – Lieben Frau zur Alten Kapelle ver- Aus ihrem Zusammenwirken ent- SEELEnVERWAnDTE CHARAKTERE? lieren sich im Dunkel der stand eine Dekoration, deren rau- SOnATEn, CHORäLE, TRIOS, COnCERTI Geschichte. Urkundlich fassbar wird schender Glanz seinesgleichen sucht die Alte Kapelle im Jahre 875 durch und dem Bau einen würdigen Platz JOHAnn SEBASTIAn BACH Sonate G-Dur für Violine, Tenorvioline eine Schenkungsurkunde König in der Reihe der süddeutschen Roko- (1685 – 1750) und Basso continuo, BWV 1027 (nach der Ludwigs des Deutschen, der an die- kokirchen sichert. Gambensonate) ser Stelle eine Pfalzkapelle errichten Adagio – Allegro ma non tanto – Andante – ließ. Der heiliggesprochene Kaiser Allegro moderato Heinrich II. ersetzte die Anlage im frühen 11. Jahrhundert durch einen Choral „Ich, dein betrübtes Kind“ BWV 199 Neubau, der sich bis heute erhalten für Violoncello piccolo, Violine und Basso hat. Nur die Ostteile wurden 1441/52 continuo (aus der Kantate „Mein Herze durch einen sehr viel größeren spät- schwimmt im Blut“) gotischen Chor ersetzt. Der Innenraum überrascht durch Sonate c-Moll BWV 1017 für Violine und eine unerwartet prächtige Ausstat- Cembalo tung im Stil des Rokoko. Ab 1747 Siciliano Largo – Allegro – Adagio – Allegro arbeiteten hier der Wessobrunner Trio BWV 528a für Tenorvioline und Basso Stukkateur Anton Landes, die Augs- continuo (nach der Triosonate für Orgel) burger Maler Christoph Thomas Choral „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ BWV 645 für Tenorvioline, Streicher und flöten und Basso Continuo (BWV 1039). Der erste Satz (Adagio) eröffnet mit Basso continuo (aus den Schübler-Chorälen) einem beschwingten Thema, welches geprägt ist von Trillern und Vorhalten, die eine gewisse Spannung erzeugen. Der zweite und vierte Satz (Allegro ma PAUSE non tanto bzw. Allegro moderato) sind als Fuge konzipiert. Das kurze Andante (3. Satz) fällt aufgrund durchgehender Achtelbewegungen in der Unterstimme AnTOnIO VIVALDI Konzert h-Moll RV 424 für Violoncello, (1678-1741) Streicher und Basso continuo (gespielt auf und der gebrochenen Akkorde in den Oberstimmen auf. einer fünfsaitigen Tenorvioline) Der Choral „Ich, dein betrübtes Kind“ aus der Kantate Mein Herze schwimmt im Allegro non molto – Largo – Allegro Blut (BWV 199) entstand in Bachs Weimarer Zeit, vermutlich im Jahr 1713. Die Konzert d-Moll RV 541 für Violine, Orgel, Erstaufführung war 1714 am elften Sonntag nach Trinitatis. In den Jahren zwi- Streicher und Basso continuo (transponierte schen 1718 und 1723 wurde das Stück einige Male mit teilweise veränderter Fassung für „Alto a la bastarda“) Besetzung aufgeführt. Die meisten Texte der Kantate stammen von Georg Chris- Allegro – Grave – Allegro tian Lehms, doch der Choral „Ich, dein betrübtes Kind“ basiert auf der dritten Konzert g-Moll op. 4 Nr. 6 RV 316a (Auszug Strophe aus „Wo soll ich fliehen hin?“ von Johann Heermann. Das Thema der aus „La Stravaganza“ in der verzierten Ver- Kantate fußt auf dem Gleichnis vom Pharisäer und dem Zöllner (Lukas 18, 9- sion von J. S. Bach für Cembalo und Strei- 14), in dem der Zöllner sich seiner Sündhaftigkeit bewusst wird und dabei Trost cher BWV 975) bei Gott sucht. In dem Choral erkennt der Zöllner seine Lasterhaftigkeit und 2. Satz Largo wirkt erlöst, da seine „tiefen Wunden“ nun endlich bei Gott „Heil gefunden“ Konzert g-Moll RV 531 für zwei Violoncelli, haben. Mit langsamen, fast schwerfällig voranschreitenden absteigenden Noten- Streicher und Basso continuo werten und einigen Tonrepetitionen an prägnanten Stellen („Wunden“, „stets Allegro – Largo – Allegro Heil“) wird diese Erkenntnis untermalt. Wir danken der Meisterwerkstätte für historische Tasteninstrumente Der Choral „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ bildet die Grundlage für eines Christian Fuchs, 65929 Frankfurt/Hoechst der wohl bekanntesten Orgelwerke Bachs, das als Teil der sogenannten Schüb- für die freundliche Bereitstellung des Cembalos. ler-Choräle (BWV 645-650) veröffentlicht wurde. Der Namensgeber der Samm- Wir danken der Meisterwerkstätte für Orgel- und Cembalobau lung von sechs Choralbearbeitungen für Orgel ist Johann Georg Schübler, dem Walter Chinaglia, I-22072 Cermenate (CO) der Originaldruck aus den Jahren 1748/49 zu verdanken ist. Die Choralmelodie für die freundliche Bereitstellung der Truhenorgel. wird von Bach reich verziert: Abgesehen von einer vielfältigen Artikulation, Vorschlagsnoten und Dynamik kommen auch mehrere Triller zum Einsatz. Mit der Aufführung von Vivaldis Concerto in g-Moll aus La Stravaganza schließt sich der Kreis. Es erklingt der zweite AUSFüHREnDE Satz (Largo) dieses Konzerts in der LES BASSES RéUnIES verzierten Bearbeitung von Bach (BWV 975). Bach hat allerdings nur Ryo Terakado Violine I die Oberstimme und Teile des Basses Tuomo Suni Violine II übernommen. Die anderen Stimmen Simon Heyerick Viola verschmelzen teilweise in Akkorden oder wurden ganz weggelassen. Bruno Cocset Violoncello, Tenorvioline Einige der Solo- und Tutti-Teile wur- Emmanuel Jacques Violoncello den beibehalten und sind durchaus Richard Myron Kontrabass leicht wiederzuerkennen. Hier wird eine Verbindung der beiden Künstler Bertrand Cuiller Cembalo für den Zuhörer greifbar. Cover der CD von Les Basses Orgel © Julia Rudlof, UR Réunies „A. Vivaldi, Concerti“

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Pulcinella Orchestra (Frankreich)

Violoncello & Leitung: Carl Philipp Emanuel Bach (1714 – 1788) – Sonntag, 15. Mai 2016 Ophélie Gaillard Sonate – Sinfonie – Konzert 20.00 Uhr Dreieinigkeitskirche Gesandtenstraße Foto: Caroline Doutre Pulcinella Orchestra

as Pulcinella Orchestra wurde 2005 gegründet und vereinigt heraus- mermusik- und Dragende Musiker der französischen Originalklang-Szene um die Cel- Solokonzertreper- listin Ophélie Gaillard zu einem bemerkenswerten Klangkörper. Eher selten toire des 19., 20. aufgeführte Orchester-, aber auch Kammermusik des 17. und 18. Jahrhunderts und 21. Jahrhun- bilden den Repertoire-Schwerpunkt des Kammerorchesters. Der Enthusias- derts. Auch hier mus der Musiker sorgt dafür, dass nicht museales Bewahren, sondern leben- hat sie zahlreiche diges und temperamentvolles Musizieren dominiert, das den Elan der Alten CD-Einspielungen vorgelegt. Ophé- Musik feiert. lie Gaillard unterrichtet an den Cover der CDs des Pulcinella Ophélie Gaillard, geboren 1974 in Paris, ist ein Kind des Barock. Sie hat sich Musikkonservatorien Aulnay-sous- Orchestra „C. Ph. E. Bach Vol. I“ schon sehr früh auf das Barockcello spezialisiert, studierte am Pariser Kon- Bois und Versailles. 2010 war sie Mit- und „C. Ph. E. Bach Vol. II“ servatorium Violoncello bei Philippe Muller und Barockcello bei Christophe glied der Cello-Jury des ARD-Wett- Coin. Sie arbeitete über 10 Jahre eng mit Christophe Rousset, Emmanuelle bewerbs in München. Ophélie Gaillard spielt ein Instrument von Francesco Haïm und dem Amarillis Ensemble zusammen. 2005 gründete sie dann „ihr“ Goffriller (1737). Pulcinella Barockorchester, mit dem sie mittlerweile schon einige preisge- krönte CDs veröffentlicht und zahlreiche Konzerte bei wichtigen europäischen Festivals gegeben hat. Sie nahm erfolgreich an mehreren internationalen Wett- Zum Programm: bewerben teil, war u. a. Preisträgerin beim internationalen Bach-Wettbewerb 1998 in Leipzig. Ihre CD-Veröffentlichungen mit dem Pulcinella Orchestra Das Programm dieses Konzerts gleicht einer Wundertüte: Die vier gespielten von Vivaldi-Sonaten und -Konzerten (2006), von Boccherini-Konzerten (2007), Werke gehören drei verschiedenen Gattungen an (zwei Cellokonzerte, eine Sym- von Bach-Arien mit Sandrine Piau (2012), Cellokonzerten von C. Ph. E. Bach phonie, eine aus dem Rahmen fallende Triosonate) und zwei verschiedenen (2014) und die Einspielung der Bachschen Solosuiten wurden mit Preisen Epochen im Leben des Komponisten: einer zentralen Phase des Wirkens am und Auszeichnungen bedacht (Diapason d’or). Sie pflegt aber auch das Kam- Berliner Hof Friedrichs des Großen um 1750 einerseits, der ersten Zeit in Ham-

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burg 1773 andererseits. Man ver- spricht nicht zuviel, wenn man ein Hör-Erlebnis im Rahmen des Wort- feldes „Wunder“ vorhersagt: Bewun- derung und Verwunderung über Wunderbares und Wunderliches werden sich verbinden und keinen Moment der Langeweile aufkommen lassen. Carl Philipp Emanuel Bach wurde am 8. März 1714 in Weimar geboren, wo sein Vater Hoforganist und Konzert- meister war. Aufgewachsen ist er zusammen mit seinem vier Jahre älte-

ren Bruder Wilhelm Friedemann und Foto: Caroline Doutre einigen weiteren Geschwistern. Die Carl Philipp Emanuel Bach Ophélie Gaillard Mutter Maria Barbara Bach starb bereits 1720; Ende 1721 heiratete der Vater seine zweite Frau, Anna Magdalena, älteren Opernsinfonia noch nahestehen, teils aber auch schon große thematische die als Adressatin zweier „Klavierbüchlein“ im Bewusstsein der Nachwelt leben- und klangliche Originalität entwickeln. Darauf folgen dann noch zwei geschlos- dig geblieben ist. 1723 siedelte die Familie nach Leipzig über. Nach dem Besuch sene Gruppen: die sechs Sinfonien für reine Streicherbesetzung (Wq 182,1-6, in der Thomasschule war Philipp Emanuel in Leipzig und Frankfurt/Oder für Jura Hamburg 1773 komponiert), und schließlich die unvergleichlichen vier „Orches- immatrikuliert. 1738 begab er sich, wohl in der Hoffnung auf eine Anstellung, ter-Sinfonien mit zwölf obligaten Stimmen“ (Wq 183,1-4), die Bach 1780 in einem in den Umkreis des preußischen Thronfolgers, der 1740 König in Preußen wurde Leipziger Verlag drucken ließ. Die letztgenannten Sinfonien, in der ersten Blü- und bald den Namen „Friedrich der Große“ erwarb. 1767 verließ Bach den Ber- tezeit der Wiener Klassik publiziert, bieten Musik auf höchstem Niveau, aber liner Hof, um in Hamburg Kantor an den fünf Hauptkirchen zu werden, womit zugleich in einer unschematischen Weise, die wenig mit den abgeklärten Formen er seinen im selben Jahre verstorbenen Patenonkel Georg Philipp Telemann der Symphonie bei Haydn und Mozart zu tun hat. Als Detail sei nur genannt, beerbte. Gestorben ist er am 14. Dezember 1788. dass Bachs relativ kurze Stücke aus drei Teilen bestehen, die kaum separiert, Das Schaffensprofil Philipp Emanuels offenbart kompositorische Strategien, sondern oft durch attacca-Anschlüsse miteinander verbunden sind und dadurch die als Kontrapunkt zum Schaffen des in der Retrospektive fast übermächtig viel enger zusammenhängen als die vier Sätze einer klassischen Symphonie. erscheinenden Vaters Johann Sebastian gelesen werden können. Die weit über Bedenkt man noch, dass Bach kein einziges Streichquartett komponiert hat, so hundert dreisätzigen Klaviersonaten (spielbar auf Cembalo, Clavichord oder Hammerklavier bzw. Pianoforte) stehen im Zentrum. Johann Sebastian dage- gen hatte noch keine einzige Klaviersonate komponiert. Philipp Emanuels 50 Cembalokonzerten und knapp 10 Konzerten für weitere Instrumente stehen wesentlich weniger Konzerte des Vaters gegenüber – Verluste eingerechnet, sind es wohl um die 20 gewesen. Auch die Orchestersinfonien des Sohnes haben im Werk des Vaters kein Pendant. Und schließlich ist auch das Genre der Triosonate für zwei Melodieinstrumente und Basso continuo – obwohl eigentlich eine erzbarocke Gattung – bei Johann Sebastian Bach kaum anzu- treffen, wohl aber – in einer galant-empfindsamen Intonation – bei Philipp Emanuel. So zeigen die drei Gattungen des Programms von vornherein einen Künstler, der sich von den Kompositionen seines Vaters, deren Qualität er im Übrigen bedingungslos anerkannte, vollständig emanzipiert hatte. Von den drei Konzerten für Violoncello und Orchester Bachs erklingen heute zwei, das Konzert in a-Moll (Wotquenne-Verzeichnis 170), komponiert in Berlin 1750, und das Konzert in A-Dur (Wq 172), komponiert in der Residenzstadt Potsdam 1753. Die drei Cellokonzerte (Wq 171 trägt die Angabe Berlin 1751) weisen eine wunderliche Besonderheit im Schaffen Bachs auf. Ursprünglich wohl für einen besonders guten Cellisten komponiert (worüber wir aber über- haupt nichts wissen), hat Bach die Werke später noch in doppelter Weise arran- giert: für Cembalo (Wq 170-172 finden sich wieder unter Wq 26, 28-29) und für Traversflöte (zu finden unter Wq 166-168), die ja bekanntlich von Friedrich dem Großen virtuos traktiert wurde. Das a-Moll-Konzert nimmt durch seinen frühen Sturm-und-Drang-Gestus für sich ein, während das A-Dur-Konzert einen gelasseneren Ton anschlägt. Beide Werke sind in der üblichen Weise dreisätzig, und in den Kopfsätzen orientiert sich Bach an der Ritornellform, an der er zeitlebens festhielt. In einem Solokonzert kann man nicht nur die Musik, sondern auch das virtuose Wirken der Solistin bewundern. In der Sinfonie dagegen wird die Musik vom Orchester gemeinschaftlich produziert, ohne dass eine Einzelstimme dominieren würde. Bachs 19 Sinfonien gliedern sich in drei Gruppen. Die ersten 9 Sinfonien (Wq 173-181, komponiert in Berlin von 1741-1762, die meisten aber um 1755; Wq 177 und 178 bieten dieselbe Musik, nur in verschiedener Besetzung) sind recht kurze, dreisätzige Gebilde mit und ohne Bläser, die teils dem Typus der

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Pulcinella Orchestra, Aufnahmesitzung wird auch von den Gattungen her seine Stellung zwischen Barock und Klassik des aus der Biographie Haydns und Mozarts bekannten Barons van Swieten, deutlich. Freilich liegt das Schaffen Philipp Emanuel Bachs nicht in einem Tal der einem überlieferten Zeugnis zufolge Bach gebeten hat, ohne Rücksicht auf zwischen zwei Gebirgen; es bildet vielmehr einen wunderbaren Regenbogen, die Spieler ganz seinen kompositorischen Vorstellungen zu folgen. Die drei Teile der Berg und Tal überspannt. der Sinfonie schmiegen sich eng aneinander: Der rhythmisch hochdifferenzierte Die h-Moll-Sinfonie Wq 182,5 gehört zur Gruppe der Hamburger Streichersin- Kopfsatz, der fast durchweg als Dialog zwischen Stimmpaaren gestaltet ist, geht fonien. Von der Besetzung her nicht so differenziert wie die Orchestersinfonien nahtlos in ein kantables Larghetto über, das mit einem Halbschluss endet, an – sie kommen mit einem orchestral besetzten Streichquartett aus –, sind sie doch den sich das extrem kraftvolle Schluss-Presto anschließt, in dem die rhythmische im Duktus ihren jüngeren Geschwistern ähnlich. Entstanden sind sie im Auftrag Verve des Anfangs gebrochen wird durch eine äußerst kühne Passage, in der sich die Stimmen in langen Notenwerten zu dissonanten Tonkomplexen sum- mieren, nach denen das Wiedereinsetzen rhythmischen Lebens geradezu als Befreiung empfunden wird. (Dieser ungemein lange Satz bildet die Struktur einer Bachschen Symphonie ein wenig nach.) Das Ganze dauert kaum 11 Minu- ten; was Bach in dieser kurzen Zeit mit dem geringstmöglichen Orchesterauf- wand leistet, grenzt an ein Wunder. Das früheste Werk des Programms hat Bach 1749 komponiert und 1751 zusam- men mit einer Triosonate in B-Dur in Nürnberg drucken lassen. Die B-Dur- Sonate (für Flöte, Violine und Generalbass) ist hübsch, aber „normal“; ihre Rezep- tion leidet darunter, dass ihre Schwester, die c-Moll-Sonate (Wq 161,1), eine Art Wunderkind ist. Die c-Moll-Sonate führt nämlich in drei Sätzen mit zwei Violi- nen und Generalbass einen Dialog zwischen einem „Melancholicus“ und einem „Sanguineus“ vor, worin man unschwer zwei der vier Temperamente gemäß der Lehre Galens und seiner Adepten erkennt, zu denen noch der Phlegmatiker und der Choleriker gehören würden, die aber musikalisch sozusagen unter die von Bach gewählten Charaktere subsumierbar wären. Der Melancholiker – trau- rig, antriebsarm, pessimistisch – eröffnet den ersten Satz mit einem langsamen Thema, gespielt mit Dämpfer, in c-Moll, sekundiert nur vom Generalbass, der in dem Stück beide Dialogpartner gleichermaßen begleitet, ohne Partei zu ergrei- fen. Die Passage endet mit einer „Frage“: die Quartendissonanz löst sich nicht kunstgerecht in die Terz auf, sondern geht aufwärts in die Quint. Daraufhin ergreift der blutvolle Sanguineus das Wort – heiter, zupackend, optimistisch – und spielt im Presto ohne Dämpfer einige Takte lang in Es-Dur, bevor der Trüb- sinnige ihn unterbricht. Darf man Musik so erzählen? Sicher nicht immer, aber hier geht es nicht anders, denn der Komponist selbst hat die Erzählung vorgegeben, und zwar so, dass alle Phrasen der Partner in der Partitur von Satz 1 und 2 mit Indexbuchstaben von a bis z und dann weiter von aa bis rr bezeichnet sind, denen dann immer eine verbale Anmerkung entspricht, die die Stationen des Dialogs präzisiert. Bach schreibt im „V orbericht“ der Ausgabe: „In dem ersten Trio hat man versu- chet, durch Instrumente etwas, so viel als möglich ist, auszudrücken, wozu man sonst viel bequemer die Singstimme und Worte brauchet. Es soll gleichsam ein Gespräch zwischen einem Sanguineus und Melancholicus vorstellen, welche in dem ganzen ersten, und bis nahe ans Ende des zweyten Satzes, mit einander streiten, und sich bemühen, einer den andern auf seine Seite zu ziehen; bis sie sich am Ende des zweyten Satzes vergleichen, indem der Melancholicus endlich nachgiebt, und des andern seinen Hauptsatz annimmt.“ Im Hintergrund dieses Experiments – etwas anderes ist es nicht – steht eine

