Preis: € 3,00 (AT), 69. Jahrgang | Erscheinungsort: Wien. Österreichische Post AG. MZ 02Z030510 M | ACADEMIA, Lerchenfelder Str. 14, 1080 Wien W 2/2018 Österreichischer Religion. Kultur.Politik. Wirtschaft. den ländlichen Raum?den Breitband Bildung und Retten (März)  WIR MORGEN LEBEN MORGEN WIR

1938: „Wären’s halt nicht gewesen.“ beim CV 30 2018: Für Bildung und ein sicheres Morgen 22 2050: Europa wächst –durch Migration 4

Inhaltsverzeichnis | THEMENÜBERSICHT

4 2050: Europa wächst durch Migration. Sind wir vorbereitet? Andreas Kiefer

7 Ländliche Idylle im Zehnminutentakt Wilhelm Ortmayr

11 Stadt-Land-Gegensatz revisited: Vom Zentrum in die Peripherie Ewald Verhounig

14 Stadtregionen – der Raum, wo Stadt und Land fließend sind. Außerdem Alexander Lesigang 21 Kaspar meint … 17 Haben die Kleinen eine Zukunft? Nicolaus Drimmel 37 Leserbrief Politik Ein Jahr ACADEMIA um € 15,- 22 „Unser Programm heißt Bildung und Vertrauen in die Zukunft“ Das Jahres-Abo im Umfang von sechs Interview mit Wilfried Haslauer Ausgaben kostet nur 15,00 Euro und kann per E-Mail an [email protected] 27 Kann der Franke Bayern? oder per Telefon unter +43-1- Oder gar noch mehr? 405 16 22 31 bestellt werden. Es genügt auch einfach eine Überweisung des Veit Neumann Abonnement-Preises auf das Konto AT11 3200 0002 1014 5050 (Academia) Zeitgeschichte unter Angabe der Zustelladresse. 30 „Ja, Herr Kollege, wären Sie halt nicht beim CV gewesen!“ O F F E N L E G U N G Medieninhaber: Cartellverband der katholischen Gerhard Hartmann österreichischen Studentenverbindungen (ÖCV). Unternehmensgegenstand: Laut §2(1) der ÖCV-Statuten: „Der Verein hat den 33 Schüsse, Verhöre, Lagerhaft … Zweck, die Allgemeinheit auf geistigem, kulturellem und sittlichem Gebiet, insbesondere auf den Gebieten der Kunst, der Wissenschaft, der Volksbildung, der Der März 1938 als CVer Erziehung, der Heimatkunde und der Heimatpflege, ferner bei der praktischen Christoph Proksch Betätigung der katholischen Weltanschauung und der vaterländischen österrei- chischen Gesinnung zu fördern. Parteipolitisch ist der ÖCV nicht gebunden.“ Vorstand: DI Georg Feith, Michael Alexander L. Jayasekara, Mag. Harald Pfannhau- ser, Mag. Ferdinand Hochleitner, Mag. Karl Wolfgang Schrammel, Dkfm. Dr. Heinz Nefischer. Grundlegende Richtung: Zeitschrift für Politik, Wirtschaft, Religion und Kultur auf der Grundlage der in den ÖCV-Statuten angegebenen Ziele.

Seite 2 Editorial

Liebe Leser!

Die Kluft zwischen Stadt und zwei Jahre gezeigt, driften urbane hatten und führt uns einige aus- Land wird größer. Stimmt diese Zonen und ländliche Regionen gewählte (und typische) Schick- These? Wie ticken Stadt und völlig auseinander -im Wahl- sale vor Augen. Zu Wort kommt Land eigentlich? Fragen wir verhalten, im Meinungsklima, außerdem der einzige noch le- diese hat der ÖCV bereits seit in Prioritätenkatalogen weltan- bende ÖCVer, der den einiger Zeit auf seiner Agenda. schaulicher, aber auch persönli- und seine Folgen bereits als Mit- Der Themenkomplex „Urbane cher Natur. glied des Verbandes erlebt hat. Ballungszentren versus Periphe- rien“ erschöpft sich ja nicht in Wir haben in dieser Ausgabe der Über Euer/Ihr Interesse freut sich der Frage: „Gehe ich lieber jeden ACADEMIA, versucht, einigen mit der Redaktion Abend in die Oper oder höre ich Ursachen dieser Entwicklung lieber die Vöglein zwitschern?“ nachzugehen und auch zu be- Vielmehr erleben wir derzeit, leuchten, wie die Großräume Eu- dass massive Bewegungen im ropas sich entwickelt haben und Wilhelm Ortmayr (Lo) Gang sind, die enorme Ressour- entwickeln werden. Spannend Chefredakteur cen verschlingen. Strukturen nimmt sich dazu ein Blick auf die werden geschaffen, Strukturen Steiermark aus, der beweist, dass werden aufgelassen. Die Moder- es Pendlerströme auch in „entge- nisierungsschübe scheinen un- gengesetzte“ Richtungen geben aufhaltsam von den Peripherien kann, beziehungsweise dass Jobs in die Zentren zu führen. Diese am Land alleine noch kein Ga- Sogwirkungen (und das Gefühl, rant für stabile Bevölkerungspro- dass die Politik ihnen machtlos/ gnosen sind. gleichgültig gegenübersteht) füh- ren zu spürbaren Irritationen in Das Jahr 2018 ist uns aber auch der Bevölkerung. Anlass zurück zu blicken. Die Chronik des Jahres 1938 als be- Meinungsforscher und Analyti- kannt voraussetzend führen zwei ker erklärten uns früher an Wah- Artikel zu ganz persönlichen labenden gerne den „Trend, der Erinnerungen und Leidensge- sich in Richtung der Ballungszen- schichten aus den Wochen der tren verstärkt“. Den gibt es heute Machtübernahme Nazi-Deutsch- bestenfalls noch in Kärnten. lands. Gerhard Hartmann be- Überall anders, das haben fast nennt präzise, was die Mitglieder alle Wahlgänge der vergangenen des CV in Österreich zu erdulden

ACADEMIA Ausgabe 2/2018 (März). Medieninhaber: ÖCV und ÖAHB. Mit der Herausgabe beauftragt: Gerhard Jandl. Chefredakteur: Wilhelm Ortmayr. Redaktion: Florian Kamleitner, Lucas Semmelmeyer, Herbert Kaspar, Gerhard Hartmann.. Layout: Johann-Georg Stadler. Verlagsleitung: Gerhard Jandl. Redaktionsmanagement: Sebastian Ecker. Adresse (alle): Lerchenfelder Straße 14, 1080 Wien. +43 1 405 16 22-31, [email protected]; www.academia.or.at. Reproduktion/Druck: AV+Astoria Druckzentrum GmbH, Faradaygasse 6, 1030 Wien. Fotos/Grafiken (sofern nicht anders angegeben): ACADE- MIA-Archiv, ÖCV-Archiv, pixabay (???), privat. Cover: ???. Verkaufspreis: EUR 3,00. Abo: EUR 10,00/Jahr (Studenten), EUR 15,00/Jahr (Normalpreis). Für unverlangt eingesandte Manuskripte kann keine Gewährleistung übernommen werden. Verkaufsstellen: Wien 8, ÖCV-Sekretariat, Lerchenfelder Straße 14; Wien 15, Trafik Lippa, Mareschgasse 32. Bruck/M.: Trafik Kamper, Herzog-Ernst-Gasse 23. Hartberg: Trafik Denkmeyr, Kirchengasse 6. Innsbruck: Trafik Wacker, Museumsstraße 38; Trafik Sezemsky, Brunecker Straße 1. Hinweis: Beiträge, die die offizielle Meinung des ÖCV wiedergeben, sind als solche gekennzeichnet. Alle anderen Publikationen stellen nur die persön- liche Meinung des Autors dar. Redaktionell abgeschlossen am ???. Zum Postversand gegeben am ???.

Seite 3 März 2018 Titel | WO WIR MORGEN LEBEN

2050: Europa wächst durch Migration. Sind wir vorbereitet?

✒ Andreas Kiefer

Im Jahr 2050 wird Europa (EU-28)1 von ca. 508 Millionen Menschen im Jahr 2015 um 3,4 Prozent auf ca. 525 Millionen gewachsen sein: konzentriert in urbanen Gebieten und überwiegend durch Migration von ca. 45 Millionen Menschen. Österreich wird dann statt 8,5 ca. 10,3 Millionen Einwohner zählen. Lebenschancen und Bevölkerungsentwicklung in den ländlichen Räumen variieren – unterschiedlich müssen daher auch die Strategien sein. Wenn es sie denn gibt.

in Blick auf die Landkarte Unterschiede: In der NUTS- WACHSTUM NUR DURCH E (Abbilbund rechts)² zeigt, 2-Region (entspricht etwa der MIGRATION dass allen österreichischen Bun- Größe eines durchschnittlichen desländern mit Ausnahme Kärn- österreichischen Bundeslandes) Das erwartete Bevölkerungs- tens eine Netto-Zunahme der Münster weisen sieben Kreise wachstum von 3,4 Prozent euro- Bevölkerung vorausgesagt wird: einen voraussichtlichen Bevölke- paweit ergibt sich aus der natür- Tirol zwischen 10 und 25 Pro- rungsrückgang von mindestens lichen Bevölkerungsveränderung zent, Wien sogar über 25 Pro- 14 Prozent auf, während für das (minus 4,8 Prozent) und der Net- zent. Für weite Teile Europas gilt Oberzentrum, die Kreisfreie tomigration (plus 8,2 Prozent). allerdings das Gegenteil und er- Stadt Münster selbst, ein Wachs- Die Netto-Migration verlangt vor zeugt dort Wanderungsbewegun- tum von 46,5 Prozent erwartet allem von und für Metropol- und gen. Die zahlreichen gelben und wird. Ähnlich hohe Bandbreiten Hauptstadtregionen einen integ- orangen Regionen werden unter und inner-regionale Disparitä- rierten Politikansatz – inklusive Landflucht zu leiden haben, da- ten werden für die Hauptstadt- einer europäisch koordinierten gegen werden die Hauptstadtre- region Bukarest, für Thüringen, Migrations- und Integrations- gionen – Wien, Berlin, Paris usw. Brandenburg, Leipzig, Dresden, politik. Zwar wird vieles Bin- – besonders unter Druck geraten. Freiburg und Darmstadt identi- nenmigration innerhalb der EU fiziert, wo eine Bevölkerungsver- und des EWR im Rahmen der In Deutschland ist die Situa- schiebung von den stärker iso- Personenfreizügigkeit sein. Doch tion besonders dramatisch: für lierten ländlichen Gebieten hin auch diese Wanderungsbewe- Mecklenburg-Vorpommern, zu dichter besiedelten urbanen gungen erfordern vorausschau- Thüringen, Chemnitz und Sach- Regionen prognostiziert wird. ende Politiken, Integrations- sen-Anhalt wird ein Bevölke- Das Phänomen betrifft also nicht konzepte und gesellschaftlichen rungsrückgang um mehr als 36 nur den entwicklungsschwachen Konsens – noch viel mehr gilt Prozent prognostiziert. Osten, sondern, mit wenigen – dies für die Einwanderung von blauen – Einsprengungen, den außerhalb der EU. Dazu kom- Auch innerhalb der territorialen ländlichen Raum im gesamten men in allen Zuwanderungsge- Strukturen gibt es signifikante deutschen Bundesgebiet. biete die nötigen Investitionen

1 Die Bevölkerungsprogose von EUROSTAT 2015-50 enthält Daten für die EU-28 und berücksichtigt den voraussichtlichen BREXIT nicht. 2 Diese und weitere Grafiken zur Bevölkerungsentwicklung finden sich auf http://ec.europa.eu/eurostat/statistics- explained/index.php/Statistics_on_regional_population_projections/de .

Seite 4 in Kinderbetreuung, Bildung und Ausbildung, Gesundheits- und Verkehrsinfrastruktur sowie Wohnbau, bzw. deren Rückbau in Absiedelungsgebieten.

LANDFLUCHT – ÜBERALTERUNG – ENTVÖLKERUNG

Alle Prognosen sagen einen An- stieg des Durchschnittsalters der Bevölkerung voraus. 2015 betrug der Altersabhängigkeitsquoti- ent³ etwa 29 Prozent, im Jahr 2050 werden europaweit etwa 50 Prozent erwartet. Anders aus- gedrückt: betrug das Verhältnis der Menschen im erwerbsfähigen Alter zur Altersgruppe der über 65-Jährigen im Jahr 2015 3,5 zu 1, wird dieser Wert bis 2050 auf fast 2 zu 1 fallen. Die Hauptstadtre- gionen zählen zu den knapp 40 Regionen, in denen der prog- nostizierte Altersabhängigkeits- quotient unter 40 Prozent liegen wird; ein Indikator für die jün- Prognostizierte prozentuale Veränderung der Bevölkerung, nach gere Bevölkerung dort – zu Las- NUTS-2-Regionen, 2015–2050 (%). Quelle: Eurostat ten der überalterten ländlichen Räume. Nach einer Studie (Thü- 90 Prozent der ländlichen Flä- Manche ländliche Regionen ha- nen Working Paper 68) leben che Vergreisung und schließlich ben eine bessere Performance knapp 60 Prozent der Einwoh- Entvölkerung. als benachbarte städtische Ge- ner Deutschlands in ländlichen biete. Gerade gut erschlossene Räumen auf ca. 90 Prozent der LÄNDLICH IST NICHT ländliche Gebiete befinden sich Fläche des Staatsgebiets. Die üb- GLEICH LÄNDLICH im Übergang zu einer „neuen rigen 40 Prozent bewohnen ur- ländlichen Wirtschaft“, und es bane Gebiete, die ca. 10 Prozent Ländlichkeit ist umso ausgepräg- entwickelt sich eine diversifi- der Landesfläche umfassen. Der ter, je geringer die Siedlungs- ziertere Wirtschaft in Produk- Trend zur Urbanisierung ist allen dichte, je höher der Anteil der tion und Dienstleistungen. Gut EU- und EFTA-Staaten gemein Land- und Forstwirtschaft, je hö- erschlossene ländliche Gebiete und die Zahlen sind wohl über- her der Anteil der Ein- und Zwei- sind Arbeitskräftereservoir für tragbar. Nach der Abwanderung familienhäuser und je schlechter urbane Räume und es bestehen jüngerer Bevölkerungsgruppen die Erreichbarkeit großer Zent- vielfältige wirtschaftliche und drohen auf den genannten ca. ren ist.

3 Der Altersabhängigkeitsquotient bezeichnet das Verhältnis der in der Regel wirtschaftlich abhängigen „Alten“ einer Population zu 100 Personen im erwerbsfähigen Alter. Für die nicht mehr erwerbsfähigen Personen wird dabei häufig ein Alter ab 65 Jahren und für die Erwerbstätigen eine Altersklasse von 15 bzw. 20 bis 64 Jahren angenommen.

