Salatgarten 2/2019 Salatgarten hfg ■ ■ ■ ■ ■ In diesemHeftlesenSieu.a.:

für SašaStanišić derStadtNeumünsterHans-Fallada-Preis der Rechtsextremen Roben –Fallada undzwei Staranwälte Braune Hemdenunterschwarzen Eine Jubiläumstagungfeierte Karl May mein geheimesIdol“. sahhochunderkannteihn, „Ich Der eiserneGustavalsFernsehserie 1979 Eine guteGeschichteleiderverschenkt. Jenny Williams – anlässlichderNeueditionvon Der eiserneGustavspanntwiederan HANS-FALLADA-GESELLSCHAFT HANS-FALLADA-GESELLSCHAFT

2 2019 .V. e Meine Damen sind befriedig- ter von dem Manuskript [i. e. Der eiserne Gustav] als ich, freilich rügt Frau Bakonyi leise mangeln- de vaterländische Begeisterung bei Kriegsausbruch, und Suse scheint überraschend wenig masochistische Neigungen zu haben. Ihr wird immer ungemüt- lich bei diesem Mädchen, wie sie meint. Nun, so was ist bei uns ol- len Lüstlingen natürlich anders, das werden wir ja sehen.

Rudolf Ditzen an Ernst Rowohlt, 6.2.1938 hfg INTERN ■

Inhalt Halbjahresschrift der Hans-Fallada-Gesellschaft e. V., Feldberg Heft 2/2019, 28. Jahrgang

2 Editorial 29 Ulrich Fischer ■ VON UNSEREN PARTNERN Braune Hemden unter 3 Lutz Dettmann 54 Liane Römer schwarzen Roben – Fallada Kennen Sie auch Fallada bei LISTA und zwei Staranwälte dieses Gefühl … 55 Udo Haedicke der Rechtsextremen Fallada en miniature 35 Ulrich Fischer ■ 57 Christian Winterstein hfg INTERN Fallada und sein schrift- Neues zur Ausstellung 4 Patricia Fritsch-Lange stellernder Anwalt Dr. Carl Otto und Elise Hampel – Abschied vom Vorsitz Haensel – auch ein Staranwalt Karte bitte wandern lassen! 5 Edzard Gall 38 Anja Röhl Laudatio auf die Vorsitzende Hans Fallada im ■ 7 Johanna Wildenauer Hans Otto Theater DIE 29. Zwischen Dokument HANS-FALLADA-TAGE und Fiktion: das 59 Ein Rückblick ■ LITERATUR UND Fallada-Jahrbuch Nr. 8 LITERARISCHES LEBEN ■ 7 Werner Sagner 40 Lutz Hagestedt WEITERE RUBRIKEN Ode an die Soße „Ich sah hoch und erkannte 71 Wiese ihn, mein geheimes Idol“. (u. a. mit Beiträgen von 8 Lutz Dettmann Jörn Bier, Doris Haupt, In memoriam Gerhard Kobert Eine Jubiläumstagung feierte Karl May Lutz Dettmann) 9 Heide Hampel 77 Über die Beiträger In memoriam Erika Annas 43 Sibylle Oberheide Hans-Fallada-Preis der Stadt 78 Impressum Neumünster für Saša Stanišić ■ HANS-FALLADA-HAUS 45 Erika Becker CARWITZ „Das Brieflein hat sich mäch- 10 Stefan Knüppel tig ausgewachsen“. Brigitte Neues aus dem Museumsladen Reimann im Briefwechsel 11 Yasmina Deutschkämer und mit ihren Geschwistern Julia Sophie Schmitz 47 Wolfgang Behr … schon wieder ein Jahr vor- Urnenumbettung über! … Und willkommen … zurück nach Burg 48 Lutz Hagestedt ■ NEUES ZU FALLADA „Der Mensch stirbt nicht.“ 13 Gustav Frank Nachruf auf den Schrift- Der eiserne Gustav spannt steller Ernst Augustin wieder an – anlässlich der Neu- edition von Jenny Williams 48 Liane Römer Zum 200. Jubiläums- 19 Sabine Koburger jahr Theodor Fontanes Ideologie kontra Wahrhaftig- Salatgarten – das war für eine keit – die Romanbearbeitung 51 Sibylle Oberheide kurze Zeit Hans Falladas Arbeits- des Blüchert Verlags von 1958 Buchtipp: Theodor Fontane titel für seinen Roman „Wir hatten Unwiederbringlich 23 Michael Töteberg mal ein Kind“, der aus vielen Eine gute Geschichte leider 53 Aus der verschiedenen Blüten und Blät- verschenkt. Der eiserne Gustav Berliner Tageszeitung 1931 tern, aus den unterschiedlichsten Fontane-Silbenrätsel als Fernsehserie 1979 Gewächsen bestehen sollte. 27 Pressestimmen von 1938/39

