Mondsee, St. Gilgen, Wolfgangsee – warum lässt man einige erste Adressen hinter sich, um nach zu fahren? Eine Antwort auf diese Frage findet sich etliche Höhenmeter weiter oben. Ein paar Asphaltschleifen noch, und nach wenigen Minuten gelangt man über die Panoramastraße zur Fotos: Reinhard Lamm (gr.), Lutz Bormann (kl.) Lamm Reinhard (gr.), Fotos: Aussichtskanzel des Loser.

VON LUTZ BORMANN

it warmen Aufwinden, horizontkrüm- wirtschaftliche Infrastruktur sind ausbaufähig. mender Fernsicht und filigranen Dunst- Die Region hat bis in die heutige Zeit einen segeln kämpft der goldene Oktober hohen Grad an Identität erhalten. Es besteht ei- 2004 gerade erfolgreich um seinen guten ne hohe Identität der Menschen mit ihrem Le- MRuf im Ausseerland. Im Norden vom bensraum. Lebensweise und Lebensstil sind Toten Gebirge abgeschirmt geht der Blick hi- ausgeprägt. Tradition und Brauchtum sind bis nüber zu den Niederen Tauern, zum gleißenden in die heutige Zeit erhalten und prägender Be- Plateau des Dachsteingletschers und über den standteil der Dorfkultur und des Dorflebens.“ Solitär des Hohen Sarstein zum geschichts- Wertvolle Qualitätskriterien mit Seltenheits- trächtigen Sandling. Dazwischen fehlt auffal- wert. lend das, was man woanders als Touristen- hochburgen bezeichnet. Keine Straßenschläuche Rückkehr der Ruhe mit Nippesbuden, aber auch keine Gewerbege- Je länger man im Ausseerland an der Ober- biete, keine Großindustrie. In einer Studie zur fläche kratzt, in entlegene Winkel hinein- regionalen Entwicklung des steirischen Salz- schnuppert, desto öfter begegnet man vertrau- kammerguts heißt es u.a.: „Die technische und ter Kunst- und Kulturgeschichte, je mehr man

38 DAV Panorama 2/2005 DACHSTEIN UNTERWEGS

sich mit den schmalen Tälern oder den Almbö- er ganz leise, aber die Worte fressen sich fest. Klassischer Aussichts- den über den malerischen Seen Zeit lässt, Ein Beispiel sind die gut erhaltenen Ortsbilder: punkt: Über den desto schneller öffnet sich der Deckel dieser Keine Versatzstücke des alpinen Jodelbarocks, spiegelglatten Altaus- Schatztruhe. Und schließlich zeigt der ver- sondern authentische Substanz mit kunstvoll see hinweg zu den meintliche Rohdiamant seinen kostbaren gearbeiteten Windfängen an den Stirnseiten. gleißenden Firnflächen Schliff und man hält den Atem an. Das Ausseerland polarisiert den Tourismus und des Dachsteinmassivs Von der Panoramakanzel des Loser tropft verbiegt sich nicht. Wer Ruhe, Erholung und der Blick ins dunkle Oval des Altaussees und authentische Lebensqualität sucht, ist ange- vergisst das Suchen. „Jetzt bin ich zum ersten kommen, wo er schon immer hinwollte. Mal hier, aber irgendetwas passt hier zusammen Einmal angeködert von diesem Flair, be- und gibt allem eine Gestalt“, frage ich in die kräftigt der Wirt der Loserhütte den ersten Ein- Stille. Hermann Rastl, seit vielen Jahren für den druck. Seit 1981 führt Helmut König für die Fremdenverkehr der Region tätig, antwortet: Sektion des OeAV die Loserhütte. „Für den, der es spüren kann: Es ist die Ruhe. Südseitig exponiert liegt die Hütte mit ihrem Das Ausseerland musste nie entschleunigt wer- großen Sonnenbalkon an der Panoramastraße den, weil es nie beschleunigt wurde.“ Das sagt goldrichtig und lockt zusätzlich mit exzellenter

