Die kosovarische Bevölkerung in der Schweiz Barbara Burri Sharani, Denise Efionayi-Mäder, Stephan Hammer, Marco Pecoraro, Bernhard Soland, Astrit Tsaka, Chantal Wyssmüller Impressum

Herausgeber: Bundesamt für Migration (BFM), Quellenweg 6, CH-3003 Bern-Wabern www.bfm.admin.ch

Die Studie wurde von der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit (HSLU – SA) und vom Schweizerischen Forum für Migrations- und Bevölkerungsstudien (SFM) im Auftrag des Bundesamts für Migration (BFM) durchgeführt.

Autoren: Barbara Burri Sharani, Denise Efionayi-Mäder, Stephan Hammer, Marco Pecoraro, Bernhard Soland, Astrit Tsaka, Chantal Wyssmüller

Projektleitung: Barbara Burri Sharani

Grafik: www.artification.com

Fotonachweis: © Beat Schweizer / www.beatschweizer.com

Bezugsquelle: BBL, Vertrieb Bundespublikationen, CH-3003 Bern www.bundespublikationen.admin.ch Art.-Nr.: 420.041.d

© BFM / EJPD August 2010

2 Inhaltsverzeichnis

Einführung 5

1 und seine Bevölkerung 10

1.1 Geografischer und demografischer Überblick 12 1.2 Geschichtlicher Verlauf und politische Situation 12 1.3 Sozioökonomische Situation 17 1.4 Die Minderheiten 18

1.32 KosovarenMigrationsbewegungen/Flucht- in der Schweiz und Arbeitsmigration 24xx

2.1 Migrationsgeschichte und soziodemografisches Profil 25 2.1.1 Vorbemerkung zur quantitativen Beschreibung 26 2.1.2 Migration aus Kosovo in die Schweiz 26 2.1.3 Soziodemografische Angaben 33 2.1.4 Die Entstehung des negativen Bildes 41 2.2 Sozioökonomische Integration 44 2.2.1 Bildung und Sprachkenntnisse 44 2.2.2 Wirtschaftliche Integration 58 2.2.3 Gesundheit 71 2.3 Kulturelle, soziale und politische Organisationsformen 80 2.3.1 Bedeutung des Glaubens und der religiösen Praktiken 81 2.3.2 Die albanische Familien- und Gesellschaftsstruktur 82 und die Rolle des Kanuns 2.3.3 Familienorganisation 85 2.3.4 Secondos 90 2.3.5 Die soziale Organisation der Kosovaren in der Schweiz 93 2.3.6 Die kosovarischen Minderheiten in der Schweiz 95 2.4 Beziehungen und Austausch mit dem Herkunftsland 98 2.4.1 Transnationale Beziehungen 99 2.4.2 Geldtransfers und Investitionen 101 2.4.3 Die politische Mobilisierung der Kosovaren in der Schweiz 106

3 3 2.4.3Integrationsverlauf Die politische Mobilisierungund Ausblick der Kosovaren in der Schweiz 11070

3.1 Bisherige Integrationsdynamik 111 3.2 Emotionale Entlastung und Neuorientierung 112 3.3 Aktuelle und zukünftige Handlungsfelder 114

4 Anhang 118

Anhang I Bibliografie 119 Anhang II Nützliche Adressen 128 Anhang III Liste der Gesprächspartner 135

4 Einführung

Personen aus Kosovo1 bilden eine der und erschöpfend kann eine derartige Dar- grössten Einwanderungsgruppen in der stellung nicht sein. Schweiz. Viele von ihnen leben bereits mehrere Jahrzehnte hier. Trotzdem ist nur wenig Wissen über die kosovarische Bevöl- kerung in der Schweiz vorhanden. Beson- ders bei Fachleuten aus verschiedenen Berufsfeldern, die in ihrer Arbeit mit Men- schen aus Kosovo zu tun haben, besteht ein Bedürfnis nach Informationen über die Migrationshintergründe und die Lebens- umstände dieser Zuwanderungsgruppe.

Das Bundesamt für Migration (BFM) hat die Hochschule Luzern – Soziale Arbeit (HSLU – SA) und das Schweizerische Forum für Mi- grations- und Bevölkerungsstudien (SFM) der Universität Neuenburg beauftragt, Informationen über diese Bevölkerungs- gruppe zusammenzutragen, mit dem Ziel, eine Überblicksdarstellung zur Migrations- geschichte, zur soziodemografischen und sozioökonomischen Situation, Kultur und zu den transnationalen Beziehungen der kosovarischen Bevölkerung in der Schweiz zu erstellen. Diese richtet sich an Berufsper- sonen aus verschiedenen Bereichen (Ver- waltung, soziale Einrichtungen, Schulen, Gesundheitssektor, Polizei etc.) wie auch an interessierte Privatpersonen und soll als Informationsquelle und Arbeitsinstrument dienen. Die Texte sind hauptsächlich de- skriptiver Natur. Wir sind uns bewusst, dass dieser Überblick die komplexe Wirklichkeit und die Vielfalt vereinfacht. Abschliessend

1 Wir verwenden in dieser Publikation die seit der Unabhän- gigkeit gebräuchliche internationale Bezeichnung «Kosovo». Die albanische Schreibweise lautet «Kosova», die serbische «Kosovo».

5 Arbeitsmethode varischen Bevölkerung in der Schweiz zum Der Überblick basiert auf drei Hauptquel- heutigen Zeitpunkt unvermeidlich mit Un- len, aus denen die Informationen gewon- genauigkeit behaftet ist. nen wurden. Erstens führten wir eine ver- tiefte Literaturanalyse durch, zu der sowohl Drittens führten wir 25 Gespräche mit wissenschaftliche Veröffentlichungen als Fachpersonen, die Einsicht in die verschie- auch offizielle Berichte von Bundesbehör- denen Lebensbereiche der kosovarischen den, internationalen Organisationen und Bevölkerung in der Schweiz haben. Viele NGOs zu Kosovo und zur kosovarischen von ihnen sind selbst kosovarischer Ab- Bevölkerung in der Schweiz herangezogen stammung. Die Erkenntnisse aus diesen wurden. Inter­views wurden in Thesen formuliert, die wir mit einer fünfköpfigen Fokusgruppe – Zweitens konsultierten wir die verschiede- bestehend aus schweizerischen und koso- nen zur Verfügung stehenden statistischen varischen Fachleuten – diskutiert haben. Quellen, insbesondere die Daten aus der Die Kommentare dieser Fachpersonen sind Volkszählung 2000, dem Zentralen Migra- ebenfalls in die Studie eingeflossen. tionsinformationssystem (ZEMIS) sowie der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebungen Die präsentierten Ergebnisse basieren also (SAKE) und weitere thematische Statistiken auf Literatur, Statistiken und Beobachtun- des Bundesamtes für Statistik (BFS). Dabei gen von befragten Experten. Um den Text stiessen wir auf das Problem, dass Perso- lesbarer zu gestalten, befinden sich die Li- nen kosovarischer Herkunft in der Schweiz teraturhinweise jeweils am Ende des Kapi- bis 2008 in den amtlichen Statistiken nicht tels. Es war uns ein Anliegen, das Schwer- explizit als solche aufgeführt worden sind. gewicht auf die wichtigsten Entwicklungen Dies verunmöglicht es, genaue statistische einer ganzen Periode der letzten zehn bis Angaben zu dieser Gruppe aufzuführen. zwanzig Jahre zu legen und nicht nur auf Wir konnten uns den Fakten immer nur an- die zahlreichen Veränderungen in der kür- nähern, indem wir statistische Behelfskate- zeren Vergangenheit einzugehen. gorien heranzogen. In den meisten Fällen sind solche Behelfskategorien die Staatszu- Aufbau der Studie gehörigkeit zu einer vormals existierenden, Die Beiträge sind in drei Hauptkapitel un- grösseren staatlichen Einheit (ehemaliges terteilt und modular aufgebaut. So kann Jugoslawien, Serbien-Montenegro, Ser- jedes Kapitel bzw. jedes Unterkapitel un- bien), manchmal auch die (Haupt-)Sprache abhängig von den andern gelesen werden. oder die Religionszugehörigkeit. Dies wird Wiederholungen ergeben sich dadurch in der vorliegenden Publikation an den zwangsläufig. entsprechenden Stellen jeweils präzisiert. Leserinnen und Leser sollten aber immer Die Kapitel 1 und 2 sind gleich aufgebaut. in Erinnerung behalten, dass der Versuch Zu Beginn jedes Unterkapitels finden sich einer quantitativen Beschreibung der koso- in einer Zusammenfassung die wichtigsten

6 Aussagen, auf die danach im Text ausführ- serbischen Provinz Kosovo stammen, wel- lich eingegangen wird. Am Schluss jedes che 2008 ihre Unabhängigkeit erklärt Unterkapitels sind Literaturvorschläge zur hat. Diese Begriffsbestimmung impliziert, Vertiefung der jeweiligen Thematik auf- dass nicht nur die kosovo-albanische Be- geführt. Mit Querverweisen in den Texten völkerungsmehrheit, sondern auch die möchten wir die Leserinnen und Leser auf Minderheitengemeinschaften im heutigen andere Kapitel aufmerksam machen, wo Kosovo gemeint sind. In den verfügbaren zum entsprechenden Thema weitere Infor- Statistiken wird jedoch nicht zwischen den mationen zu finden sind. Zur Veranschau- verschiedenen ethnischen Gruppen unter- lichung der behandelten Themen finden schieden. Es ist davon auszugehen, dass sich im Text Tabellen und Grafiken sowie die Kosovo-Albaner den weitaus grössten Zitate unserer Gesprächspartner. Wenn es Anteil an der kosovarischen Bevölkerung sich um eine persönliche Aussage handelt, in der Schweiz stellen. Wo immer es nötig so ist das Zitat mit dem Titel «Aus persön- und möglich war, wurden die verschiede- licher Sicht» zu finden. Handelt es sich hin- nen Gruppen unterschieden. Der Situation gegen um eine Aussage einer Fachperson, der ethnischen Minderheiten wurde in ist diese mit «Expertenmeinung» betitelt. zwei separaten Unterkapiteln Rechnung Bei den interviewten kosovarischen Fach- getragen. Nicht Gegenstand dieser Unter- leuten kann es sein, dass sie in beiden Ka- suchung sind albanische Zuwanderer aus tegorien vorkommen. Albanien, Mazedonien und Montenegro.

Beim Kapitel 3 handelt es sich schliesslich Die kosovarische Bevölkerung in der um eine Synthese und Schlussfolgerungen Schweiz bildet im Übrigen keine homo- aus den vorangegangenen Abschnitten. gene Gruppe; neben den erwähnten un- terschiedlichen ethnischen Zugehörigkei- Im Anhang zu diesem Bericht finden sich ten machen es auch Unterschiede in Bezug eine Liste der Gesprächspartner sowie eine auf Geschlecht, Alter, sozioökonomische Auflistung der kosovarischen Organisatio- Situation, Lebensverläufe und Genera­ nen und Anlaufstellen. Die Liste von Orga- tionszugehörigkeit unmöglich, Kosovarin- nisationen und Anlaufstellen erhebt weder nen und Kosovaren vereinfachend als «Ge- einen Anspruch auf Vollständigkeit noch meinschaft» zu behandeln oder ihnen eine kann die Aktualität der Angaben garantiert einheitliche kulturelle Identität zuzuschrei- werden. ben. Darum werden im Folgenden die Be- zeichnungen «kosovarische Bevölkerung» Gegenstand und Terminologie oder «Zu-/Einwanderungsgruppe» den Be- Die vorliegende Darstellung hat die koso- griffen «Gemeinschaft» oder «Diaspora»2 varische Bevölkerung in der Schweiz zum 2 Mit Rogers Brubaker (2005) verstehen wir «Diaspora» als Gegenstand. Darunter werden alle hier in eine auf einen Moment bezogene «Willensgemeinschaft», der Schweiz lebenden Personen verstan- eine Gruppe also, zu der sich Menschen zu gewissen Zeitpunkten bekennen. Der Begriff taugt daher schlecht als den, die aus dem Gebiet der ehemaligen wissenschaftliche Analysekategorie.

7 vorgezogen. In Zusammenhang mit poli- Dank tischen oder kulturellen Vereinigungen ist Wir möchten uns an erster Stelle bei all gelegentlich von «kosovo-albanischer Di- unseren Gesprächspartnern bedanken, die aspora» die Rede; in diesem Fall sind die uns ihre Zeit und ihr Wissen zur Verfügung ethnisch-sprachlichen Minderheiten nicht gestellt haben. Ohne sie wäre diese Pub- eingeschlossen. likation kaum möglich gewesen. Ihre Na- men finden sich im Anhang III. Im Text wurde auf eine geschlechtsneut- rale Formulierung geachtet. Bei manchen Eine grosse Unterstützung bei der statisti- Stellen wurde jedoch aus Gründen der schen Aufarbeitung der Thematik waren besseren Lesbarkeit die männliche Form für uns Clémence Merçay von der Universität beide Geschlechter verwendet. Neuenburg und Jean-Hugues Ravel vom SFM. Kathi von Daeniken unterstützte uns Menschen, die selber aus Kosovo in die bei der Redaktion und stand uns mit Rat Schweiz eingewandert sind, und ihre direk- und Tat zur Seite. ten Nachkommen (zweite Generation / Se- condos) werden in dieser Publikation glei- Ein weiterer Dank geht an Adrian Scherler chermassen als «Migranten / Zugewanderte und Giuseppina Iampietro, die im Bundes- aus Kosovo» oder «Menschen mit koso­ amt für Migration für die Koordination der varischem (Migrations-)Hintergrund» be- Studie verantwortlich zeichneten und uns nannt, wobei die letztere Bezeichnung gute Ansprechpartner waren. insbesondere für Angehörige der zweiten Generation zur Anwendung kommt. Bedanken möchten wir uns auch bei den Mitgliedern der Begleitgruppe aus dem Bundesamt für Migration (BFM) für ihre konstruktiv kritische Durchsicht des Textes. Es sind dies: Toni Bühler, Kay-Nina Fohrer, Matthias Greuter, Barbara Milanifard und Branka Vukmirovic.

Luzern, Neuenburg, im September 2009

Barbara Burri Sharani (Projektleitung), De- nise Efionayi-Mäder, Stephan Hammer, Marco Pecoraro Bernhard Soland, Astrit Tsaka und Chantal Wyssmüller

8 9 1 Kosovo und seine Bevölkerung In Kürze – Kosovo stand während fast 500 Jahren 25 % auf 5 % verringerte. Im Weiteren unter osmanischer Herrschaft. Seit 1912 leben in Kosovo unter anderem Roma, gehörte Kosovo zu Serbien, das zwi- slawische Muslime, Türken und Kroaten. schen 1945 und 1991 eine Teilrepublik – Die unbefriedigende wirtschaftliche Jugoslawiens war. Lage in Kosovo und behördliche Diskri- – In den Monaten März und April 1981 minierung führten in den 1990er-Jahren kam es zwischen der albanischen Volks- zu einer verstärkten Abwanderungsbe- gruppe und den staatlichen serbischen wegung. Strukturen zu gewaltsamen Ausein- – Die kosovo-albanische Bevölkerung in andersetzungen. Der zu Beginn der der Schweiz spielte besonders in den 1990er-Jahre friedlich geführte Wider- 1990er-Jahren eine wichtige Rolle bei stand der Albaner ging 1997 in eine der finanziellen Unterstützung Kosovos bewaffnete Auseinandersetzung mit und bei der Mobilisierung des politi- staatlichen Sicherheitskräften über. schen sowie des bewaffneten Wider- – Im März 1999 kam es zu einem dreimo- standes. natigen Krieg zwischen der NATO und Jugoslawien sowie dem Abzug der jugoslawischen Truppen aus Kosovo. In der Folge wurde Kosovo unter UNO- Verwaltung gestellt (UNMIK). – Am 17. Februar 2008 erklärte Kosovo die Unabhängigkeit. Der Grossteil der EU-Staaten sowie weitere Länder und die Schweiz anerkannten Kosovo als unabhängigen Staat, während Serbien mit Unterstützung des UNO-Sicherheits- ratsmitglieds Russland auf der Zugehö- rigkeit Kosovos zu Serbien besteht. – Die Unabhängigkeit Kosovos hat zu einer weitgehenden Aufteilung des Landes in ethnische Mehrheitsgebiete von Albanern und Serben geführt. – In Kosovo leben Angehörige mehrerer Ethnien. Die Mehrheit der rund 2,1 Millionen Einwohner sind Albaner. Ihr Anteil an der Bevölkerung Kosovos stieg in den vergangenen Jahrzehnten von rund 70 % auf über 90 %, während sich der serbische Bevölkerungsanteil von

11 1.1 Geografischer und 1.2 Geschichtlicher Verlauf demografischer Überblick und politische Situation

Kosovo liegt im Zentrum der Balkanhalbin- Das Gebiet des heutigen vom sel und erstreckt sich auf einer Fläche von Ende des 12. Jahrhunderts bis Mitte des 15. 10 908 km2. Dies entspricht etwa einem Jahrhunderts Teil des serbischen Reiches Viertel der Schweizer Landesfläche. Im und war dann für fast 500 Jahre unter der Südwesten grenzt Kosovo an Albanien, im Herrschaft der Osmanen. Im ersten Balkan- Nordwesten an Montenegro, im Norden krieg (1912) eroberten die Serben Kosovo und Osten an Serbien und im Südosten an zurück, und 1918 wurde es Teil des König- Mazedonien. reiches der Serben, Kroaten und Slowenen, das ab 1929 als «Königreich Jugoslawien» Die zwei grössten Bevölkerungsgruppen in bezeichnet wurde (Malcolm 1998). Kosovo stellen die Albaner und die Serben. Ihr Anteil veränderte sich in den vergan- Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde unter genen 60 Jahren. 1948 waren noch 68 % Tito die Sozialistische Föderative Repub- albanischer und 24,1 % der Bevölkerung lik Jugoslawien gegründet (SFRJ; mit den serbischer Abstammung. Aufgrund unter- sechs Teilrepubliken Slowenien, Kroatien, schiedlicher Geburtenraten sowie der po- Bosnien und Herzegowina, Montenegro, litischen Ereignisse der letzten Jahrzehnte Serbien sowie Mazedonien). Nach anfäng- erhöhte sich der Anteil der albanischstäm- licher Unterdrückung wurden ab 1974 migen Bevölkerung bis zum Jahr 2006 auf den autonomen Provinzen Kosovo und 92 %. Demgegenüber stehen heute 5,3 % Vojvodina (beide gehörten damals zur Teil- Serben und 2,7 % Angehörige anderer eth- republik Serbien) die weitgehend gleichen nischer Gruppen (Roux 1992) (vgl. Kapitel Rechte wie den anderen jugoslawischen 1.4). Nach einer Schätzung des nationalen Republiken zugestanden. Kosovo besass Statistischen Amtes zählt Kosovo heute aber weiterhin kein Recht auf Selbstbestim- etwa 2 150 000 Einwohner. mung (Malcolm 1998; Reuter 2000a).

Kosovo hat eine ausgesprochen junge Bevölkerung. 33 % der Einwohner Kosovos sind unter 15 Jahre, 61 % zwischen 15 und 64 Jahre und nur 6 % über 65 Jahre alt.

12 Abbildung 1: Landkarte von Kosovo Quelle: Philippe Rekacewicz; UNEP/GRID-Arendal, Ethnic Diversity in Kosovo, UNEP/GRID-Arendal Maps and Graphics Library, http://maps.grida.no/go/graphic/ethnic-diversity-in-kosovo (Accessed 2 February 2010)

13 und staatlichen (Industrie-)Betrieben ent- Die Sozialistische Föderative Repub- lassen. In der Folge waren in erster Linie lik Jugoslawien* (SFRJ) bestand von die ethnischen Albaner von erheblichen 1945 bis 1991. Der Staat umfasste die Einschränkungen im Gesundheits- und heutigen Staaten Slowenien, Kroatien, im Bildungswesen betroffen, und es ent- Bosnien und Herzegowina, Montenegro, standen parallele Strukturen, die in er- Serbien, Mazedonien und Kosovo. Alle heblichem Masse durch Spenden der diese Staaten waren, bis auf Kosovo, kosovarischen Bevölkerung im Ausland fi- Teilrepubliken Jugoslawiens. Ab 1991 nanziert wurden (vgl. Kapitel 2.2 und 2.4.3). begann Jugoslawien zu zerfallen, und alle Teilrepubliken bis auf Serbien und Bei den Anfang der 1990er-Jahre erstmals Montenegro erklärten nach und nach im Untergrund durchgeführten kosovari- die Unabhängigkeit. 1992 gründeten schen Parlaments- und Präsidentschafts- Serbien und Montenegro die Bundesre- wahlen ging die Partei LDK (Demokratische publik Jugoslawien, welche im Jahr 2003 Liga Kosovos) als klare Siegerin hervor. in den Staatenbund Serbien und Mon- Deren Parteichef, der Literaturhistoriker tenegro umgewandelt wurde. Nachdem Ibrahim Rugova, wurde zum Präsiden- sich im Jahr 2006 Montenegro ebenfalls ten gewählt. Im Abkommen von Dayton, für unabhängig erklärte hatte, wurde die welches 1995 den Krieg in Bosnien und Republik Serbien alleiniger Rechtsnach- Herzegowina beendete, blieb die Situa­ folger der Union (Trbovich 2008). tion in Kosovo indes unberücksichtigt (Schmidt 2000). Hierauf erachteten Teile * Bis 1963 lautete die Bezeichnung «Föderative Volks­ republik Jugoslawien». des albanischen Widerstands die Politik der Gewaltlosigkeit als gescheitert. 1996 wurden erstmals Anschläge von der UÇK Das Milosevic-Regime (Befreiungsarmee Kosovos) auf serbische 1987 übernahm Slobodan Milosevic die Einrichtungen und Personen verübt. Die Führung der sozialistischen Regierungs- UÇK genoss grossen Rückhalt in der alba- partei und 1989 die Präsidentschaft der nischstämmigen Bevölkerung, und die Gel- Republik Serbien. Am 28. März 1989 hob der der Kosovaren im westeuropäischen das jugoslawische Parlament einstimmig Ausland flossen nun vermehrt der UÇK zu. den Status Kosovos als autonome Provinz Bald übte die UÇK die Kontrolle über einige auf und machte damit die jugoslawische Gebiete Kosovos aus, was im Verlaufe des Bundesverfassung von 1974 de facto un- Jahres 1998 zu Einsätzen der staatlichen wirksam. Bei den darauffolgenden De- Sicherheitskräfte mit zahlreichen Todes- monstrationen in Kosovo wurden nach opfern führte. Bei einer gross angelegten offiziellen Angaben 21 Demonstranten Offensive Anfang 1999 drängten die ju- und zwei Polizisten getötet. In den 1990er- goslawische Armee, die Sonderpolizei und Jahren wurden viele albanischstämmige Paramilitärs die UÇK zurück und vertrieben Arbeitskräfte aus öffentlichen Ämtern grosse Teile der kosovarischen Bevölkerung

14 (ca. 850 000 Einwohner). Tausende kamen ganisation für Sicherheit und Zusammenar- um (Reuter 2000b; Schmitt 2008). beit in Europa) und die EU. Geleitet wurde die Mission vom Sonderbeauftragten des Kosovo unter UNO-Verwaltung UNO-Generalsekretärs, der in vielen zent- Nach dem Scheitern von Friedensverhand- ralen Bereichen über weitreichende Befug- lungen (Vertrag von Rambouillet) zwischen nisse verfügte (Ukelli 2008). Unter dessen der NATO und der jugoslawischen Regie- Oberaufsicht wurde in Kosovo im Frühjahr rung im Frühjahr 1999, welche vor allem 2002 ein politisches System nach west- eine weitgehende Autonomie Kosovos zum lichem Muster eingeführt. Im November Ziele hatten, führte die NATO einen Luft- 2001 gewann die LDK die Parlamentswah- krieg gegen Jugoslawien. Die Regierung len, und deren Präsident Ibrahim Rugova kapitulierte nach 78 Tagen und zog ihre wurde der erste Präsident der kosovari- Truppen aus Kosovo ab (Reuter 2000b und schen Übergangsregierung. Nach dem Tod 2000c). In der Folge kam es vor allem von Rugovas im Jahre 2006 trat dessen Partei- kosovo-albanischer Seite zu Racheakten, kollege Fatmir Sejdiu die Nachfolge an. hauptsächlich an der serbischen Bevölke- rung und an Personen, die mit den früheren Seit dem Jahr 2001 sind auch ehemalige staatlichen Behörden kollaborierten. Zahl- UÇK-Mitglieder über die aus der UÇK her- reiche Menschen wurden umgebracht oder vorgegangenen Parteien PDK (Demokra- vertrieben (Schmitt 2008) (vgl. Kapitel 1.4) tische Partei Kosovos) und AAK (Allianz für die Zukunft Kosovos) in Koalitionsre- Nach Beendigung des Kosovokriegs erteilte gierungen eingebunden. Bei den Wahlen der UNO-Sicherheitsrat mit der Resolution im Jahr 2007 löste die PDK die LDK als 1244 das Mandat zur UNO-Mission in Ko- wählerstärkste Partei ab und Hashim Thaçi sovo. Vorgesehen wurde die Stationierung wurde Premierminister. Die Rolle ehemali- der internationalen Friedenstruppe KFOR ger UÇK-Aktivisten in der Regierung steht (Kosovo Force) unter Leitung der NATO öfter zur öffentlichen Debatte, da man die und die Errichtung der internationalen UÇK immer wieder mit der organisierten Zivilverwaltung UNMIK (United Nations Kriminalität und mit Kriegsverbrechen in Mission in Kosovo). Das mittelfristige Ziel Verbindung bringt, wie etwa im Fall des der Mission bestand in der Herstellung ehemaligen Premierministers Ramush Ha- substanzieller Autonomie für die Region radinaj (Reuter 2000b; Ukelli 2008). Kosovo durch die Einsetzung «vorläufiger demokratischer Selbstverwaltungsinstitu­ Unabhängigkeitserklärung tionen» (UNO 1999: Resolution 1244). Der Kosovos völkerrechtliche Status Kosovos wurde in Die im Jahr 2005 begonnenen Verhand- der Resolution 1244 aber nicht festgelegt. lungen über den völkerrechtlichen Status Kosovos führten zu keinem von allen Ver- An der Umsetzung der UNO-Mission betei- handlungsteilnehmern akzeptierten Ergeb- ligten sich neben der UNO die OSZE (Or- nis. Serbien und Russland lehnten den im

15 Zeit Geschichtliches Ereignis Ende 12. / Anfang Kosovo wird Teil des serbischen Reichs 13. Jahrhundert 28. Juni 1389 Niederlage des serbischen Grossfürsten und der Koalitionspartner auf dem Amselfeld; Beginn der osmanischen Eroberung 1455 Kosovo gelangt unter osmanische Herrschaft 1912 Erster Balkankrieg: serbische Rückeroberung Kosovos 1918 Eingliederung Kosovos in das «Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen» (ab 1929 Jugoslawien) 1945, nach dem Kosovo als autonome Region in Titos Jugoslawien Zweiten Weltkrieg Ab 1968 Wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Modernisierungsprozess in Kosovo 1974 Kosovo erhält den Status einer autonomen Provinz mit faktischem Republikstatus 1981 Nach Titos Tod gewalttätige Aufstände der albanischen Bevölke- rung 1987 Machtaufstieg Slobodan Milosevics 1989 Aufhebung des Autonomiestatus; gewaltloser Widerstand der albanischen Bevölkerung 1991 Ausrufung der Unabhängigkeit Kosovos 1995 Abkommen von Dayton; Kosovo bleibt unberücksichtigt 1996/97 Beginn des bewaffneten Widerstandes der UÇK 1998 Gescheiterte Offensive der UÇK 1998 / Vertreibung grosser Teile der albanischen Bevölkerung durch Frühjahr 1999 jugoslawische Einheiten März–Juni 1999 NATO-Intervention; Abzug der jugoslawischen Streitkräfte; Flucht von rund 100 000 Kosovaren (vor allem Serben und Roma) Ab 1999 Verwaltung Kosovos durch die UNO (UNMIK) auf der Grundlage der UN-Sicherheitsresolution 1244; Einsetzung der internationalen Kosovo-Friedenstruppe KFOR nach Sektoren (u.a. SWISSCOY, die Schweizer Beteiligung an der KFOR) 17. Februar 2008 Unabhängigkeitserklärung Kosovos; Anerkennung der Unabhän- gigkeit durch die USA, viele EU-Staaten und die Schweiz; Beginn einer EU-Mission in Kosovo (EULEX)

Tabelle 1: Überblick der wichtigsten geschichtlichen Ereignisse Quelle: Schmitt 2008, S. 17–20

16 Frühjahr 2007 von UNO-Vermittler Martti am schlechtesten entwickelte Region. Die Ahtisaari ausgearbeiteten Vorschlag ab, Wirtschaft Kosovos bestand zum grössten der eine international beaufsichtigte Un- Teil aus Landwirtschaftsbetrieben und seit abhängigkeit vorsah (Schmitt 2008) (vgl. den 1960er-Jahren aus einigen wenigen Kapitel 1.4). Am 17. Februar 2008 er- Industrieunternehmen. Kosovo war im klärte der frisch gewählte Premierminister binnenjugoslawischen Wirtschaftssystem Hashim Thaçi die Unabhängigkeit. In der vor allem für die Produktion von Energie Folge anerkannten viele westliche Staaten, (Braunkohlekraftwerke) und die Gewin- darunter die USA, die EU-Länder Deutsch- nung von Rohstoffen (z.B. Blei und Zink) land, England, Frankreich und Italien sowie zuständig. Die Schwerindustrie schaffte die Schweiz Kosovo als eigenen Staat. Am vergleichsweise wenige Arbeitsplätze, 15. Juni 2008 trat die Verfassung Kosovos was angesichts des starken Bevölkerungs- in Kraft. Gestützt auf den Ahtisaari-Plan wachstums zu einer hohen Arbeitslosigkeit begann die Ablösung der UNMIK durch die führte. Sie betrug Anfang der 1980er-Jahre EU-Rechtsstaatsmission EULEX (European offiziell 29 %. Von der Arbeitslosigkeit war Union Rule of Law Mission in Kosovo). Der die albanische Bevölkerungsgruppe be- vollständige Rückzug der UNMIK ist nicht sonders betroffen. Zudem verschärften die absehbar, da Russland im UNO-Sicherheits- politischen und militärischen Auseinander- rat das Veto einlegte. Die UNMIK ist vor al- setzungen der 1990er-Jahre die wirtschaft- lem in den serbischstämmigen Mehrheits- liche Situation (Ukelli 2008; Schmitt 2008). gebieten präsent (im Norden Kosovos und in den Enklaven). In den Mehrheitsgebie- Wirtschaft und UNO-Protektorat ten der Serben bestehen weiterhin die von Seit 1999 befindet sich Kosovo in einer Serbien unterstützten parallelen Verwal- Übergangsphase von der Planwirtschaft tungsstrukturen. Die kosovarischen Behör- des ehemaligen Jugoslawiens in eine freie denstrukturen werden dort bis anhin nicht Marktwirtschaft. Die Transformation ge- akzeptiert (vgl. Kapitel 1.4). Die politische staltet sich schwierig, ist das Land doch und rechtliche Unsicherheit wird oft als ei- stark abhängig von der finanziellen und nes der grossen Hemmnisse für die weitere technischen Unterstützung der interna­ sozioökonomische Entwicklung Kosovos tionalen Gemeinschaft und der ausgewan- gesehen (International Crisis Group 2008). derten Kosovaren. Das Handelsbilanzdefizit betrug im Jahr 2006 1,2 Milliarden Euro, bei einem geschätzten Bruttoinlandspro- 1.3 Sozioökonomische dukt von 3,2 Milliarden Euro. Situation Die vergleichsweise hohen Unterstützungs- Ehemaliges Jugoslawien gelder der Gastarbeiter aus dem Ausland und wirtschaftliche Entwicklung und die finanzielle Hilfe der internationalen Während des gesamten Bestehens von Ju- Gemeinschaft haben zu einem moderaten goslawien war Kosovo die wirtschaftlich Wachstum, nicht aber zu einer nachhalti-

17 gen wirtschaftlichen Entwicklung geführt über die unzureichenden Leistungen der (vgl. Kapitel 2.4). Die rund 55 000 gemel- öffentlichen Dienste. Davon betroffen sind deten Unternehmen in Kosovo sind zum unter anderem die Strom- und Gesund- Grossteil Mikro- und Kleinunternehmen heitsversorgung, der Bau und Unterhalt mit bis zu zehn Angestellten (98 %). Ihre von Strassen sowie die Abwasserentsor- Aktivitäten umfassen meist Gross- oder gung. Die Bereitschaft zur Auswanderung Einzelhandel und Dienstleistungen, so ist in der Bevölkerung gross, besonders etwa den Betrieb von Restaurants oder unter Jugendlichen. Im Jahr 2006 äusser- Hotels. In der verarbeitenden Industrie sind ten rund 50 % der Jugendlichen Abwande- lediglich 10 % der Unternehmen tätig, eine rungsabsichten. Exportindustrie fehlt weitgehend. Viele der ehemaligen (jugoslawisch-)staatlichen oder genossenschaftlichen Grossbetriebe sind 1.4 Die Minderheiten inzwischen privatisiert, internationale In- vestitionen bleiben aber wegen fehlender Kosovo war, soweit sich dies zurückverfol- Rahmenbedingungen (u.a. Rechtssicher- gen lässt, schon immer ein multiethnisches heit) weitgehend aus. Weitere Hemmnisse Gebiet. Die verschiedenen Bevölkerungs- für einen wirtschaftlichen Aufschwung gruppen leben aber mehrheitlich getrennt sind die organisierte Kriminalität und Kor- voneinander in eigenen Siedlungsgebie- ruption (Ukelli 2008; Schmitt 2008) ten. Die albanische Bevölkerung stellt seit (vgl. Kapitel 2.2.). Jahrhunderten die Mehrheit, ihre Domi- nanz hat seit dem Zweiten Weltkrieg kon- Wirtschaft und Bevölkerung tinuierlich zugenommen. Waren im Jahr Das Bruttoinlandsprodukt Kosovos von 1948 68 % der Einwohner Kosovos Alba- 1150 Euro pro Kopf (2008) ist eines der ner (neben 24 % Serben), sind es heute tiefsten in Europa. Das durchschnittliche 92 % (neben 5 % Serben). Daneben sind monatliche Haushaltseinkommen betrug die wichtigsten Minderheitengruppen die im Jahr 2004 274 Euro. Die Arbeitslosen- slawischen Muslime (Gorani und Bosnia- quote liegt bei rund 45 %, bei Jugendlichen ken), die Roma (Roma, Ashkali und Ägyp- bei rund 80 %. Es gibt zwar ein Sozialhil- ter) sowie die Türken und Kroaten. Nach fesystem, das aber nur schwach ausgebil- der NATO-Intervention im Jahr 1999 ha- det ist: Die monatliche Sozialhilfe beträgt ben besonders Angehörige der serbisch- lediglich 40 Euro pro Person (62 Euro pro sprachigen Minderheiten (Serben, Roma, Familie), und sie steht nur einem kleinen slawische Muslime) Kosovo verlassen, oft Teil der Bevölkerung zu (Ukelli 2008). Bei wegen ungenügender Sicherheit und der über einem Drittel der Bevölkerung liegt Perspektivenlosigkeit. Bei den Unruhen im das tägliche Einkommen bei weniger als März 2004 sind erneut Minderheitenan- 2 Euro pro Tag. Entsprechend gross ist die gehörige geflüchtet, vor allem Serben und Unzufriedenheit der Bevölkerung über die Roma. Viele Geflüchtete leben noch heute wirtschaftliche und politische Lage sowie ausserhalb Kosovos, vor allem in Serbien.

18 Nur eine Minderzahl ist zurückgekehrt (Ste- kleinerte sich die Gruppe der Serben von vens 2009). rund 300 000 auf 120 000 bis 130 000 Personen (Baldwin 2006). Mit einer star- Wer sind die Minderheiten ken Rückkehrbewegung ist angesichts der im Kosovo? Perspektivenlosigkeit und der teilweise In Gesamtkosovo bilden die Albaner eine schwierigen Sicherheitslage für Serben deutliche Mehrheit. Der Norden Kosovos, nicht zu rechnen. Die Situation der serbi- wo vor allem Serben leben, ist aber admi- schen Bevölkerung gestaltet sich regional nistrativ vom übrigen Gebiet Kosovos weit- unterschiedlich. Ca. 60 % der Serben leben gehend abgetrennt. Das nördliche Gebiet in Enklaven in den südlichen Bezirken Ko- umfasst die vier Grossgemeinden Leposa- sovos, während rund 40 % in den Bezirken vic, Zvecan, Zubin Potok sowie Teile von nördlich des Flusses Ibar angesiedelt sind Kosovska Mitrovica. Der Nordteil entspricht (u.a. in der geteilten Stadt Mitrovica). Die rund einem Zehntel des nationalen Territo- Serben leben seit 1999 mehrheitlich in ei- riums Kosovos. Die Serben bilden dort die nem von Belgrad finanzierten Parallelsys- Mehrheit und die Albaner die Minderheit. tem mit eigener Gesundheitsversorgung und eigenem Bildungswesen (Stevens Ethnische Serben 2009). Sie boykottieren bis anhin weitge- Menschen serbischer Abstammung leben hend die Teilnahme an kosovarischen Insti- seit etwa dem 11. Jahrhundert in Kosovo. tutionen und Wahlen. Die Serben waren in Kosovo schon immer in der Minderheit. Von 1999 bis heute ver-

19 Roma (Roma, Ashkali, Ägypter) wirtschaftliche Entwicklung aus, weshalb Die Roma in Kosovo werden seit 1999 (Ver- das Gora-Gebiet von einer starken Abwan- trag von Rambouillet) in die drei Gruppen derung betroffen ist (Stevens 2009). Die Roma, Ashkali und Ägypter unterteilt (Bald- Torbeschen sind mazedonische Muslime win 2006). Bei «Ashkali» und «Ägyptern» und sprechen Mazedonisch. Vereinzelt be- handelt es sich um Selbstbezeichnungen zeichnen sich slawische Muslime in Kosovo dieser Gruppen. Ashkali und Ägypter spre- als Torbeschen. chen neben dem Romanes in der Regel Al- banisch, während der Grossteil der Roma Türken Serbisch spricht. Die jeweilige Sprache deu- Die türkische Bevölkerung in Kosovo geht tet darauf hin, an welche Volksgruppe die auf die bis Anfang des 20. Jahrhunderts jeweilige Roma-Gruppe assimiliert ist. Die dauernde osmanische Herrschaft zurück. Roma waren von den Kriegsereignissen im Die türkische Minderheit ist mehrheitlich in Jahr 1999 stark betroffen. Lebten vor dem der Region Prizren ansässig. Türkisch ist re- Krieg um 150 000 Roma in Kosovo, sind gional als Amtssprache zugelassen. Ange- es heute noch geschätzte 35 000 (Mattern hörige der türkischsprachigen Bevölkerung 2005). Die Sicherheitssituation hat sich für sehen sich vor allem Problemen beim Er- die Roma in den letzten Jahren zunehmend reichen einer höheren Bildung gegenüber. verbessert, die Lebensbedingungen bleiben Angesichts der relativ kleinen Grösse der aber für viele weiterhin schwierig, insbe- Gruppe hat sich die türkische Volksgruppe sondere für serbischsprachige Roma (Bald- stark assimiliert. win 2006; BFM 2006). Kroaten Slawische Muslime Die kroatische Bevölkerung in Kosovo be- Bei den slawischen Muslimen handelt es steht aus den beiden kleinen Gemeinden sich um Slawisch sprechende Muslime. Je Janjevo (bei ) und Letnica (bei Viti). nach regionaler Herkunft werden die slawi- Es gibt in Kosovo nur wenige hundert schen Muslime unterschiedlich bezeichnet Kroaten. Das wichtigste Merkmal dieser (Bosniaken, Gorani, Torbeschen). Aller- Volksgruppe ist die Zugehörigkeit zum Ka- dings sind die Selbst- und Fremdbezeich- tholizismus. nungen dieser Untergruppen nicht immer sehr konsequent und manchmal auch von Die Verfassung Kosovos sichert den Min- politischen Situationen abhängig. Die Bos- derheiten weitreichende Rechte und niaken leben mehrheitlich im Westen Ko- Schutz zu. So haben die Minderheiten zum sovos in der Region von Pejë. Die Gorani Beispiel ein Anrecht auf eine anteilsmäs- hingegen leben im südlichen Bezirk Dra- sige Vertretung in den Institutionen der gash, einer abgelegenen Bergregion an der (Lokal-)Regierung und als Angestellte im Grenze zu Mazedonien und Albanien. Die öffentlichen Dienst. Den Minderheiten sind geografische Abgeschiedenheit wirkt sich im Parlament unabhängig vom effektiven hindernd auf die regionale, insbesondere Wahlergebnis 20 der 120 Sitze vorbehal-

20 ten. In der Regierung ist ein Ministerposten für Serben und einer für einen Vertreter der andern Minderheiten reserviert. Neben Albanisch ist Serbisch die zweite offizielle Landessprache. Trotz der im «Ahtisaari- Plan» angestrebten Dezentralisierung und lokalen Autonomie zur Förderung der In- tegration von Minderheiten schreitet die Segregation zwischen ethnischen Serben- und Albanergebieten aus vielfältigen und komplexen Gründen fort (gegenseitige Animositäten, unklare Kompetenzen zwi- schen UNMIK und EULEX) (Stevens 2009).

