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DADIE KULTURZEITSCHRIFT SCHAU AUS ÖSTERREICHS HER MITTE 1 | 2019 40. Jg. | Preis € 1 | 2019 INHALIT: KATHARINA KRENN

Kriminalität im Landgericht Aussee in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 3 Von Elke Hammer-Luza Gipfelstürmen! Anatol Solotarev und Anton Prazak. Zwei Künstlerleben in STEIRISCHE EXPEDITIONEN ZUM DACH DER WELT 8 Everest Südostgrat auf 8600 Metern, IMAX-Film-Expedition 1996 I Foto: R. Schauer Von Karl Steininger Das Thema Alpinismus steht in den Jah- „Dach der Welt“ erstiegen. ren 2019 und 2020 im Zentrum der Son- Bei diesen Reisen in die Ferne ging es Harald Matz (1940-2018) – derausstellung im Schloss Trautenfels. nicht nur um sportliche Aspekte. „Expe- der Naturschutzprofessor des dition“ bedeutete auch immer, Wissen Bezirkes 12 Österreich ist eine Bergsteigernation zu generieren und zu dokumentieren. Von Johannes Gepp – in den letzten 200 Jahren wurden Die Ausstellung beschäftigt sich mit Berggipfel der Welt erobert und viele Expeditionen von Steirerinnen und österreichische Alpinisten sind aktiver Steirern, die auf den höchsten Bergen Keramikfunde – Belege für den Teil dieser Expeditions- und Erschlie- der Welt unterwegs waren, und öffnet Beginn und die Entwicklung der ßungsgeschichte. damit Einblicke in eine Zeit, in der es Besiedelung im Bezirk Liezen Reisen in die Gebirge des Hindukusch auf den Landkarten noch weiße Flecken Von Hubert Preßlinger, Clemens 16 in Afghanistan, das pakistanische Kara- und Linien gab. Eibner, Harald Harmuth und korum oder in den Zentral-Himalaya in Das Schwerpunktthema Alpinismus Christina Atzenhofer Nepal, Tibet und Indien waren aufwen- passt perfekt in die Region des Bezirkes dig, die Berge schwer erreichbar, die Liezen und wird in der interdisziplinären Informationen über die Gegebenheiten Aufbereitung einmal mehr zu Kontexten Land schafft Leben – rar – umso größer das Abenteuer, sich auf regionaler, nationaler und internati- Österreichischen Lebensmitteln 21 auf Unbekanntes einzulassen. onaler Ebene führen. Robert Schauer, auf der Spur Ein Höhepunkt der steirischen Alpinge- der für seine großen Ziele häufig in den Von Julia Eder schichte wurde vor 41 Jahren geschrie- Ennstaler Bergen trainiert hat, kuratiert ben: Die ersten Österreicher standen diese Ausstellung. auf dem höchsten Berg der Welt, dem Zur Eröffnung am Palmsamstag, dem Neuerscheinungen Mount Everest! Robert Schauer aus 13. April 2019, um 11.00 Uhr dürfen wir Von Wolfgang Otte 23 war mit Wolfgang Nairz und Horst Berg- Sie, sehr geehrte Damen und Herren, mann aus Innsbruck unter den ersten heute schon herzlich einladen – Österreichern, die am 3. Mai 1978 das „Save the Date“!

IMPRESSUM DIE VERFASSERINNEN UND DIE VERFASSER: Impressum Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Priv.-Doz. Dr. Elke Hammer-Luza Univ.-Prof. Dr. Clemens Eibner Verein Schloss Trautenfels Steiermärkisches Landesarchiv Institut für Ur- und Frühgeschichte, 8951 Stainach-Pürgg, Trautenfels 1 Obmann: HR DI Karl Glawischnig, 8010 Graz, Karmeliterplatz 3 Universität Heidelberg Rathausplatz 4, 8940 Liezen 69117 Heidelberg, Deutschland Schriftleitung: Wolfgang Otte, Schloss Trautenfels, DI Karl Steininger Universalmuseum Joanneum 8951 Stainach-Pürgg, Trautenfels 1 8911 Admont, Hall 389 o. Univ.-Prof. DI Dr. mont. Redaktionsteam: Katharina Krenn, Wolfgang Otte, Harald Harmuth und Astrid Perner, Theresa Ruhdorfer Lektorat: Mag. Jörg Eipper-Kaiser Prof. Dr. Johannes Gepp DI Dr. mont.Christina Atzenhofer Bestellung und Vertrieb: Präsident des Naturschutzbundes Lehrstuhl für Gesteinshüttenkunde, [email protected], Steiermark Montanuniversität Leoben Tel: 03682 22233, Fax: 03682 2223344 Bankverbindung: Raiffeisenbank Gröbming, 8010 Graz, Herdergasse 3 8700 Leoben, Peter-Tunner-Straße 5 Bankstelle Irdning BIC: RZSTAT2G113, IBAN: AT96 3811 3000 0210 1111 Univ.-Prof. Univ.-Doz. DI Dr. mont. Julia Eder Verlagsort: Trautenfels Hersteller: Medien Manufaktur Admont, Prof. Dr. h. c. Hubert J. M. Preßlinger Land schafft Leben JOST Druck- und Medientechnik, 8784 , St. Lorenzen 45 8970 , Döllacher Straße 17, 8940 Liezen Erzherzog-Johann-Straße 248b Erscheinungstermin der 2. Ausgabe 2019: Mai 2019 Redaktionsschluss: 8. April 2019 Foto Titelseite: Gendergerechtes Schreiben erfordert Kompromisse: Alle in der Zeitschrift verwendeten im Winter, um 1970 I Foto: A. Rastl. Bezeichnungen beziehen sich ungeachtet ihrer grammatikalischen Form in gleicher Weise Zu dem Beitrag auf den Seiten 3-7 auf Frauen und Männer.

2 ELKE HAMMER-LUZA

Kriminalität im Landgericht Aussee in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts

Markt Aussee, Lithografie, koloriert, um 1855 |StLA, OBS-Aussee-I-002

Selten erlauben es erhaltene Quellen- Obwohl das Protokoll nicht über den dem Marktschreiber „Acht und Bann“ bestände, fundierte Aussagen über gesamten Zeitraum gleich sorgfältig ge- ausübte. Ab der josephinischen Magis- Gesamtausmaß, Zusammensetzung führt wurde, vermitteln die Eintragungen tratsregulierung 1787 wurde das Amt und längerfristige zeitliche Entwicklung ein plastisches Bild des sozialen Lebens des Ausseer Markt- bzw. Landrichters von obrigkeitlich verfolgten kriminellen im Ausseerland in der ersten Hälfte des von einem rechtskundigen Syndikus Handlungen in einem Landgerichts- 19. Jahrhunderts. verwaltet.3 Er führte die Kriminalun- bezirk zu treffen. Aussee ist hier eine Das Landgericht Aussee umfasste 1840 tersuchung und legte die Akten dem bemerkenswerte Ausnahme. Das um- den Bezirk und die Herrschaft Pflinds- Appellationsgericht in Klagenfurt als fangreiche Markt- und Gemeindearchiv berg ohne Hinterberg und Grubegg, den Kriminalobergericht vor, das nach der enthält unter anderem ein Protokoll Markt Aussee, die Dörfer Altaussee und Aktenlage das Urteil schöpfte. Ab 1. Sep- aller im Landgericht Aussee von 1804 Fischerndorf sowie 18 andere zerstreute tember 1830 übernahm diese Aufgabe bis inklusive 1842 durchgeführten Ortschaften, was einer Fläche von 325 das Steiermärkische Landrecht in Graz, Kriminaluntersuchungen. Diese Auf- km2 entsprach. In diesem Gebiet be- das über den Urteilsentwurf des Land- zeichnungen informieren nicht nur über fanden sich 763 Häuser mit insgesamt gerichtes zu entscheiden hatte.4 Zweite Namen und persönliche Daten eines 5.101 Bewohnerinnen und Bewohnern.2 Instanz bildete nach wie vor das Appel- bzw. einer Angeklagten, sondern auch Aussee war ein sogenanntes freies lationsgericht, letzte Instanz war die über die Art der Straftat, vorgenomme- Landgericht, das sich keines landes- Oberste Justizstelle in Wien. Im Zuge der ne Verhöre und Zeugeneinvernahmen, fürstlichen Bannrichters zu bedienen Umgestaltung des Gerichtswesens nach Schriftverkehr mit anderen Behörden brauchte, sondern in dem der Ausseer 1848/1849 wurden alle Landgerichte, und schließlich das gefasste Urteil.1 Marktrichter mit zwei Beisitzern und also auch jenes in Aussee, aufgehoben.

1 StLA, Aussee, Markt und Gemeinde, K. 212, H. 263/1: Protokoll (= Quellen zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte der Steier- über Kriminaluntersuchungen, 1804–1842. Vgl. auch auszugsweise: mark I), Graz 1914, 20–22. Aussee, Markt und Gemeinde, K. 212, H. 263/3: Kundmachungen 3 Vgl. Martin POLLNER, Historische Strukturen der Stadtgemeinde der Kriminalstrafurteile, 1812–1833. Bad Aussee und des Ausseerlandes. Zum 500-Jahr-Jubiläum der 2 Georg GÖTH, Das Herzogthum Steiermark; geographisch-statis- Verleihung des Marktsiegels Aussee durch Kaiser Maximilian I. tisch-topographisch dargestellt und mit geschichtlichen Erläute- 1505–2005, Wien 2005, 185 f. rungen versehen. Bd. 3: Judenburger-Kreis, Graz 1843, 37 f. 4 Vgl. Eugen PLANER, Recht und Richter in den innerösterreichischen Vgl. Anton MELL/Hans PIRCHEGGER (Hgg.), Steirische Gerichtsbe- Landen Steiermark, Kärnten und Krain. Rechts- und Kulturge- schreibungen. Als Quellen zum Historischen Atlas der österreichi- schichtliches aus einem Jahrtausend, Graz 1911, 45. schen Alpenländer (I. Abteilung. Landgerichtskarte: Steiermark)

3 Kriminalverbrechen waren in Aussee – wie auch in allen anderen steirischen Landgerichten – männlich dominiert. Rund drei Viertel der Straftaten wurden von Männern begangen, ein Viertel von Frauen. Regelmäßige und detaillierte An- gaben zu Alter, Familienstand, Religion, regionaler Herkunft und Berufsstand der Täterinnen und Täter scheinen in den Protokollen erst ab 1827 bzw. 1832 auf. Viele dieser Eintragungen sind freilich mit Unsicherheiten behaftet, das gilt insbesondere für Altersangaben. Nicht immer wussten die Befragten um ihr eigenes Lebensalter Bescheid; Formu- lierungen wie etliche 40 Jahre oder 60 bis 70 Jahre sind daher keine Seltenheit. Trotzdem fällt das Ergebnis eindeutig aus: Rund die Hälfte der männlichen Täter war jung und maximal 30 Jahre alt, viele hatten sogar das 20. Lebens- jahr noch nicht erreicht. Der Jüngste war der 15-jährige Johann Grill vulgo Altaussee, Stahlstich, um 1860 | StLA, OBS-Altaussee-II-010 Steyrerbub aus Gallhof bei Aussee, der sich wegen Diebstahls verantworten Delikte, Täterinnen und Täter dabei, dass Frauen eher als Beteiligte musste. Bei den Frauen sah das Bild Im Zeitraum von 1804 bis 1842 standen und Mitläuferinnen eingestuft wurden anders aus, hier waren Täterinnen in nachweislich 175 Personen vor dem als Männer. Andere Eigentumsdelikte der Altersklasse von 30 bis 50 Jahren Landgericht Aussee, die meisten wurden wie Betrug und Veruntreuung spielten in der Mehrzahl. Die älteste Frau vor von der Bezirksherrschaft Pflindsberg mit rund fünf bis sechs Prozentpunk- Gericht war 74 Jahre alt. eingeliefert. Manche dieser Angeklagten ten eine viel geringere Rolle. Auch Hinsichtlich des Familienstandes der hatten sich wegen mehrerer Delikte sonst gab es Unterschiede zwischen Angeklagten können ebenfalls nur zugleich zu verantworten, damit beträgt den Geschlechtern: Dem Verbrechen Tendenzen abgebildet werden. Wie zu die Zahl der untersuchten Kriminal- „geleisteter Vorschub“, meist in Form erwarten, überwogen unverheiratete verbrechen in dieser Zeit knapp 200. von Hilfestellung zur Desertion, war Personen, die Zahl der verehelichten Von einem regelmäßigen Anstieg der in erster Linie weiblich konnotiert, Angeklagten ist mit rund einem Drittel Kriminalität von Anfang bis Mitte des reine Frauendelikte waren schließlich aber trotzdem verhältnismäßig groß.8 19. Jahrhunderts ist nicht auszugehen, Kindsmord und Kindesweglegung.5 In Bezug auf die religiöse Zugehörigkeit vielmehr gibt es immer wieder einzelne Auf der Männerseite finden sich im der Straftäterinnen und Straftäter gibt Jahre, die besonders herausragen. 1833 Gegenzug vermehrt Anklagen wegen es keine Überraschung. Fast alle be- wurden etwa gezählte 30 Kriminalun- öffentlicher Gewalttätigkeit und Ver- kannten sich zum katholischen Glauben, tersuchungen begonnen, die meisten wundung. Schwere Gewaltverbrechen nur zwei Personen waren evangelisch. davon gehörten allerdings zu einer kom- waren insgesamt selten: je ein Fall von Bei einer Analyse der Herkunftsorte plexen, gemeinschaftlich begangenen Kindsmord, versuchtem Meuchelmord der Angeklagten zeigt sich die große Straftat. In anderen Jahren, wie 1814 und Notzucht sowie zwei Fälle von Raub Bedeutung des Landgerichtes für die und 1824, wurde hingegen gar kein fallen hier ins Auge.6 Zwei Mal wurde Menschen der Region. Soweit feststell- Gerichtsverfahren geführt. auch ein Totschlag verhandelt, diese bar, stammten die meisten Angeklagten Bei einer Betrachtung der zur Last ge- Untersuchungen endeten aber mit ei- aus dem Ausseer Land sowie zum Teil legten Delikte zeigt sich auf den ersten nem Freispruch. Nicht alltäglich war aus dem Hinterberger Tal. Geburts- und Blick die immense Bedeutung des Dieb- schließlich der Fall des Jakob Heine- Zuständigkeitsorte finden sich von Fi- stahls: Fast 80 Prozent der Männer und mann, eines verabschiedeten Soldaten scherndorf im Norden bis zu Krungl im 70 Prozent der Frauen waren wegen und Keuschlers aus Untertressen, der Süden, von Lupitsch im Westen bis zum eines Diebstahls oder einer Diebstahls- wegen zweifacher Ehe zu einer mehrmo- im Osten. Fast 80 Prozent teilnahme angeklagt. Interessant ist natigen Kerkerstrafe verurteilt wurde.7 hatten ihre Heimat jedenfalls in der