DAV Panorama 2/2005 39 Küche. Unlängst hat Helmut König die Blaa- Salz“ (30.4. bis 30.10.2005) das Schauberg- Alm gekauft, am Fuß des Loser im lauschigen werk, den Besucherstollen Steinberg, unweit Talboden ein Refugium für Familien – mit gro- der Blaastraße neu gestaltet. Das unterirdische ßem Spielplatz und verkehrsfrei mitten in der Märchen rund ums weiße Gold trägt den Titel Natur. Wer hier Ende Mai den Wiesenweg „Salzwelten Altaussee“. Die Salzwelten sind wählt, läuft durch ein Sternenmeer weißer Nar- nur eine von insgesamt 22 Stationen der sieben zissen. Kilometer langen Via Salis, einer Themenwan- derung rund um den Sandling mit Schautafeln Sandling – historisch und sportlich zur Geschichte der Salzgewinnung. Sie führt Südwestlich der Blaa-Alm liegt der Sandling, auch zur Ruine Pflindsberg, deren Geschichte der an seiner Südostflanke mit zwei Salinen die bis ins 13. Jahrhundert zurückreicht. Das frei- Sudpfannen Altaussees versorgte. Heute hat gelegte Mauerwerk lässt kaum etwas von der man im Zuge der steirischen Landesausstellung ursprünglichen Gestalt ahnen, aber der Stand- 2005 „Narren und Visionäre – Mit einer Prise ort ist eindrucksvoll. Vielleicht hat man des- halb mitten in der Ruine einen hölzernen Aus- sichtsturm gebaut, über den sich manche Geister streiten. Der Sandling ist im Gegensatz zum Großen Sarstein vielleicht kein spekta- kulärer Wandergipfel, aber er bietet eine ab- wechslungsreiche, knackige Mountainbike- Runde mit 36 Kilometern und 1.350 Höhenmetern. Fotos: Reinhard Lamm Reinhard (4), Lutz Bormann (3) Fotos:

40 DAV Panorama 2/2005 DACHSTEIN UNTERWEGS

Sarstein-Runde die hier eine Zeitspanne ihres Lebens verbrach- Linke S.: Losergipfel Rund um den Sarstein hat man 2004 mit er- ten. Sigmund Freud, Johannes Brahms, Peter und Blick vom Loser heblichem Aufwand ein faszinierendes Wander- Rosegger, Friedrich Torberg, Jakob Wasser- zum Dachsteinmassiv, erlebnis inszeniert. 45 Kilometer lang führt der mann, Arthur Schnitzler, Ermanno Wolf-Ferra- Bergidyll am Grundl- „Salzkammerweg“ über bereits bestehende Pfa- ri und heute in Bad Aussee die Schriftstellerin see. de – den Ostuferwanderweg am Hallstätter See Barbara Frischmuth. Rechte S.: Helmut Kö- und den Koppentalwanderweg – vorbei an Pa- Insgesamt 34 Stationen erlebt man auf dem nig (l.) mit Hermann noramatafeln und Hörinseln. Man kann das zweieinhalb Stunden dauernden Geo-Trail zwi- Rastl, die Blaa-Alm, junge Abenteuer der Umrundung schen Gößl und Grundl, dem vier- Morgenstimmung am bequem auf drei Tage verteilen, ten bedeutenden Themenweg des Altaussee. das eigentliche Sarstein-Faszino- Entlang an Ausseerlands. Der hat es sum aber, der schier unglaubliche Stationen bedeu- einem sofort angetan. Man kommt Blick von diesem tektonischen tender Künstler von Bad Aussee um die Ecke bei Au Unikum der Erdgeschichte, ist und ist perplex, wie dramatisch zwingend mit dem schweißtreiben- schön dieses Seetableau in die alpi- den Gipfelgang auf diesen Grenzberg zwischen ne Kulturlandschaft gebettet ist. Der Grundlsee Oberösterreich und Steiermark verbunden. als unbeschleunigtes Ausrufezeichen! Wie schon angedeutet, ist das Ausseerland Land der Themenwanderungen eher ein Terrain für Klasse, nicht für Masse. Es Überhaupt, diese sehenswerten Themenwan- gibt hier nicht die Wellness-Tempel im Dutzend derwege im Ausseerland! Die Via Artis folgt und brummende Flaniermeilen mit Gucci-Filia- auf vier Stationen zwischen Grundlsee und To- len, aber es gibt das Hotel Seevilla mit dem plitzsee den Stationen bedeutender Künstler, Brahms-Cafe direkt am Ufer des Altaussee, ein gut geführter Familienbetrieb mit un-