Kommt hinzu, dass alle Volksgruppen Kosovos von der generell schwierigen wirtschaftlichen Situation und der damit einhergehenden hohen Arbeitslosigkeit be- troffen sind. Einige Minderheiten sind man- gels Bewegungsfreiheit, weil sie ausserhalb ihrer Enklaven Repressionsmassnahmen befürchten, zusätzlich eingeschränkt (vor allem Serben und serbischsprachige Roma). Die vielschichtigen Schwierigkeiten sind Ursache dafür, dass die Abwanderung (be- sonders in Richtung Westeuropa) weiterhin anhält und viele Weggezogene nicht mehr nach Kosovo zurückkehren.

21 Weiterführende Literatur Reuter, Jens (2000c). Zur Geschichte der UÇK, in Reuter, Jens und Konrad Clewing, Baldwin, Clive, Hg. (2006). Minority rights Hg. Der Kosovo-Konflikt: Ursachen, -Ver in Kosovo under International Rule. Lon- lauf, Perspektiven. Klagenfurt: Wieser Ver- don: Minority Rights Group International. lag, S. 171–186.

BFM (2006a). Kosovo. Lage der Minder- Roux, Michel (1992). Les Albanais en You- heiten. Bern–Wabern: Bundesamt für Mi- goslavie. Minotriténatioe, territoire et dé- gration. veloppement. Paris: Fondation de la Mai- son des sciences de l'homme. Clewing, Konrad und Jens Reuter, Hg. (2000). Der Kosovo-Konflikt: Ursachen, Schmitt, Oliver Jens (2008). Kosovo. Kurze Verlauf, Perspektiven. Klagenfurt: Wieser Geschichte einer zentralbalkanischen Land- Verlag. schaft. Wien/Köln/Weimar: Böhlau Verlag.

International Crisis Group (ICG) (2008). Stevens, Georgina (2009). Filling the Va- Kosovos Fragile Transition. Europe Report cuum: Ensuring Protection and Legal Re- Nr. 196, 25. September 2008. medies for Minorities in Kosovo. London: Minority Rights Group International. Malcolm, Noel, Hg. (1998). Kosovo: A Short History. New York: Harper. Ukelli, Sami (2008). Ist der Frieden im Kosovo/Kosova von Dauer? Herausforde- Petritsch, Wolfgang, Karl Kaser und Ro- rungen der kosovarischen Gesellschaft im bert Pichler (1999). Kosovo-Kosova: My- Transformationsprozess unter besonderer then, Daten, Fakten. Klagenfurt: Wieser Berücksichtigung der Politik und Wirt- Verlag. schaft: Eine Bestandsaufnahme. Linz: Trau- ner Verlag. Reuter, Jens (2000a). Die Kosovo-Politik der internationalen Gemeinschaft in den neunziger Jahren, in Reuter, Jens und Kon- rad Clewing, Hg. Der Kosovo-Konflikt: Ur- sachen, Verlauf, Perspektiven. Klagenfurt: Wieser Verlag, S. 321–334.

Reuter, Jens (2000b). Serbien und Kosovo – Das Ende eines Mythos, in Reuter, Jens und Konrad Clewing, Hg. Der Kosovo- Konflikt: Ursachen, Verlauf, Perspektiven. Klagenfurt: Wieser Verlag, S. 139–155.

22 23 2 Kosovaren in der Schweiz 2.1 Migrationsgeschichte und soziodemografisches Profil

In Kürze – Die kosovarische Einwanderung war von aus Kosovo in der Schweiz nieder, die den 1960er- bis Anfang der 1990er- meisten davon im Rahmen des Familien- Jahre eine saisonale Arbeitsmigration. nachzugs. Die Einschränkung der Arbeitsmigration – Die kosovarische Bevölkerung in der durch die schweizerische Politik ab 1992 Schweiz zeichnet sich durch einen und die schlechtere politische Lage in hohen Anteil an jungen Menschen, Kosovo Anfang der 1990er-Jahre führ- eine hohe Geburtenrate und ver- ten zu einem verstärkten Nachzug der gleichweise grosse Haushalte aus. Die Familien. Geschlechterverteilung ist heute nahezu – Seit den 1980er-Jahren ersuchten vor ausgeglichen. Die meisten Kosovaren allem albanischsprachige Kosovaren in sind entweder bereits in der Schweiz der Schweiz um Asyl. In der Folge der geboren oder leben seit längerer Zeit kriegerischen Ereignisse in Kosovo flüch- hier. In jüngster Zeit ist die Zahl der teten 1998/99 um die 50 000 Kosovaren Einbürgerungen stark angestiegen. in die Schweiz, wobei die allermeisten – Der grösste Teil der kosovarischen Bevöl- die Schweiz schon kurz nach Kriegsende kerung lebt in der Deutschschweiz, vor wieder verliessen. allem in den städtischen Agglomeratio- – Bis zur Anerkennung der Unabhän- nen Zürich, Basel und Luzern, aber auch gigkeit Kosovos durch die Schweiz im in den Kantonen Aargau, St. Gallen, Frühjahr 2008 wurde in den amtlichen Bern und Waadt. Statistiken die regionale Herkunft der – Kosovaren haben in der Schweiz seit Menschen aus Kosovo nicht erfasst. den 1990er-Jahren ein schlechtes Sie wurden unter Bezeichnungen wie Image («Asylanten», «Drogendealer», «Jugoslawien», «Serbien und Monte- «Machos vom Balkan»). Besonders negro» oder «Serbien» geführt. Eine in der Deutschschweiz stehen man- quantitative Beschreibung der kosova- che Menschen der kosovarischen rischen Bevölkerung in der Schweiz ist Bevölkerung skeptisch bis ablehnend daher nur annäherungsweise möglich. gegenüber. Das negative Bild wird nicht – Die kosovarische Bevölkerung in der zuletzt durch die Medien verbreitet und Schweiz besteht aus etwa 150 000 bis bestärkt. 170 000 Personen und setzt sich gross- mehrheitlich aus ehemaligen Arbeitsmi- granten und deren Familienangehörigen zusammen. In den vergangenen Jahren liessen sich jährlich rund 4000 Personen

25 2.1.1 Vorbemerkung zur Die statistische Auswertung orientiert sich quantitativen Beschreibung zum Teil auch an anderen Behelfskatego- Bis zur Anerkennung der Unabhängigkeit rien wie der (Haupt-)Sprache (also Alba- Kosovos durch die Schweiz im Frühjahr nisch) oder der Religionszugehörigkeit.2 2008 wurden Kosovaren1 in den amtlichen Dies wird an entsprechender Stelle jeweils Statistiken der Schweiz nicht separat er- angemerkt. Bildet die Staatsangehörigkeit fasst, sondern unter jenen staatlichen Be- «Serbien und Montenegro» die Grundlage zeichnungen, zu denen Kosovo gehörte: bis der Auswertung, ist dies mit der Bezeich- 1998 unter «Jugoslawien», anschliessend nung «Personen aus Kosovo, Serbien und bis 2005 unter «Serbien und Montenegro» Montenegro» vermerkt. und zuletzt unter «Serbien». Ausserdem er- scheinen Menschen kosovarischer Abstam- 2.1.2 Migration aus Kosovo mung mit Schweizer Bürgerrecht statistisch in die Schweiz in der Regel als schweizerische Staatsange- Seit Mitte der 1960er-Jahre wandern Men- hörige. Eingebürgerte werden nur in ein- schen aus Kosovo in die Schweiz ein. Die zelnen Erhebungen ersichtlich, wie etwa vierzigjährige Migrationsgeschichte lässt der Volkszählung oder der Schweizerischen sich in die Phasen «Arbeitsmigration», «Fa- Arbeitskräfteerhebung (SAKE). miliennachzug» und «Asylrechtliche Ein- wanderung» unterteilen. Eine quantitative und qualitative Beschrei- bung der kosovarischen Bevölkerung in Arbeitsmigration mit Familien- der Schweiz ist daher nur annäherungs- nachzug weise möglich. Möchte man sich also zum Während rund dreissig Jahren war die ko- Beispiel ein Bild vom Anteil kosovarischer sovarische Einwanderung vor allem saiso- Schüler in einem Maturitätslehrgang oder nale Arbeitsmigration. Männer aus Kosovo in einer Sonderklasse machen, so muss kamen als Saisonniers in die Schweiz, weil man auf die Zahl der Personen zurückgrei- sie hier als günstige Arbeitskräfte will- fen, die unter den Staatsangehörigkeiten kommen waren und ihr Einkommen ihren «Jugoslawien», «Serbien und Montene- Angehörigen im wirtschaftlich schlecht gro» etc. erfasst worden sind. Eingeschlos- gestellten Kosovo ein besseres Leben er- sen sind also auch alle nicht kosovarischen möglichte. Die Arbeitsbewilligungen waren Personen aus den besagten Gebieten. auf jeweils neun Monate beschränkt und mussten alljährlich neu beantragt werden (Saisonnierstatut). Bei den kosovarischen

2 Gestützt vor allem auf die Volkszählung im Jahr 2000. Aktuellere Daten stehen nicht zur Verfügung. Auch diese beiden Merkmale sind nur eingeschränkt brauchbar. Bei 1 In dieser Publikation werden damit Menschen bezeichnet, der Hauptsprache besteht das Problem, dass gut 40 % der die aus dem Gebiet Kosovos in die Schweiz eingewandert montenegrinisch-serbischen Staatsangehörigen eine Schwei- sind, unabhängig davon, welche Sprache sie sprechen zer Landessprache als Hauptsprache nannten (rund 100 000 oder welcher Religionsgemeinschaft sie angehören. Auch Personen). Auch gaben viele Befragte ihre Religionszugehö- nachkommende Generationen sind darin eingeschlossen. rigkeit nicht an.

26 100 %

80 %

60 %

40 %

20 %

0 % 81 83 85 87 89 91 93 95 97 99 01 03 05 07 Ohne Asylbereich Deutschland Italien Portugal Spanien Andere Länder EU-15/EFTA-3 Ehemaliges Jugoslawien Türkei Andere europäische Länder Afrika Amerika Asien Ozeanien / andere Länder

Abbildung 2: Verteilung der ausländischen Wohnbevölkerung nach Staatszugehörigkeit, 1981–2007 Quelle: ZAR 1981-2007 / AUPER 1994-2007. Ohne internationale Funktionäre. Stand am 31.12.

Gastarbeitern handelte es sich meist um den dann in der Schweiz bleiben und nicht wenig gebildete, junge Männer aus länd- mehr nach Kosovo zurückkehren. Mein lichen Gebieten. Vater blieb bis Anfang der 1990er-Jahre in der Schweiz und kehrte dann zurück. Nur Aus persönlicher Sicht zwei Jahre darauf mussten wir Söhne auf- «Mein Vater kam in den 1960er-Jahren grund der schwierigen Situation flüchten. in die Schweiz. Er arbeitete viele Jahre als Nun leben wir in der Schweiz und meine Saisonnier. Neun Monate im Jahr war er Eltern sind alleine in Kosovo. So war das in der Schweiz und drei Monate bei uns in alles nicht geplant, aber das Leben hat so Kosovo. In den 1980er-Jahren bekam er die gespielt.» Aufenthaltsbewilligung und es stellte sich Kosovare, vor 16 Jahren als Asylbewerber die Frage, ob die Familie ebenfalls nach- in die Schweiz eingereist kommen solle. Meine Eltern entschieden sich dagegen, aus Angst, wir Söhne wür-

27 Mitte der 1970er-Jahre lebten und arbei- auf Familiennachzug. Einige Kosovaren teten bereits einige tausend meist alba- begannen nun, auch vor dem Hintergrund nischsprachige Kosovaren in der Schweiz der zunehmend schlechteren politischen («jugoslawische Gastarbeiter»). Im Verlauf Situation in Kosovo, davon Gebrauch zu der 1980er-Jahre wanderten kontinuierlich machen – entgegen ihren ursprünglichen weitere kosovarische Arbeitsmigranten ein, Absichten (Abbildungen 2 und 3). Dieser in Einklang mit der hiesigen Nachfrage und Trend verstärkte sich deutlich, nachdem die bestärkt durch die anhaltend schlechte wirt- Schweizer Regierung Anfang der 1990er- schaftliche Lage in Kosovo. Lange Zeit pass- Jahre die Arbeitsmigration aus Kosovo ten diese Migranten sehr gut ins Konzept weitgehend unterband und ab 1992 als der Schweizer Migrationspolitik, sie waren Folge der Umsetzung einer neuen Migra- «Schulbuch-Gastarbeiter»: Ihr Lebensmit- tionspolitik3 keine weiteren Arbeits- und telpunkt blieb in Kosovo, und sie rechneten Aufenthaltsbewilligungen mehr an un- damit, über kurz oder lang wieder dorthin qualifizierte Arbeitskräfte aus dem ehe- zurückzukehren (vgl. Kapitel 1 und 2.2).

Gegen Ende der 1980er-Jahre erhielten 3 In Hinblick auf ein Personenfreizügigkeitsabkommen mit viele dieser Gastarbeiter eine Jahresauf- der Europäischen Union wurde die Schweizer Migrations- politik im Jahr 1991 als Drei-Kreise-Modell konzeptualisiert. enthaltsbewilligung, weil sie mehrere Gemäss diesem Modell konnten Personen aus dem dritten Arbeitssaisons in der Schweiz verbracht Kreis, dem auch Jugoslawien und seine Nachfolgestaaten angehörten, kaum mehr als Arbeitsmigranten in die Schweiz hatten. Damit verbunden war das Recht einwandern (Maillard und Leuenberger 1999).

28 50 000

40 000

30 000

20 000

10 000

0 88 90 92 94 96 98 00 02 04 06

Abbildung 3: Jährliche Zunahme der ständigen Wohnbevölkerung aus dem ehemaligen Jugoslawien und dessen Nachfolgestaaten, 1988–2007 (Anzahl Personen) Quelle: BFM, Ausländerstatistik 2007 maligen Jugoslawien erteilt wurden.4 Fami­ Aus persönlicher Sicht liennachzug und Asylweg stellten für viele «1981 gab es in Kosovo grosse Studenten- Menschen aus Kosovo nun die einzigen demonstrationen. Damals kamen einige Möglichkeiten einer Einwanderung in die Kosovo-Albaner als politische Flüchtlinge Schweiz dar. So kamen verstärkt auch hierher, so auch mein Mann und ich. Wir kosovarische Frauen, Kinder und Jugend- hatten an politischen Manifestationen teil- liche in die Schweiz (vgl. Kapitel 2.1.3). genommen und fürchteten die jugoslawi- sche Polizei.» Asylmigration Kosovarin, Anfang der 1980er-Jahre als In der Folge sich verschärfender staatlicher Flüchtling anerkannt Repressionen in der Provinz Kosovo (vgl. Kapitel 1.2) ersuchten vermehrt albanisch- Gab es in den 1980er-Jahren erst wenige sprachige Kosovaren in der Schweiz um Asylsuchende aus Jugoslawien (rund 100 Asyl. pro Jahr), nahm die Asylmigration ab 1988 deutlich zu. In den 1990er-Jahren gingen jährlich Tausende und Ende der 1990er- Jahre Zehntausende von Asylgesuchen ein 4 Arbeitsmigranten, die zu diesem Zeitpunkt bereits eine dauerhafte Aufenthaltsbewilligung erhalten hatten, durften (Abbildung 4). bleiben. Auch wer zu jenem Zeitpunkt eine Saisonnierbewil- ligung besass, durfte bis 1996 weiterarbeiten und danach eine Jahresbewilligung beantragen.

29 Die Asylsuchenden waren oft junge koso- dass viele von ihnen in der Schweiz vor- varische Männer, darunter viele gerade ein- läufig aufgenommen wurden (Ausweis F). mal 18 Jahre alt. Durch ihre Flucht entzogen Andere verblieben ohne Aufenthaltstitel sie sich dem Einzug in die Krieg führende in der Schweiz. Der oft unsichere Aufent- jugoslawische Armee. Ein Grossteil von ih- haltsstatus erschwerte die Suche nach ei- nen wählte die Schweiz als Zielland wegen ner Arbeitsstelle oder das Weiterführen ei- bereits hier ansässiger Verwandter. Aller- nes Arbeitsverhältnisses. Etliche waren auf dings wurden die jungen Männer in der Sozialhilfe angewiesen. Die nicht gefestigte Regel nicht bei Verwandten untergebracht, Anwesenheit schränkte teilweise auch Kin- sondern – oft über längere Zeit – in Kollek- der und insbesondere Jugendliche in ihren tivunterkünften. Zudem war ihnen das Ar- Ausbildungsmöglichkeiten ein. beiten während ihres Aufenthaltes unter- sagt. Dies dürfte dazu beigetragen haben, Nach der Eskalation der Gewalt in Kosovo dass manche der jungen Männer straf- in den Jahren 1998/99 stellten innerhalb fällig geworden sind (vgl. Kapitel 2.2.2). von zwei Jahren fast 50 000 Kosovaren in der Schweiz ein Asylgesuch (vgl. Kapitel Die meisten Asylgesuche der Kosovaren, 1.2). Dabei handelte es sich meistens um die in den 1990er-Jahren einreisten, wur- Angehörige von hier Niedergelassenen. den abgewiesen. Jedoch verhinderten die Der Bundesrat beschloss im April 1999 die jugoslawischen Behörden wiederholt die kollektive vorläufige Aufnahme von in die Rückkehr der kosovarischen Albaner, so- Schweiz geflüchteten Personen mit letz-

30 35 000

30 000

25 000

20 000

15 000

10 000

5 000

0 86 88 90 92 94 96 98 00 02 04 06 08

Total ehemaliges Jugoslawien Davon Kosovo / Serbien / Montenegro

Abbildung 4: Asylgesuche von Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien, 1986–2008 (Anzahl Personen) Quelle: BFM, Asylstatistik. Die Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens können erst seit 1991 identifiziert werden. tem Wohnsitz in Kosovo. Zudem beschloss meisten verliessen die Schweiz bereits kurz der Bundesrat auf Antrag des UNHCR die nach Kriegsende wieder (Maillard und Leu- Aufnahme von Kontingentsflüchtlingen enberger 1999; von Aarburg und Gretler aus Kosovo, die sich in Mazedonien auf- 2008). hielten. Bis im Juni 1999 flog die Schweiz 1687 Personen aus den mazedonischen Im März 2000 beschloss der Bundesrat die Flüchtlingslagern Stankovac I und II aus. Humanitäre Aktion 2000: Personen mit ei- Es handelte sich dabei in erster Linie um nem vor dem 1. Januar 1993 eingereichten Angehörige von besonders verletzlichen und noch nicht rechtskräftig entschiede- Personen (Betagte, Kranke, Alleinerzie- nen Asylgesuch wurde im Rahmen dieser hende etc.), die einen verwandtschaftli- Aktion die Möglichkeit gegeben, ihren chen Bezug zur Schweiz hatten. Nach dem Aufenthalt in der Schweiz zu regeln. Davon Abzug der jugoslawischen Streitkräfte aus machten auch rund 4000 Kosovaren Ge- Kosovo im Sommer 1999 unterstützten die brauch (Maillard und Leuenberger 1999; schweizerischen Behörden mit einem Rück- von Aarburg und Gretler 2008). kehrhilfeprogramm die Rückkehr der in die Schweiz Geflüchteten (u.a. finanzielle Un- terstützung, Baumaterial vor Ort), und die

31 Durch Familiennachzug und Asylmigration Region: Im Vordergrund steht seitdem die hat sich im Verlauf der 1990er-Jahre die Prüfung der Zumutbarkeit des Wegwei- Anzahl der albanischsprachigen Personen sungsvollzugs bei Minderheitenangehö- in der Schweiz verdreifacht. Dabei wird rigen, aber auch bei Personen, die einer der Anteil der über den Asylweg eingereis- besonders verletzlichen Gruppe angehören ten Personen oft stark überschätzt. Asyl- (etwa Betagte, alleinstehende Frauen, al- suchende machten in der Tat nur in den leinerziehende Mütter, Kranke) (vgl. Kapitel Krisenjahren 1998/99 einen bedeutenden 1.4 und 2.3.6). Der Bundesrat hat Kosovo Teil der albanischsprachigen Bevölkerung per 1. April 2009 als verfolgungssicheren in der Schweiz aus (rund einen Fünftel). Staat eingestuft (safe country). Damit wird Ende 2007 waren nur noch rund 4 % der auf Asylgesuche von Kosovaren nicht mehr Ausländer aus Kosovo, Serbien und Monte- eingetreten, es sei denn, es gebe im Ein- negro Asylsuchende oder vorläufig Aufge- zelfall Hinweise auf eine Verfolgung (EJPD nommene. Der weit überwiegende Teil der 2009). seit den 1990er-Jahren aus Kosovo Zuge- wanderten reiste im Rahmen des Familien- nachzugs in die Schweiz.

Die Einwanderung aus Kosovo hält bis heute an, auch wenn sie in den letzten Jahren stark zurückgegangen ist. Die Ar- beitsmigration aus Kosovo in die Schweiz besteht derzeit nur noch aus qualifizierten Arbeitskräften. Von den im Jahr 2008 ins- gesamt 4937 Zugewanderten aus Kosovo, Serbien und Montenegro sind 777 Perso- nen (also rund 15 %) erwerbsbezogen in die Schweiz eingereist. Im Rahmen des Familiennachzugs kamen seit dem Jahr 2000 jährlich um die 4000 Personen aus Kosovo, Serbien und Montenegro in die Schweiz (im Jahr 2008: 3313 Personen).5 Die Zahl der Asylgesuche sank von 4662 im Jahr 2000 auf 1301 im Jahr 2008. Die veränderte Situation in Kosovo nach 1999 führte zu einer neuen Asyl- und Wegwei- sungspraxis bei Asylsuchenden aus dieser

5 So handelt es sich dabei insbesondere um Ehepartner oder Kinder von Personen mit Aufenthalts- oder Niederlassungs- bewilligung oder mit Schweizer Bürgerrecht.

32 Frauen Männer

80 Jahre und +

70–79 Jahre

60–69 Jahre

50–59 Jahre

40–49 Jahre

30–39 Jahre

20–29 Jahre

10–19 Jahre

0–9 Jahre

20 000 15 000 10 000 5000 0 5000 10 000 15 000 20 000

Abbildung 5: Altersstruktur der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung aus Kosovo, Serbien und Montenegro, nach Geschlecht 2007 Quelle: ZAR 2007 / AUPER 2007. Stand am 31.12.

2.1.3 Soziodemografische Serbien und Montenegro belief sich per Angaben Ende 2007 auf 195 376 Personen. Analysen der Daten aus der Volkszählung des Jahres Personenbestand, Geschlechts- 2000 legen nahe, dass innerhalb dieser Ka- und Altersstruktur, Zivilstand tegorie die albanischsprachigen Zuwande- Da Kosovaren in den amtlichen Statisti- rer aus Kosovo die grössere Gruppe bilden ken bis vor Kurzem nicht als solche er- als jene aus Serbien und Montenegro. Laut fasst wurden, gibt es keine genauen Schätzungen des Bundesamtes für Migra- Daten über die effektive Grösse dieser tion (BFM) sind unter der Kategorie «Ko- Bevölkerungsgruppe in der Schweiz. sovo, Serbien, Montenegro» ca. 110 000 Die zur Verfügung stehenden Daten er- Personen aus Kosovo registriert. Davon möglichen nur eine Annäherung an die sind rund 100 000 Albaner und etwa tatsächliche Zahl der kosovarischen Zu- 10 000 Minderheitenangehörige (vor allem wanderer, unter Beizug von Behelfsgrös- Roma, Serben und slawische Muslime). sen und Schätzungen (vgl. Kapitel 2.1.1). Hinzu zu zählen sind ausserdem jene Per- sonen, die Schweizer Bürger kosovarischer Die Zahl der in der Schweiz ansässigen aus- Herkunft sind. Zwischen 1999 und 2007 ländischen Staatsangehörigen aus Kosovo, sind 61 031 Personen aus Kosovo, Serbien

33 Schweiz Kollektivhaushalt und andere Kosovo, Serbien, Montenegro

Elternteil mit Kind(ern)

Paar mit Kind(ern)

Paar ohne Kinder

Einpersonenhaushalt

0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % 80 %

Abbildung 6: Verteilung der schweizerischen und der ausländischen Bevölkerung aus Kosovo, Serbien und Montenegro nach Haushaltstyp 2000 (in %) Quelle: Eidgenössische Volkszählung 2000 und Montenegro eingebürgert worden. Es verheiratet (54 %)6, rund 40 % sind ledig muss allerdings offenbleiben, wie viele da- und nur wenige geschieden (2,5 %) oder von Kosovaren sind. Vorsichtig geschätzt, verwitwet (2,5 % Frauen; 0,35 % Männer) leben also heute insgesamt 150 000 bis (BFM 2008). 170 000 Personen mit kosovarischem Hin- tergrund in der Schweiz. Die Auswertung der Volkszählungsdaten aus dem Jahr 2000 anhand der Angaben Die Bevölkerung aus Kosovo, Serbien und zur Hauptsprache zeigt, dass die alba- Montenegro zeichnet sich durch einen nischsprachige Gruppe der Personen aus hohen Anteil an jungen Menschen aus. Kosovo, Serbien und Montenegro durch Im Jahr 2007 waren rund 35 % unter grösseren Kinderreichtum charakterisiert 18-jährig. Die Geschlechterverteilung ist und insgesamt jünger ist als die serbisch- heute weitgehend ausgeglichen. Die Män- sprachige Gruppe. Auch sind albanisch- ner sind nur noch knapp in der Überzahl sprachige Haushalte in der Regel grösser (52 %). Über die Hälfte der Kosovaren ist (durchschnittlich vier Personen). Die Gebur-

6 Wovon 7,5 % mit einem Schweizer oder einer Schweizerin; dieser Anteil hat sich seit 1999 verdoppelt.

34 100 %

80 %

60 %

40 %

20 %

0 % 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007

Ausweis C Ausweis B Ausweis F & N

Abbildung 7: Ausländische Bevölkerung aus Kosovo, Serbien und Montenegro nach Aufenthaltsstatus, 1999–2007 (in %) Quelle: ZAR / AUPER 1999–2007. Stand am 31.12. tenziffer war im Jahr 2000 bei der Gruppe Ende 2007 machten Personen mit ei- aus Kosovo, Serbien und Montenegro mit nem Aufenthaltsstatus des Asylbereichs 2,6 Geburten pro Frau deutlich höher als (Asylsuchende und vorläufig Aufgenom- westeuropäische Werte (Lerch et al. 2005). mene) mit rund 4 % nur eine kleine Min- derheit der ausländischen Bevölkerung Aufenthaltsdauer und Aufent- aus Kosovo, Serbien und Montenegro haltsstatus in der Schweiz aus. Die überwiegende Mehrheit (77 %) Bei der überwiegenden Mehrheit der in verfügte über eine Niederlassungsbewil- der Schweiz lebenden kosovarischen Be- ligung (C), knapp ein Fünftel über eine völkerung handelt es sich um ehemalige verlängerbare Jahresaufenthaltsbewilli- Saisonniers, deren später nachgezogene gung (B) und einige wenige waren im Be- Angehörige und in der Schweiz aufge- sitz einer Kurzaufenthaltsbewilligung für wachsene oder geborene Nachkom- Kabaretttänzerinnen (L) (Abbildung 7). men. Der Anteil der asylrechtlich in der Schweiz aufgenommenen Kosovaren wird häufig überschätzt (vgl. Kapitel 2.1.2).

35 100 %

80 %

60 %

40 %

20 %

0 % 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007

Im Ausland geboren (Aufenthaltsdauer: 0–4 Jahre) Im Ausland geboren (Aufenthaltsdauer: 5 Jahre und länger) In der Schweiz geboren

Abbildung 8: Verteilung der ausländischen Wohnbevölkerung aus Kosovo, Serbien und Montenegro nach Geburtsort und Aufenthaltsdauer in der Schweiz, 1999–2007 (in %) Quelle: ZAR / AUPER 1999–2007. Stand am 31.12.

Bereits 1999 lebten über 80 % der Perso- nen aus Kosovo, Serbien und Montenegro seit mehr als fünf Jahren in der Schweiz (Abbildung 8). Im Jahr 2007 waren dies ungefähr 90 %. Rund ein Viertel der Mig- ranten aus diesem Gebiet ist in der Schweiz geboren. Die Aufenthaltssituation der Ko- sovaren in der Schweiz hat sich in den ver- gangenen zehn Jahren gefestigt: Zwischen 1999 und Ende 2007 erhielten 31 607 Per- sonen neu eine Niederlassungsbewilligung, was eine Zunahme von gut einem Viertel bedeutet (von Aarburg und Gretler 2008: 284–290) (Abbildung 7, Kapitel 2.1.2 ).

36 12 000

10 000

8 000

6 000

4 000

2 000

0 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007

Abbildung 9: Einbürgerungen von Personen aus Kosovo, Serbien und Montenegro, 1999–2007 Quelle: ZAR 1999–2007

Einbürgerungen Die Zahl der jährlichen Einbürgerungen von Personen aus Kosovo, Serbien und Montenegro stieg in jüngster Zeit stark an. Seit 2003 hat diese Gruppe die italie- nischen Staatsangehörigen an der Spitze abgelöst. In den Jahren 2006 und 2007 belief sich die Zahl der Einbürgerungen jeweils auf über 10 000 Personen pro Jahr (Abbildung 9).

Heute erfüllen immer mehr Kosovaren die Grundvoraussetzung für eine Einbürge- rung, nämlich die Wohnsitzbedingung von zwölf Jahren. Daher dürfte der Anteil der kosovarischen Eingebürgerten in der Perso- nengruppe aus Kosovo, Serbien, Montene- gro in den letzten Jahren überproportional angestiegen sein.

37 Total: 187 373

Maximum: 37 568 (Zürich)

km 0 25 50

Abbildung 10: Zahlenbestand der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung aus Kosovo, Serbien und Montenegro nach Kanton, 2007* Quelle: PETRA, ZAR 2007. Ohne internationale Funktionäre. Stand am 31.12.

* Erstellt mit Philcarto: http://perso.club-internet.fr/philgeo, Clémence Merçay / Institut de géographie UNINE

km 0 25 50

5* von 4,1 % bis 9,3 % 5* von 9,3 % bis 11 % 6* von 11 % bis 14 % 5* von 14 % bis 18,6 % 5* von 18,6 % bis 24,9 % * Anzahl Kantone

Abbildung 11: Anteil der ausländischen Personen aus Kosovo, Serbien und Montenegro an der ständigen Wohnbevölkerung in den Kantonen, 2007 (in %)* Quelle: PETRA, ZAR 2007. Ohne internationale Funktionäre. Stand am 31.12.

* Erstellt mit Philcarto: http://perso.club-internet.fr/philgeo, Clémence Merçay / Institut de géographie UNINE

38 Total: 11 489

Maximum: 5018 (Basel) Minimum: 0 (Büren) 2703 4254 4261 2702 4258 2701 2766 4263 4255 4260 2762 4252 2765 2822 2774 2767 4253 2771 2826 2831 2764 2769 2770 2824 2825 2775 2471 2481 2773 2763 2829 2479 2856 2476 2761 2473 2474 2768 2846 2478 2842 2477 2828 2849 2861 2772 2475 2833 2832 2781 2864 2789 2472 2785 2845 2862 2830 2869 2784 2786 2823 2793 2863 2860 2791 2782 2834 2887 2618 2886 2881 2891

2787 2613 km 2792 2892 0 2,5 5

Abbildung 12: Zahlenbestand der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung aus Kosovo, Serbien und Montenegro in den Gemeinden der Agglomeration Basel, 2007* Quelle: PETRA, ZAR 2007. Ohne internationale Funktionäre. Stand am 31.12.

* Erstellt mit Philcarto: http://perso.club-internet.fr/philgeo, Clémence Merçay / Institut de géographie UNINE

Geografische Verteilung Zürich, Basel und Luzern (Abbildungen 12 Menschen aus Kosovo, Serbien und Mon- und 13). tenegro leben vor allem in der Deutsch- schweiz. Die meisten haben sich in den Kantonen Zürich, Aargau, St. Gallen, Lu- zern, Bern sowie in der Waadt niederge- lassen (Abbildung 10). Abbildung 11 zeigt den jeweiligen Anteil an der gesamten Kantonsbevölkerung: Am grössten ist er in den Kantonen Solothurn, Aargau, Luzern, Schwyz und St. Gallen. Besonders viele le- ben in den städtischen Agglomerationen

39 Total: 34 798

67 71

61

55 4308

58 102 Maximum: 10 603

57 (Zürich) 100 53 68 59 Minimum: 0 56 93 88 (Kyburg) 99 60 51 91 101 98 89 72 92 63 86 95 213 82 90 62 94 64 83 97 175 4048 96 176 52 85 4034 87 84 174 4030 54 246 69 244 251 66 200 245 4040 178 4039 249 243

4022 247 191 172 199 4023 250 261 197

193 4067 4066 4081 4075 248 194

198 4063 242 4062 119 161 14 4074 160 195 4083 241

4079 4084 135 4069 13 154 4061 3 131 196 4238 4073 115 5 139 151 4071 192 152 141 156 136 116 11 2 157 1 137 159 112

10 155 153 158 133 9

142

7

km 138

1322 0 2,5 5 1323

1321

Abbildung 13: Zahlenbestand der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung aus Kosovo, Serbien und Montenegro in den Gemeinden der Agglomeration Zürich, 2007* Quelle: PETRA, ZAR 2007. Ohne internationale Funktionäre. Stand am 31.12.

* Erstellt mit Philcarto: http://perso.club-internet.fr/philgeo, Clémence Merçay / Institut de géographie UNINE

40 2.1.4 Die Entstehung eine wichtige Funktion einnahmen (vgl. Ka- des negativen Bildes pitel 2.2.2). Bis Ende der 1980er-Jahre, also während über zwanzig Jahren, nahm die Schwei- Das Zusammenfallen dieser Entwicklungs- zer Gesellschaft die Migration aus Kosovo linien mit der starken Einwanderung von kaum wahr. Die kosovarischen Arbeitsmi- Kosovaren in die Schweiz begünstigte die granten waren in den Augen der Schwei- Entstehung des negativen Images dieser zer «jugoslawische Arbeiter». In der Regel Bevölkerungsgruppe in der Öffentlichkeit – wusste man nicht, dass sie aus Kosovo vor allem in der Deutschschweiz, wo sich stammen und Albanisch sprechen. Erst die kosovarische Zuwanderung konzent- mit Beginn der 1990er-Jahre, vor dem Hin- rierte (vgl. Kapitel 2.1.3). Hinzu kam, dass tergrund des zerfallenden Jugoslawiens, der Nachzug der oft kinderreichen Familien nahm man zur Kenntnis, dass es unter den mit einem Strukturwandel in der Schweizer jugoslawischen Einwanderern unter ande- Wirtschaft und einer Rezession zusammen- rem Serben, Kroaten, Bosnier und eben fiel. Das führte zum Teil zu wirtschaftlichen auch Kosovaren gab. Nun wanderten in Schwierigkeiten in kosovarischen Familien, grosser Zahl deren Familienangehörige so- die nun vermehrt auf Sozialleistungen an- wie Asylsuchende in die Schweiz ein. Dies gewiesen waren. Sie erschienen in der Öf- trug dazu bei, dass die «Kosovo-Albaner», fentlichkeit dadurch als soziale Last (vgl. wie man sie bald einmal nannte, oft als Kapitel 2.2.2). Mitgeprägt wurde das Bild eine neue Einwanderungsgruppe wahr- massgeblich durch die Medien (Wyssmüller genommen wurden, obwohl viele ihrer 2005). Bei der massenhaften Auswande- Landsleute schon lange als Arbeitskräfte rung während des Kosovokriegs zeigte sich im Land waren. hingegen vorübergehend eine beispiellose Solidarität der Schweizer Bevölkerung mit Ab Mitte der 1980er-Jahre etablierte sich den Vertriebenen. in Teilen der schweizerischen Gesellschaft eine negative Einstellung gegenüber Asyl- Das insgesamt eher schlechte Image haf- suchenden, dies nicht zuletzt als Folge der tet den kosovarischen Migranten bis heute stark anwachsenden Asylgesuchszahlen. an: Der männliche Jugendliche kosovari- Die oft abschätzig gebrauchte Bezeich- scher Herkunft wird oft mit Stereotypen nung «Asylant» wurde besonders auch im wie «gewaltbereiter Balkan-Macho» oder Zusammenhang mit Asylsuchenden aus «Raser» verbunden. Auch junge Kosova- dem ehemaligen Jugoslawien eingesetzt. rinnen spüren gelegentlich Auswirkungen, Praktisch zeitgleich wurde die Drogenprob- etwa wenn kosovarische Frauen aufgrund lematik in der breiten Öffentlichkeit wahr- von gängigen Vorstellungen von einem genommen und mit Personen albanischer tradi­tionell patriarchalen und (vermeint- Herkunft verbunden, weil im Schweizer lich) islamisch geprägten Verständnis der Drogenhandel Netzwerke aus Albanien Geschlechterrollen als uneigenständige, hilflose Opfer gesehen werden. Im Alltag

41 können die negativen Zuschreibungen Die kosovarischen Zuwanderer werden in junge Kosovaren erheblich benachteiligen, der Schweiz jedoch je nach Sprachregion etwa bei der Suche nach einer Lehr- oder anders gesehen: In der Romandie und im Arbeitsstelle. Tessin erfährt man sie als Migranten unter vielen anderen, während man sie in der Expertenmeinung Deutschschweiz als eine besonders grosse «Oft wird bei Berichterstattungen über und schwierige Gruppe betrachtet, die oft Delikte der ethnische Hintergrund der mut- Gegenstand öffentlicher Debatten ist. masslichen Täter angegeben. Dies ist zwar als Informationsbedürfnis nachvollziehbar, aber es zementiert Bilder. Oft kommen solche Berichte auch in einer sehr reisse- rischen Form daher, überdreht und über- zeichnet. Über Positives wird hingegen kaum berichtet. (…) Für die Integration hinderlich sind die Verallgemeinerungen und das Belegen mit Vorurteilen seitens der Gesellschaft. Dadurch erst beginnen sich die Jugendlichen anders zu fühlen und sich zum Teil abzugrenzen. Insbesondere gewisse Medien und das Bild, das sie darin von den jugendlichen Kosovaren zeichnen (z.B. ‹Balkanraser›), spielen hier zum Teil eine negative Rolle. Es gibt zwar effektiv gewisse Probleme, aber diese sollten diffe- renziert behandelt werden.» Sozialarbeiter

Aus persönlicher Sicht «Ein weiterer zentraler Einfluss war der über die Schweizer Medien vermittelte Diskurs über die Kosovaren, das negative Image. Dieses schlechte Image schmerzte die Kosovaren, war im Alltag und in den Kontakten mit den Schweizern störend – die Vorurteile, die Verallgemeinerungen.» Kosovare, Mitte der 1990er-Jahre als Flüchtling in die Schweiz eingereist

42 Weiterführende Literatur

BFM (2009). Ausländer- und Asylstatistik 2008. Bern–Wabern: Bundesamt für Mig- ration.