Seite 5 März 2018 kulturelle Wechselbeziehungen Stimulierung von kleinen, mitt- „Ländlicher Raum“, der unter Be- zwischen Stadt und Land. leren und Kleinstunternehmen teiligung aller Akteure in einem sowie von der Förderung der inklusiven Prozess erarbeitet und Die meisten ländlichen Gebiete Qualifikationen der Menschen im Juli 2017 der Öffentlichkeit in Europa sind jedoch gekenn- vor Ort, von Innovation und Ri- vorgestellt wurde. Wenn auch zeichnet von Abwanderung (ins- sikobereitschaft getragen durch einige der darin vorgeschlagenen besondere junger Menschen), eine glaubwürdige Lebenspers- Maßnahmen in anderen Staaten alternder verbleibender Bevöl- pektive. Die Entwicklung und aufgrund der unterschiedlichen kerung, hohen Armutsraten, be- Erhaltung von Infrastrukturen, Strukturen nicht direkt anwend- grenzten Basisdiensten und Inf- ob Straße oder Schiene oder digi- bar sein werden – das offene Ver- rastrukturproblemen, wenigen tale und Bildungs-Infrastruktur, fahren und die breite Bürgerbe- und oft unqualifizierten Arbeits- ist ein wesentlicher Schlüssel für teiligung sind vorbildlich. plätzen mit geringen Aussichten die nachhaltige Sicherung der Le- auf Ausbildung und Karriere. bensgrundlagen. Der Zugang zu MIGRATION UND INTEGRATION Schlecht erschlossene ländliche Breitbandnetzen ist damit gleich- ALS AKZEPTANZFAKTOREN Gebiete, die fern von städtischen sam eine Frage der Menschen- Zentren liegen, sind in der Regel rechte geworden, denn eine zu- Angesichts der im europäischen von wenigen Sektoren abhängig, verlässige, qualitativ hochwertige Vergleich sehr guten Ausgangs- vor allem Landwirtschaft und und erschwingliche Breitband- lage sollte in Österreich rechtzei- Tourismus. In diesen Sektoren verbindung sichert den Zugang tig eine faktenbasierte Debatte sind die Arbeitsplätze oft schlecht zu anderen sozialen Rechten: über die längerfristige Perspek- bezahlt, saisonal und gering qua- Bildung, Information, Beschäf- tive der Bevölkerungsentwick- lifiziert und bieten kaum Ent- tigung oder Gesundheitsversor- lung in städtischen und ländli- wicklungsmöglichkeiten. Ein gung. Hier hat die öffentliche chen Gebieten begonnen werden. weiterer wichtiger Aspekt ist die Hand einen Versorgungsauftrag, Diese muss die Konsequenzen „medizinische Desertifikation“. der vom Privatsektor nicht kos- der inner-europäischen Wande- Junge Mediziner wollen sich tendeckend erfüllt werden kann. rung und von Einwanderung aus nicht mehr in ländlichen Ge- Drittstaaten ebenso umfassen wie meinden niederlassen, weil sie DASEINSVORSORGE UND Fragen von Identität und Integra- weniger attraktiv sind, und dies LEBENSPERSPEKTIVE tionserfolg. Die Zivilgesellschaft hat kritische Auswirkungen auf und die Einrichtungen der Er- die Gesundheitsdienste. Diese In seinem Bericht „Eine bes- wachsenenbildung sind geeignete ländlichen Gebiete leiden oft sere Zukunft für die ländlichen Partner für diese Debatte in Stadt unter Fehleinschätzungen nati- Gebiete Europas“ fordert der und Land und der Masterplan onaler Entscheidungsträger, die Kongress der Gemeinden und „Ländlicher Raum“ bietet dafür einerseits nur Städte in der Lage Regionen des Europarats Min- eine ausgezeichnete Grundlage. sehen, nationales Wachstum zu deststandards für die Versorgung erzielen und andererseits, die mit Dienstleistungen der Da- ländliche Wirtschaft auf Land- seinsvorsorge. Als Voraussetzung wirtschaft und Landnutzungsak- für qualifizierte Beschäftigung tivitäten reduzieren. sollen die allgemeine und die be- rufliche Bildung verbessert, Un- DIGITALISIERUNG UND ternehmertum und Innovation QUALIFIKATION ALS CHANCEN Dr. Andreas Kiefer (R-J) gefördert sowie nationale und arbeitete bis zu seiner Wahl zum Generalsekretär regionale Verwaltungsdienste de- des Kongresses der Gemeinden und Regionen Das Entwicklungspotenzial zentralisiert werden. Im Rahmen des Europarats (2010) u.a. als Leiter des Büros der ländlichen Gebiete hängt der Debatte über diesen Bericht von LH Dr. Hans Katschthaler und als Leiter der Europa-Abteilung des Amtes der Salzburger Lan- ab von der Modernisierung präsentierte Bundesminister An- desregierung. Der Beitrag gibt seine persönliche der wirtschaftlichen Basis, der drä Rupprechter den Masterplan Meinung wieder.

Seite 6 WO WIR MORGEN LEBEN | Titel

Ländliche Idylle im Zehnminutentakt

✒ Wilhelm Ortmayr

Arbeiten in der Stadt, wohnen im Speckgürtel, Urlaub am Land. Dieser Megatrend der österreichischen Bevölkerungsverschiebungen ist weder strukturell gesund noch ökonomisch sinnvoll. Vor allem aber vertieft er die geistigen Gräben zwischen Städtern und Landvolk.

ie Kluft zwischen Stadt und zufällig. Immerhin sind am Land stärker als in den Ballungsge- D Land wird größer, die Ver- Lebende deutlich „stolzer“ auf bieten. Die ÖVP legt am Land ständnisprobleme nehmen zu. ihre Lebenswelt (und damit bes- zu und verliert, je urbaner die Diese These ist seit den jüngsten ser ansprechbar für solche Ver- Gemeinden werden. Der genau Wahlgängen in Österreich nicht gleiche) als Städter. umgekehrte Trend trägt die linke mehr von der Hand zu weisen Reichshälfte. und sie wird von der Politik auch Die politische Zweiteilung in angesprochen. Böse Stadt gegen Peripherien und Zentren ist Ähnlich war das Bild schon im gutes Land – solche Anklänge in messbar. Bei der Landtagswahl Oktober bei der Nationalrats- türkis hörte man im National- in Niederösterreich gewinnt die wahl: Die SPÖ fährt in Ge- ratswahlkampf – wohl nicht ganz FPÖ „weit draußen am Land“ meinden mit mehr als 20.000

Seite 7 März 2018 Wahlberechtigten um 10,8 Pro- Das macht es für konservativere Skeptiker und „Ablehner“ neh- zentpunkte mehr ein als in Dör- Kräfte einfacher. men in den Städten oft gar nicht fern, im Industrieland Oberös- mehr teil am politischen Prozess. terreich geht die Schere bis zu Verknüpft mit qualitativen Fak- 16 Prozentpunkte weit auf. Die ten wird die Sache komplizierter. Anders am Land. Dort zieht sich ÖVP hingegen ist Kaiserin in Beispielsweise haben von jenen die politische Partizipation (vor Orten bis zu 2500 Einwohnern: 40 Prozent der Österreicher, die allem, aber nicht nur im kom- Dort holt sie um 16 Prozent- ihre persönliche Zukunft in ma- munalen Bereich) durch alle punkte mehr als in großen Städ- terieller und sozialer Hinsicht, Bildungs-, Einkommens- und ten, am größten ist hier die Kluft aber auch in Fragen der Sicher- Berufsgruppen. Generell ist am in Tirol. heit skeptisch beurteilen, 69 Land die Wahlbeteiligung höher. Prozent Hofer gewählt. Gleich- Je größer aber der Ort und je nä- Somit gilt: Türkis-blau ist das zeitig bildet ebenjene (überwie- her zu den Großstädten gelegen, Land, rosa, grün und pilzfar- gend ländlich-konservative) Ho- umso geringer wird die Partizipa- ben die Städte. Eindrucksvoll zu fer-Wählerschaft sehr deutliche tion. Es darf daher angenommen sehen auch auf der politischen jene Gesellschaftsteile ab, die po- werden, dass sich „massive poli- Landkarte Österreichs nach der litischen Parteien und Politikern tische Unzufriedenheit“ in den (später aufgehobenen) Bundes- eher wenig vertrauen, jedenfalls Städten weniger in Wahlresulta- präsidenten-Stichwahl am 22. nicht uneingeschränkt (88 Pro- ten niederschlägt als vielmehr in Mai 2016 (siehe unten). zent). Die Wähler Van der Bel- der Wahlbeteiligung. lens tun dies nur zu 68 Prozent. Auf den allerersten Blick lässt WOHER RÜHRT DIE sich das unterschiedliche Wahl- Das überrascht insofern, als man ANGST AM LAND? verhalten einfach erklären: Es in den „linksliberalen“ Städten zieht vor allem junge und höher durchaus ebenso viel systemkri- Die Befürchtung des „Ausster- gebildete Menschen in die Städte. tisches Potenzial vermuten würde bens“ geht um und enthält ei- Die wählen traditionell libera- wie am Land. Dem ist auch so, nen wahren Kern. Einzelne Be- ler. Der ländliche Raum hinge- lassen neueste Untersuchun- zirke aber auch ganze Viertel gen altert. Auch Religion spielt gen aus Deutschland und Salz- verlieren sukzessive Einwohner, dort noch eine größere Rolle. burg vermuten, doch eben diese darunter auch touristisch recht

Seite 8 gut entwickelte und/oder ver- zum Arbeitsplatz, sind der we- „höchst individuelle und wohl- kehrstechnisch gut erschlossene sentlichste. Wo es Arbeitsplätze überlegte“ bezeichnet. Die Mo- Bezirke wie Landeck und Lienz gibt oder ein leistungsfähiger tive unterscheiden sich – je nach oder der Salzburger Lungau. die Menschen in weniger als ei- Lebensphase. Statistisch gesi- Weite Teile der Steiermark und ner Stunde in den nächsten Bal- chert kann gesagt werden: Ab- Kärntens gehören dazu, das lungsraum kommen lässt, sinken wanderung ist häufiger weiblich. Waldviertel, Teile des Weinvier- die Einwohnerzahlen nicht. Die Das liegt auch an der Struktur tels, die nördlichen Regionen des Menschen pendeln dann eben. des ländlichen Arbeitsmarkts, der Mühlviertels sowie das Südbur- Wie Perlen einer Kette reihen durch Landwirtschaft, Hand- genland. In all diesen Gegenden sich etwa in Niederösterreich die werk und Gewerbe geprägt ist. wird sich bis 2050, also inner- „Häuslbauerorte“ aneinander, die Frauen haben in ländlichen halb einer Generation, die Zahl direkt von einer Bahnlinie oder Randregionen nahezu um die der über 60-Jährigen nahezu Autobahn (Richtung Wien oder Hälfte (!) weniger Bruttoeinkom- verdoppeln. St. Pölten/Krems) bedient wer- men als Männer, weil sie längere den. Aus entlegenen Orten hin- Karenzzeiten haben (die Kinder- Die durch Abwanderung aus- gegen wandern die Menschen ab. betreuung ist schlechter ausge- gelöste Negativspirale des (Dass es bei dieser Entwicklung baut als in den Ballungszentren) Schrumpfens und Alterns (sin- auch Abweichungen geben kann, und oft in Berufen arbeiten, in kende Finanzkraft der Privat- illustriert der Artikel von Ewald denen die Verdienstchancen ge- haushalte – Verschlechterung der Verhounig auf Seite …) ringer sind. Frauen, die einen hö- Nahversorgung und Infrastruk- heren Bildungsabschluss anstre- tur – Sinken der Finanzkraft der DAS LAND VERLIERT DIE ben, finden am Land zunächst öffentlichen Hand – zunehmen- FRAUEN UND DIE JUGEND kaum Ausbildungsstätten, da- der Gebäudeleerstand) macht nach kaum Beschäftigungsmög- den ländlichen Raum sehr teuer. Raumplanerin Tatjana Fischer lichkeiten, die ihrer Ausbildung Die Folgen dieser Entwicklung von der Universität für Boden- entsprechen. sind für jeden Bürger längst über- kultur hat in einem Zeitungsin- deutlich. Bahnstrecken wurden terview kürzlich die Entschei- Die Entscheidung, zu gehen oder eingestellt, Postämter sperrten zu, dung abzuwandern als eine zu bleiben, sei laut Fischer das Behörden wurden zentralisiert, Arztpraxen aufgelassen, die Nah- versorgung dünnt aus, Wirtshäu- Angaben in Prozent Gemeinden Österreich ser schließen. Damit verlieren unter 5000 Ew. gesamt die Dörfer ihre Begegnungsorte und Kerne – das Zusammenge- Pendler 72,1 52,6 hörigkeitsgefühl schwindet und mit ihm der Optimismus, dass Arbeitslosenanteil 5,0 7,6 es „zuhause“ eine Zukunft gibt. Was sich dann auch in Wahler- Maturanten, Akademiker 26 35 gebnissen niederschlägt. Anteil Lehrabschluss 47 40 DIE ARBEIT UND DER WEG DORTHIN In der Landwirtschaft tätig 8 4 Warum es die Jugend in die Ballungszentren zieht, hat viele In der Industrie tätig 30 26 Gründe. Verkehrsverbindun- gen, genauer gesagt die täglich In der Dienstleistung tätig 62 70 zu bewältigende Entfernung

Seite 9 März 2018 Nachhaltiger Tourismus kann mithelfen, moderne Infrastrukturen zu schaffen und landwirtschaftlich geprägte Lebensräu- me zu erhalten. Ein Allheilmittel gegen Abwanderung ist er aber nicht.

Ergebnis intensiver Abwägung. gut vereinen – inklusive der familienfreundliche Infrastruk- Junge ziehen demnach am häu- kleinstrukturierten, dörflich ge- tur, nachhaltiger Tourismus. figsten um, wenig überraschend wachsenen Lebenskultur, die für in der Lebensphase zwischen Österreich so typisch ist. Viel- Es herrscht Einigkeit darüber, Ende der Pflichtschule und Mitte leicht gilt dies nicht für manche dass Wissen zur entscheidenden 30, in der man die Ausbildung Umlandgemeinde Wiens… aber Produktivkraft in unseren Brei- abschließt, einen Job findet, pas- ein Blick etwa in die Stadtrand- ten wird. Wichtig ist, dass die sende Wohnverhältnisse schafft gemeinden von Graz, Salzburg ländlichen Gemeinden sich auf und eine Familie gründet. Diese und Innsbruck zeigt ein deut- diese Option einlassen (können/ Altersgruppe sollte von den ur- liches Bild: Das Vereinswesen dürfen) und sie nicht vornehm- sprünglichen Heimatgemeinden blüht, Brauchtum und Volkskul- lich den Städten vorbehalten besonders angesprochen werden. tur werden gepflegt, Ehrenamt bleibt. Hier sind die Länder Denn wer als Junger weggeht und sowie Nachbarschaftshilfe sind ebenso gefragt wie bei der Schaf- seine sozialen Bindungen verliert, selbstverständlich. Und das alles fung dezentraler Arbeitsplätze der kommt in den meisten Fällen im Zehnminutentakt des urba- im Verwaltungs- und Dienstleis- nicht wieder, sagen die Experten. nen ÖPNV. An der letzten Stra- tungsbereich. Eine dem Stand ßenbahnhaltestelle beginnt die der Technik entsprechende, DIE ILLUSION VON IDYLLE Illusion ländlicher Idylle. leistungsstarke digitale Infra- strukturausstattung ist Grund- Allerdings: Längst nicht alle Ab- DIE PERIPHERIEN BRAUCHEN: voraussetzung dafür, dass die ur- wanderer bleiben in den meist DIGITALISIERUNG UND BILDUNG sprünglichen Standortnachteile größeren Städten, in die sie zu- von entlegenen Kleingemeinden nächst abwandern. Österreichs Der vom Bundesministerium aufgehoben werden und so wis- Großstädte wachsen, abgesehen für Nachhaltigkeit unter Andrä sensbasierte Berufe auch auf dem von Wien, kaum. Es wachsen Rupprechter entwickelte „Mas- Land erfolgreich ausgeübt wer- – in beängstigendem Ausmaß terplan für die Stärkung der den können. – die „Speckgürtel“. Stadtnahe ländlichen Regionen“ möchte Lebensräume, die die infrastruk- diese Wanderungsbewegungen turellen Vorteile der Ballungs- stoppen und weist mit seinen 20 zentren mit dem Freizeit- und Kapiteln in die richtige Rich- Erholungswert des Landlebens tung: Bildung, Digitalisierung,