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ernsthafte ästhetische Debatte über die Ausdrucksmöglichkeiten der Instrumen- talmusik: taugt eine Kunst etwas, die alles nur im Vagen belässt und niemals zur Klarheit und Deutlichkeit begrifflicher Ausdrücke der Wortsprache vorstößt? Diese Frage mag heute seltsam erscheinen, da ja die Meinung verbreitet ist, dass gerade die eigentümliche Unbestimmtheit der Instrumentalmusik dieser Musik die Fähigkeit verleiht, eine „Universalsprache der Menschheit“ zu sein. Aber zu Bachs Zeit war dieser Gedanke nicht gängig, und kein Geringerer als Jean Jacques Rousseau schrieb 1768 in seinem „Dictionnaire de Musique“ die fol- genden Sätze: „Um verstehen zu können, was all die Unmengen von Sonaten, mit denen wir überschüttet werden, eigentlich sagen wollen, müsste man es machen, wie jener schlechte Maler, der gezwungen war, unter seine Figuren zu schreiben: 'Das ist ein Mann', 'Das ist ein Baum', 'Das ist ein Ochse'“. Hat nicht Carl Philipp Emanuel Bach gemalt Grabplatte von Carl Philipp Bach – im Übrigen 20 Jahre vor Rousseaus Lexikon – genau diese lächerliche von Johann Philipp Bach 1773 Emanuel Bach Technik angewandt? Ja und nein. Sicher hat er es gemacht, aber der Versuch, die Sonate zu hören, wenn man sklavisch alle zwei Takte eine neue Anmerkung erlaubt, musikalische Gesten im Sinne von sprachlichen Ausdrucksgesten, aber liest, die die Musik angeblich „erklärt“, ist zum Scheitern verurteilt. Man kann nicht als konkreten Wortlaut zu „verstehen“. Die Beigabe einer konkreten ver- gar nicht so schnell lesen, wie die Musik voranschreitet, deren Sinn man bald balen Explikation ist gemeint als eine Krücke für die Schwachen, und sie könnte gänzlich aus Auge und Ohr verliert. Was Bach zeigt, ist eigentlich das Gegenteil: so, wie Bach sie angibt, auch vom besten Bachkenner niemals identisch aus sei- Instrumentalmusik kann Charaktere zeichnen – den Sanguineus und den Melan- nem Stück herausgehört werden. cholicus –, aber sie kann nicht die Argumentation eines Gesprächs „verständlich“ Was also sollen wir beim Hören dieser Triosonate tun? Wir dürfen uns in unse- nachzeichnen. Und sie soll es auch nicht tun! Bach selbst – dessen konkrete Moti- rem Kopfkino zwei gegensätzliche Charaktere vorstellen, die sich „einigen“ vation für dieses Werk übrigens unbekannt ist – schreibt warnend: „Man ver- wollen. Dies geschieht in Rede und Widerrede. Die explizite Nennung der Char- bittet zum Voraus, alle Spöttereyen, wenn man für nöthig findet, denenjenigen, aktere durch Bach selbst legitimiert unseren Film, und zudem erklärt sie die welche noch nicht genugsame Einsicht in die musicalischen Ausdrücke besitzen, wunderliche Beobachtung, dass in diesem Werk etwas formal ganz Unübliches zu gefallen, einige Anmerkungen über alle vorkommende Hauptstellen der geschieht, nämlich die Konfrontation zweier komplett gegensätzlich gestalteter ersten zweyen Sätze dieses Trio, hinzu zu fügen.“ Das heißt doch, dass Bach Violinparte in einer Triosonate. Für das adäquate Hören dieses faszinierenden die Instrumentalmusik eigentlich für „selbsterklärend“ hält unter der Voraus- Stückes kommt es allein auf das Erfassen des Gesprächsverlaufs an, auf das setzung, dass der Hörer über eine gewisse Vorbildung verfügt, die es ihm Treffen der von Bach verbal geschilderten Situation, aber nicht auf ein Erraten der Worte selbst oder auf die penible Rückübertragung dieser Worte auf die Musik. Wie albern dies wäre, mögen die beispielhaft zitierten Worte zeigen: PROGRAMM „[ii] Hierauf fängt alsobald der Melancholicus an zu brummen und läßt sich durch lauter tiefsinnige Vorträge wieder hören. Hierüber [kk] spielet und tändelt CARL PHILIPP EMAnUEL BACH (1714-1788): der Sanguineus. Dieses beides geht teils wechselweise, teils zusammen so fort, SOnATE, SInFOnIE, KOnZERT bis der Sanguineus, da er sieht, daß dadurch nichts herauskommt, [ll] sich aufs Konzert a-Moll für Violoncello und Orchester Wq. 170 (H. 432) Bitten zu legen anfängt, um den andern auf seine Seite zu bewegen“. Murren, Allegro assai – Andante – Allegro assai tändeln, abwechseln, bitten: das lässt sich hören, aber sozusagen im Sinne all- Sinfonie Nr. 5 h-Moll Wq. 182 (H. 661) gemein-musikalischer Charaktere, nicht im Sinne eines Librettos, das über die Allegretto – Larghetto – Presto Bühne projiziert wird. Lächerlich ist nicht die Instrumentalmusik, sondern lächerlich ist Rousseaus PAUSE Versuch, ihr „allgemein-charakterisierendes“ Wesen lächerlich zu machen. Wer diese Art der Charakteristik nicht ertragen kann, der soll eben Lieder anhören. Triosonate c-Moll Oder Romane lesen oder gar verfassen. Wahrscheinlich hätte sich Rousseau „Gespräch zwischen einem Sanguineus & einem Melancholicus“ über die Werke, die das Programm aus Bachs Wundertüte hervorgezaubert hat, für zwei Violinen und Basso continuo Wq. 161 (H. 579) Allegretto/ Presto – Adagio – Allegro geärgert oder wenigstens gewundert. Aber es gibt vielleicht in manchen Berei- chen doch einen Fortschritt der Ansichten: um wieviel ärmer wäre diese arme Konzert A-Dur für Violoncello und Orchester Wq. 172 (H. 439) Welt ohne das Wunder der Instrumentalmusik – ein Wunder, zu dem auch Carl Allegro – Largo – Allegro assai Philipp Emanuel Bach Wesentliches beigetragen hat. © Wolfgang Horn, UR Mit freundlicher Unterstützung des Bureau Export de la Musique Française AUSFüHREnDE

Wir danken der Meisterwerkstätte für historische Tasteninstrumente PULCInELLA ORCHESTRA Christoph Kern, 79291 Staufen für die freundliche Bereitstellung des Hammerflügels. Thibault noally Konzertmeister

David Chivers, Charlotte Grattard, Anastasia Shapoval Violine I Konzerteinführung: Prof. Dr. Wolfgang Horn, 19.00 Uhr Vortragsraum im „Haus der Begegnung“ der Universität Regensburg, Hinter der Grieb 8 nicolas Mazzoleni, Marieke Bouche, Eintritt frei! Alexandrine Caravassilis, Jean-Marc Haddad Violine II Pierre Vallet, Delphine Millour Viola

Sendung BR: 27.06.2016, 18.05 Uhr Claire Gratton Violoncello (Festspielzeit auf BR-KLASSIK) élodie Peudepièce Kontrabass Sendung Deutschlandfunk: 01.08.2016, 21.05 (Musik-Panorama) Francesco Corti

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Cut Circle (USA)

Leitung: Jesse Rodin „My Fair Lady“ – Guillaume Du Fay – Missa Ecce ancilla Sonntag, 15. Mai 2016 Domini/ Beata es Maria – Marienmotetten von Josquin Desprez 22.45 Uhr (nachtkonzert) – Chansons von Antoine Busnoys und Johannes Ockeghem Dominikanerkirche Predigergasse

Cut Circle

as amerikanische Vokalensemble Cut Circle wurde 2003 von Jesse gers), die ausschließlich aus Kopien von Renaissance-Manuskripten und DRodin gegründet und zählt zu den Spitzenensembles seines Genres. Renaissance-Drucken singt. Das Ensemble erhielt 2010 den amerikanischen Noah-Greenberg-Preis, der außerordentliche Beiträge zur historischen Aufführungspraxis würdigt. Im August 2015 gastierte das Ensemble beim renommierten „Laus Poly- Zum Programm: „My Fair Lady“ phoniae“- Festival in Antwerpen mit Konzerten und Workshops. Die jüng- ste CD-Einspielung mit Musik aus der Sixtinischen Kapelle um 1490 [Vorbemerkung des Übersetzers:] Es gibt englische Wendungen, die durch (Werke von Marianus de Orto, Josquin Desprez und Gaspar van Weerbeke) die Übersetzung ins Deutsche unverständlich würden, so auch der Titel dieses wurde mit dem Diapason d’or ausgezeichnet. Im Frühjahr 2016 erschien Konzerts: „My Fair Lady“ heißt zwar ungefähr „Meine schöne, holde Dame“, eine Doppel-CD mit den späten Messen von Du Fay. Cut Circle (der Name aber die Übersetzung würde die Pointe zerstören. Die Wendung „fair lady“ steht für das Mensurzeichen für einen schnellen Dreiertakt in der Notation ist seit dem 15. Jahrhundert dokumentiert und meint zumeist die angebetete der Renaissance) zeichnet sich durch einen bestechend homogenen Dame im Kontext höfischer Liebeslyrik. Zum geflügelten Wort wurde „My Gesamtklang und ein hohes Maß an Expressivität aus. In Regensburg gibt fair lady“ aber durch den Refrain des Kinderliedes „London bridge ist falling das Ensemble sein Deutschlanddebut. down“ und insbesondere durch dessen (ironische) Verwendung als Titel eines der beliebtesten Musicals aller Zeiten. Das Konzert verbindet Werke der Jesse Rodin ist Professor in der Musikabteilung der Stanford Universität Marienverehrung mit höfischen Chansons des 15. Jahrhunderts. Erst wenn (Kalifornien) und Mitherausgeber des „Journal of Musicology“. Er ist Autor man erkennt, dass der Titel „My Fair Lady“ auf die Jungfrau Maria wie auch verschiedener musikwissenschaftlicher Veröffentlichungen über Josquin auf Eliza Doolittle bezogen werden kann, trifft man die Intention des heutigen Desprez, u. a. betreute er die Herausgabe der L’homme armé-Messen der Konzerts, das zeigen will, wie eng die Sphären der weltlichen und der geist- Neuen Josquin-Ausgabe (2014). Er ist Mitherausgeber von „The Cambridge lichen Liebe und Verehrung in der Musik der Renaissance benachbart waren. History of Fifteenth-Century Music“ (2015). Er leitet das „Josquin-Rese- arch-Project“, ein digitales Forschungsprojekt über die Renaissance-Musik. Längst sind viele von uns mit dem Gedanken vertraut, dass im späten Als aktiver Musiker und Ensembleleiter von Cut Circle betreut er Meis- Mittelalter und der Renaissance die Grenze zwischen dem geistlichen und terklassen zur Aufführungspraxis der Vokalmusik des 15. und 16. Jahr- dem weltlichen Bereich äußerst schmal war. Vermeintlich weltliche Texte hunderts. An der Stanford Universität leitet er eine Gruppe (Facsimile Sin- konnten unversehens mit religiösem Sinn erfüllt werden, wenn sie in der

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entsprechenden Weise ausgelegt wurden, und geistliche Themen von hoher Bedeutung konnten in den verschiedensten weltlichen Kontexten gedeutet werden, ja sie konnten zuweilen sogar in diesen Kontexten im Wortsinne „profa- niert“ und travestiert werden. Ins- besondere in der Musik können wir diese Verwirbelung von Reli- giösem und Nicht-Religiösem in zahllosen Varianten beobachten. Am deutlichsten wird dies viel- leicht sichtbar in der im 15. und 16. Jahrhundert üblichen Praxis, poly- phone Messen auf der Basis von Vorlagen zu komponieren, die aus der höfischen Liebeslyrik stamm- ten. Soweit ist dies alles wohlbekannt. Aber auch noch im Jahre 2016 ist es eine Seltenheit, wenn in einem Konzert mit Musik des 15. Jahr- hunderts eine Messen-Vertonung - Der Chor singt das „Gloria“, Leitung Johannes Ockeghem DuFay und Binchois die formal am stärksten regulierte Kompositionsgattung dieser Zeit - mit Stücken kombiniert wird, in deren Dennoch ist es nicht widersinnig, wenn man die Jungfrau an die Stelle Mittelpunkt die gepriesene, aber unerreichbare Dame von hohem Rang der Dame setzt, die in Ockeghems Chanson Aultre Venus eine „andere“, steht. Irgendetwas an dieser Verbindung mag uns unziemlich erscheinen d. h. eine „zweite Venus“ genannt wird. Es ist sogar möglich, eine geist- - wohl deshalb, weil für uns Menschen der Moderne das Weltliche und liche Interpretation auf die unerreichbaren Damen zu übertragen, die uns das Geistliche strikt getrennte Bereiche bilden, die bei einer zu starken in den Chansons von Antoine Busnoys begegnen - auf eine Dame, die Annäherung womöglich Schaden an ihrer Identität erleiden. „aufgehört hat, mich [d. h. das lyrische Ich] zu lieben“ (Je m'esbaïs de vous), Im heutigen Konzert gehen wir dieses Risiko ein in der Annahme, dass auf eine andere Dame, die „furchterregend“ ist und einen - zumindest die Hörerinnen und Hörer des späten Mittelalters und der Renaissance es metaphorischen - Tod bringt, weil sie dem Verehrer ihre Zuneigung ent- nicht nur hingenommen, sondern ihre Freude daran gehabt hätten, über zieht (Terrible dame), und sogar auf eine Dame, mit der das lyrische Ich die Wechselwirkungen von Kompositionen auf französische und auf latei- einen Handel abschließen möchte: „Wenn du mir mehr Gutes tust, / als nische Texte nachzudenken. Wir sind zudem der Ansicht, dass die besten du derzeit tust, / dann kannst Du Dir meiner Dienstfertigkeit so sicher Werke dieser Zeit tief, ja leiden- sein, / das niemand deren Maß wird in Worte fassen können“ (Quant vous schaftlich empfunden und kompo- me ferez). Es ist gut möglich, dass Hörerinnen und Hörer des 15. Jahrhun- niert sind und deshalb auch einen derts die Jungfrau Maria in diese Lieder hineininterpretieren konnten, ausdrucksstarken und leiden- und ebensogut ist es möglich, dass sie zum Nachdenken über ihre eigenen schaftlichen Vortragsstil erfordern. weltlichen Liebesdinge angespornt wurden, wenn sie während eines Sogar bei der Aufführung einer Hochamts mit idealisierten Darstellungen der Jungfrau Maria in Berüh- Messen-Vertonung werden wir rung kamen. von der unleugbaren Energie und Vitalität der Musik erfasst. Virgo prudentissima Das Motto unseres Konzerts, „My Josquins dichte Vertonung dieses Textes, der vom Hohen Lied Salomonis Fair Lady“, bezieht sich auf die angeregt ist, formuliert das Thema des heutigen Konzerts mit seiner außergewöhnliche Verehrung der Schlusszeile "leuchtend wie der Mond, strahlend wie die Sonne" („pulchra Jungfrau Maria, die wir in dieser ut luna, electa ut sol“). Man beachte insbesondere, dass der Schluss des Epoche vorfinden. In einigen Stü- Stückes gewissermaßen ein Wortspiel ist: Josquin gewinnt hier im Gefolge cken des Programms - den Motet- einer konventionellen Praxis aus den lateinischen Wörtern „ut“ und „sol“, ten von Josquin Desprez und der die zugleich als sogenannte Solmisationssilben fungieren, die Töne G („ut“) Messe von Guillaume Du Fay - und D („sol“ im hexachordum durum) in den drei Unterstimmen und vor wird Maria direkt und ausdrück- allem im Bass. lich angesprochen. In den franzö- sischen Chansons dagegen, die Je m'esbaïs de vous zwischen diese geistlichen Stücke Das elegante Rondeau von Busnoys zeigt ein höfisches Liebesgedicht des wie Farbtupfer eingefügt sind, 15. Jahrhunderts im Stadium seiner höchsten Blüte. Die geschmeidige wird die Jungfrau Maria nirgends Melodie, die in der Oberstimme liegt, bewegt sich graziös durch das erwähnt. Im Gegenteil: die meisten Gedicht, wobei am Ende jedes Verses eine Kadenz erreicht wird, ohne dass dieser Liebeslieder wenden sich an dadurch der Melodiefluss beeinträchtigt würde. In einigen Abschnitten eine unerreichbare Dame als dem koordiniert Busnoys die Stimmen in verblüffender Weise, so bei dem Wort Ziel einer idealisierten Art höfi- „mainctenez“ („festhalten“) und seinen Wiederholungen, wo die oberen Jesse Rodin scher Liebe. Stimmen gemeinsam zu ihren jeweils höchsten Noten aufsteigen.

49 Mai 2016 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG

Christe fili dei Dieses Stück vermittelt zunächst den Eindruck, als handle es sich um ein gewöhnliches Gebet an Christus. Aber in Wahrheit bildet dieses Stück den letzten Abschnitt in einem Zyklus von sieben Motetten (Vultum tuum depre- cabuntur / „Dein Antlitz werden anflehen alle Reichen des Volkes“) zum Lobpreis Mariens. Das Gebet weist auf sein wahres Thema hin mit der Textzeile: „Precibus sanctissime matris, adiuva nos“ („Hilf uns aufgrund der Gebete deiner allerheiligsten Mutter“). Aber der Schlüssel zum Ver- ständnis ist das vollständige Zitat einer Stelle aus dem berühmten Liebes- lied J'ay pris amours („Ich habe mir die Liebe als meine Richtschnur gewählt“) im Altus der Motette. Dieses musikalische Zitat bekräftigt die Verbindungen des Werkes zu Maria: das Objekt der Liebe ist hier uminter- pretiert von der weltlichen Dame in die Gestalt der heiligen Jungfrau.