5 Vgl. Elke HAMMER, Kindsmord. Seine Geschichte in Innerösterreich Beweismangels losgesprochen, da ihr offenbar nicht nachgewiesen 1787 bis 1849 (= Europäische Hochschulschriften Reihe III, Bd. werden konnte, von der ersten Eheschließung ihres Mannes 755), Frankfurt a. Main u. a. 1997, 324–326. gewusst zu haben. 6 Vgl. Reinhard LAMER, Das Ausseer Land. Geschichte und Kultur 8 Vgl. Manfred STRAKA, Beiträge zur Bevölkerungs- und Sozialge- einer Landschaft, Graz–Wien–Köln 1998, 103 f. schichte der Steiermark im 18. Jahrhundert. In: ZHVSt 55 (1964), 7 Seine nicht rechtmäßig angetraute zweite Ehefrau wurde wegen 41–54.

4 Ruinen von Pflindsberg bei Aussee, Lithografie, um 1830 Partie von Altaussee, Lithografie, um 1860 | StLA, OBS-Pflindsberg-II-002 | StLA, OBS-Altaussee-See-Allein-I-002

Steiermark. Immerhin rund 10 Prozent Vulgoname. Bei den Frauen fehlen Be- das letzte, 1838 begegnen wir ihm er- der Angeklagten waren in Österreich ob rufsangaben überproportional häufig, neut als Straftäter. An Joseph Kain lässt der gebürtig, auch hier in erster manchmal werden sie auch über die sich zugleich der stufenweise Abstieg Linie in dem Aussee benachbarten Raum Position des Mannes definiert, etwa einer sozial deklassierten Person gut von Goisern bzw. Gosau. Vereinzelt als Soldatenfrau oder Besitzersgattin. nachvollziehen. Ursprünglich Salinenar- verwiesen die Angeklagten schließlich Deutlich zeigt sich jedoch auch hier beiter, war er 1830 aus dieser Stellung noch auf Herkunftsorte in Kärnten, Tirol, das Überwiegen von Täterinnen aus bereits entlassen worden. 1832 brachte und Bayern. Johann Binder, ein der unteren sozialen Schicht, meist als er sich als Taglöhner fort, wobei er als vazierender Musiker, hatte seinen Weg Dienstmagd oder Taglöhnerin. arbeitsscheuer, leichtfertiger Bursche sogar von Ungarn her gefunden, ähn- Vor dem Ausseer Landgericht stan- beschrieben wird. Sechs Jahre später, lich wie die Dienstmagd Maria Theresia den sowohl Erst- als auch Wiederho- im Alter von 35 Jahren, war Joseph Kain Stöckl, deren Wurzeln in Temeswar/ lungstäter. Wir kennen zumindest zehn schon ganz unten angekommen, er Timisoara¸ im Banat lagen. Personen, die sich im Zeitraum von lebte zum Teil von der Unterstützung Betreffend ihre berufliche Struktur 1804 bis 1842 zwei- oder mehrmals des Armeninstituts, zum Teil von dem, weisen die männlichen Täter vor dem wegen ihrer Straftaten verantworten was er sich durch das Fischen verdient. Landgericht Aussee eine charakte- mussten. In der Regel handelte es sich Delikte wurden allein, aber auch in ristische Besonderheit auf: Rund ein dabei um Diebstahl, das klassische Gemeinschaft begangen. Aus den Kri- Viertel von ihnen rekrutierte sich aus Wiederholungsdelikt. Eine besonders minalprotokollen des Landgerichtes aktiven oder ehemaligen Arbeitern der umtriebige Gewohnheitsverbrecherin Aussee lassen sich zumindest 23 Fälle Saline.9 Ebenso zahlreich waren Knech- war Rosalia Moser vulgo Onimos Sala, festmachen, bei denen mehr als ein te und Taglöhner vertreten, genauso eine Dienstmagd und spätere Taglöhne- Täter oder eine Täterin zur Verantwor- wie Handwerker, Kleingewerbetreiben- rin aus Aussee. Sie war bereits zwei Mal tung gezogen wurden. Meistens han- de und Angehörige unterbäuerlicher von der Bezirksobrigkeit Pflindsberg delte es sich dabei um zwei Personen, Schichten. Eine kleine Gruppe bilde- wegen Diebstahls politisch abgestraft es gab aber auch größere Gruppen, ten außerdem die Soldaten. Auf der worden, als sie sich 1833 zum ersten die gemeinsam kriminelle Aktionen untersten Skala standen schließlich Mal vor dem Kriminalrichter verant- setzten. Prädestiniert dafür war etwa Abdecker, Gerichtsdiener und Vagan- worten musste. Bis 1842 erhob man der Wilddiebstahl. 1827 waren gleich ten. Mehrere Angeklagte werden aber noch weitere fünf Mal Anklage gegen sieben Männer, allesamt Salzbergar- auch als „Besitzer“ – etwa eines Hauses sie, die Folge waren mehrmonatige beiter und Holzknechte unter dem oder eines Bauerngutes – bezeichnet, Kerkeraufenthalte. Joseph Kain vulgo Hallamt , als Wilderer ange- auch Bürger und Wirte befanden sich Schwarzstügerbub aus Aussee stand klagt, darunter Johann und Leopold unter ihnen. Möglicherweise ist diese dem um nichts nach. Anlässlich seiner Gamsjäger; 1837 verfolgte man acht Gruppe an Personen sogar noch grö- Verhaftung 1833 wurde vermerkt: Zum Personen wegen Wilddiebstahls. Auch ßer, so tritt etwa an die Stelle einer 6. Mal wegen Diebstahls in Untersu- hier waren familiäre Beziehungen zwi- Berufsbezeichnung bisweilen nur ein chung. Auch dieses Verfahren war nicht schen den Beschuldigten feststellbar.

9 Der Arbeiterstand betrug 1826 843 Personen, 1832 715 Personen und 1848 555 Personen. Vgl. Franz HOLLWÖGER, Das Ausseer Land. Geschichte der Gemeinden Bad Aussee, Altaussee, Grundlsee, Mitterndorf und Pichl, Bad Aussee 1956, 217. 10 Vgl. HOLLWÖGER, Ausseer Land, 220 f.

5 Katasterplan Aussee, um 1824 | StLA, OD-BG Bad Aussee-02, Bl. 1

Der absolute Höhepunkt wurde jedoch des Kriminalverfahrens auf freiem Fuß Eine zeitliche Entwicklung ist dabei nicht 1833/34 erreicht, als nicht weniger als verblieb. 1807 nahm man es noch nicht festzustellen. Den längsten Untersu- 29 Personen wegen Diebstahls und so genau, damals durften gleich meh- chungsarrest hatte die Gerichtsdiene- Diebstahlsteilnahme vor Gericht stan- rere Angeklagte bis zum Urteilsspruch rin Griselda Langmayer auszustehen, den. Ihnen wurde vorgeworfen, viele in Freiheit verbleiben. Darunter befand die 1832/1833 über 15 Monate auf ihr Hundert Zentner Kernsalz gestohlen und sich etwa das Abdeckerehepaar Jakob Urteil zu warten hatte. Tatsächlich trug verhehlt zu haben.10 Unter den Tätern und Elisabeth Seinader, die letztlich daran aber nicht die Saumseligkeit des waren sowohl Männer als auch Frau- aber ohnehin nur zu acht bzw. 14 Tagen Gerichtes Schuld, sondern das Gewicht en, Bergarbeiter genauso wie Besitzer, Kerker verurteilt wurden. Nicht immer ihrer Straftaten, nämlich Raub und Dieb- Dienstboten und Holzknechte. gewährleistete der Untersuchungsarrest stahl, die langwierige Untersuchungen im Übrigen die notwendige Sicherheit. notwendig machten. Gerichtsverfahren, Urteil und Straf- Zwei Angeklagten gelang es, heimlich Die Mühe, die sich mit einem Kriminal- vollzug aus dem Gefängnis zu entweichen, so- verfahren verband, war zum Teil enorm. Der Sitz des Landgerichtes Aussee be- dass das Kriminalverfahren gegen sie Es reichte nicht, eine angeklagte Per- fand sich von 1787 bis 1833 im alten nicht fortgeführt werden konnte. son einmal zu verhören, sondern sie Gerichtsgebäude Markt Nr. 49, das auch Die Zeit im Untersuchungsgefängnis wurde durchwegs öfter vor den Richter als kleines Rathaus bezeichnet wurde; konnte mitunter sehr lang sein. Nicht gerufen; in rund 20 Prozent der Fälle ab 1833 amtierte es im späteren Alten einmal zehn Prozent der Angeklagten zumindest zehn Mal und mehr. Auch Bezirksgericht Markt Nr. 32. Das Ge- erfuhren ihr Urteil nach nur einem Mo- Zeugen waren zahlreich zu vernehmen. fängnis war in Haus Nr. 33 eingerichtet.11 nat Verfahrensdauer, rund 40 Prozent Im Falle des vermeintlichen Diebes Josef In der Regel wurde über eine angeklagte mussten sich bis zu drei Monate, wei- Loitzl aus Puchen bei Altaussee wurden Person die Untersuchungshaft verhängt, tere 30 Prozent bis zu sechs Monate sogar 32 Zeugenverhöre durchgeführt, nur selten kam es vor, dass ein Beschul- gedulden. Auch Kriminalverfahren, die letztlich jedoch ohne Erfolg, und der digter oder eine Beschuldigte während länger als ein Jahr dauerten, kamen vor. Mann musste aus Beweismangel los-