SALATGARTEN 2/2019 1 ■ EDITORIAL

Liebe Leserinnen und Leser,

„O Emil! O Jannings! Du warst ein Seiten sind zum überwiegenden Lebzeiten schon gegeben. Lutz Dukatenscheißer, aber jetzt ist Teil ‚allerbester Fallada‘.“ Hagestedt wirft Schlaglichter auf mir richtig beschissen zumute, Was ist das „Anständige“ in der die Jubiläumstagung der Gesell- und beschissen ist beschissen, ob „Gesinnung“? Nach 1945 dauerte schaft vom 3. bis 6. Oktober in mit Schweiß oder Dukaten.“ Das es dreizehn Jahre, ehe der Blüchert Mainz, die mit ihrem Kongress schrieb Fallada am 5. Dezember Verlag den Eisernen Gustav, aller- den Vater Winnetous feierte. Und 1937 an seine Schwester Elisabeth. dings in einer bearbeiteten Fas- auch mit Fontane verbindet Falla- Tatsächlich brachte ihm der sung und ohne den sogenannten da mehr als nur die Majuskel F. Das Der eiserne Gustav, an dem er zwi- „Nazi-Schwanz“, neu herausbrach- gemeinsame Dritte beider Auto- schen November 1937 und Feb- te. Und auch Günter Caspar nahm ren: Sie galten, wie auch May, zeit- ruar 1938 arbeitete, viel Geld ein, Eingriffe vor, damit das Buch 1962 weilig „nur“ als Volksschriftsteller, aber sein Verhältnis zu dem Werk in der DDR erscheinen konnte. und sie erfreuen sich bis heute blieb aus vielerlei Gründen immer Nun hat Aufbau im Herbst diesen einer großen Lesergemeinde. Mit zwiespältig. Einer der Gründe war, Jahres eine Neuausgabe gewagt, der Eislaufszene in Wir hatten mal dass die Romanhandlung schon die, so Herausgeberin Jenny Wil- ein Kind stellt sich Fallada in Fonta- 1928 mit der Fahrt des Droschken- liams, „von allen nachträglichen nes Tradition, auch deshalb stellen kutschers enden sollte – „was an Eingriffen befreit“ sei und dem ur- wir Ihnen den Roman Unwieder- sich der richtige Schluss wäre“ (so sprünglichen Entwurf so nahe wie bringlich vor. Fallada an Rowohlt, 12. November möglich komme. Mitherausge- Das Weihnachtsfest 1938 dürfte 1937). Damit konnte sich Fallada ber des Hans-Fallada-Handbuchs für Fallada ein trauriges gewesen gegenüber der Filmgesellschaft Gustav Frank beschäftigt sich in sein. Sein Verleger, Freund und TOBIS MAGNA bekanntlich nicht seinem Beitrag Der eiserne Gustav Beschützer Ernst Rowohlt hatte durchsetzen, und insbesondere spannt wieder an – anlässlich der am 19. November Deutschland der unter dem Druck der Personen Neuedition von Jenny Williams mit verlassen. Zum Jahreswechsel er- und Ereignisse nachträglich ver- eben dieser Neuausgabe. Der am- reichte Fallada eine Karte aus fasste Romanschluss, jetzt mit dem bitionierte Versuch des Aufbau Ascona, Casa Pascolada: „Liebes Stichjahr 1933, spaltet bis heute die Verlages war es auch, der uns in- Väterchen! Ihnen und der ganzen Gemüter. Fallada selbst plagte das spirierte, den Eisernen Gustav zum Familie alles, alles Gute für das Jahr Gewissen, doch Verleger Rowohlt Themenschwerpunkt des Salatgar- 1939 von Ihren Rowohlts. P. S. Wir und Lektor Friedo Lampe suchten tens zu machen. Die Qualität des bleiben hier noch bei den Schwie- ihn in ihrem Brief vom 21. Sep- Romans lässt es zu, denn, wie Theo- gereltern den ganzen Januar!“ Erst tember 1938 zu beschwichtigen: dor Heuss einmal sagte: „Qualität Weihnachten 1941 kehrte Rowohlt „Zunächst möchten wir einmal ist das Anständige.“ – nunmehr aus Brasilien – wieder feststellen, dass wir alle der Auffas- Gleich zwei Jubiläen fordern nach Deutschland zurück. sung sind, dass man Ihnen unter Aufmerksamkeit: 50 Jahre Karl- Im Namen des Redaktionsteams gar keinen Umständen vorwerfen May-Gesellschaft und der 200. Ge- wünsche ich Ihnen ein frohes Fest kann, Sie wären den national-sozi- burtstag Theodor Fontanes am und ein glückliches, gesundes und alistischen Ideen irgendwie in auf- 30. Dezember. In Falladas um- friedliches neues Jahr! dringlicher Weise nachgelaufen. fangreicher Bibliothek standen Hier ist er also, der Salatgarten […] Anständiger in der Gesinnung alle 65 Karl-May-Bände, mehrfach 2/2019. Möge er Sie erfreuen! und in allem, wie Sie die Aufgabe gelesen. Womöglich wäre Fallada gelöst haben, könnte sie niemand Mitglied der Karl-May-Gesellschaft Ihre Salatgärtnerin lösen, und auch die neuen Schluss- geworden, hätte es diese zu seinen Sabine Koburger

2 SALATGARTEN 2/2019 KOLUMNE ■

Kennen sie auch dieses Gefühl,

wenn Sie mit dem Auto zu den Das Eichhörnchen, welches den Hans-Fallada-Tagen aus Feldberg auf der Bank sitzenden Mann be- kommend den Kreisel an der al- trachtet, der sich für einige Minu- ten Mühle am Dorfeingang pas- ten Zeit genommen hat und die sieren? – Ein Gefühl der Vertraut- Ruhe des Alten Friedhofs in Schwe- heit, der Entschleunigung erfüllt rin sucht, gehört ebenso dazu wie mich, das noch durch das Rattern das Brummen eines Transforma- der Reifen auf dem Kopfsteinpflas- tors, der seit Kinderzeiten hinter ter der Dorfstraße verstärkt wird. der Mauer einer Werkstatt in einer Ich bin wieder da, ein Jahr ist ver- Kleinstadtstraße, in der meine gangen, ich werde Bekannte und Großeltern lebten, bei denen ich Menschen, die durch diese Tage zu viele Jahre, oft mit Cousinen und Freunden geworden sind, treffen. Cousins, meine Kinderferien ver- Gute Gespräche, lange Abende, die brachte. Die Straße ist so klein ge- doch zu schnell vergehen. So geht worden, die Häuser und das Kopf- es meiner Frau und mir, wenn wir steinpflaster sind geblieben, die die Carwitzer Dorfstraße unter den Gerüche der Braten, die aus den Rädern spüren, den tiefen Hang geöffneten Fenstern der sonntäg- zum See auf der linken Seite sehen. lichen Häuser ziehen. Eine schma- Meist kommen wir aus Estland, le Straße nur, voller Ruhe, die mir von unseren Freunden. Die Car- Erinnerungen zeigt und Kraft gibt. witzer Tage sind Abschluss unseres Das Haus der Großeltern, ein typi- Urlaubs. sches Ackerbürgerhaus, doch für Vertraute Orte in dieser schnell- mich noch heute ein besonderes lebigen Zeit werden für mich mit Haus. Seine Bewohner sind heute zunehmendem Alter immer wich- andere, die Straße ist dieselbe. Es tiger. Orte des Besinnens, des Aus- wird immer die Straße der Kind- atmens, des Sich Findens. Immer heit bleiben. mehr entdecke ich diese Orte erst Besondere Orte können Kraft jetzt bewusst, obwohl ich sie schon und Ruhe geben – Zeit nehmen, so lange kenne. Der Hang des verweilen … Hauptmannsbergs zum Carwitzer See, an Sommertagen von Nack- Lutz Dettmann ten und anderen Badewilligen be- völkert, ist in den Morgenstunden, wenn wir dort baden gehen, so ganz anders. Menscheneinsam- keit, nur ein Entenpärchen steigt kurz schimpfend über die damp- fende Wasserlinie des Sees auf. Dann wieder Ruhe. Kurze Minuten, die Kraft für den Alltag schenken.