Seite 10 WO WIR MORGEN LEBEN | Titel

Stadt-Land-Gegensatz revisited: Vom Zentrum in die Peripherie

✒ Ewald Verhounig

Der demographische Wandel und die Ausdünnung des ländlichen Raumes sind in Österreich seit geraumer Zeit und in vielerlei Hinsicht Realität. Das Bevölkerungswachstum der großen Agglomerationen Wien und Graz lässt vermuten, dass es sich um eine entwicklungsökonomische Einbahnstraße handelt, auf der der ländliche Raum ökonomisch und demographisch immer stärker ins Hintertreffen gerät. Doch ein Blick hinter die Kulissen offenbart, dass der ländliche Raum viel vitaler ist als sein Ruf.

er Stadt-Land-Gegensatz von ländlichen Regionen in ur- zukunftsträchtige Raumein- D auf regionaler und der Zen- bane Räume. Doch die ökonomi- heit begreift und den ländlichen trum-Peripherie-Gegensatz auf schen Umstände folgen hier nicht Raum folgendem Motto über- einer noch höheren Raumebene unbedingt den Zahlen der Mel- lässt: „Der letzte dreht das Licht sowie die ungleiche Verteilung deämter. Urbane Räume müssen ab.“ Wie weit klaffen allerdings ökonomischer Aktivitäten durch- nicht zwangsläufig Horte höhe- nun Anspruch und Wirklichkeit ziehen die Wirtschaftsgeschichte ren Wohlstands und höherer Be- in diesem Zusammenhang aus- von deren Anfängen bis in die schäftigung sein, besonders dann einander? Hinken intermediäre Neuzeit. Eine Vielzahl an Stand- nicht, wenn Migration und Zu- und periphere Räume den großen ortfaktoren und Triebfedern be- zug zu schnell erfolgen und die Agglomerationsräumen tatsäch- stimmen diesen Gegensatz und ökonomischen Strukturen dem lich hoffnungslos hinterher? damit die ökonomische Geogra- nicht standhalten können. phie von Volkswirtschaften wie STADT-LAND-GEGENSÄTZE AM jener Österreichs. Am Beginn des 21. Jahrhun- BEISPIEL DER STEIERMARK derts erscheint dieser Sachverhalt Gegenwärtig wird das Ausein- aktueller denn je zu sein. Der Eine Langzeitreihenanalyse am anderdriften zwischen Stadt und regionalökonomische Diskurs Fallbeispiel der Steiermark of- Land vor allem durch ein Phä- wird allerdings nach wie vor von fenbart, dass Bevölkerungstrends nomen befeuert: den demogra- Negativbildern und einer Ein- und die ökonomische Entwick- phischen Wandel und die zuneh- bahnbewegung überschattet, die lung auf regionaler Ebene in der mende Migration der Menschen den urbanen Raum als einzig Tat nicht zwangsläufig Hand in

Sie streben nach Wachstum? Dann brauchen Sie mehr Raum. Wachstum kennt keine Grenzen. Mit 47.000 Mitarbeitern begleiten wir Sie weltweit in 130 Ländern auf Ihrem weiteren Wachstumskurs.

grantthornton.at

© 2017 Grant Thornton Unitreu GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft ist eine Mitgliedsfirma von Grant Thornton International Ltd (GTIL). GTIL und die Mitgliedsfirmen sind keine weltweite Partnerschaft. Jede Mitgliedsfirma erbringt ihre Dienstleistungen eigenverantwortlich und unabhängig von GTIL oder anderen Mitgliedsfirmen.

Seite 11 März 2018 Hand gehen müssen. Die Steier- Beschäftigten ein, wobei Er- Entwicklung anders: Einem sig- mark zeichnet sich zwar demo- werbspersonen mit Hochschul- nifikanten Bevölkerungszuwachs graphisch durch ein, auch in an- abschluss vor allem aus dem ur- im urbanen Raum steht eine im deren Bundesländern Österreichs banen Grazer Raum einpendeln. Gegenzug teils signifikante Be- belegbares, Auseinanderdriften Dieses Phänomen ist auch in vie- völkerungsabnahme im interme- von Stadt und Land aus, nicht len obersteirischen Bezirken zu diären und ländlich-geprägten aber aus ökonomischen Gesichts- beobachten. Die geringsten Ein- Raum gegenüber. punkten betrachtet. Im Gegen- pendlerbewegungen sind in den teil, während im industriell-ge- geographisch gesehen peripheren Teilregional treten, nimmt man werblichen Sektor die ländlichen Bezirken Murau, Voitsberg und wiederum die Beschäftigtenent- Regionen der De-Industrialisie- Liezen zu beobachten. wicklung als Maßstab heran, rung stärker als der urbane Zen- deutlich größere Abweichungen tralraum getrotzt haben, konnte DIE WOHNUNGEN WANDERN auf – etwa bei der Entwicklung sich der Dienstleistungssektor im RICHTUNG STADT, DIE von Stadt-Land-Gegensätzen urbanen Bereich nicht entschei- ARBEITSPLÄTZE BLEIBEN auf sektoraler Ebene. Im Indus- dend von der Peripherie absetzen. triesektor etwa war der Zent- An die Stelle einer Divergenz tritt Ein Langzeitreihenvergleich nach rum-Peripherie-Gegensatz in den ein nicht unbeachtliches Maß Wirtschaftssektoren auf Basis der 1980-er Jahren deutlich stärker an ökonomischer Konvergenz, Parameter Beschäftigung und ausgeprägt als zu Beginn des sowohl wohlstands- als auch Wirtschaftswachstum offenbart zweiten Jahrzehntes der 2000-er beschäftigungstechnisch. auf regionaler und teilregionaler Jahre. In Bezug auf die Indust- Ebene selbst über den Zeitraum riebeschäftigten haben sich der Die dennoch beobachtbare Ab- einiger weniger Jahrzehnte hin- Zentralraum und die ländlichen wanderung aus ländlichen und weg enorme Dynamik, Komple- Regionen einander sogar ange- intermediären Räumen wurde xität und Vielschichtigkeit. nähert, letztlich zum Vorteil des durch neue und leistungsfähige ländlichen Raumes. In vielen Straßen- und Bahnverbindungen Die Region Steiermark selbst hat peripheren Bezirken blieb die abgefedert. den in vielen Regionen Euro- Industriebeschäftigung trotz pas und anderen Teilen der Welt Strukturwandels relativ stabil, Anhand der Steiermark lässt sich verbreiteten Trend in Richtung während diese im Zentralraum darlegen, dass Pendlerbewegun- De-Industrialisierung zwar zu de facto abgenommen hat. gen keineswegs nur eine Rich- spüren bekommen, jedoch den tung kennen: von der Peripherie Grundcharakter einer Indust- Im Dienstleistungsbereich treten in Richtung Zentrum, sondern rieregion behalten. Bestimmte die Gegensätze zwischen Stadt durchaus auch vice versa. Das grundsätzliche Verteilungs- und und Land deutlicher zutage, wo- Einpendleraufkommen in der Spezialisierungsmuster sind über bei es im Laufe der vergangenen Steiermark konzentriert sich na- einen Zeitraum von dreißig Jah- 30 Jahre zu keinem weiteren, si- turgemäß weitgehend auf den ren hinweg nach wie vor beob- gnifikanten Auseinanderdriften Zentralraum Graz (siehe Abbil- achtbar und sogar als stabil ein- zwischen diesen beiden Rau- dungen im Anhang). Im Ver- zustufen. So hat sich die Relation meinheiten gekommen ist. gleich über alle Bezirke weist von Beschäftigten im gesamten Graz-Umgebung den höchsten Großraum Graz, Graz-Stadt und Die Annäherung zwischen Stadt Einpendleranteil der unselbst- Graz-Umgebung zu Beschäf- und Land im industriellen Sek- ständigen Beschäftigten aus, ge- tigen der Gesamtregion Steier- tor hatte interessanterweise auch folgt von Graz Stadt und Fürsten- mark im Beobachtungszeitraum Einfluss auf die Wohlstandsver- feld. Die weiteren Bezirke folgen lediglich um drei Prozentpunkte teilung zwischen den einzelnen bereits dicht dahinter. In den Be- zugunsten des Großraumes Graz Teilräumen der Steiermark ge- zirk Deutschlandsberg pendeln verändert. Rein bevölkerungs- nommen. So lässt sich im Zeit- rund 30,3 % der unselbstständig technisch betrachtet verläuft die raum von 1995 bis 2013 innerhalb

Seite 12 der Steiermark eine deutliche An- intermediäre Raum in unserem gegenüber der Stadt nicht auch näherung bei den Wohlstands- Land trotz großer demographi- noch ökonomisch unter Druck niveaus, gemessen im regionalen scher Herausforderungen nach bringen. Dazu bedarf es insbe- BIP/Kopf, beobachten, die deut- wie vor weitestgehend intakt sind sondere Maßnahmen, die sich lich macht, dass sich die Vorteile und in vielen Bereich den urba- demographisch positiv nieder- großer urbaner Räume nicht per nen Räumen sogar Paroli bieten schlagen. Mittel- und langfristig se ökonomisch niederschlagen können. Der Stadt-Land-Gegen- gilt es, eine Stärkung der zent- müssen bzw. durch massive, ver- satz ist zumindest in Österreich ralen Orte in den Regionen vor- meintlich positiv wirkende Be- ein in erster Linie demographi- anzutreiben und dem Trend der völkerungsbewegungen sogar sches und weniger ein ökonomi- Urbanisierung zumindest durch konterkariert werden können. sches Phänomen. eine „sanfte Form von Urbanität“ am Land zu trotzen. Der ländli- „TOTGESAGTE LEBEN LÄNGER“ Gewachsene und sich stetig wei- che Raum hat nach wie vor Po- terentwickelnde unternehmeri- tential und Zukunft, allerdings Dieses alte Sprichwort gilt wohl sche Strukturen, eine moderne nur dann, wenn die Potentiale auch für den ländlichen Raum Infrastruktur, weitreichende In- auch tatsächlich gehoben werden. in Österreich. Die bewusste novationsnetzwerke sowie mobile Nutzung und unbewusste Wir- Menschen wirken als ausglei- kung einer Vielzahl an Stand- chendes Momentum. Und den- Mag. Dr. Ewald Verhounig (ErG) ist Volkswirt und leitet das Institut für ortfaktoren und Triebfedern hat noch sind regionalökonomische Wirtschafts- und Standortentwicklung der mit dazu beigetragen, dass so- Maßnahmen unumgänglich, Wirtschaftskammer Steiermark. wohl der ländliche als auch der will man den ländlichen Raum

Für Salzburg erfolgreich weiterarbeiten

LH Wilfried Haslauer v/o Lepus, R-J! Rp! BBW!

Josef Schöchl v/o Perikles, Rg! Lo! Wolfgang Mayer v/o M., R-J!

Stefan Idinger v/o Automatix, Lo! Christian Eder v/o Tiberius, Lo! www.oevp-sbg.at

Seite 13 März 2018 Titel | WO WIR MORGEN LEBEN

Stadtregionen – der Raum, wo Stadt und Land fließend sind.

✒ Alexander Lesigang

Die scheinbar klare Trennung zwischen Stadt und Land, urban und rural gibt es nicht mehr. Vielmehr greifen die zwei Pole immer mehr ineinander. Eine Abgrenzung dessen, was städtisch und was ländlich ist, ist nicht einfach. Hier der Versuch, es dennoch zu tun.

is zur Industriellen Revolu- Masse und gewissen Konzentra- Wanderungsbewegungen und B tion war die Welt in vielerlei tion geben kann. einhergehend zu einem sprung- Hinsicht noch sehr einfach: Stadt haften Anwachsen der Städte. war das, was von einer Mauer Doch auch in diesen Zeiten der Diese neuen Stadträume unter- umgeben war, Land, das was da scheinbar so klaren Trennung schieden sich nun auch markant draußen lag. Am Land waren die zwischen Stadt und Land gab es in ihrer äußeren Gestalt von ihren Land- und Forstwirtschaft der starke Wechselwirkungen. Pri- mittelalterlichen Vorgängern. Es dominierende Faktor, ob freie mär waren es natürlich alle mög- fehlt nun das markanteste Merk- Bauern, Pächter oder Leibei- lichen landwirtschaftlichen Er- mal, nämlich die Stadtmauer, die gene die Arbeit ausführten, war zeugnisse, die in den Städten ihre auch auf Grund neuer militäri- im Prinzip irrelevant. Die große Abnehmer fanden, sowie umge- scher Technik obsolet geworden Masse der Bevölkerung lebte von kehrt vor allem Handwerkspro- war. Vielerorts verschwanden die der Landwirtschaft, von dem, dukte oder Handelswaren, die Stadtmauern ganz, speziell dort, was der Boden hergab, und so- den Weg Richtung Land fanden. wo Städte stark wuchsen. Geblie- mit am Land. Städte waren der ben sind am ehesten noch dort, Gegenpol und entwickelten sich In Mitteleuropa gab es vom wo es kein Städtewachstum gab. als Zentren mit meist speziellen Hochmittelalter bis zur kleinen Funktionen. Das konnte eine Eiszeit des Mittelalters zu Beginn Ebenso entstanden rund um die Handelsstadt sein, eine Hafen- des 15. Jahrhunderts eine große großen Metropolen, wie zum Bei- stadt, Wehrstadt, Residenzstadt Zahl von Stadtgründungen bzw. spiel Wien, Vorstädte, die nach und so fort. Städte waren meist Stadterhebungen, was sich auch und nach eingemeindet wurden. jene Orte, in denen sich neue ge- in einer Phase wirtschaftlicher Städte waren somit nicht mehr sellschaftliche Formen herausbil- Prosperität widerspiegelt. Die so klar vom ländlichen Raum deten und Innovation stattfand. langfristigen Folgen des ange- abzugrenzen, vielmehr wurde der sprochenen Klimawandels be- Übergang zwischen Stadt und Die Sehnsucht nach der frei ma- wirkten, dass es in den folgenden Land immer fließender. Dies ist chenden Stadtluft zog seit der Jahrhunderten kaum zur Ver- nicht nur geographisch, sondern Antike Menschen in Städte, wo leihung neuer Stadtrechte kam. vor allem auch gesellschaftlich die Demokratie erstmalig aus- So gab es auf dem Gebiet des zu verstehen. Es ist primär das probiert wurde, Wissenschaften heutigen Österreichs zwischen Urbane, das auf den ländlichen sich an Universitäten entwickel- 1681 und 1857 keine einzige neue Raum ausstrahlt und den Takt ten, Künstler Abnehmer für ihre Stadt. der Modernität vorgibt, was Kreationen fanden oder Händler am Beispiel einer kleinen his- ihre Kontore hatten. Dabei han- Erst die Industrialisierung torischen Betrachtung zur Ge- delt sich um Funktionen, die es ab der Mitte des 19. Jahr- schichte der bayerischen Trach- erst ab einer gewissen kritischen hunderts führte zu neuen ten gezeigt werden kann. So hat

Seite 14 das Dirndl seinen modischen Ur- Verkehrsmittel, allen voran die zu einem verstärkten Zuzug in sprung im Sommerkleid städti- Eisenbahn, machten es immer die urbanen Ballungsräume. Ein scher Sommerfrischlerinnen und mehr Menschen möglich, die Trend, der bis anhält und sich zu nicht wie man meinen würde, Sehnsucht nach der Reinheit und Teil sogar verstärkt. Dabei ist es bei den ländlichen Mägden. Unberührtheit des Landlebens primär nicht die Zuwanderung Ebenso wurden Lederhose und zu erfüllen, wenn schon nicht als aus Drittländern, sondern viel- Lodenjanker von adeligen Jagd- Wohnort, dann zumindest in der mehr auch die Binnenwanderung herren getragen, nicht aber von Freizeit. aus Österreichs peripheren Ge- Holzknechten oder Bauern. Die bieten, die für den starken städ- ländliche Bevölkerung hingegen In Österreich brachte der Erste tischen Einwohneranstieg verant- kleidete sich möglichst städtisch, Weltkrieg einen Knick im städ- wortlich zeichnet. Gründe dafür um ihre Modernität zu zeigen, tischen Wachstum. In einigen sind in erster Linie die Angebote wie historische Fotografien in Städten – allen voran Wien – gab an Bildung und Arbeit. Moderne festlicher Kleidung zeigen. Übri- es sogar einen markanten Be- hochqualifizierte Arbeitsplätze gens: die ersten großen Trachten- völkerungsschwund, in vielen sind in den zentralen Orten, in geschäfte wurden in den großen Städten stagnierte die Einwoh- den städtischen Gebieten. Städten eröffnet. nerzahl. Einen neuerlichen all- gemeinen urbanen Wachstums- ANTWORTEN DER Umgekehrt weckte aber auch das schub gab es in Österreich erst RAUMORDNUNGSPOLITIK Land Sehnsüchte bei den Städ- wieder nach dem Fall des Eiser- tern, wie am Beispiel der Som- nen Vorhangs 1989. Die damit Es ist die Aufgabe der Politik, merfrische zu sehen ist, die sich verbundenen Wanderungsbe- durch Raumordnungs- und Fi- für viele als neuer Fixpunkt im wegungen und der wirtschaft- nanzpolitik auf Basis dieser neuen Jahresablauf etablierte. Moderne liche Aufschwung führten auch Entwicklungen Antworten für

Seite 15 März 2018 ländlichen Raum, der seit jeher eine starke Lobby hatte.