6 gesprochen werden. Im Laufe der Zeit denen die Gefangenen schwere gesund- nahm die Bürokratie deutlich zu. Kam heitliche Schäden davontrugen, weit man Anfang des 19. Jahrhunderts zur verbreitet waren.13 In Aussee herrschten Klärung einzelner Fakten noch mit einem zumindest ab 1839 gute Verhältnisse, bis zwei Schreiben an andere Behörden damals richtete man vier Kerker ganz aus, sah es ab den 1830er-Jahren schon neu ein, die – zumindest nach zeitgenös- deutlich anders aus. Vor allem der große sischem Urteil – in ihrer Beschaffenheit Diebstahlsprozess 1833/1834 führte nichts zu wünschen übrig ließen.14 zu umfangreichen Korrespondenzen, Lautete das Urteil auf eine länger an- die den Marktschreiber vor manche dauernde Freiheitsstrafe, so wurde der Herausforderungen stellte. Bei einem Markt Aussee, Druck nach einem Gemälde, Delinquent oder die Delinquentin mittels der Haupttäter, Georg Kößler vulgo Os- um 1840 | StLA, OBS-Aussee-Umgebung-III-015 Schub von Landgericht zu Landgericht terkößler zu Reitern bei Aussee, waren nach Graz in die Provinzialstrafanstalt nicht weniger als 80 Schreiben auszu- der Steiermark gebracht. Diese war schicken und 65 eingehende Schreiben oder von Fasten. Die Höhe der Strafe seit 1809 im ehemaligen Jagdschloss auszuwerten, bis die Beweisführung hing vom jeweiligen Delikt und dem Karlau eingerichtet, nachdem die bisher abgeschlossen war. Tatbestand ab, wobei Milderungs- und genützten Festungsgebäude auf dem Die Grundlage für einen Urteilsspruch Erschwernisgründe eine Rolle spiel- Schlossberg infolge der Franzosenkriege bildete das Strafgesetzbuch von Kaiser ten, sodass hier nicht verallgemeinert gesprengt werden mussten. Verbre- Franz II./I. aus dem Jahr 1803. Eine werden kann. In den meisten Fällen, cherinnen und Verbrecher, die zu einer Verhaftung bildete noch keine Vorver- nämlich in rund 45 Prozent der Fälle, schweren Kerkerstrafe von mehr als urteilung, tatsächlich wurden rund zehn dominierten aber eher kürzere Freiheits- zehn Jahren verurteilt worden waren, Prozent der Angeklagten als unschuldig strafen im Ausmaß von bis zu einem hatten diese im Festungsarrest abzubü- erkannt. Reichten die Beweise nicht Monat; weitere 35 Prozent mussten ßen. Dafür war anfangs der Spielberg/ aus, so durften die Beschuldigten das bis zu sechs Monate ins Gefängnis. Spilberkˇ in Brünn/Brno vorgesehen, ab Gericht ebenfalls in Freiheit verlassen; Gewaltverbrechen wie Mord, Brandstif- 1829 das Kastell von Gradisca d’Isonzo damit kamen rund sechs Prozent der tung, Notzucht oder Raub wurden mit im östlichen Friaul nahe der Grenze zu Beschuldigten „ab instantia“ davon – mehrjährigen Kerkerstrafen jedenfalls Slowenien. Von den im Landgericht zumindest solange sich keine neuen Ver- besonders streng bestraft, während die Aussee verurteilten Männern und Frauen dachtsmomente fanden. Auch sonstige Variationsbreite bei Eigentumsdelikten waren davon aber nur zwei Personen Gründe konnten vor einem Strafurteil hoch war. Selbst bei gemeinschaftlich betroffen, nämlich die Kindsmörderin bewahren, etwa Verjährung im Falle des begangenen Straftaten – etwa dem Anna Walkner aus Sarstein und der diebischen Salzbergarbeiters Adalbert großen Salzdiebstahl von 1833/1834 – Dieb und Brandstifter Mathias Dasch Pucher oder Unzurechnungsfähigkeit wurde die Straffälligkeit jedes einzelnen aus Zauchen.15 aufgrund von Altersschwäche bei Anna Mittäters genau abgewogen. Die am Wimmer, Schwester des Besitzers des geringsten Belasteten, deren Tat nur als Zusammenfassung Laimergutes in Sarstein. Stellte sich Diebstahlsteilnahme eingestuft wurde, Allgemein ist zu konstatieren, dass sich während der Untersuchung heraus, kamen mit acht bis 14 Tagen schwerem der Landgerichtsbezirk von Aussee in dass die Tat nicht als Kriminalverbre- Kerker davon, während die Haupttäter der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts chen, sondern lediglich als schwere bis zu eineinhalb Jahre hinter Gitter als weitgehend friedlicher Platz präsen- Polizeiübertretung zu werten war, so wanderten. tierte. Schwere Kriminalverbrechen wa- erhielt der oder die Beschuldigte eine Abhängig von der Höhe der zugemes- ren selten, Strafverfolgungen geschahen sogenannte „politische Strafe“, die um senen Strafe war auch der Strafort. in erster Linie wegen Eigentumsdelikten, einiges glimpflicher ausfiel und bei der Nach dem Strafgesetzbuch von 1803 allem voran wegen Diebstahls, wobei Bezirksherrschaft auszustehen war. sollten schwere Kerkerstrafen in einem das verhängte geringe Strafmaß erken- Doch in fast 80 Prozent der Fälle fiel Ausmaß von bis zu sechs Monaten und nen lässt, dass die Taten nicht allzu sehr ein Schuldspruch, womit sich eine Frei- Kerkerstrafen ersten Grades von bis zu ins Gewicht fielen. Trotzdem sah sich das heitsstrafe verband. Der Rahmen war einem Jahr nach Möglichkeit am Ge- Landgericht bei der Beweisführung vor hier überaus weit gespannt und reichte richtsort verbüßt werden.12 Die meisten einige Herausforderungen gestellt, vor von einem Tag schwerem Kerker bis hin Verurteilten verblieben also im Markt allem wenn es sich um gemeinschaftlich zu zwölf Jahren. Mit der Anhaltung im Aussee. Nicht alle Landgerichte ver- begangene Straftaten handelte. In den Gefängnis verband sich in manchen Fäl- fügten allerdings über ausreichend gut meisten Fällen kam man aber zu einem len zudem eine Strafverschärfung, etwa ausgestattete Arreste, sodass Klagen klaren Ergebnis, das auch die Zustim- in Form einer körperlichen Züchtigung über dumpfe, feuchte Verschläge, in mung des Kriminalobergerichtes fand.

11 Vgl. POLLNER, Bad Aussee, 186. 12 StGB 1803, 1. Teil, § 458. 13 Vgl. Hugo HOEGEL, Freiheitsstrafe und Gefängniswesen in Österreich von der Theresiana bis zur Gegenwart, Graz–Wien 1916, 35. 14 StLA, Göth Georg, Nachlass, K. 7, H. 125: Aussee, Bezirk, Pfarre, Gült und Markt. 15 Zu Anna Walkner vgl. Elke HAMMER-LUZA, Drei Frauen, drei Schicksale. Kindsmörderinnen im Bezirk Liezen im 18. und 19. Jahrhundert. In: Da schau her 29/1 (2008), 3–7.

7 KARL STEININGER

Anatol Solotarev & Anton Prazak Zwei Künstlerleben in Admont

A. Solotarev: Stilleben mit Obst, Öl, 58 x 73 cm I Alle nicht bezeichneten Fotos: E. Reichenfelser

Um die Mitte des vergangenen Jahrhun- Istanbul, von wo er nach Ausbruch des derts waren in Admont viele gut ausge- Zweiten Weltkriegs weiterzog und sich bildete Künstler am Werk, wie etwa der für längere Zeit in Belgrad niederließ. In Grafiker P. Erwin Ehweiner, die Maler allen Stationen seines abenteuerlichen Toni Hafner, Bruno Hess, Reno Ernst Lebensweges hatte er durch die Male- Jungel1, Emmerich Millim2,3, Hans Nödl, rei sein Einkommen gefunden. Als die Karl Sellner, die Malerin und Pianistin kommunistischen Kräfte den Balkan Emy Sommerhuber und der Bildhau- eroberten, floh der Künstler erneut und er Hans Steger4. Nach persönlichem Solotarev malt Hilde Schöllnhammer kam 1944 nach Hall. In Admont lernte Entschluss, oder durch die Wirren der | Foto Schöllnhammer | Alle Bilder auf den Seiten 8 er seine Frau kennen und lebte mit ihr und 9: Anatol Solotarev Zeit getrieben, auch vom Stift beauf- in der Villa Edelweiß, Hall Nr. 294. Seine tragt, sind sie hierhergekommen und nach Baden bei Wien kam. Er besuchte Frau DI Elfriede Solotarev war bei der haben Land und Leute in ihre Kunst die Kadettenschule in Charkow und landwirtschaftlichen Versuchsanstalt einbezogen. Zu ihnen zählen auch jene erlernte dort anschließend in der Aka- tätig, die damals eine Expositur in Ad- Künstler, denen der folgende Bericht mit demie die Kunst der Malerei. Staatliche mont betrieb. einer Auswahl von Bildern gewidmet Umwälzungen und Terror der Tscheka Der Künstler war mit seiner aufrechten, ist und deren Herkunft, Erscheinung hatten die Welt der Familie zerstört. schlanken Gestalt und dem schlohwei- und künstlerisches Verständnis nicht Anatol flüchtete über die Krim nach ßen Haar eine markante Erscheinung. unterschiedlicher hätten sein können. 1 Danzer Gudrun, Kirchmauer Minnegard, Reno Ernst Jungel 1893-1982, Graz 2003. Anatol Solotarev 2 Die Kunst der Anpassung. Steirische Künstler/innen im Nationalsozialismus zwischen wurde am 24. April 1901 zu Charkow Tradition und Propaganda. Hrsgg. von Günther Holler-Schuster und Otto Hochreiter mit Beiträgen von Heimo Halbrainer. Ausstellungskatalog Neue Galerie Graz – Universalmuseum in der Ukraine geboren und starb am Joanneum und stadtmuseumgraz. Graz 16. Juni 2010 bis 2. Januar 2011, Seite 86f Emmerich 4. Dezember 1969 in Irdning. Millim, Seite 68f Reno Ernst Jungel. Anatol war der Sohn einer wohlhaben- 3 Lipsky Herbert, Kunst aus einer dunklen Zeit. Die bildende Kunst in der Steiermark zur den Familie, die, begleitet von der Kö- Zeit des Nationalsozialismus. Ein Handbuch. Graz 2010, Seite 214 ff Reno Ernst Jungel, Seite 249ff Emmerich Millim. chin, der deutschen und französischen 4 Steininger Karl, Johann Steger, ein Bildhauer in Admont. In: Da schau her. Die Kulturzeit- Gouvernante, oft zur Sommerfrische schrift in Österreichs Mitte, 4/2016, Seite 7-9.

8 Regina Schöllnhammer, Öl, 39 x 35 cm Olga Splechtner, Öl, 58 x 52 cm Lieselotte Wenzel, Öl, 45 x 40 cm

Betty Hinterer, Öl, 52 x 46 cm Bärli, Öl, 54 x 46 cm Nelkenstrauss, Öl, 58 x 48 cm

Stets gepflegt, im dunklen Anzug, wei- dorthin, wo sie in der Grimminggasse empfunden werden. Das Aktbild sei- ßen Hemd und mit tadellos geputzten Nr. 86 in einfachen Verhältnissen und ner hübschen blonden Frau ist leider Schuhen, gab er das Bild eines Gentle- zurückgezogen wohnten. Doch brachte verschollen. Die bekannten Werke sind mans. Im Umgang war er eher zurückhal- ihn auch hier seine Kunst mit interes- kursiv mit „Zolotarev“ unterschrieben, tend und schien um seine Person stets santen Persönlichkeiten in Kontakt. Die aber nicht datiert. Werke aus seiner ein Geheimnis zu pflegen. Er erweckte betagte und sehr präsente Frau Ilse früheren Schaffenszeit sind nicht be- den Eindruck, dass ihm seine Vergan- Geutebrück in Aigen erinnert sich heute kannt. Dass er auch in Irdning weiter genheit gefährlich werden könnte; so noch gerne an viele Gespräche mit dem gemalt hat, ist durch einige Werke ließ er sich ungern fotografieren. Künstler, unter Freunden „Tolo“ ge- belegt; Porträts wurden jedoch hier Selbst sehr gebildet, war sein Leben nannt. Auch weiß sie von seiner Furcht noch nicht gefunden. Der Nachruf aus stets mit intellektuellen Kreisen ver- vor dem KGB zu erzählen, die ihn da- Irdning im „Ennstaler“ vom 14. Dezem- bunden. Besonders schätzte er die heim zu kuriosen Sicherheitsmaßnah- ber 1969 lässt auf einige Bekanntheit freundschaftliche Runde am Samo- men veranlasste und ihn auch bei der schließen. Um aus dieser Zeit etwas zu war bei der gebürtigen Russin Olga Arbeit zur Renovierung der Ikonostase erfahren, haben die Kontakte mit Herrn Splechtner, die in der sogenannten in der russisch-orthodoxen Kathedrale Karl Langmann aus Irdning wesentlich „Einsetz“, dem flachen Haus am äußers- in Wien quälte. Der Künstler starb in beigetragen. ten Ostrand der Stiftsmauer, zu Hause Irdning, wo er auch begraben wurde. war. Nach dem Umbruch, während des Das Grab ist inzwischen aufgelassen. Anton Prazak „Russensommers“ 1945 in Admont, Seine Frau zog 1990 nach Baden bei wurde am 7. Februar 1893 in Brünn/ verschwand Anatol in seinem Schne- Wien, wo sie später auch verstarb. Brno geboren und starb, wohnhaft in ckenhaus in Hall, in der amerikanischen Von Anatol Solotarev sind nur Ölge- Admont, am 26. März 1953. Anton Pra- Besatzungszone. mälde bekannt, die eine russische zak (sprich „Praschak“) stammte aus 1957 zog sich die Versuchsanstalt nach Schule verraten, mit ausgeprägten einfachen Verhältnissen und war ein Irdning zurück, und mit ihr übersie- Hell-Dunkel-Kontrasten gemalt sind akademisch ausgebildeter Maler. In den delten auch Herr und Frau Solotarev und in den Porträts fast ikonenhaft Wirren von 1938 in Wien wegen seiner

9 Anni Schagerer, Öl, 1945, 69 x 60 cm Hermine Steininger, Öl, 1943, 78 x 55 cm Dr. Josef Genger, Öl, 1945, 78 x 6 cm

Steffi Benedetti, Öl, 1944, 50 x 44 cm Alte Schmiede, Neukirchen bei Cilli, Aquarell, 1944, 22 x 30 cm

unzeitgemäßen Gestalt bedrängt, kam Krause OSB das künstlerische Schaffen Das Grab gibt es heute nicht mehr. er 1939 über Gußwerk nach Admont würdigte und Sepp Wartensteiner im Anton Prazak war in der Admon- und wohnte für kurze Zeit im Gasthof Namen der betroffenen Bürgerschaft ter Zeit zumeist in der Region tätig, „Zur Traube“, Admont Nr. 3. In erster den Nachruf auf einen geliebten und kam aber 1943 auf Einladung seiner Zeit arbeitete er auch als Zeichner für bescheidenen Mitmenschen hielt. Förderer Eduard und Mirli Sauer in den Architekten Eduard Sauer, der über künstlerischen Exkursionen bis nach der damaligen Drogerie Wetternik, Ad- Cilli/Celje im heutigen Slowenien. mont Nr. 29, wohnte und für die Firma Als Mitglied der „Bergland-Gilde“, in der Poitzi tätig war. sich 1949 in der Obersteiermark arbei- Bald fand Prazak eine passende Blei- tende Künstler zusammenschlossen, war be im „Merth-Haus“, Schmiedgasse Anton Prazak mit Künstlern der weiteren 69 (heute Medien-Manufaktur Ernst Umgebung in Kontakt. Im Zentrum sei- Kren), wo er im Dachgeschoss nord- nes künstlerischen Schaffens standen seitig sein Atelier hatte. 1946 zog der Land und Leute aus Hall und Admont, Künstler ins „Mayr-Haus“ Nr. 116. Das wovon viele Werke in den Wohnungen Haus war eine reizende Jugendstilvilla, hier noch zeugen. Seine Bilder von musste aber 1968 dem Volkshaus und Menschen und Landschaften offenba- der Siedlung in der Eichelau weichen. ren eine große Liebe zur Farbenvielfalt. Eine Krankheit zwang Anton Prazak zu Seine Gemälde sind mit vollem Namen einem Aufenthalt im Spital , in Blockbuchstaben signiert, mit der Jah- wo er auch starb. Viele Admonter gaben reszahl datiert und zeigen im Gegensatz dem kleinen, buckligen „Tonerl“ das Anton Prazak zu Solotarev durch die feine Detaillie- letzte Geleit, bei dem DDr. P. Adalbert Alle Bilder auf den Seiten 10 und 11: Anton Prazak rung ein völlig anderes Darstellungsver-