SALATGARTEN 2/2019 3 ■ hfg INTERN

Liebe Mitglieder der Hans-Fallada-Gesellschaft,

auf der Mitgliederversammlung und richtig schöne Erfolge erlebt, am 20. Juli 2019 habe ich zum der größte ist wohl unser wunder- 14. und letzten Mal als Vorsitzen- volles Museum mit seinem viel- de den Rechenschaftsbericht des seitigen Angebot, aber auch unser Vorstandes vorgetragen, denn ich Beitrag dazu, dass Fallada bis heu- habe nicht erneut für dieses Amt te ein sehr „lebendiger“ Schriftstel- kandidiert. ler und sein Werk vielen Menschen Mir hat die Aufgabe 14 Jahre ein Begriff ist. lang ganz überwiegend sehr viel Es war mir eine große Ehre, Freude bereitet, und sie hat mein 14 Jahre lang Vorsitzende dieser Leben sehr bereichert. In den Gesellschaft gewesen zu sein. Ich schwierigen Situationen, die es habe mit Fallada viel erleben, viel Patricia Fritsch-Lange zweifelsohne auch gab, wusste ich lernen und viele interessante Be- Foto: Wolfgang Behr meinen Vorstand stets hinter mir. gegnungen genießen dürfen. es tun, ist selbstverständlich eben- Dass ich dennoch auf die erneu- Und ohne in den Verdacht der so das Werk der beiden Museums- te Vorsitzkandidatur verzichtet Selbstgefälligkeit zu geraten, darf leiter und ihrer Mitarbeiterinnen habe, hat rein persönliche Gründe: ich wohl sagen: die hfg steht gut und Mitarbeiter. Ohne Herzblut Ich habe meinen Beruf gewechselt da! Die Mitgliederzahl steigt be- und Anpackermentalität geht und dort Fuß zu fassen erfordert ständig, die Mitgliederstruktur ist auch hier nichts. Und auch nicht sehr viel von meiner Zeit, Kraft und ausgewogen und auch außerhalb ohne eine wirklich enge und ver- Aufmerksamkeit, so dass für die des Vorstandes engagieren sich trauensvolle Zusammenarbeit mit Hans-Fallada-Gesellschaft auf län- viele Mitglieder für Fallada. Die Fi- der Museumsleitung. Stefan Knüp- gere Sicht nicht genügend davon nanzen sind solide, wir werden von pel und ich haben im Abstand von übrig bleibt, um das Amt der Vor- unseren Partnern in den Institutio- wenigen Monaten unsere Ämter sitzenden so auszuüben, wie ich es nen und Interessenvertretungen übernommen, er als Angestellter, machen möchte. in der Region und darüber hinaus ich als Vorsitzende und damit sei- Als gewählte Beisitzerin wer- geschätzt, und das Museum zählt ne Vorgesetzte. Ich bin froh und de ich aber gerne auch zukünftig zu den Glanzpunkten der Region. dankbar, dass wir vom ersten Tag meine Erfahrung und meine Ideen Ich bin stolz darauf, meinen Bei- an einen sehr guten Draht zuein- einbringen. Denn die organische trag zu diesem Zustand geleistet ander hatten und in den folgenden Entwicklung der hfg mit einer ge- zu haben, betone aber: es ist das Jahren aneinander und miteinan- sunden Mischung aus Bewährtem Werk aller Vorstände seit 1991 – der wachsen konnten. und Neuem war und ist mir ein und hier beziehe ich ausdrücklich Meine Aufgabe als Vorsitzende Herzensanliegen. auch die Vorstands-Assistenz mit habe ich vor allem darin gesehen, Ich bedanke mich bei meinen ein, die für reibungslose Abläufe das Terrain zu kultivieren, auf Mit-Vorständlern – den aktiven und professionelle Organisation dem tragfähige Ideen gedeihen und den ehemaligen. Wir waren des Vereins sorgt. Ohne sie wäre und individuelle Stärken zum Tra- immer eine – salopp gesagt – „tolle die hfg bei unserer Größe und der gen kommen. Mit dem Ziel, das, Truppe“, in der sich jede und jeder Vielzahl und Vielfalt unserer Akti- was auf diesem Terrain wächst, zu nach Zeit und Kraft eingebracht, vitäten schon längst nicht mehr zu einem Strang zu flechten, an dem konstruktiv Ideen entwickelt und managen. Und da die hfg bestän- alle gerne ziehen – um halbwegs umgesetzt und ohne persönliche dig weiterwächst, steht aus meiner im Bild zu bleiben. An Ideen war Ambitionen für die gemeinsame Sicht früher oder später eine Ver- nie ein Mangel, und so konnte ich Sache gearbeitet hat. Wir haben stärkung dieser Position an. mich zumeist auf das Motivieren, zusammen sehr viel Freude gehabt Dass wir so gut dastehen wie wir Begleiten und Koordinieren kon-

4 SALATGARTEN 2/2019 hfg INTERN ■

zentrieren. Und nötigenfalls das die wir nicht oder wenig beeinflus- mit allen meinen hoch geschätz- Umsetzen auch schwieriger Ent- sen können, spielen dabei mit: die ten Kolleginnen und Kollegen, scheidungen auf mich nehmen. wirtschaftliche und touristische Freundinnen und Freunden in der Wie sagte einmal eine Vorstands- Entwicklung der Region, kulturpo- hfg und im Museum zusammen kollegin zu mir: „Wenn Du Chefin litische Rahmenbedingungen, de- für Fallada zu arbeiten. Ich freue bist, kannst Du nicht erwarten, mographische Aspekte und selbst mich auf die kommenden Jahre von allen geliebt zu werden.“ Wie der Klimawandel wirken in unsere mit den bewährten und den neuen wahr. Eigene Projekte, Hinter- Arbeit hinein. Unsere Aufgabe war Kräften. grundarbeit, Tagesgeschäft und und ist es, uns den Entwicklungen natürlich auch Repräsentations- zu stellen, sie im Rahmen des Mög- Patricia Fritsch-Lange aufgaben kamen hinzu. lichen mitzubestimmen und soli- Gründungsmitglied der hfg / Bei allem Stolz ist uns, dem Vor- de und selbstbewusst unsere Ideen Mitglied des Vorstands seit 1997 / stand, doch bewusst, dass der jet- zu verfolgen. Vorsitzende von 2005 – 2019 zige gute Zustand nicht für die Zu- In diesem Sinne: es war und ist kunft garantiert ist. Viele Faktoren, für mich eine große Bereicherung,

Dankesrede an Patricia Fritsch-Lange

EDZARD GALL den Weg zu uns fanden. Das Nach- Liebe Patricia, mit viel Geschick, wuchsproblem, das viele literari- Umsicht und einem bewunderns- Liebe Fallada-Freunde, sche Gesellschaften und Vereine werten Stehvermögen hast du die gestatten Sie mir ein paar Worte plagt, kennt die Hans-Fallada-Ge- Gesellschaft auf Kurs gehalten. des Dankes an unsere scheidende sellschaft so nicht. Es ist dir und deinen Mitstrei- Vorsitzende. 2005 war aber auch ein Jahr, tern im Vorstand und der gesam- Patricia Fritsch-Lange gehört in dem es nicht immer leicht und ten hfg gelungen, das Ansehen zu den Gründern der Hans-Fal- auch angenehm war, an der Spit- der hfg auf Ebene der Kommunal-, lada-Gesellschaft 1991 und über- ze der Hans-Fallada-Gesellschaft der Landes- und Bundespolitik zu nahm schon 1997 Aufgaben als zu stehen. Die Gesellschaft musste mehren. Die Unterstützung und Vorstandsmitglied. So ist auch die sich damals gegen Angriffe von Wertschätzung durch die Ge- Entwicklung unserer Halbjahres- außen zur Wehr setzen. meinde, den Landkreis sowie zwei schrift Salatgarten mit ihrem Na- men verbunden. Was alles in den 14 Jahren unter der Führung und Verantwortung von Frau Fritsch-Lange passierte, möchte ich kurz mit einigen Zah- len und Ereignissen illustrieren. Als sie den Vorsitz 2005 von ih- rem Vorgänger Dr. Rainer Ortner – den ich an dieser Stelle herzlich grüßen möchte und ihm baldige Genesung wünsche – übernahm, bestand die Hans-Fallada-Gesell- schaft aus 147 Mitgliedern, heute sind es mehr als doppelt so viele, nämlich 304. Unbedingt erwähnt werden Edzard Gall übergibt einen signierten Originaldruck der Murkelei von Hans Ticha als muss, dass viele junge Menschen Dank der hfg an die scheidende Vorsitzende. Foto: Wolfgang Behr