BFM (2008). Ausländer- und Asylstatistik 2007. Bern–Wabern: Bundesamt für Mig- ration.

Maillard, Alain und Leuenberger, Ueli (1999). Les damnés du troisième cercle: les Albanais de la Kosovë en Suisse, 1965– 1999. Genève: Les éditions Metropolis.

Von Aarburg, Hans-Peter und Gretler, Sarah Barbara (2008). Kosova–Schweiz: Die albanische Arbeits- und Asylmigration zwischen Kosovo und der Schweiz (1964– 2000). Münster: LIT-Verlag.

Wyssmüller, Chantal (2005). Menschen aus dem Balkan in Schweizer Printmedien: diskursive Konstruktion und (Re-)Produk- tion von Raum- und Identitätsbildern und deren Bedeutung für soziale Integration. Bern: [s.n.].

43 2.2 Sozioökonomische – Die direkten Nachkommen der kosova- Integration rischen Zugewanderten wurden in der Regel in einer Schweizer Landessprache 2.2.1 Bildung und sozialisiert. Daneben sprechen sie in der Sprachkenntnisse Familie Albanisch oder eine andere in Kosovo geläufige Sprache. Nur wenige In Kürze albanischsprachige Jugendliche erwer- – Die Zugewanderten aus Kosovo weisen ben heute formelle Kenntnisse in ihrer insgesamt einen niedrigeren Ausbil- Erstsprache. dungsstand auf als die Schweizer Bürger – Kinder und Jugendliche, die aus oder Eingewanderte aus EU-Staaten. Kosovo eingewandert oder bereits in Vergleichsweise viele Menschen aus der Schweiz geboren sind, erscheinen Kosovo verfügen über keine nachobli- im hiesigen Bildungssystem als relativ gatorische Ausbildung und der Anteil schlecht positioniert. Dies hängt zum derjenigen mit Abschluss auf Tertiärstufe einen mit dem insgesamt eher niedrigen ist gering. Bildungsniveau ihrer Eltern zusammen, – Für die Arbeitsmigranten der ersten zum andern mit ihrer individuellen Mig- Generation war schulische oder beruf- rationsbiografie. liche Weiterbildung selten ein Thema. – Nach der obligatorischen Schule absol- Dennoch eigneten sich die meisten vieren die meisten jungen Kosovaren Männer im Verlauf der Zeit mindestens eine berufliche Ausbildung. Viele finden elementare Kenntnisse einer Schweizer nach der Schule nicht auf Anhieb eine Landessprache an. Ihren Frauen, die Lehrstelle. Dabei spielen neben man- später im Rahmen des Familiennachzugs gelnder Qualifikation auch Diskriminie- in die Schweiz kamen, gelang dies aus rungstendenzen eine Rolle. verschiedenen Gründen weniger gut. – Heute zeichnet sich unter den jungen – Gut qualifizierte kosovarische Zugewan- Kosovaren eine Entwicklung hin zu derte arbeiten in der Schweiz meist in vermehrt höheren Bildungskarrieren ab. Berufen weit unter ihrem Qualifikations- Es gibt eine wachsende Minderheit, die niveau. Viele können sich heute gut in sich hohe, auch in der Schweiz aner- einer Schweizer Landessprache verstän- kannte Bildungsqualifikationen erwor- digen. ben hat.

44 Bildung Das vorrangige Ziel der Arbeitsmigranten in der Schweiz war das Erarbeiten von finan- a) Der Bildungsstand der erwachse- ziell ausreichenden Grundlagen, um nach nen kosovarischen Bevölkerung in der einiger Zeit nach Kosovo zurückzukehren. Schweiz Die Integration in die schweizerische Ge- Ab Mitte der 1960er- und bis Anfang der sellschaft war daher nicht vorrangiges Ziel 1990er-Jahre kamen im Rahmen der Ar- der Arbeitsmigranten. Zudem wurde eine beitsmigration grösstenteils unqualifizierte, solche von der Schweizer Politik nicht an- aber vor allem in Landwirtschaft, Bauge- gestrebt (vgl. Kapitel 2.1). Für Migranten werbe, Industrie und Hotellerie willkom- der ersten Generation waren Kenntnisse mene Saisonarbeitskräfte aus Kosovo in der Sprache ihres Arbeitsumfeldes kaum die Schweiz (vgl. Kapitel 1.2 und 2.1.2). In erforderlich, und es bestand weder für die ihrem Herkunftsland, dem Jugoslawien der Arbeitgeber noch für die Migranten An- Nachkriegszeit, hatte ein grosser Teil dieser lass, solche zu fördern bzw. zu erwerben. mehrheitlich albanischsprachigen Männer Weil sich in Kosovo die wirtschaftliche Si- die obligatorische Grundschule absolviert tuation im Verlaufe der Zeit nicht verbes- (vgl. Kasten), aber keine weiteren Bildungs- serte und sich zusätzlich die politische Lage oder beruflichen Qualifikationen erworben. verschlechterte, verzögerte sich die beab- sichtigte Rückkehr der Arbeitsmigranten immer wieder (vgl. Kapitel 1.2). Die meis- Das Bildungssystem in der Sozia­ ten von ihnen verbrachten schliesslich ihr listischen Föderativen Republik ganzes Erwerbsleben in der Schweiz. Die Jugoslawien (SFRJ) grosse Mehrheit führte Arbeiten auf der In der ehemaligen Sozialistischen Födera- niedrigsten Lohn- und Hierarchiestufe aus, tiven Republik Jugoslawien (1945–1991) und nur wenigen gelang es, in der Schweiz bestand eine achtjährige Schulpflicht. eine schulische oder berufliche Ausbildung Die Analphabetenquote sank in dieser nachzuholen. Ihre Arbeitsstellen ermög- Zeit stark. Allerdings konnte in den lichten ihnen zudem kaum, sich beruflich 1980er-Jahren in ländlichen Gebieten weiterzuentwickeln (von Aarburg und des Südens – Kosovo, Mazedonien – Gretler 2008) (vgl. Kapitel 2.2.2). dennoch mehr als ein Zehntel der Be- völkerung nicht lesen und schreiben. Expertenmeinung Insbesondere in abgelegenen Gebieten «Die Personen, die als Saisonniers gekom- erfüllten hauptsächlich albanischspra- men waren, kümmerten sich nicht um ihre chige Mädchen die obligatorische Schul- berufliche Entwicklung, da sie nicht länger- zeit nicht. Es bestand die Möglichkeit, fristig für ein Leben in der Schweiz geplant nach der Grundschule die Mittelschule hatten: Noch ein Jahr, und dann gehe ich zu besuchen (vierjähriges Gymnasium zurück.» oder zwei bis drei Jahre Fachschule). Pädagoge

45 Die anhaltend schlechte wirtschaftliche den 1990er-Jahren kamen kosovarische und politische Lage in Kosovo führte dazu, Flüchtlinge mit unterschiedlichem Bil- dass die Arbeitsmigranten ab den spä- dungshintergrund in die Schweiz. Von den ten 1980er-Jahren vermehrt – und in den Gutqualifizierten kehrten etliche wieder 1990er-Jahren dann in grosser Zahl – von zurück, nachdem sich ab 1999 die Lage in ihrem Recht auf Familiennachzug Ge- Kosovo beruhigt hatte. Ihnen boten sich brauch machten und Frau und Kinder in ihrer Heimat bessere Chancen auf eine in die Schweiz holten (vgl. Kapitel 2.1.2 ihrer Ausbildung entsprechende Tätigkeit. und 2.2.2). Die Frauen waren tendenziell schlechter ausgebildet als ihre Männer, sie Betrachtet man die aktuellen statistischen hatten die Grundschule öfter nicht abge- Daten zum Bildungsstand der ausländi- schlossen. schen Bevölkerung aus Kosovo, Serbien und Montenegro in der Schweiz, so illus- Ab Beginn der 1980er-Jahre wanderten – trieren sie auch heute noch recht gut den vorwiegend als anerkannte Flüchtlinge – Charakter der mehrheitlich unqualifizierten auch gut qualifizierte Kosovaren in die Arbeitsmigration, der die kosovarische Ein- Schweiz ein (vgl. Kapitel 1.2 und 2.1). Viele wanderung in die Schweiz prägt (Abbil- waren Akademiker, sie konnten aber ihre dung 14). beruflichen Ziele nicht mehr verwirklichen: Zuerst verhinderte ihr Asylstatus, später Das Bildungsniveau der ausländischen die fehlende Anerkennung ihrer Schulab- Bevölkerung aus Kosovo, Serbien und schlüsse den Zugang zum Arbeitsmarkt Montenegro liegt durchschnittlich unter bzw. zu weiteren Studien. So arbeiteten sie demjenigen der schweizerischen Bevöl- in der Schweiz meist in Berufen weit unter kerung und auch unter dem der Zugewan- ihrem Qualifikationsniveau. derten aus EU-Staaten. Nahezu die Hälfte dieser Personen (48,6 %) hat als höchste Aus persönlicher Sicht Ausbildung die obligatorische Schule be- «Ein Teil der kosovarischen Flüchtlinge sucht (Schweizer Bevölkerung 18 %). Bei hatte keine abgeschlossene Ausbildung, den Frauen beläuft sich dieser Anteil auf und selbst wenn sie einen Beruf hatten, knapp 60 %, bei den Männern auf rund wurden ihre Diplome von den Schweizer 40 %. Mit 44,6 % der Frauen und Männer Institutionen nicht anerkannt. Die meisten hat jedoch auch ein beachtlicher Teil dieser dieser Leute konnten ihr Studium nicht be- Bevölkerungsgruppe eine nachobligatori- ginnen oder fortsetzen. Einige brauchten sche Ausbildung abgeschlossen (Sekundar- also Zeit, um voranzukommen.» stufe II). Über einen Abschluss auf Tertiär- Kosovare, 1990 als anerkannter Flüchtling stufe verfügt nur jede fünfzehnte Person in die Schweiz gekommen (6,8 %), während von den Schweizern heute jede fünfte Person einen tertiären In der Zeit der kriegerischen Auseinander- Bildungsgang absolviert. Frauen sind wie in setzungen im ehemaligen Jugoslawien in

46 100 %

80 %

60 %

40 %

20 %

0 % CS EU CH CS EU CH CS EU CH Männer Frauen Gesamt Obligatorische Schule Sekundarstufe II Tertiärstufe

Abbildung 14: Bildungsstand der ständigen Wohnbevölkerung (ab 15 Jahren), nach registrierter Staatszugehörigkeit, 2003–2007 (in %) Quelle: BFS, SAKE 2003–2007 (pooled data)

CS = ISO-Code für das ehemalige Staatengebilde Serbien-Montenegro EU = EU-15 und EFTA-Staaten Anteile berechnet ohne fehlende Werte. Ungewichtete Daten. Herkunft = Nationalität bei Geburt anderen Bevölkerungsgruppen tendenziell bildungsmöglichkeiten wahrgenommen – schlechter ausgebildet als Männer. insbesondere dank dem Engagement der Gewerkschaften. Obwohl das Gesamtbild der kosovarischen Bevölkerung in der Schweiz immer noch b) Auszubildende im Schweizer stark vom grossen Anteil an Menschen Bildungssystem mit wenig Ausbildung geprägt ist, gibt es Von den Kindern und Jugendlichen, die eine wachsende Minderheit von mehrheit- aus Kosovo eingewandert oder bereits lich jungen Menschen der zweiten und in der Schweiz geboren sind, haben viele dritten Generation, die sich hohe, auch bessere Bildungschancen als ihre Eltern. in der Schweiz anerkannte Bildungsquali- Dennoch erscheint diese Gruppe im hie- fikationen erworben haben. Auch in den sigen Bildungssystem insgesamt als eher traditionellen Erwerbsfeldern der Arbeits- schlecht situiert: Die jungen Menschen mit migranten, etwa auf dem Bau oder in der kosovarischem Hintergrund verfügen im Industrie, werden heute vermehrt Weiter- Vergleich zu Schweizer Jugendlichen und

47 solchen aus anderen immigrierten Grup- Ausbildung in Kosovo pen mehrheitlich über weniger formale in den 1990er-Jahren Qualifikationen. Eine wichtige Rolle spielt Die zunehmende Repression durch die in vielen Fällen, dass die Voraussetzungen jugoslawischen Behörden Anfang der und Rahmenbedingungen aufgrund des 1990er-Jahre traf das Bildungssystem in familiären Bildungshintergrunds und der Kosovo besonders stark (vgl. Kapitel 1.2). Migrationsbiografie vergleichsweise un- Mit der Einführung des serbischen Schul- günstig sind. Hinzu kommen eine system- systems durch die Regierung in Belgrad bedingte Benachteiligung Fremdsprachiger wurde die albanische Sprache in den im selektiven Schweizer Bildungssystem Schulen weitgehend ausgeschlossen. und Diskriminierungstendenzen auf dem Zahlreiche kosovo-albanische Lehrper- Lehrstellenmarkt. sonen verloren ihre Arbeitsstelle, die kosovarischen Schulen und auch die Uni- Zentral ist, wann, in welchem Alter und un- versität in Pristina wurden geschlossen. ter welchen Umständen ein junger Mensch Mithilfe von Spenden der Kosovaren im ins Schweizer Bildungssystem eintritt. In Ausland wurde daraufhin in Kosovo ein Kosovo konnten Kinder und Jugendliche paralleles, albanisches Bildungssystem in den 1990er-Jahren in der Regel kaum – aufgebaut. Dieses betrachtete die jugo- oder nur unter schwierigen Bedingungen – slawische Autorität indes als illegal. Ko- zur Schule gehen. Entsprechend tief blieb sovaren, die sich für diese Parallelstruk- ihr Bildungsstand (vgl. Kasten). Wenn turen engagierten oder sie in Anspruch diese Jugendlichen im Teenageralter in die nahmen, taten dies in ständiger Angst Schweiz kamen, stellte ihre Integration ins vor Sanktionen. Materielle wie fachliche hiesige Schulsystem nicht nur für sie selbst Ressourcen waren knapp, sodass die und ihre Eltern, sondern auch für die Schu- Qualität der Bildung litt. Unterrichtet len und das System in der Schweiz eine wurde in Privathäusern nach einem grosse Herausforderung dar. unregelmässigen Stundenplan und mit ungeeigneten Lehrmitteln. Entsprechend Viele Jugendliche mussten sich nach ihrer tief blieb der Bildungsstand der kosovo- Einwanderung gleichzeitig an ein neues fa- albanischen Jugend, die man oft, was 7 miliäres , soziales und schulisches Umfeld ihre Grundbildung angeht, als «verlorene gewöhnen, möglichst rasch die Sprache ih- Generation» bezeichnet. Manche der als res Wohnorts erlernen und einen Bildungs- Teenager in die Schweiz eingewanderten rückstand aufholen. Ihre Eltern waren häu- Jugendlichen konnten kaum Albanisch fig nicht in der Lage, sie in Hinblick auf ihre schreiben. Für alle Beteiligten war die Bildungslaufbahn genügend zu unterstüt- Integration dieser Jugendlichen ins zen, selbst wenn ihnen der soziale Aufstieg schweizerische Bildungssystem und spä-

7 Viele Kinder waren in Kosovo ohne die Gegenwart des ter in den Arbeitsmarkt ausgesprochen Vaters aufgewachsen, der in der Schweiz als Saisonnier arbeitete. Sie mussten sich erst an die Präsenz und die Rolle herausfordernd. des Vaters gewöhnen (vgl. Kapitel 2.3).

48 ihrer Kinder grundsätzlich wichtig war. Dies kräften gefördert werden. Dies als prophy- zum einen wegen ihres eigenen tiefen Bil- laktische Massnahme, um zu verhindern, dungsstandes und mangelnder Kenntnisse dass es später nach dem Schulabschluss zu einer Schweizer Landessprache, zum an- weitaus grösseren und für den Staat letzt- dern, weil sie oft arbeitshalber abwesend lich auch teureren Problemen kommt.» waren. Wenig vertraut mit dem schweize- Kosovarischer Experte rischen Bildungssystem, waren sie sich oft auch der Bedeutung kaum bewusst, die Wenn sie in den 1990er-Jahren als Asylsu- der elterlichen Unterstützung im Hinblick chende in die Schweiz eingereist waren, auf Bildung und berufliche Zukunft der war für die Jugendlichen zum Teil auch Kinder zukam (vgl. Kapitel 2.2.2). Hinzu der unter Umständen jahrelange unsi- kam die ständige Sorge um Angehörige chere Aufenthaltsstatus ein Problem. Oft in ihrer Herkunftsregion und um die Zu- erschwerte dies die Suche nach einer Lehr- kunft Kosovos (vgl. Kapitel 2.2.3). Oft wur- stelle. den die Menschen in der Herkunftsregion finan­ziell unterstützt, was die hohe finan- Von solchen ungünstigen Voraussetzungen zielle Belastung in den meist kinderreichen waren nicht alle Familien gleichermassen Familien verstärkte. So erschien ein mög- betroffen. Besonders die gut ausgebildeten lichst rascher Eintritt der Jugendlichen ins anerkannten Flüchtlinge lebten sich dank Erwerbsleben vielfach naheliegend. Bildungshintergrund und dem schnellen Erlernen der Sprache der Wohnumgebung­ Expertenmeinung rasch in die hiesigen Verhältnisse ein (Ha- «Das Bildungswesen ist nicht nur für die enni Hoti 2006). Als Eltern waren sie dann kosovarische Gemeinschaft ein Problem. besser in der Lage, ihre Kinder in der Viele Eltern sind wenig informiert bzw. Schullaufbahn zu unterstützen. Allerdings verstehen das Bildungssystem nicht gut. band auch bei ihnen lange Zeit die meist Es fehlt allgemein am richtigen Umgang körperlich anstrengende, ihrer Qualifika- mit der Heterogenität in den Klassen. Es tion nicht entsprechende Arbeit sowie die braucht keine speziellen (Ausnahme-)Re- Sorge um die Zukunft Kosovos Kräfte. geln, aber es braucht spezifische indivi­ duelle Beratungsleistungen für die Kinder Verschiedene Studien zeigen, dass in der und die Eltern (neutrale, interkulturelle Schweiz Jugendliche mit Migrationshinter- Vermittler). Dabei geht es auch darum, grund in höheren Ausbildungen – Gymna- den Eltern und den Kindern rechtzeitig sium und Berufsmatur – deutlich unterver- das Schweizer Bildungssystem mit seinen treten sind (BFS 2007a; Lischer 2003; Müller Stufen zu erklären und vor allem die lang- 2002). Die frühe Selektion im Schweizer fristigen Konsequenzen der verschiedenen Schulsystem hat zur Folge, dass mehrspra- Schulabschlüsse aufzuzeigen. Wenn die chige Kinder aus bildungsfernem Milieu Eltern die Kinder zu Hause nicht unterstüt- tendenziell in die Bildungszüge mit ge- zen können, sollten diese gezielt von Fach- ringeren Anforderungen gelenkt werden,

49 100 %

80 %

60 %

40 %

20 %

0 % CS Ausland CH CS Ausland CH CS Ausland CH Knaben Mädchen Gesamt Normaler Lehrplan Besonderer Lehrplan

Abbildung 15: Obligatorische Schule: Anteil Schüler in Klassen mit normalem und besonderem Lehrplan, nach registrierter Staatszugehörigkeit, 2007–2008 (in %) Quelle: BFS, Statistik der Schülerinnen und Schüler, Schuljahr 2007–2008

CS = ISO-Code für das ehemalige Staatengebilde Serbien-Montenegro obwohl sie durchschnittlich dieselbe Intel- zubildenden ist die Diskriminierung auf- ligenz und Leistungsmotivation aufweisen grund des Namens und/oder der Herkunft wie die übrigen Kinder. Untersuchungen zudem keine Seltenheit (Fibbi et al. 2003a, zeigen, dass manche Lehrpersonen dazu 2003b; Imdorf 2005, 2008). Bei gleichen neigen, mehrsprachige Kinder aus sozio- schulischen Qualifikationen werden Alba- ökonomisch schlechter gestellten Familien nischsprachige aus dem ehemaligen Jugo- in ihrer Leistungsfähigkeit zu unterschät- slawien, insbesondere junge Männer, ge- zen, und ihnen schulischen Erfolg nicht zu- genüber Schweizer Lehrstellensuchenden trauen (Coradi Vellacott und Wolter 2005; deutlich benachteiligt. Kronig 2003). Kinder und Jugendliche mit kosovarischem Migrationshintergrund sind Für viele kosovarische Jugendliche zahlen von diesen systemimmanenten Mechanis- sich Bildungsanstrengungen auf dem Ar- men besonders stark betroffen (Haenni beitsmarkt weniger aus als für Schweizer Hoti 2006). Die Unterstützungsmöglich- Jugendliche (vgl. Kapitel 2.2.2). Fachleute keiten durch die Eltern bei der Suche nach weisen in diesem Zusammenhang auf ein Lehrstellen und bei Bewerbungen sind oft gewisses Frust- und Desozialisierungspo- beschränkt. Bei der Rekrutierung von Aus- tenzial hin: Weil sie trotz Anstrengungen

50 lange keine Lehrstelle finden, resignieren artikulieren sich über Provokationen, weil manche Jugendliche und glauben nicht sie sich vielleicht nicht anders ausdrücken mehr an die Möglichkeit einer erfolgrei- können. Es ist an sich positiv, dass sie in die chen Integration in die schweizerische Gesellschaft integriert werden wollen.» Gesellschaft. Eine mögliche Reaktion auf Kosovarische Expertin fehlende Zukunftsperspektiven und das subjektive Gefühl, von der lokalen Gesell- In der obligatorischen Schule werden aus- schaft nicht akzeptiert zu werden, kann ländische Schüler im Allgemeinen öfter und gewalttätiges Verhalten sein (vgl. Kapitel tendenziell auch schneller als Schweizer 2.2.2). Kinder Klassen mit besonderem Lehrplan oder Sonderschulen8 zugewiesen (BFM Expertenmeinung 2006). Bei den ausländischen Schülern «Als Kinder kamen sie in die Schweiz und aus Kosovo, Serbien und Montenegro sind leben seither zwischen zwei Welten. Sie besonders viele Kinder in solchen Schulen suchen Anschluss und Anerkennung und (15 % der Knaben; 11 % der Mädchen) wollen wie Schweizer behandelt werden. (Abbildung 15). Der Anteil ist damit dreimal Ihr zum Teil provokantes Verhalten und Auftreten ist Ausdruck ihrer Suche nach 8 Für die Definition von Sonderklassen und Sonderschulen vgl. Schweizerischer Bildungsserver (2009) unter Anerkennung durch die Gesellschaft. Sie www.educa.ch.

51 100 %

80 %

60 %

40 %

20 %

0 % CS Ausland CH CS Ausland CH CS Ausland CH Knaben Mädchen Gesamt Grundansprüche Erweiterte Ansprüche Ohne Selektion

Abbildung 16: Verteilung der Schüler der 8. Klasse auf die Bildungszüge, nach registrier- ter Staatszugehörigkeit, 2007–2008 (in %) Quelle: BFS, Statistik der Schülerinnen und Schüler, Schuljahr 2007–2008

CS = ISO-Code für das ehemalige Staatengebilde Serbien-Montenegro so hoch wie bei den Schweizer Kindern (nur Ausländische Jugendliche aus Kosovo, Ser- rund 4 %). Auf den Sekundarstufen I und II bien und Montenegro absolvieren nach der ist der Anteil an Personen aus Kosovo, Ser- obligatorischen Schulzeit deutlich häufiger bien und Montenegro in anspruchsvollen als Schweizer und andere Ausländer eine Ausbildungszügen geringer als bei Schwei- berufliche Ausbildung (Abbildung 17). zern (Abbildungen 16 und 17). Während Zudem durchlaufen diese Jugendlichen auf Sekundarstufe I etwas über die Hälfte fast zehnmal häufiger als Schweizer eine dieser Schüler in Klassen mit Grundansprü- höchstens zweijährige Berufsausbildung chen9 und knapp die Hälfte in Klassen mit (Anlehre mit Attest), auch absolvieren sie erweiterten Ansprüchen unterrichtet wird, rund doppelt so oft wie die Schweizer eine befinden sich bei den Schweizer Achtkläss- Vorlehre oder finden eine andere -Über lern gut zwei Drittel in Klassen mit erwei- gangslösung. Hingegen machen nur ver- terten Ansprüchen (Abbildung 16). Die Ge- gleichsweise wenige die Matura (knapp schlechterunterschiede sind dabei gering. 4 %; Schweizer rund 22 %). Den reinen

9 Aufgrund der durchgeführten Interviews ist zu vermuten, gymnasialen Lehrgang besuchen zudem dass der Anteil kosovarischer Schüler in Klassen mit Grund- nicht einmal 2 % der Personen aus Kosovo, anforderungen noch höher ist als der Anteil der Schüler aus Serbien und Montenegro.

52 Serbien und Montenegro, während es bei Sprachen in Kosovo und den Schweizern um die 20 % sind. in der kosovarischen Bevölkerung in der Schweiz Allerdings zeichnet sich bei den kosovari- Amtssprachen in Kosovo sind Albanisch schen Jugendlichen ein Trend zu vermehrt und Serbisch, auf regionaler Ebene höherer Bildung ab. Noch ist der Anteil auch Türkisch, Bosnisch und Romanes mit einer tertiären Ausbildung gering. Er (Constitution of the Republic of Kosovo nimmt indes zu und wird laut Fachleuten 2008: Art. 5). Die grosse Mehrheit der in den nächsten Jahren weiter anwachsen. Bevölkerung Kosovos spricht Albanisch. Dies dürfte mit der zunehmenden Ausrich- Diese Sprache existiert als Standardspra- tung der Kosovaren auf die schweizerische che und in mehreren dialektalen Vari- Umgebung und der vermehrten Unterstüt- anten. Die Hauptdialekte sind Toskisch zung der Kinder durch ihre Eltern zusam- und Gegisch. In Kosovo wird Letzteres menhängen. Die Eltern sind inzwischen gesprochen. 1972 wurde eine verein- vertrauter mit dem schweizerischen Schul- heitlichte Schrift- und Standardsprache system und kommen öfter in Kontakt mit geschaffen (gjuha letrare shqipe e një- Schweizer Eltern. Dadurch lernen die koso- suar), in der der Einfluss des Toskischen varischen Eltern, wie man die Kinder bes- vorherrscht. Das führt besonders bei ser fördert und schulisch unterstützt (vgl. bildungsfernen Dialekt- und Gegisch- Kapitel 3). sprechenden zu Problemen im Umgang mit der Standardvariante. In der Schweiz Sprachen wird in den meisten albanischsprachigen Zu den Bereichen Sprachkompetenz und Familien aus Kosovo der gegische Dialekt Sprachgebrauch der kosovarischen Bevöl- gesprochen. Um Zugang zur albanischen kerung in der Schweiz gibt es nur wenige Standardsprache zu haben, müssen sich Daten. Bei der letzten Volkszählung im die Nachkommen von Zugewanderten Jahr 2000 gaben 41 % der Personen aus diese aneignen, beispielsweise im Unter- Kosovo, Serbien und Montenegro10 eine richt für Heimatliche Sprache und Kultur Schweizer Landessprache als Hauptspra- (HSK) (Schader 2006: 43ff). che an, 32 % Albanisch und 25 % Ser- bisch oder Kroatisch (Abbildung 18). Bei den Eingebürgerten erwähnten über 60 % Serbisch oder Kroatisch und 13 % Alba- eine Schweizer Landessprache als Haupt- nisch. Fachleute interpretieren diese Daten sprache, 28 % Serbisch oder Kroatisch und dahingehend, dass (albanischsprachige) knapp 7 % Albanisch. In der zweiten Ge- Kosovaren dazu neigen, bei behördlichen neration sprechen drei Viertel hauptsäch- Befragungen eher eine Schweizer Landes- lich eine Schweizer Landessprache, 11 % sprache denn Albanisch als ihre Hauptspra-

10 Dazu gehören hier sowohl Ausländer, die als Staatsange- che anzugeben. Dies habe verschiedene hörige Serbiens und Montenegros registriert sind, als auch Gründe: Einerseits seien bei vielen Kosova- eingebürgerte Schweizer, die früher unter dieser Staats­ angehörigkeit registriert waren. ren die Kenntnisse ihrer Erstsprache Alba-

53 100 %

80 %

60 %

40 %

20 %

0 % CS Ausland CH CS Ausland CH CS Ausland CH Männer Frauen Gesamt Übergangslösung / Vorlehre Berufliche Ausbildung Maturität (Berufs- und gymnasiale Matur)

Abbildung 17: Auszubildende auf Sekundarstufe II nach Ausbildungstyp und registrierter Staatszugehörigkeit, 2007–2008 (in %) Quelle: BFS, Statistik der Schülerinnen und Schüler, Schuljahr 2007–2008

CS = ISO-Code für das ehemalige Staatengebilde Serbien-Montenegro nisch sehr eingeschränkt. Andererseits war schichte, der beruflichen und familiären die Verwendung der albanischen Sprache Situation sowie von der geschlechtsspezi- in Kosovo lange Zeit mit Repressionen ver- fischen Rolle. bunden. Diejenigen, die in der Schweiz ihre Distanz zum Konflikt anzeigen wollten, Die kosovarischen Arbeitsmigranten der gaben darum den Behörden lieber eine ersten Generation erkannten oft keinen Schweizer Landessprache als Hauptsprache unmittelbaren Nutzen im Erwerb der Spra- an. che ihrer neuen Wohnregion; abgesehen davon, dass die Bildungsvoraussetzungen Gemäss den Befragten beherrschen mit­ zum formellen Fremdspracherwerb öfter tlerweile viele Eingewanderte aus Kosovo nicht gegeben waren. Auch blieben an- die Sprache ihres Wohnorts gut. Die lan- gesichts der oft zeitintensiven und körper- dessprachlichen Kompetenzen sind indes lich anstrengenden Arbeit kaum Zeit und sehr von der Biografie der einzelnen - Per Energie für den schulischen Spracherwerb. sonen abhängig, insbesondere von ihrem Dieser wurde zudem weder durch die Ar- Bildungshintergrund, ihrer Migrationsge- beitgeber noch durch die Politik gefördert.

54 Viele Männer eigneten sich dennoch im ihre Kinder nur mangelhaft unterstützen Verlauf der Zeit elementare Kenntnisse der können – sei dies mit Blick auf den Schul- Sprache ihrer Wohnregion an, wobei dem stoff, der in der jeweiligen Schweizer Lan- Arbeitsumfeld grosse Bedeutung zukam. dessprache vermittelt wird, oder durch die Die nachgezogenen Ehefrauen der Arbeits- erschwerte Kommunikation mit den Schul- migranten hatten jedoch oft schlechtere vertretern12 oder wegen fehlendem Bezug Bedingungen für den Zweitspracherwerb, zur lokalen Bevölkerung und entsprechend da sie fast ausschliesslich im familiären Um- fehlendem Zugang zu gewissen Ressour- kreis verblieben und kaum Kontakt mit der cen (etwa bei der Lehrstellensuche). Sprache der Wohnregion hatten (vgl. Kapi- tel 2.2.2 und 2.3). Anders sieht die Situation bei Kosovaren aus, die im Rahmen der Asylmigration in Eine aktuelle Umfrage unter eingewander- die Schweiz kamen und gute Bildungs- ten Eltern von Stadtzürcher Schulkindern qualifikationen mitbrachten (vgl. Kapitel zeigt, dass die Deutschkenntnisse alba- 2.1.2). Viele von ihnen erachteten Kennt- nischsprachiger Eltern11 im Vergleich mit nisse in einer Schweizer Landessprache als anderen Migrantengruppen gering sind unabdingbares Instrument, um sich in der (Eisner et al. 2008), besonders bei alba- neuen Umgebung zurechtzufinden und nischsprachigen Müttern (39 %). Laut einer eine (berufliche) Zukunft aufzubauen. Mit anderen Studie (bezogen auf das gesamte ihrem Bildungshintergrund fiel es diesen ehemalige Jugoslawien) sprechen von den Menschen leichter, sich Kenntnisse in der 20- bis 34-Jährigen weniger als 10 % der Sprache ihres Wohnortes anzueignen. So Männer und rund 25 % der Frauen weder bemühten sie sich aktiv um den Erwerb der zu Hause noch bei der Arbeit Deutsch. Bei Landessprache ihres Wohnorts, nicht nur den 35- bis 59-Jährigen liegen diese An- informell im Kontakt mit «Einheimischen», teile sogar bei 19 % resp. 32 % und bei sondern oft auch formell, das heisst im den über 60-Jährigen beiderlei Geschlechts Selbststudium oder, wenn sie es sich leisten bei 60 % (Meier und Bischof 2008). konnten, durch den Besuch von Sprachkur- sen. Diese Menschen können sich heute in Ungenügende landessprachliche Kennt- der Regel gut in einer Schweizer Landes- nisse der Eltern, insbesondere der Mütter, sprache verständigen. verbunden mit einer bestimmten sozialen Isolation, können beim Schulbesuch oder Die Kinder der Kosovomigranten werden bei der Lehrstellensuche der Kinder zum ab dem Zeitpunkt ihrer Einwanderung Problem werden. Diese Faktoren sind ein ausserhalb der Familie in einer Schweizer wesentlicher Grund dafür, dass die Eltern Landessprache sozialisiert und eingeschult.

11 Die Studie kategorisiert die Befragten nicht nach ihrem 12 Gemäss der erwähnten Studie zu fremdsprachigen Eltern in Herkunftsland, sondern nach der Herkunftssprache. der Stadt Zürich partizipieren albanischsprachige Eltern im Eingeschlossen sind hier neben albanischsprachigen Eltern Vergleich zu Eltern anderer Ausländergruppen am wenigs- aus Kosovo, Serbien und Montenegro auch solche aus ten an schulischen Angelegenheiten und Elternbildungs­ Mazedonien und Albanien. angeboten (Eisner et al. 2008: 11).

55 Landessprachen CH 41 % Serbisch, Kroatisch 26 % Albanisch 32 % Andere Sprachen 1 %

Abbildung 18: Bevölkerung (ab 15 Jahren) mit Herkunft aus Kosovo, Serbien und Mon- tenegro (Ausländer sowie Eingebürgerte) nach Hauptsprache, 2000 (in %) Quelle: Eidgenössische Volkszählung 2000

Oft sprechen sie daneben in der Familie gion im Alltag die primäre Sprache (auch Albanisch oder eine andere in Kosovo ge- emotional). läufige Sprache – dies indes vorwiegend mit den Eltern, vor allem mit der Mutter. 1990 begann der Albanische Lehrer- und Unter Geschwistern ist es üblich, dass die Elternverein in der Schweiz mit dem Auf- Schweizer Landessprache oder eine ge- bau eines Unterrichts in albanischer Spra- mischte Sprechweise vorherrscht. In einer che und Kultur (HSK Albanisch)13. Das HSK- Befragung von über tausend albanisch- Angebot war in den 1990er-Jahren recht sprachigen Schülern in der Deutschschweiz erfolgreich, und es besuchten innerhalb (Schader 2006) gaben mehr als 80 % an, kurzer Zeit schweizweit rund 6000 Schüler vorwiegend deutschsprachige Fernsehsen- diesen Unterricht. Nach Ende des Krieges dungen zu schauen, während ihre Eltern in Kosovo brach diese Zahl jedoch mas- mehrheitlich das albanischsprachige Fern- siv ein.14 Obwohl sie in letzter Zeit wieder sehangebot nutzen. Dieselbe Studie hat etwas gestiegen ist, besuchen heute nur auch gezeigt: Je länger albanischsprachige gerade rund 10 % der albanischsprachi- Jugendliche in der Schweiz gelebt haben, 13 Im Unterricht in Heimatlicher Sprache und Kultur (HSK) desto häufiger gebrauchen sie in den ver- erweitern mehrsprachige Kinder und Jugendliche ihre Kompetenz in der Erstsprache und eignen sich Wissen schiedenen Lebenssituationen die Schwei- über die Kultur des Herkunftslandes an. Der Kursbesuch ist freiwillig. Der Unterricht wird von den diplomatischen zer Landessprache (mit Gleichaltrigen, im Vertretungen der Herkunftsländer, von privaten Vereinen Elternhaus, in der Freizeit, beim Medien- und von Gemeindeschulen in Zusammenarbeit mit den lokalen Schulbehörden organisiert und finanziert (vgl. etwa konsum). Für viele albanischsprachige Se- Erziehungsdepartement des Kantons Basel-Stadt 2008). 14 Im Jahr 2005 besuchten schweizweit 3263 Schüler den condos ist also die Sprache ihrer Wohnre- albanischen HSK-Unterricht (Schader 2006: 125).

56 gen Kinder und Jugendlichen im Schulalter Frühförderung von Kindern in zugewan- HSK-Kurse.15 Damit gehören die Albanisch- derten Familien. sprachigen zu den Gruppen mit dem tiefs- ten Anteil an HSK-Absolventen. Zudem gibt es mittlerweile auch für er- wachsene Migranten Sprachlernangebote Ein Grund hierfür dürfte darin liegen, dass bzw. es werden neue entwickelt. Aller- der Albanischunterricht nicht kostenlos ist. dings ist die landessprachliche Kompetenz, Im Unterschied dazu werden Angebote in wie man heute weiss, nicht der alleinige anderen Sprachen von entsprechenden di- Schlüssel zur Integration. Oft fördert aber plomatischen Vertretungen in der Schweiz das Beherrschen der Sprache der Wohnre- finanziell unterstützt. Kosovo fehlen hinge- gion die Integration und erlaubt den Zu- gen staatliche Strukturen und finanzielle gang zu weiteren integrativen Bereichen Mittel zur Förderung eines solchen Ange- (Malek 2007). bots. Das geringe Interesse an diesen Kur- sen erklären Fachleute aber auch mit dem hohen Anteil an Familien mit bildungsfer- nem Hintergrund.16 Sie vermuten zudem, dass viele kosovarische Familien der An- sicht sind, der erstsprachliche Unterricht erübrige sich für ihre Kinder durch den Verbleib in der Schweiz. Diese Entwicklung bedauern Fachleute, weil der HSK-Unter- richt gerade für Kinder aus bildungsfernen Familien wichtige Funktionen für die Inte- gration übernehmen kann (schulische So­ zialisation, berufliche Laufbahn, Bewusst- heit der bikulturellen Identität).