DAV Panorama 2/2005 41 glaublichem Flair. Und weil wir schon dabei fach im Fernsehen ausgestrahlt und für seine Höhepunkt Dach- sind, noch ein paar kulinarische Tipps. Vom Gaumenfreuden ausgezeichnet. Alle Zutaten stein-Überschreitung. Grundlsee führt die Fahrstraße zum Toplitzsee seiner Speisekarte kommen aus eigener Her- Kl. Fotos: Knödl-Alm – die letzten anderthalb Kilometer muss man stellung. Doch die „Highlights“ entstammen bei Knoppenberg, Er- laufen – und zur Fischerhütte. Einen idyllischer weniger den Kochtöpfen als den Destillations- lebnis Ropes Course, gelegenen, urigeren Biergarten-Grillplatz mit kolben. Pohn spielt in der Oberliga der Öster- MTB-Klassiker Dach- Bootssteg wird man so schnell nicht finden. reichischen Edelbranderzeuger. Seine neueste steinrunde. Wir sind die einzigen Besucher, aber meine Kreation – Oktober 2004 leider im unantast- Hoffnung auf eine unentdeckte Perle ist ver- baren Versuchsstadium: Kürbiskernbrand. früht. Es ist Mittwoch, Ruhetag. Am Südzipfel des steirischen Und an lauen Sommerabenden Salzkammerguts angekommen, be- steppt hier der Bär. Ein schöner Erstbegehung fällt einen die Wehmut. Wenn die- Abstecher führt zur wildromanti- der Huberbuam ses Erlebnis Methode hat, gibt es schen Ranftlmühle am Geo-Trail im Mai 2005 nur eine Lösung: Zeit haben für und zur 180 Meter hohen Gößler eine Enklave der Ruhe, für den Wand. Hier wollen im Rahmen Gang in die Geschichte, den des Ausseer Bergsportfestivals vom 19. bis 21. unendlichen langsamen Pulsschlag des Mai 2005 die Huberbuam live eine Erstbege- Toplitzsees, die geschlossene Ästhetik hung wagen. Wer diese senkrechte spiegelglat- des Altaussees mit seiner verträum- te Wand gesehen hat, kann sich unschwer vor- ten Süduferstimmung, Zeit für stellen, welch ein Kletterkrimi im Wonnemonat ausgedehnte Wanderungen auf hier stattfinden wird. der Tauplitzalm, Zeit für die vielen ehrlichen Gesichter ei- Gaumenfreuden auf dem Biohof ner Berglandschaft und der Nachdem die Vermarktung heimischer Pro- Menschen, die sie geprägt dukte auf Schutzhütten seit einiger Zeit auch haben. den Deutschen Alpenverein umtreibt, sei Und für den, der es schlussendlich die Knödlalm über Bad Mit- spüren kann und noch terndorf erwähnt. Motor dieses Biobetriebs ist aushält, Zeit für sich Alfred Pohn. Auch er weithin bekannt, mehr- selbst. Fotos: Reinhard Lamm Reinhard (1), Lutz Bormann (5) Fotos:

42 DAV Panorama 2/2005 DACHSTEIN UNTERWEGS

Ramsau am Dachstein such von Reinhard Lamm, einem der steiri- Zur Südabdachung des Dachstein geht es über schen Innovations-Motoren, beim Wander- die Landstraße Richtung , vor- Symposium des Deutschen Alpenvereins in bei am einzigen Fabrikkomplex, dem großen München. Das meiste wusste er schon, viele Rigipswerk, rund um das Naturschutzgebiet Anregungen griff er begeistert auf. Heinz Steirisches Dachsteinplateau bis Irdning. Von Prugger, Direktor des Tourismusverbands dort gelangt man auf der Schnellstraße Rich- Ramsau, seufzt: „Er bringt die Ideen und ich tung Westen – unter penibler Beachtung der muss dann schauen, wie ich sie umsetze“. Da- von der örtlichen Gendarmerie eifersüchtig be- bei kann er auf das Geleistete stolz sein. In den wachten Verbotsschilder – und wendet sich vor nächsten Tagen erleben wir gemeinsam mit der Ortschaft Haus bergwärts gen Norden. seinem Bruder Hans, einem sehr rührigen und heißt das anvisierte Ziel erfahrenen Bergführer, wie sich die Theorie in für Sport und Erholung auf drei Etagen. der Praxis bewährt. Das Dachsteinmassiv lässt sich aber auch Ramsau liegt auf einer Hochterrasse vor der wesentlich sportlicher und erlebnisreicher um- kilometerlangen Wandflucht des Dachstein- runden: In drei Tagen mit dem Mountainbike – massivs und rund 400 Meter höher als Schlad- ein inzwischen weit über die Region hinaus be- ming mit seinen Gewerbebetrieben. Damit ist kannter MTB-Klassiker. Auch wenn von der man unten schon oben und es kann gleich los- insgesamt 170 Kilometer langen Strecke rund gehen. Aus der natürlichen Landschaftsstruk- 80 auf Asphalt verlaufen, die restlichen 88 Ki- tur hat man ein weiteres Konzept gestrickt, lometer geschotterte Forststraßen, die fantas- das bestens funktioniert: Bergurlaub auf drei tische Landschaft, die ständig wechselnden Etagen: Im Tal die Aktivitäten für Kinder und Eindrücke und das opulente An- Familien, Spazierwege, Themen- gebot an Rastplätzen und Ein- Erholung und wanderungen und Nordic Walking, kehrmöglichkeiten lassen auf den eine Etage höher das klassische 4.600 Höhenmetern keine Wün- Bergsport auf Wandern auf den Almböden. Hier sche offen. Die Strecke ist selbst- drei Etagen genießt man als Gast den Vorteil ei- verständlich ausgeschildert und in nes ausgesprochen dichten Hütten- einer hervorragenden Spezialkarte und Wegenetzes. Die dritte Etage aufbereitet, die es vor Ort in allen Frem- ist den Bergsteigern vorbehalten, die denverkehrsbüros gibt. Als absoluter Hö- sich im ernsten hochalpinen Gelände be- hepunkt gilt die Strecke von Gröbming wegen können. Dazu gehören in erster bis Bad Aussee über das Kemetgebirge. Linie die Gipfelanstiege im Dachstein- massiv, aber auch die Klettersteige. Sie Griffige Konzepte sind aufgrund ihrer Länge und Ausge- Überhaupt, die Ausschilderung: Hüben setztheit nicht zu unterschätzen. wie drüben möchte man dem werten Gast das Sporteln so leicht wie möglich Riesenspaß für Kinder machen. Also gibt es ausgeschilderte Par- Eine absolute Rarität und ein unvergess- cours, Trails und Wege – vom Wandern, liches Erlebnis für Kinder ist der Kin- Joggen, Nordic Walken bis zum Moun- derklettersteig am Sattelberg bei Percht tainbiken, vom Lehrpfad bis zur Wett- und die anschließende Bekanntschaft kampfstrecke. Rund um Ramsau ist der mit „Kali dem Ramsaurier“. Hans Einstieg in alle erdenkliche Spielarten des Prugger, der schon die großen Kletter- Bergsports direkter als in anderen Re- steige im Dachsteinmassiv konzipiert gionen. Dahinter stehen mehrere Konzepte. Ei- und eingerichtet hat, ist hier ein besonders hin- nes davon steckt im Begriff „Wanderdorf“, reißendes Erlebnis in der ersten Etage gelungen. eine Art Gütesiegel für geprüfte Orientierungs- Unter Aufsicht eines Bergführers unternimmt sicherheit, Ausschilderung, kompetente Bera- meist eine kleine Kinderschar die ersten Schrit- tung, geführte Wanderungen und Erlebnisins- te im senkrechten Fels. Die Ausrüstung ist per- zenierung. Ramsau hat dieses Zertifikat ebenso fekt und wird komplett gestellt, das Kletterge- wie Altaussee. 2003 hat man in Ramsau ein lände ist gut strukturiert, bestens gesichert und Wandersymposium mit wissenschaftlicher Be- lustig beschildert. Nach immerhin 170 Höhen- teiligung abgehalten, 2004 folgte der Gegenbe- metern kommen die Kinder mit wackeligen