SALATGARTEN 2/2019 5 ■ hfg INTERN

Einladungen in die Landesvertre- Es ist auch gelungen, getragen oder andere und immer gelunge- tung Mecklenburg-Vorpommern vom Anspruch der Hans-Fallada- ne Feuerwehraktion – Stichwort in der Bundeshauptstadt be- Gesellschaft, die wissenschaft- ‚Sturzmoderation‘! legen das eindrucksvoll. lichen Studien zu Falladas Leben Wir freuen uns, dass du nach 2006 wurde die Aufnahme und Werk zu fördern, drei hoch- deiner Amtszeit als Vorsitzende des Hans-Fallada-Museums in karätige wissenschaftliche Konfe- den Vorstand als Beisitzerin weiter das Blaubuch der Bundesrepu­ renzen in Carwitz zu veranstalten. unterstützen möchtest. blik Deutschland bestätigt. Dieses Hochkarätig bezieht sich hier auf Die Fallada-Gemeinde wünscht Buch enthält die Liste der kulturel- die Anzahl der renommierten Wis- dir alles Gute, vor allem Gesund- len Gedächtnisorte in den neuen senschaftler, die teilgenommen heit! Und aus besonderem Anlass Ländern, und die Aufnahme gilt haben, und der aus den Konferen- zukünftig mehr Glück beim Rad- als hohe Anerkennung und Aus- zen hervorgegangenen Publika- fahren! zeichnung. tionen. Und auch unser ‚Prunkstück‘, Der Hartmut-Vogel-Preis der das Museum, ist während deiner ALG, der Arbeitsgemeinschaft Li- Amtszeit attraktiver geworden; so terarischer Gesellschaften und hat das digitale Zeitalter in Form Gedenkstätten, den die Hans-Fal- moderner Medien Einzug gehal- lada-Gesellschaft 2008 verliehen ten, und auch eine weitere Re- bekam, bedeutete ebenfalls eine konstruktion der Originalität des Wertschätzung der Arbeit des Vor- Hauses der Familie Ditzen hat die stands und besonders seiner Vor- Besucherzahlen stetig ansteigen sitzenden. lassen. Erwähnt werden muss auch, Nicht vergessen werden dürfen dass Patricia Vorsitzende eines die jährlich stattfindenden Hans- Vereines war, der als Arbeitgeber Fallada-Tage, die seit neun Jahren fungiert, was eine besondere Ver- ausschließlich von der Hans-Falla- antwortung darstellt; sowohl nach da-Gesellschaft mit wesentlicher außen als auch nach innen. Unterstützung der Mitarbeiter des Liebe Patricia, liebe Fallada- Museums organisiert werden – ein Freunde, ich bitte um Nachsicht, Kraftakt, der jedes Mal erfolgreich sollte ich etwas Wesentliches ver- bestanden wurde. Abstriche hast gessen haben. du nie zugelassen, im Gegenteil, Ich bin mir sicher, dass alle hier es wurden und werden sogar mehr anwesenden Fallada-Freunde zu- Veranstaltungen angeboten. Und stimmen werden, dass wir unserer die Hans-Fallada-Tage sind nach langjährigen Vorsitzenden zu gro- wie vor ein Publikumsmagnet. ßem Dank verpflichtet sind. Unter deiner Führung ist es nicht nur gelungen, interessante Liebe Patricia, danke!! Für viele und abwechslungsreiche Ausstel- Jahre unermüdlichen Engage- lungen im Scheunensaal zu prä- ments, das in seiner Ausdauer und sentieren – ich erinnere gern an Uneigennützigkeit auch immer die Ausstellung über Falladas Ver- wieder Motivation für die Vor- wandtschaft Familienbilder und standskollegen war. Der Trinker sowie an die letzte Aus- Danke für viele konstruktive stellung Sonst nichts Neues, an der Diskussionen, freundschaftliche Patricia einen besonders großen Gespräche, manches Mal bis in die Anteil hat. Nacht hinein, danke für die eine

6 SALATGARTEN 2/2019 hfg INTERN ■

Zwischen Dokument und Fiktion

JOHANNA WILDENAUER Literarizität untersucht und in zeit- der Konferenzteilnehmer versam- genössische Diskurse eingebettet. melt sein werden. Gedankt sei an Das Fallada-Jahrbuch Nr. 8 befasst Im Spannungsfeld zwischen Fakt dieser Stelle schon einmal denen, sich mit Kriegserfahrungen und lite­ und Fiktion wurde ihre Rolle als die durch ihre engagierte Mit- rarischen Formen im 20. Jahrhun- Zeitzeugen ebenso hinterfragt wie arbeit zum Gelingen des Konfe- dert ihre Rezeptionsgeschichte und renzbandes beitragen oder beige- ihr Fortwirken bis in die heutige tragen haben. Dies umfasst neben Wie bereits im Salatgarten Zeit. Die Konferenz gab nicht nur den Referentinnen und Referenten (2/2018) berichtet, fand vom 18. bis einen facettenreichen Überblick insbesondere das allzeit fleißige 19. Juli 2018 in Carwitz die 7. Inter- über die aktuelle Forschung zum und motivierte Redaktionsteam, nationale Hans-Fallada-Konferenz Thema, sondern regte darüber den Steffen-Verlag sowie all jene, statt. In insgesamt 15 Vorträgen hinaus intensive Diskussionen an die beratend oder korrigierend wurden Dokumente des Krieges und wurde durch ein kulturelles daran mitwirken, dem Jahrbuch aus verschiedenen Perspektiven Abendprogramm abgerundet. zu seiner endgültigen Form zu analysiert. Dabei rückten Romane, Wer nun bedauert, die Teilnah- verhelfen. Alle Interessierten sind Sonette, Feldpostbriefe, Tagebü- me an dieser interessanten und herzlich dazu eingeladen, sich im cher, Fotografien und Comics glei- anregenden Konferenz verpasst zu kommenden Jahr ein eigenes Bild chermaßen ins Zentrum der Be- haben, muss den Kopf nicht länger von den Konferenzergebnissen zu trachtung. Mit unterschiedlichem hängen lassen. Denn pünktlich zu machen und durch die Lektüre des Fokus und ebenso unterschiedli- den Hans-Fallada-Tagen 2020 ist Sammelbandes in die literaturwis- chen Ergebnissen wurde wahlwei- die Herausgabe des 8. Jahrbuchs senschaftliche Kriegsforschung se ihr Quellencharakter oder ihre geplant, in welchem die Beiträge einzutauchen.

Ode an die Soße Ein echter Ohrenschmaus mit Stephan Krawczyk

WERNER SAGNER der Maultrommel, einem Bando- neon, drei unterschiedlichen Gi- Die Scheune des Hans-Fallada- tarren oder dem eigenen Körper Museums war am 23. August 2019 als Resonanzboden begleitet. Das mit erwartungsvollen und neugie- Publikum war begeistert: ob im rigen Besuchern gut gefüllt. Der Takt mitwippend oder beim Ref- Abend im Rahmen der Reihe „frei- rain „Ode an die Soße“ laut mitsin- tags bei Fallada“ war ein Mix aus gend. Ein kurzweiliger und unver- unterhaltsamen Moderationen, gessener Abend. Liedern und persönlichen Episo- Vielen Dank dafür, lieber Ste- den aus seinen Büchern. Einiges phan. Wir schätzen dich als Freund nachdenklich, kritisch, bewegend, der Hans-Fallada-Gesellschaft und zugewandt und erhellend, aber freuen uns auf hoffentlich noch auch frivol, witzig und spritzig. viele Veranstaltungen mit dir. Stephan Krawczyk Seine Lieder wurden entweder von Foto: Nadja Klier