Auch für den Erwerb der Zweitsprache (Schweizer Landes- und Unterrichtsspra- che) ist eine angemessene Förderung der Erstsprache im Kleinkindalter ausgespro- chen bedeutsam. In manchen kosovari- schen Arbeiterfamilien kommt eine solche Förderung zu kurz. Das Problem wurde erkannt und man ergriff Massnahmen zur

15 Mädchen sind klar in der Mehrheit. 16 Den albanischsprachigen HSK-Unterricht besuchen in erster Linie Kinder und Jugendliche von gut qualifizierten Eltern (Schader 2006: 125).

57 2.2.2 Wirtschaftliche Integration in freiwilligen Engagements ein, andere absolvierten Zweitausbildungen oder In Kürze Weiterbildungen. – Für die Schweizer Wirtschaft, besonders – Im Vergleich zu ihren Eltern haben viele die Landwirtschaft, das Baugewerbe, die Secondos trotz besseren Bildungschan- Industrie und die Hotellerie, waren die cen Schwierigkeiten beim Einstieg in kosovarischen Arbeitsmigranten in den den Arbeitsmarkt. Der soziale Aufstieg 1970er- und 1980er-Jahren günstige von der ersten zur zweiten Generation und willkommene saisonale Arbeits- ist bisher bescheiden. kräfte. Sie verblieben meistens in der- – Die Arbeitslosigkeit ist bei Kosovaren selben Branche und waren in Positionen momentan um ein Vielfaches höher als der unteren Lohn- und Hierarchiestufen bei Schweizern oder Ausländern aus EU- tätig. Staaten. Dies hängt zum einen mit den – Der Familiennachzug in den 1990er- geringeren Qualifikationen, zum andern Jahren fiel zeitlich zusammen mit einer mit den Schwierigkeiten von Jugend- starken Rezession in der Schweiz. lichen beim Eintritt in die Arbeitswelt Zahlreiche unqualifizierte Arbeitskräfte zusammen. verloren ihren Arbeitsplatz, was die – Die organisierte Kriminalität und ihre Arbeitsmigranten aus dem ehemaligen transnationalen Verflechtungen sind Jugoslawien – also auch aus Kosovo – eines der zentralen Probleme Kosovos. besonders stark betraf. Zum Teil waren Eine der wichtigsten internationalen sie auf ergänzende Sozialleistungen Schmuggelrouten führt über Kosovo für den Familienunterhalt angewiesen nach Westeuropa (vor allem für Heroin). und erschienen in der Öffentlichkeit als «soziale Last». – Die Ehefrauen der Arbeitsmigranten, oft weniger qualifiziert als die Männer, betätigten sich vorab in Haushalt und Familie. Sie stiegen aus wirtschaftlichen Gründen zunehmend in den Arbeits- markt ein und arbeiteten vorab in der Reinigung oder in anderen Hilfstätigkei- ten. – Anerkannte Flüchtlinge, die oft besser qualifiziert waren als andere Kosova- ren, waren wegen nicht anerkannter Diplome mehrheitlich gezwungen, einer ihrem Qualifikationsniveau nicht ange- messenen Erwerbstätigkeit nachzuge- hen. Manche brachten ihre Fähigkeiten

58 Arbeit zum Teil mit unregelmässigen Arbeitszeiten Der Grossteil der Migranten aus Kosovo und Nachtarbeit (vgl. Kapitel 2.2.3). kam ab Mitte der 1960er-Jahre im Rahmen der Arbeitsmigration – und später durch Gegen Ende der 1980er-Jahre hatten viele Familiennachzug – in die Schweiz (vgl. Ka- Saisonniers Anspruch auf einen gefestigte- pitel 2.1.2). Das primäre Ziel der meist jun- ren Aufenthaltsstatus und damit das Recht gen, in ihrer grossen Mehrheit unqualifi- auf Familiennachzug. Der Entscheid, ihre zierten Arbeitsmigranten war es zunächst, Ehefrau und ihre Kinder in die Schweiz hier zu arbeiten, um ihre zurückgebliebe- nachkommen zu lassen, bedeutete für nen Familien in der Herkunftsregion finan- die Arbeitsmigranten wie für ihre Familie ziell unterstützen zu können. Diese Männer eine einschneidende Änderung ihrer ur- waren aus Sicht der Schweizer Wirtschaft, sprünglichen Pläne. Ihr Lebensmittelpunkt und insbesondere einiger spezifischer Wirt- lag eindeutig in ihrer Herkunftsregion, und schaftssektoren wie Landwirtschaft, Bau- die Vorstellung, dauerhaft im Ausland zu gewerbe, Industrie und Hotellerie, in den leben, war neu. Der Familiennachzug er- 1970er- und 1980er-Jahren günstige und folgte denn auch bei der grossen Mehrheit willkommene saisonale Arbeitskräfte. Als relativ spät, als sich zu Beginn der 1990er- Saisonniers kehrten sie regelmässig nach Jahre die wirtschaftliche und politische Kosovo zurück und arbeiteten langfristig Lage in Kosovo drastisch verschlechterte. auf eine definitive Rückkehr hin. Gefördert wurde er auch durch die neue Migrationspolitik der Schweizer Behör- Die sich im Verlauf der Zeit verschlech- den Anfang der 1990er-Jahre (vgl. Kapitel ternde wirtschaftliche und politische Si- 2.1.2). tuation in Kosovo führte dazu, dass sich für die Arbeitsmigranten das Provisorium Der Familiennachzug in den 1990er-Jah- der «Fremdarbeit» über lange Zeit hinzog. ren fiel in eine Zeit der Rezession in der Viele verbrachten letztlich ihr gesamtes Er- Schweiz. Globalisierung und umfassende werbsleben in der Schweiz. Obwohl einige Restrukturierungen führten zu Massen- aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung zum entlassungen und steigenden Arbeitslo- Teil auch anspruchsvolle Tätigkeiten selbst- senzahlen. Arbeitsintensive Produktion ständig ausführten, gelang nur wenigen verlagerte sich zunehmend in Länder mit ein beruflicher Aufstieg. Abgesehen davon, tiefem Lohnniveau. Wenig qualifizierte Be- dass viele Migranten einen Aufstieg zumin- schäftigte waren bei einem Stellenverlust dest anfänglich nicht anstrebten, waren die einem besonders hohen Risiko ausgesetzt, Möglichkeiten dazu an ihren Arbeitsstellen keine neue Erwerbsarbeit mehr zu finden. stark eingeschränkt. Die meisten blieben in Dies betraf Arbeitsmigranten aus dem ehe- Positionen der niedrigsten Lohn- und Hie- maligen Jugoslawien ausnehmend stark: rarchiestufen und waren immer in dersel- Etliche fielen aus dem Arbeitsmarkt und ben Branche tätig. In der Regel handelte waren auf Sozialhilfe angewiesen, um ihre es sich um körperlich anstrengende Arbeit, nun in der teuren Schweiz lebenden Fami-

59 lien unterhalten zu können. Das Bild von mit denen sie zudem ihre zahlreichen Fa- den Kosovaren in der Schweiz änderte sich milienangehörigen in Kosovo unterstützen, nun in der öffentlichen Wahrnehmung: Sie genügten nun häufig nicht mehr zur Siche- waren nicht mehr länger die wenig beach- rung des eigenen wirtschaftlichen Überle- teten, aber geschätzten jugoslawischen Ar- bens. Die oft grosse Zahl an Nachkommen beitskräfte, sondern wurden zur «sozialen bedeutete eine erhebliche finanzielle Belas- Last». tung. Zudem blieb der Unterstützungsbe- darf der in Kosovo verbliebenen Familien- War die Zahl der Erwerbstätigen aus dem angehörigen unverändert. Viele Kosovaren ehemaligen Jugoslawien in der Schweiz bis leisteten nun (zum Teil zusätzlich) Wochen- anhin hoch, wuchs mit dem Familiennach- end- und Nachtarbeit. zug und der Asylmigration in den 1990er- Jahren die nicht erwerbstätige Bevölkerung Viele Familien lebten abgelegen und in aus dieser Region stark an. Die Ehefrauen beengten Wohnverhältnissen. Im Alltag der Arbeitsmigranten betätigten sich zu- mussten sie sich, öfter nach jahrelanger nächst vorwiegend in der Familie und im Trennung, an völlig neue Situationen ge- Haushalt. Aus wirtschaftlicher Notwendig- wöhnen: Sie lebten häufig zum ersten keit stiegen einige mit der Zeit ebenfalls Mal in ihrem Leben als Kleinfamilie zu- in den Arbeitsmarkt ein. Angesichts ihrer sammen, in einem Land mit einer ihnen geringen schulischen und beruflichen Qua- fremden Sprache. Bei der Integration der lifikationen, aber auch um ihre Erwerbs- Kinder und Jugendlichen in das Schweizer tätigkeit mit der Betreuung der Kinder Bildungssystem standen sie vor grossen vereinbaren zu können, arbeiteten diese Herausforderungen. Vor allem die Frauen Frauen oft in der Reinigung und in anderen lebten vielfach sozial isoliert, die Männer Hilfstätigkeiten, die zeitlich flexible Arbeit hatten durch ihre Arbeit unter Umständen zuliessen (Hauswartin, Näharbeit, Feldar- Kontakte zu Einheimischen oder Migranten beit in der Landwirtschaft, Serviceaushilfe, anderer Herkunft. Im Privatleben waren Pflegehilfe etc.). Ihre Arbeitsstellen fanden Frauen wie Männer stark auf die (Gross-) die meisten Frauen durch verwandtschaft- Familie und andere kosovarische Zugewan- liche Beziehungen. Trotz der zusätzlichen derte fixiert. Viele nahmen die schweize- Einnahmen durch die Erwerbstätigkeit der rische Umwelt als misstrauisch oder gar Frauen konnten die anfallenden Kosten in feindlich wahr und reagierten darauf mit manchen Familien kaum gedeckt werden. Rückzug und dem Wunsch nach einem künftigen Leben in einem unabhängigen Der oft überstürzte Familiennachzug führte Kosovo (von Aarburg und Gretler 2008: in vielen Fällen zu unerwartet hohen fi- 290 ff.). Diese für den Grossteil der koso- nanziellen Verpflichtungen. Als Saisonniers varischen Arbeitsmigration in der Schweiz hatten die Arbeitsmigranten ihre Lebens- typischen Lebensumstände zehrten bei haltungskosten noch tief halten können. vielen an der physischen und psychischen Die einst ausreichenden Arbeiterlöhne, Gesundheit (vgl. Kapitel 2.2.3).

60 Mit der Niederlassung von anerkannten Hochschulstudium) oder andere Weiter- Flüchtlingen in der Schweiz wanderten bildungen. Einzelne von ihnen bekleiden auch besser qualifizierte Kosovaren ein. Da heute in der Schweiz hoch qualifizierte ihre Ausbildungen und Berufserfahrungen Arbeitsstellen. Nach Beendigung der krie- hier meistens nicht anerkannt waren oder gerischen Ereignisse in Kosovo verliessen ein Nachstudium erforderten – zum Bei- etliche von ihnen die Schweiz und nahmen spiel für Ärzte –, waren viele gezwungen, dort ihren Qualifikationen entsprechende Erwerbstätigkeiten nachzugehen, die nicht Tätigkeiten an. ihrem Qualifikationsniveau entsprachen. Nicht selten brachten sie ihre Fähigkeiten Expertenmeinung auch in freiwilligem Engagement oder in «Die Mehrheit der Personen übt unqua- schlecht entlöhnten, unregelmässigen An- lifizierte Arbeit aus, die meisten blieben stellungen ein. Sie waren zum Beispiel als immer in der gleichen Branche. Auch die Übersetzer, im Sozialbereich, als Lehrer für Mehrheit der Leute, die in den 1980er- und albanischen Erstsprachunterricht oder in 1990er-Jahren gekommen sind, üben un- Tätigkeiten innerhalb kosovarischer oder qualifizierte Arbeit aus, auch wenn es unter albanischer Migrantenorganisationen tätig diesen Personen viele Gutqualifizierte gibt. (vgl. Kapitel 2.2.1 und 2.3). Andere absol- Das Problem ist, dass deren Ausbildung vierten später, als sie die sprachlichen und hier nicht anerkannt wird.» aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen Pädagoge erfüllten, Zweitausbildungen (etwa ein

61 100 %

80 %

Gesundheit und Bildung 60 % Verwaltung, Banken und Versicherungen Gastgewerbe und persönliche Dienstleistungen 40 % Handel und Verkehr Bau und Bergbau 20 % Technik und Informatik Industrie und Gewerbe

0 % Land- und Forstwirtschaft Männer Frauen

Abbildung 19: Berufsfelder der ausländischen Erwerbstätigen aus Kosovo, Serbien und Montenegro 2003–2007 (in %) Quelle: BFS, SAKE 2003–2007 (pooled data). Erwerbstätige 15–62/65 Jahre

Berufsfelder nach Schweizer Nomenklatur 2000 Verhältnisse berechnet ohne fehlende Werte. Ungewichtete Daten. Herkunft = Nationalität bei Geburt

Expertenmeinung Eltern. Dennoch verfügen die Jugendlichen «Nachdem in einer ersten Phase viele mit kosovarischem Migrationshintergrund niedrig qualifizierte Leute in die Schweiz im Vergleich zu Schweizer Jugendlichen gekommen waren, kamen später vermehrt und solchen aus anderen immigrierten auch Hochqualifizierte. Deren Ausbildun- Gruppen über schlechtere formale Qua- gen und Berufserfahrungen (viele waren lifikationen. Dies, wie auch Diskriminie- Juristen, Lehrer, Betriebswirtschafter oder rungstendenzen aufgrund von Herkunft Ärzte) wurden nicht anerkannt. Auf das bzw. Namen, machen den Einstieg in den Potenzial dieser Menschen wird bewusst Arbeitsmarkt oft schwierig. Der soziale verzichtet. Das empfinden die meisten Aufstieg von der ersten zur zweiten Gene- auch als ungerecht. Diese Menschen sind ration ist bisher bescheiden geblieben (vgl. gezwungen, körperlich schwere Arbeit zu Kapitel 2.2.1). Für eine gute Integration verrichten, die später ihren Tribut zollt.» in die schweizerische Arbeitswelt sind ko- Gewerkschaftssekretär sovarische Jugendliche – wie auch andere bildungsferne Jugendliche – auf familien­ Die Nachkommen der kosovarischen Immi- externe Unterstützung angewiesen. Be- granten haben trotz anfänglicher Schwie- sonders wichtig sind dabei Lehrpersonen, rigkeiten bessere Bildungschancen als ihre Lehrmeister und Behörden.

62 100 %

80 %

60 %

40 %

20 %

0 % CS EU CH CS EU CH CS EU CH Männer Frauen Gesamt

Führungskräfte und akademische Berufe Fachkräfte mittlerer Qualifikationsebene Dienstleistungs- und Verkaufsberufe Fachkräfte in Handwerksberufen und Landwirtschaft Hilfsarbeitskräfte

Abbildung 20: Erwerbstätige nach Berufshauptgruppen und registrierter Staatszugehö- rigkeit, 2003–2007 (in %) Quelle: BFS, SAKE 2003–2007 (pooled data). Erwerbstätige 15–62/65 Jahre

CS = ISO-Code für das ehemalige Staatengebilde Serbien-Montenegro EU = EU-15 und EFTA-Staaten Berufshauptgruppen: eigene Kategorienbildung nach ISCO-Nomenklatur Verhältnisse berechnet ohne fehlende Werte. Ungewichtete Daten. Herkunft = Nationalität bei Geburt

Die statistischen Daten zur Art der Erwerbs- im Gastgewerbe, in der Industrie oder im tätigkeit der Ausländer aus Kosovo, Serbien Gesundheitswesen. Frauen arbeiten zum und Montenegro zeigen den typischen Teil aber auch als Fachpersonal, etwa in Charakter der kosovarischen Einwande- der Pflege oder im Verkauf. Der Anteil an rung: Es sind hauptsächlich unqualifizierte Führungskräften und Personen in akademi- Arbeitskräfte, die ihre Familien nachgezo- schen Berufen ist bei beiden Geschlechtern gen haben. Erwerbstätige Männer arbeiten sehr gering, bei den Frauen noch leicht hö- am häufigsten in handwerklichen Berufen her als bei den Männern (Abbildungen 19 oder als unqualifizierte Arbeiter, meist in und 20). der industriellen Produktion oder auf dem Bau. Erwerbstätige Frauen sind oft Hilfs- Die befragten Personen weisen darauf kräfte, etwa in der Gebäudereinigung, hin, dass es mittlerweile kosovarische Ar-

63 120 000

100 000

85 680 80 000 75 000

67 600 62 400 61 750 60 000

46 800 40 000 CS EU CH CS EU CH Männer Frauen

Abbildung 21: Bruttojahreseinkommen (bei Vollzeitpensen) von ausländischen Erwerbs- tätigen aus Kosovo, Serbien und Montenegro (Quadrat = Medianeinkommen) 2003–2007 Quelle: BFS, SAKE 2003–2007 (pooled data). Erwerbstätige 15–62/65 Jahre bei Vollzeitbeschäftigung (≥ 90 %)

Quartile; Quadrat = Medianeinkommen, d.h., die Hälfte verdient mehr und die Hälfte weniger CS = ISO-Code für das ehemalige Staatengebilde Serbien-Montenegro EU = EU-15 und EFTA-Staaten Berechnet ohne fehlende Werte. Ungewichtete Daten. Herkunft = Nationalität bei Geburt beitnehmende gibt, die sich in verantwor- Kosovarische Frauen sind im Vergleich tungsvollen Positionen befinden (auf dem zu kosovarischen Männern und auch zu Bau etwa Polier oder Kranführer). Ausser- Schweizer Frauen auf dem Arbeitsmarkt dem sind kosovarische Geschäftsinhaber deutlich untervertreten, besonders in den heute keine Seltenheit mehr. Nach ersten höheren Altersgruppen. Ein möglicher unternehmerischen Aktivitäten in der Rei- Grund liegt darin, dass in der traditionel- sebranche und später im Verlagswesen len Lebensweise der kosovarischen Gross- (Herausgabe kosovarischer Zeitungen), im familie Frauen sich in der Regel um die Baugewerbe, im Gartenbau und in der Hausarbeit kümmern. Dieses traditionelle Gastronomie gibt es in jüngster Zeit auch Rollenverständnis wurde in vielen kosova- kosovarische Geschäftsinhaber im Versi- rischen Familien in der Schweiz zumindest cherungswesen. in einer ersten Zeit beibehalten. Heute gibt es zunehmend die Doppelerwerbstätigkeit,

64 35 % Männer 30 % Frauen

25 %

20 %

15 %

10 %

5 %

0 % CS EU CH CS EU CH CS EU CH CS EU CH 15–24 Jahre 25–39 Jahre 40–54 Jahre 55–64 Jahre

Abbildung 22: Arbeitslosenquote der ausländischen Bevölkerung aus Kosovo, Serbien und Montenegro, nach Alterskategorien, 2003–2007 (in %) Quelle: BFS, SAKE 2003–2007 (pooled data)

Arbeitslosenquote = Arbeitslose/(Erwerbstätige + Lernende, 15–62/65 Jahre) CS = ISO-Code für das ehemalige Staatengebilde Serbien-Montenegro EU = EU-15 und EFTA-Staaten Ungewichtete Daten. Herkunft = Nationalität bei Geburt in erster Linie bei jungen Paaren der zwei- halb der Familie führen kann (vgl. Kapitel ten Generation. Oft unterbrechen Frauen 2.3). nach einer Geburt ihre Erwerbstätigkeit zumindest für eine Weile zugunsten von Migranten aus Kosovo, Serbien und Mon- Familien­arbeit. Für junge Frauen, die im tenegro weisen eine vergleichsweise hohe Rahmen einer Heirat aus Kosovo in die Arbeitslosenquote auf. Sie ist in allen Al- Schweiz einwandern, stellt sich weiterhin terskategorien um ein Vielfaches höher als das Problem, dass ihre Ausbildung nicht bei Schweizern oder Ausländern aus EU- anerkannt ist und dass sie zunächst die Staaten. Dies hängt in erster Linie mit dem Sprache ihrer neuen Wohnregion lernen höheren Risiko aufgrund der durchschnitt- müssen. Manche verbinden daher Famili- lich schlechten Bildungsqualifikation dieser enarbeit mit unqualifizierter Erwerbsarbeit Bevölkerung zusammen. In der Alterskate- (Gastgewerbe, Reinigung). Dieses Leben in gorie der 15- bis 24-Jährigen zeigen sich der Schweiz entspricht nicht immer ihren zudem die schlechten Chancen der Ju- Vorstellungen, was zu Spannungen inner- gendlichen beim Eintritt in die Arbeitswelt.

65 15 % CS EU CH Frauen Männer 12 %

9 %

6 %

3 %

0 % Sekundarstufe I Sekundarstufe II Tertiärstufe

Abbildung 23: Arbeitslosenquote nach Bildungsniveau und registrierter Staatszugehörig- keit bei Geburt, 2003–2007 (in %) Quelle: BFS, SAKE 2003–2007 (pooled data). Erwerbstätige 15–62/65 Jahre. Ungewichtete Daten

CS = ISO-Code für das ehemalige Staatengebilde Serbien-Montenegro EU = EU-15 und EFTA-Staaten

Insgesamt sind deutlich mehr Frauen der Problematik der Wiedereingliederung (11,6%) als Männer (8,1%) von Arbeits- unqualifizierter Arbeitsloser in den Arbeits- losigkeit betroffen. Betrachtet man die markt zu sehen, hängt zum andern aber Quote nach Ausbildungsniveau, zeigt sich, auch mit den tiefen Durchschnittslöhnen dass Frauen mit tertiärem Abschluss eine in dieser Bevölkerungsgruppe zusammen bessere Arbeitsintegration aufweisen als (Abbildung 21). ihre männlichen Landsleute (Abbildung 23). Da die kosovarischen Arbeitsmigranten in der Regel ihr Leben lang körperlich hart ge- 7,4 % der Immigrierten aus Kosovo, Serbien arbeitet haben, treten mit zunehmendem und Montenegro wurden im Jahr 2006 von Alter vermehrt physische Verschleisser- der Sozialhilfe unterstützt. Bei den Schwei- scheinungen auf. Manche Kosovaren kön- zern waren es 2,3 % (BFS 2009). Die ver- nen ihrer langjährigen Tätigkeit nicht mehr gleichsweise höhere Sozialhilfequote bei den Zugewanderten aus Kosovo, Serbien und Montenegro ist zum einen im Kontext

66 nachgehen und scheiden vorzeitig aus dem sie bei Schweizer Jugendlichen relativ sta- Arbeitsmarkt aus (vgl. Kapitel 2.2.3). bil ist (BFS 2007b: 14 f.). Eine Studie zur Kriminalität ausländischer Jugendlicher Kriminalität kommt allerdings zum Ergebnis, dass die Die kosovarische Bevölkerung in der grössere Anzahl an Straffällen nicht zwin- Schweiz wird in der Folge ihrer starken gend auf eine generell höhere Delinquenz- Zunahme in den 1990er-Jahren vermehrt anfälligkeit der ausländischen Jugendlichen zum Thema in der Öffentlichkeit. Dabei schliessen lässt (Nagy 2008). Zum einen ist der öffentliche Diskurs durch negative werden ausländische Jugendliche häufiger Bilder bestimmt, zum Teil wegen Misstrau- und schneller angezeigt als Schweizer. Zum ens Asylsuchenden gegenüber, zum Teil andern unterscheiden sich die Verurtei- durch die (vermeintliche) Verbindung von lungszahlen zwischen ausländischen und albanischsprachigen Personen mit Drogen- schweizerischen Jugendlichen nicht mehr handel und Gewalt, zum Teil aus anderen allzu sehr voneinander, wenn man die Ver- Gründen (vgl. Kapitel 2.1.4). stösse gegen das ANAG nicht einrechnet.

Während der 1990er-Jahre waren Dealer Bei der Art der Delikte bestehen allerdings aus Albanien und Kosovo, oft Minderjäh- Unterschiede. So verüben ausländische Ju- rige, in der Schweizer Drogenszene beson- gendliche deutlich mehr Gewaltdelikte als ders aktiv. Schweizer (Eisner et al. 2006; Steiner et al. 2005: 39). Dies trifft gemäss Experten Ein Blick in die Statistik zeigt, dass die Krimi- auch auf kosovarische Jugendliche zu. Da- nalitätsrate der 18- bis 40-jährigen Männer bei handelt es sich oft um Schlägereien und aus dem ehemaligen Jugoslawien17 in den um Bedrohungen in der Schule, auf dem Jahren 2000 bis 2006 leicht höher lag als Pausenplatz und in der Freizeit. Andere De- diejenige aller ausländischer Männer (vgl. liktarten, zum Beispiel Sachbeschädigun- Kasten). Insgesamt ist die Kriminalitätsrate gen, gibt es hingegen kaum. der ausländischen Männer mehr als dop- pelt so hoch wie bei Schweizer Männern Fachleute führen dieses Verhalten auf (Abbildung 24). Überforderung im Umgang mit schwie- rigen Situationen zurück, in denen sich Die öffentliche Debatte über Delinquenz Jugendliche mit Migrationshintergrund von Ausländern bezieht sich oft auf krimi- im Allgemeinen und junge Kosovaren im nelle Jugendliche. Gemäss Angaben des Besonderen befinden. Eine ausgesprochen Bundesamtes für Statistik (BFS) ist die Ver- belastende Zeit ist der Übergang von der urteilungsrate bei ausländischen Jugendli- Schule ins Berufsleben, der bei einigen chen seit 1980 stark angestiegen, während Frustrationen auslöst (vgl. Kapitel 2.2.1).

17 Auf die Gesamtheit der Personen aus dem ehemaligen Ju- Dies und weitere Ereignisse führen nicht goslawien wird deshalb zurückgegriffen, weil die Kosovaren selten zum Gefühl des Ausgegrenztseins, in den Kriminalitätsstatistiken bis Anfang 2008 nicht separat ausgewiesen sind. das durch Konflikte mit den Eltern über un-

67 Statistische Daten zur Kriminalität Vorbemerkung Im Integrationsbericht 2006 hält das Bundesamt für Migration (BFM) fest, dass die hohe Kriminalitätsrate von Ausländern hauptsächlich auf Alter, Geschlecht und sozio- ökonomische Lebenslage zurückzuführen ist. Da die Bevölkerungsstruktur der Aus- länder von derjenigen der Schweizer abweicht, relativiert sich der Unterschied bei den Kriminalitätsraten, wenn man die Vergleichsgruppen nach den Merkmalen Geschlecht, Alter und sozialer Status standardisiert. Teilweise wird die Straffälligkeit von Ausländern auch auf das Zusammentreffen von unterschiedlichen Vorstellungen bezüglich Gewalt, Recht und Bestrafung sowie auf höhere Anzeigetendenzen zurückgeführt (BFM 2006, S.93 f.). Bei der Berechnung einer Kriminalitätsrate wird die Zahl der verurteilten Personen in Beziehung zur Wohnbevölkerung derselben Nationalität gesetzt. Im vorliegenden Fall werden bis auf die Vergehen gegen das Ausländergesetz alle Straftatbestände berück- sichtigt.* Um Verzerrungen aufgrund unterschiedlicher demografischer Zusammen- setzungen entgegenzuwirken, sind nachfolgend ältere Personen (über 40) und Frauen nicht in den Vergleich mit einbezogen; denn die ausländische Bevölkerung insgesamt wie auch die Bevölkerungsgruppe aus dem ehemaligen Jugoslawien bestehen aus einem deutlich höheren Anteil an Männern und Jugendlichen als die Schweizer Be- völkerung. Eine nicht vermeidbare Verzerrung besteht darin, dass auch Delinquenten eingerechnet sind, die nicht in der Schweiz wohnhaft sind (etwa Touristen). Ungefähr 20 % der verurteilten Ausländer haben keinen Wohnsitz in der Schweiz (Arbeitsgruppe Ausländerkriminalität [AGAK] 2001).

* Zuvor ANAG = Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer, ab 1.1.2008 neu als Ausländergesetz (AuG). terschiedliche Berufs- und Lebensperspek- können die Entwicklung und das Selbst- tiven sowie Diskriminierungserfahrungen, wertgefühl der Jugendlichen negativ be- etwa bei der Lehrstellensuche, verstärkt einflussen. werden kann. Auch spielt der oft schwa- che sozioökonomische Hintergrund der Expertenmeinung kosovarischen Jugendlichen eine Rolle, «Die Probleme mit gewissen Jugendlichen der sie in zahlreichen Lebensbereichen ein- müssen vor dem Hintergrund der man- schränkt: unbefriedigende Wohnsituation, gelnden bzw. nicht jugendgerechten In- tiefes Bildungsniveau der Eltern, wenig tegrationspolitik betrachtet werden. Bei Unterstützung für eigene Ausbildung etc. ihnen kann der Integrationsansatz nicht Migrationsspezifische Faktoren wie die der gleiche sein wie bei Erstgenerationen. Auseinandersetzung mit verschiedenen Diese Jugendlichen können in der Regel kulturellen Identitäten sowie die Erfahrung die Sprache und identifizieren sich mit mit Diskriminierung und Stigmatisierung dem Umfeld. Sie erleben aber oft, dass sie

68 8 %

7 %

6 %

5 %

4 %

3 %

2 %

1 %

0 % 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006

Ehem. Jugoslawien Ausländer Schweizer

Abbildung 24: Kriminalitätsrate bei Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien im Ver- gleich zur ausländischen und Schweizer Bevölkerung (Männer im Alter zwischen 18 und 40 Jahren) (in %) Quelle: Bundesamt für Statistik: Strafurteilsstatistik, Wohnbevölkerungsstatistik nicht willkommen sind. Real empfundene zen und das soziokulturelle Umfeld mit- Diskriminierungen und Demütigungen ver- gestalten. So gibt es kosovarische «Peace- ursachen bei den Jugendlichen Revolten. maker», die sich bei der Bewältigung von Es liegt in der Natur dieses Alters, dass Konflikten in der Schule engagieren, wäh- man rebelliert, gegen die Eltern, die Ge- rend sich andere Jugendliche in Jugend- sellschaft. Das Gefühl, nicht willkommen treffs einsetzen, eigene Radiosendungen zu sein, kann bei einem Teil von ihnen in produzieren oder Hip-Hop-Musik machen. Frustreaktionen münden, die sehr unschön sind. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass Organisierte Kriminalität es immer mehr Jugendliche mit Migrations­ Die organisierte Kriminalität gilt neben der hintergrund trotz Schwierigkeiten doch Korruption als eines der Kernprobleme schaffen, zu studieren oder Karriere im Be- Kosovos. Die organisierte Kriminalität in ruf zu machen.» Kosovo setzt jährlich geschätzte 550 Milli- Gewerkschaftssekretär onen Euro um (Institut für Europäische Po- litik 2007: 53). Zu den illegalen Geschäfts- Schliesslich thematisieren die Medien tätigkeiten gehören unter anderem der kaum, dass sich verschiedene kosovarische Heroinhandel mit Westeuropa, der Men- Jugendliche für die Gemeinschaft einset- schenhandel (mit Frauen und Mädchen aus

69 Südosteuropa), der regionale Zigaretten- Besonders problematisch ist die Verbin- und Benzinschmuggel sowie der Handel dung der organisierten Kriminalität zur mit Waffen und gestohlenen bzw. illegal kosovarischen Politik. Dies behindert die eingeführten Fahrzeugen (Dzihic und Kra- wirtschaftliche und politische Entwicklung mer 2008: 13; Farcy 2007). Kosovos (Dzihic, Kramer 2008: 13). Zudem wird Kritik laut, dass die internationale Westeuropa ist in erster Linie vom Heroin­ Gemeinschaft in Kosovo die Verknüpfung handel betroffen, den grösstenteils Krimi- von Politik und grenzüberschreitender Kri- nelle vom Balkan, unter anderen kosova- minalität zu wenig bekämpft (Dzihic und rische Banden, kontrollieren. Eine der drei Kramer 2008: 13; Institut für Europäische wichtigsten Schmuggelrouten führt von Politik 2007: IX). Afghanistan (Produktionsland) über Ko- sovo nach Westeuropa (Konsumländer). Diese kriminellen Strukturen standen in Verbindung mit der organisierten Krimina- lität der Region und entwickelten sich vor allem während und unmittelbar nach dem Kosovokrieg, als jegliche Form staatlicher Kontrolle fehlte. Kosovarische Gruppen spielen heute eine wichtige Rolle bei der Organisation und Kontrolle der Schmug- gelrouten sowie der Verteilnetze in West- europa (Dzihic und Kramer 2008: 13; Uni- ted Nations Office on Drugs and Crime [UNODC] 2008: 61).

Die Schweiz galt Ende der 1990er-Jahre als eines jener Länder, das vom Heroinhandel am stärksten betroffen war. Geschätzte 70 % bis 90 % des in die Schweiz ge- schmuggelten Heroins dürften über diese Verbindungen abgewickelt worden sein (u.a. über Kosovo, Mazedonien und Alba- nien). Die südosteuropäische Route für den Heroinhandel in Westeuropa dürfte in den letzten Jahren an Bedeutung verloren ha- ben (United Nations Office on Drugs and Crime [UNODC] 2008: 65, 68).

70 2.2.3 Gesundheit Zugang zu adäquaten Behandlungsan- geboten erschweren. Dies gilt vor allem In Kürze für die erste Generation und besonders – Die kosovarische Bevölkerung in der bei psychischer Erkrankung. Interkul- Schweiz ist jünger als die schweize- turelle Übersetzungsdienste leisten rische und besteht mehrheitlich aus hier wichtige Arbeit und haben in den gesunden Menschen. Teile dieser vergangenen Jahren die Problematik Bevölkerungsgruppe – insbesondere verringert. Arbeitsmigranten der ersten Genera- – Präventions- und Vorsorgemassnahmen tion und Kriegsflüchtlinge – waren im werden von Kosovaren deutlich weniger Verlaufe ihres Lebens vergleichsweise häufig beansprucht als von Schweizern. grossen gesundheitlichen Belastungen Dies kann mit der sozioökonomischen ausgesetzt. Dies schlägt sich heute in Situation zusammenhängen oder spezifischen gesundheitlichen Proble- aber damit, dass diese Zielgruppe mit men und vergleichsweise vielen Fällen präventiven und gesundheitsfördernden von Invalidität nieder. Angeboten ungenügend erreicht wird. – Einige kosovarische Zugewanderte der ersten Generation weisen als Folge ihrer spezifischen Migrations- und Arbeits- biografie körperliche und zum Teil auch psychische Probleme auf – Letztere gerade auch Frauen. Dazu können Erfahrungen im Herkunftsland (Krieg, Repression, Flucht), aber auch die Lebensumstände in der Schweiz beige- tragen haben. – Auch Kinder und Jugendliche haben teilweise Kriegstraumata oder belas- tende Migrationserfahrungen. – Bestimmte – teilweise sozioökono- misch bedingte – Verhaltensweisen bergen gesundheitliche Risiken. Bei kosovarischen Frauen ist Übergewicht relativ weit verbreitet und kosovarische Männer der ersten beiden Migrantenge- nerationen rauchen auffallend häufig. Kosovarische Jugendliche zeigen eine auffallend schlechte Zahngesundheit. – Fehlendes Wissen über das schweize- rische Gesundheitssystem kann den

71 Gesundheitszustand und die zweithöchste IV-Neurentenquote auf -verhalten (Buri 2008; vgl. Kasten S.74). Die kosovarische Bevölkerung in der Schweiz ist durchschnittlich jünger als die Expertenmeinung schweizerische und besteht mehrheit- «Es gibt auch viele Kosovaren, die trotz Be- lich aus gesunden Menschen. Teile dieser hinderungen arbeiten. Es ist nicht so, dass Bevölkerungsgruppe – insbesondere Ar- die Leute nicht arbeiten wollen. Die meisten beitsmigranten der ersten Generation und wollen arbeiten. Aber sie werden entweder Kriegsflüchtlinge – waren aber im Verlauf nicht richtig oder gar nicht informiert über ihres Lebens vergleichsweise grossen ge- die verschiedenen Möglichkeiten der Wie- sundheitlichen Belastungen ausgesetzt. dereingliederung, Umschulung usw. Ich Dies schlägt sich heute bei relativ vielen in bin überzeugt, dass die meisten von Ihnen einem schlechten Gesundheitszustand nie- eher eine organisierte Wiedereingliederung der. in die Arbeitswelt bevorzugen würden als mühsame und zum Teil demütigende IV- Kosovarische Arbeitsmigranten sind nicht Verfahren.» selten in sehr einfachen Verhältnissen in Gewerkschaftssekretär Kosovo aufgewachsen und hatten schon früh schwer zu arbeiten (von Aarburg und Manche Kosovaren der ersten Generation Gretler 2008: 34–30, 328). In der Schweiz sind als Folge ihrer spezifischen Migra­ verrichteten sie oft jahrelang ausgespro- tionsbiografie in fortgeschrittenem Alter chen anstrengende körperliche und auch auch psychisch nicht mehr vollauf gesund. anderweitig gesundheitlich belastende Ar- Dazu können Erfahrungen im Herkunfts- beit. Die Gesundheitsprävention stand da- land (z.B. Krieg, Flucht, Diskriminierung) bei oft im Hintergrund, auch in den Betrie- beigetragen haben, aber auch Umstände, ben wurde sie lange Zeit nicht thematisiert. unter denen sie in der Schweiz lebten (z.B. Mit zunehmendem Alter, oft schon Jahre Wohnverhältnisse, übermässiges Sparen, vor der Pensionierung, treten körperliche lange Trennung von der Familie, Sorge um Abnützungserscheinungen auf (etwa Rü- Angehörige im Krieg, nicht gefestigtes An- cken-, Gelenk- und Weichteilerkrankungen wesenheitsrecht in der Schweiz). Bei vielen bei Männern). Etliche hatten Arbeitsunfälle Arbeitsmigranten, für die die Gesundheit mit bleibenden gesundheitlichen Folgen. des Körpers entscheidend war, löste das Das Unfallrisiko ist in vielen Berufen, in de- frühe Auftreten körperlicher Abnutzungs- nen Kosovaren tätig sind, besonders hoch erscheinungen Angst aus. Die körperlich- (Wyssmüller und Efionayi-Mäder 2007) psychische Mehrfachbelastung führt oft zu (vgl. Kapitel 2.2.2). Dies findet heute un- chronischen Schmerzen und gelegentlich ter anderem seinen Niederschlag in relativ zu Depressionen oder Suchtverhalten (von vielen Fällen von Invalidität. So wies im Jahr Aarburg und Gretler 2008: 322–323). 2007 die in der Schweiz ansässige Bevöl- kerung aus dem ehemaligen Jugoslawien

72 Expertenmeinungen ursachen. Das war früher nicht der Fall.» «Der Gesundheitszustand in der Schweiz Kosovarischer Experte ist ähnlich für alle, die in einer bestimmten Branche arbeiten (z.B. Baugewerbe) und/ Psychische und psychosomatische Er- oder einer bestimmten sozialen Schicht krankungen kommen auch bei Frauen angehören. Wer schwere körperliche Ar- aus Kosovo relativ häufig vor. Dies kann beit verrichtet, der hat einen grösseren migrationsbiografische Ursachen haben. Verschleiss und ist einem grösseren Unfall- Viele Frauen haben ihre Herkunftsregion risiko bei der Arbeit ausgesetzt. Da spielt gezwungenermassen verlassen. Während es keine Rolle, ob man Portugiese, Albaner, die einen vor Krieg, Verfolgung und Dis- Deutscher oder Schweizer ist. Mit einer kul- kriminierung flüchteten, sind die anderen turellen Herangehensweise an die Thema- oft überstürzt im Rahmen des Familien- tik besteht die Problematik, dass damit die nachzugs ausgereist. Teilweise bestehen objektiven Parameter ausgeschlossen wer- (Kriegs-)Traumata, die sich erst in der den. Viele Personen aus dem ehemaligen Schweiz äussern. Manche Frauen muss- Jugoslawien haben infolge schwerer kör- ten einige ihrer Kinder aus wirtschaftlichen perlicher Arbeit mehr Gebrechen (Weich- Gründen vorerst bei Verwandten in Kosovo teilabnutzung, Probleme mit Gelenken). zurücklassen, was die Frauen stark belas- Hinzu kommen psychische Traumata als tete (von Aarburg und Gretler 2008: 293 (Spät-)Folge von Kriegs-/Gewalterfahrun- ff.). Für viele Frauen war ausserdem die gen. Die Wahrscheinlichkeit einer Invalidi- Ankunft in der Schweiz mit zusätzlichen sierung ist dadurch grösser.» Herausforderungen verbunden (z.B. man- Gewerkschaftssekretär gelnde Sprachkenntnisse, unterschiedliche Familienstruktur), zu deren erfolgreicher «Die Psyche war für die Arbeitsmigran- Bewältigung ihnen oft die nötigen Res- ten wie ein Luxus. Entscheidend war das sourcen fehlten (vgl. Kapitel 2.2.1 und Funktionieren des Körpers für die Arbeit. 2.3). Auch sind einige kosovarische Frauen Viele stellten sich und ihre Bedürfnisse in der älteren Generation aufgrund früherer den Hintergrund, um primär der Familie zu schwerer körperlicher Arbeit körperlich be- helfen.» einträchtigt (vgl. Kapitel 2.2.2). Kosovarischer Experte Im Weiteren können bestimmte Verhal- «Sie haben ihren Körper gebraucht, ohne tensmuster die körperliche Gesundheit ge- jenem gesundheitlichen Risiko ein besonde- fährden, etwa eine falsche Ernährung oder res Gewicht beizumessen, das mit bestimm- Bewegungsmangel. So ist unter kosovari- ten Arbeiten verbunden ist. Heute wird den Personen auch bei schwerer Arbeit gezeigt, wie sie arbeiten müssen, ohne schädliche Nebeneffekte auf ihren Körper zu ver-

73 Erhöhtes Invaliditätsrisiko bei Arbeitsmigranten Die relativ hohe Zahl von Invaliditätsfällen unter der Bevölkerung aus dem ehemaligen Jugoslawien in der Schweiz ist auch eine Folge der sozialen Unterschichtung durch die Arbeitsmigration. Bei einem Grossteil der Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien handelt es sich – zusammen mit Zugewanderten aus der Türkei und Portugal – um die letzte Gruppe klassischer Arbeitsmigranten: Sie haben in der hiesigen Gesellschaft die unteren sozialen Positionen eingenommen und mit Blick auf die Gesundheit beson- ders belastende berufliche Tätigkeiten ausgeführt. Nachdem die italienischen und spanischen Arbeitsmigranten der ersten Stunde, bei denen sich in fortgeschrittenem Erwerbsalter vergleichbare gesundheitliche Phänomene gezeigt hatten, heute im Pen- sionsalter sind und nicht mehr in den Statistiken der Invalidenversicherung auftauchen, sind es nun die Arbeitsmigranten der 1980er-Jahre, die ihre langjährige Erwerbstätig- keit aus gesundheitlichen Gründen zum Teil vorzeitig aufgeben müssen. Hinzu kommt, dass unqualifizierte Arbeitskräfte, die ihre angestammte Arbeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verrichten können, heute nur schwer eine alternative Arbeitsstelle finden. Vergleichsweise häufig sind die Haushalte dieser ehemaligen Arbeiter darum bis zum Erreichen des Pensionsalters auf die Unterstützung durch die Invalidenversiche- rung oder die Sozialhilfe angewiesen (vgl. Kapitel 2.2.2). schen Frauen – wie generell unter Frauen fen. Aber auch manche jüngere Menschen aus tiefen sozioökonomischen Schichten – leben unter nachteiligen sozioökonomi- Übergewicht und unter Männern das Rau- schen Bedingungen und/oder sind durch chen verbreitet. Bekanntlich erhöht dies Kriegstraumata oder eine belastende Ver- das Risiko von Herz-Kreislauf- bzw. von gangenheit gesundheitlich eingeschränkt. Lungen-Erkrankungen. Lehrkräfte berichten von kosovarischen Schülern mit innerfamiliären Kommuni- Expertenmeinung kationsproblemen, schlechten Wohnver- «Generell sind die Männer eher physisch hältnissen, Übermüdungssymptomen und und die Frauen eher psychisch überlastet. einem schlechten Ernährungs- sowie Frei- Es gibt viele Frauen mit psychosomatischen zeitverhalten (unregelmässige / einseitige Beschwerden. Sie bekommen körperliche Ernährung, wenig Sport, zum Teil häufiger Schmerzen wegen psychischer Belastun- Alkohol- und Cannabiskonsum). Zudem gen, aber sie stellen keinen Zusammen- beobachten Fachleute bei kosovarischen hang her zwischen Körper und Psyche.» Jugendlichen eine auffallend schlechte Kosovarischer Experte Zahngesundheit.