DAV Panorama 2/2005 43 Knien, aber mächtig stolz, am Gipfel mit der Ein Bergurlaub in Ramsau ohne Dachstein- weißen Gams an. Und spannend geht es wei- Tour wäre nur die Hälfte wert, und wer sich ter. Es folgt ein rasanter Ropes Course mitten dem Unterfangen angemessen nähern möchte, im Wald, bei dem auch die Eltern auf ihre Ko- muss das Alpinmuseum der Austriahütte besu- sten kommen. Anschließend geht es weiter zum chen. Hier ist alles dokumentiert und zu- ersten Österreichischen Natur- und Umwelt- sammengetragen, was die alpinistische Ge- erlebnispfad für Kinder. An insgesamt 15 Sta- schichte der Dachstein-Südwand wiedergeben tionen werden, eingeleitet von pfiffigen Rät- kann. Alte Bergsteigerausrüstung, Tourenbe- seln, die kleinen Gipfelstürmer an die Tier- und richte, Fotos – auf einem erkennt sich Hans Pflanzenwelt im Gebirge, Klima und Geologie Prugger als junger Bergrettungsmann wieder –, herangeführt. alte Karten und Schautafeln. Große Namen und dramatische Geschichten sind hier ver- Spektakuläre Silberkarklamm sammelt. Die Austriahütte im Besitz der gleich- Auch in der zweiten Etage kann man mit klei- namigen Sektion des OeAV ist mit erheblichen nen Kindern noch viel unternehmen. Ein Pa- Mitteln erweitert und saniert worden. Ange- radebeispiel hierfür ist die Silberkarklamm sichts des nahegelegenen Parkplatzes der Dach- mit drei ausschlaggebenden Faktoren: Es plät- steinseilbahn stellt sich schon die Frage, ob das schert, gischtet und rauscht, dass es romanti- Alpinmuseum allein ausreicht, um mehr Gäste scher nicht sein könnte, der Weg geht über anzulocken. Die Stube mit dem Kachelofen ist Stock und Stein, windet sich durch jedenfalls gemütlich, der Blick von Nischen und um Ecken, über Stie- der Terrasse fulminant. gen und Brücklein – und am Ende Die Felsenorgel des kurzen Klammwegs wartet ei- der Dachstein- Kraftplatz Brandriedel ne gemütliche Hütte mit herrli- Südwand Die eigentliche Attraktion der nä- chem Blick und gutem Essen für heren Umgebung ist allerdings der die ganze Familie. So wildroman- Brandriedel, eine mit 1.725 Meter tisch schön die Silberkarklamm mit ihren steil Höhe nur unwesentlich höher gelegene Alm- aufragenden Wänden ist, so gefährlich wird sie kuppe, aber in so exponierter Lage, dass sie zu bei schweren Sommergewittern. Dann fängt den schönsten Aussichtspunkten der Dach- sich das Unwetter im Felsentrog von Wasen- steinregion zählt. Ein lichter goldgelber Lär- spitze, Miesberg und Luserwänden und entlädt chenbestand verzaubert diesen Kraftplatz der Knackiger Klettersteig sich wie in einem gewaltigen Trichter. Zehn Natur. für Kinder; für die Jahre lang veranstaltete man in dieser Mause- Der nächste Tag verheißt Sonne pur und be- Großen der ”Jo- falle im Juli eines der schönsten Kulturspekta- ginnt schon früh, denn Hans Prugger will „sei- hann“-Klettersteig kel Österreichs. „Klammheimliche Begegnung“ nen“ Klettersteig, den Johann ausführlich vor- durch die Dachstein- hieß die mehrtägige Veranstaltung mit Licht- stellen. Zügig gehen wir vom Parkplatz der Südwand. Hinter- objekten, Live-Musik an der Silberkarhütte Dachsteinseilbahn hinüber zur Dachstein-Süd- grundbild: Höhentrai- und Kunstausstellungen entlang des Wander- wandhütte, ratschen uns kurz bei der feschen ning der Langläufer wegs. Tausende kamen, das Risiko wurde Hüttenwirtin fest und wuseln uns durch das auf dem Dachstein- schließlich zu groß. 2004 fiel nach zehn Jahren Felslabyrinth im Zustieg zur Südwand. Hans gletscher der Vorhang. kennt hier jeden Stein und wird von mehreren Seilschaften nach dem richtigen Weg zu diesem oder jenem Einstieg gefragt. Er gibt ausführlich und geduldig Auskunft, wie man es von einem Bergführer erwarten darf. Allerdings muss man umgekehrt feststellen, dass die Routenfindung bzw. der korrekte Zu- stieg auch zum Repertoire des Felskletterers zählen sollte. Die Klassiker sind technisch nicht so schwer wie die heutigen Sportkletterrouten, aber gerade die Wegfindung macht sie an- spruchsvoll und sorgt für Respekt vor den Erst- begehern.