SALATGARTEN 2/2019 7 ■ hfg INTERN

In memoriam Gerhard Kobert

Sammelleidenschaft – und er teilte Seit 2001 ist seine Sammlung der gerne, gab ab von seinen Schätzen, Erstausgaben eine der Höhepunk- freute sich an unserem Interesse. te des Carwitzer Museums. Sie ist Er war kein heimlicher Sammler, eine Schenkung des Sammlers. der seine Schätze versteckt hielt. Später übergab er auch seine Edzard Gall, Hannes Rother und Sammlung der ausländischen Aus- ich trafen uns mit ihm in Berlin, gaben an das Museum. Sie waren in auf Sammlermessen. zum großen Teil Ergebnisse seiner Er sah uns nicht als Konkurren- Besuche in den zahlreichen Anti- ten, sondern freute sich, wenn wir quariaten der Ost- und Nordseehä- lange gesuchte Erstausgaben ent- fen, die Gerhard mit zahlreichen Gerhard Kobert im Dezember 2018 deckten, zeigte uns seine Erwer- Fähren angelaufen hatte. Andere Foto: Joachim Artz bungen. Auch als Gerhard alters- Bücherspenden folgten. Das Hans- bedingt nicht mehr nach Carwitz Fallada-Archiv erhielt von ihm Au- Am 27. September ist Gerhard reisen konnte, hielt unsere Freund- tographen Hans Falladas. Kobert verstorben – Gründungs- schaft durch Telefonate, Briefe und 2005 wurde dem langjährigen mitglied der Hans-Fallada-Gesell- Besuche. Mitglied die Ehrenmitgliedschaft schaft und zuvor bereits seit 1983 Gerhard wurde als waschechter der hfg verliehen. Mitglied des Freundeskreises Hans „Hamburger Jung“ am 11. Dezem- In den letzten Jahren ereilten Fallada, Büchersammler, Fallada- ber 1931 geboren. Allerdings zog Gerhard Kobert mehrere Schick- Kenner und für einige Mitglieder, die Familie 1938 nach Berlin. Das salsschläge: 2013 verstarb seine auch für mich, ein Freund. Ger- Kriegsende erlebte er als „Kinder- Frau. Gerhard selbst erlitt im sel- hard Kobert wird mir fehlen. Wir landverschickter“ 1945 im Sude- ben Jahr einen Schlaganfall, von kannten uns viele Jahre. Er war tenland. Zwei Jahre nach Kriegsen- dem er sich körperlich nicht mehr derjenige, der mich in die Gesell- de begann Gerhard eine Lehre als vollständig erholen konnte. Sei- schaft führte, mich an die Hand Kfz-Elektriker und arbeitete von ne letzten Jahre verbrachte er in nahm, 1992, als ich zum ersten 1950 bis zu seiner Rente beim „VEB einem Berliner Altersheim. 2016 Mal nach Carwitz reiste, mich un- Elektroapparatewerk Treptow“ verstarb sein Sohn Uwe. sicher unter die Leute mischte, als Dispatcher, dann als Einkäufer. Auch wenn Gerhard Kobert die den Schriftsteller Hans Falla- 1957 heiratete er Ruth Müller, im nicht mehr reisen konnte, so nahm da ehrten. Ich kannte niemanden selben Jahr wurde sein Sohn Uwe er noch immer am Leben der Ge- von ihnen, nur Gerhard, und ihn geboren. Beide sollte er überleben. sellschaft teil. Er war ein aktiver auch nur durch unsere Briefe und Hans Fallada wurde erst spät Leser, las, ja, verschlang alles. So einige Telefonate. Doch sofort war sein Thema. Ein Besuch in Carwitz mancher Bücherwunsch ging bei er mir vertraut, durch seine ehrli- war der Auslöser, sich für das Werk mir und anderen Freunden und che, herzliche Art, seine Offenheit, des Schriftstellers zu begeistern. Bekannten ein. als ob wir uns schon lange kennen Zuvor war er auf Autographen und Das letzte Jahr war für ihn ein würden. So wie mir wird es vielen Erstausgaben von Erwin und Eva gesundheitlich problematisches. von uns gegangen sein. Aus der Strittmatter und Berliner Autoren Mitte September musste er in ein Sympathie wurde im Laufe der fixiert. Seine Liebe zu Fallada hielt Berliner Krankenhaus, wurde dort Jahre eine tiefe Freundschaft. Wir bis zu seinem Tod. operiert. Sein Herz war zu schwach. redeten auf den langen Spazier- Mit der Öffnung der Grenzen er- Einige Fallada-Freunde und ich gängen um Carwitz nicht nur über reichte seine Sammelleidenschaft wollten Gerhard Kobert noch ein- Fallada, näherten uns dabei immer neue Qualitäten, konnte er doch mal Carwitz zeigen. Gerhard hatte mehr. Andere Mitglieder kamen nun auch internationale Kontakte Angst, dass die Strapazen zu groß dazu, die Spaziergänge wurden knüpfen. Im Salatgarten berichte- sein würden, obwohl er den Ort für uns zu einer Tradition. Gerhard te er regelmäßig über seine Neu- und die Fallada-Stätte gern wie- Kobert steckte uns an mit seiner erwerbungen und Recherchen. dergesehen hätte. Diesen Wunsch

8 SALATGARTEN 2/2019 hfg INTERN ■

können wir ihm nun nicht mehr Am 28. Oktober fand die Trauer- nahmen Doris Haupt, das Ehe- erfüllen. Beendeten wir unsere feier für Gerhard Kobert auf dem paar Kaiser und Lutz Dettmann an Telefonate, kam von Gerhard im- Friedhof Baumschulenweg in Ber- der Trauerfeier teil. Joachim Artz, mer ein auf Plattdeutsch geäußer- lin statt. Im kleinen Kreis verab- langjähriger Freund Gerhard Ko- ter Wunsch an mich, den ich dann schiedeten sich Freunde, Bekann- berts, sprach herzliche Worte des erwiderte: „Hol Di fuchtig!“ Nicht te, Nachbarn und Pflegerinnen von Abschieds. nur dieser Wunsch von ihm wird unserem Ehrenmitglied. Von Sei- Lutz Dettmann mir in Zukunft fehlen! ten der Hans-Fallada-Gesellschaft

In memoriam Erika Annas (16.8.1940 bis 6.7.2019)