Aultre Venus Zwar wird das Rondeau Aultre Venus nicht so oft aufgeführt wie Ockeg- hems bekannteste Chansons (z. B. D'ung aultre amer oder Fors seulement l'attente), doch gehört es zweifellos zu den beeindruckendsten Chansons seiner Zeit. Dem auf hoher Stilebene angesiedelten Thema entspricht eine Petrus Christus (ca. 1444-1475/76), Brügge, Beweinung Christi musikalische Redekunst, der es gelingt, zugleich feinsinnig und fast über- sensibel zu reagieren. Man beachte, wie die Gesangslinie zu Beginn der Quant vous me ferez zweiten Phrase nach oben strebt („Plus que nulle aultre...“ / „Mehr als Die textlich-musikalische Form des „Rondeau“ gehört (neben „Ballade“ jedes andere...“), um dann gleich wieder abzusteigen („... creature“ / „... und „Virelai“) zu den sogenannten „formes fixes“ der französischen Lyrik Geschöpf“). Oder man betrachte den Anfang des Refrainteils B, wo die vom Spätmittelalter bis ins 15. Jahrhundert. Ein Rondeau - und damit auch Musik noch weiter in die Höhe steigt bis zur krönenden Phrase „De corps, jedes Rondeau unseres Konzerts - folgt dem Schema AB aAab AB. A/a und de beaulté, de figure“ („An Körper, Schönheit, Antlitz“). Diese emotionalen B/b bezeichnen die beiden musikalischen Teile des Rondeau, wobei an den Höhepunkte und Talsohlen werden ergänzt durch das unvermutete Stellen A und B nicht nur der jeweilige musikalische Teil, sondern auch Erscheinen schneller Noten (z. B. „taille“/ „baille“ am Ende des Melodie- derselbe Text wiederholt wird (A und B sind deshalb im engeren Sinn des teils B/b), die wohl die wahrhaft göttlichen Qualitäten der Angebeteten Wortes „Refrains“), während bei a und b die bekannte Musik mit neuem heraufbeschwören sollen. Text verbunden wird. Dieses Schema weist zwei charakteristische, eng miteinander verbundene Eigenheiten im Verlauf auf. Zum einen muss Terrible dame man nach dem einleitenden Erklingen des gesamten Refrains (AB) lange Diese kühne kleine Liedkomposition beginnt mit einem „fauxbourdon“, warten, bevor die Musik des b-Teils wieder zu hören ist, denn dazwischen also in Parallelklängen, in denen sich die Stimmen in der Skala auf- und erklingen die Teile aAa. Und zum anderen sorgt der Verlauf des Textes abwärts bewegen. Das Stück ist konzipiert als Dialog zwischen einem dafür, dass der Refrain AB bei seinem Erklingen am Schluss des Stückes schmachtenden Liebhaber und seiner angebeteten Dame, die sich abwei- oftmals eine neue Bedeutung angenommen hat. In dem Rondeau Quant send verhält. Wir hören eine Reihe scharfer Kontraste während des anfäng- vous me ferez („Wenn du mir mehr Zuwendung schenken willst“) überra- lichen Wortwechsels, danach dann eine noch dramatischere Wendung schen alle „neuen“ Textteile (also diejenigen, die mit den Buchstaben a („C'est par deffault“/ „Das liegt an dem Fehler“), wenn der Liebhaber sei- oder b bezeichnet sind) dadurch, dass sie sich lesen lassen wie ganz ner Frustration freien Lauf gibt. gewöhnliche höfische Liebeslyrik. Erst mit der Wiederholung des Refrains AB am Schluss erkennen wir, dass Verspre- Missa Ecce ancilla domini/Beata es Maria chungen wie "Mon cueur est votre, non pas mien" Komponiert über zwei Antiphonen aus dem Offi- („Mein Herz ist dein Besitz, nicht meiner“) abhän- zium an Marienfesten, handelt Du Fays Messe gig sind von dem oft wiederholten Ersuchen des natürlich in besonderem Maße von der Jungfrau Sprechers, der größere Wohltaten seitens der Maria. Womöglich ist die Messe sogar konkret Dame wünscht und erst nach deren Gewäh- für eine marianische Feier in der Osterzeit rung seine Versprechen einlösen würde. geschrieben worden. In dieser Epoche des Übergangs vom Spätmittelalter zur Renais- Ave maris stella sance ist es freilich schwierig, ein so univer- Die meisten mehrstimmigen Hymnen-Ver- sales Thema wie „Maria“ mit irgendeinem tonungen unserer Epoche sind recht schlicht: bestimmten Kompositionsstil zu verbinden die tieferen Stimmen folgen wie ein Schatten - aber vielleicht ist es kein Zufall, dass diese der Hauptstimme, die im Diskant liegt und zutiefst intime Messe geradezu im Überfluss eine schlichte Choral-Melodie paraphrasiert. zweistimmige Passagen enthält. Solche „Duos“ Aber in den Händen von Du Fay und Josquin finden wir sogar dort, wo wir sie eigentlich gar erlangt der einfache Hymnus Ave maris stella eine nicht erwarten, so in der Mitte des Kyrie I, wo die ungewöhnliche Beredsamkeit. Du Fays nur auf den Josquin Desprez zweistimmigen Partien eine lange Unterbrechung der ersten Blick einfacher Satz mit seinen drei in vollkomme- umgebenden vollstimmigen Texturen bedeuten. nem Grade koordinierten Stimmen erweckt den Eindruck von Die gesamte Messe hindurch verwendet Du Fay den Wechsel von müheloser Leichtigkeit. Josquins Vertonung erscheint hier stärker reflek- Satzstrukturen, um die Musik über lange Zeitspannen hinweg zu organi- tiert: Tenor und Superius führen die Choralmelodie im Oktavkanon durch, sieren. Ein herausragendes Beispiel ist das „Qui tollis“, das den zweiten gegen die Josquin einen lebhaften und beweglichen Altus setzt, der die Abschnitt im Gloria dieser Messe bildet. Nach einem milde dahinfließen- Hauptarbeit in diesem Stück leistet, indem er die Musik vorantreibt. den Oberstimmenduo, das vor der Anrufung „suscipe“ zu einem vollstän-

50 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG Mai 2016

digen Halt kommt, tritt der Bass ein, während Cantus und Contra in Imi- Messe zu komponieren. Das Agnus tationen weitergetrieben werden - zuerst in gleichförmigen Rhythmen, Dei III ist eine exakte Wiederho- dann, bei der Stelle „deprecationem nostram“, mit gleichsam überborden- lung des Osanna II. Aber auch den Synkopierungen. Dieses Satzgewebe bereitet die Bahn für den Einsatz wenn das Agnus Dei III dieser der Tenorstimme („qui sedes“). Aber Du Fay behandelt diesen Tenorein- Messe kein „großes Finale“ ist, so satz eigentlich nicht als Höhepunkt einer Steigerung; vielmehr führt er bildet es dennoch einen ausdrucks- den musikalischen Diskurs weiter, indem er die Rhythmik wieder verein- starken Abschluss des Werkes. Du facht. Fay macht hier ein letztes Mal Erst im folgenden Duo („quoniam tu solus sanctus“), in dem zwei dicht Gebrauch von seinem kreativen aufeinanderfolgende Kadenzen wieder die anderen Stimmen ins Spiel Umgang mit der Satztechnik: bei bringen, beginnt Du Fay den Weg in Richtung auf das abschließende den Worten „dona nobis pacem“ „Amen“ einzuschlagen. setzt der Cantus aus, während die Cover der Doppel-CD von Cut Circle Wir haben uns dafür entschieden, alle fünf Ordinariumsteile von Du Fays Unterstimmen unter Führung des „G. Du Fay, Späte Messen“ Missa Ecce ancilla domini in direkter Folge zu singen, um die musikalischen Contra mit erneuerter Energie vor- Verbindungen zwischen den Teilen zu verdeutlichen. Natürlich sind die wärtsstreben. Beim nächsten Zäsurpunkt tritt der Cantus auf einem tiefen Ordinariumsteile während des Gottesdienstes durch andere liturgische Ton ein, bewegt sich dann stufenweise aufwärts und leitet so den Schlus- Funktionen voneinander getrennt. Vermutlich haben Du Fay und andere sabschnitt des Werkes ein. Unterdessen beschließt der Tenor seinen letzten zeitgenössische Komponisten gerade aus diesem Grund die Teile durch Vortrag der Worte „Beata es Maria“ - der als Cantus firmus dienenden verschiedene musikalische Mittel miteinander verbunden. Marienantiphon - mit dem nachdrücklichen Ausruf: „Alleluia“! Das wichtigste dieser Mittel ist wohl die Verwendung eines „Kopfmotivs“ © Jesse Rodin - einer kleinen, wiedererkennbaren Wendung, die zu Beginn jedes Ordi- Übersetzung: Wolfgang Horn, UR nariumsteils erklingt, dabei aber im Verlauf der Messe elegant verändert wird. Die Phrase, die wir am Anfang des Kyrie hören, wird am Beginn des Gloria erweitert, wo sie als Ausgangspunkt für ein wesentlich längeres Einleitungs-Duo dient. Das Credo beginnt wie das Gloria, aber das Ein- PROGRAMM leitungs-Duo ist hier noch stärker ausgedehnt. Der entscheidende Punkt „MY FAIR LADY“ – kommt dann im Sanctus, das mit der Musik des Kyrie beginnt, die jetzt MISSA – MARIEnMOTETTEn – CHAnSOnS freilich durch eine lebhafte Basslinie gestützt wird. Wenn man die Stelle im geschilderten Kontext hört, dann versteht man die dreistimmige Satz- struktur als eine intensivierte Vertonung des Textes („Heilig, heilig, hei- JOSqUIn DESPREZ Motette: Virgo prudentissima (um 1450/55 – 1521) lig!“). Dagegen kehrt das Agnus Dei zur schlichten Musik des Kyrie zurück; der einzige Unterschied besteht in einer angefügten „Coda“, die AnTOInE BUSnOYS Chanson: Je m’esbaïs de vous für einen geschmeidigeren Übergang in den vollstimmigen Satz sorgt. (um 1435 – um 1492) Chanson: Quant vous me ferez Du Fay hat die Messe um 1464 geschrieben, zu einer Zeit, als es noch nicht üblich war, das Agnus Dei III als den abschließenden Höhepunkt der GUILLAUME DU FAY / JOSqUIn Hymnus: Ave maris stella (um 1400 – 1474)

Dominikanerkirche nerkloster. Die Kirche wurde JOSqUIn DESPREZ Motette: Christe fili dei gemäß der Regel des Bettelordens Die Dominikanerkirche gehört zu der Dominikaner in strenger JOHAnnES OCKEGHEM Chanson: Aultre Venus den frühesten Schöpfungen der Schlichtheit erbaut. Sie besitzt des- (um1420/25 – 1497) deutschen Gotik und ist eine der halb auch keinen ihren Ausmaßen größten Bettelordenskirchen in entsprechenden Turm. AnTOInE BUSnOYS Chanson: Terrible dame Deutschland. Mit ihrem Bau wurde Unter den Wandfresken im Inneren 1246 begonnen. Anfang des 14. ist v. a. eine Darstellung der 14 Not- GUILLAUME DU FAY Missa Ecce ancilla Jahrhunderts war die Kirche bereits helfer von 1331 hervorzuheben, Domini / Beata es Maria fertiggestellt. Albertus Magnus, der eine der frühesten, die wir kennen. Kyrie – Gloria – Credo – Sanctus – Osanna I – berühmte Gelehrte und Bischof von Die Fresken wurden bei Renovie- Benedictus – Osanna II – Agnus Dei Regensburg, wirkte von 1236 bis rungsarbeiten zwischen 1967 und 1240 im Regensburger Dominika- 1973 freigelegt. Sendung BR: 28.05.2016, 22.05 Uhr (Forum Alte Musik)

Sendung Deutschlandfunk: Sendetermin steht noch nicht fest

AUSFüHREnDE

CUT CIRCLE

Carolann Buff, Clare Mcnamara Sopran

Lawrence Jones, Steven Soph Alt

Jonas Budris, Bradford Gleim Tenor

Sumner Thompson, John Taylor Ward Bass

51 Mai 2016 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG

Diskografie der Tage Alter Musik Regensburg 2016

Regensburger Domspatzen 660, 664, 678, Blockflötenkonzert RV 441, Choir of Clare College, Cambridge, Morten- konzert d-moll Wq. 17. Vol. 2. Aparté AP 118 Gesänge für die Ewigkeit. Passions- und Fagottkonzert RV 484. Tone Wik, Sopran. 2L sen. Obsidian Records OBSCD 711 Bach: Arien mit Violoncello piccolo. San- Ostergesänge. Victoria, Palestrina, Ingegneri, 56 Baroque Suites. Bach: Orchestersuite Nr. 1, drine Piau, Sopran, Christophe Dumaux, Lasso u.a. Roland Büchner. Fux: Ouvertüre für zwei Oboen, 2 Violinen, Altus, Emiliano Gonzalez Toro, Tenor. Jubilate Deo. Palestrina: Missa Papae Mar- Dresdner Kammerchor, Dresdner Viola, Fagott & Violine, Rameau: Zoroastre. Aparté AP 045 celli, Victoria, Lasso, Ingegneri, G. Gabrieli Barockorchester, Rademann Ltg., Cembalo: Lars Ulrik Mortensen. The Bach: Cellosuiten. Ophélie Gaillard. Aparté u.a. Roland Büchner. Schütz: Psalmen Davids. Carus CAR 83255 Gift of Music CCLCDG 1211 AP 017 (2 CD) Händel: Messias. Fuge, Adjei, Nettinger, (2 CD) Pure Handel. Händel: Wassermusik Suite Speer. Musica Florea, Prag, Roland Büchner. Schütz: Symphoniae sacrae III. Carus CAR Nr. 1, Concerto grosso op. 6/ 2, Ero e Lean- Cut Circle CFM 25 (2 CD) 83258 (2 CD) dro, Admeto: Ouvertüre u.a. Maria Keo- Dufay: Les Messes à Teneur. Missa Ecce Schütz: Psalmen Davids. Hamburger Bläser- Schütz: Johannespassion. Carus CAR 83270 hane, Sopran, Steenbrink, Daniel, Morten- ancilla Domini u.a. Musique en Wallonie kreis für Alte Musik, Ulsamer Collegium, Schütz: Auferstehungshistorie. Carus CAR sen. Estonian Record Productions ERP 6212 MEW 157778 (2 CD) Schneidt. Archiv Produktion 479 555 5 (50 CD) 83256 Händel: Apollo e Dafne, The Alchymist. Musique a la Chapelle Sixtine autour de Bach: Magnificat BWV 243a, Kantate BWV Schütz: Weihnachtshistorie, Magnificat u.a. Olga Pasiecznik, Sopran, Robert Pomakov, 1490. Despres, Dufay, Orto, Vaqueras, Weer- 10. Ryden, Kordes, Minter, Brutscher, Har- Carus CAR 83257 Bass, Ltg.: Roy Goodman. Naxos 8.555712 beke. Musique en Wallonie MEW 126566 (2 vey, Musica Florea, Büchner. Glissando 779 Schütz: Geistliche Chormusik 1648. Carus Rameau: Ballet Suites: Platée, Pigmalion, CD) 019 2 CAR 83232 (2 CD) Dardanus, Ltg.: Roy Goodman. Naxos Bach: Matthäuspassion. Esswood, Equiluz, Schütz: Italienische Madrigale. Carus CAR 8.557490 Ensemble Zefiro van Egmond, Bowman, Rogers, Ridder- 83237 Corbett: Bizzarie Universali op. 8. Andrew Harmonie & Turquerie. Gaetano & Giu- busch, King’s College Choir Cambridge, Schütz: Musikalische Exequien, Trauerge- Manze, Violine, Roy Goodman, Ltg. Chan- seppe Donizetti, J. & M. Haydn, Mendels- Harnoncourt. Teldec 2292-42509-2 (3 CD) sänge. Carus CAR 83238 nel CCS1391 sohn, Mozart, Schubert, Spohr, Witt. Arcana Schütz: Zwölf geistliche Gesänge. Carus The Feast of Music. Classical favourites for A 391 L’Orfeo Barockorchester, Michi Gaigg CAR 83239 dining and entertaining. Händel: Concerto Mozart: Gran Partita KV 361, Divertimento (Auswahl) Schütz: Cantiones Sacrae. Carus CAR 83252 grosso op. 3/ 2, Rameau, Vivaldi: Konzert für KV 166, Ouvertüren zu den da Ponte-Opern. Bach: Kantaten BWV 199 & 204. Huldi- (2 CD) zwei Oboen RV 535 & op. 3/ 2. Violine, Ltg.: Naive NC 40006 (2 CD) plus Buch gungsarie BWV 1127. Mields. Carus CAR Schütz: Lukaspassion & Die Sieben Worte Nicolas Mazzoleni. The Gift of Music Mozart: Harmoniemusiken aus den da- 83309 Jesu am Kreuz. Carus CAR 83253 CCLCDG 1056 Ponte-Opern. Arcana A 374 Telemann: Hoffnung des Wiedersehens. Schein: Israelsbrünnlein. Carus CAR 83350 Corelli’s Legacy. Castrucci, Corelli, Gemi- Concerti veneziani per oboe. Albinoni, Arien, Operneinlagen, weltliche Kantaten. (2 CD) niani, Montanari, Mossi, Valentini, Visconti. Bigaglia, A. Marcello, Platti, G. Sammartini, Mields. 88697 Hasse: Requiem C-Dur, Miserere c-moll. Valentini. Ltg.: Riccardo Minasi. K&K Vivaldi: RV 499, 460. Arcana A 380 90182 2 Carus CAR 83349 Kuk110 Vivaldi: Fagottkonzerte. Alberto Grazzi. Schubert: Konzertouvertüren. Deutsche Buxtehude: , Kantaten Händel: Wassermusik (Oxforder Kammer- Arcana A 365 Harmonia Mundi 88697 91138 2 BuxWV 102 & 104. Carus CAR 83234 musikversion) u.a., Sterkel, Stanley, Pleyel. Telemann: Ouvertures à 8 für 3 Oboen, Rameau: Orchestersuiten aus Zais & Hip- Händel: Saul. Prohaska, Andersen, Mead, Gift of Music CCLCDG 1199 Fagott, Streicher und B.c. Arcana A 371 polyte et Aricie. Crystal 67063 Schmitt u.a. Carus CAR 83243 (3 CD) Händel: Feuerwerksmusik, Concerti a due Telemann: Orpheus oder Die wunderbare Hasse: Requiem Es-Dur, Miserere d-moll. Les Basses Réunies, Bruno Cocset cori. Arcana A 386 Beständigkeit der Liebe. Mields, Volpert, Carus CAR 83175 Vivaldi: Cellokonzert h-moll RV 424, Kon- Vivaldi: Concerti per oboe. Naive OP 30478 Hofbauer, Zenker, B. Kraus, Mayr u.a. Deut- Heinichen: Missa Nr. 11, Dixit Dominus. zert für Violine, Orgel & Streicher RV 541, Händel, Telemann: Wassermusik. Ambroi- sche Harmonia Mundi 88843 07644 2 (2 CD) Carus CAR 83149 Konzert für zwei Celli g-moll RV 531 u.a. sie AM 192, AM 901327 Haydn: Die wüste Insel. Hofbauer, B. Kraus, Zelenka: Te Deum, Missa Nr. 9. Carus CAR Agogique AGO 016 Vivaldi: Concerti per vari strumenti. Naive Zenker, Mayr. Deutsche Harmonia Mundi 83148 Bach: Gambensonaten BWV 1027-1029, Trio OP 30409 88697 65297 2 d-moll BWV 583, Triosonate Nr. 4 e-moll Druschetzky: Quartet g.moll, Serenade Es- Haydn: Arie per un’amante. Sämtliche Ein- La Compagnia del Madrigale BWV 528a, Choral „Wachet auf, ruft uns die Dur, Quintett C-Dur. Ambroisie AM 9925 lagearien für Sopran und Orchester. Nuria Gesualdo: Sesto Libro di Madrigali, 1611. Stimme“ BWV 645, Violinsonate u.a. Alpha Händel: Venus & Adonis. Kantaten & Sona- Rial. Deutsche Harmonia Mundi 88697 Glossa GCD 922801 ALP 139 ten. Gemma Bertagnolli. Deutsche Harmo- 38867 2 Gesualdo: Responsoria et alia ad Officium Jean Barrière: Cellosonaten Vol. 2. Alpha nia Mundi DHM 88697 63023 2 Mozart: Betulia liberata. Oitziger, Zenker, Hebdomadae Sanctae spectantia. Respons- ALP 220 Mozart: Oboen- und Fagottkonzerte, Con- Volpert, Gerber, Hofbauer, Kraus. Challenge orien für die Karwoche. Glossa GCD 922803 Evaristo e Joseph Dall’Abaco: Padre E certone. Deutsche Harmonia Mundi 88697 Classics CC 72590 (2 CD) (3 CD) Figlio. 11 Capricci & altri canzoni. Agogique 92408 2 Monteverdi: Il pianto della Madonna. AGO 011 Gatti: Quartett, Sextet, Septett. Ambroisie Tiburtina Ensemble Glossa GCD 922805 Purcell: Fantazias & In Nomines. Agogique AM 9934 Flos inter Spinas. Supraphon SU 4037 Marenzio: Quinto Libro di Madrigali a sei AGO 007 Apokalypsis. Codex Las Huelgas. Mit voci, 1591. Glossa GCD 922804 Vivaldi: Cellosonaten. Alpha ALP 313 ClubMediéval, Thomas Baete David Doruzka Trio. Supraphon ANI 041 Marenzio: Primo Libro di Madrigali, 1580. Vivaldi: Sechs Sonaten für Violoncello und Paolo da Firenze (1390-1437): Amor, tu solo’l Cantigas de Santa Maria. Blazikova, Kabát- Glossa GCD 922802 Continuo. Alpha ALP 004 sai. Madrigale & Ballate. Musica Ficta MF ková, Übellacker, Novák. Phi LPH 017 Orlando Furioso. Madrigale auf Texte aus Boccherini: Sonaten und Konzerte für Vio- 8017 dem Ariosto-Epos. Arcana A 363 loncello. Alpha ALP 084 La Ritirata Jean Barrière: Sonaten für Violoncello & Euskal Barrokensemble, Enrice Solinis Andrea Falconieri: Il Spiritillo Brando. Höfi- L’Acheron, Francois Joubert-Caillet Basso Continuo. Alpha ALP 015 Colores del Sur. Cruz, Kapsberger, Murcia, sche Tanzmusik aus Italien und Spanien, ca. Holborne: The Fruit of Love. Pavans, Gail- Geminiani: Sonaten für Violoncello & Basso Riza, Sanz, D. Scarlatti u.a. Glossa GCDP 1650. Ortiz, Vitali, Castello, Salaverde, lards, Almains, and other short Aeird... Continuo op. 5 Nr. 1-6. Alpha ALP 123 33301 Gabrieli u.a. Glossa GCD 923101 (1599). Ricercar RIC 339 Captain Tobias Hume: Harke, harke! Lyra Euskel Antiqva. Legacy of the Land of Bas- Juan Crisótomo de Arriaga: Die Streich- Samuel Scheidt: Ludi Musici (1621). Ricer- Violls Humors & Delights. Alpha ALP 197 que. Alia Vox AV 9910 quartette. Glossa GCD 923102 car RIC 360 Gabrielli: La Nascita del Violoncello. Vitali, Das Violoncello in Spanien. Boccherini und Marais: Pieces Favorites. Ricercar RIC 364 Gabrielli, Jacchini, Antoni. Agogique AGO Les Passion de l’Ame, Meret Lüthi weitere Virtuosen des 18. Jh.: Paganelli, 001 Bewitched. Geminiani: Concerti „La Foresta Supriano, Vidal u.a. Glossa GCD 923103 European Union Baroque Orchestra Frescobaldi: Canzoni Instrumentale. Alpha incantata“, The Enchanted Forest, La Follia Concierto Barroco. Falconieri, Selma, Vivaldi: Vier Jahreszeiten & Konzerte RV ALP 053 op. 5/ 12, Händel: Armida abbandonata. Castello, Vivaldi, Telemann, Paisible. Cantus 124 & 157. Cicic, Pramsohler, Valova, Daniel. Bach: Cellosuiten. Cocset. Alpha ALP 301 (2 Robin Johannsen, Sopran. Deutsche Harmo- CV 1210 (DVD-Video) Mortensen. Obsidian Records CCLCD 713 CD) nia Mundi 88843 04088 2 Joy & Sorrow – Unmasked. Bach: Br. K. Nr. Spicy. „Exotic“ Music for Violin. Biber, Fux, Barokkanerne, Alfredo Bernardini 3, Kantate BWV 51, Händel: Concerto grosso Pulcinella, Ophélie Gaillard Schmelzer. Deutsche Harmonia Mundi Telemann: Oboenkonzert c-moll, Konzert op. 6/ 2, Ferrandini, Torelli. Maria Keohane, C.Ph.E. Bach: Hamburger Sinfonie Wq. 182/ 88883 74874 2 für Flöte, Violine & Streicher, Violinkonzert Sopran, Sebastian Philpott, Trompete, Huw 5, Triosonate Wq. 161/ 2, Cellokonzert Nr. 3 B-Dur. Lawo LWC 1074 Daniel, Konzertmeister. Estonian Record A-Dur Wq. 172 & Nr. 1 a-moll Wq. 170. Vol. Die aufgeführten CDs der mitwirkenden Künst- C.Ph.E. Bach: Empfindsamkeit: Sinfonien Productions DVDERP 6412 (DVD-Video) 1. Aparté AP 080 ler der Tage Alter Musik Regensburg 2016 sind Wq. 178 & 183/ 1, Oboenkonzert Wq. 165, Händel: Peace & Celebration. Concerto C.Ph.E. Bach: Sinfonien Wq. 182/ 3 & e-moll im Informationszentrum der Tage Alter Musik Cembalokonzert Wq. 17. Lawo LWC 1038 grosso op. 3 Nr. 2, Ode for the Birthday of Wq. 178, Cellokonzert B-Dur Wq. 171, Pic- im historischen Salzstadel an der Steinernen Brü- Vivaldi: Bellezza Crudel. Kantaten RV 679, Queen Anne, Coronation Anthems Nr. 1-4. colo Cellosonate D-Dur Wq. 137, Cembalo- cke und an den Konzertkassen erhältlich. 52 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG Mai 2016