10 ständnis. Stilleben sind nicht bekannt. Ein größeres Werk war das Secco-Ge- mälde des hl. Florian an der Südfassade des 1949 erbauten Feuerwehr- und Wohnhauses. Das Bild ist bei der Re- novierung mit einem neuen hl. Florian übermalt worden. Eine Fassadenarbeit übertrug ihm auch das Stift 1952 in der Restaurierung der Fresken an der westlichen Giebelseite des Hofrichter- hauses, die heute wieder sehr verblasst sind. Um die Lücke im Millim-Zyklus der Admonter Pfarreien zu schließen, kaufte das Stift sein Aquarell mit der Kirche von Hall. Anton Prazak war ein fleißiger Maler, der sich im Ort viele Freundschaften zu gewinnen verstand. Da und dort wurde er zu einer kleinen Jause eingeladen, wobei schon ein weiches Ei den genügsamen Künst- ler erfreuen konnte. Wenn er an Re- gentagen ausging – damals war fast noch jeder zu Fuß unterwegs – und mit den Mühen der morastigen Wege zu kämpfen hatte, war er wohl der Einzige im Ort, der Galoschen hatte, die er beim Eintritt in ein Haus dann sorgsam auszog. Sein Abschiedsgruß war stets ein „uf Wiederluaga“, eine Schweizer Redewendung, woher auch immer gewonnen, die eine seiner Be- sonderheiten war. Nach der hier beschriebenen Zeit lebte und wirkte im Admonter Tal nie mehr gleichzeitig eine so große Anzahl an professionell ausgebildeten Künstlern. Die Bewohner des Tales hatten Freude an dem Künstlervölkchen und Ver- Pfarrkirche Hall, Aquarell, 1951, 34 x 27 cm ständnis für ihr einfaches Dasein, denn trotz schwerer Zeit erstanden sie das eine oder andere Landschaftsbild oder ließen sich porträtieren. So kam es, dass Kunstwerke der heimischen Gilde bald viele Wohnungen geschmückt haben. Etliche Kunstwerke sind im Ort noch vorhanden, andere bereits mit den Nachkommen der Auftraggeber fortgezogen. Von den Künstlern selbst ist viel in Vergessenheit geraten. Wenige sind über die Tal- oder gar Landesgrenzen hinaus bekannt geworden. Mit ein Grund, wie mit diesem Beitrag Erinne- rungen festzuhalten. Avantgardismus und Bezug zur Moderne findet man in den hier erzeugten Kunstwerken kaum. Die Auftraggeber und Mäzene hatten dafür wohl keine Ader und die meisten Künstler selbst waren eher im Gegenständlichen geprägt; irgendwie charmant. Admont, Obere Bachgasse mit Kaufhaus John, Öl, 1946, 60 x 80 cm

11 JOHANNES GEPP Harald Matz (1940–2018)

DER NATURSCHUTZPROFESSOR DES BEZIRKES LIEZEN

Oberstudienrat Mag. rer. nat.

Harald Matz,

der Naturgeschichtslehrer, der Organist, der große Moorkenner der Steiermark, Naturschutzbeauftragter des Bezirkes, Ehrenmitglied des Steirischen Naturschutzbundes und heimatliebender Ennstaler ist am 29. Oktober 2018 im 79. Lebensjahr von uns gegangen.

Harald Matz, 2006 I Foto: J. Gepp

Harald Matz wurde am 19. Jänner 1940 Kinder Karl und Michaela wurden 1968 Harald Matz bekleidete mehrere als ältestes von drei Kindern in Leoben und 1969 geboren. 1997 und 2001 folg- ehrenamtliche Funktionen: geboren. Er besuchte ab 1946 die Volks- ten die Enkelkinder Lorenz und Larissa. • Vorstandsmitglied der 1981 schule in Mühlbach am Hochkönig und Neben seiner Berufung als Pädagoge gegründeten Bezirksstelle Liezen im später in Bischofshofen. 1948 zog die galt seine große Leidenschaft der Mu- Naturschutzbund Steiermark; Familie nach Knappenberg in Kärnten, sik, vor allem dem Klavier- und dem Bezirksstellenleiter bis 2001 wo der Vater als Bergbauingenieur ar- Orgelspiel. Viele Jahre war er als Orga- • Naturschutzwart in der Sektion beitete. Die Gymnasialzeit verbrachte nist in der Pfarre Liezen und in Pürgg Liezen des ÖAV ab 1979 bis 1984 er ab 1951 in Klagenfurt im Internat tätig und gestaltete zahlreiche festliche • Ehrenamtliche Tätigkeit als Natur- Vincentinum. Sein großes musikali- Gottesdienste. Er brillierte in Konzerten, schutzbeauftragter an der sches Talent entwickelte er am Lan- z. B. Orgel mit Trompete mit Walter Kern Bezirkshauptmannschaft Liezen deskonservatorium in Klagenfurt im oder Orgel mit Flöte mit Eva Salfellner. von 1982 bis 2001 Fach Klavier weiter. Nach der Matura Sein grünes Herz widmete Matz mit • Vorstandsfunktionen in regionalen 1959 war er von 1959 bis 1960 als großem Engagement der Natur und Naturschutzvereinen (Die Vogel- Funker beim Bundesheer (Jgbat 26) in ihrem Schutz. Als Naturgeschichtspro- warte und Moorschutzverein Pürg- Spittal an der Drau. Danach studierte fessor entwickelte er sich zu einem den schachen), Mitarbeit im LIFE-Natur- er ab 1960 Naturgeschichte, Physik Naturraum umfassend beschreibenden projekt Pürgschachenmoos und und Chemie als Lehramtsstudium an Sachverständigen. Dazu war er durch Wörschacher Moos 1995–1998 der Karl-Franzens-Universität in Graz. seine Tätigkeit als Naturschutzbeauf- Seine erste Anstellung in Liezen an der tragter insbesondere im Rahmen seiner Insbesondere der Schutz der Moore war Bundeshandelsakademie und BHAS im Gutachten zur Unterschutzstellung von ihm ein Anliegen, das er mit großem Jahre 1968 verblieb ihm bis zu seiner Landschaftsteilen und Schutzgebieten Verantwortungsbewusstsein verfolgte. Pensionierung 2001. allmählich geübt. Er dokumentierte und Etliche Schutzgebiete basieren auf sei- 1967 heiratete Harald seine Frau Uda- diskutierte sowohl geologische wie nen Gutachten und Initiativen. In diesem linde, die er in Knappenberg kennen- hydrologische Verhältnisse, aber auch Bereich war er bis zuletzt auch wissen- gelernt hatte. 2017 feierten die beiden Pflanzengesellschaften, vor allem der schaftlich tätig und verfasste zahlreiche Ehepartner ihre Goldene Hochzeit. Die Feuchtgebiete. moorkundliche Artikel, insbesondere

12 Harald Matz (4. v. re.) führt Experten und Harald Matz (re.) leitete 20 Jahre die Be- Harald und Udalinde Matz 2015 bei einer Interessierte durch das Oppenberger Moor, zirksstelle des Naturschutzbundes; hier mit der zahlreichen Gebirgsexkursionen 2011 | Foto: Fam. Matz Nachfolger Vize-Präs. Gerhard Schmiedhofer | Foto: Fam. Matz | Foto: Archiv Naturschutzbund in der Zeitschrift „Da schau her“. Matz stunde des steirischen Nationalparks von Niederstuttern mit angrenzen- stand mit zahlreichen Institutionen und Gesäuse. Harald Matz erwirkte über den Feuchtwiesen im Gemeinde- Wissenschaftlern in regem Kontakt. mehrere Jahrzehnte, dass große Tei- gebiet von Pürgg-Trautenfels zum Allein an den Naturschutzbund, speziell le des Bezirkes unter Schutz gestellt Naturschutzgebiet nach Antrag des dem Autor dieses Nachrufs, verschickte wurden. Naturschutzbundes Steiermark er in seinen beiden letzten Lebensjahren (Curt Fossel) vom 13. September 150 E-Mails mit naturschutzfachlichem Naturschutzverfahren mit wesent- 1985 und Erstellung des naturräum- Inhalt. Durch unzählige E-Mails und lichen Initiativen von Harald Matz: lichen Befundes durch BNB Matz Briefe an die Landespolitiker war er • Schutz des steirischen Anteils der • 1990: Erklärung der Wasserfälle des als Kritiker und Kenner der schwierigen Warscheneckgruppe: Wallnerbaches bei Lessern zum Situationen bekannt und hat dadurch si- Antragstellung am 22. November Naturdenkmal cherlich dazu beigetragen, dass manche 1984 durch ÖAV-Jugend Steiermark; • 1990: Erklärung der Donnersbacher zeitlich verschleppten Schutzanträge Verordnung zum Naturschutzgebiet Klamm zum Naturdenkmal doch endlich ihre Verwirklichung in Form Ost am 27. Mai 1991 • 1993: Erklärung des Zimitzbaches, von Naturschutzgebieten fanden. Und • Schutz der Untergrimminger Gemeinde Grundlsee, zum Natur- so ist es auch sein Verdienst, dass heute Kataraktstufe des Grimmingbaches denkmal nach Erstellung des noch Wachtelkönige im Ennstal schnar- und der Klachauer Gefällestufe Fachgutachtens ren und das mittlere Ennstal durch den • Schutz der Ennskatarakte im • 1995: Erklärung von subalpinen Wachtelkönig bekannter wurde als durch Gesäuseeingang: Gebieten der Kaiblingalm und des manch sonstige Naturschätze. Mai 1986: Erklärung des Ennsau- Kaiblinglochs zum Naturschutz- waldes beim Klausner zum Natur- gebiet nach Antrag durch Bezirks- Der Bezirk Liezen hat heute die größte schutzgebiet nach Antrag der stelle Liezen und Gemeinde Haus Dichte an Natur- und Europaschutz- Bezirksstelle Liezen und Begut- sowie Fachgutachten durch BNB gebieten. Schon früh gab es in dieser achtung durch den Naturschutzbe- Matz prächtigen Alpenregion zahlreiche Wün- auftragten Harald Matz • 1996: Erklärung von drei Moor- sche zur Nutzung, aber auch Sicherung August 1987: Antragstellung durch flächen bei (Oberst der Naturschutzgüter, aber die Hartnä- Naturschutzbund Steiermark mit Schmid-Ruhe, Naglmoos, Die Bor- ckigkeit von Harald Matz überwand die HR Dr. Curt Fossel zen) zum Naturschutzgebiet Absichten, am Gesäuseeingang eine November 1987: Einleitung des nach Fachgutachten durch BNB Matz Staumauer zu errichten, die Pläne der Unterschutzstellungsverfahrens Straßenbauer, eine Autobahn durch durch die BH Liezen An Auszeichnungen wurde ihm der Aner- das Ennstal zu ziehen, die Versuchung 27. Dezember 1987: Abgabe des kennungspreis des Conservation Award der Golfplatzplaner, dem Wachtelkö- Fachgutachtens bei der BH Liezen 1992 der Europäischen Umweltstiftung nig in Weißenbach seine Roßwiesen durch BNB Matz zuerkannt. Die Ernennung zum Ober- zu schmälern. Was wäre das Gesäuse 26. Jänner 1988: Erlassung des studienrat erfolgte im Jahr 2000. Matz ohne den wild tosenden Ennskatarakt? Bescheides über die „Erklärung der erhielt 2010 das Goldene Ehrenzeichen Im jüngst erschienen Buch „Österreichs Flusskatarakte der Enns im des Österreichischen Naturschutzbun- Jahrhundert des Naturschutzes“ (GEPP Gesäuseeingang zum Naturdenk- des und 2003 das Goldene Ehrenzeichen 2018) schildert Harald das zähe und mal“ durch Bezirkshauptmann HR des Landes Steiermark. jahrelange Ringen gegen übermächtige Dr. Manfred Meier; Abweisung der Investoren, die politische Aufhebung des Berufung des Kraftwerkbetreibers Sein Leben in Pension war bis zuletzt Naturschutzes am Gesäuseeingang um Stift Admont bis zur höchsten mit fachlicher Arbeit erfüllt. Harald (von eine große Staumauer zu errichten, die Instanz Freunden Harry genannt) genoss bis endgültig die Naturzerstörung bedeutet • 1988: Erklärung von Abschnitten zum Schluss die schönen Momente bei hätte, wenn nicht eine Plattform zum des Laussabaches zum Naturdenk- vielen Bergtouren, sommers wie win- Schutz des Gesäuses gegründet worden mal ters, bei eindrucksvollen Trekkingreisen wäre. Das war die eigentliche Geburts- • 1988: Erklärung der Ennsaltarme mit seiner Frau (Peru 2003 und 2005,