Betroffen haben wir vom Tod unse- von Frau Wewerka gekommen. schließen und zu Gunsten einer rer ehemaligen Mitarbeiterin er- Die Wirtin des Deutschen Hau- Hans-Fallada-Stiftung zu verkau- fahren, die in der Geschichte des ses am Feldberger Haussee hatte fen, weinte Erika. Doch als Fal- Literaturzentrums Neubranden- schon viele junge Mädchen aus- ladas Papiere umzogen und das burg eine besondere Rolle spielte. gebildet. Sie war die Tochter und Carwitzer Anwesen ausgebaut Erika Annas war die Wirtschafts- Nachfolgerin der legendären Mut- war, wusste sie, alles würde seinen leiterin und der gute Geist des 1981 ter Wendel, jener guten Adresse, Gang gehen. Hatte sie uns doch auf eröffneten Hans-Fallada-Archivs in die Hans Fallada ein Zuhause bot, den Weg mitgegeben, alles zu tun, Feldberg, Eichholz 3, vom Aufbau als er den Hof in Carwitz für seine damit „daraus was Anständiges bis zum Beginn seiner Abwicklung Familie herrichten ließ. wird“. 1998. Eine der Ausgebildeten war Eri- Davon hat sie sich öfter, beschei- Viele Gäste, Schriftsteller und ka, die kinderlose Frau Wewerka den im Hintergrund haltend, über- Wissenschaftler aus dem In- und liebte sie wie eine Tochter. Sie lehr- zeugen können und das Ergebnis Ausland, die zu Arbeitsaufent- te sie alles, was man braucht, um wird ihr zugesagt haben. halten und zur Erholung, oft ge- stilvoll ein Haus führen zu können Wir werden uns gern an Erika meinsam mit ihren Familien in das und wollte ihren Schützling in gu- Annas erinnern und sind ihr dank- schöne Haus mit Seeblick inmit- ten Händen wissen. bar. ten eines verwunschenen Gartens Dass unsere neue Mitarbeiterin Heide Hampel kamen, den einst der Natur- und ihren Mann Peter mitbrachte, war Heimatforscher Reinhard Barby ein seltener Glücksfall. (1887–1974) anlegte, werden sich Gemeinsam haben wir schöne an die freundliche Frau erinnern. Zeiten genossen und schwierige Sie hielt das Haus mit vielen Kunst- durchgestanden. Als in den Wende- werken und Antiquitäten adrett, wirren und im Jahr der Währungs- konnte nicht nur wundervoll ko- union keine Gäste in unser Haus chen und backen, sondern auch kamen, wollte es das Schicksal, dass begabt Geschichten erzählen. Anna Ditzen Hilfe brauchte. Sie versäumte es nie, sich für Wir „verliehen“ unseren guten ihre Gäste kundig zu machen, z. B. Geist. deren Bücher zu lesen und ihnen Sie hätten viel gelacht, erzählte aufmerksam zuzuhören. Für viele Erika später, und sie wusste Ge- wurde sie zur verehrten Vertrau- schichten von Anna, die keiner von ensperson. uns kannte. Erika Annas war zum Literatur- Als die Entscheidung getrof- zentrum durch die Empfehlung fen war, das Haus im Eichholz zu

SALATGARTEN 2/2019 9 ■ HANS-FALLADA-HAUS CARWITZ

Neues aus dem Museumsladen

STEFAN KNÜPPEL

Auch seit der letzten Ausgabe des Für die Dauer unserer Sonderausstel- Alle Titel liegen im Museumsladen SALATGARTEN konnte das Ange- lung zum Leben und Werk Brigitte aus. Auch telefonische Bestellun- bot des Museumsladens vergrößert Reimanns bieten wir auch passende gen und Bestellungen per Internet werden. Alle Neuheiten seien hier ge- Bücher an: sind möglich: Fallada-Museum: nannt: 039831/20359. Mögliche Rabatte Hampel, Heide/Drescher, Ange- für hfg-Mitglieder können sie im Fallada, Hans: Der eiserne Gustav. lika (Hg.): Brigitte Reimann. Jede Museum erfragen. Herausgegeben und mit einem Sorte von Glück – Briefe an die Eltern. Im Internet finden Sie unser Sorti- Nachwort von Jenny Williams, re- Aufbau Taschenbuch, Berlin 2010. ment unter www.fallada.de. konstruierte Textfassung. Gebun- (Preis: 11,95 €) Darüber hinaus bieten wir eine dene Ausgabe, Aufbau Verlag, Ber- große Zahl antiquarischer Bücher lin 2019. (Preis: 26,00 €) Hampel, Heide/Drescher, Ange- an. Informieren Sie sich bitte! Bü- lika (Hg.): Brigitte Reimann. Post cherspenden für den antiquari- Fallada, Hans: Zwei zarte Lämm- vom schwarzen Schaf – Geschwis- schen Buchverkauf sind jederzeit chen weiß wie Schnee. Gebundene terbriefe. Gebundene Ausgabe, willkommen. Miniaturbuchausgabe im Schuber, Aufbau Verlag, Berlin 2018. (Preis: Miniaturbuchverlag, 2019. 24,00 €) (Preis: 24,80 €) Hampel, Heide (Hg.): In der Er- innerung sieht alles anders aus. Ge- bunde Ausgabe mit Bildern von Anke Feuchtenberger. Steffen Ver- lag, Berlin 2019. (Preis: 19,95 €)

… schon wieder ein Jahr vorüber! Das Freiwillige Soziale Jahr in der Kultur

Yasmina Deutschkämer ich damals gen Norden gezogen war. Wahrscheinlich verschwan- Zum 31. August hat uns unsere … Abschied … den einige Dinge im Laufe der Freiwillige Yasmina Deutschkä- Nun ist schon einige Zeit vergan- Zeit, ohne dass es aufgefallen war, mer nach einem Jahr verlassen. gen, seit die leeren Umzugskisten andere wurden bewusst oder un- Am 1. September trat ihre Nach- darauf warteten, mit alldem ge- bewusst ersetzt und mit Sicherheit folgerin, Julia Sophie Schmitz, füllt zu werden, was sich in einem kam einiges, noch nie Dagewese- ihren einjährigen Freiwilligen- Jahr ansammeln konnte: etwas nes, hinzu. Alles, was nicht in Kar- Dienst im Fallada-Museum an. weniger Geschirr als ursprünglich, tons oder Taschen passte, wurde so Wir möchten den beiden die Ge- andere Kleidungsstücke, Kissen, gut wie möglich unter den Auto- legenheit geben, sich von den Decken, Bücher, Wissen, Wünsche, sitzen verstaut und in freie Ecken hfg-Mitgliedern zu verabschieden Erfahrungen, Erlebnisse und Träu- und Ritzen gestopft, um nichts bzw. sich ihnen vorzustellen. me. Die gefüllten Kisten wurden zurücklassen zu müssen; obschon zusammen mit meinem Fahrrad mein inzwischen klapprig gewor- in dasselbe Auto geladen, mit dem denes Fahrrad vermutlich längst