Nach dem Konzert in der Dreieinigkeitskirche 2015

Podestabbau in der Dreieinigkeitskirche 2015

53 Mai 2016 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG

Montag, 16. Mai 2016 Zefiro (Italien) 11.00 Uhr (Freiluftkonzert) Innenhof des Thon-Dittmer-Palais Oboe & Leitung: Alfredo Bernardini Harmoniemusik & Türkenmode – Haidplatz Bläsermusik für Hof, Kirche und Militär um 1800 Bei ungünstiger Witterung findet das Konzert in der St.-Oswald-Kirche, Weißgerbergraben, statt.

Zefiro

as italienische Bläserensemble Zefiro und sein Gründer und Leiter, der Vivaldi und Druschetzky, die mit mehreren internationalen Preisen ausge- Dexzellente Oboist Alfredo Bernardini, zählen zu den Künstlern der Tage zeichnet wurden (u. a. dem „Grand Prix du Disque“, dem „Premio Nazionale Alter Musik Regensburg, die in der nun 32-jährigen Geschichte des Festivals Classic Voice“, dem „Choc du Monde de la Musique“ 2007 sowie dem „Dia- mit am häufigsten zu Gast waren. pason d’Or“ 2009). 1999 realisierte das Ensemble einen Dokumentarfilm über Als Namensgeber hat sich das italienische Ensemble Zefiro einen verlässlichen Antonio Vivaldi für das belgische Fernsehen. Bei Deutsche Harmonia Mundi Paten gewählt: Zephir ist in der griechischen Mythologie der Gott der west- erschienen Aufnahmen mit Harmoniemusik von Beethoven, Divertimenti für lichen Winde. Seit seiner Gründung 1989 hat Zefiro bei vielen bedeutenden Bläser und Streicher von Mozart, Händels „Feuerwerksmusik“ und Concerti europäischen Festivals gespielt, u. a. in Amsterdam, Barcelona, Bremen, Genf, a due cori, Mozarts Fagott- und Oboenkonzert sowie Concerti und Ouverturen Halle, Helsinki, Innsbruck, Lyon, Manchester, Mailand, München, Paris, von J. F. Fasch. Palma, Prag, Utrecht sowie in Israel und Ägypten, und überall vom Publikum Jüngste Aufnahmen erschienen beim Label ARCANA: Orchesterouvertüren und von der Presse einhelligen Beifall bekommen. Die Oboisten Alfredo Ber- von G. Ph. Telemann (2013), Venezianische Oboenkonzerte des Barock (2014), nardini und Paolo Grazzi sowie der und zuletzt die CD „Harmonie & Fagottist Alberto Grazzi waren bzw. Turcherie“ (2015), die viele Stücke sind Mitglieder einiger der renom- des Regensburger Konzertpro- miertesten Barockorchester der Welt, gramms beinhaltet. darunter Hespèrion XXI, La Petite Bande und das Freiburger Barockor- chester. Mit Zefiro erfüllten sie sich Zum Programm: den Wunsch nach einem eigenen Ensemble, bei dem die Holzbläser im Der Begriff der Harmoniemusik Vordergrund der Programmüberle- findet sich bereits einige Jahrzehnte gungen stehen. Experimentierfreu- vor ihrer eigentlichen Blütezeit im dig und flexibel spielt das Ensemble letzten Viertel des 18. Jahrhunderts in verschiedenen Besetzungsgrößen bei Hannß Friedrich von Fleming, vom Quartett bis zum Kammeror- der 1726 in Der Vollkommene Teut- chester. Die Diskographie von Zefiro sche Soldat das Sextett der Chur- enthält CDs mit Werken wie Mozarts fürstlich-Sächsischen Armee, beste- gesamter Holzbläsermusik, den hend aus je zwei Oboen, Hörnern Sonaten Zelenkas oder Musik von und Fagotten, als „eine recht ange-

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nehme Harmonie“ bezeichnet. Recht schnell wurde unter „Harmonie“ dann gemeinhin ein Bläserensemble verstanden und nicht, wie vielleicht naheliegend wäre, ein satztechnischer oder klangästhetischer Terminus. Wann und warum genau dieser Übergang vollzogen wurde, kann die For- schung bis heute nicht zweifelsfrei erklären. Gesichert ist jedoch das Zen- trum der Harmoniemusik, das sowohl in kompositorischer als auch in auf- führungspraktischer Hinsicht zumindest seit 1770 in Wien zu suchen ist. 1782 mit der Gründung der „Kaiserlichen Harmonie“ avancierte die Beset- zung mit je zwei Oboen, Klarinetten, Hörnern und Fagotten zum Standard, wie er auch zwanzig Jahre später von Heinrich Christoph Koch in seinem musikalischen Lexikon definiert wurde. Nichtsdestotrotz gibt es eine Viel- zahl von Ausnahmen, so dass die Erscheinungsformen der „Harmonie- musik“ nicht zu eng gefasst werden sollten. In den ersten drei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts geht die Harmoniemusik schließlich völlig in der Militärmusik auf, die ja gerne auch als „Feldmusik“, also Musik unter freiem Himmel, bezeichnet wird. Davon abzugrenzen ist die Janitscharen- oder türkische Musik, die in jedem Fall Schlaginstrumente enthält. Beispiele für letztere sind zwei Stücke von Michael Haydn und Wolfgang Amadeus Mozart. Die Entstehung von Mozarts Die Entführung aus dem Serail ab Juli 1781 bis zur Uraufführung im darauffolgenden Jahr fällt zusammen mit der ausufernden Wiener Begeisterung für „Türkenmode“ in der Musik, die auf die Vertreibung der Osmanen aus Österreich zurück- geht. Die äußert kurze Marcia zu Beginn des sechsten Auftritts mutet auch deshalb türkisch an, da Mozart nur hier Gebrauch macht von einer „deut- Alfredo Bernardini schen“ und einer „türkischen Trommel“. Mozarts Briefwechsel mit seinem Vater Leopold deutet darauf hin, dass er für diese Marcia auf ein bereits des vorangehenden vierten Satzes („allhier und dort in Ewigkeit“) weiter komponiertes Werk zurückgriff. Um welches Werk es sich dabei handeln und versinnbildlicht die „Ewigkeit“ beispielsweise durch die zwei eingangs könnte, ist bis heute unklar. Außerdem fügte Mozart diesen Satz vermut- lang gehaltenen Mollakkorde, die in einer Dur-Terz aufgelöst werden. Die lich erst hinzu, als die Proben für die Premiere der Entführung bereits dynamisch differenzierte Ausarbeitung dieser Eingangstakte greift Haydn begonnen hatten. In der Marcia turchese verzichtet Michael Haydn – ganz im Verlauf der Introduktion einige Male auf. anders als Mozart – zwar auf jeglichen punktierten Rhythmus, wählt für Mehr auf Harmoniemusik als auf türkische Musik weist die Sinfonia aus das Werk aber ebenfalls die übliche zweiteilige Form. Das Ensemble Zefiro Gioacchino Rossinis Opera buffa Il Turco in Italia, die, abgesehen vom gro- führt diese beiden Werke in gleicher Besetzung auf – vielleicht in Anleh- ßen Schlagwerk, keine musikalischen Elemente türkischer Musik beinhal- nung an den geschichtlichen Zusammenhang beider Märsche, denn Haydn tet. Ursprünglich komponiert für das übliche Opernorchester, hat Giorgio komponierte seinen Marsch für eine Aufführung der Entführung in Salz- Mandolesi, Fagottist des Ensembles Zefiro, die Sinfonia für Bläserensemble burg im Jahr 1795 und ersetzte den Mozartschen Satz. arrangiert. Er folgt damit einer gängigen Methode aus dem späten 18. und Michaels älterer Bruder Joseph Haydn leistete mit seinen Divertimenti, „Feld- 19. Jahrhundert, für die zum Beispiel der Klarinettist der Liechtensteiner Parthien“ und Märschen ebenfalls mehrere Beiträge zur Harmoniemusik. Harmonie Wenzel Sedlak (1776-1851) sehr bekannt war: Da mit dem Auf- Relativ ungewöhnlich erscheint auf den ersten Blick daher, ausgerechnet ein kommen von Harmoniemusiken kaum Werke für Bläsersätze vorlagen, Stück aus seinem Oratorium Die Sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze wurden neben Neukompositionen verstärkt Opernsätze und auch ganze (Hob.XX/2) in das Programm aufzunehmen. Doch Haydn hat dieses Stück Opern „in Harmonie gesetzt“ (Mozart tat das bei seiner Entführung aus eigens für die Oratorienfassung des Werks von 1796 komponiert und ver- dem Serail sogar selbst). wendete für diesen Satz ausschließlich Blasinstrumente, die es gewisserma- Gaetano Donizettis Beitrag zur Harmoniemusik findet sich nicht in seinem ßen als Harmoniemusik „qualifizieren“. Haydn spinnt hier die letzten Worte Meisterfach, der Oper, sondern in seiner sehr frühen Komposition Sinfonia

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Gioacchino Rossini Gaetano Donizetti Felix Mendelssohn Bartholdy a soli istromenti di fiato. Einerseits probierte Donizetti in dieser Sinfonia ver- ist ein von der Musikwissenschaft gebeutelter Mann, denn man nahm bis schiedene Effekte und Eigenheiten der verwendeten Instrumente für seine etwa 1960 an, dass diese Symphonie von Ludwig van Beethoven stammt. späteren Opern aus, andererseits verwendete er die – nicht nur – für seine Ähnlich verhält es sich mit Witts Concertino für Oboe und Blasinstru- Opern typische zweiteilige Ouvertüre. Seine Sinfonia ist eines der wenigen mente, das bis 2008 fälschlicherweise Carl Maria von Weber zugeschrieben Werke für Harmoniemusik in Moll. Sein weithin unbekannter Bruder, Giu- wurde – bis die autographe Partitur auftauchte. Der Einsatz eines Soloin- seppe Donizetti, begann seine Musikerkarriere in Italien und machte sich struments ist für Harmoniemusik recht ungewöhnlich, unterstreicht aber als Militärkapellmeister einen Namen. 1828 ging er nach Konstantinopel das vielfältige Repertoire innerhalb der Gattung. und trat dort die Stelle als Kapellmeister am Hof des Sultans Mahmud II. Mit Beethovens drei Werken ohne Opuszahl 20 bis 22 kommt die Triangel (1785-1839) an. Dort übte er einen entscheidenden, europäisierenden Ein- voll auf ihre Kosten. Lediglich in zwei Takten dieser drei Stücke für Mili- fluss auf die türkische Militärmusik aus, indem er beispielsweise Oboen tärorchester schweigt dieses Instrument: im Zapfenstreich in C-Dur (WoO und Klarinetten ins Orchester aufnahm. Seine Marcia di Mahmoud spielt 20). Daneben pausiert auch das restliche Schlagwerk, wodurch Beethoven innerhalb der schlichten dreiteiligen Form mit dem majestätischen paradoxerweise – gemeinsam mit der Durvariante der Tonikaparallele – Anfangsteil und dessen Gegensatz, einem beschwingten Trio, in dem einen steigernden Effekt hervorruft. Ähnliches gelingt Beethoven vor allem bezeichnenderweise das Schlagwerk schweigt. mit der Verwendung von Terrassendynamik und Wiederholung von Vier- Ein ebenso vergessener Komponist war und ist Friedrich Witt, dessen bzw. Achttaktgruppen oder mit dem dialoghaften Einsatz einzelner bekanntestes Werk seine sogenannte „Jenaer Symphonie“ sein dürfte. Er Stimmgruppen.