Von den genannten gesundheitlichen Pro- Statistische Daten zur Gesundheit der ko- blemen und Risiken sind besonders Mig- sovarischen Bevölkerung in der Schweiz ranten im fortgeschrittenen Alter betrof- gibt es kaum. Die folgenden Ausführun-

74 gen stützen sich im Wesentlichen auf eine Jahre nach Ende des Krieges in Kosovo Umfrage im Jahr 2004 und auf Zahlen der zeigte, dass zu diesem Zeitpunkt auf ein Invalidenversicherung.18 Die Auswertung Viertel der Studienteilnehmenden die Diag- der statistischen Angaben bestätigt ins- nose der posttraumatischen Belastungsstö- gesamt das hier gezeichnete Bild des ge- rung zutraf (Eytan et al. 2004). Es handelt sundheitlichen Zustands der kosovarischen sich dabei um eine Erkrankung, die bei Zugewanderten. Betrachtet man die Quote Flüchtlingen mit Gewalterfahrungen ver- der IV-Neurentner im Jahr 2007, so wird gleichsweise häufig beobachtet wird. ersichtlich, dass Personen aus den Nach- folgestaaten Jugoslawiens am häufigsten Interaktion mit dem Gesundheits- aufgrund psychischer Erkrankungen so- system wie Erkrankungen der Knochen und Be- Die Interaktion zwischen Menschen mit wegungsorgane eine IV-Rente beziehen Migrationshintergrund und dem Gesund- (Buri 2008). In der Gesundheitsumfrage heitssystem kann durch verschiedene Fak- im Jahr 2004 bezeichneten die Befragten toren erschwert werden. Dabei spielen aus dem ehemaligen Jugoslawien mit 11 % einerseits der Grad der Öffnung der Ge- (Asylsuchende aus Kosovo: 15 %) deutlich sundheitsinstitutionen (vielfaltorientiertes häufiger als Schweizer (2 %) ihren Gesund- Angebot, transkulturelle Kompetenz des heitszustand als schlecht oder gar sehr Personals) und in Einzelfällen auch Ein- schlecht. Rund zwei Drittel der befragten schränkungen aufgrund des Aufenthalts- Asylsuchenden aus Kosovo bewerten ihre status eine Rolle. Andererseits können momentane Gesundheit als gut oder sehr sich Hindernisse aus unterschiedlichem gut, bei den Schweizern sind es 88 % (Ab- Gesundheits- und Krankheitsverständnis, bildung 25). Dass Frauen ihre Gesundheit aus spezifischem Schamgefühl und indivi- in der Regel subjektiv schlechter einschät- duellen Gewohnheiten ergeben, aber auch zen als Männer, trifft auch auf die Koso- aus mangelnden Sprachkenntnissen und varen zu. geringem Vertrauen in die öffentlichen Ein- richtungen seitens der Migranten (Efionayi- Eine schlechte psychische Gesundheit wei- Mäder und Wyssmüller 2008). sen vor allem Asylsuchende auf. Die Zahl derjenigen, die sich wegen psychischer Als Gründe, die den Zugang zu adäquaten Probleme behandeln lassen, ist vergleichs- Behandlungsangeboten für kosovarische weise hoch (21 % Frauen, 17 % Männer). Zugewanderte der ersten Generation ein- Eine medizinische Studie zur psychischen schränken, nennen Fachleute die fehlende Gesundheit kosovarischer Flüchtlinge zwei Kenntnis der Versorgungsangebote und der Funktionsweise des schweizerischen 18 Im Jahr 2004 wurde eine Umfrage unter verschiedenen Mig- rantengruppen in der Schweiz durchgeführt, darunter auch Gesundheitssystems. Dies erkläre auch, Zugewanderte aus dem gesamten Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens und eine kleine Gruppe von Asylsuchenden warum zuweilen andere als die für eine aus Kosovo (BAG 2007, Gabadinho et al. 2007; Rommel et spezifische Situation vorgesehenen Ange- al. 2006). In den statistischen Daten der Invalidenversiche- rung gibt es nur die Kategorie «Ehemaliges Jugoslawien». bote genutzt werden. Die Angehörigen der

75 Kosovo (Asyl)

Sri Lanka (Asyl)

Schweiz

Italien

Deutschland/Österreich/Frankreich

Ehemaliges Jugoslawien

Portugal

Türkei

Sri Lanka

0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %

Sehr gut Gut Mittelmässig Schlecht Sehr schlecht

Abbildung 25: Selbstdeklarierter Gesundheitszustand nach Herkunft (in %) Quelle: Gesundheitsmonitoring der Migrationsbevölkerung (GMM) 2004 (Rommel et al. 2006)

Auswertung der Antworten auf die Frage: «Wie geht es Ihnen zurzeit gesundheitlich?» Daten gewichtet (mit Ausnahme Asylschende Kosovo und Sri Lanka) zweiten Generation wüssten aber in der Therapie). Dies kann zu Fehldiagnosen Regel schon deutlich besser Bescheid über führen oder bewirken, dass suboptimale das Funktionieren des hiesigen Gesund- Therapieformen angewendet werden (z.B. heitssystems als ihre Eltern. medikamentöse statt gesprächsorientierte Therapie). Laut Fachleuten werden beson- Sprachliche Verständigungsschwierigkeiten­ ders psychische Erkrankungen bei koso- können vorwiegend den Migranten der varischen Patienten zum Teil unzutreffend ersten Generation den Zugang zu einer diagnostiziert oder es wird aufgrund von angemessenen medizinischen Versorgung Kommunikationsschwierigkeiten bevor- erschweren. Kommunikationshindernisse zugt medikamentös behandelt. Eine Befra- sind nicht zu unterschätzen, stützt sich gung kosovarischer Asylsuchender im Jahr doch der medizinische Prozess primär auf 2004 ergab denn auch einen auffallend die sprachliche Interaktion zwischen Patient­ hohen Medikamentenkonsum: Jede achte und Fachperson (Anamnese, Diagnose, Person nahm täglich Beruhigungs-, jede

76 Gesundheitssystem in Kosovo weshalb sie kaum darauf geachtet haben. Ab Ende der 1980er-Jahre wurde das Sie haben ein Konzept von Krankheit, das Gesundheitssystem in Kosovo durch sich nur auf das Körperliche bezieht. Es staatliche Eingriffe stark eingeschränkt. fehlt ihnen zum Teil selbst in der Mutter- Die Entlassung der meisten Albaner aus sprache der Wortschatz, um über psychi- den staatlichen Gesundheitsdiensten sche Probleme zu sprechen. Sie äussern führte zu einer erheblichen medizini- sich sehr allgemein und sagen: ‹Ich habe schen Unterversorgung. Die in der Folge Sorgen.› Viele aus dieser Kategorie sind von den Kosovo-Albanern aufgebaute jedoch sowohl körperlich – durch jahrzehn- parallele medizinische Versorgung blieb telange Schwerstarbeit – als auch psychisch wegen bescheidener finanzieller Mittel erschöpft, sie haben eine ‹gebrochene oft unzureichend. Seele›.» Kosovarischer Experte zehnte Schlaf- und jede fünfte Schmerz- Vor allem Kosovaren der ersten Genera- mittel ein. tion haben zum Teil bis heute Probleme beim Zugang zu medizinischer Versorgung, Es ist zu bedenken, dass viele kosovarische gerade bei psychischer Erkrankung. Dies Betroffene selbst in ihrer eigenen Sprache liesse sich laut Fachleuten durch vermehr- kaum über ihr psychisches Befinden spre- ten Einsatz professioneller interkulturel- chen. Wissenschaftlich belegt ist, dass der ler Übersetzungsdienste vermindern. Die sozioökonomische Hintergrund generell meisten Ärzte verzichten bis jetzt aber auf Gesundheitsverständnis und -verhalten dieses Angebot, oft aus Kostengründen. stark prägt. Menschen aus sozioökono- Die vorhandenen Daten zeigen, dass in misch schwachen Verhältnissen erkennen erster Linie Frauen und betagte Männer oft den Zusammenhang zwischen körper- vergleichsweise oft den Arzt aufsuchen. lichen Symptomen und psychischer Ursa- Spitex-Dienste werden hingegen kaum ge- che nicht und tendieren dazu, psychische nutzt. Man stützt sich für derartige Dienst- Probleme nicht als Krankheit zu sehen. So leistungen in der Regel auf Mitglieder der lassen sich auch manche Kosovaren bei Familie. ernsthafter psychischer Erkrankung kaum (oder erst spät, öfter zu spät) behandeln, Auch Präventions- und Vorsorgemassnah- während bei körperlichen Beschwerden in men (etwa Krebsvorsorge) werden von der Regel rasch medizinische Hilfe bean- Kosovaren deutlich weniger häufig in An- sprucht wird. spruch genommen als von Schweizern. Dies hat vermutlich damit zu tun, dass Ge- Expertenmeinung sundheitsprävention für viele sozioökono- «Viele Kosovaren verstehen körperliche misch schlecht gestellte Migranten kein pri- Invalidität. Für psychische Probleme fehlt märes Bedürfnis ist. Auch darum wird diese ihnen jedoch das Verständnis, das Wissen,

77 Gruppe von solchen Angeboten teilweise schlecht erreicht.

Auch die wechselseitige Kommunikation zwischen Kosovaren und den Institutionen der Invalidenversicherung funktioniert oft nicht wunschgemäss. So fehlen etwa ziel- gruppenspezifische Informationen über das IV-Verfahren, welche Missverständnis- sen und falschen Erwartungen vorbeugen würden.

78 Weiterführende Literatur die Berufsbildung strukturieren. Wiesba- den: VS Verlag für Sozialwissenschaften. BAG (2007). Wie gesund sind Migrantin- nen und Migranten? Die wichtigsten Er- Meier, Christof und Michael Bischof gebnisse des Gesundheitsmonitorings der (2008). Arbeitspapier zu den Deutschkom- schweizerischen Migrationsbevölkerung. petenzen der Zürcher Bevölkerung. Eine Bern: Bundesamt für Gesundheit. Einschätzung auf der Basis vorhandener Daten. Zürich. BFM (2006). Probleme der Integration von Ausländerinnen und Ausländern in der Schader, Basil (2006). Albanischsprachige Schweiz: Bestandesaufnahme der Fakten, Kinder und Jugendliche in der Schweiz: Ursachen, Risikogruppen, Massnahmen Hintergründe, schul- und sprachbezogene und des integrationspolitischen Hand- Untersuchungen. Zürich: Verlag Pestaloz­ lungsbedarfs. Bern–Wabern: Bundesamt zianum. für Migration. Steiner, Olivier, Hector Schmassmann Dzihic, Vedran und Helmut Kramer und Ueli Mäder (2005). Lebensweltliche (2008). Der Kosovo nach der Unabhängig- Gewalt­erfahrungen Jugendlicher: Eine em- keit. Hehre Ziele, enttäuschte Hoffnungen pirische Studie über delinquente Jugendli- und die Rolle der internationalen Gemein- che. Bern. schaft. http://library.fes.de. Von Aarburg, Hans-Peter und Sarah Bar- Eisner, Manuel, Denis Ribeaud und Tuba bara Gretler (2008). Kosova–Schweiz: Topçoglu (2008). Indikatoren zur wirt- Die albanische Arbeits- und Asylmigration schaftlichen, sozialen und kulturellen Lage zwischen Kosovo und der Schweiz (1964– von immigrierten Minderheiten in der Stadt 2000). Münster: LIT-Verlag. Zürich. Zürich: Integrationsförderung der Stadt Zürich.

Fibbi, Rosita, Bülent Kaya und Etienne Piguet (2003a). Le passeport ou le di- plôme? Etude des discriminations à l’embauche des jeunes issus de la migra- tion. Neuenburg: Schweizerisches Forum für Migrations- und Bevölkerungsstudien.

Imdorf, Christian (2005). Schulqualifika- tion und Berufsfindung: wie Geschlecht und nationale Herkunft den Übergang in

79 2.3 Kulturelle, soziale diese in Kosovo selbst gesucht. und politische – Secondos haben einen anspruchsvollen Organisationsformen Spagat zwischen ihrer Herkunftskultur und derjenigen der Schweiz zu vollbrin- In Kürze gen. Das Leben zwischen beiden Welten – Die Mehrheit der Bevölkerung Koso- kann auch zu Konflikten mit den Eltern vos und der kosovarischen Migranten führen. ist muslimischen Glaubens. Bei einem – Seit dem Ende des Kosovokrieges 1999 grossen Teil dieser Bevölkerungsgruppe hat sich die bis dahin sehr aktive und steht jedoch die nationale Frage vor der stark politisch und national-folkloristisch Glaubensfrage. Mit der Religion wird all- geprägte Vereinslandschaft der koso- gemein ein eher pragmatischer Umgang varischen Bevölkerung gewandelt. Die gepflegt. Wenn, dann sind es eher die Zahl der Vereine ist massiv zurückgegan- Angehörigen der älteren Generation, gen und hat gleichzeitig eine Entpoliti- die der Religionsausübung eine grössere sierung erfahren. Neben der Pflege von Bedeutung beimessen. kosovarischen Traditionen widmen sich – Das albanische Gewohnheitsrecht, der heute einige Vereine vermehrt Fragen Kanun, spielt im gesellschaftlichen All- zur Integration in der Schweiz. tag des heutigen Kosovos und innerhalb der kosovarischen Migranten eher eine marginale Rolle. – Die in Kosovo lange dominierende traditionelle, patriarchal strukturierte Lebensform der Grossfamilie hat im letzten Jahrhundert aufgrund von gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Modernisierungsprozessen einen Bedeu- tungsrückgang erfahren. – Die traditionelle Rollenverteilung zwischen Mann und Frau ist sowohl in Kosovo als auch bei den kosovari- schen Zugewanderten in der Schweiz im Wandel begriffen. Vor allem die Erwerbstätigkeit von Frauen und die Auseinandersetzung mit der Schweizer Gesellschaft haben das traditionelle Rollenbild verändert. – Kosovarische Migranten wählen ihre Partner mehrheitlich innerhalb ihrer eigenen ethnischen Gruppe. Oft werden

80 2.3.1 Bedeutung des Glaubens Kulturbegriff und der religiösen Praktiken Mit dem Begriff Kultur werden hier – Kosovo zeichnet sich durch eine lange unter anderem soziale, religiöse, norma- und mehrheitlich friedliche Koexistenz der tive – Praktiken und Traditionen bezeich- islamischen, katholischen und serbisch- net, wie sie von den Mitgliedern einer orthodoxen Religionen aus. Rund 90 % Gesellschaft ausgeübt und überliefert der geschätzten 2,15 Millionen Einwohner werden. Es handelt sich hierbei um eine Kosovos bezeichnen sich als Muslime und Gesamtheit von Praktiken und Kennt- etwa 60 000 oder 3 % sind katholisch. Im nissen, die flexibel sind und sich ständig Allgemeinen wird die serbisch-orthodoxe weiterentwickeln. Glaubensrichtung mit der serbischen Eth- nie verbunden und dürfte deshalb bei rund Der Versuch, eine Bevölkerungsgruppe 5 % der Bevölkerung verbreitet sein (ICG kulturell zu erfassen, ist indes nicht 2001) (vgl. Kapitel 1). unproblematisch. Eine Überbetonung der kulturellen Komponente begünstigt Die serbisch-orthodoxe Kirche war Teil die Sichtweise, dass die Zugewanderten der nationalistischen Propaganda der ser- als Kollektiv von sich aus «anders» sind, bischen Führung, welche die albanische während die individuellen Eigenschaften Bevölkerung als Bedrohung für die Serben eines jeden Einzelnen, unabhängig von und ihr religiöses Erbe in Kosovo darzustel- dessen Herkunft, in den Hintergrund len versuchte. Ab Mitte der 1990er-Jahre treten. distanzierten sich allerdings Teile der Füh- rung der orthodoxen Kirche von der Politik Im folgenden Kapitel geht es deshalb der Gewalt des damaligen Regierungschefs nicht darum, die kosovarische Bevölke- Milosevic. Trotz der klaren Trennung der rungsgruppe anhand kultureller Merk- religiösen Ausrichtungen entlang ethni- male zu beschreiben. Vielmehr sollen scher Linien und deren propagandistischen diejenigen kulturellen Elemente (Prakti- Instrumentalisierung durch die serbisch ken und Traditionen) sowie damit zusam- geprägte Führung war die Religion kein menhängende Veränderungsprozesse entscheidender Faktor im Kosovokonflikt etwas näher beleuchtet werden, die das zwischen Serben und Albanern (ICG 2001). Leben der kosovarischen Gemeinschaft in der schweizerischen Gesellschaft auf Die Religion hat in Kosovo insbesondere für die eine oder andere Weise mitprägen. die albanische Bevölkerung eine unterge- ordnete Rolle gespielt. Vor der Glaubens- frage stand stets die Frage nach der natio- sche Haltung in ihrer Religionsausübung. nalen Identität, und diese war und ist stark So gehen beispielsweise nur wenige Leute an die albanische Sprache gebunden. Die regelmässig in die Moscheen zum Beten, mehrheitlich muslimischen Kosovo-Albaner und das Tragen des Kopftuchs ist, abge- haben dementsprechend eine pragmati-

81 sehen von den eher älteren Frauen, wenig In vielen Gesprächen wurde von Angehöri- verbreitet (ICG 2001). gen der kosovarischen Bevölkerung positiv hervorgehoben, dass sie in der Schweiz ih- Der Vorrang der nationalen Frage vor der ren Glauben frei und ohne Diskriminierung Glaubensfrage und der generell pragma- praktizieren können. tische Umgang mit der Religion gelten auch für die kosovarische Bevölkerung in 2.3.2 Die albanische Familien- der Schweiz. Es sind eher die Angehörigen und Gesellschaftsstruktur der älteren Generationen, die der Religions­ und die Rolle des Kanuns ausübung eine grössere Bedeutung bei- Die Gesellschaftsstruktur Kosovos war messen. insbesondere in den ländlichen Gebieten lange Zeit stark geprägt von der auf dem Viele der vor allem in den 1990er-Jahren Balkan mehrheitlich vorherrschenden Form aktiven kosovo-albanischen Vereinigungen der Grossfamilien, denen bis zu 100 Mit- waren nicht religiös, sondern eher politisch glieder angehörten. Innerhalb eines Haus- und folkloristisch ausgerichtet (vgl. Kapitel haltes waren die männlichen und weibli- 2.3.5). Dennoch haben sich in der Schweiz chen Bereiche klar getrennt: Während die auch zahlreiche religiöse Organisationen Frauen für die Kinder und den Haushalt für die albanischsprachige Bevölkerungs- zuständig waren, regelten die Männer gruppe herausgebildet. Heute gibt es den Aussenbereich. Die klare Rollenteilung Dutzende grössere und kleinere islamisch- führte dazu, dass eine Zusammenarbeit albanische Gemeinschaften, die zum Teil oder Absprachen über das tägliche Leben auch in kantonale islamische Dachorgani- für die Eheleute kaum nötig waren. Diese sationen integriert sind (zum Beispiel die Grossfamilien bildeten sich in Zeiten he- Vereinigung der Islamischen Organisatio- raus, als in der Region nur schwach aus- nen in Zürich und die Islamische Gemeinde gebildete staatliche und wirtschaftliche Luzern). Kosovaren mit katholischer Glau- Strukturen bestanden und die Subsistenz- bensrichtung treffen sich in sogenannten wirtschaft (Selbstversorgung) praktisch die katholischen Albanermissionen (Aarau, einzige Wirtschaftsform darstellte. Abge- Bern, Littau, Sirnach, Zürich), die sich of- sehen von der wirtschaftlichen Funktion fenbar über grossen Zulauf insbesondere erfüllte diese Familienform auch zentrale junger Leute erfreuen. Die serbisch-ortho- soziale Funktionen wie die Versorgung der doxe Kirche verfügt unter anderem über älteren oder kranken Familienmitglieder eine grosse Kirchgemeinde in Zürich.19 In oder die Kinderbetreuung (Kaser 1995; Belp (Kanton Bern) wurde im Jahr 2009 BFF 2000). die erste serbisch-orthodoxe Kirche der Schweiz in Betrieb genommen. Die traditionelle albanische Familienstruk- tur basiert auf vier Pfeilern. Das erste Ele- ment ist die patrilineare Abstammung, die 19 Siehe auch www.sokg.ch besagt, dass Blutsverwandtschaft nur über

82 die väterliche Linie weitervererbt werden der sogenannte Kanun20. Massgebend kann. Der zweite Pfeiler ist die Exogamie, innerhalb der albanischstämmigen Bevöl- wonach nur ausserhalb der Familie respek- kerung waren primär die Regeln des Ka- tive des Clans geheiratet werden darf. Das nuns und nicht staatliche Gesetzgebungen. dritte Element besteht darin, dass die Frau Der alte, hauptsächlich mündlich über- bei der Hochzeit in das Haus ihres Mannes lieferte Lebens- und Moralkodex regelte (Patrilokalität) zieht. Der vierte Pfeiler ist das unter anderem die Familienhierarchie, Erb- traditionelle Erbgesetz, welches zur Folge schaftsfragen und Streitigkeiten sowie ge- hat, das jegliches Erbe nur von Männern an sellschaftliche Abläufe wie Rituale von Fes- Männer vererbt werden kann. Diese famili- ten, Hochzeiten und Begräbnissen. Einen ären Strukturen waren die Basis für männli- wichtigen Stellenwert in diesem Regelwerk che Dominanz und Unterordnung der Frau nahm das Prinzip der Gastfreundschaft in der traditionellen albanischen Familie ein, was die kosovarische Gesellschaft bis (Hartmann Kunkel 1996; Backer 2003). heute stark prägt. Der ausserhalb des alba- nischsprachigen Raumes wohl bekannteste Den zentralen Bezugrahmen für das Leben Bestandteil dieses Regelwerks betrifft die und Praktizieren albanischer Traditionen Blutrache. Diese besagt, dass die Tötung bildete das albanische Gewohnheitsrecht, eines Mannes vergolten wird, indem ein

20 Der Kanun, der heute in schriftlicher Form vorliegt, wurde 1913 vom albanischen Franziskanerpater Shtjefën Gjëçovi zusammengestellt und als «Kanun von Lek Dukagjini» veröffentlicht (Gjëçovi 2001).

83 männliches Familienmitglied des Opfers Expertenkreisen eine gewisse Uneinigkeit. gegenüber einem männlichen Verwandten In einer Publikation der Bundesbehörden des Täters Gleiches tut (Gjëçovi 2001; Ibra- war im Jahr 2000 noch von einer «mass- himi, Gretler 1991; Kadare 2007). gebenden» Rolle des Kanuns in der koso- varischen Gesellschaft die Rede (BFF 2000: Wirtschaftliche und gesellschaftliche Mo- 4). In einer Studie aus dem Jahr 2004 kam dernisierungsprozesse sowie die neuen die Schweizerische Flüchtlingshilfe zum staatlichen Strukturen in der ehemaligen Schluss, dass die Bedeutung der Tradition Sozialistischen Föderativen Republik Jugo- im heutigen Kosovo zwar abnehme, aber slawien (1945–1991), die mit ihren ökono- dennoch eine «nicht zu unterschätzende mischen und sozialen Programmen immer Rolle im Alltag vieler Menschen» spiele mehr die Funktionen der Grossfamilien (SFH 2004). Die Mehrheit der Befragten im ersetzten, führten zu einer Aufweichung – Rahmen dieser Publikation war der Mei- nicht aber zum Verschwinden – dieser tra- nung, dass die Bedeutung des Kanuns in ditionellen Familienform. Dies betrifft auch heutiger Zeit gemeinhin stark überschätzt die Rollenverteilung innerhalb der Familie. werde. Sie betonten, dass dieser sowohl in Kosovo als auch innerhalb der kosova- In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts rischen Bevölkerung insgesamt nur noch verlor auch der Kanun immer mehr an Be- eine marginale Rolle spiele. Andere wie- deutung. Entscheidend dafür waren unter derum weisen darauf hin, dass in den letz- anderem ein starkes Justizsystem, die Ein- ten Jahren besonders in Westkosovo das führung neuer Familien- und Erbgesetze, Phänomen der Blutrache wieder vermehrt die von der sozialistischen Führung im ehe- zu beobachten sei. Dass einzelne Familien maligen Jugoslawien propagierte Gleichbe- in Kosovo und in der Schweiz dem Ka- rechtigung der Geschlechter sowie eine in nun eine wichtige Bedeutung beimessen, den letzten Jahren verstärkt liberale Grund- schliessen jedoch auch die Befragten nicht haltung der Gesellschaft. Insbesondere die aus. Es kann davon ausgegangen werden, Tradition der Blutrache ist in den vergan- dass die Relevanz des Kanuns in Abhängig- genen Jahrzehnten stark zurückgegangen. keit vom sozialen Milieu der betreffenden Sie ist heute nur noch in wenigen Einzel- Personen variiert. In ländlichen Gebieten fällen – meist in abgelegenen Bergdörfern in Kosovo wird dieser eher eine Rolle spie- im Westen Kosovos – die Ursache von len als in den urbanen Gebieten, etwa der Tötungsdelikten (Hartmann Kunkel 1996; Hauptstadt Pristina, die sich in starken ge- Braunschweig, Krebs und Moser 1998; sellschaftlichen Modernisierungsprozessen Kaser 1995; SFH 2004). befinden (SFH 2004: 17). Innerhalb der kosovarischen Bevölkerung ist der Kanun Wo und inwieweit der Kanun als Moral- am ehesten noch unter Angehörigen der und Verhaltenskodex heute für das Fami- älteren, mehrheitlich aus ländlichen Ge- lienleben und die Gesellschaftsordnung bieten zugewanderten Generation von noch massgebend ist, darüber herrscht in einer gewissen Bedeutung. Für die meist

84 gut gebildeten ehemaligen anerkannten 2.3.3 Familienorganisation Flüchtlinge, von denen viele aus einem In den Jahrhunderten der Fremdbestim- urbanen Umfeld stammen, oder für die mung war die Familie die einzig funktionie- teilweise oder ganz in der Schweiz aufge- rende und vertrauenswürdige «Institution» wachsenen Kinder der Gastarbeiter ist dies für die Menschen in Kosovo. Der familiäre hingegen kaum mehr der Fall. Viele dieser Zusammenhalt war für das Überleben zen- Kinder wissen oft nicht einmal, worum es tral: Nur in einem starken Familienverband sich beim Kanun handelt. konnte man vor allem wirtschaftlich, aber auch sozial den schwierigen Umständen Befragte Fachleute weisen im Zusammen- standhalten. Der Begriff Familie hat denn hang mit Traditionen allerdings auf ein auch für Menschen aus Kosovo eine an- interessantes Phänomen hin: Sie beob- dere Bedeutung als für Schweizer. In der achteten, dass die in der Schweiz lebende Schweiz umfasst das Wort Familie meist kosovarische Bevölkerung in der Tendenz nur die direkten Angehörigen wie Eltern stärker an Traditionen festhält als die und Kinder und allenfalls noch Grosseltern Landsleute in Kosovo selbst. Einige haben und Grosskinder. In Kosovo hingegen hat gar den Eindruck, dass Teile der kosovari- der Begriff einen viel weiteren Rahmen. schen Migranten in der Zeit stehen geblie- Dort gehören beispielsweise auch Gross- ben sind, während die kosovarische Ge- nichten und -neffen oder Grosscousinen sellschaft grosse Modernisierungsprozesse und -cousins noch zum engeren Familien- durchlaufen hat. Dieses Phänomen – man kreis. Ihnen gilt ebenfalls Loyalität und Soli- spricht hier von «sekundärer Traditionalisie- darität (Hartmann Kunkel, 1996). rung» (Schiffauer 1997) – ist allerdings bei den meisten Migrantengruppen zu finden. Familiennachzug in die Schweiz fand erst in den 1990er-Jahren in grossem Umfang In einem Forschungsbericht aus dem Jahr statt. Zuvor war Arbeitsmigration ins Aus- 2006 wird argumentiert, die Migration land mehrheitlich Männersache (vgl. Kapi- fördere konservative Tendenzen im ländli- tel 2.1.2). Die Frauen und Kinder verblieben chen Kosovo. Während die Männer, die in zu Hause in den grossfamiliären Haushalten nahe gelegenen Städten in Kosovo Arbeit ihrer Männer und Väter. Durch den Nach- gefunden hatten, liberalere Haltungen an- zug in die Schweiz fanden sich viele dieser nahmen, bestanden die Arbeitsmigranten Frauen und Kinder in einer ungewohnten im Ausland, die ihre Familie selten besu- Kleinfamiliensituation wieder. «In der Tat chen konnten, auf einem «strikten mora- brachte der völlig unerwartete und unre- lischen Konservatismus», um ihre Frauen flektierte Wechsel vom Selbstversorger- und Töchter während ihrer Abwesenheit in kollektiv zur lohnabhängigen Kleinfamilie Sicherheit zu wissen (ESI 2006: 9 f.). die traditionelle Anordnung der Aufgaben durcheinander» (von Aarburg und Gretler 2008: 300). Vor allem die Frauen waren auf die veränderten Aufgaben und die anders

85 gelagerte Verantwortung nicht vorbereitet. Erst nach und nach, bedingt unter ande- Während früher Pflichten wie Haushaltfüh- rem durch den erhöhten finanziellen Be- rung und Kinderbetreuung gemeinsam von darf der Familie in der Schweiz, aber auch allen Frauen des gleichen Grosshaushaltes ihrer Angehörigen in Kosovo, erhöhte sich erledigt wurden, fielen ihnen diese Aufga- der Druck auf die Frauen zur Aufnahme ben nun ganz allein zu. Erschwert wurde einer Erwerbstätigkeit (vgl. Kapitel 2.2.2). diese Situation durch das neue und unbe- Dies führte auch dazu, dass sich das tradi- kannte Umfeld und durch die fehlenden tionelle Rollenmuster etwas aufzuweichen Sprachkenntnisse. Viele dieser Frauen der begann. Die hier lebenden Paare mussten ersten Generation nahmen vorerst keine sich vermehrt mit den Widersprüchen aus- Erwerbstätigkeit auf, um sich der Betreu- einandersetzen, die zwischen den traditio- ung ihrer Kinder zu widmen. Mangelnde nellen Verhaltensmustern und den neuen Kommunikationsmöglichkeiten und feh- Realitäten entstanden (von Aarburg und lende Beziehungen zu ihrem Schweizer Gretler 2008: 378). Frauen sind heute Umfeld führten dazu, dass diese Frauen oft dementsprechend auch vermehrt der sehr isoliert waren. Dazu kam ein Gefühl Mehrfachbelastung zwischen auswärtiger der Überforderung mit der Erziehung der Erwerbstätigkeit, Hausarbeit und Kinder­ Kinder (von Aarburg und Gretler 2008). erziehung ausgesetzt.

Erkennbar ist eine Tendenz zu einer neuen Form des Zusammenlebens als Mehrgene-

86 rationenfamilie. Es ist unter albanischen Fa- wird vergleichsweise jung. Im Jahr 2000 milien in der Schweiz nicht unüblich, dass war rund die Hälfte der 20-jährigen Alba- bei der Heirat des Sohnes die Braut in den nerinnen in der Schweiz bereits verheiratet Haushalt ihrer Schwiegereltern einzieht. (von Aarburg und Gretler 2008). Grund Für die junge Frau kann diese Lebensform dafür ist einerseits, dass sexuelle Kontakte Vor- und Nachteile haben. Sie ist einerseits vor der Ehe vor allem für die jungen Frauen einer stärkeren sozialen Kontrolle durch vermieden werden sollen. Andererseits ihre Schwiegereltern unterworfen, was oft kann es durchaus auch als Emanzipations- zu einer eher traditionellen Rollenvertei- bemühung junger Frauen gewertet wer- lung zwischen den Ehepartnern führt. An- den, welche so der strengen elterlichen dererseits erfährt sie eine Entlastung in der Kontrolle entkommen wollen (von Aarburg Kinderbetreuung und bei der Hausarbeit. und Gretler 2008). Auch für die Schwiegereltern hat diese Le- bensform Vorteile. Sie sind auf diese Weise Die Partnerwahl wie auch das Rollenver- nicht nur finanziell abgesichert, sondern ständnis zwischen Frau und Mann sind haben im Krankheitsfall auch die Möglich- in der kosovarischen Bevölkerung in der keit der familieninternen Pflege zu Hause. Schweiz einem Wandel unterworfen. Auch bei der zweiten Generation werden aber Es zeichnet sich ab, dass es in der zweiten mehrheitlich Partner aus der gleichen eth- Generation zu einer weiteren Aufweichung nischen Gruppe bevorzugt. Damit entspre- des traditionellen Rollenverständnisses chen die jungen kosovarischen Migranten kommt. Eine Ausnahme bilden hier zum oft einem Wunsch, manchmal gar einem Teil die Eheschliessungen mit Partnern aus Druck der Eltern. Noch heute werden die Kosovo. Besonders bei Eheschliessungen Partner mehrheitlich in Kosovo gesucht. von in der Schweiz lebenden Männern mit Für die meisten jungen Menschen in Ko- Frauen aus Kosovo kommt es unter Um- sovo bedeutet die Heirat die einzig mög- ständen zu einer Zementierung der tradi­ liche legale Art zur Migration. Ehepartner tionellen Rollenverteilung. aus der Schweiz sind dementsprechend begehrt. Partnerwahl, Eheschliessung und Scheidung Die Suche nach einem Partner kann auf Für junge Kosovarinnen sind Partnerwahl verschiedene Weise erfolgen. Oft ge- und Eheschliessung einschneidende Mo- schieht dies während der Sommerferien mente. Im traditionellen Verständnis wech- im Herkunftsland, wo sich junge Männer selt die Frau zum Zeitpunkt der Hochzeit und Frauen im Ausgang frei begegnen und unter die Autorität ihres Mannes und ihrer kennen lernen können. Moderne Kommu- Schwiegerfamilie. Die formelle Ziviltrauung nikationsformen wie Internetchats und In- spielt keine grosse Rolle. Wichtig ist die ternettelefonie sind ebenfalls viel genutzte zeremonielle Heirat, bei der die Braut ins Möglichkeiten für erste Annäherungen. Haus des Ehemannes übertritt. Geheiratet Nicht selten sind es aber auch sogenannt

87 arrangierte Ehen. Arrangierte Eheschlies- von Zwangsheiraten. In seinem Bericht sungen sind auch bei der jungen Genera- zur Strafbarkeit von Zwangsheiraten und tion, sofern sie auf Freiwilligkeit und nicht arrangierten Heiraten hielt der Bundesrat auf Druck beruhen, akzeptiert. Bei dieser mit Verweis auf Studien der Fondation Form der Partnersuche spielen meist Fami- Surgir und zwangsheirat.ch Folgendes lienmitglieder oder Bekannte der Familie fest: «Betroffen sind vornehmlich patri- eine Vermittlerrolle. archalisch strukturierte, traditionalistisch orientierte Gemeinschaften verschiedener Expertenmeinung Glaubensgemeinschaften».21 Dazugezählt «Die Vorauswahl übernimmt die Familie werden auch muslimische und katholische und die zu verheiratende Frau wird relativ Kosovaren. spät in den Auswahlprozess miteinbezo- gen. Status, Ruf der Familie und Schönheit Zu Schwierigkeiten kann es bei einer Ehe des Partners sind die wichtigsten Kriterien. mit einem Partner aus Kosovo kommen, In Kosovo sind in der Schweiz lebende wenn durch den Wissens- und Erfahrungs- Kandidaten sehr begehrt. Eine Vermitt- vorsprung der bereits hier lebenden Person lungsperson (Misit) präsentiert verschie- das «Machtgefälle» sehr ausgeprägt ist. dene Vorschläge, wovon die Familie meist Die Abhängigkeit der frisch eingereisten zwei bis drei auswählt. Damit stimmen die Person vom Ehemann oder von der Ehe- äusseren Faktoren, und es geht nur noch frau kann so ausgesprochen gross sein. Im darum, ob sich das Paar ‹gefällt›. Meist Falle einer Beziehung eines aus Kosovo ein- erfolgen Verlobung und zivile (formelle) gereisten Mannes mit einer in der Schweiz Heirat rasch (noch in den Sommerferien aufgewachsenen Kosovarin können die in Kosovo), damit der Familiennachzug in jeweiligen Wert- und Rollenvorstellungen die Schweiz ohne Verzögerung vollzogen weit auseinanderklaffen. Wie in anderen werden kann. Die richtige Hochzeit kommt bikulturellen Beziehungen auch, kommt später in Kosovo – meist liegt ein Jahr zwi- es dann darauf an, wie die Person mit der schen der Verlobung und der Hochzeit –, Tatsache umgeht, dass sie oder er sich in und in der Zwischenzeit leistet der Mann der Schweiz besser zurechtfindet. Teilweise finanzielle Unterstützung für die Hochzeits- werden aber gerade auch Partnerinnen aus vorbereitungen. Wenn der Mann aus Ko- Kosovo gewählt, um die traditionelle Rol- sovo kommt, wird er möglichst rasch in die lenverteilung in der Schweiz aufrechtzu­ Schweiz geholt, damit er hier arbeiten und erhalten. die Hochzeit finanzieren kann.» Kosovarische Expertin Die Befragten sprechen aus diesen Grün- den von einer Tendenz zu einer erhöhten Schwierigkeiten entstehen bei arrangier- Scheidungsrate, insbesondere bei arran- ten Ehen dann, wenn Druck ausgeübt wird 21 Schweizerischer Bundesrat. Strafbarkeit von Zwangshei- und die Partnerwahl nicht auf Freiwillig- raten und arrangierten Heiraten. Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulates 05.3477 der Staatspolitischen keit beruht. Man spricht in diesen Fällen Kommission des Nationalrats vom 9.9.2005 S. 6 f.