44 DAV Panorama 2/2005 DACHSTEIN UNTERWEGS

Rund um den Dachstein :tipp:

Erlebniswanderungen im Ausseerland Tauplitzalm-Runde – Ideale Familienwan- stein-Erschließer, führt aus dem Kop- derung ohne nennenswerte Höhenunter- penkar auf den Koppenkarstein und über Zu den Themenwanderungen sind vor schiede. Der Weg führt rund um sechs den versicherten Westgrat wieder auf Ort ausführliche Führer und Broschüren Seen, bietet viele Einkehrmöglichkeiten den Gletscher – eine fantastische Über- erhältlich. und ist zur Almrauschblüte im Juli be- schreitung. sonders lohnend. Alle genannten Klettersteige sind lang, Via Salis – 7km lange Rundwanderung ausgesetzt und kraftraubend. um den Sandling (3 Std., 300Hm) mit 22 Schautafeln. Römische Handelsstraßen, Bergurlaub auf drei Etagen alte Stolleneingänge, Burgruinen. Höhe- Ramsau am Dachstein Mountainbike Fotos: Reinhard Lamm Reinhard (1), Lutz Bormann (4) Fotos: punkt: „Salzwelt Altaussee“ (www.sal- und Dachsteinregion ver- Wald und Flur: der Talboden – Die weit- zwelten.at). fügen über hervorragende Mountainike- läufige Hochterrasse – 18km zwischen Strecken und ausgefeiltes Info-Material. Via Artis 1.000-1.300m – eignet sich vorragend – Vier in sich geschlossene Besonders zu erwähnen sind die Berg- für gemäßigte Outdoor-Sportarten wie Wanderungen berühren Stationen, an straße auf den Loser, die Sandling-Run- denen bedeutende Kunstschaffende ge- Nordic Walking und Laufen. Die markier- de, die Salza-Runde um Grundlsee und lebt und gearbeitet haben: ten Strecken bieten für für jeden etwas: Bad Mitterndorf, die Tauplitz-Alpenstra- 1. Bad Ausseer Künstlerweg: 12km, 5,5 8 Strecken vom WM-Weg (1km) über die ße mit der ausgewiesenen Downhill- Std.; Historisches Ortszentrum von Bad Rittisbergrunde (18km) bis hin zum Ram- Strecke. Aussee: 1km, 1 Std. sau Marathon (42km). 2. Via Artis Altaussee: 4km, 2 Std. DER KINDERKLETTERSTEIG (170Hm) am Sat- MTB-Dachsteinrunde – Die Königstour im 3. Via Artis in Grundlsee: 10,5km, 3 Std. telberg ist ein besonderes Abenteuer für Dachstein-Gebiet. 170km, 4.600Hm. 4. Via Artis Grimming: 12km, 4,5 Std. Kinder, das sich mit einem Ropes Course und einem Naturlehrpfad verbinden Zahlreiche Unterkunftsmöglichkeiten. Stationen: Bad Mitterndorf, Gröbming, Geo-Trail – Der Geo-Trail ist 10,5km lang, lässt. An den Strecken gibt es einige Ramsau, Filzmoos, Annaberg, Rußbach, dauert 3 Std. und führt am Grundlsee Frischwassrbrunnen. Bad Goisern, Bad Aussee. entlang zum Toplitzsee mit insgesamt 34 Schautafeln und Wegstationen Auf den Almen – Der Wanderführer von Reinhard Lamm stellt 50 Wanderungen MTB-Hotels – Aufgrund der hervorra- Salzkammerweg – 45,5km langer und (Panoramakarten mit Wegmarkierungen) genden Mtb-Bedingungen – gute Forst- durchgehend beschilderter Rundweg um vor, darunter Ausflüge im