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Zuletzt erklingt nach diesen gemeinhin auch als „Gebrauchskompositio- nen“ bezeichneten Werken von Beethoven schließlich das Notturno für zehn Bläser des fünfzehnjährigen Felix Mendelssohn Bartholdy. Das har- monisch mysteriöse Andante wird abrupt von Trompetenrufen unterbro- chen, bevor das heitere Allegro ein- setzt. Eine spätere Version für 23 Instrumente (inkl. Schlagwerk) fer- tigte der Komponist 1838 an – in dem Jahr, in dem er das Notturno veröffentlichte. Die reicher instru- mentierte Fassung ist eines der letzten Zeugnisse, die namentlich die Bezeichnung „Harmoniemu- sik“ im (Unter-)Titel tragen. Danach ist dieser Begriff schließ- lich völlig aus der Mode gekom- Cover der CD von Zefiro men. „Harmonie & Turcherie“ © Theresa Henkel, UR

PROGRAMM

1814 trat von Mantey-Dittmer sei- HARMOnIEMUSIK & TüRKEnMODE – Thon-Dittmer-Palais nen Geschäftsanteil an der Dittmer- BLäSERMUSIK FüR HOF, Das Thon-Dittmer-Palais ist aus schen Firma an seinen Schwager KIRCHEUnD MILITäRUM1800 zwei früher hier bestehenden mittel- von Thon-Dittmer ab, seit dieser alterlichen Patrizierhäusern hervor- Zeit besteht die Bezeichnung Thon- gegangen: Das eine an der Ecke zur Dittmer-Palais für das Gebäude am JOHAnn MICHAEL HAYDn „Marcia Turchesca“ C-Dur ST Weingasse stehende Gebäude Regensburger Haidplatz. (1737-1806) 601/P.65 (Salzburg, 6.8.1795) gehörte einst der mächtigen Das Palais ist ein Vier-Flügel-Bau, Regensburger Bürgerfamilie der der einen Innenhof umschließt. Ein FRAnZ JOSEPH HAYDn Einleitung zum zweiten Teil aus: Auer. Zur Baumhackergasse hin Spitzbogentor führt in den dreige- (1732-1809) „Die sieben letzten Worte unseres schloss das sogenannte Alkofersche schossigen und mit Renaissancear- Erlösers am Kreuze“ a-Moll Hob. Haus an. Georg Friedrich von Ditt- kaden ausgestatteten Innenhof. Die XX/2 (1796) mer erwarb 1781 zuerst das an der Laubengänge an der Westseite Weingasse liegende Gebäude; erst waren bereits um 1580 entstanden, WOLFGAnG AMADEUS MOZART Marsch der Janitscharen aus nach 1800 konnte er auch das Alko- die Arkaden an der Nordseite sind (1756-1791) dem Singspiel fersche Haus erwerben. Kaiser ein Neubau von 1979/80. Auf einer „Die Entführung aus dem Serail“ C- Franz II. erhob im Jahr 1800 Georg reich profilierten Konsole befindet Dur KV 384 (Wien, 1782) Dittmer mit seinen beiden Schwie- sich ein Uhrenerker von 1380/90. gersöhnen in den Reichsfreiherren- Unter dem Uhrenerker ist eine GIOACCHInO ROSSInI Sinfonia D-Dur aus der Oper stand, wobei sich seine Schwieger- lebensgroße, aus Holz geschnitzte (1792-1868) „Der Türke in Italien“ (1814) söhne von Mantey-Dittmer bzw. Frauenfigur aus der Zeit um 1650. (Bearbeitung: Giorgio Mandolesi) von Thon-Dittmer nannten. Im Erdgeschoss des Südflügels Adagio – Allegro Unter Leitung des Baumeisters befindet sich die Sigismundkapelle Emanuel d’Herigoyen entstand ab mit einer originalen Spitzbogen- GAETAnO DOnIZETTI Sinfonia g-Moll für Blasinstrumente 1800 das klassizistische Stadtpalais. pforte (um 1380). (1797-1848) (Bologna, 19.4.1817) Andante – Allegro

GIUSEPPE DOnIZETTI „Marcia di Mahmoud“ (1788-1856) (Istanbul, 1829) (Bearbeitung: Alfredo Bernardini) AUSFüHREnDE

FRIEDRICH WITT Concertino C-Dur für Oboe and ZEFIRO (1770-1836) Blasinstrumente (1808) Marcello Gatti Traversflöte, Piccoloflöte Adagio – Polacca Solist: Paolo Grazzi Alfredo Bernardini, Paolo Grazzi Oboe

LUDWIG VAn BEETHOVEn Marsch „Zapfenstreich“ C-Dur, Lorenzo Coppola, Danilo Zauli Klarinette (1770-1826) WoO 20 (1806?) Dileno Baldin, Francesco Meucci Horn Vivace assai Ecossaise & Trio D-Dur, Jonathan Pia Trompete WoO 22 (1810) Alberto Grazzi, Giorgio Mandolesi Fagott Polonaise D-Dur, WoO 21 (1810) Corrado Colliard, Riccardo Armari Posaune, Cimbasso FELIX MEnDELSSOHn BARTHOLDY Notturno C-Dur op. 24, MWV P.1. Maurizio Barigione Kontrafagott (1809-1847) (Bad Doberan, 1824) Andante – Allegro vivace Riccardo Balbinutti, Philipp Höller, Luca Favaro Perkussion

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ClubMediéval (Belgien)

Fiedel & Leitung: Thomas Baeté „Amor, tu solo’l sai“ – Montag, 16. Mai 2016, 14.00 Uhr Paolo da Firenze (1355-1436) - Minoritenkirche, Ballate & Madrigale Dachauplatz Foto Koen Broos ClubMediéval

as in Brüssel ansässige junge, international besetzte Mittelalteren- Zum Programm: Dsemble ClubMediéval unter der Leitung von Thomas Baeté gastiert erstmals in Deutschland. 2010 gaben die jungen Musiker ihr Debut-Konzert Eine vergoldete Majuskel G umrahmt das Porträt eines Komponisten, den in Antwerpen. Erste Konzerterfahrungen machten sie u.a. als Ensemble- wir als Paolo da Firenze (etwa 1355-1436) oder unter seinem Beinamen Paolo mitglieder von La Capilla, Micrologus, Graindelavoix, Concerto Italiano Tenorista kennen. Demnach war er ein Sänger, worauf auch die Haltung und L’Arpeggiata. Leiter von ClubMediéval ist Thomas Baeté, geboren seiner linken Hand hindeutet. Außerdem war er Polyphoniker, denn der 1978. Er war Chorknabe und Geiger in seiner Heimatstadt Ostende. Später junge Kollege, der neben ihm kniet, singt die Oberstimme. griff er als Autodidakt zur Viola da gamba, bevor er das Instrument in Brüs- Oberhalb der Miniatur fliegen zwei Engel, die ein Banner mit der Aufschrift sel und Barcelona bei Wieland Kuijken, Jordi Savall und Sophie Watillon „Magister Dominus Paulus Abbas de Florentia“ tragen. Er war also Abt, studierte. Außerdem besuchte er Meisterklassen bei Paolo Pandolfo. Gegen- was die Benediktiner-Roben und die hierarchische Darstellung der beiden wärtig tritt er auch regelmäßig mit der mittelalterlichen Fiedel auf, und Männer belegen. Die Tonsuren lassen bei beiden ein Ohr in der Form eines man kann ihn in Konzerten mit Mala Punica (Pedro Memelsdorff), La kleinen g erkennen. Vielleicht hören sie etwas, aber sehen können sie defi- Capilla und Grainde- nitiv nicht viel: Die vor ihnen liegenden, von Bändern offengehaltenen lavoix erleben. Tho- Buchseiten sind leer, wie uns der kleine Mönch deutlich zeigt. Oder will mas Baeté unterrich- er unseren Blick über die Miniatur hinaus auf die Seite lenken, die ebenfalls tet Gambe und Musik leer ist...? des Mittelalters in Vor uns liegt das Blatt 55 verso des Codex Squarcialupi (ca. 1415), das Brüssel und Leuven. zusammen mit den folgenden 16 Seiten eines der faszinierendsten Rätsel Die erste CD des der italienischen Musik des Trecento aufgibt. Dieses Manuskript ist minu- Ensembles, die 2013 tiös strukturiert: Fünfzehn Komponisten dieses Jahrhunderts wurde in beim Label Musica chronologischer Reihenfolge je ein Kapitel zugeordnet, an dessen Anfang ficta erschien, widmet jeweils eine kolorierte Vignette des Komponisten steht. Auch das Kapitel, sich ausschließlich das Paolo da Firenze gewidmet ist, beginnt völlig normal: ein Porträt mit der Musik von Paolo seinem Namen, umrahmt von herrlichen Illustrationen, alles mit Blattgold da Firenze, einem der geschmückt. Und dann das Rätsel: Die Notenlinien auf dieser Seite wie einflussreichsten auch auf den folgenden 16 Seiten sind leer! Komponisten der ita- Das ist besonders im Lichte dessen, was wir über Paolos Leben wissen, lienischen Trecento- befremdlich. Zum einen war er in den Jahren, als der Codex Squarcialupi Paolo da Firenze Musik. hergestellt wurde, nicht nur Abt des Klosters in Arezzo, sondern ab 1417

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(vermutlich sogar schon eher) auch Rektor der Kirche S. Maria Annunziata Sänger von ClubMediéval passen. (häufiger bekannt als Orbatello) in Florenz, wo er sich damals aufhielt. Paolos musikalische Sprache oszil- Wir wissen auch, dass Paolo für die Komposition eines Antiphonariums liert zwischen zwei Polen: dem (heute in Douai, Französisch-Flandern, aufbewahrt) verantwortlich war, kunstvoll-abstrakten, übersensi- das in derselben Werkstatt wie der Codex Squarcialupi verziert wurde, blen Manierismus der Spätgotik nämlich im Scriptorium des Klosters S. Maria degli Angeli in Florenz. und der schlichten Empfindsam- Es ist anzunehmen, dass Paolo als bedeutender Komponist und Kleriker keit des aufkommenden Huma- seiner Zeit in Florenz an der Zusammenstellung des Codex Squarcialupi nismus der Renaissance. Für den beteiligt war. Sind diese Seiten vielleicht gerade wegen seiner besonderen heutigen Interpreten stellt die Beziehungen zum Scriptorium des Klosters Santa Maria degli Angeli leer- Musik Paolos eine große Heraus- geblieben? forderung dar: Er muss die Waage Cover der CD von ClubMediéval Im Gegensatz zu Landini und anderen Komponisten, die in diesen wun- halten zwischen Impression und „P. da Firenze, Amor, tu solo’l sai“ dervollen Codex aufgenommen worden sind, war Paolo damals noch am Expression, Innerlichkeit und Leben. Vielleicht hat das eine Veröffentlichung seiner „best of“-Komposi- Ekstase und muss versuchen, die Schönheit mittelalterlicher Kirchenfenster tionen verhindert. Aber wenn seine Musik zum Zeitpunkt der Erstellung musikalisch mit Leben zu füllen. des Codex für eine Veröffentlichung noch nicht „reif“ war, wie lässt sich Während der Einstudierung des Programms hatten wir den Eindruck, dann die Anzahl der für ihn frei gehaltenen Seiten erklären? Viele Fragen dass die von uns ausgewählten Lieder eine Art Zyklus bilden, und wir bleiben offen. haben uns die Freiheit genommen, sie mit einer durch das Decamerone Glücklicherweise stehen uns noch andere Quellen für Paolos Musik zur inspirierten Rahmenhandlung zu umgeben. So hoffen wir, dass sich für Verfügung; die wichtigste davon befindet sich in der Bibliotheque Natio- die Zuhörer eine mittelalterliche „Dichterliebe“ entspinnen wird. nale in Paris (ms. fonds italien 568). Abgesehen von einem Benedicamus © Thomas Baeté und einem Gaudeamus sind alle von Paolo erhaltenen Kompositionen – Übersetzung: Christina und Hannsjörg Bergmann eine Sammlung von etwa 60 Werken –säkularer polyphoner Natur (Madri- gale und Ballate). Damit repräsentiert er nach Francesco Landini das musi- kalische italienische Trecento. Neben der Anzahl seiner Werke ist es jedoch vor allem die Qualität seiner Musik, die uns noch heute bezaubert. Es ist PROGRAMM allerdings nicht einfach, bei dieser höchst persönlichen und komplexen „AMOR, TU SOLO’LSAI“ – Polyphonie eine geeignete Auswahl zu treffen. Wir haben Werke für das PAOLODAFIREnZE (1355-1436): heutige Konzert gewählt, die sich ähneln und zugleich kontrastreich ergän- BALLATE & MADRIGALE zen und die besonders gut zu den Stimmlagen sowie Stimmfarben der

Amor, tu solo’l sai (Ballata) Lena virtù (Ballata) Una c'osa di veder (Ballata)

Girand’un bel falcon (Madrigal, instrumental) Altro che sospirar (Ballata) Poc’anno di mirar (Ballata, instrumental) Sofrir m’estuet (Ballata) Ma’, ria, ver di me pietà (Ballata)

Gaudeamus omnes Non più infelici (Madrigal, instrumental) Ventilla con tumulto (Madrigal) Perchè vendetta (Ballata)

Lasso, grev’è’l partir (Ballata) Benedicamus

Sendung BR: 26.07.2016, 21.05 Uhr (Festspielzeit auf BR-KLASSIK)

AUSFüHREnDE

CLUBMEDIéVAL

Olalla Alemán Sopran

Carla nahadi Babelegoto Mezzosopran

Raffaele Giordani Tenor

Daan Verlaan Tenor und Harfe

Thomas Baeté Fiedel

Elisabeth Seitz Hackbrett

Guillermo Pérez Organetto

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Euskal Barrokensemble (Spanien)

Laute, Gitarre & Leitung: Enrike Solinís „El Amor Brujo 1715“ – Montag, 16. Mai 2016 Der Liebeszauber 16.00 Uhr neuhaussaal Theater am Bismarckplatz

Euskal Barrokensemble

as Euskal Barrokensemble wurde von Enrike Solinís gegründet. Im Enrike Solinís wurde in Bilbao geboren und wuchs in einer Musikerfamilie DLaufe der letzten Jahre erforschte es die musikalischen Traditionen auf. Im Alter von zehn Jahren entdeckte er seine Liebe zur Gitarre; Vor- Europas und Amerikas. Ein besonderer Schwerpunkt des Ensembles lag bilder waren für ihn Paco de Lucias Aufnahme von „Almoraima“ sowie immer darin, neue Sichtweisen auf Alte Musik zu vermitteln. Dies und die Musik von Accept, yngwie Malmmsteen, Baron Rojo und Los Panchos. die Suche nach Natürlichkeit und Spontaneität in der Aufführung sind die Da es nicht möglich war, E-Gitarre an einer Musikschule zu erlernen, nahm obersten Prioritäten des Ensembles, das für sich in Anspruch nimmt, wie- er Unterricht in Klassischer Gitarre und Posaune am Galdako-Konserva- der Leben in vergessene Musik zu bringen. Auf der Basis historischer For- torium. Nach drei Jahren wurde er von der Schule verwiesen. Mit 13 ent- schung und getragen von dem Streben nach schöpferischer Musikalität deckte Solinís seine Liebe zur Pop-Musik und spielte in verschiedenen umfassen die Projekte des Ensembles ein Repertoire, das sich geographisch Bands. Seine Studien am J. C. Arriaga Konservatorium in Bilbao und der vom europäischen Mittelmeerraum bis zum Nahen Osten und zur Neuen Escola Luthier d ́Arts Musicals in Barcelona schloss er mit einem Diplom Welt erstreckt. in Komposition und Gitarre ab. Seither gewann Solinís zahlreiche inter- Das Euskal Barrokensemble wird regelmäßig zu renommierten Festivals nationale Gitarrenwettbewerbe wie den Wettbewerb Ataulfo Argenta und und in bedeutende Spielstätten eingeladen, dabei begeistert es Kritiker den Wettbwerb Andrés Segovia. Dank eines Stipendiums der Provinz Bis- und Publikum gleichermaßen. Das Ensemble trat u. a. beim Montreal Ba- kaya konnte Solinís an der Escola Superior de Música de Catalunya in Bar- roque Festival, im Auditorio Nacional in Madrid, im baskischen Euskal- celona Alte Musik studieren. duna Jauregia und beim Festival Leo Brouwer in Havanna auf. Enrike Solinís arbeitete mit Ensembles wie Hesperion XXI, Le Concert des Nations und der Capella Real de Catalunya unter der Leitung von Jordi

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Savall, mit Concerto Vocale und der Akademie für Alte Musik Ber- lin unter der Leitung von René Jacobs sowie mit Le Concert d’As- trée, Baroque 21 Lab und The Rare Fruits Council zusammen. Er trat u. a. in der Carnagie Hall in New york, im Konzerthaus in Berlin, im Théâtre des Champs-Élysées in Paris und im Theater an der Wien auf.

María Moreno wurde 1986 in Cádiz geboren. Sie studierte am dortigen Konservatorium für pro- fessionellen Tanz bei einigen der besten Flamencomeister. 2004 wurde sie Mitglied des Flamenco- balletts von Eva yenbabuena, mit dem sie an den bedeutendsten Rocío Márquez María Moreno Spielorten der Welt bei den Pro- duktionen „Eva“, „5 Women 5“, „A Cal y Canto“ und „Federico según wurde sehr bald bei zahlreichen Fandango-Gesangswettbewerben in ihrer Lorca“ auftrat. Als Solotänzerin nahm sie an den international bekanntes- Heimat ausgezeichnet. Gleichzeitig besuchte sie Kurse für Klavier und ten Flamencofestivals wie dem Coral del Carbón in Granada, dem Festival Gesangstechnik bei Gloria Muñoz. de la Vendimia in Jerez de la Frontera, dem von Mont de Marsans in Frank- Mit 15 Jahren begann sie sich in Sevilla auf Flamencogesang zu speziali- reich und von Esch in Luxemburg teil... sieren. Als sie 2005 ein Stipendium für das Studium an der Fundación María Moreno wird regelmäßig eingeladen, mit großen Flamencomeistern Christina Heeren gewann, erhielt sie Unterricht bei den Flamencolegenden wie José Mercé, Arcángel, David Palomar und mit dem Manuel-de-Falla- Paco Taranto und José de la Tomasa. Sie nahm an zahlreichen Meisterklas- Orchester zusammenzuarbeiten. In Cádiz wurde sie mit dem Nacional sen teil: an der Fundación Christina Heeren, am Centro de Arte y Flamenco Award von Alegrías und dem Nationalpreis „Bajo de Gaia“ ausgezeichnet. in Sevilla bei Esperanza Fernández und am „Flamenco Abierto“ von 2014 zeigte sie unter dem Titel „Alas de Recuerdo“ ihre erste Eigenpro- Andrés Marín. Diesen begleitete und unterstützte sie bei vielen Auftritten duktion. María Moreno verkörpert die Eigenschaften des Flamenco ihrer sowie Lehrveranstaltungen zum Thema eines modernen, offenen Fla- Heimat Cádiz: Spontaneität, Selbstsicherheit, Gewandtheit, Herzlichkeit menco, z.B. bei der Sommerakademie von Escorial oder bei der Fundación und Anmut. Ortega y Marañón. 2007 erhielt Rocío Márquez jeweils den ersten Preis bei den Flamencofes- Rocío Márquez gilt als „Offenbarung“ der jungen Flamenco-Generation. tivals von Alhaurín de la Torre, Calasparra, Marchena, Mijas y Jumilla und Ihr Gesangsstil ist von alten Meistern des Flamenco inspiriert, doch anderen. Den Gipfel im Flamencogesang erreichte sie 2008 mit der Verlei- zugleich gelingt es ihr - jenseits von Klischee und Folklore und in selbst- hung des „Oscars“ des Flamenco, der „Lámpara Minerva“ sowie weiteren bewusstem, emanzipiertem Selbstverständnis -, in einem klaren, reinen ersten Preisen in vier anderen Kategorien beim Festival von La Union, was und modernen Stil zu singen, der die Kritiker zu Stürmen der Begeisterung bis dahin nur Miguel Póveda gelungen war. Ihre Aktivitäten erstrecken hinreißt. sich von Auftritten bei den verschiedensten Flamencoverbänden über die Rocío Márquez wurde 1985 in Huelva geboren. Schon im Alter von neun wichtigsten Festivals (Sevilla, La Union usw.) bis zu den bedeutendsten Jahren erhielt sie Gesangsunterricht in der Peña Flamenca von Huelva und Bühnen Spaniens. International trat sie im Olympia von Paris auf, in Brüs- sel, Arles, Düsseldorf, Chicago, New york, Kairo sowie in Portugal, Marokko, Syrien, den Arabischen Emiraten, England, Argentinien u.v.m. CD-Einspielungen mit Rocío Márquez gibt es in der Sammlung „Lámparas en la Mina“, in der „Antología más reciente de fandangos de Huelva“ und auf der CD „Sevillanas Virgenes“ zusammen mit Künstlern wie Esperanza Fernández. Eigenproduktionen sind „Aqui y ahora“(2009), „Clari- dad“(2012) und „El Níno“(2014), eine Hommage an die Flamencolegende Pepe Marchena. Zu den neuesten Projekten von Rocío Márquez gehört ihre Mitwirkung an Manuel de Fallas „La Vida Breve“ mit dem spanischen Nationalorchester und an einem speziellen Konzert, das vom Teatro Real in Madrid zu Ehren von Federico Garcia Lorca unter dem Titel eines seiner Dramen („El Publico“) in Auftrag gegeben wurde. © Bearbeitung und Übersetzung: Christina Bergmann