Doch der Zuzug in die Städte geht einher mit einer Ausdün- nung des ländlichen Raums, den es zu bekämpfen gilt. Auch dies sehen Städte als Herausforderung für ihre Tätigkeit an, denn ein Fachmarktzentren, Beispiele für Fehlentwicklungen – nicht Stadt noch Land. starker ländlicher Raum ist auch © Wikimedia Commons/MyFriend im ihrem Interesse – und das nicht nur als Rückzugs- und Er- die räumliche und strukturelle wie auch ökonomisch organisiert holungsraum für Städter. Es geht Gestaltung zu finden. Dabei geht werden. Im diesen Sinne sind da- um eine intakte Umwelt mit viel- es um Verkehrsinfrastruktur, so- her rund um die großen Städte fältiger Flora und Fauna, gesunde ziale Einrichtung wie zum Bei- Verkehrsverbünde mit Taktsys- Lebensmittel und starke lokale spiel Schulen und Krankenhäu- tem und einheitlichen Fahrkar- und innovative Wirtschaft. Ohne ser, Verwaltung, um Bereiche für ten geschaffen worden. starke Peripherie können auch Erholung und vieles andere mehr. die Zentren nicht stark sein. So Es geht aber vor allem auch um Ähnlich wäre auch in anderen bedingen zum Beispiel lebendige die finanzielle Ausstattung der Bereichen, wie zum Beispiel der Stadt- und Ortskerne ein starkes Städte und Gemeinden, um ihre Gesundheitsversorgung oder Umland. Die großen Einkaufs- Aufgaben erfüllen können. Ori- dem Schulwesen zu agieren. zentren, die im ganzen Land entierte man sich in den 1970er Den Menschen ist es im Grunde entstanden sind, haben sowohl und 80er Jahren noch in erster gleichgültig, wo administrative den Städten als auch kleinen Linie am Konzept der Zentralen und politische Grenzen verlau- Gemeinden eher geschadet als Orte, so wurde diese Denkweise fen. Diese werden in Stadtregio- genutzt. Sie haben bei hohem um den Begriff der Stadtregio- nen oft gar nicht mehr wahrge- Flächenverbrauch Verkehr ge- nen erweitert, um die Komple- nommen, denn das Leben fließt neriert und vielerorts Leben aus xität der Wechselwirkungen zu drüber. In Österreich wurde eine den Ortskernen abgesaugt. Es erfassen. Reihe von Stadtregionen defi- geht um ein Miteinander im In- niert (www.stadtregionen.at) teresse aller Menschen. Die Un- Stadtregionen werden als kom- terschiede zwischen Stadt und plexe Systeme verstanden, in de- STADT UND LAND – LETZTLICH Land sind ein Angebot zur Wahl nen viele verschiedene Akteure EINE SYMBIOSE ihres bevorzugten Lebensraums. mit unterschiedlichen Interessen In jedem Fall müssen Stadt, Land sowie mehrere Verwaltungsein- Laut einschlägigen Statisti- und alles, was dazwischen liegt, heiten (auch auf verschiedenen ken leben etwa 70 Prozent der kooperativ arbeiten, denn man ist Ebenen) aufeinandertreffen. Um Menschen in der Europäischen aufeinander angewiesen. hier im Sinne einer integrierten Union in Städten, wobei gemäß Raumentwicklung tätig zu wer- EUSTAT jede Gemeinde über den, sind verstärkte Kommuni- 10.000 Einwohnern als Stadt de- kation und Kooperation sowie finiert wird – unabhängig davon, gemeinsam festgelegte Spielre- ob sie „Stadtrecht“ besitzt oder geln zwischen der Verwaltung nicht. Doch es hat gedauert, bis Mag. Alexander Lesigang (Baj) und den anderen Akteuren not- in der EU ein Bewusstsein für die ist beim Österreichischen Städtebund tätig und wendig. So müssen zum Beispiel speziellen Anliegen von Städten betreut dort neben anderen die Fachbereiche Europa/Internationales, Bauangelegenheiten und die täglichen Verkehrswege mög- entstand, anders als etwa beim Stadtgeschichte. Im ÖCV war er Generalsekretär lichst effizient, sowohl ökologisch und Amtsträger für Gesellschaftspolitik.

Seite 16 WO WIR MORGEN LEBEN | Titel

Haben die Kleinen eine Zukunft?

✒ Nicolaus Drimmel

In Achter-Gedenkjahren müssen die Gemeinden immer wieder aufpassen, nicht medial unterzugehen. Die Gründung der Republik und der Anschluss an Hitlerdeutschland lenken ab von einer demokratischen Entwicklung, die in Österreich vor 170 Jahren eingeleitet worden ist und seit damals unverzichtbar ist für unsere Gesellschaft: Die Einrichtung der modernen Gemeinden.

as Jahr 2018 beschert den Mit der neuen kommunalen Prinzip der kommunalen Selbst- D Gemeinden und ihrer Ebene sollte die Spannung zwi- verwaltung und der Einheits- Selbstverwaltung einen runden schen der zentralisierten Führung gemeinde ist bis heute gültig. Geburtstag. Natürlich ist das viel und den sehr unterschiedlichen Da es jeder Gemeinde dieselben unspektakulärer als die Unruhen Lebensverhältnissen in den zen- Aufgaben überantwortet, muss im Revolutionsjahr 1848. Es han- trumsfernen Gebieten aufgelöst die kleinste Gemeinde dieselben delte sich auch weniger um einen werden. Es ist bezeichnend, dass Aufgaben erfüllen, wie etwa die plötzlichen Umsturz, sondern von den konstitutionellen Ele- Stadt Graz oder die Stadt Wien. um die Umsetzung bereits ent- menten der Revolutionsjahre nur (Ausgenommen davon sind na- wickelter Pläne, die Österreich die Aufhebung der Grundunter- türlich die Aufgaben der Bezirks- moderner und leistungsfähiger tänigkeit und die freien Gemein- verwaltung, die den Städten mit machen sollte. Das Konzept der den den Neoabsolutismus über- eigenem Statut ebenfalls über- freien Gemeinden war von An- dauert haben. tragen ist oder die Aufgaben ei- fang an als organische Ergänzung nes Bundeslandes im Falle von eines zentralisierten bürokrati- Das im Provisorischen Reichs- Wien.) Deshalb hat sich im Lauf schen Staatsapparates konzipiert. gemeindegesetz 1849 verankerte der vergangenen 170 Jahren eine

Die dörfliche Gemeinde als abgegrenzter, multi- funktionaler Lebensraum: Eine selbstbewusste Kleinbühne für Demokratie und Gemeinwesen.

Seite 17 März 2018 äußerst heterogene und vielfäl- Diese heterogene kommunale Einwohner) etwa bei der Hälfte Im Österreichischen Gemeindebund sind über zehn des Aufwandes bei Gemeinden Landesverbände in acht Bundesländern (außer Wien) zwischen 20.000 und 50.000 insgesamt 2087 Gemeinden organisiert. Präsident ist Bgm. Einwohnern. Alfred Riedl (TRW) aus Grafenwörth. Die Kleinteiligkeit der Gemein- Weitere Infos zum Gemeindebund im Internet auf den in Österreich wurde vor www.gemeindebund.gv.at. allem dadurch gestützt, dass kommunale Kooperationsfor- Der Österreichische Städtebund ist die kommunale men immer stärker ausgebildet Interessensvertretung von aktuell 253 Städten und größeren wurden. Die Gemeindeverbände Gemeinden. Präsident ist der Wiener Bürgermeister Michael wurden bereits 1862 grundgelegt, Häupl. sie sind eine Erfolgsgeschichte der Zweiten Republik, vor allem Näheres dazu online auf www.staedtebund.gv.at. in den Bereichen kommunalen Daseinsvorsorge, Wasserwirt- Beide Vereinigungen werden in Art 115 Abs 3 B-VG dazu schaft, Abfallwirtschaft bis hin berufen, die Interessen der Gemeinden zu vertreten. in den Sozialbereich. Interkom- munale Zusammenarbeit ist nichts Neues, hat sich allerdings in ihren Formen und Möglich- tige Kultur der Gemeindekoope- Körnchenstruktur, die sich auf keiten über die Jahre hinweg ration entwickelt. eine starke kommunale Selbstver- weiterentwickelt: Bauhöfe, Ab- waltung, gesellschaftlich-wirt- gabeneinhebung, Vergaberecht, EHER KLEIN UND SEHR schaftliche, kulturelle und Personalverrechnung, Bautech- WIRTSCHAFTLICH geographische Identität stützt, nik-Expertenpool etc. Dort wo gewährleistet nicht nur eine bür- etwas gemeinsam wirtschaftlich Österreich hat sich im Europa- gernahe Politik, sondern ist auch ist, wird es auch geübt. Die In- vergleich bei einem sehr weitrei- mit der Erfahrung einer starken formationstechnologie hat die chenden Spektrum kommunaler und die Gesellschaft tragenden Kooperation in vielen anderen Kompetenzen eine relativ kleine Freiwilligenkultur verbunden. Bereichen ermöglicht. Durchschnittsgröße der Ge- Viele Aufgaben, die in den Bal- meinden erhalten. Freilich hat es lungsräumen durch hauptamt- LANDFLUCHT BELASTET schon in den 60er und 70er Jah- liche Angestellte durchgeführt DIE GEMEINDEN ren Gemeindezusammenlegun- werden, werden im ländlichen gen gegeben. Mit der Steiermär- Raum mit seiner differenzierten Seit den 80er Jahren ist auch kischen Initiative vor wenigen Struktur auch von Freiwilligen in Österreich eine Tendenz der Jahren hat sich zwar die Gemein- geleistet. Landflucht festzustellen, die mit dezahl seit 1960 fast halbiert, einem globalen Megatrend der der Charakter der kommunalen Die Gemeindefinanzberichte der Agglomerationen einhergeht. Kleinteiligkeit hat sich im euro- letzten Jahre bestätigen, dass die Den gesperrten Wirtshäusern, päischen Vergleich aber nicht we- österreichischen Durchschnitts- Nahversorgern folgten die Po- sentlich verändert. Die Gemein- gemeinden, also jene zwischen stämter oder die Polizeidienst- dedurchschnittsgröße (mit Wien) 2000 und 4000 Einwohner den stellen. Buslinien sind meist blieb bei ca. 4000 Einwohnern wirtschaftlichsten Personalein- nur dann rentabel, wenn die dennoch am unteren Rand der satz haben. Die Leistungen für Gemeinden mitfinanzieren. In- Europäischen Skala (Vergleiche Personal pro Einwohner und frastruktur, die in den 90-er Deutschland ca. 7400 EW, Dä- Jahr liegen bei den kleinsten Jahren vor allem im Umweltsek- nemark 58000 EW). Größenklassen (null bis 5000 tor aufgebaut wurde, ist zwar

Seite 18 gebührenfinanziert, hat jedoch halbherzig Finanzmittel in die DAS FUNDAMENT DES im ländlichen Raum wegen der ländlichen Gebiete geflossen. Der FREIEN STAATES geringeren Siedlungsdichte einen Evaluierungsbericht zu diesen höheren Preis für die dort leben- beiden Förderjahren belegt, dass Vor 110 Jahren hat nicht nur den Menschen. Leitungsgebun- der größte Anteil des Fördervolu- Kaiser Franz Joseph sein 60. Re- dene Infrastruktur wird durch mens an Betreibergesellschaften gierungsjubiläum gefeiert, es war Abwanderung nur noch teurer, ging, die wenig Interesse haben, auch der 60. Jahrestag der Ge- und die Spirale dreht sich. auch in die weniger lukrativen burtsstunde der Landgemeinden Regionen zu gehen. in Österreich. Aus diesem Anlass Der Gemeindebund war einer stiftete der Kaiser eine Medaille der ersten Organisationen, die Da ein zukunftstaugliches Breit- für die niederösterreichischen auf diese Probleme hinwiesen bandnetz auch die Funktion der Bürgermeister mit der Devise: und verlangte schon vor mehr als Daseinsvorsorge erfüllt, fordert „Die Grundfeste des freien Staa- einem Jahrzehnt einen Master- der er Österreichische Gemein- tes ist die freie Gemeinde“. Dieser plan für den ländlichen Raum. debund eine effektive und verein- Satz stimmt nach wie vor. In den Dabei sollte klargestellt werden, fachte Förderung der Breitband- Gemeinden werden die Bürger welche die Grundvoraussetzun- infrastruktur, vor allem dort, wo auf die Vorgänge und Notwen- gen für das Leben in den ländli- es der Markt nicht vermag, diese digkeiten eines funktionierenden chen Gebieten sind und was für Grundinfrastruktur zu schaffen. Gemeinwesens aufmerksam ge- die Standortqualität und Lebens- Die Investitionen sollen auch macht – es geschieht Bewusst- qualität der heutigen Menschen in Zukunft voll ausgeschöpft seinsbildung. Die Gemeinden zählt. Dies umfasst nicht nur werden können, das Netz muss sind Schule zur Gemeinschaft, die Infrastruktur, sondern auch daher durch immer weiter stei- die Menschen werden in Stand die Arbeitssituation und das so- gende Bandbreiten belastbar sein gesetzt, sich zu artikulieren – im ziale Umfeld (Kinderbetreuung, und bis in die Haushalte reichen Sinne einer Befähigung. Und Schulen etc.). Dies einmal außer (FTTH). letztlich werden die Menschen Streit gestellt, muss es bei der so in der örtlichen Gemeinschaft genannten Daseinsvorsorge, bei eingeladen, sich an den demo- Schlüsselinfrastrukturen einen kratischen Prozessen der Ge- Versorgungsauftrag geben. Wo meinschaft einzubinden – also der Markt nicht in der Lage ist, Beteiligung. Die Gemeinden die Versorgung zu sichern, müs- sind seit 1848 ein demokratischer sen staatliche Anreize gewähr- Lernprozess. leisten, dass auch Menschen in peripheren Gebieten ähnliche Le- bensbedingungen vorfinden, wie im den Zentren.