13 Publikationen und ausgewählte Gutachten von Harald Matz

MATZ, H. (1991): Der Spechtensee und MATZ, H. (2001): Die Geschichte des Pürg- das Spechtensee-Moor in Wörschachwald schachenmooses. – Unveröffentl. Studie f. & Der Leistensee bei Stainach. – Natur- d. Institut für Naturschutz und Landschafts- schutz-Fachgutachten, Bezirkshaupmann- ökologie Graz, 41 pp. schaft Liezen, 51 pp. MATZ, H. (2001): Ramsar-Gebiet Pürg- MATZ, H. (1994): Die Charakteristik klein- schachenmoos – Der Moorschutzverein räumiger Moorkomplexe in der Bad Mit- Pürgschachen – Die Geschichte des Pürg- terndorfer Passlandschaft im steirischen schachenmooses. – Manuskript. . – Naturschutz-Fachgut- Im Moorbuch 2008 beschrieb Matz die achten, Bezirkshauptmannschaft Liezen, MATZ, H. (2001): Das Pürgschachenmoos zahlreichen Moore der nördlichen 37 pp. in der Gemeinde , die Veränderung Obersteiermark seiner Vegetation und Oberflächenstruktu- MATZ, H. (1994): Das Triebener Moor im ren infolge der Randzonen-Entwässerung, Sikkim 2006, Nepal 2007) und die Zeit Aubrucker Becken. – Naturschutz-Fach- die vegetationsökologischen Veränderun- mit seiner Familie. Er widmete sich mit gutachten, Bezirkshauptmannschaft Lie- gen der Moor-Randzone infolge der um- Freude der Pflege seines Gartens beim zen, 17 pp. gesetzten Maßnahmen des LIFE-Projek- Haus in Hohenberg in Aigen, wo ein jä- tes 1995–98. – Unveröffentlichte Studie, her Herzinfarkt beim Obstbaumschnitt MATZ, H. (1994): Ein Massenbestand des Moorschutzverein Pürgschachen, 1–39. sein lang schwelendes Herzleiden am Strauß­-Gilbweiderichs (Lysimachia thyr- 29. Oktober 2018 beendete. siflora L.). – Not. Flora Steiermark 13: MATZ, H. (2001): Das Natura 2000-Gebiet 2008 erschien das umfassende Buch 29–30. Ödensee mit den Ödensee-Mooren. – über die „Moorreiche Steiermark“, eine Naturschutz­-Fachgutachten, Amt der Stmk. Übersicht der 389 steirischen Moore. MATZ, H. et al. (1995): LIFE-Projekt und Landesregierung, FA 13C, Graz, 71 pp. Darüber hinaus verfasste Matz Publika- Natura 2000-Gebiet Pürgschachen Moos tionen über die Naturschätze des Bezir- und Ennstal zwischen Ardning, Admont MATZ, H. (2001): Der Ödensee und die kes, die er vor allem in der Zeitschrift und dem Gesäuseingang. Ökologische Ödenseemoore – Ein Europaschutzge- des Schlosses Trautenfels „Da schau Grundlagen für das LIFE-Projekt 1995–98. biet im steirischen Salzkammergut. – DA her“ veröffentlichte, zuletzt wenige Tage – Amt der Stmk. Landesregierung, FA 13C, SCHAU HER 2/2001, Verein Schloss Trau- vor seinem Ableben unter dem Titel Graz, 22 pp. tenfels, 3–7. „Naturschätze im Europaschutzgebiet Steirisches Dachsteinplateau. Teil 2 MATZ, H. (1996): Der Moorschutzverein MATZ, H. (2001): Die Entwicklung der – Naturnahe subalpine Wälder im Ke- Pürgschachen stellt sich vor. – 171. Natur- Wachtelkönig-Population um das Wör- metgebirge“. schutzbrief 3/96: 5. schacher Moos im steirischen Ennstal. – Studie f. d. Institut für Naturschutz und Dank gilt der Familie Matz, insbesondere MATZ, H. (1998): Natura 2000-Gebiet Nr. Landschaftsökologie Graz, 26 pp. Herrn Karl Matz für die Übermittlung 2205000 Pürgschachener Moor, Evaluie- biografischer Daten und Fotos, sowie rung der vorkommenden EU-Schutzgüter MATZ, H. (2002): Kaiblingalm und Kaib- Herrn Redakteur Wolfgang Otte für die nach der FFH-Richtlinie. – Amt der Stmk. lingloch. Ein junges Naturschutzgebiet in Ergänzung der Publikationsliste. Landesregierung, FA 13C, INL Graz, den Schladminger Tauern. – DA SCHAU 22 pp. HER 2/2002, Verein Schloss Trautenfels, 9–15. MATZ, H., STECHER, H. et al. (1998): Steiri- sches Natura 2000-Gebiet: Pürgschache- MATZ, H. (2003): Bedeutendes Vorkom- ner Moor und Ennstal zwischen Ardning, men des Gift-Wasserschierlings Cicuta Admont und dem Gesäuseeingang. – Ins- virosa L. (Apiaceae), im Ennstal nahe bei titut für Naturschutz, Amt der Stmk. Lan- Admont (Steiermark). – Joannea Botanik desregierung, Band 4, ca. 100 pp. 5, Graz, 71–76.

MATZ, H. (1999): Natura 2000-Gebiet MATZ, H. (2003): Landschafts- und Natur- Zlaimmöser. – Naturschutz-Fachgutach- schätze an der Via Salis bei Altaussee. – ten, Amt der Stmk. Landesregierung, FA DA SCHAU HER 2/2003, Verein Schloss 13C, Graz, 63 pp. Trautenfels, 23–32.

MATZ, H. (2000): Der Cordon-Altarm im MATZ, H. (2003): Die Kataraktstrecke der Westen von Admont – Ein Feuchtgebiets- Enns im Gesäuse. Ein Naturdenkmal von komplex voller botanischer Raritäten. – europäischem Rang im steirischen Natio- Harald Matz, der Naturfotograf, bei den Sibi- rischen Schwertlilien im Wörschacher Moos DA SCHAU HER 3/2000, Verein Schloss nalpark. – DA SCHAU HER 3/2003, Verein | Foto: Fam. Matz Trautenfels, 21–24. Schloss Trautenfels, 8–17.

14 MATZ, H. (2003): Ökologische Verhältnis- MATZ, H. & J. GEPP (2008): Moorreiche MATZ, H. (2012): Das Warscheneck se des Golfplatzes Weißenbach b. L. nach Steiermark – 389 Moore der Steiermark. und sein Naturraum. – DA SCHAU HER Erweiterung um die Spielbahnen 2 und – Naturschutzbund Steiermark und Insti- 3/2012, Verein Schloss Trautenfels, 3–8. 3, unter Einbeziehung des Einflusses auf tut für Naturschutz Graz, 272 pp. die Wachtelkönigpopulation in den Roß- MATZ, H. (2013): Die Tauplitzalm – ein wiesen und auf andere Vogelarten des MATZ, H. (2008): Spuren der Eiszeit im Bergblumenparadies mit Seenkette. – DA Anhangs I der Vogelschutzrichtlinie so- Tuchmoarkar bei Kleinsölk. – DA SCHAU SCHAU HER 2/2013, Verein Schloss Trau- wie auf Schutzgüter gem. der Fauna-Flo- HER 2/2008, Verein Schloss Trautenfels, tenfels, 15–20. ra-Habitatrichtlinie. – Unveröffentlichtes 9–13. Manuskript. MATZ, H. (2013): Ein bisher unbekann- MATZ, H. (2009): Der Ennsboden bei Trau- tes Vorkommen der Drachenwurz (Calla MATZ, H. (2004): Auf der Mauer, auf tenfels und seine naturräumliche Entwick- palustris) im Wörschacher Moos, Bezirk der Lauer sitzt a große Wanz’n. Die lung seit 1860. – DA SCHAU HER 2/2009, Liezen, Steiermark. Joannea Botanik 10, Biologie und Vielfalt einer interessan- Verein Schloss Trautenfels, 3–6. Graz, 93–109. ten Insektengruppe. – DA SCHAU HER 1/2004, Verein Schloss Trautenfels, MATZ, H. (2009): Die Nikolaus-Rum- MATZ, H. (2013): Das Felsfundament der 17–20, 24. mel-Orgel in der Pfarrkirche St. Georg zu Johanneskapelle in Pürgg und seine Flora. Pürgg. – DA SCHAU HER 4/2009, Verein – DA SCHAU HER 4/2013, Verein Schloss MATZ, H. (2004): Europa und der Wach- Schloss Trautenfels, 6–11. Trautenfels, 12–15. telkönig «Crex crex». Ein Auftrag für das steirische Ennstal. – DA SCHAU HER MATZ, H. (2010): Die Naturgeschichte des MATZ, H. (2014): Wildnis in Moor und Au. 2/2004, Verein Schloss Trautenfels, Wörschacher Mooses. – DA SCHAU HER – DA SCHAU HER 2/2014, Verein Schloss 20–24. 3/2010, Verein Schloss Trautenfels, 3–9. Trautenfels, 19–23.

MATZ, H. (2004): Im und um den Natio- MATZ, H. (2011): Die Vegetationsentwick- MATZ, H. (2015): Der Plannerkessel in nalpark Gesäuse. Juwele der Natur I. – DA lung im Pürgschachenmoos bei Ardning den Wölzer Tauern. Eine nacheiszeitli- SCHAU HER 3/2004, Verein Schloss Trau- (Steiermark) nach Umsetzung des LIFE che Moorlandschaft. – DA SCHAU HER tenfels, 11–15. Natur Projektes 95. – Mitt. Naturwiss. Ver. 3/2015, Verein Schloss Trautenfels, Steiermark, 141: 63 - 80. 3–7. MATZ, H. (2004): Im und um den National- park Gesäuse. Juwele der Natur II. – DA MATZ, H. (2011): Das Oppenberger Moos. MATZ, H. (2015): Das Flecklmoos: ein viel- SCHAU HER 4/2004, Verein Schloss Trau- Ein interessanter Moorkomplex am Op- fältiger Moorkomplex im Öderntal (Totes tenfels, 11–15, 24. penberger Sattel. – DA SCHAU HER Gebirge, Steiermark). Joannea Botanik 12, 1/2011, Verein Schloss Trautenfels, 3–8. Graz, 69–92. MATZ, H. (2005): Heimische Bockkäfer. Lebensweise und Formenvielfalt der «An- MATZ, H. (2011): Naturschutz in der Dach- MATZ, H. (2016): Moore im Öderntal. – DA tilopen» unter den Käfern. – DA SCHAU stein-Tauern-Region. Eine kritische Be- SCHAU HER 2/2016, Verein Schloss Trau- HER 2/2005, Verein Schloss Trautenfels, trachtung. – DA SCHAU HER 3/2011, Ver- tenfels, 12–16. 10–14. ein Schloss Trautenfels, 14–18. MATZ, H. (2017): Staumäandermoore in MATZ, H. (2006): Ein neues Vorkommen MATZ, H. (2011): Das Vorkommen des den östlichen Schladminger Tauern. Joan- des Wasserschierlings (Cicuta virosa L., Schneiderieds (Cladium mariscus) im Wör- nea Botanik 14, Graz, 127–144. Apiaceae) im Ennstal nahe bei Admont. – schacher Moos, Bezirk Liezen, Steiermark. Joannea Botanik 5, Graz, 71–76. Joannea Botanik 9, Graz, 49–60. MATZ, H. (2017): Moorreiche Wildnis im Bräualmtal, Naturpark Sölktäler. – DA MATZ, H. (2006): Durch die Sölktäler. Auf MATZ, H. (2011): Die Pflanzenwelt am SCHAU HER 2/2017, Verein Schloss Trau- den Spuren der Reise Erzherzog Johanns Grimming. Ein kurzer Überblick. In: tenfels, 3–7. (1810) 1. – DA SCHAU HER 3/2006, Verein Schloss Trautenfels, Universalmuseum Jo- Schloss Trautenfels, 18–24. anneum (Hg.), Der Grimming. Monolith im MATZ, H. (2018): Naturschätze im Europa- Ennstal. – Alland 2011, 80-83. schutzgebiet Steirisches Dachsteinpla- MATZ, H. (2006): Durch die Sölktäler. Auf teau. Teil 1 – Das Steirische Dachstein- den Spuren der Reise Erzherzog Johanns MATZ, H. (2011): Die Moore am Fuße des plateau und seine Moorgebiete. – DA (1810). Teil 2: In der Großen Sölk. – DA Grimmings. In: Schloss Trautenfels, Uni- SCHAU HER 2/2018, Verein Schloss Trau- SCHAU HER 4/2006, Verein Schloss Trau- versalmuseum Joanneum (Hg.), Der Grim- tenfels, 23–27. tenfels, 32–36. ming. Monolith im Ennstal. – Alland 2011, 84-91. MATZ, H. (2018): Naturschätze im Euro- MATZ, H. (2007): Die Vorkommen von paschutzgebiet Steirisches Dachstein- Hierochloe s.lat. im Ennstal (Steiermark) MATZ, H. (2012): Das Orgelpositiv der Fi- plateau. Teil 2 – Naturnahe subalpine und ihre vegetationsökologische Charak- lialkirche St. Rupert zu Niederhofen. – DA Wälder im Kemetgebirge. – DA SCHAU teristik. – Mitt. naturwiss. Ver. Steiermark, SCHAU HER 1/2012, Verein Schloss Trau- HER 4/2018, Verein Schloss Trautenfels, 136: 175–186. tenfels, 17–21. 13–17.