Zum Programm:

Das Bild, das mir bei dem Begriff Volksmusik in den Sinn kommt, ist das eines Flusses, der sämtliche Epochen durchströmt und sich als unerschöpf- licher Quell musikalischer Inspiration erweist. In der Barockzeit entsprang Enrike Solinís ein Großteil der Musik direkt dieser Quelle, die gewissermaßen ihren

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ursprünglichen Naturzustand widerspiegelte. In späteren Epochen schöpften die Komponisten das nämliche Material aus demselben Fluss von Volksweisen und reicherten es mit ihren eigenen ästhetischen Vorstellungen an; dabei präsentier- ten sie diese Musik in ihren Grundzügen unver- ändert, überwölbten sie jedoch auf geniale Weise sozusagen mit einem musikalischen Überbau wie der Oper oder dem Konzert. Zu wieder anderen Zeiten benützten sie dieses musikali- sche Material in antizipierender Weise, d. h. sie nahmen künftige Entwicklungen vorweg, Im Theater Lara indem sie das Objekt in seinem ursprünglichen Pastora Imperio in dem Zigeunerstück „EL AMOR Kontext analysierten und es dann aus seinen BRUJO“ („Der Liebeszauber“) Parametern lösten, um diesen Schatz, den wir (Karikatur von Fresno), Zeitschrift „Schwarz- in der Volksmusik besitzen, im Bewusstsein von weiß“, 2. Mai 1915 deren spezifischer Ästhetik zu präsentieren und es so mit der eigenen Kreativität zu verbinden. Wir Musiker, die sich dem Spielen von Musik aus irgendeiner anderen Epoche widmen, ver- richten im Grund aus unserer Perspektive die gleiche Arbeit. Denn Alte Musik mit all dem zu interpretieren, was irgendwie mit der Volksmu- sik zusammenhängt (größtenteils eine Neu- schöpfung durch den Interpreten) ist eine wei- tere Art und Weise, das volkstümliche Erbe fruchtbar zu machen. In diesem Programm stellen wir unter Beweis, dass - unabhängig von der jeweiligen Epoche - die Musiker verschiedener Epochen und unter- schiedlicher Konzepte auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten können: in diesem Fall, um die wun- dervolle andalusische Volksmusik, die Genia- lität der Komponisten früherer Epochen, ihr V. l. n. r. Manuel de Falla, Gregorio Martínez planvolles Strukturieren, ihre Kunstfertigkeit bei Sierra und Maria Lejárraga in Madrid, Archiv der Entfaltung der Themen und ihre musikali- Manuel de Falla. sche Sensibilität zu genießen. Das alles weist für mich auf einen neuen Ansatz der Musikinter- Am 15. April 1915 wurde die Erstfassung von pretation hin, der die Einstellungen der Vergan- El amor brujo aufgeführt, einem Werk, das eine genheit hinter sich lässt und das Tor zur Freude neue Form des Musiktheaters repräsentiert: mit der an der Musik wie zu ihrem Entwurf aus anderen Musik von Manuel de Falla, Texten von Maria Sichtweisen aufstößt; diese können zukunfts- Lejárraga, unter der Regie von Gregorio Martínez weisend sein, wenn sie sich den Zwängen des Sierra und der Choreographie von Néstor Martin Marktes verweigern, auf dem sie aufgrund der Fernández de la Torre. Manuel de Falla in París, 1914 Einfachheit ihres Ansatzes noch nicht fest eta- bliert sind. Faktisch wird der Begriff „Alte Musik“ genau dann verschwin- Madrid La siete canciones populares espaiolas zu präsentieren, ein Werk, das den, wenn diese Musik sich selbst wieder zu beleben beginnt. VIVI er erst kurz vor seiner Rückkehr in die spanische Hauptstadt fertiggestellt FELICE. hat. © Enrike Solinís Der in Cadiz geborene Künstler genießt bereits den Ruhm eines großen Übersetzung: Christina und Hannsjörg Bergmann Meisters, als die berühmte Flamencotänzerin Pastora Imperio an ihn her- antritt, um ihn um ein Lied und einen Tanz für eine Flamenco-Aufführung zu bitten. Falla ist derart begeistert von diesem Auftrag, dass er ein kom- El amor brujo von Manuel de Falla plettes Schauspiel erschafft, eine „Gitanería“ in einem Akt mit zwei Sze- nen, für deren Libretto der Dramaturg Gregorio Martínez aus Madrid Im Jahr 1914 kommt Manuel de Falla nach Madrid, in das er aus einem zeichnete, während man es heute eher seiner Ehefrau María de Lejárraga Paris geflohen ist, das in den Wirren des Ersten Weltkriegs versinkt. In zuschreibt. Lejárraga und Martínez bildeten eine Künstlergemeinschaft, der französischen Hauptstadt hat der Komponist sieben für die Ausfor- in der anscheinend sie den Großteil der Texte verfasste und er sich um mung seines Stils entscheidende Jahre verbracht („Was mein Handwerk die Leitung der Theaterprojekte kümmerte, auch wenn sein Name als betrifft, ist Paris meine Heimat“). Jetzt, zurück in Spanien, kann er endlich Handelsname aller Produktionen erschien. Künstlerische Produktions- in seinem Heimatland die Aufführung von La vida breve sehen. Mit dieser gemeinschaften machen langsamer Fortschritte als das einzelne Genie, Oper hatte er 1905 den Wettbewerb der Real Academia de Bellas Artes wie man weiß. de San Fernando gewonnen, durch den die beste „spanische Oper in In einem Interview mit Rafael Benedito gab der Komponist einmal die einem Akt“ ausgezeichnet werden sollte; allerdings wurde sie erst im Jahr Quelle seiner Inspiration preis: „Das Werk ist ausgesprochen zigeunerisch. 1913 uraufgeführt, und zwar in Nizza! Außerdem gelingt es ihm, in Um es zu erschaffen, habe ich immer volkstümliche Ideen verwendet,

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von denen einige von Pastora Imperio selbst stammten, die sie aus Tradition einem schlichteren, essentielleren, neoklassischen Stil abänderte, der sich singt und denen man ihre Authentizität nicht absprechen kann. In den 40 mehr auf die traditionelle spanische Musik stützte als auf die volkstüm- Minuten, die das Werk ungefähr dauert, habe ich versucht, es wie ein lichen Strömungen. Zigeuner erleben und tief im Inneren empfinden zu lassen, und ich habe Heute, im Jahr 2016, ist El amor brujo eines der universellsten Werke der keine anderen Elemente verwendet als diejenigen, von denen ich geglaubt spanischen Musik aller Zeiten. 1715 standen seine Melodien und Rhyth- habe, dass sie die Seele dieses Volkes am besten ausdrücken.“ Die Urauf- men in voller Blüte. Lasst uns einhalten, um einige Minuten zu sehen und führung im Teatro Lara de Madrid am 15. April 1915 mit Pastora Imperio zu hören, wie sie reiften ... und ihrem vertrauten Kreis weiterer Protagonisten kam bei der Kritik, © Pablo J. Vayón die das Werk als zu französisch abstempelte, nicht besonders gut an. Übersetzung: Christina und Hannsjörg Bergmann Dieser Misserfolg veranlasste de Falla, eine neue Partitur zu schreiben, auf deren Grundlage am 28. März 1916 im Hotel Ritz in Madrid eine neue Uraufführung mit einem erweiterten Orchester stattfand, das den Gesangspart des ursprünglichen Zigeunerwerks übernahm. Am 29.April PROGRAMM 1917 wurde dann eine Neubear- „EL AMOR BRUJO 1715“ beitung mit kleinerer Besetzung im Teatro Real aufgeführt. Schließ- lich wurde das Stück El amor brujo DIMITRIE CAnTEMIR (1673-1723)/ am 22. Mai 1925 im Pariser Tria- JOAqUIn RODRIGO (1901-1999)/ non Lyrique in der Besetzung mit MAnUEL DE FALLA (1876-1946) Antonia Mercé La Argentina und Introducción-Bestenigar Vicente Escudero als Ballett aufge- MAnUEL DE FALLA/ GASPAR SAnZ (1640-1710)/ führt. In dieser letzten Form und nICOLA MATTEIS (UM 1650 – 1713) den Folgeversionen, die Manuel Chaconna del Amor Dolido de Falla dazu entwickelte, wurde das Werk ein Welterfolg - parado- Cover der CD von JOAqUIn RODRIGO xerweise gerade in dem Moment, Euskal Barrokensemble Allegro del pescador als der Meister seinen Stil hin zu „Colores del Sur“ JOHAnn HIEROnYMUS KAPSBERGER (1580-1651)/ MAnUEL DE FALLA Circulo Mágico

TRADITIOnELL IRAn/MAnUEL DE FALLA Koumiss del Fuego Fatuo

JOAqUIn RODRIGO Adagio

MATEO AnTOnIO PéREZ DE ALBénIZ (1755-1831)

GASPAR SAnZ Canarios

MAnUEL DE FALLA Danza ritual del fuego

AnTOnIO DE SAnTA CRUZ (UM 1700)/MAnUEL DE FALLA Xácara del juego de amor

MAnUEL DE FALLA Las campanas del amanecer

Alle Arrangements von Enrike Solinís

AUSFüHREnDE

EUSKAL BARROKEnSEMBLE

Rocío Márquez Gesang

María Moreno Tanz

Miren Zeberio Violine

Pablo Marin Caminero Kontrabass

Enrike Solinís Laute, Gitarre

David „Chupete“ Schlagwerk

Dani Garay Schlagwerk

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Les Passions de L’Ame (Schweiz) & Solomon’s Knot (Großbritannien)

Zoë Brookshaw Thomas Linley (1756-1778) – Montag, 16. Mai 2016 Fancy, Sopran A Lyric Ode on the Fairies, 20.00 Uhr Clare Lloyd-Griffiths Aerial Beings and Spirit of Avon, Sopran Witches of Shakespeare (1776) Dreieinigkeitskirche Jonathan Sells, Alex Ashworth Gesandtenstraße Fearful observer, Bass Federay Holmes Dramatisierung Leitung: Julia Schröder & Jonathan Sells

Les Passions de l'Ame (oben) & Solomon’s Knot (unten) Foto Les Passions de l'Ame: Guillaume Perret

eit 2008 sorgt Les Passions de l’Ame, Berns Orchester für Alte Musik, feierte Les Passions de l’Ame beim Lucerne Festival (2015), beim London Sfür frisches Hinhören. Lebendige Interpretation auf historischen Händel Festival (2015), beim Oude Muziek Festival Utrecht (2014), bei Instrumenten sind das Markenzeichen des international besetzten Orches- den Feierlichkeiten der Kulturhauptstadt Riga (2014), der Bach Academy ters mit Sitz in Bern. Sein Name verweist auf einen Aufsatz von René Des- Brügge (2013) sowie beim traditionsreichen belgischen Festival für Alte cartes aus dem Jahre 1649. Darin spricht der Philosoph von der Leiden- Musik „MAfestival Brugge“ (2011 und 2015). Zusammen mit der Sopra- schaft, die zwischen Körper und Seele vermittelt. Genau in dieser Vermitt- nistin gastierte das Orchester 2012 beim Rheinfall-Festi- lerfunktion sieht das Ensemble auch die Musik und macht „les passions“ val-Schaffhausen. 2011 bestritt Les Passions de l’Ame zusammen mit zum unmittelbaren Konzerterlebnis. Bisherige Konzert-Höhepunkte Carolyn Sampson (Sopran) das Eröffnungskonzert des Musikfestivals

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Federay Holmes Foto: Sarah-Jane Field Jonathan Sells Julia Schröder

Bern. Die Musiker von Les Passions de l’Ame sind international tätige afrikanischen Musikerin und Musikproduzentin. Spezialisten für Alte Musik und arbeiten sowohl als Solisten, als Kam- Für 2017 sind Aufführungen von Bachs Johannespassion und Händels mermusiker und als Orchestermusiker wie auch als Dozenten für Insti- Messias in solistisch besetzten Aufführungen geplant. Solomon’s Knot tritt tutionen wie das Freiburger Barockorchester, B’Rock (Gent, Belgien), das heute Abend unter der Regie der australischen Regisseurin Federay Hol- Konservatorium Antwerpen oder die Hochschule der Künste Bern. mes auch szenisch in Aktion. Als Shakespeare-Expertin kann Federay Hol- Die erste CD „Spicy“ mit Violinmusik von Biber, Fux und Schmelzer mes der Aufführung vom schauspielerischen und literarischen Ansatz- erschien 2013 und wurde mit dem Diapason d’Or ausgezeichnet. Im Sep- punkt her eine weitere Ebene erschließen. Die Sängerinnen und Sänger tember 2014 folgte die zweite CD „Bewitched“ mit Werken von Händel von Solomon's Knot loten mit ihr in erster Linie die spontane und impro- und Geminiani unter Mitwirkung der Sopranistin Robin Johannsen. visierte Darstellung des Werks aus. Es ist keine „feste Inszenierung“, son- dern, soweit möglich, eine „Live-Präsentation“, so dass die Künstlerinnen Die Geigerin Julia Schröder wurde 1978 in eine niederbayrische Musiker- und Künstler das Werk während der Aufführung gemeinsam mit dem familie in Straubing hineingeboren. Mit 15 Jahren studierte sie als Jungstu- Publikum neu „erfinden“. dentin im Konservatorium "Gasteig" in München bei Urs Stiehler. Es folgten danach mehrere Meisterkurse, unter anderem bei Ana Chumachenco, dem In London aufgewachsen, organisiert Jonathan Sells seine Tätigkeit als Melos Quartett, Saschko Gawriloff und Adelina Oprean, bei der sie 1995 in Opern-, Konzert- und Liedsänger sowie musikalischer Leiter von Bern der Musikhochschule Basel mit dem Hauptfachstudium begann. Sie stu- aus. 2002 gründete er während seines musikwissenschaftlichen Studiums dierte u. a bei Chiara Banchini (Schola Cantorum Basiliensis) Barockgeige. das damals einzige Barock-Ensemble der Universität Cambridge und 2008 Sie war Solistin unter Leitung von Dirigenten wie , das jetzige Solomon's Knot baroque collective. Seit 2011 ist er „Joint Artistic Reinhard Goebel, Giovanni Antonini, Christian Zacharias, Paul McCreesh, Director“ von Solomon's Knot und leitet das Kollektiv von der Bass- Kristjan Järvi und Paul Goodwin. Sie ist Gast-Stimmführerin im Ensemble Stimme aus bei Konzert-Projekten wie dem von allen Sängerinnen und „Il Giardino Armonico“ und Gastkonzertmeisterin des Orquestra Simfònica Sängern auswendig vorgetragenen „Kammer-Messias“, dem „Kammer- de Barcelona i Nacional de Catalunya. Sie arbeitet regelmäßig mit dem Ba- Weihnachts-Oratorium“, der „Leipzig Verbindung“ (Kuhnau und J.S. rockensemble „ Berlin“ zusammen. 2012 erschien ihre Bach) und der „Abendmusik“ (Buxtehude, Weckmann, Tunder, Schütz, Aufnahme der Violinsonaten von Händel bei Deutsche Harmonia Mundi, Rosenmüller). Als Sänger studierte Jonathan Sells an der Londoner Guild- die preisgekrönt wurde. Seit 2004 ist sie Konzertmeisterin und Leiterin des hall School of Music and Drama, wo er unter anderem den „Wigmore Hall Kammerorchesters Basel. 2010 wurde sie zur Professorin für Violine an der Recital Prize“ gewann. Seine Studien führten ihn auch an das internatio- Musikhochschule Freiburg/Breisgau berufen. Julia Schröder ist bei diesem nale Opernstudio des Züricher Opernhauses. Er verkörperte zahlreiche Konzert Gastleiterin. Sie vertritt die künstlerische Leiterin Meret Lüthi. Opernrollen und sang an Opernhäusern u. a. in Paris, Madrid, Caen, Dijon und Nancy sowie Glyndebourne und Wexford. In Konzerten sang er unter Solomon’s Knot, gelobt von der Financial Times als ein Ensemble, das sich John Eliot Gardiner, William Christie, Roger Norrington, Ton Koopman, durch vitales Musizieren und intelligente Programmgestaltung auszeich- Masaaki Suzuki und . net, wurde 2008 gegründet. Es wird von den künstlerischen Leitern Jona- than Sells und James Halliday von London und Bern aus betreut. Künst- Federay Holmes ist „associate member“ der Londoner Theater-Truppe lerischer Schwerpunkt ist die Alte Musik, von italienischer Kammermusik „The Factory“, für die sie als Schriftstellerin, Regisseurin und Darstellerin des 17. Jahrhunderts über das französische Barock bis zu den großen Ora- tätig ist. Sie inszenierte „A Midsummer Night’s Dream“ und „Romeo and torien des 18. Jahrhunderts, wie auch die Auswirkungen dieser Musik bis Juliet“ für The Dutch Factory in Amsterdam und hat letztes Jahr die „Son- in die Gegenwart. net Walks“ für das „Shakespeare’s Globe“-Theater inszeniert. 2016 wird Im November 2015 feierte das Ensemble in London einen großen Erfolg sie die „Sonnet Walks“ zum 400-jährigen Shakespeare-Jubiläum inszenie- mit der Entdeckung und Aufführung der Oper „l’Ospedale“ eines anony- ren. Sie ist als Pädagogin und Regisseurin für verschiedene hochkarätige men Komponisten des 17. Jahrhunderts. Londoner Theater-Hochschulen tätig, und zwar als Spezialistin für Neues Die Zusammenarbeit mit Les Passions de l'Ame begann 2015 mit dem Kan- Theater und Shakespeare. tatenzyklus „Die Tageszeiten" von G. Ph. Telemann. Der Austausch von Ideen und Inspirationen über geographische Grenzen hinweg ist für alle Beteiligte eine große Bereicherung. Zum Programm: Im Juni 2016 gastiert Solomon's Knot beim Bachfest Leipzig mit dem „Mag- nificat“ BWV 243a und der Kantate „Ich hatte viel Bekümmernis“ BWV Es mag seltsam anmuten, das letzte Konzert der diesjährigen Tage Alter 21 sowie beim Aldeburgh-Festival mit Madrigalen von Gesualdo und sei- Musik einem weitgehend unbekannten Komponisten wie Thomas Linley nen Zeitgenossen sowie neuen Kompositionen von Mira Calix, der süd- (1756–1778) zu widmen. Man beachte aber die Lebensdaten des Kompo-