88 gierten Ehen. Die Scheidung einer sol- sind als die Mädchen. Das vermittelt den chen Ehe kann für beide Eheleute weitrei- Eindruck, als gäben die Mädchen den El- chende Konsequenzen haben. Wenn sich tern keine Probleme auf. Das ist aber nicht eine Person bei der Scheidung noch keine wirklich der Fall. Denn es gibt heute zum fünf Jahre in der Schweiz befindet, ist die Beispiel immer mehr Fälle, in denen die Wahrscheinlichkeit gross, dass er oder sie Mädchen wegen der Wahl ihres Partners das Aufenthaltsrecht in der Schweiz verliert familiäre Probleme bekommen. Die meis- und nach Kosovo zurückkehren muss. Vor ten Familien wünschen, dass ihre Tochter allem Frauen werden dort als Geschiedene einen Mann heiratet, der kosovarischer noch immer stigmatisiert, und die Chancen Herkunft ist. Eine kosovarische Tochter, die auf eine neue Eheschliessung sind gering. einen Afrikaner heiraten möchte, ist für die Aus diesen Gründen versuchen jene, die im Familie eine Katastrophe.» Ausland leben, einen Ehemann oder eine Sozialarbeiter Ehefrau in der kosovarischen Bevölkerung in der Schweiz oder im nahen Ausland zu Früher waren Scheidungen sehr selten. Vor finden. Die Partner sind sich durch die be- allem für Eheleute der ersten Generation reits geleisteten Integrationsbemühungen war die Trennung vom Partner ein Tabu. ebenbürtiger. Scheidungen hatten insbesondere für die Frau weitreichende, negative Konsequen- Binationale Partnerschaften waren vor al- zen. Die Frau wurde bei einer Scheidung lem in den 1990er-Jahren keine Seltenheit. zurück ins Elternhaus geschickt und die Damals kamen viele alleinstehende junge Kinder wurden der Familie des Mannes zu- Männer aus politischen Gründen und gesprochen. Ihre Chancen auf eine erneute im Asylstatus in die Schweiz (vgl. Kapitel Heirat waren gleich null. 2.1.2). Sie hatten einerseits keine familiä- ren Verpflichtungen im Heimatland, ande- Durch die zunehmende Arbeitstätigkeit rerseits war die Heirat mit einer Schweize- der Frauen ausser Haus – nicht nur in der rin oder einer Migrantin mit gesichertem Schweiz, sondern auch in Kosovo – haben Aufenthaltsstatus eine Möglichkeit zum sich ihre finanziellen Möglichkeiten verbes- Verbleib in der Schweiz. Heute kommen sert, und ihr Selbstvertrauen, allein leben binationale Eheschliessungen unter der zu können, hat zugenommen. Die Befrag- zweiten Generation zwar vor, die Mehrheit ten sind sich einig, dass die Scheidungen zieht aber eine Ehe mit einer Angehörigen bei den in der Schweiz lebenden Kosovaren der gleichen Ethnie vor. Binationale Part- zugenommen haben, es wird jedoch ver- nerschaften werden eher von Männern mutet, dass die Scheidungsrate weiterhin eingegangen. unter derjenigen von Schweizer Ehen liegt.

Expertenmeinung «Es scheint, dass bei den Kosovaren die Jungen (die Jugendlichen) schwieriger

89 2.3.4 Secondos Begriff Secondos Wenn wir weiter oben von einer strikten Bei den kosovarischen Migranten muss Rollenverteilung zwischen den Geschlech- der Begriff der zweiten Generation, oder tern in der traditionellen kosovarischen der Secondos, leicht angepasst werden. Gesellschaft sprechen, kann dies durchaus Grund dafür ist, dass der Familiennach- auch auf das Verhältnis zwischen Eltern zug mehrheitlich erst in den 1990er- und Kindern übertragen werden. Die länd- Jahren stattfand. Wir sprechen hier im liche Familie in Kosovo ist durch ein klares Zusammenhang mit den Secondos auch Hierarchie- und Autoritätsverhältnis vor al- von Kindern und Jugendlichen, die als lem zum Vater geprägt. Der Entfaltung des kleine Kinder hierherkamen oder die hier Individuums wurde keine grosse Bedeu- geboren wurden und deren Mütter erst tung beigemessen, denn das Kind sollte seit kurzer Zeit in der Schweiz lebten sich bald in den Dienst der Grossfamilie (Osmani 2009). stellen. Spielsachen gab es wenige, soge- nannt pädagogische Spiele waren weit- gehend unbekannt. Im Gegensatz dazu sätzliche Entwicklungsaufgaben zu bewäl- hatte das Kind eine sehr grosse räumliche tigen. Neben den allgemeinen universalen Bewegungsfreiheit, die sich auch auf Hof Entwicklungen des Jugendalters, zu denen und Feld bezog, sowie ausgedehnte Mög- der Ablösungsprozess von den Eltern ge- lichkeiten zu sozialen Beziehungsnetzen hört, kommen spezifische transkulturelle über die Generationen hinweg (Hartmann Integrationsaufgaben auf sie zu (Osmani Kunkel 2006). 2009). Der Grossteil der Jugendlichen be- wältigt diese Mehrfachaufgaben ohne be- In den von ländlicher Tradition geprägten sondere Probleme. Grossfamilien stellte der Übergang zum Le- ben in der Kleinfamilie im Schweizer Um- Eltern aus Kosovo vermitteln ihren Kin- feld nicht nur für die Eltern, sondern auch dern oft einen Doppelauftrag: Auf der ei- für die Kinder eine grosse Veränderung dar. nen Seite wollen sie, dass sich ihre Kinder möglichst gut in Schule und Gesellschaft Kinder und Jugendliche mit Migrations- einfügen und ihre Chancen auf einen so- hintergrund aus verschiedenen nationalen zialen Aufstieg wahrnehmen. Auf der an- und ethnischen Gruppen sind mit ähnli- dern Seite wird die Schweizer Gesellschaft chen Herausforderungen im Alltag kon- zuweilen auch als bedrohlich und entfrem- frontiert: Allen gemein ist der Balanceakt, dend erfahren. Besonders Eltern, die die den sie erbringen müssen zwischen den in traditionelle Lebensform internalisiert ha- der Familie überlieferten Werten, Normen ben, fordern deshalb von ihren Kindern, und Lebensweisen und jenen, die im heu- dass sie die gewohnten familiären Struk- tigen Leben in der Schweiz gelten. Diese turen und die heimatliche Kultur nicht ver- Kinder und Jugendlichen haben im Ver- raten (Hartmann Kunkel 2006). Dies bringt gleich zu einheimischen Jugendlichen zu- Kinder und Jugendliche in einen Konflikt:

90 Wenn sie sich zu sehr mit den traditionellen abheben. Nicht selten werden sie dabei Werten und Verhaltensmustern ihrer Eltern überfordert. Diese Überforderung kann identifizieren, kann dies einen Konflikt mit dann zu auffälligem Verhalten oder auch der schweizerischen Lebenswelt zur Folge Delinquenz führen (Osmani 2009). haben. Wenden sie sich hingegen zu sehr der hiesigen Lebensform zu, können Span- Unterschiedliche Ansichten können aufein­ nungen mit den Eltern entstehen. Nicht andertreffen, wenn es um die Beziehung selten führt dies zu einem Loyalitätskon- zwischen Jugendlichen und Elternhaus flikt, der sich auch negativ auf den Schuler- geht. Während in der Schweiz die Erzie- folg auswirken kann. hung der Kinder auf eine Ablösung im jun- gen Erwachsenenalter abzielt und deshalb Rollenkollisionen in der Familie sind keine auf Autonomie und Unabhängigkeit hinar- Seltenheit. Diese entstehen meist durch beitet, ist vor allem für männliche Jugend- die mangelnden Sprachkenntnisse der El- liche in der traditionellen kosovarischen tern. Die Kinder und Jugendlichen nehmen Familie eine Trennung nicht vorgesehen. dann eine Vermittlerfunktion zwischen El- Vielfach verbleiben die jungen Männer bis ternhaus und Regeleinrichtungen ein. Sie zu ihrer Hochzeit – zum Teil auch noch da- erleben dadurch die gesellschaftliche Situa­ nach – in ihrer (Gross-)Familie. Auch später tion ihrer Eltern als prekär und möchten bleiben sie ihrer Herkunftsfamilie noch sehr sich von der sozialen Position ihrer Eltern eng verbunden (Hartmann Kunkel 2006).

91 Kosovarische Jugendliche treffen spätes- In der Pubertät treten die geschlechtsspe- tens in der Schule und in ihrem Freundes- zifischen Erziehungsmuster kosovarischer kreis auf andere Ansichten zu selbststän- Eltern deutlich zutage. Zwar erwarten die diger Lebensweise und Autonomie. Ihren meisten kosovarischen Eltern auch von schweizerischen Kollegen nachzueifern, ihren Töchtern, dass sie sich angemessen bringt sie einmal mehr in ein Spannungs- in der Schule engagieren und durch ihre verhältnis zur Lebenswelt ihrer Eltern und spätere Berufstätigkeit zum Familienein- kann zu Identitätsproblemen führen. Die kommen beitragen. Gleichzeitig fürchten Kinder und Jugendlichen «können sich sie sich auch vor dem schädlichen Einfluss nicht mit allen Werten und Normen ihrer der Aussenwelt auf ihre Töchter. Diese Herkunft identifizieren. Als Schweizer füh- sind deshalb meist unter stärkerer Kon­ len sie sich nicht, obwohl sie viele Werte trolle ihrer Eltern als ihre Brüder. Befürch- und Normen der Mehrheitsgesellschaft tet werden vor allem voreheliche sexuelle übernommen und internalisiert haben. Die Kontakte, die nach traditioneller kosovari- Mehrheitsgesellschaft akzeptiert sie nicht scher Ansicht tabuisiert und verboten sind. immer als Schweizer, obwohl die meisten Intime Beziehungen – vor allem auch mit von ihnen hier geboren und sozialisiert einem nicht kosovarischen Partner – kön- sind. Die Transkulturalität wird weiterhin nen dem Ansehen und der Ehre der jungen nicht als Ressource geschätzt» (Osmani Frau, aber auch ihrer Familie stark schaden. 2009: 3). Aus persönlicher Sicht Die unterschiedlichen Vorstellungen und «Die Vorstellungen über die Geschlechter- Erwartungen an das Leben in der Schweiz rollen haben begonnen, sich zu verändern; können zu einem weiteren Generationen- das ist aber ein bisschen schwierig, weil je konflikt führen. Die Angehörigen der ers- nach Familie die Männer auf den traditio- ten Generation hatten früher klar vor Au- nellen Rollen bestehen. Es kommt schon gen, weshalb sie in der Schweiz waren: Ihr noch vor, dass weibliche und männliche Aufenthalt hatte das Hauptziel, die Familie Jugendliche nicht dieselben Möglichkeiten in Kosovo zu unterstützen. Entsprechend haben, was Ausgang und Ähnliches be- entbehrungsreich und aufopfernd war ihr trifft. Ich habe Freundinnen, welche 16-jäh- Lebensstil. Alles war auf eine Rückkehr aus- rige Töchter haben und diese nicht überall gerichtet. Die jungen Kosovaren heute ha- dorthin gehen lassen, wo der Bruder hin- ben andere Perspektiven: Ihr Leben ist auf geht. Meine Freundinnen wissen zwar im die Schweiz ausgerichtet, und sie möchten Grunde, dass das nicht richtig ist, aber sie am hiesigen «Lifestyle» und am sozialen schaffen es in diesem Punkt einfach irgend- und ökonomischen Aufstieg teilhaben. Sie wie nicht, die traditionelle Sichtweise hin- haben deshalb höhere Erwartungen an das ter sich zu lassen. Junge kosovarische Mäd- Leben hier. chen müssen darum oft noch um gewisse Freiheiten kämpfen, die hier für junge Frauen selbstverständlich sind.»

92 Kosovarin, seit Anfang der 1980er-Jahre in ren Zahl wuchs im Verlauf der Jahre stets der Schweiz weiter an. Gleichzeitig gab es zunehmend Organisationen mit politischem Charakter, 2.3.5 Die soziale Organisation ­der die von Kosovo ausgingen und deren Zen- Kosovaren in der Schweiz trum weiterhin in Kosovo lag. Diese Orga- Das soziale Leben der Kosovaren in der nisationen weiteten ihren Einfluss alsbald Schweiz hat sich besonders in den vergan- auf sämtliche Klubs und Vereine aus (vgl. genen drei Jahrzehnten deutlich verändert. Kapitel 2.4.3). Dies liegt vor allem an den sozioökonomi- schen und politischen Veränderungen im In den 1990er-Jahren waren die verschie- Herkunftsland (vgl. Kapitel 1.2). denen Organisationen in der Schweiz als Vereine eingetragen. Sie spielten jedoch Während die einst vor allem aus Männern namentlich im Rahmen der politischen Mo- bestehende kosovarische Bevölkerung in bilisierung der Kosovaren in der Schweiz der Schweiz bis Ende der 1970er-Jahre be- eine grundlegende Rolle.22 In dieser Zeit stimmte Klubs unter Kontrolle der dama- gab es in weitgehend allen Kantonen und ligen jugoslawischen Botschaft besuchte, Gemeinden der Schweiz einen von Ko- änderte sich die Situation ab den 1980er- sovaren geführten Klub oder Verein. Es Jahren abrupt. Die zunehmend problema- ging nicht nur darum, sich aus politischer tischere politische Lage in Kosovo bewog Absicht zusammenzuschliessen, sondern die Kosovaren in der Schweiz dazu, ihre 22 Die in der Schweiz niedergelassenen Sektionen der Aktivitäten selbst zu organisieren und ei- politischen Parteien waren als Vereine eingetragen, so zum Beispiel die Sektion der LDK. Sie orientierte sich an den gene Klubs sowie Vereine zu gründen. De- Weisungen der Zentrale in Kosovo.

93 auch darum, sich zu treffen, zu diskutieren, Die politischen Organisationen werden Feste zu feiern und sich mit der übrigen, in heute nur noch von wenigen Migranten Kosovo verbliebenen Bevölkerung zu soli- besucht. Vor allem die erste Generation darisieren. Die kosovarische Gemeinschaft zeigt ein Interesse daran und bewahrt ein konzentrierte ihre Energie aber insgesamt bestimmtes Engagement sowie eine ge- auf die «nationale Sache». wisse politische Ausrichtung. Die nach- folgenden Generationen orientieren sich In dieser Zeit war der Grossteil der koso- hingegen neu. Es gibt Anzeichen dafür, varischen Bevölkerung in der Schweiz ge- dass die individuelle Lebensweise und das danklich auf den Kosovo ausgerichtet, wie Interesse an einer besseren Integration in viele Fachleute anmerken. Dafür gibt es die schweizerische Gesellschaft zunehmen. verschiedene Beispiele: Etwa die intensive Der soziale Aufstieg der Kosovaren erfolgt finanzielle Unterstützung der in Kosovo aber weiterhin relativ langsam. Allerdings verbliebenen Familien und die Mithilfe bei gibt es heute vermehrt Eigentümer von der Errichtung von «parallelen» Institutio- Kleinunternehmen, namentlich in der Gas- nen in Kosovo (u.a. Schulen und medizini- tronomie, im Gewerbe, in Reisebüros, auf sche Versorgungseinrichtungen) (vgl. Kapi- dem Bau und bei Versicherungen (vgl. Ka- tel 1.2 und 2.2.1). Rückblickend verzögerte pitel 2.2.2). Erst wenige Kosovaren zeigen die Ausrichtung auf Kosovo aber die Inte- ein Interesse an einem Hochschulstudium. gration in die schweizerische Gesellschaft. Schliesslich sei auf das Engagement eini- ger Kosovaren in politischen Parteien der Seit der Unabhängigkeitserklärung Koso- Schweiz hingewiesen. vos im Frühjahr 2008 dürfte sich das hier gezeichnete Bild weiterhin verändert ha- Aus einer aktuellen Studie zu den Aktivitä- ben, wobei es schwierig ist, von der sich ten der serbischen und kosovarischen Ver- ständig wandelnden Vereinslandschaft eine in der Schweiz geht hervor, dass die einen abschliessenden Überblick zu ge- Mehrheit der kosovarischen Vereine ihre winnen. Die Anzahl Vereine ist aber stark Aktivitäten verstärkt auf die Integration rückläufig, wie Fachleute bemerken. Auch ausrichtet (Dahinden und Moret 2008); so «entpolitisieren» sich die Vereine zuneh- etwa der in nahezu jedem Schweizer Kan- mend, parallel zur sich entpolitisierenden ton vertretene Albanische Lehrer- und El- kosovarischen Bevölkerung in der Schweiz. ternverband (ALEV) «Naim Frashëri». Sein Dennoch bestehen weiterhin in fast allen Ziel besteht nicht nur darin, den albanisch- Kantonen und in vielen Gemeinden Ver- sprachigen Kindern die eigene Kultur zu eine und Klubs, die Feste, Vorstellungen vermitteln, sondern auch, sie für die Inte- und weitere Freizeitaktivitäten organisie- gration in die schweizerische Gesellschaft ren.23 zu sensibilisieren. Dasselbe Ziel verfolgen

23 Die Sendung «Diaspora» des Fernsehsenders RTK (über unter anderem die Université populaire Satellit) ist ein gutes Beispiel dafür, wie die kosovarische albanaise und das Vereinszentrum Rinia Bevölkerung in der Schweiz und in anderen Ländern Veran- staltungen organisiert. Contact in Genf und Pro Integra in Zürich.

94 In diesen Institutionen stehen viele Fach- 2.3.6 Die kosovarischen leute zur Verfügung, um die in der Schweiz Minderheiten in der Schweiz ansässigen Kosovaren zu informieren, zu Zu den aus Kosovo stammenden einzelnen beraten und zu unterstützen. Zu erwähnen ethnischen Minderheitengruppen in der sind ferner die für die kosovarische Bevöl- Schweiz gibt es keine statistisch genauen kerung in der Schweiz bestimmten, oft in- Angaben. Laut Schätzungen des Bundes- tegrativ wirkenden Zeitungen «albsuisse» amtes für Migration (BFM) gehören von (eine zweisprachige, monatliche Zeitschrift) den registrierten ausländischen Staatsange- und «Tung» (erscheint zweimal pro Wo- hörigen aus Kosovo rund 10 % einer Min- che). (vgl. Anhang II) derheit an (u.a. Serben, Roma, slawische Muslime, Türken)24 (vgl. Kapitel 2.1.2). Die Mittlerweile sind viele Angehörige der ko- präzise Grösse der einzelnen Minderhei- sovarischen Bevölkerung in der Schweiz tengruppen in der Schweiz lässt sich indes nicht mehr auf die Gesellschaft Kosovos nicht bestimmen. Es besteht auch kaum ausgerichtet, sondern auf die schweizeri- Wissen über Angehörige der kosovarischen sche Umgebung. Viele junge Kosovaren Minderheiten in der Schweiz, was eine spe- treffen sich in ihrer Freizeit in «albanischen» zifische Beschreibung nicht zulässt. Diskotheken, die in den vergangenen Jah- ren in den meisten Schweizer Kantonen Viele kosovarische Minderheitenangehö- wie Pilze aus dem Boden geschossen sind. rige sind wie die Albaner bereits in den Dies könnte eine Reaktion auf bestimmte 1960er- und 1970er-Jahren als Saisonniers Diskriminierungstendenzen bei Freizeitak- in die Schweiz migriert (vgl. Kapitel 2.1.2). tivitäten sein. Denkbar ist aber auch, dass Vor, während und nach dem Kosovokon- die jungen Kosovaren sich vermehrt auf flikt ersuchten in der Folge der schwierigen eine Zukunft in der Schweiz einstellen. Die Umstände im Heimatstaat auch vermehrt Diskotheken stehen aber nicht ausschliess- Serben, slawische Muslime und Angehö- lich albanischsprachigen Kosovaren offen, rige von Roma-Gruppen um Asyl in der sondern grundsätzlich allen. Dass sich auch Schweiz. Die Verschiebung der Machtver- junge Schweizer dorthin begeben, zeigt hältnisse in Kosovo führte zwangsläufig zu das gegenseitige Interesse an einem bes- einer veränderten, teilweise umgekehrten seren Kennenlernen. Schliesslich sei auf Gefährdungslage der einzelnen Ethnien, die zahlreichen Sportvereine hingewiesen vor allem in den südlichen Bezirken, wo (namentlich Fussballklubs), in denen viele sich nun Verfolgungsmassnahmen ver- (vor allem junge, männliche) Kosovaren mehrt gegen Serben und gegen Personen mitwirken. richteten, die mit dem Vorkriegsregime zu- sammengearbeitet hatten. Auch slawische Muslime, Mitglieder der einzelnen Roma- Gemeinschaften und albanischstämmige

24 Gemäss Mailauskunft des Bundesamtes für Migration (BFM) vom 13.6.2008

95 Kollaborateure waren davon betroffen (vgl. Aus persönlicher Sicht Kapitel 1.4). Viele flüchteten daher haupt- «Hier weiss niemand, dass ich ein Roma sächlich in der ersten Zeit nach dem Krieg bin. Dadurch, dass ich relativ hellhäutig in die umliegenden Regionen und Länder bin, kommt niemand von allein darauf. (vor allem nach Montenegro und Serbien) Ich konnte hier eine ganz normale Karriere und ins westliche Ausland (vor allem nach machen. Ich stehe kurz vor dem Abschluss Deutschland und in die Schweiz). Die Aus- meiner Lehre als technischer Zeichner. Zu- reise beruhte aber oft auch, und beruht dem spiele ich recht erfolgreich Fussball. zum Teil noch bis heute, auf dem Umstand Ich bin in einer U21-Auswahl. Meine Freun- sozioökonomisch unbefriedigender Le- din ist Schweizerin. Als ich vor ein paar Jah- bensgrundlagen und der Perspektivenlo- ren das erste Mal seit meinem Weggang sigkeit. Angehörige der Roma, Ashkali und wieder einmal in Kosovo war, habe ich viel Ägypter sind hiervon besonders betroffen, Traumatisierendes erlebt. Dort bin ich mit vor allem jene, die während der Kriegszeit einem Schlag zum Roma geworden. Hier geflüchtet sind, sich in Flüchtlingsunter- fühle ich mich als Mensch.» künften oder bei Verwandten namentlich Kosovare, seit 1991 in der Schweiz in Montenegro, Kosovo, Serbien oder in westeuropäischen Staaten aufhalten und Es gibt in der Schweiz einige Organisatio- an ihren ursprünglichen Wohnort in Ko- nen, die sich für die Sache der Roma, Ash- sovo nicht mehr zurückkehren können kali und Ägypter einsetzen. Die Kosovo- bzw. wollen (vgl. Kapitel 2.1.2). Serben wie auch die slawischen Muslime treten hingegen in der Schweiz kaum mit Die Roma-Gemeinschaften dürften in der eigenen Organisationen auf. Sie schliessen Schweiz die grössten kosovarischen Min- sich vermutlich Organisationen aus Serbien derheitengruppen bilden. Kosovarische an. Roma-Angehörige gaben sich im Schwei- zer Asylwesen vor allem vor dem Krieg Zur Situation der Minderheiten in der aufgrund von Stigmatisierungstenden- Schweiz gibt es nur sehr wenige Daten und zen in Kosovo als Albaner aus. Der radi- Informationen. Dieser Umstand hat leider kale Wandel der Gefährdungslage in der verhindert, dass der Situation der Minder- Nachkriegszeit in Kosovo liess viele Ange- heiten im Rahmen dieser Studie der Platz hörige der Roma-Gruppen im Nachhinein eingeräumt wurde, den sie verdient hätte. die wahre ethnische Herkunft offenlegen. Es wäre jedoch wünschenswert, wenn Dadurch konnten sie oft ein – meist vorü- diese Erkenntnis Anlass gäbe zu weiteren bergehendes – Bleiberecht in der Schweiz Studien, um künftig mehr über die Rolle erlangen. Aufgrund des oft schlechten der Minderheiten innerhalb der kosovari- Images von Roma geben Angehörige die- schen Bevölkerung in der Schweiz zu er- ser Volksgruppe bis heute gelegentlich eine fahren. falsche Volkszugehörigkeit an.

96 Weiterführende Literatur Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) (2004). Kosovo – Bedeutung der Tradition Backer, Berit (2003). Behind stone walls. im heutigen Kosovo. Bern: Schweizerische Changing household organization among Flüchtlingshilfe SFH. the of Kosova. Pejë: Dukagjini Publishing House. Schweizerischer Bundesrat. Strafbarkeit von Zwangsheiraten und arrangierten Hei- Braunschweig, Judith, Gabriele Krebs raten. Bericht des Bundesrates in Erfüllung und Susanne Moser (1998). Im Span- des Postulates 05.3477 der Staatspoliti- nungsfeld von Tradition und Emanzipation: schen Kommission des Nationalrates vom Sozialarbeit mit Migrantinnen aus Kosova. 9.9.2005, S. 6 f. Bern: Edition Soziothek. Von Aarburg, Hans-Peter und Sarah Bar- Dahinden, Janine und Joëlle Moret (2009). bara Gretler (2008). Kosova–Schweiz: Transnationale Aktivitäten serbischer und Die albanische Arbeits- und Asylmigration kosovarischer Migrantenorganisationen in zwischen Kosovo und der Schweiz (1964– der Schweiz, in Schweizerisches Jahrbuch 2000). Münster: LIT-Verlag. für Entwicklungspolitik. Migration und Ent- wicklungspolitik: eine zweckallianz Genf: Institut de hautes études internationales et du développement, S. 235–248.

Gjëçovi, Shtjefën (kodifiziert), Robert El- sie, Hg. (2001). Der Kanun: das albanische Gewohnheitsrecht nach dem sogenannten Kanun des Lekë Dukagjini. Pejë: Dukagjini Balkan Books.

Hartmann Kunkel, Brigitte (1996). Ko- sovo-albanische Familien in der Schweiz. Lizenziatsarbeit Universität Zürich. Zürich: [s.n.].

International Crisis Group (ICG) (2001). Religion in Kosovo. ICG Balkans Report Nr. 105. Pristina/Brüssel.

Kadare, Ismail (2007). Der zerrissene April. Roman. Frankfurt a. M.: Fischer Taschen- buch Verlag.

97 2.4 Beziehungen – Investitionen von Kosovaren im Ausland und Austausch mit in Kosovo sind eher rar. Der meist tiefe dem Herkunftsland Lohn und der oft schwache Bildungs- hintergrund der Angehörigen der ersten In Kürze Einwanderungsgeneration bilden keine – Zwischen der kosovarischen Bevölke- guten Voraussetzungen für grössere rung in der Schweiz und ihren Ange- Investitionsprojekte. Es gibt allerdings hörigen in Kosovo bestehen vielfältige Ansätze für neue Initiativen, vor allem und häufige Kontakte. Besuche aus in der zweiten Generation, die sich ver- der Schweiz finden in der Regel ein- bis stärkt mit Entwicklungsfragen in Kosovo zweimal pro Jahr statt. Dazwischen befassen. werden die Kontakte per Telefon und – Die kosovarische Bevölkerung in der Internet (E-Mail, Chat, Internettelefonie Schweiz spielte in den 1990er-Jahren etc.) gepflegt. eine wichtige Rolle bei der Linderung – Seit dem Ende des Kosovokonflikts und der schwierigen humanitären Situation dem Beginn des Wiederaufbaus sind in Kosovo wie auch bei der Mobilisie- die transnationale Verbundenheit und rung und Finanzierung des politischen das Solidaritätsgefühl der kosovarischen und bewaffneten Widerstandes in Bevölkerung im Ausland mit ihrem Her- Kosovo. kunftsland etwas zurückgegangen. Statt mit der Zukunft Kosovos befassen sich die Angehörigen dieser Bevölkerungs- gruppe nun vermehrt mit ihrer eigenen Lebensgestaltung, deren Zentrum eher in der Schweiz als in ihrem Herkunfts- land liegt. – Die Geldtransfers – sogenannte Remit- tances – der kosovarischen Migranten an ihre Angehörigen in Kosovo sind nicht nur für die Empfängerfamilien, sondern auch für die Wirtschaft des Landes von grosser Bedeutung. Sie dienen den Familien in erster Linie zur Deckung der täglichen Grundbedürf- nisse und für den Bau und die Reno- vation von Häusern. Es gibt Anzeichen dafür, dass die Remittances allmählich zurückgehen. Dies stellt viele Familien vor allem in ländlichen Gebieten Koso- vos vor ernsthafte Probleme.

98 2.4.1 Transnationale Beziehungen deutung. Während der Sommer- und Win- Die kosovo-albanische Bevölkerung im terferien bescheren die vorübergehenden Ausland25 besteht gemäss einer Schätzung Rückkehrer den Kaffeebars, Restaurants weltweit aus rund 800 000 Migranten. und Hotels, den zahlreichen Detailhan- Die wichtigsten Aufenthaltsländer sind delsläden und anderen Geschäften die Deutschland mit ungefähr 300 000 und höchsten Umsätze des Jahres. Auch die die Schweiz mit rund 150 000 bis 170 000 Hochzeitsfeste, die oft in die Sommerferien Kosovaren (Minderheiten eingeschlossen). gelegt werden, generieren weitere bedeu- Dies bedeutet bei einer Einwohnerzahl in tende Umsätze. Nicht selten werden dabei Kosovo von rund 2,15 Millionen Einwoh- Ehen zwischen Personen geschlossen, die nern, dass etwa jede dritte Person kosovo- bereits in der Schweiz leben, und solchen, albanischen Ursprungs im Ausland lebt die bereit sind, in die Schweiz zu ziehen (Haxhikadrija 2009; Wanner und Lerch (vgl. Kapitel 2.3.3). 2008). Während der restlichen Zeit des Jahres wer- Die geografische Nähe zur Schweiz sowie den die Kontakte mithilfe verschiedener die verkehrstechnisch gute Anbindung der Kommunikationsmittel gepflegt. Wurde Region mit Bus und Flugzeug ermöglichen früher der Kontakt mit Briefen und spä- den Angehörigen der kosovarischen Bevöl- ter per Telefon aufrechterhalten, so spielt kerung in der Schweiz häufige und auch heute das Internet verstärkt eine Rolle. kurzfristige Besuche in Kosovo. Die meis- Mittlerweile nutzen vermehrt auch ältere ten Kosovaren reisen aus zeitlichen und Leute den elektronischen Datenverkehr für finanziellen Gründen jedoch nur ein- bis den Austausch von Informationen (per In- zweimal pro Jahr nach Kosovo, in der Re- ternet: E-Mail, Chat, Internetplattformen, gel für mehrere Wochen in den Sommer- Internettelefonie samt Webcam). Selbst in und Winterferien. Gelegentlich werden vielen ländlichen Gebieten Kosovos besteht Verwandte oder Bekannte aus Kosovo in heute Zugang zum Internet. Probleme mit die Schweiz eingeladen. Dies ist allerdings der Stromversorgung sorgen indes immer jeweils mit der Schwierigkeit verbunden, wieder für Unterbrechungen. ein entsprechendes Einreisevisum zu erhal- ten. Die Transfers zwischen Kosovo und der Ein grosses Angebot an kosovarischen und Schweiz werden von spezialisierten Reise- albanischen Medien in der Schweiz ermög- büros organisiert und sind ein sehr einträg- licht es der kosovarischen Bevölkerung, das liches Geschäft. aktuelle Geschehen in Kosovo zu verfol- gen. Über Kabel und Satellit können in der Die Besuche aus der Schweiz (aber auch Schweiz die wichtigsten staatlichen und aus anderen Ländern) sind vor allem für privaten TV-Sender Kosovos empfangen die Wirtschaft Kosovos von grosser Be-

25 Also ohne Serben und Angehörige anderer Minderheiten.

99 werden.26 Ebenso sind kosovarische Tages- wurde der starken transnationalen Solida- zeitungen in der Schweiz erhältlich, die ge- rität, die während der 1990er-Jahre auf der mäss den Befragten aber weniger genutzt Idee einer «ethno-nationalen Schicksalsge- werden als das Fernsehen. meinschaft» beruhte (Dahinden und Moret 2009: 241), ein Grossteil ihrer Grundlage Trotz vielfältiger und häufiger Kontakte entzogen. Für die Angehörigen der koso- zwischen der Bevölkerung in Kosovo und varischen Bevölkerung in der Schweiz stellt den Verwandten/Bekannten in der Schweiz die Unabhängigkeit und Staatswerdung sollte die Bedeutung dieser Beziehungen Kosovos nach Jahrzehnten des Hoffens nicht überbewertet werden. Die alltägli- und Bangens eine grosse psychische Ent- chen Interaktionen und Hilfeleistungen fin- lastung dar. Heute orientieren sich viele den jeweils vor Ort, also in Kosovo, statt. kosovarische Migranten vermehrt an der Für die Bewältigung des Alltags sind trans- eigenen Realität und derjenigen ihrer Fa- nationale Beziehungen nicht zwingend milie in der Schweiz (Dahinden und Moret notwendig (Dahinden 2005: 321–329). 2009: 241 ff.).

Vergleicht man die verschiedenen Einwan- Für die transnational orientierten, für die derungs- und Nachfolgegenerationen, «nationale Sache» engagierten politischen so zeigt sich, dass Angehörige der ersten Organisationen in der Schweiz hatten diese Gene­ration in der Regel intensivere Kon- Entwicklungen einen erheblichen Mitglie- takte zum Herkunftsland pflegen als Ange- derschwund zur Folge. Dies führte in vielen hörige der zweiten und dritten Generation. Fällen zur Auflösung der Organisation (vgl. Mehrere Befragte betonen, dass die trans- Kapitel 2.3.5). Es ist zu erwarten, dass sich nationale Verbundenheit in den vergan- ein Rückgang des Solidaritätsgefühls und genen Jahren eher abgenommen hat. Der damit der transnationalen Beziehungen Grund dafür liegt jedoch nicht primär im mittel- bis langfristig auch auf die finan- abnehmenden Interesse der zweiten und ziellen Unterstützungsleistungen auswirkt, dritten Einwanderungsgeneration für ihr welche die kosovarische Bevölkerung im Herkunftsland, sondern in den politischen Ausland ihren Landsleuten in Kosovo seit Entwicklungen seit der Jahrtausendwende. Jahrzehnten zukommen lässt. Der Rückgang der transnationalen Orien- tierung begann etwa im Jahr 2002, als der Kosovokonflikt beendet und der Wieder- aufbau richtig angelaufen war. Aus albani- scher Sicht brachte der Kosovokrieg die Be- freiung von der serbischen Herrschaft und führte zu einem eigenen Staat. Dadurch

26 Unter anderem der öffentlich-rechtliche Sender RTK (Radio Televizioni i Kosovës) und der Privatsender RTV 21 (gegrün- det 1998 während des Kosovokonfliktes).