ZUKUNFTSGEBOT BREITBANDAUSBAU

Mag. Nicolaus Drimmel (Baj) Eines der wichtigsten Beispiele leitet die Abteilung für Recht und Internationales für eine Schlüsselinfrastruktur im Österreichischen Gemeindebund. zur Schaffung annähernd glei- cher Lebensbedingungen ist der Ausbau einer zukunftstaugli- chen Breitbandinfrastruktur. Trotz einer angekündigten „För- dermilliarde“ sind seit 2015 nur

Seite 19 März 2018 Mag. Alexander Richard, Dan, Alln empfiehlt: Christine Kreutzinger Wien Tel: 01/534 11 122 [email protected]

Sascha Hasiner NÖ – Mistelbach Tel: 02572/33 01 [email protected]

Lisa Füreder OÖ – Linz Tel: 0732/77 47 44 [email protected]

Eva-Maria Grüner Tirol – Innsbruck Tel: 0512/33 060 [email protected]

Yvonne Spenger Steiermark – Raaba-Grambach Tel: 0316/902 202 [email protected]

Ursula Fidi Burgenland – Eisenstadt Tel: 02682/626 63 ursula.fi[email protected]

Iris Busche NÖ – Baden Tel: 02252/908 263 [email protected]

Im Indischen Ozean liegen einige der schönsten Insellandschaften: Die Malediven, die Seychellen oder Mauritius … allen gemeinsam sind malerische Strände, Tauchreviere und umfangreiche Sportmöglichkeiten. Beste Kulinarik. National. International. Sehnsuchtsziel für Hochzeitsreisende und Paare! Ebenso für Taucher, Golfer und Entspanner. Die COLUMBUS Reiseberater beraten Dich dazu und darüber hinaus. Wir freuen uns auf Deinen Besuch. COLUMBUS erfüllt Reiseträume. Innovativ. Traditionell. Seit 1932. www.columbus-reisen.at [email protected] • 01/534 11-0 Seite 20 KASPAR MEINT … | Colloquium

Politischer Anstand oder Chuzpe

ie aktuelle Debatte um sexu- Premierminister einfach beiseite- , kritisierte zwar D elle Belästigung oder etwa schob, um sich in der ersten Reihe diese „populistische Boule- auch die Diskussion um Gaffer, besser in Szene zu setzen, oder varddemokratie“, schaffte aber die bei Unfällen die Arbeit der der vor laufender Kamera einen in puncto Anstand ein neuen Rettungskräfte behindern, zeigt, Behinderten verspottete. Auch Tiefpunkt: Nachdem aufgeflo- dass uns eine Qualität, die man dass Trump mit sexuellen Über- gen war, dass die SPÖ und ihr einmal Anstand nannte, zuneh- griffen gegen Frauen prahlte, ist Wahlkampfberater Tal Silber- mend abhanden gekommen ist. wohl noch in Erinnerung. stein hinter der krass fremden- Das soll jetzt kein Lamento un- feindlichen und antisemitischen ter dem Motto, dass „früher alles Ein deutsches Magazin kann Facebook-Seite „Die Wahrheit besser war“ war, sein. Und auch ungestraft ein Foto von Sebas- über “ und der der Verfall der Sitten wird nicht tian Kurz plus Fadenkreuz mit gefälschten Kurz-Fan-Seite „Wir erst seit gestern beklagt. Aber der Aufforderung „Baby-Hitler für Sebastian Kurz“ steckten, haben nicht allzu viele in unse- töten“ bringen, weil es eben „Sa- entschuldigte sich Kanzler Chris- rer Gesellschaft das Gefühl da- tire“(?) ist. Und der heimische tian Kern nicht etwa, sondern für verloren, was „man einfach Presserat findet nichts dabei, versuchte – nach dem Motto nicht tut, was sich nicht gehört?“. wenn das linke Wochenblättchen „Haltet den Dieb“ – die ÖVP Hilflos gegenüber einem unge- „Falter“ den Bundeskanzler als anzupatzen. Zudem war Kerns hobelten Zeitgeist wird deshalb „Feschist“ bezeichnet, was im- Behauptung, man hätte „die Zu- der Ruf nach dem Strafrecht laut, merhin sogar „Profil“ unredlich sammenarbeit mit Herrn Silber- weil für viele heute gilt, dass alles fand. stein am 14. August eingestellt“ „geht“, solange es nicht explizit nicht einmal die halbe Wahrheit, gesetzlich geregelt ist. Eine fa- Und dass wir heute Eltern, die denn Silbersteins Team konnte tale Entwicklung, die etwa dazu auch oftmals gar nicht mehr ungehindert weiterwirken. führt, dass man in Schweden zu Sprechtagen kommen, mit ernsthaft ein „Einverständnisge- Geldstrafen an die Schulpflicht Obwohl persönlich nicht invol- setz“ für sexuelle Kontakte plant. ihrer Kinder „erinnern“ müssen, viert, zog der FPÖ-Politiker Udo Und auch für die Diesel-Abgas- ist sicherlich nicht zuletzt auch Landbauer in der erbärmlichen tests an Affen und Menschen gab der gesellschaftsverändernden Liederbuch-Affäre – spät aber es wohl keine rechtlichen Schran- Ideologie des „anything goes“ doch – als Funktionär seiner Bur- ken – also wurde es gemacht. einer fatalen 68er-Permissivität schenschaft zu recht politische geschuldet. Konsequenzen. Der Ton, die Beschimpfungen und Hasspostings in Internet-Fo- HALTET DEN DIEB! Herr Kern – notabene – ist im- ren zeigen, dass gesellschaftliche mer noch im Amt. Normen für viele heute nicht Auch die Beispiele aus der heimi- mehr gelten. Schlechtes Beneh- schen Politik sind leider vielfältig: men fällt umso leichter, wenn der Langzeitkanzler Werner Fay- es zudem Personen vorleben, die mann etwa finanzierte seinen po- Vorbildfunktion haben sollten. litischen Aufstieg durch Inserate Man denke etwa an das wie- aus Steuergeld, wozu der „Stan- derholt rüpelhafte Benehmen dard“ trocken meinte: „Mittel- des US-Präsidenten, der etwa mäßiger Kommunalpolitiker Prof. Dr. Herbert Kaspar (Am) beim NATO-Gipfel im Vor- zum Kanzler gekauft“. Faymanns war von 2001 bis 2013 Herausgeber und von jahr den montenegrinischen Nachfolger, Kurzzeitkanzler 2013 bis 2015 Chefredakteur der ACADEMIA.

Seite 21 März 2018 Politik | LANTAGSWAHL IN SALZBURG

„Unser Programm heißt Bildung und Vertrauen in die Zukunft“

🎤 Wilhelm Ortmayr

Der Reigen der diesjährigen Landtagswahlen endet in Salzburg. Die Koalition aus ÖVP, Grünen und Stronach-Restbeständen hatte nach dem Finanzskandal fünf Jahre Zeit, die Schäden zu minimieren und das Budget zu sanieren. Am 22. April sind die Wähler am Wort. ACADEMIA sprach mit Landeshauptmann Dr. Wilfried Haslauer (R-J, BbW) über seine Pläne.

Du stellst Dich im April zum Belastungen des Finanzskandals Schulden machen – und sogar ersten Mal als Landeshauptmann völlig aufgearbeitet sind, dass wir 350 Millionen Euro Schulden der Wahl. Gestartet seid die gesamte Finanzverwaltung zurückzahlen konnten. Trotz all ihr unter schwierigsten des Landes auf völlig neue Beine dem hat es im ganzen Land eine Bedingungen. Wie gut hat gestellt haben (durch den Wech- beträchtliche Weiterentwicklung Salzburg sich seither erholt? sel von Kameralistik zu Doppik, gegeben und ich kann sagen – Anm.), dass wir seit mehreren man spürt das, wenn man un- Nach fünf Jahren können wir Jahren ausgeglichene Haushalte terwegs ist im Bundesland und sagen, dass die Wirren und produzieren – also keine neuen die Umfragen zeigen es ebenfalls

Seite 22 – dass die Menschen zufrieden wir noch in der Lage, selbststän- einen Betreuungsplatz für mein sind mit der sachorientierten Po- dig denkende, freie, kritische, Kind finde und dass es eine gute litik der Landesregierung. selbstbewusste und selbst wir- Schulbildung gibt. Und ich bin kende aktive Staatsbürger heran- kann sicher sein, wenn eine Krise Mit ein Grund dafür ist sicher, zuziehen, die auch noch Interes- kommt (und irgendeine Krise dass wir uns auch wirtschaftlich sen außerhalb ihres iPhones und kommt immer) dann sitzen in eine sehr gute Position erarbeitet iPads haben? Und es stellt sich der Regierung Leute, die mit der haben. Salzburg ist die Nummer noch eine Frage: Was bleibt auf nötigen Sorgfalt, Entscheidungs- eins in Österreich, wir haben der Strecke? Die Zeit, die uns zur kraft und Ruhe an die Dinge her- die niedrigste Arbeitslosigkeit, Verfügung steht, wird ja nicht angehen. Wenn wir dieses Sicher- einen historischen Höchststand vermehrbar. Gehen wir dann heitsgefühl bekommen, dann an Arbeitsplätzen, und liegen im nicht mehr einkaufen, Ski fah- haben die Menschen Vertrauen, Bruttoregionalprodukt pro Kopf ren oder Fußball spielen, weil wir dass sie in diesem Land gut leben erstmals seit 1945 vor Wien – das drei Stunden täglich vor digitalen können – und dann haben wir ist schon beachtlich. Möglich war Medien verbringen? Das wird die auch Zukunft. dies nur, weil wir unsere gesamte große Herausforderung – und Arbeitskraft auf die Sachpolitik darauf müssen wir Antworten Ihr habt ohne größere Aufregung konzentriert haben und nicht auf geben. Strukturreformen durchgezogen, Auseinandersetzung, Streit und die zuvor jahrelang in Schubladen politische Agitation. Unsere zweite Aufgabe heißt schlummerten. Der Bund Sicherheit. Da meine ich nicht plant Ähnliches. Was rätst Du Wenn die Finanzen des Landes nur Polizei oder Feuerwehr son- der Regierung in Wien? auf einem guten Weg sind dern dass die Menschen in Salz- kann sich die Regierung burg sagen: Hier kann ich mir Zweierlei ist wichtig. Erstens: künftig stärker gestalterisch sicher sein, dass es genügend Man muss Reformen zulassen betätigen. Welche Schwerpunkte Arbeitsplätze gibt, dass der Not- und angehen. Es gibt Dinge, die bietest du den Wählern an? arzt kommt und ich im Spital sind liebgewordene Gewohn- gut versorgt werde, wenn es mir heiten und durchaus zu hinter- Das erste große Thema der kom- schlecht geht. Ich kann mir sicher fragen. Wir haben versucht, die menden fünf Jahre heißt Bildung sein, dass ich im Alter gut be- Mitarbeiter im Landesdienst – auch im Kontext mit der Digi- treut und versorgt werde, dass ich zu Partnern zu machen, was talisierung. Die Gesellschaft wird sich durch die Digitalisierung in einem Maß verändern wie zuletzt durch den Buchdruck oder die Dampfmaschine, davon bin ich felsenfest überzeugt. Es wird eine Zeitverschiebungsveränderung dramatischen Ausmaßes stattfin- den, im Sinne einer Passivierung des Verhaltens, deren Anfänge man ja jetzt schon erlebt, wenn man den digitalen Medienkon- sum junger Menschen ansieht.

Da muss man sich fragen: Wo geht die Reise hin? Entwickelt und regelt Big Brother künftig ohnehin alles für uns, oder sind

Seite 23 März 2018 Reformvorschläge betrifft, sprich dieses Schlages regieren kann. Natürlich stehen viele ideologisch darüber nachzudenken, ob nicht Im Westen geht das. Warum? weit links von uns – daran be- manches Gesetz oder manche steht kein Zweifel – aber bei wei- Vorschrift überholt und nicht Regieren ist ein Rendezvous mit tem nicht so radikal und funda- mehr notwendig ist. Mit großem der Realität. Wenn du aus einer mentalistisch wie im Osten. Erfolg – jüngst konnten wir über grünen Fundamentalbewegung 200 Vorschriften, Erlässe, An- kommst und plötzlich mit den Salzburg hat, wie viele alpine weisungen etc. zurücknehmen. Sachzwängen des Alltags kon- Regionen Österreichs, das Zweitens: Wir pflegen in der frontiert wirst, merkst du schnell, Problem der Bodenknappheit. Landesregierung einen neuen po- dass die Dinge nicht schwarz- Die Nachfrage nach Wohnraum, litischen Stil. Es wird viel weniger weiß oder grün-weiß sind, son- auch aus dem Ausland, ist gestritten als früher. Meinungs- dern dass die meisten Fragen ungebrochen, die Preise steigen verschiedenheiten – die es natür- rasche, sachorientierte Lösungen und steigen. Muss der Staat lich immer wieder gibt – werden brauchen, bei denen der Mensch hier in die Märkte eingreifen? intern ausgetragen, mit Sachlich- im Mittelpunkt steht. Keine Be- keit und Wertschätzung. vormundung, kein Robespierre. Das Thema geht natürlich abso- lut in die Weichteile politischer Wenn man die Grünen in Wien Ich glaube außerdem, dass die Gestaltungsmöglichkeit. Denn kennt oder ihre ÖH-Funktionäre, Grünen im Westen anders aufge- auf der einen Seite sehen wir uns ist es unvorstellbar, dass eine ÖVP- stellt sind als jene im Wiener Zen- als Partei des Eigentums, auf der geführte Regierung mit Politikern tralraum, in ihrer Bürgerlichkeit. anderen Seite sind wir nicht nur die Partei jener, die Eigentum haben, sondern auch jener, die Eigentum bekommen möchten. Gleichzeitig sehen wir aber abso- lut die Notwendigkeit, dass viele Menschen, auch aus anderen Bundesländern und dem Aus- land, in unserer Mitte wohnen wollen. Aus all dieser Gemenge- lage heraus ist es eine Herkules- aufgabe, eine Preisentwicklung zu schaffen, wo Wohnraum und Grundstücke noch leistbar sind.

Wir haben ein neues Raumord- nungsgesetz gemacht, indem wir versuchen, der Hortung von Bauland zur Vermögensanlage einen Riegel vorzuschieben. Im Sinne einer Bedarfswidmung werden nur mehr jene Flächen als Bauland ausgewiesen, die auch tatsächlich verbaut wer- den könne, sprich aktuell ver- fügbar sind. Zweiter wichtiger Schritt: Wir haben die Wohn- Astoria Eigeninserat 85x120mm (1/4 S.) bauförderung umgestellt – von einem Darlehenssystem, das das

Seite 24 Landesbudget sehr langfristig bindet und belastet, auf Einmal- zuschüsse. Die sind leichter zu administrieren und helfen den Wohnraumschaffenden in der wichtigsten Phase, nämlich am Anfang.