Hochgebirge wege, perfekte Ausschilderung – haben den Großen Sarstein mit 12 Std. Gehzeit. inkl. Klettersteig „Johann“, Abstecher in sich einige Betriebe auf einen beson- Fünf thematisch abgegrenzte Etappen: 1. die Schladminger Tauern und hinüber zur deren Service für Mountainbiker spezia- „Weg durch die Wildnis“ (Koppentalwan- Bischofsmütze. Besonders empfehlens- lisiert. Sie bieten Werkzeug, erste-Hilfe- derung), 4 Std.; „Historischer Salzweg“, wert die Silberkarklamm mit der wild- Pakete, Trikotwäsche, Tourenverpflegung 1 Std.; “Römerweg“, 2 Std.; „Goiserer romantischen Schlucht und der 5-Hüt- und Info-Material an, abschließbare Fahr- Almweg“, 1 Std.; „Welterbe“, 4 Std. ten-Rundweg mit den herrlich gelegen radräume, Waschgelegenheiten für Rä- Aussichtspunkten Brandriedel, Brandalm, der etc. Blaa-Alm und Loserhütte gehö- Dachstein-Südwandhütte, -Hütte. ren dazu, außerdem Betriebe in Tauplitz, Wandern und Bergsteigen Bad Goisern, . Durchquerung – in ebenso Hochalpine Bergwelt – DACHSTEIN-ÜBER- Mtb-Wettbewerbe finden 2005 in Bad großzügiges wie lohnendes Vorhaben ist SCHREITUNG: Das dichte Hütten- und We- Mitterndorf (12.6.) und in Bad Goisern die Durchquerung des Toten gebirges genetz am Dachstein bietet in Verbin- (9.7.) statt. von West nach Ost. Ausgangspunkt ist dung mit der Seilbahn eine Vielzahl von die Loserhütte, Zielort Hinterstoder. Da- Möglichkeiten für mehrtägige Über- Veranstaltungen bei werden Gipfel wie Wildenkogel, Gro- schreitung des gesamten Massivs. Be- ßer Woising, Großer Priel oder Spitz- sonders beliebt ist die Ost-West-Über- Narzissenfest – 26.-29.5.2005. Im mauer überschritten. Am Großen Priel schreitung des Hohen Dachsteins über Mittelpunkt des größten Blumenfestes in wartet für ambitionierte Alpinisten der den Westgrat. Österreich stehen Brauchtum und Volks- schwere Priel-Klettersteig, der Stoder- KLETTERSTEIGE: Allein auf den Gipfel des musik. taler Steig an der Spitzmauer gilt als Hohen Dachstein führen drei gesicherte leicht. Steige. Die bedeutendsten Klettersteige Landesausstellung – „Narren und Visio- sind der „Johann“ durch die Dachstein- näre – Mit einer Prise Salz“, vom 30.4.– Sarstein-Überquerung – Herrliche Tages- Südwand hinauf zur Dachstein-Warte, 30.10.2005. Die Ausstellung konzentriert tour mit grandiosem Rundblick. Aus- der Ramsauer Klettersteig von der Edel- sich auf die Orte Bad Aussee, Altaussee, gangspunkt ist die Pötschenhöhe im grießhöhe im Gratverlauf bis zur Gru- Grundlsee und die Salzwelten. Themen- Norden, Zielort Obertraun. Einkehrmög- berscharte und der 2004 neu eröffnete schwerpunkte sind „Literatur“, „Salz“, lichkeiten bieten die Sarsteinalm und die „Irg“. Der „Irg“, benannt nach Georg „Technische Entwicklung“, „Wasser und Sarsteinhütte „Irg“ Steiner, einem berühmten Dach- Landschaft“ (www.La2005.at).