15 HUBERT PRESSLINGER, CLEMENS EIBNER, HARALD HARMUTH UND CHRISTINA ATZENHOFER Keramikfunde Belege für den Beginn und die Entwicklung der Besiedelung im Bezirk Liezen

Einleitung Edelserpentin, welche die Menschen wie bereits erwähnt, Örtlichkeiten in „Seit wann ist unsere Heimat besie- bewogen, vor Ort sesshaft zu werden.3 der Nähe von Lagerstätten, Schmelz- delt?“, „Wie kann man eine Ansiedlung Archäologische Funde über Bergbau und plätzen und Schlackenhalden, weiters nachweisen?“, „Gab es Perioden einer Verarbeitung der bergmännisch gewon- bevorzugte Gebiete für geschützte starken Besiedelung?“, „Wie groß war nenen Rohprodukte werden daher in der Siedlungen, Wüstungen und geeignete die Bewohnerdichte?“, „Warum haben Nähe der Lagerstätten zu suchen sein. Plätze für die Landwirtschaft. Des Wei- sich die Menschen in unserer Heimat Verarbeitung z. B. von Kupfererzen setzt teren sind bevorzugte Fundplätze die überhaupt niedergelassen?“, „Welche bereits eine Arbeitsteilung voraus, d. h., historisch gewachsenen Handelskno- sozialen Strukturen gab es in den Sied- es gab bereits in den einzelnen Beru- tenpunkte und Alpenübergänge. Als lungen?“, „Gab es bereits eine Arbeits- fen Spezialisten wie den Bergmann, den ein Beispiel dafür ist St. Lorenzen im teilung, d. h. eine Industriegesellschaft?“ Hüttenmann, den Keramiker sowie die Paltental zu nennen. In St. Lorenzen im – diese und ähnliche Fragestellungen Personengruppen, die die genannten Paltental findet man Keramikbruchstü- kann man in einen Katalog aufnehmen, Spezialisten und deren Familien mit Le- cke im Ortskern bzw. auf den landwirt- den jeder für sich mit vielen weiteren bensmitteln versorgten. Das wiederum schaftlich genutzten Äckern rund um Fragen individuell ergänzen kann. Den- verlangte eine Gesellschaft mit einer den Ortskern, die von der Kupferzeit noch ist die Beantwortung der meisten sozialen, hierarchisch geregelten Struk- bis in die Jetztzeit durchgehend jede Fragen relativ einfach, wie anhand von tur, die mehrere Hundert Personen, also Kulturperiode mit ihrer eigenen ty- ausgewählten Beispielen in den folgen- eine oder mehrere Siedlungen lenkte, pischen Keramik als archäologische den Kapiteln gezeigt wird. bzw. die dafür verantwortlich war, diese Belege nachweisen.4,5,6,7 Menschen zu versorgen. Neben der „Klaubarchäologie“ (Fund- Nachweis von Siedlungen aufsammlung) führt die „Grabungsar- Der Grund, wieso sich vor allem im al- Wo gesiedelt wurde, gibt es zweifels- chäologie“ in einer Siedlung wie z. B. pinen, meist unwegsamen Gelände die ohne Keramikbruchstücke. Diese Kera- am Kaiserköpperl anhand der Kera- Bewohner bereits in der Ur- und Frühge- mikscherben sind die archäologischen mikfunde zu einer systematischen, schichte niedergelassen haben, waren Belege, um den in der Einleitung auf- nach den Kulturperioden strukturierten die begehrten Rohstoffe wie Kupfererz, gestellten Fragenkatalog im Einzelnen Beurteilung der Siedlungsaktivitäten Salz, Eisenerz, aber auch die Gold- und für jede Talschaft ohne Mühe leicht zu (siehe Tabelle „Siedlungsphasen am Silbererzlagerstätten.1,2 Nicht zu verges- beantworten. Zunächst aber: Wo und Kaiserköpperl“).8,9,10,11 Naturwissen- sen sind in der zu Ende gehenden Stein- wie findet man die Keramik? Bevorzug- schaftliche Untersuchungen der Kera- zeit die Lagerstätten von Feuerstein und te Orte von Keramikfundstellen sind, mikfunde bringen Erkenntnisse über die

1 Preßlinger, H.; Eibner, C.: Der Beginn der Metallzeiten im 7 Preßlinger, H.; Eibner, C.; Preßlinger, B.: Archäologische Bezirk Liezen – eine montanarchäologische Dokumentation. Funde aus der Spätantike – Belege für die Siedlungstätig- Kleine Schriften Schloss Trautenfels Universalmuseum keit in St. Lorenzen im Paltental. Da schau her 32 (2011), Joanneum, Trautenfels 2014, Heft 31. Heft 1; S. 14–16. 2 Preßlinger, H.; Köstler, H. J.: Bergbau und Hüttenwesen im 8 Eibner, C.; Preßlinger, H.: Eine befestigte Höhensiedlung Bezirk Liezen. Kleine Schriften Schloß Trautenfels am im Bereich des urzeitlichen Kupfererzbergbaugebiets in der Steiermärkischen Landesmuseum Joanneum 1993, Heft 24. Obersteiermark. In: Vorgeschichtliche Fundkarten der 3 Preßlinger, H.; Eibner, C.; Harmuth. H.: Das Kaiserköpperl Alpen, Hrsg.: v. Uslar, R.: Römisch-Germanische Forschun- als Mittler der Kulturen zwischen den Haupthimmelsrich- gen, Verlag v. Zabern, Mainz a. Rhein 1991, Band 48, tungen in der sogenannten Kupferzeit. Da schau her 37 S. 427–450. (2016) Heft 2; S. 17–21. 9 Preßlinger, H.; Eibner, C.: Montanarchäologie im Palten- 4 Preßlinger, H.; Klemm, S.; Eibner, C.: Keramik erzählt Orts- tal (Steiermark) – Bergbau, Verhüttung, Verarbeitung und geschichte – Ergebnisse einer wissenschaftlichen Bearbei- Siedlungstätigkeit in der Bronzezeit. Der Anschnitt (2004), tung von Keramikbruchstücken. Da schau her 22 (2001), Beiheft 17; S. 63–74. Heft 1; S. 6–9. 10 Preßlinger, H.; Eibner, C.: Bergbau, Verhüttung und Sied- 5 Klemm, S.; Preßlinger, H.: Lesefunde aus Urgeschichte, lungstätigkeit in der Bronzezeit im Paltental – bisher vorlie- Mittelalter und Neuzeit vom Forstgarten und weiteren gende Forschungsergebnisse. Da schau her 17 (1996), Heft 4; Fundstellen in St. Lorenzen im Paltental. Beiträge zur Mit- S. 8–13. telalterarchäologie in Österreich 18 (2002), S. 69 –104. 11 Preßlinger, H.; Eibner, C.; Günther-Preßlinger, B.: 6000 6 Hebert, B.; Hinker, Ch.: Ein Sigillatascherben aus St. Jahre Bergbau und Metallerzeugung im Enns- und Palten- Lorenzen bei Trieben – Überlegungen zur Römerzeit im tal – Zeugnisse der Metallverarbeitung in der urzeitlichen Paltental. Da schau her 24 (2003), Heft 4; S. 20. Siedlung Kaiserköpperl in Bärndorf. Da schau her 36 (2015), Heft 1; S. 12–16.

16 örtlich gewonnenen und aufbereiteten Nach der mikroskopischen Beurteilung Rohstoffe für die Keramikherstellung, erkennt man, dass einerseits für die über die Qualitätsstandards, das hand- Feinkeramik eine Magerung mit einer werkliche Können der Spezialisten sowie ganz bestimmten Korngröße vorgenom- über die Handelsbeziehungen und den men wurde und andererseits die aufbe- Kulturraum, wie beispielgebend in den reiteten, kantigen Körner gleichmäßig folgenden Kapiteln berichtet wird. über die ganze Probe eingearbeitet wurden. Die Grobkeramik besteht aus Naturwissenschaftliche Untersu- den Tonkomponenten (Schichtsilicate chungsergebnisse von Keramikpro- Bei den Erdarbeiten im Forstgarten in als Bindematrix) und den Magerungs- ben aus dem Paltental St. Lorenzen/OG Trieben wurden zahlrei- anteilen (Glimmer/Muskovit, Quarz, che Keramikscherben geborgen. Mit der Albit, Granat und Rutil). Man erkennt Fundaufsammlung im Forstgarten ist die Materialkundliche Untersuchungser- Besiedelung im Ortskern von St. Lorenzen im Gefüge die Verteilung der Körner, gebnisse von Gebrauchskeramikpro- ab der Keltenzeit belegt; die Funde werden die Korngröße und die Verdichtung des ben aus der Bronzezeit im Schloss Trautenfels aufbewahrt. Tones durch den Professionisten. Die Vorratsgefäße mit Durchmessern bis aufbereiteten, kantigen Magerungs- etwa 50 cm und Höhen bis zu 70 cm zenbach/OG Trieben der hohe Glüh- komponenten sind beinahe gleichmäßig werden vorwiegend als grobe Ware verlust von 10 bzw. über 10 Masse- über die Probenfläche verteilt eingear- getöpfert und als Grobkeramik ange- prozent. Dieser wird vor allem durch beitet. Die Dimension der Großkörner sprochen. Wegen der Schockresistenz noch vorhandenes Kristallwasser der ist zum Teil größer als 2 mm. und Hitzebeständigkeit werden zumeist Schichtsilikate im Ton hervorgerufen. Im Weiteren ist in den Schliffbildern auch die Kochtöpfe in dieser Machart Der hohe Glühverlust und das Vorhan- beider Keramiktypen eine relativ hohe hergestellt. Mit Ausnahme von Sonder- densein von organischen Substanzen Porosität aufgrund der beschränkten formen (Kultgerät) beschränkt sich die sowie von Mineralien wie Calcit und Verdichtung durch die händische feine Ware meist auf Trink- und Essge- Muskovit bedeuten, dass die Brenn- Formgebung festzustellen. Während schirr. Dabei wurde zur Unterscheidung temperatur der Keramik unterhalb von Grobkeramik üblicherweise in Spiral- zwischen Fein- und Grobkeramik im hier 700 °C lag – für heutige Gegebenheiten wulsttechnik geformt wird, lässt die gebrauchten Sinne eine visuelle Beur- ungewöhnlich niedrig – und die Brenn- blättrige Struktur der Feinkeramik teilung des Größtkorns an den Bruch- atmosphäre stark reduzierend war. erkennen, dass dies noch durch das flächen herangezogen.12,13,14,15,16 Die chemische Zusammensetzung der Schlagen mit einem Glättholz (und Schon die makroskopische Beurteilung, Gebrauchskeramikproben verdeutlicht, eventuell einem größeren Kiesel, vor allem der Bruchflächen, und die un- den man innen im Gefäß als Amboss dass die chemischen Analysen von SiO2, terschiedliche Färbung von rötlich bis hält) verdichtet wird. Dicht polierte Al2O3 und Fe2O3 in einem sehr engen grau und schwarz weisen auf einen un- Streubereich liegen, das heißt, dass Gefäßoberflächen, besonders beim terschiedlichen Sauerstoffpartialdruck für die Keramikherstellung ein tonhal- Trinkgeschirr, sind geschmacksneut- beim Brennprozess der Keramik hin. Fall- tiges Rohstoffgemenge von einer ganz ral wie Glas, diese Eigenschaft geht weise tritt insbesondere im Probenin- bestimmten Qualität hergestellt wurde beim Brennen über 1000 °C verloren. neren eine dunkle Färbung auf, die auf (siehe Tabelle „Zusammenstellung der Grobe Ware ist schwach wasserdurch- reduzierende Verhältnisse beim Brennen chemischen Analysenergebnisse“). lässig – durch Verdunstungskälte blei- hinweist. Dies wird auch durch das Vor- Ein weiteres Qualitätskriterium war die ben aber gelagerte Flüssigkeiten kühl. kommen von Graphit und von organi- Magerung der Schichtsilicate. Diese Kochgeschirr kann mit Milch, die im schen Bestandteilen (Pyrolyseprodukte) Magerung hat die Aufgabe, die Schwin- heißen Zustand darin geschwenkt wird in den Keramikproben bestätigt. Diese dung beim Trocknen und beim Brand zu und in den Poren karamellisiert, dicht Phasen sind gleichzeitig zumindest ein vermindern und dadurch eine beinahe gemacht werden. Grund für die reduzierende Atmosphäre, rissfreie Herstellung zu ermöglichen. Bezüglich der Herkunft der Rohstoffe insbesondere dann, wenn die Färbung Ihre Menge und Korngröße ist daher kann aufgrund der geologischen Bedin- im Inneren der Keramik schwarz und an vom Töpfer so zu bemessen, dass die gungen im Fundgebiet der Keramikpro- den Außenflächen rötlich ist. Ein anderer Verminderung der Schwindung ausrei- ben davon ausgegangen werden, dass Grund kann natürlich in der Befeuerung chend ist, trotzdem jedoch eine plasti- diese im näheren Umkreis der Verhüt- beim Brand selbst liegen. sche Formgebung mit der Hand möglich tungsanlagen gewonnen wurden. Da Interessant ist in den Keramikproben ist. Diese beiden Erfordernisse sind für den Bau der Verhüttungsanlagen vom Fundplatz Schlosser/KG Schwar- nicht gleichzeitig optimal einhaltbar. eine Unmenge an Lehm (Ton) benö-

12 Preßlinger, H.; Eibner, C.; Preßlinger, B.: Der mittelbronze- Feuerfestmaterialien und Keramik im Bronzezeitlichen zeitliche Industriestandort Schwarzenbach/OG Trieben. Da Hüttenbetrieb. BHM 145 (2000), Heft 5; S. 222–226. schau her 31 (2010), Heft 3; S. 21–23. 15 Eibner, C.: Die mittelbronzezeitliche Fundstelle „Schlosser“ 13 Preßlinger, H.; Eibner, C.; Harmuth, H.: Naturwissen- in Schwarzenbach, Stadtgemeinde Trieben. res montanar- schaftliche Untersuchungsergebnisse an Gebrauchs- um (2004), Heft 33; S. 27–30. keramikproben vom mittelbronzezeitlichen Arbeits- und 16 Preßlinger, H.; Eibner, C.; Preßlinger, B.: Archäologische Siedlungsplatz Schlosser/KG Schwarzenbach/OG Trieben. Belege der bronzezeitlichen Kupfererzverhüttung im Palten- BHM 156 (2011), Heft 1; S. 28–33. tal (Steiermark). res montanarum (2009), Heft 46; 14 Preßlinger, H.; Eibner, C.; Harmuth, H.; Leth, I.: Baustoffe, S. 35–45.