Wir haben zu kämpfen mit Scheinhauptwohnsitzen, die in Wahrheit verschleierte Zweit- wohnsitze sind, vor allem in den Tourismuszentren. Wir haben großen Leerstand beziehungs- weise Wohnungen, die so gut wie leer stehen. Allein in der Lan- deshauptstadt sind es Tausende. Dazu kommen 800 Wohnun- gen, die in einem gesetzlichen Graubereich als B&B genutzt werden und damit dem eigentli- chen Wohnzweck entzogen sind. Da ist man als Gesetzgeber sehr gefordert.

Die von Dir geschilderte Entwicklung ist auch eine Folge der Urbanisierung, wie wir sie in ganz Europa erleben. Besorgt Dich dieser Trend? Steuert Salzburg dagegen?

Es ist ein ganz bewusster Teil un- serer Politik, dass wir die Men- schen am Land halten wollen. Das kann nur gelingen, wenn es dort Arbeit gibt. Und zwar nicht nur im Tourismus, sondern auch Beispiel, die Feuerwehr, wo allein Wenn wir tolle Wirtschaftsdaten im produzierenden Bereich und in Salzburg 10.000 Menschen haben, dann sind wir eine dyna- im Dienstleistungssektor. Dazu tätig sind, zu jeder Tages- und mische Region. Aber „reich“ sind braucht es eine gute Verkehrs- Nachtzeit, für Gottes Lohn. In wir, so lange wir solche Leute im und Kommunikationsinfrastruk- Wien sind das öffentlich Bediens- Land haben, die freiwillig aktiv tur, Schulen und eine gute Sozial- tete, genauso bei der Rettung. werden. In der Seniorenbetreu- und Gesundheitsversorgung. Man muss sich das vorstellen: Je- ung, in der Volkskultur, im Ver- der Feuerwehrmann in Salzburg einsleben, im Sport, wohin man Wir haben einen immateriellen leistet im Durchschnitt mehr als schaut findet man Menschen, die Reichtum, der in Wien, wo ja die drei Arbeitswochen, also über nicht nur in eigenes Leben in die Bundesregierung sitzt, oft zu we- 120 Stunden pro Jahr, an Einsät- Hand nehmen sondern darüber nig wahrgenommen wird. Zum zen und Übungen. hinaus noch schauen, was sie der

Seite 25 März 2018 Gemeinschaft geben können. Das ist die Stärke des Situationen hat. Ich glaube nicht, dass der Staat pri- ländlichen Raumes. vatwirtschaftlich tätig sein soll, aber wenn wie in Badgastein wertvollstes Kulturgut unmittelbar vor Aber die letzten Wahlen haben gezeigt, dass dem Verfall und dem Ruin steht und damit auch man in den Peripherien sehr viel Angst hat. die Entwicklung einer gesamten Gemeinde in Frage gestellt wird, dann muss man eingreifen. Und das Natürlich sind die Sorgen im ländlichen Raum an- haben wir getan und drei Hotelbauten gekauft. Wir dere als in den Ballungszentren. Der Verlust des Ar- wollen dort sicher nicht selbst sanieren oder selbst beitsplatzes oder die Ausdünnung der Infrastruktur ein Hotel führen. Wir wollen den Markt aufma- stellt die Menschen in der Peripherie oft vor größere chen, Investoren suchen und eine Entwicklung er- Herausforderungen als in den Städten. Bis vor kur- möglichen. Und allein die Tatsache, dass wir das ge- zem, als die Konjunktur schwächelte, war unsere tan haben, hat zu einer Aufbruchstimmung geführt, Gesellschaft sehr geprägt von Ängsten. Angst um wie ich sie seit langem nicht erlebt habe. Es gibt jetzt den Arbeitsplatz durch Automatisierung und Globa- eine Reihe von Interessenten für Investitionen im lisierung, Angst vor ausländischer Billigkonkurrenz, Zentrum Badgasteins. Angst vor Wohlstandverlust, Angst um die Sicher- heit. All das treibt die Wähler in die Arme von Par- Du siehst also Zukunftschancen für teien, die einfache Parolen anbieten und sagen: „Wir den alpinen Tourismus? sind wir. Und es muss alles so bleiben, wie es ist.“ Das funktioniert aber nicht. Ich glaube, dass am Wir sehen ein paar ganz wichtige Themen, und technischen Fortschritt in all seinen Facetten kein die betreffen vor allem die drei südlichen Bezirke Weg vorbeiführt und wir uns an seine Spitze stellen Pongau, Pinzgau, Lungau. Dort finden ja 80 Pro- müssen, um selber gestalten zu können. zent unserer Nächtigungen statt, trotz des enormen Zustroms, den die Landeshauptstadt derzeit erlebt. Noch wichtiger als bisher wird das Thema Gesund- heit und der Wunsch der Menschen, aktiv und prä- ventiv etwas für ihre Gesundheit zu tun. Hier sind auch neue, trendaffine Inszenierungen gefragt. Wir haben genau gesehen, als die Knickerbocker und rotkarierten Hemden ausgetauscht wurden gegen Nordic Walking Stöcke, das Mountainbike und die Kletterausrüstung, gab es sehr bald stattliche Zu- wächse in den Sommermonaten.

Zweiter wichtiger Punkt: Wir setzen auf Qualität. Ich glaube, es gibt Grenzen des Wachstums – 2004 hatten wir 21 Millionen Nächtigungen, heute sind es 28 Millionen. Bei 30 dürfte ein Plafond erreicht sein, dessen Durchbrechen ungesund wäre und wo es auch die Arbeitskräfte dafür nicht mehr gibt. Man muss auch auf die Akzeptanz der Bevölkerung Für Aufsehen hat vor wenigen Wochen auch Euer gegenüber dem Tourismus achten. Wir setzen da Engagement in Badgastein gesorgt. Das Land auf die sehr gute Kombination Landwirtschaft und hat im völlig heruntergekommenen Ortszentrum Tourismus, bei den Produkten, bei der Landschafts- drei touristische Liegenschaften gekauft. Ist gestaltung, aber auch im Hinblick auf die Men- das wirklich Aufgabe der öffentlichen Hand? schen, die in beiden Bereichen arbeiten. Und wir setzen auf die gewachsenen Familienbetriebe. Große Meine wirtschaftspolitische Sicht ist, dass der Staat Anhänger der Konzernhotellerie sind wir nicht. sehr wohl eine Interventionspflicht in gewissen

Seite 26 BLICK NACH BAYERN | Politik

Kann der Franke Bayern? Oder gar noch mehr?

✒ Veit Neumann

Markus Söder, der zielstrebige Bilderbuch-CSUler, hat mächtig Anlauf genommen. Wie weit er damit in München kommt, entscheidet sich auch in Berlin.

ünchen galt einst als „ver- M borgene Kapitale“. Ihr damaliger Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel (SPD) stat- tete das Zentrum Süddeutsch- lands in den 1960er Jahren mit diesem kuriosen Titel aus, übri- gens auch nicht zuletzt um seine bundespolitischen Ambitionen zu untermauern. Der „Spie- gel“ legte damals bald nach und machte München 1964 auf einem legendären Cover zur „heimli- chen Hauptstadt Deutschlands“. Da ist bis heute was dran, vor al- lem was die Mischung aus Iden- tität und Zuwanderung betrifft: Urwüchsigkeit mischt sich mit Urbanität, Bayerisches mit Deut- schem, partiell sogar mit Preu- ßischem. Viel Tradition gibt’s und Fortschritt nicht weniger. Auch Bundespolitik wird aus der heimlichen Kapitale vom Strand der Isar aus gerne betrieben. Das ist dann, wenn der bayerische Löwe brüllt. Das Machtzentrum muss also auch künftighin einer ausfüllen, der glaubhaft brül- len kann, sonst verpuffen laute Raubtiertöne und werden mit ei- © Wikimedia Commons/Michael Lucan nem „gut gebrüllt“ schmunzelnd ignoriert. Wie gut kann Markus um auf dem Sessel des Bayeri- Finanzen, für Landesentwick- Söder brüllen? schen Ministerpräsidenten Platz lung und Heimat politisch auch zu nehmen. Dieser Sessel ist dem bereits zugesagt, in die Hand Seit langem schon ist der 51-Jäh- seit Oktober 2013 amtierenden versprochen vom amtieren- rige aus Nürnberg ausgezogen, Bayerischen Staatsminister der den Ministerpräsidenten Horst

Seite 27 März 2018 Seehofer. In diesem Herbst ste- hen Wahlen an. Es ist der erste Lackmustest auf Landesebene, nachdem Seehofer 2013 die ver- lorene absolute Mehrheit für die staatstragende Partei im Freistaat zurückgeholt hatte. Ob das mit einem Mittelfranken gut geht? Söder, CSU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2018, will das wissen.

Allerdings könnte sich die Ge- schichte wiederholen. Schon ein- mal ist die Sache, was die absolute Mehrheit der Christsozialen in Bayern betrifft, gründlich schief gegangen. 2008 musste der kurz vorher weggeputschte Edmund Fiktion ist dieses einende Band zwischen Spessart und Karwen- Stoiber (Tfs), der wenige Jahre natürlich nicht. del scheint ungebrochen. Nur zuvor die Zwei-Drittel-Mehr- ein Indiz dafür sind Thüringer heit im Bayerischen Landtag Das ganze bayerische Wesen ist und Sachsen, die nach 1989 in eingefahren hatte, ohnmächtig eh eine recht phantastische oder Scharen unter den weißblauen erleben, wie sein Nachfolger, der doch unglaubliche Geschichte: Himmel strömten und sich heute Mittelfranke Günther Beckstein, Das nach 1945 ärmliche Agrar- „dahoam“ fühlen, als hätte es nie zwar ehrenvoll, aber doch schei- land wächst unter seinen Landes- etwas anderes gegeben. terte. Das Beben war derart, dass vater-Ministerpräsidenten Alfons Horst Seehofer übernahm. Goppel (KV), Franz Josef Strauß So gewiss die traditionelle Ak- (TsM) und Edmund Stoiber (Tfs) kommodierung der Bevölkerung Stoiber kommentierte Becksteins zum Hightech-Standort heran im Freistaat an die herrschenden Pleite damals mit den Worten, und lässt die Gebiete an der Ruhr Verhältnisse ist, so ungewiss sind er selbst, Stoiber, habe „gelit- und sonstwo wirtschaftlich, in- aber die politischen Verhältnisse ten wie ein Hund“ – er bezog dustriell und übrigens auch kul- in Zeiten einer wackligen Großen sich damit nicht auf Beckstein, turell weit hinter sich. Die CSU Koalition im fernen Berlin an der sondern auf den Verlust der ab- gilt zunehmend als Identitäts- Spree. Das ist immer ein Thema soluten Mehrheit. Es erschien faktor, der alle Regungen des in der CSU, deren bundespo- damals wie Zeitenwende und Volkes integriert, wiewohl auch litischer Einfluss die absolute Götterdämmerung zugleich. schützend lenkt. Statistiken zei- Mehrheit in Bayern sichern hilft Die CSU sollte sich also bewusst gen, dass „Zugroaste“ bis heute und untermauert. Sicher ist auch: sein, was es heißt, einmal mehr nach kurzer Dauer nicht anders CSU-Granden sind nicht darauf einen Franken ins Rennen zu als die Alteingesessenen bei der erpicht, etwa FDP-Politiker am schicken. Die Franken wurden Wahl ein staatstragendes Kreu- Kabinettstisch in München sitzen zwar irgendwann zu einem der zerl machen. Ist das auch künftig zu haben, wie etwa 2008 in der vier Stämme Bayerns erklärt: denkbar? Folge der politischen Krise, die Altbayern, Schwaben, Sudeten- der Verlust der absoluten Mehr- deutsche und die stolzen Freien Gewiss, es geht im Freistaat heit mit sich brachte. Kürzlich (was als „Franke“ übersetzt wird). derzeit gut. Die Assimilations- sagte mir ein Minister schmun- Doch mehr als eine politisch kraft des zusammengewürfel- zelnd, „unter sich“ im Kabinett allzu durchschaubare historische ten Zwölf-Millionen-Volkes gehe es eben „vertraulicher“ zu.

Seite 28 kräftig durchs Wahlvolk getin- gelt und habe einen recht guten Eindruck hinterlassen. Reicht das?

Immer wieder schon wurde Ge- schichte geschrieben, was die heimliche Hauptstadt Deutsch- lands und politische Ambitionen betrifft. Nachdem der eingangs erwähnte Hans-Jochen Vogel 1983 auf Bundesebene als Kanz- lerkandidat gegen Helmut Kohls frühe Machtmaschine nicht an- kam, wurde es bald still um ihn. Gar nicht zu reden von Franz Josef Strauß, den Kohl – unter politischen Freunden und Koali- Ist es so, dass Markus Söder Bay- praktizierten Typus des Berufs- tionspartnern – sauber ausgeboo- ern „kann“? Auf einer Position, politikers ist Söder ausgebildeter tet hatte. die dauerhaft ohne bundespoliti- Redakteur und hat mehrere Jahre sche mplikationen gar nicht erst journalistisch in fester Stellung Die staatstragende CSU mit zu denken ist? Es ist keine Frage, gearbeitet. Er gehört im Übrigen Bundesanspruch aber braucht dass der Nürnberger mit vielerlei der nicht-schlagenden Burschen- heute Politiker, deren Brüllen politischen Wassern und Wässer- schaft Teutonia Nürnberg im an der Spree vernommen wird. chen gewaschen ist. Seine Lauf- Schwarzburgbund an. Er ist Ju- Rein landespolitische Ambitio- bahn trägt Züge eines (CSU-) rist und Vater von vier Kindern. nen stehen in Bayern Austrags- Bilderbuches: Landtagsabgeord- politikern zu. So war das früher, neter 1994 bis heute, CSU-Ge- Anders als vorangegangene As- und so dürfe es auch künftig sein. neralsekretär 2003 bis 2007, piranten hat der protestantische Sollte sich Söder in der Macht- Mitglied der Bayerischen Staats- Christ die mächtige christsoziale zentrale in Deutschlands heimli- regierung 2007 bis heute, desi- Landtagsfraktion nicht nur hin- cher Hauptstadt erfolgreich eta- gnierter Ministerpräsident und ter sich gebracht, sondern auch blieren, steht ihm die eigentliche CSU-Spitzenkandidat für die mit diesem Pfund machtvoll ge- Aufgabe also erst noch bevor. An Landtagswahl in Bayern 2018. wuchert, kürzlich erst, als es um der ist übrigens schon der CVer den Sessel des Ministerpräsiden- Edmund Stoiber 2002 (gegen HÖCHST PROFESSIONELLIN ten ging. Der CSUler, der noch Gerhard Schröder) knapp und AUFTRITT UND INHALT immer leicht fränkelt („haddes B ehrenvoll gescheitert. Aber eben und haddes D“), musste bislang gescheitert. Seine Äußerungen, im Blick über keine haddn Schnidde setzen, die die Jahre, sind gediegen kon- dem Wahlvolk weh tun, geht es servativ, gelegentlich etwas sehr doch seit Jahren im blau-weißen markig, aber auch wiederum Freistaat aufwärts. Und wo sind stets getätigt nicht ganz ohne seine Berliner Bataillone, die dem Bedacht. Das Auftreten ist solid, Eindruck entgegenwirken, ein freundlich und doch argwöh- rot-weißer Regionalfürst habe nisch wie es sich eben für einen sich zum weiß-blauen Landes- Prof. Dr. theol. Dipl.-Journ. Dipl.-Päd. Veit Neumann (Alm, Ae) Politiker gehört. Wie anders? Im fürsten aufgeschwungen? Man ist Professor für Pastoraltheologie in Regensburg und St. Pölten Gegensatz zum immer häufiger hört, als Heimatminister sei er sowie Chefredakteur der deutschen ACADEMIA.

