Nach Der Flut Ist Vor Der Flut Wie Hochwasser Betroffene Bürger Zum Umdenken Veranlasst Von Rebecca Hillauer
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SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Tandem Nach der Flut ist vor der Flut Wie Hochwasser betroffene Bürger zum Umdenken veranlasst Von Rebecca Hillauer Sendung: 20.03.18, 10.05 Uhr Redaktion: Petra Mallwitz Regie: Andrea Leclerque Produktion: SWR 2018 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Service: SWR2 Tandem können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/tandem.xml Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. 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Ein beschaulicher Erholungsort rund 12 Kilometer vom berühmten „Brocken“ entfernt, mit historischer Altstadt und Fachwerkhäusern. Nichts weist darauf hin, dass im Juli letzten Jahres ein drei Tage andauernder Starkregen für eine Überschwemmungkatastrophe sorgte. Die Einwohner erinnern sich genau: Atmo 02 von Take 01, Fußgängerzone, darauf Take 01 Bewohner Collage (Frau:) Ich war gerade außer Landes, und da riefen uns natürlich Leute, die hier wohnten, an, und sagten: „Mensch, hier in Wernigerode Hochwasser!“ Und schickten uns tatsächlich von hier die Fotos. Und sahen dann, was hier für ein Wasser runter kam! (Mann:) Die haben dann gleich oben einen Damm gebaut, damit das hier nicht in die Stadt runter läuft. (Junge Frau:) Und da ging es darum, dass die Zillierbachtalsperre kurz vorm Überlaufen war. Es ist auch nichts über das Wehr drüber gekommen, weil die haben relativ schnell reagiert, um die Altstadt zu schützen. - kurze Atmo -, darauf + weg (A 02) Autorin: eventuell auf Atmo 02 In anderen Stadtteilen, die direkt an den Ufern der beiden Flüsse Zillierbach und Holtemme liegen, sah es weniger rosig aus. Straßen und Keller wurden überflutet, Ufermauern unterspült, angrenzende Straßen und Gehwege brachen ein. Besonders schwer traf es die eingemeindete Ortschaft Silstedt. Take 02 Einwohnerin Ich weiß von unserer Firma, wir haben eine Betriebsfeuerwehr. die waren in Silstedt. Und die Kollegen haben gesagt, so was haben sie noch nicht erlebt. Weil drohte ja diese ganze Viehzucht abzusaufen - und das mussten die alles evakuieren. Und da 2 war ein Tor. Da war das Wasser bis zum Briefkasten. Man weiß, wie hoch ein Briefkasten hängt! Das kann man sich gar nicht vorstellen! Take 03 Karl-Heinz Mänz Ich bin 76 Jahre. Mit welcher Kraft dieses Mal das Wasser in der Holtemme ankam, ist unvorstellbar. Das war sonst ein normaler ruhiger Fluss - und das hat richtig wie Wellen getobt, das Wasser. Und damit war es nicht zu halten. (A 03) Autorin: Erzählt Karl-Heinz Mänz. Er ist seit 1990 Bürgermeister von Silstedt und hat er etliche Hochwasser miterlebt. Das erste „Jahrhunderthochwasser“ 1994, dann Überschwemmungen in den Jahren 2002, 2016 und zuletzt 2017. Ganz ähnlich erging es Juliane Beese in Wernigerode. Sie wohnt am Zusammenfluss von Zillierbach und Holtemme. Take 04 Juliane Beese Und an der Ecke ist eine Kinderkrippe. Auch diese Kinderkrippe ist voll Wasser gelaufen. Die Kinder waren evakuiert. Aber ich denke immer, das kann jederzeit wieder passieren. Jeder sagt, das war ein Jahrhunderthochwasser. Aber wie viele Jahrhunderthochwasser hatten wir denn? Die Zeitabstände werden immer kürzer. (A 04) Autorin: Für Juliane Beese steht fest: Dieses Phänomen ist eine Folge des Klimawandels. Und so wie sie selbst, meint die 67-Jährige, dächten inzwischen immer mehr Menschen im ganzen Landkreis Harz. Take 05 Juliane Beese Es waren alle Bewohner an den Flussläufen betroffen, alle. [[Wir hatten zum Beispiel sieben Pumpen im Keller.]] Wir haben selber Sandsäcke gefüllt, und auch Freunde haben uns geholfen. Wir haben alle untereinander geholfen. Aber ich persönlich ich habe keinen einzigen Menschen gesehen, der von offizieller Seite Hilfe angeboten hätte. Und das war der Auslöser für diese Bürgerinitiative, weil wir gesagt haben: Das nächste Unwetter kommt bestimmt. Nochmal werden wir es nicht schaffen - alleine. (A 05) Autorin: Gemeinsam mit ihrem Mann und zehn anderen vom Hochwasser Betroffenen rief Juliane Beese im August 2017 die „Bürgerinitiative Hochwasserschutz in und um Wernigerode“ ins Leben. Innerhalb einer Woche sammelten sie 500 Unterschriften, die sie bei der ersten Bürgerversammlung in der Christus-Kirche den Vertretern der Stadt übergaben. Ulrich Eichler, Energie- und Umweltbeauftragter von Wernigerode, findet, die Stadtverwaltung hätte ihr Möglichstes getan: Take 06 Ulrich Eichler Die Stadt Wernigerode hat nach dem Starkregenereignis im Juni 2016 Fördermittel beantragt für ein Hochwasserschutzkonzept. Kurz vor diesem Hochwasser 2017 kam der Zuwendungsbescheid. Dieses Hochwasserschutzkonzept wird im Sommer vorliegen. Das macht eine Firma aus Sachsen-Anhalt. Das Ingenieurbüro wird 3 Vorschläge unterbreiten. Damit man uns nicht den Vorwurf machen kann: „Ihr habt nicht gehandelt“. Sondern wir haben gehandelt. (A 06) Autorin: Das Erstellen des kommunalen Hochwasserschutzkonzepts wird voraussichtlich 100.000 Euro kosten. Und lediglich die „Gewässer II. Ordnung“ umfassen, also Bäche und kleine Zuflüsse, für die laut deutschem Wasserrecht die Städte zuständig sind. Für die größeren Gewässer I. Ordnung ist das Land verantwortlich. Auch der Zillierbach und die Holtemme, die durch Wernigerode fließen, sind Gewässer I. Ordnung. Ihre Zuflüsse wiederum Gewässer II. Ordnung. Für deren Unterhaltung und Pflege ist der „Unterhaltungsverband Ilse-Holtemme“ zuständig. Ulrich Eichler ist dessen Vorsteher: Take 07 Ulrich Eichler Es gibt in Sachsen-Anhalt 28 Unterhaltungsverbände. Die Mitglieder sind die Städte und Gemeinden. Der Unterhaltungsverband hat 1200 Kilometer Gewässer zu unterhalten. D.h. also, nicht nur in Wernigerode die Gewässer zweiter Ordnung, sondern im ganzen Landkreis Harz. Wenn ein Baum rein fällt, wenn Steine drin liegen, dann muss der Verband diese Abflusshindernisse beseitigen, dass der Wasserabfluss gewährleistet ist in diesem Gewässern. Hochwasserschutz müssen die Gemeinden bzw. die Städte leisten. Take 08 Juliane Beese Das eigentliche Problem ist, dass jeder nur für ein kleines Mosaiksteinchen zuständig ist in diesem Flickenteppich der Wasserinstanzen. Wir brauchen einen Masterplan für ein Hochwasserschutzkonzept. (A 07) Autorin: Sagt Juliane Beese. Indirekte Rückendeckung erhält die Sprecherin der Bürgerinitiative von Andrea Heilmann. Die Professorin für Umweltmanagement und Umwelttechnik an der Hochschule Harz beschäftigt sich mit Klimaanpassungsmaßnahmen auf kommunaler Ebene. Seit 2010 begleitet sie ein Projekt zur Vernetzung von Behörden im Hochwasserschutz im Landkreis Mansfeld- Südharz. Take 09 Andrea Heilmann Wir haben festgestellt, dass es auch auf Landesebene sehr viele Informationen gibt, aber die sind eben einen ganz verschiedenen unterschiedliche Stellen verteilt. Wir haben da ein Projekt entwickelt: so eine interaktive Karte, auch mit Klimaprojektionen. Die wurden mal zusammengetragen, so dass man ein viel besseres Arbeitsinstrument hat. Aber dann reicht es ja nicht nur, dass man eine Webseite entwickelt, sondern man muss auch alle darüber informieren, vielleicht auch erklären, wie man interaktive Karten nutzt. Wo man vielleicht ein Forum einrichten kann. (A 08) Autorin: Die für Gewässer I. Ordnung zuständige Behörde ist in Sachsen-Anhalt der Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft in Halberstadt. Christoph 4 Ertl, Leiter des Flussbereichs, erklärt, dass es für die Gewässer I. Ordnung bereits ein landesweites Konzept gäbe: Take 10 Christoph Ertl Wir haben als Richtschnur die Europäische Hochwasserrisiko-Management- Richtlinie. Die ist ja in drei Stufen aufgeteilt: In der ersten Stufe wird das Gewässer als Risikogewässer erst mal eingestuft. Wenn von dem Gewässer eine Hochwassergefahr ausgeht, dann werden die entsprechenden Hochwassergefahrenkarten und -risikokarten erstellt. Die auch im Internet abrufbar sind für jede Ortslage im Land und jedes Gewässer, was als Risikogewässer eingestuft worden ist. Und in einem dritten Schritt werden dann Maßnahmen abgeleitet. (A 09) Autorin: Risikobewertung, Kartenerstellung und Ableitung der Maßnahmen erfolgen durch die Behörde selbst. Beim Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft in Magdeburg ist zudem die Hochwasservorhersage-Zentrale installiert. Take 11 Christoph Ertl Von dort werden auch die Hochwasserwarnungen