17 Mittelbronzezeitliche Keramikbruchstücke Römerzeitliche Keramikbruchstücke aus dem Mittelalterliche Keramikbruchstücke aus (Grobe Ware) mit Fingertupfenleiste vom Ortskern von St. Lorenzen im Paltental/OG dem Forstgarten Preßlinger/KG St. Loren- Fundplatz Schlosser/KG Schwarzenbach/ Trieben; rechts ein Terra Sigillata-Scherben zen/OG Trieben I Fotos: E. Reichenfelser OG Trieben tigt wurde, ist, wie aus dem Paltental der untersuchten frühlatènezeitlichen len Halskehle und mit einem T-förmig bekannt, eine Tonlagerstätte meist in Graphittonware gezeigt wird. verdickten, nach innen schräg einwärts unmittelbarer Nähe der Verhüttungs- gebogenem Rand modelliert. Die Leis- anlage anzutreffen. Die quarzreichen Materialkundliche Untersuchungs- te ist durch Einstiche gegliedert, die Magerungsbestandteile könnten einer- ergebnisse von Graphittonwaren mit einem an den Kanten gerundeten seits dem Schwemmsand eines dem aus der Latènezeit Holzspatel am Hals in S-Richtung und Verhüttungsplatz nahe gelegenen darunter in Z-Richtung eingedrückt Baches entstammen. Auch die in den Mikroskopische und röntgenmikro- wurde, wodurch der Eindruck eines Keramiken identifizierten Feldspäte analytische Untersuchung Zickzack-Bandes entsteht. und Glimmer sind aufgrund ihres Vor- Seit der Jungsteinzeit ist Graphit ver- Diese frühlatènezeitliche Graphittonsi- kommens in der Grauwackenzone ein schiedentlich zum Bemalen von Kera- tula vom Kaiserköpperl/KG Bärndorf/ Indiz dafür. Andererseits ist Quarz als mik verwendet worden, in unserem OG Rottenmann enthält sehr große Gangmaterial der Kupfererze in großen Gebiet besonders beliebt in der Hall- Mengen an Graphit. Dieser belegt Mengen vorhanden und fällt bei der stattzeit, wobei die kurzfristig oxidie- einen reduzierenden Brand, da unter Aufbereitung der Kupfererze als Se- rend gebrannte Oberfläche eine rötliche oxidierenden Bedingungen Graphit kundärprodukt an. Eine Zerkleinerung Farbe annimmt, die nicht total umge- ausbrennen und Poren bilden würde. der Sekundärprodukte in die benötigte wandelten (oxidierten) Graphitmalmus- Als zweite Hauptphase liegt Quarz in Korngröße für die Magerung des To- ter blieben dunkel mit einem silbrigen einer tonigen Matrix vor. Eine Übersicht nes ist daher wahrscheinlich. Man hat Schimmer, der an Metalloberflächen des Gefüges der Graphittonsitula vom daher für den jeweiligen Einsatz der erinnert. Interessant ist, dass Graphit- Kaiserköpperl ist in den Abbildungen Keramik (Feinkeramik, Grobkeramik, körnchen auch zur Magerung des Tones dargestellt. Die Graphitlamellen sind Industrie-/Feuerfestkeramik) die erfor- herangezogen wurden. Beliebt wird das in den Abbildungen gut erkennbar. Die derliche Qualität der Rohstoffe vor Ort in der Spätlatènezeit (Lat C und D), in beiden Phasen sind teilweise sehr stark hergestellt. Wegen der Vielzahl unter- der Drehscheibenware industriell im miteinander verwachsen. Mithilfe einer schiedlicher Rohstofflagerstätten in der Donauraum hergestellt wird. Haupt- Grauwackenzone konnte man rasch auf verarbeitungsgebiet war damals (wie andere Keramikqualitäten umsteigen, auch späterhin bis ins Spätmittelalter) wie im nächsten Kapitel am Beispiel Passau. Die in der Abbildung dargestellte Gra- phittonsitula vom Kaiserköpperl/KG Bärndorf/OG Rottenmann ist auf ei- ner langsam drehenden Töpferscheibe hergestellt worden. Die Situla wurde mit einem konischen Unterteil, mit ei- nem niedrigen gewölbten Bauch mit verzierter Leiste sowie mit einer schma-

Fotografische Darstellung der frühlatène- zeitlichen Graphittonware (Graphittonsitula) vom Kaiserköpperl/KG Bärndorf/OG Rotten- mann; Randdurchmesser außen ca. 19 cm, Mittelbronzezeitliche feine Ware vom Sied- Mittelbronzezeitliche grobe Ware vom Sied- innen 17 cm, Wandstärke durchschnittlich lungsplatz Schlosser/KG Schwarzenbach/ lungsplatz Schlosser/KG Schwarzenbach/ 7 mm, Bodendurchmesser ca. 7 cm, Höhe OG Trieben OG Trieben der Situla maximal 17 cm

18 Auflichtmikroskopische Aufnahme der Mage- rung einer feinen Ware vom Siedlungsplatz Schlosser/KG Schwarzenbach/OG Trieben

Rückstreuelektronenbild der Matrix der Auflichtmikroskopische Detaildarstellung frühlatènezeitlichen Graphittonware vom des Gefüges der frühlatènezeitlichen Kaiserköpperl/KG Bärndorf/OG Rotten- Graphittonware vom Kaiserköpperl/KG mann; Graphit (1), Alkalifeldspat (2), Plagi- Bärndorf/OG Rottenmann; Graphit (1), Quarz oklas (3), Quarz (4), Limonit (5), Rutil (6), (2), Rutil (3), Limonit (4) Auflichtmikroskopische Aufnahme der Mage- Tonsubstanz (7) rung einer groben Ware vom Siedlungsplatz Schlosser/KG Schwarzenbach/OG Trieben

energiedispersiven Röntgenanalyse konnten Graphit, Quarz, Feldspäte, Li- monit und Rutil in einer tonigen Matrix detektiert werden. Magnetit und Biotit konnten mithilfe der energiedispersi- ven Röntgenanalyse nicht festgestellt werden. Diese liegen wahrscheinlich feinst verteilt in der Matrix vor. In der Nähe des Fundortes Kaiserköp- perl gibt es zu beiden Seiten der Palten zahlreiche Graphitschiefervorkommen. Dieser Graphitschiefer (Graphit) ist Be- standteil der sogenannten Veitscher Decke, welche aus vier Schichten be- steht. Die unterste Schicht enthält Gra- phit und auch Magnesit. Die frühlatène- zeitliche Graphittonsitula vom Fundort Kaiserköpperl wurde aufgrund ihrer Phasenvergesellschaftung mit einem lokal vorkommenden Graphit(schiefer) als maßgebliche Rohstoffkomponente gefertigt. Die reichliche Verwendung von Gra- phit als Magerungsmittel im Palten- tal in der Frühlatènezeit – wohl unter Ausnutzung von graphitangereicherten Verwitterungslehmen in der Umgebung der Siedlungen – mit Konvergenzen zur Keramik bis Sopron (Ödenburg) in Ungarn17 belegt sogar die überregi- onale Bedeutung. Hängt das mit der Umstellung von der Kupferproduktion zur Erzeugung der ersten handelsfähi- gen Stahlbarren zusammen?

17 Zum Beispiel: Jerem, E.: An early Celtic pottery workshop in North Wes- tern Hungary. Some archaeologica and technological evidence. Oxford Journal of Archaeology 3, 1984, 57–80. Jerem, E.: Entwicklung und Charakter der eisenzeit- lichen Graphittonware. Mitteilungen der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für St. Lorenzen um 1920. Foto F. Fankhauser | Archiv Schloss Trautenfels, UMJ Ur- und Frühgeschichte 35, 1985, 65–75.

19 Resümee nes, die Magerung und der Brenngrad bestimmte Tonsorten gemagert wer- Fasst man die Erkenntnisse dieser Un- neben dem handwerklichen Können des den mussten, verfügten. Des Weiteren tersuchung an den mittelbronzezeitli- Töpfers die angewandten Qualitätskri- mussten die Experten der Bronzezeit chen Keramikproben vom Arbeitsplatz terien. In Summe ist daraus abzuleiten, ein Know-how besitzen, wie man einen „Schlosser“/KG Schwarzenbach/OG dass nicht nur in der Metallurgie, son- sogenannten Grubenbrand führt oder Trieben und die Ergebnisse der Kerami- dern auch bei den Keramiken, Feuer- wie man Öfen zum Brennen baut, um kuntersuchungen vom urnenfelderzeit- festmaterialien und Hüttenbaustoffen rissfreie Keramikprodukte unterschied- lichen Verhüttungsplatz „Versunkene ein technologisches Know-how vor Ort licher Qualität herzustellen. Es waren Kirche“/KG Schwarzenbach/OG Trie- vorhanden war. organisierte Arbeitsplätze – Bergbau, ben sowie von der „Grössingeralm“/KG Es gab daher Werkstätten, in denen Schmelzhütte, Keramikwerkstätte –, in Johnsbach/OG Admont18 zusammen, Spezialisten arbeiteten, die über Kennt- denen Spezialisten die Arbeiten öko- so sind bei der Keramikherstellung die nisse der Rohstoffbeschaffung und Zu- nomisch verrichteten. chemische Zusammensetzung des To- bereitung, d. h. in welchem Verhältnis

Siedlungsphasen am Kaiserköpperl/KG Bärndorf/OG Rottenmann, die Datierung erfolgte nach Keramikfunden

Siedlungsphasen Zeitstufe Jahresangabe (v. Chr.) Charakteristische Keramik

Kaiserköpperl I Kupferzeit ab ca. 4000 orangerote, quarzgemagerte Keramik und (Phase Lasinja) dunkelbraun reduziert gebrannte Feinware mit Einstichmustern; Fußgefäß und Becher

Kaiserköpperl II Kupferzeit vor 2000 Cham-Ware; Grobgefäße mit plastischen Leisten (Chamer Gruppe) und charakteristischer Zier

Kaiserköpperl III Frühe u. mittlere ca. 2000–ca. 1350 reduziert gebrannte Ware; teilweise Graphitton- Bronzezeit ware; Schalen und Großgefäße (BzA – C)

Kaiserköpperl IV Ältere ca. 1350–ca. 1100 braune, gut geglättete Ware; wenig Urnenfelderzeit Fundmaterial, darunter Doppelkoni (Bz D, Ha A)

Kaiserköpperl V Jüngere vor 800 Verzierung: Kanneluren, Riefen und Torsions- Urnenfelderzeit band-Abrollung (Ältere Befestigungsphase) (Ha B)

Kaiserköpperl VI Junghallstattzeit ca. 600–450 osthallstättische verzierte Schalen; westhall-

(Ha D1 – D2) stättische gerillte Schalen; grobe eiförmige Töpfe (Jüngere Befestigungsphase)

Kaiserköpperl VII Frühlatènezeit ca. 450–350 Graphitton-Situlen (Jüngere, unfertige Umbauphase)

(Lat A – B1)

Zusammenstellung der chemischen Analysenergebnisse der Fein- und Grob- keramik; Fundort: Schlosser/KG Schwarzenbach/OG Trieben; Angaben in Masse-%

Verbindung SiO2 Al2O3 Fe2O3 Keramik Feinkeramik 62–64 19–22 8–10 Grobkeramik 60–66 13–20 9–13

18 Preßlinger, H.; Eibner, C.: Montanarchäologie Johnsbach – ein Überblick über archäogeophysikalische, montanarchäologi- sche und archäometallurgische Untersuchungsergebnisse. res montanarum (2017), Heft 56; S. 33-49.

20 JULIA EDER

Alle nicht bezeichneten Fotos: Land schafft Leben Land schafft Leben Österreichischen Lebensmitteln auf der Spur

Der unabhängige und unpolitische Ver- Informationen sowie spannende Videos Wissen von Experten aus Landwirt- ein Land schafft Leben wurde 2014 vom bieten den Konsumenten die Möglich- schaft, Wissenschaft und Forschung Bergbauern Hannes Royer gemeinsam keit, die Produktionsbedingungen ös- zurück und beleuchtet die österreichi- mit seinen langjährigen Weggefährten terreichischer Lebensmittel entlang schen Lebensmittel nach verschiedens- Maria Fanninger und Mario Hütter in der gesamten Wertschöpfungskette ten Kriterien. Alle Aspekte rund um die Schladming gegründet und verfolgt nachzuvollziehen, persönlich relevante Lebensmittelherstellung werden reali- das Ziel, Bewusstsein für in Österreich gesundheitliche und ernährungsspezifi- tätsgetreu und neutral veranschaulicht. produzierte Lebensmittel zu schaffen. sche Themen zu hinterfragen und den Das Land schafft Leben-Team macht sich Transparent und ohne zu werten zeigt Wert heimischer Produkte zu erkennen. ein Bild vor Ort, besucht Bauern, Verar- Land schafft Leben auf der aufklärenden Land schafft Leben bildet eine Brücke beiter, Händler sowie Konsumenten, Webseite www.landschafftleben.at, über vom konventionellen Landwirt und führt Interviews und dokumentiert Emo- Facebook, WhatsApp, YouTube, News- Bio-Bauern über den Verarbeiter und tionen, Prozesse und Gespräche. Genau letter sowie mittels eines Blogs, durch den Handel hin zum Konsumenten. diese Bilder und Eindrücke bekommt der Vorträge und anhand von Medienko- Für die Recherche zu jedem einzelnen Konsument in Text- und Videoform „auf- operationen den Weg vom Bauern über in Österreich hergestellten Lebensmit- getischt“. Resultat ist die Land schafft die Verarbeitung bis hin zum fertigen tel – von Apfel über Huhn, Milch und Leben-Webseite, die das generierte Produkt. Realistische Bilder, nachvoll- Schwein bis hin zur Zwiebel – greift Wissen dem Konsumenten verständlich ziehbare und ausführlich aufbereitete Land schafft Leben auf umfangreiches und attraktiv aufbereitet nahebringt.