Seite 29 März 2018 Zeitgeschichte | 80 JAHRE ANSCHLUSS

„Ja, Herr Kollege, wären Sie halt nicht beim CV gewesen!“

✒ Gerhard Hartmann

Der Anschluss im März 1938 und die Folgen für CVer.

as Jahr 2018 bietet eine war in Haft beziehungsweise so- sonst Arbeit oder Anstellung zu D Reihe von Gedenktagen. gar im KZ. Man bangte um ihn, verlieren, gezwungen, ihre Un- Bei jenem für den Anschluss Ös- wusste nicht, was eigentlich mit terschrift für die NSDAP abzu- terreichs an Nazi-Deutschland ihm los war. Und: Die Familie geben. Die vaterländischen Bür- im März 1938 ist der CV beson- stand praktisch über Nacht mit- ger […] müssen angesichts der ders involviert. Dabei soll es hier tellos da. Umstände glauben, unser liebes, nicht so sehr um die politischen freies. christliches Österreich bzw. zeithistorischen Fragestel- Ja, die allermeisten CVer stan- geht seinem Grabe entgegen.“ lungen gehen, sondern um per- den hinter diesem Staat Öster- sönliche Schicksale von CVern in reich, der je nach politischem Zunehmend beherrschten die diesen Tagen im März. Sie wer- Geschmack „Ständestaat“, aus- Nazis die Straße. So wurden in den oftmals in den Hintergrund trofaschistische Diktatur oder der (letzten freien) Nacht vom gedrängt oder eher geschäftsmä- „Systemzeit“ genannt wurde 10. auf den 11. März die drei ßig abgehandelt. Aus der gesi- und wird. Aber bereits nach dem Angehörigen der Wien cherten Entfernung von 80 Jah- Treffen zwischen Bundeskanz- Franz Finstermann, Heinz Gei- ren, aus dem Blickwinkel einer ler (AIn) und ger und August Rettenbacher von Wohlstandsgesellschaft und aus Adolf Hitler in Berchtesgaden am illegalen SS-Angehörigen durch dem Status eines demokratischen 12. Februar 1938 wurde die Lage Schüsse schwer verletzt. Sie hat- Rechtsstaates ist es schwer, all das von Tag zu Tag kritischer und ten Propagandamaterial für die zu begreifen, was CVer damals explosiver. Volksabstimmung verteilt, die mitmachen mussten. Und das, Schuschnigg für den kommen- weil sie CVer waren, weil sie an Im deutschen Bundesarchiv Ber- den Sonntag, den 13. März, an- ein unabhängiges Österreich ge- lin-Lichterfelde ist das Schreiben gesetzt hatte. (Siehe dazu den Ar- glaubt hatten oder weil sie treu zu eines Grazer Stadtpfarrers an tikel auf S. …) ihrem Glauben und ihrer Kirche Schuschnigg vom 3. März 1938 gestanden sind. erhalten, der in deutlichen Wor- Was sich in den letzten Stunden ten die damalige Situation be- des freien Österreich in den Re- Wenn in einer Biographie lapi- schreibt: „Die Zustände in Graz gierungszentralen abspielte ist dar steht, dass der Betreffende und in der Steiermark sind für teilweise überliefert. Eine solche am 12. März 1938 verhaftet, ins die vaterländischen Kreise […] wichtige Zentrale war u. a. das KZ Dachau überstellt und seines untragbar. Seit 14 Tagen sind Bundeskommissariat für Perso- Dienstes enthoben wurde, dann sie wieder dem Terror der Straße nalangelegenheiten im Bundes- kommt eigentlich gar nicht so ausgesetzt, müssen den Hitler- kanzleramt, wo Vertrauenswür- richtig rüber, welche persönlichen gruß über sich ergehen lassen, dige eingesetzt waren, und das Schicksalsschläge das für die Be- Rufe hören, wie: ‚Hitler siegt, waren eben CVer. Dort saß u. troffenen und ihren Familien be- Christus liegt.‘ […] In Betrieben a. Otto Krammer (Baj), der auf deutet hatte. Der Ehemann und und Ämtern werden Angestellte Karteikarten die politische Ein- Vater der gemeinsamen Kinder und Arbeiter unter der Drohung, stellung von Beamten der Post

Seite 30 dokumentiert hatte. Er konnte illegalen Nazis sicherlich nicht wiedersehen werden? Beamte in noch rechtzeitig einen Teil dieser leicht gemacht hatten. Er wurde Bezirkshauptmannschaften gal- Unterlagen in Sicherheit bringen am 13. März um 3 Uhr in der ten für die illegalen Nazis als die und durch einen Kanaldeckel Früh bei der Flucht aus seiner untersten Vertreter der verhassten auf der Straße entsorgen. Stefan Wohnung von SA- und SS-Hor- Staatsmacht und waren die ers- Zweig schreibt in seiner Auto- den verhaftet, schwerst misshan- ten, die von der Rache der Nazi biographie „Die Welt von Ges- delt und später getötet, treffender getroffen wurden. tern“ über den März 1938: „Jeden beschrieben ist jedoch gelyncht. Tag erhielten die Amtsstellen Brandstätter wurde bald ins KZ des Ständestaates Drohbriefe, sie Es ist ein seltenes und in sei- Dachau eingeliefert, wo er mehr würden dafür zu bezahlen ha- ner Art auch ein erschütterndes vier Jahre bis Ende August 1942 ben, wenn sie weiterhin die Na- Bilddokument, das die beiden verbleiben musste. Ortner ging tionalsozialisten ‚verfolgten‘, und jungen Beamten Hans Brand- es diesbezüglich besser, er war in der Tat – wenn es Rache galt, stätter (Kb) und Walter Ortner nur wenige Tage in Haft. Beide haben die Nationalsozialisten ihr (Kb) zeigt, wie sie am Vormittag wurden jedoch entlassen, und Wort immer hundertprozentig des Samstags, des 12. März 1938, Ortner war ein Jahr arbeitslos. gehalten – sind die getreuesten von einem SS-Mann abgeführt Interessant ist jedoch folgendes: österreichischen Beamten gleich wurden. Was mag damals in de- Beide waren rangmäßig ungefähr am ersten Tag nach Hitlers Ein- ren Köpfen vorgegangen sein? gleich eingestuft und untere Be- marsch ins Konzentrationslager Beide waren jung und verhei- amte in einer Bezirkshauptmann- geschleppt worden.“ Und diese ratet, Ortner hatte einen zwei- schaft, doch wurden sie von den getreuesten österreichischen Be- jährigen Sohn. Beide werden Nazis höchst unterschiedlich amten waren oftmals CVer. wohl schon mit sehr gemischten behandelt. Ein sachlicher Grund Gefühlen in der Früh in die Be- hierfür ist nicht erkennbar. Das Einer der ersten Nazi-Opfer war zirkshauptmannschaft Ried im ist nicht untypisch, solche Fälle der junge Linzer Polizeibeamte Innkreis gegangen sein. Ob sie sind oft anzutreffen, wo man sich Ludwig Bernegger (Kb). Klar, bereits geahnt hatten, dass sie fragt, wieso war dieser so lange in er zählte zu jenen, die es den ihre Familien so bald nicht mehr Haft und jener überhaupt nicht,

Seite 31 März 2018 etwa der spätere Bundeskanzler dem Jahr 1935 weist rd. 3.300 Ur- Ölfarbe auf einem Gehsteig ge- (Nc), der unter Schu- philister aus. Man kann also erse- malte Schuschnigg-Parole weg- schnigg zuletzt Handelsminister hen, dass jeder dritte CVer davon waschen. Das ist übrigens der war. Da konnte es verschiedene irgendwie betroffen war. erste Nachweis, dass ein Nicht- Gründe gegeben haben. Wenn Jude gezwungen wurde, bei die- ein illegaler Nazi von einem klei- Im Vorwort zum Gesamtver- sen berüchtigten „Reibe-Partien“ nen Beamten schikaniert wurde, zeichnis 1949, dem ersten nach mitzumachen. Es dauerte zwei dann kann ein persönlicher Ra- dem Krieg, steht übrigens ein be- Monate, bis die durch die Lauge cheakt vorliegen. Unmittelbar merkenswerter Satz: „Das letzte angegriffene Haut an seinen nach dem Anschluss gab es aus Gesamtverzeichnis aus dem Jahre Händen wieder in Ordnung war. Gründen der Einschüchterungen 1935 ist nach dem ‚Umbruch‘ oft Willkürakte. Und man darf 1938 zur Proskriptionsliste ge- Rund sieben Jahre dauerte das auch nicht vergessen, dass der worden. Es gab keinen Behör- „Tausendjährige Reich“ in Ös- NS-Staat von einem Kompeten- denvorsteher von Rang in den terreich. Eigentlich eine kurze zwirrwarr geprägt war, der dann ‚Reichsgauen der Ostmark‘, in Zeitspann. Wenn wir uns am 11. zu solchen disparaten Ergebnis- dessen Schreibtische nicht das März 2018 sieben Jahre zurück sen geführt hat. ‚Grüne Buch‘ [so der Einband an den 11. März 2011 erinnern, des Gesamtverzeichnisses 1935, dann geschah an diesem Tag die Insgesamt sind bis jetzt 465 Fälle Anm. d. Verf.] gelegen wäre.“ Katastrophe von Fukushima. von ÖCVern dokumentiert, die Und da wird es sicher einige ge- in der NS-Ära verhaftet oder gar Es ging aber nicht nur um Säube- ben, die sagen „Was, so lange ist umgebracht wurden. Da wird es rungen im Öffentlichen Dienst, das schon her?“ Für zahlreiche noch weitere bislang unbekannte es gab auch andere Momente, wie CVer waren diese sieben Jahre, Fälle gegeben haben, so dass man CVern ihr berufliches Fort- die vor 80 Jahren begonnen hat- man die eigentliche Zahl wahr- kommen erschwert hatte. Be- ten, wahrlich kein Honiglecken, scheinlich höher ansetzen wird zeichnend ist da das Beispiel von wie die wenigen Beispiele gezeigt müssen. Von diesen 465 wurden Wilhelm Hüttl (Cl), der damals haben. Von den genannten min- 245 im Zuge des Anschlusses gerade mit dem Medizinstudium destens 465 CVern, die inhaftiert verhaftet, das ist mehr als die fertig war und keine Stelle be- oder gar Opfer des NS-Systems Hälfte (52,7 Prozent). Weitaus kam. Bei wiederholten Vorspra- waren, gibt es für über 200 da- größer ist jedoch die Zahl derer, chen bei der Grazer Ärztekam- von Biographien in im „Biogra- die nach dem Anschluss ihren mer wurde er mit den höhnischen phischen Lexikon des ÖCV“ Posten (hauptsächlich im öffent- Worten „Ja, Herr Kollege, wären (https://www.oecv.at/Biolex). Sie lichen Dienst) verloren hatten. Sie halt nicht beim CV gewesen!“ sind über entsprechende „Kate- Es gibt hierzu keine verlässlichen abgewiesen. gorien“ aufrufbar. Es lohnt sich, Daten, jedoch anhand von Un- diese Schicksale zu vergegenwär- tersuchungen in einzelnen Ver- Eine besondere Schikane in tigen und ihrer sowie der vielen bindungen (Carolina, Kürnberg, den Tagen nach dem Anschluss anderen zu gedenken. Bajuvaria) kann man annehmen, musste auch der spätere Wirt- dass sie wesentlich höher sein schaftssoziologe an der Wiener wird, als die Zahl der Inhaftier- Wirtschaftsuniversität, Anton ten. Man kann daher durchaus Burghardt (NbW) über sich er- von mehr als 1000 Mitgliedern gehen lassen. Er war bereits in von ÖCV-Verbindungen ausge- der Privatwirtschaft tätig und Univ.-Doz. Dr. Gerhard Hartmann (Baj, Ca, Cl, R-S) hen, die negativ mit dem NS-Sys- wurde trotz Protestes seines Vor- ist studierter Theologe und CV-Historiker. tem in Berührung geraten sind: gesetzten von einem SA-Mann Er lebt und arbeitet in Nordrhein-Westfalen. von der beruflichen Schikane vom Arbeitsplatz weggeholt und angefangen bis zum gewaltsamen musste ca. eineinhalb Stunden Tod. Das Gesamtverzeichnis aus mit Bürste und Lauge eine mit

Seite 32 80 JAHRE ANSCHLUSS | Zeitgeschichte

Schüsse, Verhöre, Lagerhaft … Der März 1938 als CVer

✒ Christoph Proksch

Der in Wien lebende Botschafter i.R. Dkfm. Dr. Johannes Proksch (AW), Jahrgang 1918, erlebte den Anschluss und die NS-Diktatur bereits als ÖCVer. Seine Erinnerungen hat nun Sohn Christoph Proksch (AW) niedergeschrieben.

egen Ende des ersten Welt- G krieges, am 15. August 1918, wurde Johannes „Hans“ Proksch als Sohn des Dr. Adolf Proksch und Sabine Proksch geb. Hage- nauer, in Wien geboren. Der Va- ter war dann bis 1933 in Agram (Zagreb) als Generaldirektor für die Siemens-Schukert-Werke im Königreich Jugoslawien tätig. Schon 1933 musste der Vater eine folgenschwere Entschei- dung für die Familie treffen. Siemens-Schukert, ein deutsches Unternehmen, machte eine Ver- längerung der Anstellung von ei- nem eindeutigen Bekenntnis zum Nationalsozialismus abhängig. Für den konservativ-katholischen Adolf Proksch, der noch „sub auspiciis Imperatoris“ promoviert und sich immer zu Österreich be- kannt hatte, war das unmöglich, und er verließ das Unternehmen. Dadurch standen der Familie wirtschaftlich schwierige Zeiten bevor.