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nisten: Linley, der im selben Jahr wie Wolfgang Amadeus Mozart das Licht der Welt erblickte, starb im Alter von nur 22 Jahren. Als der aus einer Musikerfamilie stammende Linley bei einem tragischen Schiffsunfall ums Leben kam, war man sich einig, dass England einen bedeutenden und viel- versprechenden Komponisten verloren hatte. Ähnlich wie sein österreichischer Kollege stellte Linley bereits in jungen Jahren sein musikalisches Talent unter Beweis. Als er 1768 zum Studieren für drei Jahre nach Florenz zog, kam es im April 1770 sogar zu einer Begeg- nung mit Mozart, von dem dessen Vater Leopold in einem Brief an seine Frau berichtet. In Italien traf Linley darüber hinaus den englischen Musik- historiker Charles Burney (1726-1814), der die glückliche Begegnung der beiden damals vierzehnjährigen Ausnahmetalente in seinem An Eighteenth- Century Musical Tour in France and Italy folgendermaßen kommentierte: „The ‚Tommasino‘, as he is called, and the little Mozart, are talked of all over Italy, as the most promising geniuses of this age“. Nach seiner Rück- kehr aus Italien war Linley vor allem in seinem Geburtsort Bath und im Londoner Theatre Royal als Musiker tätig. Linleys Œuvre, von dem nur ein Bruchteil überliefert ist, umfasst sowohl Instrumental- als auch Vokalmusik: seine Violinsonaten, Konzerte sowie ein Oratorium The Song of Moses sind hauptsächlich in handschriftlicher Form erhalten; gemeinsam mit seinem Vater komponierte er die Musik für die Oper The Duenna nach einem Libretto von Richard Brinsley Sheri- dan (1751-1816). Nach Linleys Tod wurde ein Großteil seiner Vokalmusik (Lieder, Madrigale, usw.) postum veröffentlicht. 1776, im Alter von zwanzig Jahren, schuf Linley die Ode on the Spirits of Shakespeare nach einem Text von French Laurence (1757–1809). Das Projekt muss in direktem Zusammenhang mit dem Shakespeare-Jubiläum im Jahr 1769, an dem der berühmte Schauspieler David Garrick (1717–1779) maß- geblich beteiligt war, verstanden werden. Denn obwohl das Interesse an Thomas Linley dem „Bard of Avon“ in England nie verloren ging, entstand um die Mitte des 18. Jahrhunderts eine neue Beschäftigung mit seinen Werken, wobei insbesondere Shakespeares Darstellung der Natur und des Übernatür- lichen den damaligen Künstlern neue Impulse gab. Diese Faszination durchdringt auch Laurences Text, dessen vollständiger Titel A Lyric Ode on the fairies, aerial beings, and witches of Shakespeare eben- diese übernatürlichen Wesen nennt, die in vielen von Shakespeares Thea- terstücken die Bühne bevölkern. Die Protagonisten in diesem Text sind die unterschiedlichsten Geister, die einige von Shakespeares berühmtesten Theaterstücken in Erinnerung rufen. Während im ersten Teil gutartige Geister („fairies and aerial beings“) die märchenhafte Welt von A Midsum- mer Night’s Dream evozieren, ändert sich die Stimmung im zweiten Teil abrupt: hier wird ein makabres Bild geschildert, das an die Gräueltaten aus der Tragödie Macbeth erinnert. Am Ende wird der Wunsch geäußert, England möge einen neuen Shakespeare hervorbringen. Linley übernimmt diese Zweiteilung und unterstreicht die unterschied- lichen Stimmungen mit musikalischen Mitteln. Dabei werden die Solisten (zwei Soprane und Bass), der Chor und die instrumentale Besetzung (Strei- cher, Flöten, Oboen, Fagotte, Hörner, Trompeten, Pauken und Cembalo) gekonnt eingesetzt. Insgesamt besticht die Komposition durch eine große stilistische Vielfalt, bei der die Einflüsse von Linleys Vorgängern und Zeit- genossen unüberhörbar sind. Nach der Ouverture, in der man den Stil seines Lehrers William Boyce (1711–1779) erkennt, eröffnet der erste Teil mit einem feierlichen Chor, „O guardian of that sacred land“, der weitgehend homophon gestaltet ist. Generell macht sich in den Chören der Einfluss Henry Purcells (1659–1695) und – insbesondere in den Fugenteilen – Georg Friedrich Händels (1685- 1759) bemerkbar. Zwischen den Chören platziert Linley eine Reihe von Rezitativen und Arien für Sopranstimme. Die erste Arie, „Come then, o Fancy“, wagt sich trotz des lebhaften Charakters kurzzeitig immer wieder in Moll-Bereiche, wobei die Solistin in der ersten Geige einen Dialogpartner findet. Der Chor „Be Shakespeare born“, der auch kurze solistische Abschnitte enthält, greift die Melodie der vorhergehenden Arie „And now is come the fated hour“ auf. Entzückend ist die Arie „There in old Arden‘s inmost shade“ im Stil Johann Christian Bachs (1735–1782).

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Im zweiten Teil sind sowohl die Reihenfolge der einzelnen Abschnitte als la Carl Maria von Weber oder Felix Mendelssohn Bartholdy vorwegzu- auch die Besetzung stärker variiert (mit einem Quartett für vier Solisten nehmen. Doch allmählich beruhigen sich die Natur und die bösen Geister. und einem Duett für zwei Soprane). Auch der Ton ändert sich, dem Inhalt Im Chor „The tempests cease“ unterstreichen auch die Flöten den in der des Librettos entsprechend: Molltonarten (man beachte den Wechsel von Natur wiedergekehrten Frieden. D-Dur am Schluss des ersten Teils zu c-Moll im Rezitativ „But oh! What Bemerkenswert ist der Obligato-Einsatz der Oboe an verschiedenen Stellen, sudden gloom“ am Anfang des zweiten Teils) und Chromatik sollen hier insbesondere in der Arie für Sopran „Ariel, who sees thee now“, die zu ebenso wie der Einsatz des Bass-Solo die unheimliche Welt der Hexen her- einem Dialog zwischen der Stimme und dem Instrument führt. Das Duett aufbeschwören. Der Chor „What howling whirlwinds“, bei dem die schnel- für die beiden Soprane „For who can wield like Shakespeare’s skilful len Bewegungen in den Streichern das Wirbeln der Winde imitieren, hand“ rühmt Shakespeares einzigartige Gabe, „elves of earth, of air, and scheint mit seinen frühromantischen Zügen sogar Naturdarstellungen à sea“ zum Leben erwecken zu können, und leitet damit nahezu organisch in den Schlusschor „yet Fancy, once again on Britain smile“ über, in dem Fancy gebeten wird, „oh give another Shakespeare to our isle“. 1776 pries ein Rezensent die Ode on the Spirits of Shakespeare nicht nur auf- PROGRAMM grund der „brilliancy and warmth of invention so peculiarly attendant on the spring of life“, sondern hob auch und insbesondere Linleys „know- THOMAS LInLEY (1756-1778): ledge and command of the harmony necessary to write a good chorus“ A LYRIC ODE On THE FAIRIES, hervor. Linley scheint von vielen Engländern als Hoffnungsträger betrach- AERIAL BEInGS AnD tet worden zu sein. Schon die Tatsache, dass der Maler Thomas Gainsbo- WITCHESOFSHAKESPEARE (1776) rough (1727–1788) mehrere Porträts von ihm anfertigte, bestätigt Linleys besonderen Status. Dass sein jäher Tod, zwei Jahre später, als tragischer 1. Ouverture Andante – Allegro Verlust empfunden wurde, betont auch ein Artikel aus der Morning Chro- 2. Minuetto nicle: „This accident has deprived the profession to which he belonged of one of its principal ornaments, and society of a very accomplished and Teil I valuable member“. © Katelijne Schiltz, UR 3. Chor: O guardian of that sacred land 4. Rezitativ Spirit of Avon: `Tis thine alone 5. Arie Spirit of Avon: Come then, O Fancy, bend the bow 6. Rezitativ Fancy: At Shakespeare’s happy birth AUSFüHREnDE 7. Arie Fancy: And now is come the fated hour 8. Chor: Be Shakespeare born! LES PASSIOnS DE L’AME 9. Rezitativ Spirit of Avon: So spake the god Julia Schröder Konzertmeisterin 10. Arie Spirit of Avon: There in old Arden’s inmost shade Sabine Stoffer, Louella Alatiit Violine I 11. Rezitativ Spirit of Avon: And as before his purged eyes 12. Arie Spirit of Avon: Thy hand his youthful footsteps led Daniela Helm, Rachel Stroud, Stéphanie Erös Violine II 13. Arie Fancy: Some drive the clam’rous owl away Lucile Chionchini, Joanna Bilger Viola 14. Chor: Some drive the clam’rous owl away Rebecca Rosen, Linda Mantcheva Violoncello Teil II Love Persson Violone 15. Rezitativ Fearful observer: But oh! What sudden gloom Ieva Saliete Cembalo 16. Quartett: By the pale light of yon blue fire 17. Rezitativ Fearful observer: See, through the glimmering darkness Shai Kribus Oboe I 18. Chor: What howling whirlwinds rend the sky! Gustavs Fridrihsons Oboe II 19. Rezitativ Fearful observer: For whom, at yonder livid flame 20. Arie Fearful observer: Whither ye beldames do ye roam? Gabriele Gombi Fagott 21. Chor & Arie Spirit of Avon: The tempests cease Christian Holenstein Horn I 22. Rezitativ Spirit of Avon: No more the elves, with printless pace Matteo Ravarelli Horn II 23. Arie Spirit of Avon: Ariel, who sees thee now? 24. Rezitativ Fancy: No more shalt thou upon the sharp north run Fruzsina Hara Trompete I 25. Duett Fancy & Spirit of Avon: For who can wield like Shakespeare’s Antonio Faillaci Trompete II skilful hand? 26. Chor: yet, Fancy, once again on Britain smile Georg Tausch Pauken

Wir danken der Meisterwerkstätte für historische Tasteninstrumente SOLOMOn’S KnOT Detmar Hungerberg, 42499 Hückeswagen Zoë Brookshaw Sopran für die freundliche Bereitstellung des Cembalos. Clare Lloyd-Griffiths Sopran

Kate Symonds-Joy Alt

Konzerteinführung: Prof. Dr. Katelijne Schiltz, 19.00 Uhr Vortragsraum Andrew Radley Alt im „Haus der Begegnung“ der Universität Regensburg, Hinter der Grieb 8 – Eintritt frei! Thomas Herford Tenor Peter Davoren Tenor

Jonathan Sells Bass Sendung: Deutschlandradio Kultur: 19.05.2016, 20.03 Uhr Alex Ashworth Bass

67 Mai 2016 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG

The Marian Consort und Rose Consort of Viols 2015 in der Dominikanerkirche

Xenia Löffler, Oboe, und die Batzdorfer Hofkapelle 2015 in der Basilika St. Emmeram

68 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG Mai 2016

KOnZERTEInFüHRUnGEn In Zusammenarbeit mit dem Institut für Musikwissenschaft der Universität Regensburg gibt es zu folgenden Konzerten Konzerteinführungen bei freiem Eintritt:

Dresdner Kammerchor & Prof. Dr. Katelijne Schiltz Dresdner Barockorchester Katelijne Schiltz ist Professorin am Institut für Dr. Michael Braun Musikwissenschaft der Universität Regensburg. Zu Samstag, 14. Mai 2016, 19.00 Uhr ihren Forschungsschwerpunkten gehören die Musik des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, insbeson- „Haus der Begegnung“ der Universität Regensburg, Hinter der Grieb 8 dere das Musikleben im Venedig des 16. Jahrhun- (Erdgeschoss links, gleicher Eingang wie „amore, vino & amici“, derts, die musikalische Rätselkultur sowie die Festivalrestaurant) Geschichte und Ästhetik der Aufführungspraxis. Dr. Michael Braun

Pulcinella Orchestra Dr. Michael Braun ist seit 2015 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Musikwissenschaft der Prof. Dr. Wolfgang Horn Universität Regensburg, wo er seit mehreren Jah- Sonntag, 15. Mai 2016, 19.00 Uhr ren für die Satzlehrekurse verantwortlich ist. Sein „Haus der Begegnung“ der Universität Regensburg, Hinter der Grieb 8 Forschungsschwerpunkt ist die Musik Béla Bar- (Erdgeschoss links, gleicher Eingang wie „amore, vino & amici“, tóks, neuerliche Forschungsinteressen richten sich auf Instrumentalgattungen des 18. Jahrhunderts Festivalrestaurant) und Filmmusik. Prof. Dr. Wolfgang Horn Les Passions de l’Ame & Wolfgang Horn ist nach Stationen an den Univer- Solomon’s Knot sitäten bzw. Musikhochschulen in Tübingen, Han- Prof. Dr. Katelijne Schiltz nover und Erlangen seit 2002 Inhaber des Lehr- Montag, 16. Mai 2016, 19.00 Uhr stuhls für Musikwissenschaft an der Universität Regensburg. Seine Dissertation „Die Dresdner Hof- „Haus der Begegnung“ der Universität Regensburg, Hinter der Grieb 8 kirchenmusik 1720-1745“ (Stuttgart und Kassel (Erdgeschoss links, gleicher Eingang wie „amore, vino & amici“, 1987) ist unter http://epub/uni-regensburg.de/27751 Festivalrestaurant) zu finden (alternativ im Buchhandel, Carus-Verlag).

VORSCHAU – TAGE ALTER MUSIK 2017

Im nächsten Jahr finden die Tage Alter Musik Regensburg zum 33. Mal statt. Bitte merken Sie sich den Termin vor: 2. bis 5. Juni 2017

Wir notieren gerne Ihr Interesse für das Festival 2017.

Tage Alter Musik Regensburg, Postfach 10 09 03, 93009 Regensburg Tel. 0941/ 8979786, Fax: 0941/ 8979836, e-Mail: [email protected]

Besonderer Hinweis Besonderer Hinweis

Pfingstsonntag, 15. Mai 2016 Pfingstmontag, 16. Mai 2016 10.00 Uhr, Dom St. Peter 9.15 Uhr, Basilika U. L. Frau zur Alten Kapelle (Alter Kornmarkt) Pontifikalamt mit den Regensburger Domspatzen Lateinisches Choralamt zum Pfingstmontag mit Gesängen aus dem „Graduale novum“

Josef Gabriel Rheinberger: „Cantus missae“ August Eduard Grell: „Himmlischer Tröster“ Proprium im Gregorianischen Choral Orgelnachspiel: Improvisation über die Sequenz „Veni, Sancte Spiritus“ Leitung: Domkapellmeister Roland Büchner Choralschola ehemaliger Regensburger Domspatzen Orgel: Domorganist Prof. Franz-Josef Stoiber Leitung: Josef Kohlhäufl Bildnachweis: Bischöfliches Zentralarchiv Regensburg, Norbert Reitzner; Copyright: Alte Kapelle Regensburg Bildnachweis:

69 Mai 2016 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG

Öffnungszeiten: Ausstellung im historischen Samstag, 14. Mai: 13.00 - 19.00 Uhr Sonntag, 15. Mai: 10.00 - 19.00 Uhr Salzstadel neben der Steinernen Brücke Montag, 16. Mai: 10.00 - 16.00 Uhr Der Eintritt ist frei!

Affourtit Pieter Blaszauer Ròbert Chinaglia Walter Dal Cortivo Elena Kasteellaan 28 XIX. u. 32. Via Montebello, 10 Via Pastrengo 13 NL-1628 KP Hoorn H- 1172 Budapest 22072 Cermenate (CO) I- 20159 Milano Tel. 0031/651127566 Tel. 0036/203130688 Tel. 0039/0266805621 Tel./Fax 0039/(0)31/772776 Fax: 0031/229503193 e-mail: [email protected] e-mail: e-mail: www.gamba.hu e-mail: [email protected] [email protected] Gamben, Viola d’amore, Baryton, [email protected] www.parchmentroses.com www.affourtit-bowmaker.com Cello www.organa.it Pergamentrosetten für Cembali Bögen Orgeln, Portative und Barockgitarren Bohr Pierre Dekker Bert American Institute of Musicology / via Farini 2 Cornetto Verlag Corpusmusicae I- 20154 Milano Diepsloot 51 Verlag & Fachhandel Mergelberg 84 Tel. 0039/026572710 NL- 9481 JL Vries für Alte Musik 48161 Münster e-mail: [email protected] Tel. 0031/592/542487 Tel. 0251/92774622 Streichinstrumente Hummelgasse 4 e-mail: [email protected] Fax 0251/92774623 70378 Stuttgart www.bertdekker.com Gamben, Lirone, Baryton, Violone e-mail: [email protected] Breitkopf & Härtel Tel. 0711/9561396 www.corpusmusicae.com Walkmühlstr. 52 Fax 0711/9561397 Dietrich Frank-Peter & Markus wissenschaftliche Ausgaben, 65195 Wiesbaden e-mail: Eubabrunner Str. 50 Traktate, Bücher Tel. 06128/966322 [email protected] 08265 Erlbach/ Vogtland Fax 06128/966370 Tel. 037422/ 6141 Argellies Martine e-mail: [email protected] www.cornettoverlag.info Fax 0037422/74847 11 bis rue des Soldats www.breitkopf.com noten, Faksimiles, e-mail: [email protected] F- 34000 Montpellier noten Portativ-Bausatz, Zinken www.gitarre-laute.de Tel. 0033/467060569 Gitarren, Lauten etc. e-mail: [email protected] www.clavecins-argellies.com Cembali, Spinette, Clavicytherium Dollendorf Michael Renaissance Workshop Bandelstr. 2 Barber Stephen / Harris Sandi 10559 Berlin 11a Peacock yard Tel. 0176/6380586 GB- London SE17 3LH e-mail: Tel. 0044/7785272979 [email protected] e-mail: [email protected] www.renaissanceworkshop.org www.lutesandguitars.co.uk Wochenendkurse und Sommer- Lauten, Gitarren schule für Mittelalter- und Renaissancemusik Bärenreiter Verlag Heinrich-Schütz-Allee 35 Dreysse Veronika & Hoffmann 34131 Kassel Carsten Tel. 0561/3105177 Friedrichstr. 8 Fax 0561/3105319 96047 Bamberg e-mail: [email protected] Tel. 0951/1339262 www.baerenreiter.com e-mail: [email protected] noten www. dreysse-hoffmann.de Barockvioline, -viola, -cello Beck Stefan musikhandwerk Frank Dieter Holsteiner Ufer 40-42 Dirnaich 21 10557 Berlin 84140 Gangkofen Tel. 030/3919809 Tel. 08722/8445 e-mail: [email protected] e-mail: fi[email protected] www.musikandwerk.de www.gambenbau.de Traversflöten Gamben, Fideln

Biberger Alois Fréguin Dominique Donnerstr. 58 21, rue de Lucerne 42555 Velbert F- 67000 Strasbourg Tel. 02052/8009720 Tel. 0033/674032622 e-mail: [email protected] e-mail: [email protected] www.klangbaeckerei.de www.freguin.com Gemshörner, Psaltern, Trommeln Gamben, Violinen etc.