100 2.4.2 Geldtransfers sovarischen Bevölkerung in der Schweiz und Investitionen und rund die Hälfte zur kosovarischen Die Remittances27 sind von grosser wirt- Bevölkerung in Deutschland (IWF 2001: 5; schaftlicher Bedeutung für das Land. Über Wanner und Lerch 2008: 4 f., 27). das Ausmass der Remittances existieren unterschiedliche Schätzungen. Die bisher Im Jahr 2000 wurde der Transfer von Re- zuverlässigste Schätzung konnte anhand mittances noch vorwiegend über infor- von Daten aus einer Haushaltsbefragung melle Kanäle abgewickelt, in den meisten aus dem Jahr 2000 gemacht werden.28 Da- Fällen durch persönliche Übergabe im mals erhielten rund 30 % der Haushalte in Rahmen der Besuche in den Sommer- und Kosovo von rund 125 000 Angehörigen im Winterferien (Wanner und Lerch 2008: Ausland Remittances im Gesamtumfang 23 f.). Oft sind es auch Reisebüros und von geschätzten 240 Millionen US-Dollar. Busfahrer, welche Boten für den Geldtrans- Dies entsprach etwas mehr als 17 % des fer sind. Es ist davon auszugehen, dass die Bruttoinlandproduktes von Kosovo. Etwa Geldüberweisungen mittlerweile vermehrt ein Viertel der «Spender» gehörte zur ko- über formelle Kanäle abgewickelt werden. Dabei spielen Bargeldtransferfirmen eine 27 Dies sind Geldtransfers oder Rimessen, die kosovarische wichtige Rolle. Sie erlauben, kleine und Migranten regelmässig zugunsten ihrer Familienangehöri- gen und allenfalls von Freunden und Bekannten in Kosovo mittlere Geldbeträge rasch und sicher nach tätigen. 28 Hier werden die Berechnungen von Wanner und Lerch Kosovo zu überweisen. Der Nachteil dieser (2008) berücksichtigt, die sich auf das Jahr 2000 stützen. Sie Services liegt bei den hohen Gebühren. Die sind transparent und nachvollziehbar, weshalb sie aktuelle- ren Schätzungen und Berechnungen vorgezogen werden. günstigste und sicherste Form der Geld-

101 überweisung wären Banktransfers, nur we- Familien in die Schweiz nachziehen lassen, nige machen indes davon Gebrauch. können mit ihren meist niedrigen Löhnen den eigenen Familienunterhalt nur knapp Die Höhe der Unterstützungsgelder, wel- bewältigen. Um auch in Kosovo verblie- che an die rund 30 % der befragten koso- bene Angehörige finanziell zu unterstüt- varischen Haushalte fliessen, variiert stark. zen, werden oft Zweitjobs angenommen Während 20 % der Haushalte jährlich we- (vgl. Kapitel 2.2.2). niger als 500 Euro erhalten, sind es bei 15 % über 5000 Euro. Remittances können Die Familien in Kosovo verwenden die auch materielle Güter sein (zum Beispiel Geldzahlungen aus der Schweiz im We- Haushaltgeräte). Davon profitieren rund sentlichen zur Deckung ihrer täglichen 15 % der Haushalte, wobei der Wert dieser Grundbedürfnisse (Lebensmittel, Strom- Güter in den meisten Fällen pro Jahr den versorgung etc.). An nächster Stelle stehen Betrag von 100 Euro nicht übersteigt (Wan- Hausbau und Hausrenovation (Abbildung ner und Lerch 2008: 23 f.). 26). Viele Familien mit Angehörigen in der Schweiz konnten für mehrere Familienmit- In den ländlichen Gebieten Kosovos sind glieder eigene Häuser bauen (in der Regel Haushalte, die Remittances erhalten, et- für ihre Söhne). Oft lassen sich die Geld- was häufiger anzutreffen als in städtischen geber für sich selbst ein Haus in Kosovo Gebieten. Dies ist darauf zurückzuführen, bauen, sei es für eine spätere Rückkehr dass in Ersteren im Vergleich zu Letzteren oder als Ferienhaus während ihrer Besuche. Migration verbreiteter ist. Die Angehöri- gen der kosovarischen Bevölkerung in der Das Geld aus der Schweiz wird auch für Schweiz (aber auch in Italien) unterstützen Gebrauchsgüter, also langlebige Konsum- wegen ihrer meist ländlichen Herkunft be- güter wie Haushaltgeräte, Maschinen und sonders ländliche Gebiete, während Gelder Ähnliches, verwendet. Die Ausrüstung mit aus Deutschland und dem übrigen West- Gebrauchsgütern ist vor allem ein ländli- europa eher in städtische Gebiete Kosovos ches Phänomen. Familien, die in den Städ- fliessen (Wanner und Lerch 2008: 23 f.; ten wohnen, nutzen Remittances vermehrt Weltbank 2007: 32). Dies führt hauptsäch- für die Freizeitgestaltung (Ausgang, Kino- lich in ländlichen Gebieten, wo Remittan- besuch etc.). Einigen Familien dient die fi- ces öfter die einzige (Geld-)Einnahmequelle nanzielle Unterstützung auch zur Deckung sind, zu Ungleichheiten unter den Familien. von Kosten der Gesundheitsversorgung Weniger ausgeprägt ist dies in städtischen (Arztbesuche, Medikamente, weitere The- Gebieten (Weltbank 2007: 35). rapien etc.).

Die Zahlung von Remittances bedeutet für Remittances werden eher selten für die Angehörige der kosovarischen Bevölke- Bildung eingesetzt. Von allen Kindern und rung im Ausland meist das Erbringen gros- Jugendlichen im Schulalter profitieren nur ser Opfer. Viele Arbeitsmigranten, die ihre etwa 3 % von Unterstützungsgeldern für

102 die Bildung (Wanner und Lerch 2008: 5, Die kosovarische Bevölkerung in der 30, 33; Weltbank 2007: 34). Schweiz investiert wenig in personen- und anlagenintensive Gewerbebetriebe. Wenn Gelder für Hilfs- oder Entwicklungsprojekte Geld investiert wird, dann geschieht dies werden in der Regel in den Gemeinden vor meist für den Aufbau von eigenen Klein- Ort, aber auch in der Schweiz gesammelt. und Kleinstgeschäften mit durchschnittlich Es handelt sich dabei meistens um Infra- zwei bis zehn Angestellten. Oft sind diese strukturprojekte für die Wasser- und Strom- Betriebe im Baugewerbe, in der Gastrono- versorgung oder den Bau von Strassen. mie oder im Gartenbau angesiedelt, weil Besteht ein spezifischer Bedarf, bitten die die Investoren dort ihr während der berufli- Familien ihre Angehörigen in der Schweiz chen Tätigkeit in der Schweiz angeeignetes um zusätzliche Unterstützung. Bis Ende der Know-how einbringen können. Zu den we- 1990er-Jahre wurden Hilfsprojekte haupt- nigen von kosovarischen Geschäftsleuten sächlich über «Fonds» finanziert, in welche in der Schweiz gegründeten Unternehmen, praktisch alle Erwerbstätigen der kosova- die transnational agieren, gehören kosova- rischen Bevölkerung in der Schweiz regel- rische Reisebüros, die mittlerweile in allen mässig 3 % ihres Lohnes einzahlten (vgl. grösseren Städten in der Schweiz und in Kapitel 2.4.3). Kosovo vorhanden sind.

Remittances werden selten in bestehende Von Investoren wird die Geschäftskultur oder neue Unternehmen im Gewerbe, in in Kosovo (d.h. Korruption, mangelhafte der Industrie oder im Dienstleistungssektor Infra­struktur und unzureichende Verläss- investiert. Eine aktuelle Studie zur Rolle der lichkeit von Geschäftspartnern) oft als kosovarischen Diaspora bei der Entwick- hinderlich wahrgenommen (Haxhikadrija lung Kosovos kommt zum Schluss, dass 2009). Zudem fehlt es laut den Befragten das tatsächliche Investitionspotenzial der an einem professionellen Beratungsange- kosovarischen Bevölkerung im Ausland bot in der Schweiz zu Chancen und Risiken kleiner ist als die Erwartungen der Kosova- von Investitionen in Kosovo. ren vor Ort. Mit Ausnahme einiger weni- ger erfolgreicher Geschäftsleute verfügen In ländlichen Gegenden sind viele Familien die Kosovaren in der Schweiz über keine von der finanziellen Unterstützung durch grösseren finanziellen Mittel (Haxhikad- ihre Angehörigen im Ausland abhängig. rija 2009). Auch andere Fachleute äussern Der in den letzten Jahren festgestellte und Zweifel daran, ob die erste Generation auch für die Zukunft prognostizierte Rück- der kosovarischen Einwanderer überhaupt gang der Geldüberweisungen der Migran- über ausreichende Ressourcen verfügt (Bil- ten im Ausland stellt solche Familien vor dung, Kapital, Beziehungsnetz), um durch ernsthafte Probleme. grössere Investition zu einer nachhaltigen Entwicklung Kosovos beitragen zu können Laut einem Bericht der European Stability (Dahinden und Moret 2009: 245). Initiative (ESI) im Jahr 2006 profitierten

103 25 %

20 %

15 %

10 %

5 %

0 % Grund- Investitionen Hochzeiten/ andere bedürfnisse Beerdigungen Gründe Hausbau bzw. Gebrauchsgüter Gesundheit Hausrenovation

Abbildung 26: Verwendung von Remittances aus der Schweiz (in %) Quelle: Wanner/Lerch (2008: 30)

N = 265 Donors aus der Schweiz (2880 befragte Haushalte), Mehrfachantworten möglich noch rund 15 % der kosovarischen Haus- zeigt sich, dass sich Angehörige der zwei- halte von regelmässigen Geldtransfers. ten Generation, oft aus dem universitären Jüngere Erhebungen der Haushaltseinkom- Umfeld, vermehrt organisieren, um Ent- men deuten darauf hin, dass damit auch wicklungsprojekte in Kosovo zu initiieren. eine Reduktion des Gesamtvolumens der So haben sich kosovarische Studierende Geldtransfers einhergeht (European Stabi- zusammengetan, um ihre Kenntnisse Leu- lity Initiative 2006: 8; Statistical Office of ten zu vermitteln, die in Kosovo Geschäfte Kosovo [SOK] 2005: 7). Das Nachlassen der gründen wollen. Diese Aktivitäten sind auf transnationalen emotionalen Beziehungen Nachhaltigkeit ausgerichtet und bewirken ist ein Grund für diese Entwicklung. Eine volkswirtschaftlich langfristig einiges mehr andere, praktische Ursache liegt in der Ein- als reine Geldtransfers (Dahinden und Mo- schränkung der Arbeitsmigration seit den ret 2009: 244; Haxhikadrija 2009). 1990er-Jahren (Aufgabe des Saisonnier­ statuts).

Gegenwärtig gibt es Anzeichen für neue Formen transnationaler Beziehungen. Wenn auch erst in Ansätzen erkennbar,

104 2.4.3 Die politische Mobilisierung derte die sich verschlechternde wirtschaft- der Kosovaren in der Schweiz liche und politische Lage in Kosovo die Emi- Die politische Mobilisierung der Kosovaren gration. Es überrascht daher nicht, dass die in der Schweiz ist mit der sich verschlech- ersten von Exilkosovaren geführten politi- ternden politischen Lage sowie den zuneh- schen Organisationen gerade in diesen bei- menden nationalistischen Strömungen in den Ländern entstanden. Die Schweiz war den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens Mitte der 1980er-Jahre jedoch das Zentrum verknüpft. Ab den frühen 1980er-Jahren vieler solcher Bewegungen. flüchteten viele kosovo-albanische Polit- aktivisten vor den Repressionen des Bel- Am Anfang handelte es sich um kleinere grader Regimes. Sie liessen sich vor allem politische Organisationen. Zu den wich- in der Schweiz und in Deutschland nieder tigsten zählten die Marxistisch-leninistische und gaben oft den Anstoss für den Aufbau Organisation Kosovos (OMLK)29 und die von politischen Organisationen. Im Vorder- Nationale Bewegung zur Befreiung Koso- grund dieser Gründungen stand stets die vos und der anderen albanischen Gebiete Mobilisierung für die nationale Sache. Jugoslawiens (LNÇKVSHJ)30 (Shatri 2002a;

Deutschland und die Schweiz waren die 29 OMLK = Organizata Marksiste-leniniste e Kosovës. Organi- sation in der Schweiz mit einer eigenen Zeitschrift namens bevorzugten Zielländer der kosovarischen «Die Freiheit» (Liria). 30 LNÇKVSHJ = Lëvizja nacional çlirimtare e Kosovës dhe e Migranten (vgl. Kapitel 2.1.2). Beide Staa- viseve te tjera Shqiptare në Jugosllavi. Diese Bewegung gab ten waren seinerzeit stark auf ausländische in Deutschland die beiden Zeitschriften «Bote der Freiheit» (Lajmëtari i Lirisë) und «Die Stimme Kosovos» (Zëri i Koso- Arbeitskräfte angewiesen. Zugleich för- vës) heraus.

105 Durmishi 1992). Beide Organisationen hiel- Zur Finanzierung und Unterstützung der ten die Verbindung zur Zentrale in Kosovo Aktivitäten der LPK und namentlich ihres ständig aufrecht. Im September 1982 fusi- Hauptorgans, der Zeitschrift «Die Stimme onierten sie zur Bewegung für eine albani- Kosovos», wurde 1981 in Biel ein Fonds sche sozialistische Republik in Jugoslawien mit dem Namen «Hilfe für Kosova» einge- (LRSSHJ)31, die sich Ende der 1980er-Jahre richtet. Die LPK blieb bis Ende der 1990er- neu mit Volksbewegung Kosovos (LPK)32 Jahre eine wichtige politische Kraft in der bezeichnete. Die verschiedenen Namens- Schweiz für Kosovo. wechsel der Organisation sind ein Zeichen für die Sensibilität der Verantwortlichen ge- Mit dem Aufblühen des politischen Plu- genüber den Veränderungen des interna­ ralismus in Kosovo traten Anfang der tionalen politischen Umfelds. Die gut orga- 1990er-Jahre neue politische Akteure auf nisierte LPK war in den Jahren 1982–1984 die Bühne. Die wichtigste Kraft war die De- sehr aktiv. Die LPK verfasste und veröffent- mokratische Liga Kosovos (LDK)33, die auch lichte illegale Zeitschriften, unterstützte die im Ausland Sektionen gründete. Die Mo- Proteste der albanischen Studierenden in bilisierung lief nun über die LDK, die bald Kosovo und organisierte Veranstaltungen einmal zur Massenbewegung wurde. Zwi- in westlichen Ländern, um die internatio- schen der nun marginalisierten LPK und der nale Öffentlichkeit für die Probleme Koso- LDK bestanden auf verschiedenen Ebenen vos zu sensibilisieren. Unstimmigkeiten. So etwa bei der Legitimi- tät gegenüber Kosovaren im Ausland, aber Abgesehen davon ist die Rolle der «alba- auch über die Art und Weise, wie für die nischen Klubs» und «Treffpunkte» bei der nationale Sache gekämpft werden sollte. Mobilisierung der kosovarischen Migranten Beide Gruppierungen bedienten sich unter- in der Schweiz nicht zu unterschätzen. Diese schiedlicher politischer Strategien, um sich Organisationen waren teilweise in Kontakt gegenüber den kosovarischen Migranten mit den oben genannten Gruppierungen. zu legitimieren. Als Beispiel sei hier der Klub «Përparimi» in Zürich genannt, der erste albanische Klub Allen Unterschieden zum Trotz führte ein der Schweiz. In den 1980er-Jahren stieg die Treffen der verschiedenen politischen Ak- Zahl solcher Klubs konstant an; es gab vor teure vom 24. August 1991 zur Gründung allem in den 1990er-Jahren sehr viele von des Komitees zur Koordinierung politischer ihnen und die Bestimmung ihrer genauen Themen. Das Komitee richtete den un-

Zahl ist sehr schwierig. Seit der Gründung 33 LDK = Lidhja Demokratike e Kosovës. Die Bewegung des Staates Kosovo entpolitisieren sich die wurde im Dezember 1989 von einer Gruppe Intellektueller unter Ibrahim Rugova gegründet. Nach kurzer Zeit war Organisationen zunehmend und lösen sich sie die wichtigste politische Kraft der Kosovo-Albaner und Urheberin zahlreicher Ereignisse: der Ankündigung der zum Teil auch auf (vgl. Kapitel 2.3.5). Verfassungserklärung und der Vorbereitungshandlungen der Kaçanik-Verfassung von 1990, des Referendums für die Unabhängigkeit Kosovos von 1991, der Durchführung 31 LRSSHJ = Lëvizja për Republikën Socialiste Shqiptare të der Präsidentschaftswahlen von 1992 sowie des Aufbaus Jugosllavisë. von Institutionen im Exil («unabhängiger Schattenstaat», 32 LPK = Lëvizja Popullore e Kosovës. zusammen mit anderen Politikern).

106 ter dem Namen «Humanitärer Fonds der täten: Die LPK war überzeugt, dass das Kosovo-Albaner» bekannten «Nationalen Land nur befreit werden kann, wenn man Fonds» ein. Die anderen Fonds wurden sich organisiert und zu den Waffen greift, aufgelöst oder mit diesem verschmolzen. während die LDK über den Dialog zum Ziel Der Fonds wurde durch Spenden der in der gelangen wollte. Schweiz lebenden kosovo-albanischen Mi- granten finanziert. Jeder Migrant überwies Die kosovo-albanische Bevölkerung spielte 3 % seines Monatslohns. Die Mittel des in der Kriegszeit trotz Unstimmigkeiten Fonds dienten hauptsächlich der Finanzie- eine wichtige Rolle. Sie unterstützte die rung von Institutionen sowohl in Kosovo nationale Sache nicht nur durch Remittan- als auch in der kosovarischen Bevölkerung ces und Spenden, sondern auch durch die im Ausland (Schulen, medizinische Versor- Organisation von Kundgebungen und den gungseinrichtungen) (vgl. Kapitel 2.4.2). Einsatz zahlreicher junger Exilkosovaren in der UÇK. Nach Ausbruch der Gewalttätig- Die Verschmelzung der Fonds in der keiten im Frühling 1997 brach die Fonds- Schweiz ist ein gutes Beispiel für den Willen problematik erneut auf. Der von der LPK der politischen Exilkosovaren, sich gemein- geleitete Fonds «Die Heimat ruft» gewann sam für die nationale Sache einzusetzen. an Bedeutung und diente der Finanzierung Denn trotz aller Meinungsverschieden- der UÇK, während die LDK mithilfe des heiten blieb der gemeinsame Nenner, die «Nationalen Fonds» die Streitkräfte der Re- Unabhängigkeit Kosovos. Der Nationale publik Kosovo (FARK) aufbaute. Nun grif- Fonds war für die Bildung der vom Belgra- fen die Schweizer Behörden ein und froren der Regime als illegal bezeichneten «Re- die Fonds vorübergehend ein. Die spätere gierung der Republik Kosovo» im Oktober Freigabe war an die Auflage gebunden, 1991 entscheidend. In fast allen westlichen dass die Verwendung transparent gemacht Ländern wurden organisatorische Struktu- wurde. ren mit Bezug zu diesem Fonds errichtet (u.a. in Deutschland, Schweden, England, Mit dem Ende des Kosovokonfliktes und den USA und Australien). Mit dem Aus- der Errichtung der Übergangsverwaltung schluss der LPK aus dem Komitee zur Koor- UNMIK im Juni 1999 entfaltete sich erneut dinierung politischer Themen im Jahr 1993 ein politischer Pluralismus. Zahlreiche politi- wurde der Nationale Fonds allerdings kon- sche Parteien wurden gegründet, etwa die kurrenziert. Die LPK richtete neu den Fonds Demokratische Partei Kosovos (PDK)35 und «Die Heimat ruft»34 ein. die Allianz für die Zukunft Kosovos (AAK)36. Beide Parteien entsprangen der UÇK und Obwohl die politischen Akteure beschlos- verfüg(t)en über Sektionen in der Schweiz sen hatten, gemeinsam für die nationale sowie in anderen westlichen Ländern. Sache zu kämpfen, gab es ständig Rivali-

35 PDK = Partia Demokratike e Kosovës. 34 Auf Albanisch «Fondi Vendlindja Thërret». 36 AAK = Aleanca për Ardhmërinë e Kosovës.

107 Die Schweizer Sektionen der politischen Parteien sind weiterhin stark mit den Zent- ralen in Kosovo verbunden. Allerdings liess das parteipolitische Engagement der koso- varischen Migranten erheblich nach. Dies dürfte hauptsächlich mit der Anerkennung der Unabhängigkeit Kosovos durch die Schweiz im Jahr 2008 zusammenhängen, also mit dem Erreichen des Hauptziels der früheren exilpolitischen Aktivisten.

108 Weiterführende Literatur

Dahinden, Janine (2005). Prishtina – Schlieren: albanische Migrationsnetzwerke im transnationalen Raum. Zürich: Seismo.

Dahinden, Janine und Joëlle Moret (2009). Transnationale Aktivitäten serbischer und kosovarischer Migrantenorganisationen in der Schweiz, in Schweizerisches Jahrbuch für Entwicklungspolitik. Migration und Ent- wicklungspolitik: eine Zweckallianz. Genf: Institut de hautes études internationales et du développement, S. 235–248.

Durmishi, Xhafer (1992). Organizatat po- litike Shqiptare në Evropë 1979–1985 (Les organisations politiques albanaises en Eu- rope 1979-1985).

European Stability Initiative (2006). Cutting the lifeline: migration, families and the future of Kosovo. Berlin [etc.]: ESI.

Iseni, Bashkim (2008). La question na- tionale en Europe du Sud-Est. Genèse, émergence et développement de l’identité nationale albanaise au Kosovo et en Macé- doine. Bern: Verlag Peter Lang.

Shatri, Xhafer (2002b). Fondet e Kosovës, pasqyrë e të vërtetave tona (Les fonds du Kosovo, le miroir de nos vérités). Pasqyra (Le Miroir). Kosovo.

Wanner, Philippe und Mathias Lerch (2008). Migration and Remittances in Ko- sovo. Results from the 2000 Living Stan- dards Measurement Study Surveys. Ge- neva.

109 3 Integrationsverlauf und Ausblick 3.1 Bisherige gruppe in der Schweiz blieb über die Jahre Integrationsdynamik aber relativ gering.

Die Situation der kosovarischen Bevölke- Viele Kosovaren in der Schweiz belastete rung in der Schweiz hat sich in den letz- der Konflikt in Kosovo und die unsichere ten 40 Jahren stark verändert. Von Mitte Lage ihrer dort verbliebenen Angehörigen der 1960er- bis Anfang der 1990er-Jahre sehr. Ihre Aufmerksamkeit war auf die Er- war die kosovarische Einwanderung in eignisse in Kosovo ausgerichtet, was den die Schweiz primär saisonale Arbeitsmig- Integrationsprozess oft hemmte. Ohnehin ration. Während fast 30 Jahren führte die waren viele Kosovaren seinerzeit darauf kosovarische Bevölkerung in der Schweiz ausgerichtet, über kurz oder lang in den ein unscheinbares und angepasstes Leben Kosovo zurückzukehren. Viele von ihnen (vgl. Kapitel 2.1.2). Dies änderte sich, als lebten ausgesprochen bescheiden, um zu Beginn der 1990er-Jahre die politische ihre Familien in Kosovo unterstützen zu Entwicklung in Kosovo und neue migra­ können. Zudem bestärkten die kosovo- tionspolitische Massnahmen in der Schweiz albanischen Organisationen in der Schweiz die Situation der kosovarischen Migranten die Emigrierten in dieser Grundhaltung und erschwerten. stellten den Kampf für die «nationale Sa- che» ins Zentrum. Schwierige Voraussetzungen für eine Integration Hinzu kamen in den 1990er-Jahren eine Eine Hauptursache für die Veränderung der ausgeprägte Rezession und ein Struktur- Situation der kosovarischen Bevölkerung in wandel in der Schweizer Wirtschaft. Davon der Schweiz war die seit den 1980er-Jahren waren die mehrheitlich schwach qualifizier- sich verschlechternde wirtschaftliche und ten Kosovaren überproportional betroffen politische Lage in Kosovo (vgl. Kapitel 1.2 (vgl. Kapitel 2.2.1 und 2.2.2). Auf einmal und 1.3). Gleichzeitig setzten einschnei- waren viele kosovarische Familien auf Ar- dende Veränderungen in der Schweizer beitslosenunterstützung und später auf Migrationspolitik Anfang der 1990er-Jahre Sozialhilfe angewiesen. Dies trug zur ne- der Migration aus Südosteuropa engere gativen Wahrnehmung der kosovarischen Grenzen (Aufhebung des Saisonniersta- Bevölkerung durch die Schweizer Gesell- tuts). Nun liessen viele kosovarische Ar- schaft bei. beitsmigranten ihre Ehefrauen und Kinder in die Schweiz nachziehen und die kosova- Folgen für den Integrationsprozess rische Bevölkerungsgruppe in der Schweiz Die kosovarischen Männer der ersten Ge- wuchs deutlich an; vorübergehend auch neration waren trotz oft schlechter berufli- wegen der Zunahme der Asylmigration in cher Qualifikation gut in den Arbeitsmarkt der Folge des Kosovokonflikts (vgl. Kapitel integriert. Auch bestanden Ansätze zur 2.1.2). Der Anteil der Asylmigration an der sozialen Integration, die sich allerdings gesamten kosovarischen Bevölkerungs- fast ausschliesslich in beruflichen Kontak-

111 ten und Freundschaften mit anderen ko- 3.2 Emotionale Entlastung sovarischen Zugewanderten äusserte. Die und Neuorientierung Situation der nachgezogenen Ehefrauen und Kinder war in vielen Fällen geprägt Seit dem Ende des Kosovokonflikts richten von einer überstürzten Abreise aus der Hei- viele Kosovaren ihr Leben verstärkt auf die mat. Viele Kinder und Jugendliche wurden Schweiz aus. Die Situation der Kosovaren in der Schweiz oft spät eingeschult, etliche und ihre Haltung waren in der letzten Zeit von ihnen wiesen erhebliche Bildungslü- einem starken und raschen Wandel unter- cken auf (vgl. Kapitel 2.2.1). Meist kann- worfen. Es ist also zu erwarten, dass das ten die Eltern das schweizerische Bildungs- hier gezeichnete Bild dieser Bevölkerungs- system kaum und sie konnten ihre Kinder gruppe in wenigen Jahren wieder ange- nicht genügend unterstützen. Dies führte passt werden muss. zu Problemen bei der Schulintegration, tie- fen Bildungsabschlüssen und erschwerte Emotionale Entlastung durch die die spätere Lehrstellensuche. stabilere politische Lage in Kosovo Das Ende des Kosovokonfliktes hat zu ei- Das negative Image der Kosovaren in man- ner Stabilisierung des Westbalkans geführt. chen Kreisen der Schweizer Bevölkerung Dies wirkte sich auch auf die kosovarische (vgl. Kapitel 2.1.4) beruht wenigstens zum Bevölkerung in der Schweiz aus. Für die Teil auf diesen ebenso schwierigen wie hier lebenden Familien bedeutete das Ende komplexen Umständen und trägt bis heute der Gewalttätigkeiten und die Staatswer- zur Marginalisierung und manchmal auch dung eine emotionale und psychische Ent- zur Diskriminierung der Zugewanderten lastung (vgl. Kapitel 2.4.1). bei. Davon betroffen ist auch das Selbstbild der Jugendlichen. Die öfter pauschale Pro- Die veränderte politische Situation in Ko- blematisierung der kosovarischen Bevölke- sovo wirkte sich auch auf das Migrationsver- rungsgruppe in der Öffentlichkeit reprodu- halten aus. So ist die Zahl der Asylgesuche ziert gewissermassen das negative Image. in den letzten Jahren stetig zurückgegan- Wichtige Akteure sind dabei die Medien, gen und hat sich auf einem vergleichsweise die Politik, die Verwaltung und Teile der tiefen Niveau stabilisiert (vgl. Kapitel 2.1.2). schweizerischen Bevölkerung. Allerdings Die meisten Personen, die aus Kosovo in gibt es regionale Unterschiede zwischen die Schweiz einwandern, kommen im Rah- der deutschsprachigen und der lateini- men des Familiennachzugs. Es sind zumeist schen Schweiz (Romandie, Tessin) (vgl. Ka- junge Frauen und Männer, die einen in der pitel 2.1.4). Schweiz aufenthaltsberechtigten Partner heiraten und dann in die Schweiz ziehen. Damit haben sie von Anfang an einen gesi- cherten Aufenthaltsstatus.

112 In den vergangenen Jahren ist die Zahl der konzentrierten sich fortan verstärkt auf Einbürgerungen deutlich angestiegen, da ihre Familien in der Schweiz und die Arbeit. zunehmend mehr Kosovaren die Voraus- Kosovarische Eltern fanden zum Teil auch setzungen für die Einbürgerung erfüllen mehr Zeit, sich mit der Ausbildung ihrer (vgl. Kapitel 2.1.3). Mit der Einbürgerung Kinder zu befassen und den Erfahrungs- erhoffen sie sich einerseits mehr Chancen austausch mit Schweizer Eltern zu pflegen. auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt, an- dererseits ist damit eine grössere Reisefrei- Nach dem Kosovokonflikt hat sich auch die heit verbunden (der kosovarische Pass wird dazumal ausgesprochen aktive und stark von vielen Staaten noch nicht anerkannt). politisch sowie national-folkloristisch ge- Durch eine Einbürgerung wird oft auch das prägte Vereinslandschaft der kosovarischen Zugehörigkeitsgefühl verstärkt und die Teil- Bevölkerung in der Schweiz gewandelt. nahme am politischen Geschehen in der Die Zahl der Vereine ist zurückgegangen, Schweiz ist möglich. gleichzeitig wurden die weiter bestehen- den Vereine «entpolitisiert». Neben der Verstärkte Orientierung Pflege kosovarischer Traditionen widmen an der Schweiz sich viele Vereine heute Fragen der Inte­ Das Ende des Kosovokonfliktes führte bei gration und bieten den Zugewanderten In- den in der Schweiz lebenden Kosovaren tegrationsunterstützung in verschiedenen zu einer Neuorientierung. Viele von ihnen Lebensbereichen an (Bildung, Gesundheit,

113 Arbeit etc.). Die Vereine organisieren auch Einwanderungsgeneration ein sozialer Auf- Begegnungsanlässe mit anderen Einge- stieg möglich sein wird. wanderten und Schweizern. Der Anteil derjenigen, die eine Hochschule Die zunehmende Integrationsorientierung absolvieren, ist – wenn auch noch auf tie- kosovo-albanischer Vereine ist auch im fem Niveau – leicht ansteigend. Der Ein- Zusammenhang mit einem Generationen- stieg in den Arbeitsmarkt ist für Angehö- wechsel zu sehen. Heute sind es Angehö- rige der nachfolgenden Generationen aber rige der zweiten Generation, die in den nach wie vor schwierig. Viele Jugendliche Vereinen aktiv sind. Sie sind ganz oder teil- haben grosse Mühe, eine Lehrstelle zu fin- weise in der Schweiz aufgewachsen und den. Die Gründe dafür liegen zum Teil in sehen ihre Zukunft in diesem Land. den geringen formalen Qualifikationen, aber auch in Diskriminierungstendenzen Mittlerweile engagieren sich junge Koso- auf dem Lehrstellenmarkt. varen auch in der schweizerischen Politik. Damit geben sie nicht nur den Menschen Es ist anzunehmen, dass sich aufgrund kosovarischer Herkunft eine Stimme, son- verstärkter Integrationsorientierung in der dern regen weitere Kosovaren an, sich kosovarischen Bevölkerung mittel- bis lang- mit gesellschaftspolitischen Fragen in der fristig auch das Image und die Akzeptanz Schweiz zu beschäftigen. Zudem arbeiten dieser Gruppe in der Schweiz verbessern verschiedene kosovarische Studierenden- werden. Entscheidend dürfte dabei die vereine und andere Organisationen in Ini- Weitergabe differenzierter Informationen tiativen, die sich mit Entwicklungsfragen in in den verschiedenen Medien sein, ermög- Kosovo befassen (Businessberatung etc.). licht auch durch eine verstärkte wissen- schaftliche Auseinandersetzung mit dieser Auswirkungen auf den künftigen Bevölkerungsgruppe. Integrationsprozess Die verstärkte Orientierung der kosovari- schen Zugewanderten am schweizerischen 3.3 Aktuelle und zukünftige Umfeld lässt erwarten, dass der Integra- Handlungsfelder tionsprozess sich nun jenem Prozess an- gleicht, den wir von der italienischen und Am Beispiel der italienischen und spa- der spanischen Einwanderung her kennen. nischen Migranten in der Schweiz zeigt Davon würden vor allem Kinder und Ju- sich, dass die meisten mit der Migration gendliche profitieren. Der soziale Aufstieg zusammenhängenden Schwierigkeiten von der ersten zur zweiten Generation ist mit zunehmender Anwesenheitsdauer in bisher bescheiden geblieben. Es gibt aber der Schweiz abnehmen und mit der Zeit Anzeichen dafür, dass sich die Situation praktisch ganz verschwinden. Durch den mittel- bis langfristig verbessern und zu- Erwerb von Sprach- und Systemkenntnis- mindest Teilen der zweiten und dritten sen, also auch durch ein zunehmendes Ver-

114 trautsein mit staatlichen und gesellschaft- Schullaufbahn ihrer Kinder zu erhalten. lichen Institutionen (z.B. in den Bereichen Dadurch würden die Eltern auch stärker Bildung, Arbeit, Gesundheit und Politik), in die Pflicht genommen. Grundlegend werden viele Zugangsbarrieren abgebaut ist, dass die Eltern über die Möglichkeiten und wird die Interaktion mit den Institu­ und Anforderungen des schweizerischen tionen verbessert. Damit einher geht in Bildungssystems gut unterrichtet sind. aller Regel eine Annäherung an die schwei- Ein wesentlicher Bestandteil davon ist die zerische Bevölkerung. Auch in Bezug auf Kenntnis von spezifischen Förderangebo- die kosovarischen Zugewanderten in der ten für fremdsprachige Kinder (z.B. Früh- Schweiz gibt es seit einiger Zeit Anzeichen förderung, Unterricht in der Erstsprache). für eine solche Entwicklung. Bereits vor der Entstehung von Problemen sollte durch eine gezielte Förderung nieder- Die folgenden Abschnitte befassen sich mit schwelliger Begegnungen das gegensei- Herausforderungen, welche die kosovari- tige Verständnis und Vertrauen zwischen schen Migranten besonders betreffen. Hier Eltern, Lehrerschaft und Schulbehörden bedarf es kurz- bis mittelfristig gut aufei- verbessert werden. Dabei kann es hilfreich nander abgestimmter Interventionen von sein, interkulturelle Übersetzungsdienste in Behörden, Wirtschaft und Gesellschaft. Ei- Anspruch zu nehmen. nige Handlungsansätze werden dabei von den befragten Experten zur Problemlösung Ein grosses Förderpotenzial liegt bei den empfohlen. Die nachfolgende Auswahl er- integrationsorientierten kosovarischen Or­ hebt selbstverständlich keinen Anspruch ganisationen. Auch in der Schweiz aus- auf Vollständigkeit. gebildete und beruflich erfolgreiche ko- sovarische Privatpersonen können jungen Ausbildung und Berufseinstieg Menschen mit kosovarischem Hintergrund Wie zahlreiche Angehörige anderer, durch als Vorbild dienen und ihnen bei ihrer unqualifizierte Arbeitsmigration geprägter Schul- und Berufslaufbahn beratend zur Zugewandertengruppen sind vor allem Seite stehen. Eine wichtige Rolle nehmen junge Kosovaren bei der Ausbildung und im Weiteren die Ausbildner und die Arbeit- beim Berufseinstieg in der Schweiz benach- geber ein, indem sie die Chancengleichheit teiligt. Trotz bereits verschiedener ergriffe- gewähren und die Lehr- und Arbeitsstellen ner Massnahmen sind die Ausbildungs- so- unabhängig von der Herkunft vergeben. wie Berufsperspektiven oft unbefriedigend. Weitere wichtige Aspekte sind die Förde- Dies zeigt sich etwa daran, dass trotz einer rung einer Kultur der Vielfalt in Schulen, gewissen sozialen Mobilität zwischen den das Ergreifen von antidiskriminierenden Generationen der Anteil an Personen mit Massnahmen sowie Mentoring- und an- einer höheren Ausbildung weiterhin sehr dere Förderprogramme. gering ist. Deshalb wäre es für Eltern ko- sovarischer Herkunft ganz besonders wich- tig, Hilfestellung bei der Unterstützung der

115 Gesundheit und Altersversorgung Gesundheitsfachleuten wünschenswert, Viele Kosovaren in der Schweiz sind – teil- um den Umgang mit Migranten zu erleich- weise bedingt durch ihre sozioökonomi- tern. sche Lage – beträchtlichen Gesundheitsri- siken ausgesetzt: So ist bei den Männern Ein weiterer zentraler Aspekt ist die Vor- häufiger Tabakkonsum weit verbreitet und bereitung von Betagten auf das Leben in bei den Frauen Bewegungsmangel. Zu- Alters- und Pflegeheimen, etwa mit Bera- dem werden Präventions- und Vorsorge­ tungs- und Informationsangeboten – auch massnahmen von Kosovaren selten in An- für die Angehörigen. spruch genommen (vgl. Kapitel 2.2.3). Von gesundheitlichen Problemen betroffen sind Neuzuziehende gerade auch jüngere Menschen, von denen Obwohl die neu einwandernden Personen ein erheblicher Teil wie schon ihre Eltern in aus Kosovo meist über einen gesicher- Berufen mit erhöhten Risiken für die Ge- ten Aufenthaltsstatus verfügen und diese sundheit tätig sind. Weiter gibt es Anzei- Gruppe im Vergleich zu früheren Einwan- chen für verbreitete Suchterkrankungen derungsbewegungen relativ klein ist, birgt unter jugendlichen Kosovaren, was aber sie einiges an Konfliktpotenzial. wissenschaftlich bis anhin nur schlecht er- fasst ist. Kosovaren in der Schweiz bilden Personen, die nach einer Heirat mit einem also eine bedeutende Zielgruppe für ge- in der Schweiz ansässigen Kosovaren in die sundheitsfördernde Massnahmen. Schweiz ziehen, sind oft von ihrem Ehe- partner und der Schwiegerfamilie abhän- Handlungsbedarf zeichnet sich auch bei gig (u.a. finanziell). Für manche zugezo- der Altersversorgung ab. Viele kosovari- genen Männer ist es schwierig, entgegen sche Zugewanderte der ersten Generation ihrer Tradition von ihren Ehefrauen abhän- erreichen inzwischen ein Alter, in welchem gig zu sein. Umgekehrt kann es für Frauen sie auf Betreuung und Pflege angewiesen schwierig sein, wenn die Männer und die sind. Betagte Kosovaren entscheiden sich Schwiegereltern den zugezogenen Ehe- vermehrt dafür, ihren Lebensabend in der frauen nicht eine bestimmte Selbstständig- Schweiz zu verbringen. Gerade in dieser keit gewähren. Personengruppe bestehen jedoch wegen mangelhaften Sprach- und Systemkennt- Ferner beginnt bei den Neuzuziehenden im nissen oft Interaktionsschwierigkeiten mit Unterschied zu den bereits in der Schweiz Institutionen des Gesundheitssystems. eingelebten Partnern der Integrationspro- Davon sind Frauen besonders betroffen. zess erst. Vor allem bei neu zuziehenden Es bedürfte daher auf dem Weg zu einer Frauen besteht die Gefahr, dass es bei den angemessenen Gesundheitsversorgung Kindern zu einer «Perpetuierung» des Inte- weiterer Massnahmen der transkulturellen grationsdefizits kommt: Die Mutter als zen- Öffnung. So wäre beispielsweise eine Stär- trale Bezugsperson der Kinder ist mit den kung der transkulturellen Kompetenz bei Begebenheiten der Schweizer Gesellschaft

116 oft kaum vertraut, und der Vater gibt seine wegen fehlender finanzieller Möglichkei- Integrations- und Sprachkenntnisse viel- ten. Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Ge- fach nicht weiter. Ausserdem führen viele sellschaft und aus der kosovarischen Mig- nachgezogene Ehefrauen ein relativ isolier- rationsbevölkerung können ein Bindeglied tes Leben, was die Entstehung von psychi- zu kosovarischen Institutionen sein, um schen Problemen begünstigen kann. gemeinsam Formen zur Entwicklungsför- derung im Herkunftsland wie auch zur In- Zur Vermeidung unerwünschter Entwick- tegration von kosovarischen Migranten in lungen bei Neuzuziehenden und ihren der Schweiz zu finden. Die Umsetzung von Familien sollten diese Personen möglichst Migrationspartnerschaften im Westbalkan bald nach ihrer Ankunft Integrationsange- und in Kosovo, die gegenwärtig entstehen, bote in Anspruch nehmen können. Zugang dürfte die Zusammenarbeit stark voran- zu diesen Personen sollten idealerweise bringen (Liechti und Budowski 2008). kosovarische Organisationen aus dem so- ziokulturellen Umfeld des Wohnviertels schaffen. Das Thema der neu zuziehenden Kosovaren ist insgesamt aber noch wenig erforscht. Entsprechende Studien könnten wertvolle Erkenntnisse über die Integra­ tionsverläufe von Neuzuwandernden lie- fern und helfen, den Bedarf an weiteren Integrationsangeboten zu identifizieren.