Zurück in Österreich folgten für Hans Proksch die Piaristenvolks- schule, das Schottengymnasium Univ.-Doz. Dr. Gerhard Hartmann (Baj, Ca, Cl, R-S) ist studierter Theologe und CV-Historiker. und 1937 die Matura im Gym- Er lebt und arbeitet in Nordrhein-Westfalen. nasium des Benediktinerstiftes Admont. Am 20. Dezember 1937 er Diogenes, als Leibburschen An den folgenden Ereignissen wurde er bei Austria-Wien reci- Franz Finstermann, den Senior war Hans Proksch als Fuchs der piert. Als Couleurnamen wählte des Sommersemesters 1938. Austria aktiver Teilnehmer. Jetzt

Seite 33 März 2018 ist er der letzte noch lebende aus (Mobilmachung der deutschen und Wahlparolen mit Kalk auf dieser Gruppe von Entschlosse- 8. Armee, Ultimatum vom 10. die Straße schrieben. Damals nen, die ihre Liebe zur Heimat März an die Österreichische überfiel uns plötzlich ein SA- und zur Verbindung auch in ei- Regierung) wurde der Versuch Sturm und die Bewohner der ner scheinbar ausweglosen Situa- unternommen, Symbole oder Florianigasse erwachten vom tion nicht verloren. Unterlagen der Verbindung zu Keuchen der Kämpfenden, vom sichern bzw. Mitgliederverzeich- Klatschen der Schläge. In ihrer Im März 1938, in den letzten Ta- nisse und andere, in den Augen Not griffen unsere Gegner zu gen vor dem Anschluss, herrschte der Nazis belastende Gegen- Schußwaffen und zwangen uns auf der Bude der Austria, einer stände, verschwinden zu lassen. das Feld zu räumen. Franz Fins- Wohnung im Palais Damian im termann, Heinz Geiger und Au- Achten Bezirk in Wien, „Hoch- Eindrucksvoll beschreibt Ernst gust Rettenbacher mußten wir, betrieb“. Einerseits engagierten Mazanek, Senior des WS durch Schüsse schwer verletzt, ins sich die Aktiven im Rahmen der 1937/38, die Stimmung dieser Krankenhaus bringen. (…) Dann von der österreichischen Regie- Tage im März 1938: hörten wir den Rücktritt des rung Schuschnigg (AIn) organi- Kanzlers im Radio. Für uns war sierten Volksbefragung für ein „Die Nächte verbrachten wir es ein neues Signal. Mit beispiel- unabhängiges Österreich. Ande- auf der Bude. Die Nerven waren hafter Zähigkeit schleppten wir rerseits, durch den absehbaren gespannt. Nie vergesse ich jene von der Bude weg, was immer Einmarsch deutscher Truppen Nacht in der wir in drei Kolon- uns dafür wert erschien. Längst und den möglichen Anschluss nen durch den VIII. Bezirk zogen zogen die Horden der SA durch

Machen wir Oberösterreich zu einem Land der Möglichkeiten. Wo jede und jeder Chancen hat und sie nützen kann. Es liegt an uns. Foto: Oberösterreich Tourismus GmbH/Robert Maybach

LANDESHAUPTMANN www.landeshauptmann-ooe.at

Seite 34 die Langegasse, wir aber verluden Einheit der 6. Armee. Glück im in Rom, Belgrad und Washing- noch immer unser Verbindungs- Unglück war eine schwere Verlet- ton, bevor er 1966 erstmalig gut.“ ¹ (Pro aris et focis; 6/1946) zung im November 1942 – lang als Botschafter nach Warschau genug vor Stalingrad, um noch kam. Krönender Abschluss seiner Hans Proksch war in dieser zurückkehren zu können. Da- Laufbahn war seine Tätigkeit als Nacht anwesend. Nach dem nach endete sein Fronteinsatz Botschafter beim Heiligen Stuhl Krieg hat er in der Familie öf- und er kam in eine Zensurstelle und beim Souveränen Malteser ter über diese Ereignisse erzählt. in der Taborstraße, der ehema- Ritterorden bis 1983, mit dem Er selbst hatte einen harmlosen ligen Produktenbörse (heute ersten Papstbesuch nach 200 Jah- Streifschuss an der Hand, der Odeontheater). Aus seinen Er- ren in Wien und Österreich. keine weitere ärztliche Versor- zählungen ist bekannt, dass in gung benötigte. Das war sein dieser Verwaltungseinrichtung Glück, denn Bundesbrüder, die der Wehrmacht, einer Zensur- in Spitäler kamen, wurden später stelle für Feldpostbriefe, erstaun- zu Verhören am Morzinplatz bei licherweise einige Widerstands- der Gestapo vorgeladen. kämpfer arbeiteten.

Wenige Tage später traf ihn das Im Verlauf des Krieges hat Hans Schicksal wieder, als sein Vater Proksch keinen Widerstand ge- als Angehöriger der Vaterländi- leistet, obwohl er darauf ange- schen Front und Leiter der In- sprochen wurde. Das Bereitstel- tendantur (Finanzen) am 1. April len von Skizzen oder Plänen von 1938 mit dem ersten Transport Einrichtungen, die als Ziele für nach Dachau gebracht wurde. alliierte Bomber in Frage kämen, Gemeinsam mit 151 weiteren wollte er nicht, da er sich mit- Ministern, Politikern, höheren schuldig fühlen würde, wenn Be- Beamten aus Polizei und Gen- kannte dadurch Schaden erleiden Mein Vater, Botschafter Dkfm darmerie oder Angehörigen der würden. Diese Gewissensfrage Dr. Johannes „Hans“ Proksch Vaterländischen Front oder des beschäftigte ihn später immer lebt heute zurückgezogen mit sei- Heimatdienstes. 2 wieder. Während des Krieges gab ner Frau Mag. Monika Proksch es eine Gruppe von Bundesbrü- geb. Hribar in Wien. Er ist Vater Hans Proksch meldete sich frei- dern der Austria-Wien, die durch von vier Kindern und Großva- willig zur deutschen Wehrmacht. Sammeln und Weiterleiten von ter von bald sieben Enkeln. Drei Klingt absurd, war aber aus sei- Informationen aus Feldpostbrie- seiner Kinder sind korporiert ner damaligen Sicht notwendig, fen um den Erhalt der „geistigen (MKV, ÖCV). Er verkehrt al- da die ganze Familie im Sinne Verbindung“ bemüht waren. Pro- tersbedingt nicht mehr in der der Sippenhaftung als politisch ksch war Teil dieser Gruppe. Öffentlichkeit. unzuverlässig galt und ohne Ein- kommen war. Unter der Jurisdik- Nach dem Krieg erfolgte 1947 die tionsgewalt der Wehrmacht hatte Promotion und 1949 der Eintritt die Gestapo keinen unmittelba- ins Außenamt. Bald nach seinem ren Zugriff auf ihn. Eintritt war er bei Außenminister , einem Bundesbru- Die Kriegsjahre verbrachte er bei der der Austria-Wien, Minister- MinR Mag. Christoph Proksch MBA (AW, Lo) der berittenen Artillerie in einer sekretär. Er durchlief Stationen ist Beamter im BMLV und lebt mit seiner Familie in Wien.

1 Vgl. Hartmann, Gerhard: Im Gestern bewährt, im Heute bereit, S. 380 f. 2 In den Unterlagen des Dokumentationsarchives des österreichischen Widerstandes ist die Liste mit zahlreichen Namen auch aus dem Cartellverband (wie etwa Leopold Figl) einsehbar.

Seite 35 März 2018 come incite Die maßgeschneiderten Lehrgänge „MBA in Management Consultancy“und „MBA in IT Consultancy“ liefern den optimalen Mix aus Prozess beratungs- & Fachkompetenz, Praxis & Wissenschaft sowie Selbststudium & Präsenzzeit.

MBA IT Consultancy und Management Consultancy

MBA IN IT CONSULTANCY MBA IN MANAGEMENT CONSULTANCY Fachmodule (nächster Start Herbst 2018): Fachmodule (nächster Start Herbst 2018): • Requirements Engineering • Strategische Unternehmensführung • Auftragsmanagement • Finanzierung & Bonitätsmanagement • Business Process Management • Informationsmanagement & Digitalisierung & Informationsmanagement • Marketing & Sales Management • Project Management • Steuerungsrelevantes Controlling • IT-Recht • Supply Chain Management, • Business Development, Marketing & Sales Beschaffungs- und Produktionsmanagement • Leadership & Management • Human Resources Management • Information Security • Zahlen als Fundament der • IT-Vorgehensmodelle/Agilität Unternehmenssteuerung • Rechtliche Aspekte der Unternehmensberatungspraxis Beide MBA-Programme umfassen drei Methodikmodule (Einstieg jederzeit möglich): • Grundlagen der Unternehmensberatung • Architektur & Design von Beratungsprozessen Facts & Figures • Veränderungsmanagement • 26 Präsenztage berufsbegleitend (9 Fach-, 3 Prozessmodule) • Start: Oktober 2018 WKO-Fachverband UBIT, FH Burgenland und die Qualitätsakademie incite: Diese starke • Mindestdauer: 2 Semester, 60 ECTS Partnerschaft liefert die optimale Ausbildung • Komplettpreis: EUR 11.900,- (zzgl. USt.), in der IT- und Unternehmensberatung. (Teilzahlungen möglich) • Details unter www.incite.at/mba

Die Anmeldefrist läuft.

Für Ihre Fragen stehen wir gerne zur Verfügung. E-Mail: [email protected] | Telefon: +43 (0) 5 90 900-3792 incite GmbH | Wiedner Hauptstr. 57 | 1040 Wien www.incite.at | http://facebook.incite.at

INCITE_2018_Academia_175x255_RZ.indd 1 26.02.18 09:58 LESERBRIEFE | Ultimo

ZU ACADEMIA 5/2017 UND 6/2017 Geldmittel zur Verfügung stellt. Altersarmut steigt in Deutsch- Und jetzt hat sie auch noch den land. Die Aufzählung der Miss- „Der Pilz hat die Grünen aus Spar-Finanzminister Schäuble stände ließe sich fortsetzen. dem Parlament geschmissen und auf den Stuhl des Bundestags- der Kurz die Schwarzen. Sonder- präsidenten weggelobt, damit Es ist für mich nicht mehr nach- barerweise sind diese gar nicht das Geld leichter zur EU fließen vollziehbar, dass Frau Merkel angefressen“, stand im „Profil“ zu kann. diese Missstände in Deutschland lesen. Umso weniger ist zu ver- nicht registriert. Und es klingt stehen, daß in der „Academia“, Deutschland genießt in der wie Hohn in meinen Ohren, welche parteipolitisch ungebun- Welt den Ruf eines reichen Lan- wenn Frau Merkel sagt, dass sie den sein sollte, die ÖVP (+ FPÖ?) des. Das mag schon sein, dass eine Politik für Deutschland be- hofiert wird. Noch dazu werden Deutschland ein reiches Land ist: treibt, für ein Land, in dem wir Begriffe vermischt und Tatsachen aber wir Bürger reiben uns ver- gut und gerne leben. verschwiegen: wundert die Augen und fragen Dr.-Ing.Karl Ibinger (Kr) uns, wohin denn das Geld ver- D-80995 München 1. Österreich braucht Immigra- schwindet. Denn Deutschland tion. Tourismus, Gesundheits- wirtschaftet sich ab! und Pflegesystem würden ohne ACADEMIA 1/2018 Immigranten zusammenbrechen. Unsere Infrastruktur verrottet: „WENN JOURNALISMUS DIE Wer ein bißchen von Volkswirt- Straßen- und Eisenbahnbrücken INSZENIERUNG STÖRT“ schaft versteht, weiß, dass da- müssten repariert werden, die durch viele positive und notwen- Bahnzubringer zum Brenner und Mein Geburtsjahr 1947 motiviert dige Effekte erzielt werden. zum Gotthard stehen in den Ster- mich zu Empathie mit Nostal- nen. Zu viele Schulgebäude sind gie, meine Körperbehinderung 2. Österreich ist verpflichtet, baufällig. Über unsere Bundes- zu vollem Verständnis dafür, sich Flüchtlinge aufzunehmen. Da wehr wird immer häufiger scheib- gegen Diskriminierung zu weh- habe ich noch gar nicht an un- chenweise bekannt, wie kaputt ren. Das hindert mich aber nicht, sere christliche Verpflichtung als die Ausrüstung ist. In der Digi- zu verstehen, wie notwendig es ÖCV-er appelliert. talisierung hinken wir hinterher. ist, dass Besseres bislang Gutes Die Energiepolitik der Regierung ablöst: Dr. Karl Schultes (Walth et mult.) mit ihrer angeblich alternativlo- 1030 Wien sen Fokussierung auf erneuerbare So, wie Stillstand Not generiert Energie bringt uns mit die höchs- und des ORF-Medienkomplex‘ ACADEMIA 1/2018 ten Strompreise in Europa. Es ist Verharren auf gesellschaftlich „MUTTI MERKEL IN NÖTEN“ Siemens nicht anzukreiden, wenn überholter, durch aktuell be- die Firma die Fertigung von Gas- kannt werdende Skandale bis Es ist schon erfreulich, wenn aus turbinen in Deutschland run- dato als unantastbar dargestell- dem Ausland auch mal realisti- terfährt, wenn in Deutschland ter NGO die (gelinde gesagt) sche Presseberichte über die tat- keine Turbinen mehr gebraucht Hohlheit bestätigte und damit sächliche Situation in Deutsch- werden. Und Joe Käser hat herausforderte, neuen Content land kommen. Recht, wenn er die Fertigung der mit (ob ihrer Interaktivität) nicht Turbinen in die USA verlagert, gar so leicht gesinnungsjourna- Normalerweise wird Merkel we- wo Turbinen gebraucht werden. listisch manipulierbaren neuen gen ihrer alternativlosen Politik Die Siemens-Mitarbeiter sollten Medien an für solche Alterna- gelobt, z.B.: in der Flüchtlings- nicht vor der Siemens-Haupt- tiven zu „Rotfunk & Co“ – je- politik, weil sie unkontrolliert die verwaltung protestieren, son- denfalls nach meiner Wahrneh- meisten „Flüchtlinge“ zu besten dern vor dem Bundekanzleramt. mung – höchst dankbare Leute Bedingungen aufnimmt, oder Die Schere zwischen Arm und zu bringen. von der EU, weil sie unbegrenzt Reich geht auseinander und die

Seite 37 März 2018 Wohl nicht nur für mich folgt abgesehen – die letzten Anhänger Van der Bellen und Kurz – die daraus, weder der Wiener Zei- Armin Wolfs, den zu verteidi- übersetzende Moderatorin ver- tung, noch des ORF Zwangsfi- gen seit dem Interview mit dem schweigt den Bundeskanzler. nanzierung nachzuweinen, wenn scheidenden Landeshauptmann Kennt der für die sozialen Me- deren Zeit endlich aus ist. Erwin Pröll sogar die meisten dien zuständige WKO-Referent linken Print-Kollegen aufgege- die Internet-Seite „www.ORF- Dr. Peter Waschiczek (Baj) ben haben. Im Wahlkampf 2017 Watch.at“? 2112 Würnitz zielte die Kernstrategie des ORF auf eine rotgrüne Mehrheit, und Ein bekannter professioneller ACADEMIA 1/2018 die als Interviews getarnten Ver- Cartellbruder schätzte jüngst „WENN JOURNALISMUS DIE höre anderer verhöhnten einmal den Rotgrün-Anteil bei den Re- INSZENIERUNG STÖRT“ mehr den öffentlich-rechtlichen dakteuren und Moderatoren des Auftrag. ORF auf bereits 80 Prozent. Die Und Erstaunen ergreifet das Volk Folge – „Hunderte Skandale“ umher (Schiller, Bürgschaft): In Die ORF-Inszenierungen 2018: (Copyright Andreas Unterber- der Medienabteilung der Wirt- Bei internationalen Minister- ger) – stört den Autor nicht? Sein schaftskammer Österreich ist konferenzen wird der österrei- Academia-Beitrag provoziert frei die jahrzehntelange und immer chische Teilnehmer ignoriert. Im nach Schiller den Schluss: Und unerträglicher gewordene Rot- Tiroler Wahlkampf werden die Entsetzen ergreift das Couleur- grün-Lastigkeit des ORF bisher Tatsachen durch Filmschnitte volk umher. nicht angekommen. Dort hält ins genaue Gegenteil verdreht. Prof. Willi Sauberer (VBW, ILH) man Agitation für Journalismus. Am Opernball bedankt sich ein 5020 Salzburg Dort findet man – vom HBP ausländischer Staatsmann bei Digitoll ist,

Entgeltliche Einschaltung Entgeltliche wenn wir morgen nicht von gestern sind.

Kunden der Energie AG profitieren davon, dass wir #digitoll bei der Digitalisierung an morgen denken. Die Digital-Offensive der Energie AG bietet schon heute Die Digital-Offensive viele zukunftsorientierte Dienstleistungen, die der Energie AG täglich Ihr Leben erleichtern – Service und Komfort Seit 1892 per Mausklick.

Mehr Infos unter digitoll.energieag.at

Seite 38 Seite 39 März 2018 1 7 . 3 . – 1 1 . 1 1 . 2 0 1 8 SCHALLABURG BYZANZ & DER WESTEN gali Bezahlte Anzeige Bezahlte Ikone (Detail) © Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg, Foto: Sebastian Tolle, Illustration © Angelo Monne, Dor

Seite 40