70 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG Mai 2016

Frey Vera Donnerstr. 58 42555 Velbert Tel. 02052/8009720 e-mail: [email protected] www.verafrey.de Gamben, Geigen, etc.

Gorr Eduardo Angel Via Colombara 16 I- 26100 Cremona Tel.: 0039/3202720108 e-mail: [email protected] www.eduardogorr.com Bögen

Güntzel Jens / Fröde Stefanie OT Semmichau 3a 02633 Göda Tel. 035930/51552 e-mail: fi[email protected] www.dudelsackwerkstatt.de Hoffer Eitan Huber Josef Köllner-Dives Heinrich historische Holzblasinstrumente Hakinor 1 Prinzenallee 58 / Aufgang E Bahnhofstr. 5 Zvia 13359 Berlin 94227 Lindberg Tel. 09925/1280 Hatting Michael Israel- 20129 Misgav Tel. 030/61281042 e-mail: [email protected] Gelbinger Gasse 12 Tel. 00972/507626156 e-mail: [email protected] www.koellnerdives.de 74523 Schwäbisch Hall e-mail: [email protected] www.josefhuber.eu Geigen, Gamben etc. Blockflöten Tel. 0791/9466890 www.hoffer-bows.com e-mail: [email protected] Bögen Hurttig Martin Kotz Markus www.stimmstock.de Henricistr. 51 Gartenstr. 19 barocke Streichinstrumente Hofmeister Friedrich Musikverlag 93152 Nittendorf 04177 Leipzig und Bögen Büttnerstr. 10 Tel. 09404/8982 Tel. 0174/1389507 04103 Leipzig e-mail: e-mail: [email protected] Hintermeier Barbara Tel. 0341/9600750 [email protected] www.lautenbau-leipzig.de Eisenhutstr. 8 Fax 0341/9603055 Orgeln Lauten, Mandolinen, Gitarren 80689 München e-mail: info@hofmeister- Tel./Fax 089/703750 musikverlag.com Mann Terry Kaiser Mori Marcos e-mail: [email protected] www.hofmeister-musikverlag.com Long Cottage Rua Natingui 1071 noten für Blockflöte noten Park Lane, Castle Camps Brazil- 05443-002 Sao Paolo SP GB- Cambridgeshire, CB21 4SR Tel. 005511/963286226 Tel. 0044/1799584049 e-mail: [email protected] e-mail: [email protected] Salzstadel Das Salz gelangte Jahrhunderte www. marcoskaiser.com www.terrymann.net lang aus den Salinen Reichenhall Lauten, Gitarren Blasinstrumente, Mit dem Bau des Salzstadels, der und Berchtesgaden auf dem Inn bis Saiteninstrumente in Zusammenschau mit der Steiner- Passau und von dort donauauf- Klaassen André nen Brücke, dem Brückturm und wärts nach Regensburg. In nächster Oude Bornhof 22a Musica Repartita dem Dom das Stadtbild deutlich Nähe am Uferstreifen befand sich NL- 7201 CK Zutphen J. H. van Krevelen prägt, wurde 1616 begonnen, nach- der Kran zum Entladen der Schiffe, Tel. 0031/575/516946 Kon. Wilhelminaweg 433 dem die Stadt den an Bayern abge- weshalb der Name „Kränchersta- e-mail: [email protected] NL- 3737 BD Groenekan/Utrecht tretenen Salzstadel wieder zurück- del“ in Gebrauch kam. Die gewal- www.klaassenbows.com Tel. 0031/346218078 erworben hatte. Er wurde 1620 voll- tigen Ausmaße des Salzstadels las- Bögen e-mail: [email protected] endet. sen erkennen, welch ungeheure Faksimilesausgaben Der Salzhandel reicht in Regens- Salzmengen auf seinen Böden Kleinmann Eric burg bis in römische Zeit zurück. lagerten. Haigerlocherstr. 15 Muthesius Bastian Görresstr. 29 72414 Rangendingen 12161 Berlin Tel. 07471/82993 Tel./Fax: 030/6914813 e-mail: [email protected] e-mail: www.eric-harps.de [email protected] Harfen www.geigenbau-muthesius.de Streichinstrumente Klop Henk & Niels Paleisweg 6 Neukirch Gesa NL- 3886 LC Garderen Elsen 11 Tel. 0031/577461512 58849 Herscheid e-mail: [email protected] Tel. 02357/906169 www.klop.info e-mail: [email protected] Truhenorgel, italienisches www.cembalo-continuo.de Cembalo Spinette, Clavichord

71 Mai 2016 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG

Ottone Marco Salerno Marco Seidl Ekkard Van der Voort Floris-Jan Via della dracma 14 Plaça de l' Església, 8 Gartenstr. 9 Stekkenberg 76 E- 17845 Ravós del Terri, Girona NL- 6561 XM Groesbeek I- 00049 Velletri (RM) 08258 Markneukirchen Tel. 0039/3333000688 Tel. 0034/671372113 Tel. 0031/243970500 Fax 0034/972595143 Tel./Fax 037422/2420 e-mail: e-mail: [email protected] e-mail: [email protected] e-mail: [email protected][email protected] www.marotto.wix.com/liuteriaottone www.marcosalerno.it www.vandervoorthistoricalinstru- Fideln, Gamben www.seidlgeigen.de Streichinstrumente, Zupf- ments.com instrumente etc. Streichinstrumente Gamben Pabst Christian Semmelstr. 64 Schiffler Hagen Seidl Tobias Walhall Edition 97070 Würzburg Landratsstraße 5 Kösener Str. 9 Franz Biersack Tel. 0931/90705955 83410 Laufen Richard-Wagner-Str. 3 14199 Berlin e-mail: [email protected] Tel. 08682/955199 39106 Magdeburg Tel. 0176/22985894 www.violini.org e-mail: [email protected] Tel. 0391/857820 Streichinstrumente www.geigenbau-schiffler.de e-mail: [email protected] Fax 0391/8520079 Streichinstrumente, Bögen www.tobias-seidl.com e-mail: [email protected] www.edition-walhall.de Patigny Pierre Streichinstrumente Schmidt Johann-Gottfried noten und Faksimiles Drève Richelle 227 Tannenweg 22 (Ed. Fuzeau) etc. B- 1410 Waterloo 18059 Rostock Stegmiller Ekkehart Tel. 0032/475961440 Tel. 0160/7728928 Mozartstr. 1 Wolkenstayn Orgelbau Fax: 0032/23515647 e-mail: [email protected] Stefan Keppler 89231 Neu-Ulm e-mail: [email protected] www.cembalobau.de Von-Riedheim-Weg 1 Bögen Cembali Tel. 0731/721158 89359 Kötz Fax 0731/79709 Tel. 08221/3688646 Pilger Michael Schossig Dieter e-mail: [email protected] e-mail: [email protected] Nibelungenstr. 10b www.wolkenstayn.de Gummersbacher Str. 27 www.stegmiller-online.de 50679 Köln 85098 Großmehring Portative, Organetti, Tel. 0174/3143830 diverse Instrumente, noten gotische Orgeln Tel. 0221/816872 e-mail: [email protected] e-mail: [email protected] www.schossig-lautenbau.de Van der Veen Siem Zillmann Caroline / Milbradt Stef- www.pilger-gambenbau.de Lauten, Theorben, Gitarren etc. Kerklaan 3 fen Gamben Schlossergasse 1 NL- 9251 LE Burgum Schwarze Rainer 01662 Meissen Proulx Michel Göschenstr. 2-4 Tel. 0031/511/462659 Tel. 03521/402772 12 rue Doria 04317 Leipzig e-mail: e-mail: werkstatt@saitenspiel- F- 34000 Montpellier Tel. 0341/2132524 zeug.de [email protected] Tel. 0033/678452742 e-mail: [email protected] www.saitenspiel-zeug.de www.zink-cornetto.com e-mail: www.gemshornbau.de Streichinstrumente, [email protected] Gemshörner Zinken und Mundstücke Zupfinstrumente www.proulx-michel.fr Bögen

Radice Anna Via Dallolio 29 I- 40139 Bologna Tel. 0039/3482924328 e-mail: [email protected] www.annaradice.it Gitarren, Lauten

Riedel Karl M. Ev. Kirchenstr. 233 A- 8911 Admont Tel. 0043/3631/21736 e-mail: [email protected] www.drehleierbau-riedel.de Drehleiern, Streichpsalter etc.

Ross Jürgen Graben 8 64678 Lindenfels Tel. 06255/744 Fax 06255/44134 e-mail: ross.dudelsackbau@t- online.de www.dudelsackbau.de Dudelsäcke

72 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG Mai 2016

nACHTGESPRäCHE DIE TAGE ALTER MUSIK Im Grafenreutherschen Haus – GEHEn In DIE VERLänGERUnG im RESTAURAnT „AMORE, VInO & AMICI“ Kurstag „Alte Musik“ (vormals „Vitus“) an der Hochschule für katholische Kirchenmusik und Musikpädagogik Regensburg (HfKM) am Dienstag, dem 17. Mai 2016 DAS GRAFEnREUTHERSCHE HAUS Das Grafenreuthersche Haus gilt als einer der interessantesten Häuser- komplexe des mittelalterlichen Regensburg. JULIA SCHRÖDER (VIOLInE) & JOnATHAn SELLS (GESAnG) Die im 13. Jahrhundert erbaute Patrizierburg wurde bis zum 14. Jahr- hundert von dem angesehenen Geschlecht „von der Grub“ bewohnt, 2016 gibt es zum fünften Mal eine bevor es dann in den Besitz der Grafenreuther gelangt ist. Das Gebäude Zusammenarbeit der Tage Alter wird von zwei Türmen überragt, die sich ungewöhnlicherweise im Musik Regensburg mit der Innenhof befinden. An Bau- und Wohnweisen der zweiten Hälfte des Regensburger Musikhochschule, 13. Jahrhunderts erinnern im Inneren der große, tonnengewölbte Keller, der Hochschule für katholische mächtige Balkendecken und Rippengewölbe, der Lichtschacht und die Kirchenmusik und Musikpäda- mittelalterlichen Steinsitze in zwei Fensternischen, ferner die von etwa gogik (HfKM), in Form eines 1320 stammende Dorotheenkapelle (1542 säkularisiert). Kurstages. Das Gebäude hat noch viele seiner gotischen Fenster. Besonders bemer- kenswert ist ein frühgotisches, dreiteiliges Spitzbogenfenster mit über- Die Geigerin Julia Schröder höhten Mittelbogen, das sich neben dem rechteckigen Erker befindet. (Konzertmeisterin des Berner Originalklangorchesters Les Pas- sions de l’Ame) und der Bassist Jonathan Sells (Leiter des briti- schen Vokalensembles Solomon’s Knot) werden mit Studentinnen und Studenten der HfKM an vor- bereiteten Stücken aufführungs- praktische Fragen klären. Julia Schröder Zuhörer sind am Dienstag, dem 17. Mai, in den Räumen der HfKM in Regensburg-Stadtamhof zu Kurs und Konzert herzlich willkom- men.

Kursbeginn: 09:30 Uhr Mittagspause: 12:30 – 14:00 Uhr Kursende: 18:00 Uhr

Konzert im Konzertsaal der HfKM: 19.30 Uhr

Unkostenbeitrag: 20,- Euro Jonathan Sells

FESTIVALLOKAL RESTAURAnT „AMORE, VInO & AMICI“ KURSORT: Die Nachtgespräche finden während des Festivals täglich nach den HfKM Regensburg Nachtkonzerten im Festivallokal Restaurant „amore, vino & amici“ Andreasstraße 9 (vormals „Vitus“) 93059 Regensburg-Stadtamhof Grafenreutersches Haus / Haus der Begegnung Tel. 0941/83009-13 Hinter der Grieb Nr. 8 statt. Fax 0941/83009-46 www.hfkm-regensburg.de Das Lokal hat aus diesem Anlass verlängerte Öffnungszeiten: täglich von 11.00 – 3.00 Uhr (Küche bis 1.30 Uhr). Reservierungen sind möglich unter der Tel. Nr. 0941/93081525. Wir freuen uns auf Ihr Kommen!

73 Mai 2016 TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG

DIE TAGE ALTER MUSIK REGEnSBURG WERDEn VERAnSTALTET

in Zusammenarbeit mit und gefördert durch:

STADT REGEnSBURG / KULTURREFERAT

Offizieller Hauptsponsor der TAGE ALTER MUSIK 2016:

SPARKASSE REGEnSBURG

Wir danken herzlich.

DIE TAGE ALTER MUSIK DES WEITEREn WERDEn AUSSERDEM BESOnDERS DAnKEn WIR VOn FOLGEnDEn FÖRDERERn UnTERSTüTZT: Verein “Freunde des Regensburger Domchors” e.V. Bayerisches Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung Hochschule für Katholische und Kunst Kirchenmusik und Musikpäda- gogik Regensburg

Bayerischer Rundfunk Kunst- und Kulturstiftung Oswald Zitzelsberger, Regensburg Deutschlandradio

Buchbinder Rent-a-Car Universität Regensburg, Institut für Musikwissenschaft Priesterseminar Regensburg

Bezirk Oberpfalz Private Spender

Detmar Hungerberg Cembalobau, Hückeswagen DIE ERSTELLUnG DES PROGRAMMHEFTS UnD DER TEXTBLäTTERWäREOHnE DIE MITHILFE FOLGEnDER PERSOnEn nICHT DEnKBAR, Christian Fuchs DESHALB GILTUnSER BESOnDERER DAnK: Cembalo, Frankfurt Dr. Josef Ammer Christina Bergmann Walter Chinaglia Dr. Hannsjörg Bergmann Cembalo- und Orgelbau, Cermenate (CO), Italien Dr. Katharina Boehm Dr. Michael Braun Dr. Anna Farkas Markus Harder-Völkmann, Orgelbau, Neubiberg Stefanie Hecht Theresa Henkel M. A. Jonas Hock M. A. Clavierwerkstatt Christoph Kern, Staufen Prof. Dr. Wolfgang Horn Hans Meier-Scherrmann Julia Rudlof Josef Maier, Orgelbau, Hergensweiler Prof. Dr. Katelijne Schiltz

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ZEITTAFEL TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG 2016 Infozentrum

Das Informationszentrum der TAGE ALTER FReITAg, 13. MAI 2016 SONNTAg, 15. MAI 2016 MUSIK befindet sich im Salzstadel an der Steinernen Brücke. 10.00 bis 19.00 Uhr, Historischer Salzstadel 10.00 bis 19.00 Uhr, Historischer Salzstadel Infozentrum, Kartenverkauf, CD-Markt Infozentrum, Kartenverkauf, CD-Markt 20.00 Uhr, Dreieinigkeitskirche, Gesandtenstraße 10.00 bis 19.00 Uhr, Historischer Salzstadel Regensburger Domspatzen & L’ Orfeo Barock- Ausstellung orchester (Österreich) 11.00 Uhr, Reichssaal, Rathausplatz 22.45 Uhr, Schottenkirche St. Jakob, Jakobstraße L’Achéron (Luxemburg) Tiburtina ensemble (Tschechien) 14.00 Uhr, Basilika St. Emmeram, Emmeramsplatz european Union Baroque Orchestra SAMSTAg, 14. MAI 2016 16.00 Uhr, Basilika U. L. Frau zur Alten Kapelle Les Basses Réunies (Frankreich) 10.00 bis 19.00 Uhr, Historischer Salzstadel Infozentrum, Kartenverkauf, CD-Markt 20.00 Uhr, Dreieinigkeitskirche, Gesandtenstraße Pulcinella Orchestra (Frankreich) 13.00 bis 19.00 Uhr, Historischer Salzstadel Ausstellung 22.45 Uhr, Dominikanerkirche, Predigergasse Cut Circle (USA) 11.00 Uhr, Reichssaal, Rathausplatz La Ritirata (Spanien) 14.00 Uhr, Neuhaussaal, Theater am Bismarckplatz MONTAg, 16. MAI 2016 ensemble sinn&ton (Deutschland) 10.00 bis 16.00 Uhr, Historischer Salzstadel 16.00 Uhr, St.-Oswald-Kirche, Weißgerbergraben Infozentrum, Kartenverkauf, CD-Markt Barokkanerne (Norwegen) 10.00 bis 16.00 Uhr, Historischer Salzstadel Öffnungszeiten: 20.00 Uhr, Dreieinigkeitskirche, Gesandtenstraße Ausstellung Freitag, 13. Mai bis Montag, 16. Mai 2016 täglich von 10.00 bis 19.00 Uhr Dresdner Kammerchor & Dresdner Barockor- 11.00 Uhr, Innenhof Thon-Dittmer-Palais, Haidplatz chester (Deutschland) Freiluftkonzert: Zefiro (Italien) (am Montag nur bis 16.00 Uhr) 22.45 Uhr, Minoritenkirche, Dachauplatz (Bei ungünstiger Witterung: St.-Oswald-Kirche, La Compagnia del Madrigale (Italien) Weißgerbergraben) Telefon: 09 41 / 507 - 1038 Telefax: 09 41 / 507 - 3131 14.00 Uhr, Minoritenkirche, Dachauplatz ClubMediéval (Belgien) Kartenverkauf, Auskünfte, Informationen 16.00 Uhr, Neuhaussaal, Theater am Bismarckplatz und alles Wissenswerte rund um das euskal Barrokensemble (Spanien) Festival, sowie Verkauf von CDs aller am 20.00 Uhr, Dreieinigkeitskirche, Gesandtenstraße Festival teilnehmenden Künstler und Les Passions de L’Ame (Schweiz) & Ensembles, viele CD-Sonderangebote und Solomon’s Knot (großbritannien) CD-Raritäten.

IMPRESSUM

Eine Veranstaltung von PRO MUSICA ANTIQUA in Zusammenarbeit mit und gefördert durch die STADT REGENSBURG / Kulturreferat

PLANUNG UND KONZEPTION: PRO MUSICA ANTIQUA (Stephan Schmid, Ludwig Hartmann)

GESCHÄFTSLEITUNG: Paul Holzgartner

HERAUSGEBER: TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG (Stephan Schmid, Ludwig Hartmann) Postfach 10 09 03 D –93009 Regensburg E-Mail: [email protected] www.tagealtermusik-regensburg.de

REDAKTION: Ludwig Hartmann, Stephan Schmid, Prof. Dr. Katelijne Schiltz

REDAKTIONSSCHLUSS: April 2016 1 Reichssaal 7 Basilika St. Emmeram ÜBERSETZUNGEN: Hans Meier-Scherrmann, Dr. Hannsjörg 2 Alte Kapelle 8 Neuhaussaal und Christina Bergmann, Prof. Dr. Wolfgang Horn LEKTORAT: Dr. Hannsjörg und Christina Bergmann 3 St.-Oswald-Kirche 9 Minoritenkirche HINTERGRUNDBILD TITELSEITE: Museen der Stadt Regens- 4 Thon-Dittmer-Palais 10 Dreieinigkeitskirche burg, Historisches Museum; Foto: Michael Preischl

5 Dominikanerkirche 11 Salzstadel (Infozentrum, Ausstellung) SATZ & LAYOUT: DTP-Studio DENZL, www.dtpd.com DRUCK: Mühlbauer, Hengersberg 6 Schottenkirche 12 Restaurant „amore, vino & amici“ Haus der Begegnung (Konzerteinführungen)