Neue Dynamik für Zusammen­ arbeit nutzen Inzwischen gibt es vonseiten der Behör- den, der Schweizer Nichtregierungsorga- nisationen, der integrationsorientierten kosovarischen Organisationen sowie von Einzelpersonen etliche Unterstützungsan- gebote für Zugewanderte aus Kosovo. Die Angebote werden aber nicht ausreichend genutzt. Deshalb kommt einer rechtzeiti- gen und angemessenen Information der Betroffenen – verbunden mit einem nieder- schwelligen Zugang – zentrale Bedeutung zu.

Die Behörden Kosovos unterstützen ihre Landsleute in der Schweiz nur wenig, auch

117 4 Anhang Anhang I: Bibliografie

Zitierte Literatur

Arbeitsgruppe Ausländerkriminalität BFM (2006a). Kosovo. Lage der Minder- (AGAK) (2001). Konferenz der kantonalen heiten. Bern–Wabern: Bundesamt für Mi- Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direk- gration. toren (KKJPD). BFM (2006b). Probleme der Integration Backer, Berit (2003). Behind stone walls. von Ausländerinnen und Ausländern in der Changing household organization among Schweiz: Bestandesaufnahme der Fakten, the Albanians of Kosova. Pejë: Dukagjini Ursachen, Risikogruppen, Massnahmen Publishing House. und des integrationspolitischen Hand- lungsbedarfs. Bern–Wabern: Bundesamt BAG (2007). Wie gesund sind Migrantin- für Migration. nen und Migranten? Die wichtigsten Er- gebnisse des Gesundheitsmonitoring der BFS (2009). Sozialhilfestatistik 2008. Neu- schweizerischen Migrationsbevölkerung. enburg: Bundesamt für Statistik. Bern: Bundesamt für Gesundheit. BFS (2007a). Statistik der Schüler/-innen Baldwin, Clive, Hg. (2006). Minority rights und Studierenden 2005/2006. Neuenburg: in Kosovo under International Rule. Lon- Bundesamt für Statistik. don: Minority Rights Group International. BFS (2007b). Zur Entwicklung der Jugend- BFF (2000). Kosovo/Jugoslawien. Die Ko- kriminalität. Jugendstrafurteile von 1946 sovo-albanische Frau in Familie und Ge- bis 2004. Neuenburg: Bundesamt für Sta- sellschaft. Themenpapier. Bern: Bundesamt tistik. für Flüchtlinge, Regio Desk Europa/GUS/ Lateinamerika. Braunschweig, Judith, Gabriele Krebs und Susanne Moser (1998). Im Span- BFM (2009). Ausländer- und Asylstatistik nungsfeld von Tradition und Emanzipation: 2008. Bern–Wabern: Bundesamt für Mig- Sozialarbeit mit Migrantinnen aus Kosova. ration. Bern: Edition Soziothek.

BFM (2008). Ausländer- und Asylstatistik Brubaker, Rogers (2005). The ‘diaspora’ 2007. Bern–Wabern: Bundesamt für Mig- diaspora. Ethnic and Racial Studies, 28(1), ration. S. 1–19.

Buri, Markus (2008). IV-Statistik 2008. Bern: Bundesamt für Sozialversicherungen.

119 Clewing, Konrad und Jens Reuter, Hg. Efionayi-Mäder, Denise und Chantal (2000). Der Kosovo-Konflikt: Ursachen, Wyssmüller (2008). Migration und Ge- Verlauf, Perspektiven. Klagenfurt: Wieser sundheit, in Meyer, Katharina, Hg. Ge- Verlag. sundheit in der Schweiz. Nationaler Ge- sundheitsbericht 2008. Bern: Hans Huber, Constitution of the Republic of Ko- S. 88–105. sovo. (2008). «.assembly-kosova.org. Eidgenössisches Justiz- und Polizeide- Coradi Vellacott, Maja und Stefan Corne- partement (EJPD) (2009). Medienmittei- lis Wolter (2005). Chancengerechtigkeit lung vom 19.3.2009. im schweizerischen Bildungswesen. Aarau: www.bfm.admin.ch. Schweizerische Koordinationsstelle für Bil- dungsforschung (SKBF). Eisner, Manuel, Denis Ribeaud und Sté- phanie Bittel (2006). Prävention von Dahinden, Janine (2005). Prishtina–Schlie- Jugendgewalt. Wege zu einer evidenz- ren: albanische Migrationsnetzwerke im basierten Präventionspolitik. Bern: Eidge- transnationalen Raum. Zürich: Seismo. nössische Ausländerkommission EKA.

Dahinden, Janine und Joëlle Moret (2008). Eisner, Manuel, Denis Ribeaud und Tuba Transnationale Aktivitäten serbischer und Topçoglu (2008). Indikatoren zur wirt- kosovarischer Migrantenorganisationen in schaftlichen, sozialen und kulturellen Lage der Schweiz, in Schweizerisches Jahrbuch von immigrierten Minderheiten in der Stadt für Entwicklungspolitik. Migration und Ent- Zürich. Zürich: Integrationsförderung der wicklungspolitik: eine Zweckallianz. Genf: Stadt Zürich. Institut de hautes études internationales et du développement, S. 235–248. Erziehungsdepartement des Kantons Basel-Stadt (2008). Verzeichnis der An- Durmishi, Xhafer (1992). Organizatat po- gebote in Herkunftssprachen. Basel: Er- litike Shqiptare në Evropë 1979–1985 (Les ziehungsdepartement des Kantons Basel- organisations politiques albanaises en Eu- Stadt, Ressort Schulen. rope 1979–1985). European Stability Initiative (2006). Dzihic, Vedran und Helmut Kramer Cutting the lifeline: migration, families and (2008). Der Kosovo nach der Unabhängig- the future of Kosovo. Berlin [etc.]: ESI. keit. Hehre Ziele, enttäuschte Hoffnungen und die Rolle der internationalen Gemein- Eytan, Ariel et al. (2004). Determinants schaft. http://library.fes.de. of postconflict symptoms in Albanian Ko- sovars. The journal of nervous and mental disease, 192(10), S. 664–671.

120 Farcy, François (2007). La mafia albanaise Haenni Hoti, Andrea (2006). Determinan- en 2007. Präsentation an der Konferenz ten des Schulerfolgs von albanischsprachi- des Département de Recherche sur les gen Schülerinnen und Schülern, in Schader, Menaces Criminelles Contemporaines Basil, Hg. Albanischsprachige Kinder und DRMCC. Paris. Jugendliche in der Schweiz: Hintergründe, schul- und sprachbezogene Untersuchun- Fibbi, Rosita, Bülent Kaya und Etienne gen. Zürich: Verlag Pestalozzianum, S. Piguet (2003a). Le passeport ou le di- 69–96. plôme?: Etude des discriminations à l'embauche des jeunes issus de la migra- Hartmann Kunkel, Brigitte (1996). Ko- tion. Neuenburg: Schweizerisches Forum sovo-albanische Familien in der Schweiz. für Migrations- und Bevölkerungsstudien. Lizenziatsarbeit Universität Zürich. Zürich: [s.n.]. Fibbi, Rosita, Bülent Kaya und Etienne Piguet (2003b). Peter, Afrim oder Meh- Haxhikadrija, Amir (2009). Präsentation met: der Name macht den Unterschied. zum Forschungsprojekt Assessing the Role Neuenburg: Schweizerisches Forum für Mi- of Diaspora on Kosovo’s Development. grations- und Bevölkerungsstudien. Tagung Kosova-Schweiz der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit, 29. April 2009. Fo- Gabadinho, Alexis, Philippe Wanner und rum for Democratic Inititatives (FID), Direk- Janine Dahinden (2007). La santé des po- tion für Entwicklung und Zusammenarbeit pulations migrantes en Suisse: une analyse (DEZA). Luzern. des données du GMM: le rôle du profil socio-économique, sociodémographique Hupka, Sandra und Barbara E. Stalder et migratoire sur l'état de santé, les com- (2004). Die Situation junger Migrantinnen portements et le recours aux services de und Migranten beim Übergang Sek I – Sek santé. Neuenburg: Schweizerisches Forum II, in Achtung Gender: Ausbildungsver- für Migrations- und Bevölkerungsstudien. halten von Mädchen und jungen Frauen: Trends und Tipps. Zürich: SVB, S. 79–94. Gjëçovi, Shtjefën (kodifiziert), Robert - El sie, Hg. (2001). Der Kanun: das albanische Ibrahimi, Mahmud und Sarah Gretler Gewohnheitsrecht nach dem sogenannten (1991). Die Albaner in Jugoslawien: Infor- Kanun des Lekë Dukagjini. Pejë: Dukagjini mationen für Hilfswerkvertreter/-innen im Balkan Books. Asylverfahren. Bern: Schweizerische Zent- ralstelle für Flüchtlingshilfe.

121 Imdorf, Christian (2008). Der Ausschluss International Monetary Fund (IMF) «ausländischer» Jugendlicher bei der Lehr- (2008). «IMF-Aide_Memoire». lingsauswahl – ein Fall von institutioneller www.unmikonline.org. Diskriminierung?, in Rehberg, K.S., Hg. Die Natur der Gesellschaft. Verhandlungen des International Monetary Fund (IMF) 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft (2001). Kosovo. Macroeconomic Issues and für Soziologie in Kassel 2006. Frankfurt Fiscal Sustainability. www.imf.org. a. M. Campus, S. 2048–2058. Iseni, Bashkim (2010). Islam und Politik bei Imdorf, Christian (2005). Schulqualifika- den Albanern, Monatszeitschrift G2W, Nr. tion und Berufsfindung: wie Geschlecht Juli/August 2010, S. 26–29. und nationale Herkunft den Übergang in die Berufsbildung strukturieren. Wiesba- Iseni, Bashkim (2009). Les diasporas musel- den: VS Verlag für Sozialwissenschaften. manes des Balkans en Suisse, in Schneuwly Purdie, Mallory, Matteo Gianni und Ma- Institut für Europäische Politik (2007). gali Jenny (dir.), Musulmans d’aujourd’hui: Operationalisierung von Security Sector Identités plurielles en Suisse, Genf: Labor et Reform (SSR) auf dem westlichen Balkan – Fiedes. intelligente/kreative Ansätze für eine lang- fristige positive Gestaltung dieser Region. Iseni, Bashkim (2008). La question na- Studie im Auftrag des Zentrums für Trans- tionale en Europe du Sud-Est. Genèse, formation von Bundeswehr. Berlin. émergence et développement de l’identité nationale albanaise au Kosovo et en Macé- Internationaler Strafgerichtshof für doine. Bern: Verlag Peter Lang. das ehemalige Jugoslawien (ICTY) (2008). Case Information Sheet. Haradinaj Jean, François und Jean-Christophe Rufin, et al. www.un.org. Hg. (1996). Economie des guerres civiles. Paris: Hachette. International Crisis Group (ICG) (2008). Kosovos Fragile Transition. Europe Report Kadare, Ismail (2007). Der zerrissene April. Nr. 196, 25. September 2008. Roman. Frankfurt a. M.: Fischer Taschen- buch Verlag. International Crisis Group (ICG) (2001). Religion in Kosovo. ICG Balkans Report Nr. Kallaba, Xhevdet und Jan Poldervaart, 105. Pristina/Brüssel. Hg. (2005). Kosovo–Schweiz–Kosova: Flucht- und Rückkehrbewegung 1998– 2001. Zürich: Verlag der Schweizerischen Stiftung des Internationalen Sozialdienstes.

122 Kaser, Karl, Hg. (1995). Familie und Ver- neuer Ansatz der Schweiz ?, in Schweize- wandtschaft auf dem Balkan: Analyse einer risches Jahrbuch für Entwicklungspolitik. untergehenden Kultur. Wien etc.: Böhlau Migration und Entwicklungspolitik: eine Verlag. Zweckallianz. Genf: Institut de hautes étu- des internationales et du développement, Kronig, Winfried (2003). Zur Interpreta- S. 221–228. tion des geringeren Bildungserfolgs bei Immigrantenkindern auf der Primarschul- Lischer, Rolf (2003). Integrierte Fremde? stufe. Studien + Berichte, 19A, S. 24–33. Eine statistische Antwort. Ausländische Kinder und Jugendliche im schweizerischen Labitzke, Gerald (2006). Kosovo-Konflikt. Bildungssystem, in Rosenberg, Sonja et www.histinst.rwth-aachen.de. al., Hg., Schul- und Bildungslaufbahn von immigrierten leistungsschwachen Schüle- Latifi, Shaip (2008). Monografia e degës së rinnen und Schülern: Schlussbericht CON- Lidhjes Demokratike të Kosovës në Zvicërr VEGNO 2002. Bern: EDK. 1990–1993 dhe 1997–2008 (La monogra- phie de la Ligue Démocratique du Kosovo Maillard, Alain und Ueli Leuenberger en Suisse 1990–1993 et 1997–2008). La (1999). Les damnés du troisième cercle: Ligue Démocratique du Kosovo en Suisse. les Albanais de la Kosovë en Suisse, 1965– 1999. Genève: Les éditions Metropolis. Lerch, Mathias, Janine Dahinden und Philippe Wanner (2005). Mapping Three Malcolm, Noel, Hg. (1998). Kosovo: A Balkan Diasporas in Switzerland. Develop- Short History. New York: Harper. ment Financing and the Remittance Market in the Balkans and Switzerland. Identifica- Malek, Monica (2007). Ist die Sprache tion Phase (nicht publizierter Bericht). Neu- der Schlüssel zur Integration? Eine Un- enburg, Schweizerisches Forum für Migra- tersuchung über den Einfluss der alltags- tions- und Bevölkerungsstudien. orientierten deutschen Sprachkurse auf die Integration von albanischsprachigen Leuenberger, Ueli (2001). La présence Migrantinnen im Kanton Luzern. Philoso- des Albanais en Suisse: un enjeu important phische Fakultät. Freiburg, Universität Frei- pour les Suisses et les Albanais, in Weibel, burg. Lizenziatsarbeit. Jean-Pierre und Roberto Bernhard, Hg., Citoyenneté active ou population passive? Mattern, Rainer (2005). Kosovo: zur Si- Les étrangers en Suisse: rôle dans la vie ci- tuation der Roma-Gemeinschaften. Bern: vique et modes d'intégration. Aarau etc.: Schweizerische Flüchtlingshilfe SFH. Sauerländer, S. 151–158. Meier, Christof und Michael Bischof Liechti, Therese und Monica Budowski (2008). Arbeitspapier zu den Deutschkom- (2008). Migrationspartnerschaften: ein petenzen der Zürcher Bevölkerung. Eine

123 Einschätzung auf der Basis vorhandener sachen, Verlauf, Perspektiven. Klagenfurt: Daten. Zürich. Wieser Verlag, S. 321–334.

Ministry of Foreign Affairs of the Repu- Reuter, Jens (2000b). Serbien und Kosovo – blic of Kosovo (MFAK) (2009). Countries das Ende eines Mythos, in Reuter, Jens und Recognitions. www.ks-gov.net. Konrad Clewing, Hg. Der Kosovo-Konflikt: Ursachen, Verlauf, Perspektiven. Klagen- Müller, Romano (2002). Bildungserfolg furt: Wieser Verlag, S. 139–155. durch Integration: zur Situation ausländi- scher Schüler in der Schweiz. Schweizer Reuter, Jens (2000c). Zur Geschichte der Monatshefte für Politik, Wirtschaft, Kultur, UÇK, in Reuter, Jens und Konrad Clewing, 82(11), S. 24–27. Hg. Der Kosovo-Konflikt: Ursachen, -Ver lauf, Perspektiven. Klagenfurt: Wieser Ver- Nagy, Katalin (2008). Zur Kriminalität aus- lag, S. 171–186. ländischer Jugendlicher. Klärung möglicher Ursachen und Folgerungen für die Gewalt- Reuter, Jens und Konrad Clewing, Hg. prävention. Zürich: Zürcher Hochschule für (2000). Der Kosovo-Konflikt: Ursachen, Angewandte Wissenschaften. Diplomar- Verlauf, Perspektiven. Klagenfurt: Wieser beit. Verlag.

NATO (2008). Kosovo Force (KFOR). www. Rommel, Alexander, Caren Weilandt und nato.int. Josef Eckert (2006). Gesundheitsmonito- ring der schweizerischen Migrationsbevöl- Office of the Prime Minister of Kosovo kerung. Bonn, WIAD (Wissenschaftliches (OPK) (2008). Biography. www.ks-gov.net. Institut der Ärzte Deutschlands).

Petritsch, Wolfgang, Karl Kaser und Ro- Rroma Foundation (2008). Rroma. Zü- bert Pichler, Hg. (1999). Kosovo-Kosova: rich, Rroma Foundation. Mythen, Daten, Fakten. Klagenfurt: Wieser Verlag. Roux, Michel (1992). Les Albanais en You- goslavie. Minorité national, territoire et dé- Republic of Kosovo Assembly (RKA) veloppement. Paris: Fondation de la Mai- (2008). Kosovo Declaration of Indepen- son des sciences de l’homme. dence. www.assembly-kosova.org. Schader, Basil (2006). Albanischsprachige Reuter, Jens (2000a). Die Kosovo-Politik Kinder und Jugendliche in der Schweiz: der internationalen Gemeinschaft in den Hintergründe, schul- und sprachbezogene neunziger Jahren, in Reuter, Jens und Kon- Untersuchungen. Zürich: Verlag Pestaloz­ rad Clewing, Hg. Der Kosovo-Konflikt: Ur- zianum.

124 Schiffauer, Werner (1997). Fremde in der Shatri, Xhafer (2002b). Fondet e Kosovës, Stadt – zehn Essays zu Kultur und Diffe- pasqyrë e të vërtetave tona (Les fonds du renz. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Kosovo, le miroir de nos vérités). Pasqyra (Le Miroir). Kosovo. Schmidt, Fabian (2000). Menschenrechte, Politik und Krieg in Kosovo 1989–1999, Statistical Office of Kosova (SOK) in Reuter, Jens und Konrad Clewing, Hg. (2009a). Key Indicators on Population Der Kosovo-Konflikt: Ursachen, Verlauf, 2009. www.ks-gov.net. Perspektiven. Klagenfurt: Wieser Verlag, S. 187–212. Statistical Office of Kosova (SOK) (2009b). Kosovo in Figures 2008. Pristina, Schmitt, Oliver Jens (2008). Kosovo. Kurze Statistical Office of Kosovo (SOK). Geschichte einer zentralbalkanischen Land- schaft. Wien/Köln/Weimar: Böhlau Verlag. Statistical Office of Kosova (SOK) (2008a). Series 4: Population Statistics. Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) www.ksgov.net (2008). Asylsuchende aus Kosovo. Position der Schweizerischen Flüchtlingshilfe SFH. Statistical Office of Kosova (SOK) Bern: Schweizerische Flüchtlingshilfe SFH. (2008b). Series 3: Economic Statistics. Ex- ternal Trade Statistics May 2008. www.ks- Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) gov.net. (2004). Kosovo – Bedeutung der Tradition im heutigen Kosovo. Bern: Schweizerische Statistical Office of Kosova (SOK) Flüchtlingshilfe SFH. (2008c). Demographic Changes of the Ko- sovo Population 1948–2006. Pristina, Stati- Schweizerischer Bildungsserver (2009). stical Office of Kosovo (SOK). Sonderpädagogik in der Schweiz. www. educa.ch. Statistical Office of Kosova (SOK) (2007). Kosovo in Figures 2007. www.ks- Schweizerischer Bundesrat. Strafbarkeit gov.net. von Zwangsheiraten und arrangierten Hei- raten. Bericht des Bundesrates in Erfüllung Steiner, Olivier, Hector Schmassmann des Postulates 05.3477 der Staatspoliti- und Ueli Mäder (2005). Lebensweltliche schen Kommission des Nationalrates vom Gewalt­erfahrungen Jugendlicher: eine em- 9.9.2005, S. 6f. pirische Studie über delinquente Jugendli- che. Bern. Shatri, Xhafer (2002a). Anatomia e një atentati (L’Anatomie d’un attentat). Pas- Stevens, Georgina (2009). Filling the Va- qyra (Le Miroir). Kosovo. cuum: Ensuring Protection and Legal Re-

125 medies for Minorities in Kosovo. London: United Nations Office on Drugs and Minority Rights Group International. Crime (UNODC) (2008). Crime and its Impact on the Balkans and affected Coun- Sundhaussen, Holm (2000). Kosovo – tries. www.unodc.org. eine Konfliktgeschichte, in Reuter, Jens und Konrad Clewing, Hg. Der Kosovo-Konflikt: United Nations Organization (UNO) Ursachen, Verlauf, Perspektiven. Klagen- (1999). Security Council Resolution S/ furt: Wieser Verlag, S. 65–88. RES/1244. 10.6.1999. New York.

Torche, Denis (1989). Les liens entre Ukelli, Sami (2008). Ist der Frieden in l'identité nationale et le fait migratoire: le Kosovo/Kosova von Dauer? Herausforde- cas des Albanais de Yougoslavie. Revue rungen der kosovarischen Gesellschaft im suisse de sociologie, 15(1), S. 115–138. Transformationsprozess unter besonderer Berücksichtigung der Politik und Wirt- Trbovich, Ana S., Hg. (2008). A legal geo- schaft: eine Bestandesaufnahme. Linz: graphy of 's disintegration. Ox- Trauner Verlag. ford/New York: Oxford University Press. Von Aarburg, Hans-Peter (2002). United Nations Development Pro- L'émigration albanaise du Kosovo vers la gramme (UNDP) Kosovo (2008). Early Suisse: l'imprévisible évolution des projets Warning Report Kosovo. Report # 20/21 migratoires. Ethnologie française, 32(2), S. Special Edition. January – June 2008. Pris- 271–282. tina. Von Aarburg, Hans-Peter und Sarah Bar- United Nations Development Pro- bara Gretler (2008). Kosova–Schweiz: gramme (UNDP) Kosovo (2007). Deve- die albanische Arbeits- und Asylmigration lopment and Transition 3. Kosovo edition zwischen Kosovo und der Schweiz (1964– Private Sector Development. Pristina. 2000). Münster: LIT-Verlag.

United Nations Development Pro- Wanner, Philippe und Mathias Lerch gramme (UNDP) Kosovo (2006). Human (2008). Migration and Remittances in Ko- Development Report. Youth. A new Gene- sovo. Results from the 2000 Living Stan- ration for a new Kosovo. Pristina. dards Measurement Study Surveys. Ge- neva. United Nations Office of the Special Envoy for Kosovo (UNOSEK) (2007). Weltbank (2007a). Kosovo at a glance. Comprehensive Proposal for the Kosovo http://siteresources.worldbank.org. Status Settlement.

126 Weltbank (2007b). Kosovo Poverty As- Zeitungsartikel (chronologisch) sessment. Volume I: Accelerating Inclusive Growth to Reduce Widespread Poverty. Neue Zürcher Zeitung (NZZ), 16.2.2008: Startschuss für Kosovo-Mission der EU. Wyssmüller, Chantal und Denise Efionayi- www.nzz.ch. Mäder (2007). Literatur- und Datenstudie zum Thema «Migration und Invalidenver- Neue Zürcher Zeitung (NZZ), 17.2.2008: sicherung». Neuenburg, Swiss Forum for Kosovo erklärt sich für unabhängig. Migration and Population Studies. www.nzz.ch.

Wyssmüller, Chantal (2005). Menschen Tages-Anzeiger (TA), 17.2.2008: Chro- aus dem Balkan, in Schweizer Printmedien: nik: Langer Kampf um Unabhängigkeit. diskursive Konstruktion und (Re)Produktion http://sc.tagesanzeiger.ch. von Raum- und Identitätsbildern und deren Bedeutung für soziale Integration. Bern: Die Zeit, 17.3.2008: Gespaltene Stadt Mit- [s.n.]. rovica. www.zeit.de.

Tages-Anzeiger (TA), 14.6.2008: Ko- sovo wird schleichend geteilt (2008). http://sc.tagesanzeiger.ch.

Tages-Anzeiger (TA), 16.6.2008: Auch mit der neuen Verfassung droht Kosovo die Spaltung. http://sc.tagesanzeiger.ch.

Neue Zürcher Zeitung (NZZ), 8.10.2008: Die Uno gibt grünes Licht für Gerichtsent- scheid zu Kosovo. www.nzz.ch.

127 Anhang II: Nützliche Adressen

Wer nach spezifischen Informationen zur kosovarischen Diaspora sucht oder mit der kosovarischen Bevölkerung in Kontakt tre- ten möchte, findet hier eine entsprechende Adressliste. Sie umfasst lediglich Adressen in der Schweiz und ist nicht abschliessend. Da sich die Vereinslandschaft ständig wan- delt, kann die Aktualität der Informationen nicht gewährleistet werden. Zu einzelnen Institutionen wurden Angaben gemacht. Diese sind nicht Ausdruck davon, wie wich- tig die Organisationen sind, sondern wi- derspiegeln die zur Verfügung stehenden Informationen. Auf eine Auflistung der ko- sovarischen Läden und Restaurants wurde angesichts der grossen Anzahl verzichtet.

Die Kontaktadressen umfassen folgende Kategorien (in alphabetischer Reihenfolge):

– Botschaft – Politische Organisationen – Beratungsdienste oder -stellen und kul- turelle Vereine (oft als Klub bezeichnete Treffpunkte und Freizeitlokalitäten) – Religiöse Vereine – Medien – Sportklubs

128 Botschaft Partia Demokratike e Kosovës PDK Botschaft der Republik Kosovo (Demokratische Partei Kosovos) Schreinerweg 6 Präsident: Hashim Thaqi (zugleich Premier- 3012 Bern minister der Republik Kosovo) Tel. 031 301 86 59 www.pdk-ks.org [email protected] Vetëvendosje! (Selbstbestimmung!) Politische Organisationen Präsident: Albin Kurti Aleanca për Ardhmërinë e Kosovës Kontaktperson für die Schweizer Sektion: AAK (Allianz für die Zukunft Kosovos) Arta Kryeziu Präsident: Ramush Haradinaj Mobile 078 892 18 97 Kontaktperson für die Schweizer Sektion: [email protected] Agim Pajaziti www.vetevendosje.org Mobile 076 319 14 98 Beratungsdienste oder -stellen Aleanca Kosova e Re AKR (Allianz für und kulturelle Vereine ein Neues Kosovo) Der Grossteil der hier angegebenen Adres- Präsident: Behxhet Pacolli sen stammt von Organisationen, die von Kontaktperson für die Schweizer Sektion: Kosovaren in der Schweiz gegründet wur- Arben Kurteshi den. Diese Institutionen bieten der koso- Mobile 079 569 01 47 varischen Bevölkerung Unterstützung und [email protected] fördern die Beziehungen zur Schweizer www.akr-int.com Gesellschaft. Es werden hier vor allem die national tätigen Vereine aufgeführt. Lidhja Demokratike e Dardanisë LDD (Demokratische Liga von Dardanien) Albanerverein Bad Ragaz Präsident: Nexhat Daci Kontaktperson: Nuhiu Gazmend Kontaktperson für die Schweizer Sektion: 7310 Bad Ragaz Zize Pepshi Tel. 081 302 19 97 [email protected] www.ldd-kosova.org Albanisches Bildungs- und Begegnungszentrum Lidhja Demokratike e Kosovës LDK Kontaktperson: Ursula Käser Sokolaj (Demokratische Liga Kosovos) Seftigenstrasse 57 Präsident: Fatmir Sejdiu (zugleich Präsident 3000 Bern 17 der Republik Kosovo) Tel. 031 376 19 85 Kontaktperson für die Schweizer Sektion: [email protected] Haki Latifi Fax 031 376 19 89 Tel. 032 682 54 23

129 Albanisches Institut Postfach 111 Informations-, Beratungs- und Unterstüt- 1001 Lausanne zungsstelle für Kosovo-Albaner in der [email protected] Schweiz. Postfach 7 Ausbildungs- und Beratungsstelle für 9001 St. Gallen Migrantinnen und Migranten (ABSM) www.albanisches-institut.ch ABSM unterstützt die Integration von Aus- länderinnen und Ausländern – insbeson- Albanischer Kultur- dere aus Kosovo. Die Organisation arbeitet und Solidaritätsverein eng mit der ausländischen und inländi- Kontaktperson: Rrustemi Sadik schen Bevölkerung sowie mit Behörden Wolfgangstrasse 9a und anderen Institutionen zusammen. 9014 St. Gallen Gempenstrasse 27 Mobile 079 306 78 33 4053 Basel Tel. 061 361 85 88 Albanischer Kulturverein Iliria Fax 061 361 85 55 Rickenstrasse 24 [email protected] 9630 Wattwil www.absm.ch

Albanische Tanzschule «Shota» BAMIZ (Balkan Migrations- Kontaktperson: Agron Bajrami und Integrationszentrum) Dammweg 3 Der Verein BAMIZ versteht sich als Partner 5000 Aarau für Familien, Gemeinden, Behörden, Fach- Mobile 079 752 58 60 stellen, Personen und Interessenverbände, [email protected] die Fragen im Zusammenhang mit der Bal- www.shota.ch kanmigration haben. Kehlhofstrasse 12 Association des étudiants albanais 8003 Zürich de l’Université de Lausanne Tel. 043 288 52 07 Von einer albanischen Studentengruppe www.bamiz.ch 1994 gegründeter und vom Rektorat der Universität Lausanne offiziell anerkannter ISEAL (Institut suisse d’études Verein. Die Mitglieder stammen aus Al- albanaises) banien, Kosovo und Mazedonien. Ihr Ziel Ziel des Instituts ist, die Beziehungen zwi- besteht hauptsächlich darin, die albanische schen den Schweizern und den Albanern Kultur und den Dialog zwischen den Stu- zu entwickeln und zu stärken, die Integra- denten der Universitäten von Tirana (Alba- tion der Albaner in der Schweiz zu fördern nien), Pristina (Kosovo), Tetovo (Mazedo- und für sämtliche Fragen im Zusammen- nien) und der Schweiz zu fördern. hang mit der albanischen Gemeinschaft in Kontaktperson: Ilirjana Bajramaj der Schweiz zu einem anerkannten Partner

130 der schweizerischen, albanischen, kosova- [email protected] rischen und mazedonischen Behörden zu www.lapsh-ch.com/ werden. Kontaktperson: Driton Kajtazi Prointegra – Fachstelle für Migrations- c/o Régis Marion-Veyron fragen Chemin des Pinsons 12 B Die Fachstelle gilt als schweizerisches Kom- 1000 Lausanne petenzzentrum für albanischsprechende Mobile 079 339 80 77 Menschen und deren Herkunftsländer (Ko- [email protected] sovo, Mazedonien, Albanien, Serbien und Montenegro). Sie besteht aus einem inter- Klubi Besa disziplinären und im Migrationsbereich gut Delsbergstrasse 181 vernetzten Team. 4242 Laufen Hoffeld 24 8057 Zürich – Oerlikon Klubi 28 Nëntori Tel. 043 268 92 60 Albisstrasse 33b [email protected] 8134 Adliswil www.prointegra.net

Klubi Përparimi Rroma Foundation Langäulistrasse 22 Rromani Fundacija 9470 Buchs Zweck der Rroma Foundation ist die För- derung der Rroma durch Projekte, die von Klubi Skënderbeu Rroma für Rroma gemacht werden. Die Stif- Hagenackerstrasse 4 tung unterstützt Projekte in mehreren ost- 8307 Effretikon europäischen Ländern, wie beispielsweise Stipendienprogramme, Schulprojekte, Ge- Klubi Skënderbeu sundheits- und Infrastrukturprojekte. In der Kasernenstrasse 16 Schweiz berät und unterstützt die Rroma 7000 Chur Foundation vor allem Rroma-Flüchtlinge. Gladbachstrasse 67 LAPSH, Albanischer Lehrer- und Eltern- 8044 Zürich verband «Naim Frashëri» Tel. 044 383 63 26 LAPSH ist eine Organisation der albani- Fax 044 383 63 02 schen Lehrpersonen und Eltern, die in der foundation.rroma.org Schweiz leben und arbeiten. Der Verband [email protected] ist in vielen Kantonen und Gemeinden der [email protected] Schweiz tätig. www.rroma.org Kontaktperson: Naser Ulaj

131 SPIK (Shotata për Përkrahjen dhe Pro- Verein Albanische Gemeinschaft movimi e Integrimit të Kosovarëve) für BS/BL Verein zur Unterstützung und Förde- Kontaktperson: Kazim Haziri rung der Integration von Kosovaren Utengasse 25 Via Adula 7 4058 Basel 6710 Biasca Tel. 061 681 33 82 Tel. 091 862 52 35 www.associazionespik.ch Verein Albanische Bibliothek in der Schweiz «Studenti», Verein der albanischen Karstlernstrasse 14 Studenten der Universität Zürich 8048 Zürich Verein für Studierende albanischer Her- Tel. 044 483 07 18 kunft aus den verschiedenen Ländern des [email protected] Balkans. [email protected] Verein der Ashkali Kosovos Der Verein widmet sich der Identitätsfin- UPA Université populaire albanaise dung und Bewahrung sowie der Förderung Gemeinnütziger, religiös neutraler und der kosovarischen Ashkali–Kultur in der politisch unabhängiger Verein. Der Verein Diaspora. Zudem leistet er Beratung für die verfolgt drei Ziele: Sich dafür einsetzen, Diaspora in der Schweiz sowie humanitäre dass die Mitglieder der Gemeinschaft al- Hilfe für die Ashkali in Kosovo. banischer Sprache und Kultur einen Platz Kontaktperson: Arben Bajrami in der Genfer Gesellschaft finden; die Ge- Leimbachstrasse 25 meinschaft albanischer Sprache und Kultur 8041 Zürich und deren Interessen vertreten; die Genfer Bevölkerung über die Werte der Gemein- Verein «Die albanische Gemeinschaft schaft albanischer Sprache und Kultur in- in der Schweiz AGS» (Bashkësia Shqip- formieren und sie dafür sensibilisieren. tare në Zvicërr) Kontaktperson: Albana Krasniqi-Malaj Hauptstrasse 19 Rue de Lyon 112 9320 Arbon Postfach 593 Tel. 091 208 14 95 1211 Genève 13 [email protected] Tel. 022 340 25 77 Fax 022 340 25 79 Verein Rinia Contact [email protected] Dieser Verein bietet Jugendlichen einen [email protected] Raum zur Freizeitgestaltung. Sie können www.upa.ch hier die albanische Kultur über verschie- dene Aktivitäten wie Musik- und Tanz- workshops oder Sprach- und Nachhilfe- kurse entdecken.

132 Rue de Lyon 112 Tel. 043 288 96 11 Postfach 593 www.albsuisse.ch 1211 Genève 13 Tel. 022 340 25 77, nach Mathieu, Rrezarta Bota sot oder Isabelle fragen Direktor: Teki Dervishi [email protected] Tageszeitung Löwenstrasse 56 Religiöse Vereine Postfach 3904 Albanisches Islamisches Kulturzentrum 8001 Zürich Sedelstrasse 7 Tel. 044 218 10 70 6020 Emmenbrücke [email protected] Kontaktperson: Bekim Gjinolli Mobile 076 516 60 54 Koha ditore Centre islamique albanais de Lausanne Unabhängige Tageszeitung Chemin de la Colline 7 Direktorin: Flaka Surroi 1007 Lausanne Chefredaktor: Agron Bajrami Tel. 021 624 41 02 Tel. 043 497 32 80 www.kohaditore.com Katholische Albaner Mission Luzernerstrasse 141 Kosovarja 6014 Littau Zweimal wöchentlich erscheinende Tel. 041 250 52 60 unabhängige Zeitung Chefredaktor: Gani Dili Islamische Albanische Gemeinschaft [email protected] Obfeldenstrasse 39 8910 Affoltern am Albis Tung.ch Tel. 044 760 25 83 Zweimal monatlich erscheinende Zeitung Zunstrasse 11 Islamischer Verein Besimtari 8152 Glattbrugg Haltingerstrasse 96 Tel. 044 810 00 65 4057 Basel Mobile 079 324 00 00 Tel. 061 681 35 41 www.tung.ch

Medien Zëri i ditës AlbSuisse Tageszeitung Monatszeitung in albanischer Chefredaktor: Bardh Hamzaj und deutscher Sprache Mobile 079 705 19 00 Ohmstrasse 14 [email protected] 8050 Zürich

133 Sportklubs FC Dardania (3. Liga); Basel Kontaktperson: Ismail Kastrati Mobile 079 337 96 63

FC Dardania Lausanne (3. Liga); Lausanne Kontaktperson: John Nuki Tel. 021 807 18 26

FC Kosova (3. Liga); Neuenburg Kontaktperson: Jakup Berdynaj Mobile 078 767 22 24

FC Kosova (2. Liga); Zürich Kontaktperson: Arsim Hyseni Mobile 079 353 60 29

FC Kosova Genève (2. Liga); Genf Kontaktperson: Besim Jahiu Mobile 079 446 34 40

FC Prishtina Bern (3. Liga); Bern Kontaktperson: Islam Ramadani Tel. 031 992 88 65

K.F. Rinia (Fussballklub, 3. Liga); Biel Kontaktperson: Petrit Krasniqi Mobile 078 797 69 95

134 Anhang III: Liste der Gesprächspartner

Diamant Abrashi Saime Isufi Schriftsteller Albanischlehrerin und interkulturelle Über- setzerin Shefkije Aliu Beraterin bei Infodona – Beratungsstelle Herr L. für Migrantinnen und Migranten Handwerker, seit 1993 in der Schweiz

Arif Baftiu Herr M. Historiker Lehrling, seit 1991 in der Schweiz

Naser Callaku Nexhat Maloku Mitglied der Islamischen Gemeinde Luzern HSK-Lehrer Kanton Zürich, Mediator, Alba- (IGL) nischer Lehrer- und Elternverband «Naim Frashëri» Ylfete Fanaj Studentin der Hochschule Luzern Soziale Christof Meier Arbeit, Grossstadträtin SP Stadt Luzern, Leiter Integrationsförderung Stadt Zürich Präsidentin der Second@s Plus Schweiz Urs Müller Hilmi Gashi Sozialarbeiter, Jugendanwaltschaft Stadt Gewerkschaftssekretär Unia Migration Zürich

Arben Geçaj Osman Osmani Sozialarbeiter, Leiter Balkan Migrations- Leiter Offene Jugendarbeit OJA Zürich – und Integrationszentrum BAMIZ Affoltern, Präsident Pro Integra Fachstelle für Migrationsfragen Premtim Hajdari Künstlerischer Leiter eines Grafik-, Design- Albert Ramaj und Multimediaunternehmens Leiter Albanisches Institut St. Gallen

Xhevat Hasani Fahredin Ramiqi Arzt und Therapeut, freier Mitarbeiter Pro Sozialarbeiter, Präsident des Vereins Rinia Integra Fachstelle für Migrationsfragen Contact

Christoph Hug Ismet Rashiti Jugendanwalt, ehem. Leiter Jugendanwalt- Journalist und Publizist schaft Zürich

135 Basil Schader Albanologe und Germanist, Leiter des Bereichs Deutsch an der Pädagogischen Hochschule Zürich

Walter Schmid Rektor der Hochschule Luzern Soziale Ar- beit

Hava Shala Gerguri Mitglied der Eidgenössischen Kommission für Migrationsfragen (EKM), Kulturvermitt- lerin

Xhafer Shatri Journalist

Faton Topalli Sozialarbeiter, Co-Leiter Pro Integra Fach- stelle für Migrationsfragen

Hans-Peter von Aarburg Ethnologe, Fachhochschule Westschweiz, Co-Autor des Buches «Kosova–Schweiz – die albanische Arbeits- und Asylmigration zwischen Kosovo und der Schweiz (1964– 2000)»

136