10 SALATGARTEN 2/2019 HANS-FALLADA-HAUS CARWITZ ■

die eine oder andere Schraube auf lernte ich gleichermaßen meine den holprigen Wegen von Carwitz Stärken und Schwächen kennen verloren hatte. und mit ihnen umzugehen. Außer- Trotzdem konnte ich weder die dem konnte ich mir beweisen, dass Landschaft noch all die Menschen ich einen Haushalt führen kann mitnehmen, die ich hier kennen und darüber hinaus ganz allge- und ästimieren gelernt habe. All mein alleine überlebensfähig bin; die inspirierenden Persönlichkei- obwohl das karosserielose Leben ten, die die vergangenen Semina- im ländlichen Raum nicht uner- re mit Bewunderung und Staunen hebliche Schwierigkeiten mit sich füllten, rückten mit jedem Kilome- brachte. Ganz nebenbei eröffnete ter weiter von mir weg. Ebenso wie sich mir von Berufs wegen die bun- die Mitglieder des Museumsteams, te Welt der Kultur, mit all ihren die täglich aufs Neue all den un- Möglichkeiten, ihrer Begeisterung bekannten Gesichtern entgegen- und Inspiration, aber auch mit ih- lächeln und für jedes Problem eine rer mühsamen Bürokratie und der Lösung finden. Sei es im Arbeits- unterschwellig immerwährenden alltag oder während der ausge- Unsicherheit. Beides lastete auch Julia Sophie Schmitz dehnten Geburtstagsfrühstücke, auf meinen Schultern und darü- Foto: Dr. Stephan Knüppel sie fluten das Haus mit Lachen ber hinaus stellte ich fest, dass ich und Leben, das allmählich in die lieber drinnen als draußen arbeite, Sieg-Kreis), die zwischen Köln und alten Wände sickert und sie jene lieber gehe oder stehe, statt zu sit- Bonn in Nordrhein-Westfalen Wärme ausstrahlen lässt, die den zen und außerdem meine Umwelt liegt. Wenn ich sage: „Ich komme Ort so besonders machen. Die Mit- gerne aktiv gestalten würde. Also aus der Nähe von Köln.“, antwor- arbeiter sind die bunten Blüten des habe ich mich vorerst dazu ent- ten viele: „Ach, da wollte ich auch Dreiecksbeets, das warme Licht schlossen, mich dem Naturschutz schon immer mal hin und Karne- der Deckenleuchte des Wohn- und und der Landschaftsplanung bzw. val feiern!“ oder sie erzählen mir Arbeitszimmers, die Blumen auf -architektur zuzuwenden. Jedoch von ihren Erlebnissen im Rhein- dem Küchentisch und die erfüllten werde ich es mir vorbehalten, mich land. Herzen der Abendveranstaltun- in meiner Freizeit als Nutznießer Nach meiner zwölfjährigen gen. Für eine Weile, die plötzlich an der Kultur und ihren vielfälti- Schullaufbahn bin ich nun von zu rasend schnell verging, durfte ich gen Angeboten zu erfreuen oder Hause ausgezogen. Ohne meine dies nicht nur miterleben, sondern in kleinem Rahmen selbst aktiv zu Familie, Freunde und das gewohn- daran teilhaben. Auf diese Weise sein. te Umfeld ist alles besonders auf- bekam ich das erste Mal zu spüren, Die Zeit wird zeigen, welche regend und interessant. Heimweh was es bedeutet, ein unverzicht- verqueren Wege ich einschlagen ist in den rund drei Monaten noch barer und, wichtiger noch, an- werde. Und nun, da alle Kartons nicht aufgekommen, zumal ich re- erkannter Teil eines größeren Ge- ausgepackt sind und alles versorgt gelmäßig besucht werde und Tele- füges zu sein. Unversehens hatten ist, kann ich beginnen, sie neu zu fon-/Videoanrufe alles erleichtern. Eigenschaften wie Pünktlichkeit, füllen. Selbstverständlich habe ich Zuverlässigkeit und Eigenstän- schon erfahren, dass „alleine“ le- digkeit eine andere Bedeutung. Julia Sophie Schmitz ben in einer neuen Umgebung Besonders ersteres war in der Ver- neue Perspektiven mit sich bringt. gangenheit ehrlicherweise nie ein … und Willkommen … Ich muss nun auf mich selbst ver- Attribut gewesen, dass man mir Um mein Freiwilliges Soziales Jahr trauen und viele Entscheidungen hätte zuschreiben können. Auch (FSJ) Kultur und Bildung im Hans- alleine treffen. Somit erhoffe ich heute schafft die Zeit, die ewig Ei- Fallada-Museum zu absolvieren, mir, selbstsicherer und selbststän- lende, es manchmal beinahe, mich bin ich 684 km von zu Hause ent- diger zu werden. abzuhängen, aber inzwischen blei- fernt in meine erste eigene Woh- Im Südosten von Mecklenburg- be ich an ihren Fersen und verliere nung gezogen. Ich komme aus Vorpommern habe ich nicht nur sie kaum mehr aus den Augen. So der Kreisstadt Siegburg (Rhein- ein schönes Fleckchen in Deutsch-

SALATGARTEN 2/2019 11 ■ HANS-FALLADA-HAUS CARWITZ

land entdeckt, sondern auch be- dem FSJ weitergehen wird, aber am Carwitzer See spazieren und sondere und hilfsbereite Men- ich weiß: irgendetwas Kreatives fahre Fahrrad. Ich freue mich jetzt schen kennengelernt. Vor allem wäre schön. Ich hätte zuvor nicht schon wieder auf den Sommer, meine Arbeitskollegen und mei- gedacht, dass mich das FSJ so weit wenn man in der Mittagspause die nen Chef, aber auch den Taxifah- weg von zu Hause führen würde, Möglichkeit hat, sich auf die große rer, der mir lustige Geschichten obwohl ich kurzzeitig auch mit Obstbaumwiese am Museum zu von seinem Urlaub in Köln erzähl- einem Auslandsjahr geliebäugelt setzen und einfach die Umgebung, te, oder die Mitarbeiterinnen in hatte. Für das Museum habe ich das Vogelgezwitscher und die Son- der Touristeninformation. Wäh- mich nicht nur der freundlichen ne auf der Nasenspitze zu spüren rend einer Busfahrt von Carwitz Menschen und der wunderschö- und genießen zu können. nach Feldberg lernte ich drei Schü- nen Umgebung wegen entschie- lerinnen kennen, mit denen ich di- den, sondern auch, weil mir hier rekt ins Gespräch kam und die mir die Chance geboten wird, kulturel- im weiteren Verlauf der Busfahrt le Veranstaltungen mit zu planen. ihre Lieblingslieder lauthals vor- Ich freue mich schon auf die Zeit, sangen. Ich finde, diese Menschen die mir hier in Carwitz noch bleibt machen einen Ort noch ein Stück und in der ich weitere Erfahrun- einzigartiger als er ohnehin schon gen für meine Zukunft sammeln ist. werde. Meine ersten Tage und Wo- chen in Carwitz waren spannend. So, und zum Schluss noch etwas Ich hatte eine Woche vor Dienst- über mich: Meine Freizeit verbrin- antritt noch keine Wohnung in ge ich gerne mit Freunden und Aussicht, die ich für die Dauer meiner Familie: zum Beispiel beim von zwölf Monaten mieten konn- Shoppen, im Klettergarten und te. Aber viele Leute haben mir bei beim Grillen zu jeder Jahreszeit der Wohnungssuche und bei dem und bei jedem erdenklichen Wet- Erkunden der Gegend geholfen. ter. Außerdem liebe ich es zu ba- Ich hatte das Glück, dass ich ab cken und zu kochen und probiere dem ersten Tag im Museum mit häufig neue Rezepte aus. Ich lese dem Praktikanten Francesco zu- sehr viel, außerdem mache und sammenarbeiten konnte. Zwei höre ich gerne Musik. Ich würde Wochen lang haben wir nicht nur mich selbst als kreativen Menschen zusammen die Museumsarbeit bezeichnen, da ich gerne male kennengelernt, sondern auch die und mein Zimmer umgestalte. Als Gegend mit dem Fahrrad erkundet abenteuerlustig würde ich mich und einige Gastronomiebetriebe zudem auch noch beschreiben, da getestet. ich viel reise und neue Kulturen Wenn mich jemand fragt: „Wie- kennenlernen möchte. Historische so machst du ein FSJ und warum Gebäude und Museen sind dabei machst du es im Museum?“, dann immer besondere Anlaufpunkte. muss ich zugeben, dass ich eigent- Neben diesen Aktivitäten engagie- lich gar nicht mehr so genau weiß, re ich mich in der Kirche, unter an- wie ich überhaupt hier nach Meck- derem in den Bereichen Veranstal- lenburg-Vorpommern gekommen tungsplanung, Kinderunterricht bin. Nach der Schule war mir klar, und Musizieren im Orchester und dass ich ein FSJ machen möchte, im Chor. da ich mich noch nicht für ein Stu- Zurzeit kann ich mich diesen dienfach oder eine Ausbildung Tätigkeiten nicht mehr so ausführ- entscheiden konnte. Ich bin noch lich widmen, dafür bin ich hier in immer unschlüssig, wie es nach Carwitz öfter in der Natur, gehe