DAV Panorama 2/2005 45 UNTERWEGS DACHSTEIN

Begegnung mit „Johann“ Bald stehen wir am Gendarm, der den Einstieg des „Johann“ markiert, die Schlüsselstelle der ganzen Tour. Also, Hände aus den Hosen- taschen und das wuchtige 19mm-Stahlseil herz- haft angepackt. Aufschwünge, Querungen, ab- drängende Felsbäuche – im „Johann“ merkt man schnell, ob das letzte Glas Rotwein am Vor- abend „schlecht“ war. Nahezu ohne bequeme Ruhepunkte geht es stracks himmelwärts, aber mit der Hoffnung, dass der „Johann“ irgend- wann gnädiger werden muss. Umso irritierender ist die Bemerkung von Hans, weiter oben wer- de der Steig dann „richtig steil“. So so, was ist er denn jetzt, denke ich mir und spare mit meinen Kräften. Der Fels ist rau, überall finden sich Risse und Vorsprünge zum Weitersteigen. Bloß nicht zu sehr mit den Armen am Stahlseil hän- gen. Endlich kommt eine bequeme Terrasse im gebankten Dachsteinkalk. Hans ist unruhig, denn er beobachtet schon seit geraumer Zeit eine Seilschaft, die offensichtlich einen Südwand- Leichte Schneefälle Klassiker wiederholen will, aber permanent von am Herbstanfang pro- der Route abkommt und in gefährliche Verhau- filieren den gebankten er einsteigt. Die akute Bergnot der beiden wäre Dachsteinkalk der im- für Hans das Ende unseres Ausflugs. Er müsste posanten Südwand; helfen. „Jetzat sans richtig“, ruft er schließlich ein Leben im Sonnen- erleichtert und setzt das Fernglas ab. schein mitten im Und dann kommt das, was Hans als steil be- „Johann“. zeichnet: eine bolzengerade Leiterdirettissima mit ein paar hundert Metern Luft unterm Hin- tern. Ständig wandert der Blick hinüber in die Südwand. Was für ein Gemäuer! Grandios der Blick nach Süden ins Gipfelmeer der Tauern, hinüber in die steinerne Symphonie der Wand- flucht: ein Fortissimo der Sinne eingebettet in diese Stille. Hans hat in der Südwand eine wei- tere Seilschaft entdeckt, aber diesmal sind Kön- ner am Werk, Freunde aus , die sich an einer Neutour versuchen. Verglichen mit an- deren alpinen Klassikern wie den Laliderer- Wänden herrscht in der Dachstein-Südwand reger Betrieb. Schließlich sind wir oben und steigen fast der Dachsteinwarte aufs Dach. Wanderer sitzen vor der geschlossenen Hütte im Schnee, machen Brotzeit und fragen, wo wir herkommen. Noch Fotos: Reinhard Lamm Reinhard (2), Lutz Bormann (3) Fotos: ein paar Schritte weiter und der Blick weitet sich in den Norden, über das endlose Hochplateau „Am Stein“ und den Gletscher mit den Lang- läufern beim Höhentraining. Die Sonne steht hoch am Mittag, wir freuen uns auf ein frisches Bier und den geschenkten Tag auf der obersten Plattform, der Beletage über Ramsau.

46 DAV Panorama 2/2005