Recherchen zum Thema „Österreichischer Filmaufnahmen zum Thema „Der Weg des Auch das Antlassei von 1695 im Schloss Trauten- Salat“ Huhns“ fels war Teil der Recherchen I Foto: E. Reichenfelser

21 Land schafft Leben, die Art und Weise, bensmittel mitzutragen. „Land schafft wie Konsumenten aktiv werden können. Leben ermöglicht eine gesteigerte Wer- Die bereitgestellten Informationen zei- tigkeit österreichischer Lebensmittel, gen abseits von verklärter Bauernhof- von der alle Beteiligten, vom Bauern idylle und Skandalen die Realität rund über den Verarbeiter bis hin zum Le- um die österreichische Lebensmittel- bensmittelhandel und Konsumenten produktion. Kritische Themen, darunter profitieren: Produktion, Verarbeitung Kälberenthornung oder Pflanzenschutz, und Verkauf in Österreich, das sichert werden von allen Seiten beleuchtet und Arbeitsplätze, erhält die verarbeitende hinterfragt. Infrastruktur sowie die bäuerliche Land- Das Aufzeigen aller unterschiedlichen wirtschaft und das Landschaftsbild. Das Praktiken und Sichtweisen bietet dem garantiert hohe Standards und Lebens- Konsumenten die Möglichkeit, eine be- mittelqualität, bewahrt Tradition und wusste Kaufentscheidung zu treffen. gewährleistet Ernährungssouveränität“, „Der Konsument soll wissen, dass er unterstreicht Royer den Nutzen von mit der Entscheidung für ein Produkt Land schafft Leben. die Qualität und die gesamte Wertschöp- In seiner Rolle als Sprachrohr und Grün- fungskette von der Produktion beim der von Land schafft Leben sowie als Bauern über die Art der Verarbeitung Bauer, Unternehmer und Konsument Hannes Royer, Obmann von bis hin zur Präsentation im Lebens- steht Hannes Royer für genau jene Ver- Land schafft Leben mittelhandel mitbestimmt. Das wirkt netzung innerhalb der Lebensmittel- sich unter anderem auf Anbau- und branche und der Wertschöpfungskette, Der Nutzen für den Konsumenten be- Arbeitsbedingungen, Transportwege die verschiedenste Sichtweisen und steht darin, dass er anschauliche Infor- und Tierwohl aus. Der Konsument hat Erfahrungen vereint und die Basis für mationen sowohl in Text- und Bildform es in der Hand!“, erklärt Royer. transparente Konsumenteninformation als auch in Videos bekommt. Ohne zu Die Idee zu Land schafft Leben entstand, liefert. Zwölf Mitarbeiter recherchieren werten wird Transparenz geschaffen und als Hannes Royer 2012 neben seiner in enger Kooperation mit Experten und dem Konsumenten eine Orientierungs- Tätigkeit als Bergbauer die Regional- Vertretern aus der Praxis und berei- hilfe für bewusste Kaufentscheidungen marke „Heimatgold – Kostbares aus der ten den Wissenstransfer vor. Extern geboten. Region“ gründete, um im Zuge der Ski- beratend steht dem Vereinsvorstand Jeder Konsument kann aktiv die Zukunft WM Schladming bäuerliche Produkte ein Weisen-Rat mit Vertretern aus den der österreichischen Lebensmittel mit- anzubieten. Dabei stellte sich heraus, Bereichen Zukunftsforschung, Land- gestalten und bestimmen, was im Super- wie gering das Wissen der Konsumenten wirtschaft und Kommunikation aber marktregal angeboten wird oder auf der über Produktion und Verarbeitung von auch Konsumenten zur Seite. Partner Speisekarte steht. Doch kaum jeman- Lebensmitteln ist. Dass Verbraucher ihre aus Landwirtschaft, Wissenschaft und dem ist dies bewusst. Mit jeder Kaufent- Kaufentscheidungen primär über den Forschung sowie Repräsentanten von scheidung wird ein Produktionsauftrag Preis treffen, gab den Anstoß, etwas zu Ministerien, Interessenvertretungen und an ein Land oder einen Produzenten bewegen. Mit der Vision, Bewusstsein Verbänden stehen als Ansprechpartner erteilt. Bewusstsein dafür zu schaffen für den Wert österreichischer Lebens- zur Verfügung und liefern wertvolle In- und aufzuzeigen, wie bedeutend die mittel zu schaffen, mit allen relevan- formationen. Sicherung des Produktionsstandorts ten Akteuren zu interagieren und die Land schafft Leben bildet die Realität ab, Österreich und der Fortbestand der breite Öffentlichkeit über Herstellung wertet nicht, bündelt unterschiedliche heimischen Landwirtschaft ist, ist die und Qualität unabhängig und neutral Sichtweisen, bereitet diese konsumen- Aufgabe von Land schafft Leben. Dafür zu informieren, gelang es, Vertreter des tenfreundlich auf, stellt sie nebenein- holt das Team rund um Obmann Hannes österreichischen Lebensmittelhandels ander dar, ist unabhängig und vertritt Royer österreichische Lebensmittel vor sowie verschiedenste Produzenten und keine Interessen. Land schafft Leben den Vorhang und klärt auf, wie sie pro- Verarbeiter für eine Kooperation zu ge- ist erster Ansprechpartner rund um duziert werden, wer dahinter steht, was winnen. österreichische Lebensmittel und ihre in ihnen steckt und welche Wirkung sie Derzeit 54 Unternehmen, denen ös- Produktionsbedingungen. Durch das auf unseren Körper haben. terreichische Lebensmittel am Herzen Einbeziehen der verschiedensten Betei- „Die Themen, die mich besonders in- liegen – darunter Verarbeiter und Erzeu- ligten liefert Land schafft Leben einen teressieren, kann ich bis ins Detail auf gergemeinschaften, ein Landmaschinen- noch nie dagewesenen ganzheitlichen www.landschafftleben.at nachlesen. hersteller sowie Lebensmittelhändler Blick auf Österreichs Lebensmittel und Ich habe die Möglichkeit, in die Tiefe zu – unterstützen Land schafft Leben finan- dient den Konsumenten und Medienver- gehen. Es wird nichts ausgelassen, auch ziell als Förderer. „Gerade die Unabhän- tretern als neutrale Informationsquelle. umstrittene Themen werden abgebildet. gigkeit des Vereins als oberste Priorität Und über diese kritischen Aspekte kann sowie unser ganzheitlicher Ansatz sind ich mit anderen Konsumenten und dem es, die unsere Förderer für Land schafft Land schafft Leben-Team am Blog und Leben begeistern“, beschreibt Royer über Facebook diskutieren“, beschreibt deren Motivation, den Verein im Sinne Hannes Royer, Obmann des Vereins des Stellenwerts österreichischer Le-

22 WOLFGANG OTTE NEUERSCHEINUNGEN

DIETER VÖRÖS der Oppenberger Kirche in Auftrag ge- summierten sie alle unter dem Begriff Die Wallfahrtskirche Mariä Geburt geben hatte. Displaced Persons (DP´s) und kümmerten in Oppenberg. sich gemeinsam mit unterschiedlichen Eigenverlag. Oppenberg 2018. 14,3 x 19,8 Hilfsorganisationen um ihre Versorgung. cm. 28 S. Mit 45 Farb- und 4 SW-Abbil- Tausende dieser jüdischen DP´s kamen dungen. € 5,– auch in die Steiermark und wurden Erhältlich im Privatverkauf bei Dieter hier in mehreren Lagern – das größte Vörös, Oppenberg 45 (Mesnerhaus); in Admont – zwischen 1946 und 1949 [email protected] betreut, ehe viele von ihnen auf Grund Kirchenführer der Oppenberger Pfarr- der Veränderungen der weltpolitischen und Wallfahrtskirche „Mariä Geburt“, Lage ihre Weiterreise antreten konnten. eine Zeitreise beginnend mit dem Bau einer romanischen Kapelle um 1170 GERALD UNTERBERGER und deren Ausstattung, über die goti- Die Gottheit und der Stier. Der Stier sche Ausgestaltung bis in die Zeit des in Mythos, Märchen, Kult und Brauch- Barock. Die kompakte Broschüre schließt tum. Beiträge zur Religionswissen- mit einer Bestandsaufnahme von 1964 schaft und vergleichenden Mythen- und der umfangreichen Renovierung in forschung den Jahren 1983/84. Praesens Verlag. Wien 2018. 19 x 26 cm. 439 S. Mit 122 Abbildungen. € 52,--, ISBN 978-3-7069-1005-7. Erhältlich im Buchhandel und beim Autor, [email protected] HERIBERT MACHER-KROISEN- Die vorliegende Publikation beinhaltet BRUNNER sechs ausgewählte, kulturgeschicht- We hope to go to Palestine. liche Beiträge aus dem Bereich der Das jüdische DP-Lager Admont vergleichenden Religions- und Mythen- 1946-1949 forschung: Der indogermanische Was- CLIO. Graz 2018. 17 x 22,5 cm. 175 S. serstier, der keltische Dreihorn-Stier, Mit 60 SW-Abbildungen. € 22,--, ISBN Schiffswelten in Altsardinien, Stierfurkel 978-3-902542-63-2. und Grössing, Restaurieren und Restau- Erhältlich im Buchhandel und beim Verein ration, Blauer Stier und Ochsenbaum. Vor CLIO, [email protected] allem die Überlegungen zur kosmologi- Nach Ende des Zweiten Weltkrieges schen Bedeutung des Viehschmucks bei waren viele Jüdinnen und Juden, die die der Heimfahrt von der Alm dürfte bei den nationalsozialistische Vernichtungspoli- Leserinnen und Lesern unserer Region tik überlebt hatten, auf der Suche nach auf besonderes Interesse stoßen. einer neuen Heimat. Die Alliierten sub-

DIETER VÖRÖS Der Dreikönigsschrein von Erasmus Grasser in der Wallfahrtskirche Oppenberg. Eigenverlag. Oppenberg 2018. 14,3 x 20 cm. 24 S. Mit 38 Farbabbildungen. € 5,–Erhält- lich im Privatverkauf bei Dieter Vörös, Oppenberg 45 (Mesnerhaus); dieter. [email protected] Der kleine Führer zum Dreikönigsschrein von Erasmus Grasser erzählt von der Geschichte und der kunsthistorischen Bedeutung dieses spätgotischen Meis- terwerks. Ganz besonders sei darauf hingewiesen, dass Kaiser Maximilian I., dessen Todestag sich heuer am 12. Ja- nuar zum fünfhundertsten Mal jährte, 1502 diesen Altar für den neuen Chor

23 Rückblick Einblick Ausblick Veranstaltungsreihe im Rahmen der Sonderausstellung „Gott und die Welt. Woran glauben wir?“

Im Jahr 2018 führten wir zur Erweiterung der Themenbereiche der Ausstellung und zur Vertiefung des Wissens eine Veranstaltungsreihe mit Exkursionen und Vorträgen durch. Die in der Sonderausstellung interdis- ziplinär aufbereiteten Themen machten Führung im Rahmen des Themas „Im Dialog mit den Göttern“ mit Daniel Modl und Karl Peitler wissenschaftlich international aner- I Foto: K. Krenn kannte Expertinnen und Experten im Rahmen von Vorträgen, Führungen und Exkursionen erfahrbar und erlebbar. So wurden unter anderem die kontrover- siellen Fragen aufgegriffen, inwieweit Schöpfung und Evolution in Einklang zu bringen sind oder warum Fossilien, die einzigen realhistorischen Belege für die Stammesgeschichte, als Doku- mente für die Evolution auch Quellen für Mythologie und Aberglauben sind. Die Hintergründe bronzezeitlicher De- potniederlegungen wurden von archäo- logischer Seite beleuchtet. Die Vermittlung von „Glaubenswissen“ machte unter anderem bewusst, dass Migration, Religion und Integration in Kombination mit der Mobilität des 21. Exkursion „Die Erde von oben“ mit Kurt Stüwe und Ingomar Fritz | Foto: K. Krenn Jahrhunderts in einem vielschichtigen und komplexen Zusammenhang stehen.

Die Veranstaltungsreihe wurde als Klein- projekt der LEADER-REGION Ennstal Ausseerland gefördert, wobei der Verein Schloss Trautenfels als Projektträger fungiert hat. Die sehr gut besuchte Veranstaltungs- reihe steht einmal mehr für die Synergi- en zwischen dem Museum, dem Verein Schloss Trautenfels sowie Partnerinnen und Partnern aus der Region.

Wir freuen uns immer wieder über interessante Bei- träge aus den Bereichen Kultur und Natur im Bezirk Liezen und angrenzenden Gebieten. LEADER Pressekonferenz am 26.11.2018 mit Obmann Albert Holzinger, Geschäftsführerin Nehmen Sie bitte mit uns Kontakt auf oder senden Barbara Schiefer, Brigitte Schierhuber und Projektverantwortlichen I Foto: M. Huber Sie Ihren Bericht an den Verein Schloss Trauten- fels, Email: [email protected], oder direkt an Wolfgang Otte, Email: [email protected]. Die Berichte sollten einen Umfang von vier A4-Sei- ten Text inklusive Fotos nicht überschreiten.

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