12 SALATGARTEN 2/2019 NEUES ZU FALLADA ■

Der eiserne Gustav spannt wieder an Anlässlich der Neuedition von Jenny Williams1

GUSTAV FRANK

Der Werkartikel zum Roman Der eiserne Gustav (im Folgenden EG) im Fallada-Handbuch hatte im November 2018 noch resümiert, es wäre „eine Neuedition auch von Der eiserne Gustav nach historisch- kritischen Maßstäben dringend geboten, will man dem komplexen Entstehungs- und Umarbeitungs- prozess gerecht werden.“2 Heraus- gegeben von der renommierten Dubliner Fallada-Biographin Jen- ny Williams hat der Aufbau Verlag den Roman jetzt „[e]rstmals in der Originalfassung“ und „von allen politischen Eingriffen befreit“ vor- gelegt, so jedenfalls der Schutzum- schlag. © Aufbau © Aufbau Damit setzt der Verlag fort, was er mit der „ungekürzten Neuaus- mit seinem epischen Fluss Falla- gabe“ von Jeder stirbt für sich al- I. Fallada und die Nazis das „liebstes und schönstes Buch“5 lein im Jahr 2011 begonnen hat. in 3 Akten wird. Das andere Gesicht zeigt die Dort finden sich die Textpassagen Der EG gehört zu Falladas in Hit- schaurige Saga einer degenerier- wieder eingefügt, die in der post- ler-Deutschland veröffentlichten ten Bauernfamilie mit Inzest, So- humen Erstauflage 1947 vom Ver- Romanen. In dieser umfangrei- domie und von Ratten verzehrten lagslektorat unterdrückt worden chen Gruppe zählt er zu den drei- Vorfahren. Schon mit der Breite waren. Die Korrekturen reagie- en, deren Gestaltung durch Erfah- der virtuos gehandhabten Schreib- ren auf die Entdeckung Falladas rungen der Nazizeit stark geprägt verfahren positioniert Fallada sich als Autor von Weltrang nach der wurde. Dem ersten in dieser Reihe offensichtlich außerhalb der he- englischen Übersetzung von 2009. sieht man es am wenigsten an: Wir roischen und formal einfältigen Solange er als bloßer Unterhal- hatten mal ein Kind erscheint 1934.4 Literatur erklärter NS-Autoren. tungsschriftsteller galt, kam es auf Mit ihm reagiert der Autor auf sei- Vor allem aber mit dem an seiner Textgenauigkeit nicht so sehr an. ne Verhaftung am 12. April 1933 Starrköpfigkeit scheiternden Jo- Aufbau schließt damit auch an durch die SA und die elftägige Haft hannes Gäntschow, in dem eine seine „ungekürzte Neuausgabe“ aufgrund der Denunziation durch lange Reihe von psychopathologi- des Durchbruchsroman Kleiner den früheren Eigentümer des Hau- schen Ahnen ihr Ende findet – das Mann – was nun? an. 2016 bringt ses, das Falladas in Berkenbrück Kind des Titels steht eben im Prä- sie ein erstes, längeres Manuskript gekauft hatten. Diese Reaktion hat teritum –, parodiert der Roman des Autors, das im Lektoratspro- zwei Gesichter. Das eine zeigt ein die Blut-und-Boden-Ideologie vom zess des Rowohlt Verlages einver- vermeintlich zeitfernes Schreiben erbgesunden Bauerntum. Das nehmlich eine Reihe von Kürzun- im Anschluss an Jean Paul, Raabe bleibt den Rezensenten im Dritten gen und Veränderungen erfahren und Storm, das seine Literarizität Reich nicht verborgen. (Auch dann hatte, die den Kleinen Mann 1932 ausstellt, implizit immer wieder nicht, wenn es variiert und weni- zum Weltbestseller machten.3 mit Thomas Mann wetteifert und ger deutlich vorgetragen wird wie

SALATGARTEN 2/2019 13 ■ NEUES ZU FALLADA

in Altes Herz geht auf die Reise von setzt voraus, dass er kein durch- hinaus bis 1933. Ein Eintrag vom 1936, dessen Adaption 1938 zu den weg „unerwünschter Autor“ war, 23.7.38 im Tagebuch des Herrn von wenigen Filmen der NS-Zeit ge- wie der Klappentext des EG be- Babelsberg, Propagandaminister hört, die vor der Aufführung noch hauptet. Die Dinge liegen viel, viel Goebbels, könnte sich ebenfalls verboten werden.) Aber auch die komplizierter. Und der EG ist dabei auf dieses Typoskript (T1) beziehen: linke Kritik im Exil kann mit die- der zweite Akt. „Aussprache mit Jannings. [...] Ich sem Text nichts anfangen: Trude diktiere selbst einen neuen Schluß. Richter hält Fallada bloß für „den II. Janinngs ‚auf den Leib Der sitzt nun aber.“12 Hier beginnen bestrenommierten aller gleichge- geschrieben‘: TOBIS-Fassungen sich die Wege von Filmvorlage und schalteten Schriftsteller“.6 und -Drehbuch Roman zu trennen. Inzwischen Den dritten Akt stellt zweifel- Hat er mit dem Kind aus eigenem heißt das zweiteilige Drehbuch los der sog. Kutisker-Roman dar. Antrieb gezeigt, dass er für BluBo- Der weite Weg und nur Teil 1 Inferno Es handelt sich um einen authen- Literatur nicht in Frage kommt, basiert auf Falladas Entwurf, Teil 2 tischen Fall von großangelegtem geht auch beim EG von ihm die Auferstehung setzt bis zur Macht- Betrug aus der verpönten Sys- Initiative aus: Der bei den Macht- ergreifung fort. Am 10. August temzeit der Weimarer Republik. habern beliebte Emil Jannings, erhält Fallada den Auftrag, „für Weil der Hauptakteur Kutisker dem Fallada sein Altes Herz mit den zweiten Teil [...] einen Hand- Jude war, wird Fallada seit 1943 dem Gedanken zusenden hat las- lungsaufriss nach bestimmten, offiziell vom Propagandaminis- sen, dass der Professor Kittguß eine bereits [...] skizzierten Richtlinien terium gedrängt, einen Roman Paraderolle sein könnte, möchte zu schreiben“.13 Fallada weigert zu schreiben, als man von seinen nun seinerseits, dass Fallada ihm sich, obwohl man Honorarverlust Vorarbeiten aus dem Jahr 1941 er- den Berliner Droschkenkutscher und Rechtestreitigkeiten androht. fährt. Gerade von ihm verspricht Gustav Hartmann, 1928 mit seiner Statt eines Aufrisses schreibt er den man sich eine so propagandistisch Fahrt von Berlin nach ein Me- Schluss des Romans für die TOBIS wirksame wie unterhaltsam-ein- dienstar, mundgerecht verfilmbar um. Was er jetzt anschließt, heißt gängige Gestaltung. Fallada greift schreibt. Wie Williams im Nach- seit seinem Gefängnistagebuch gerne die schillernde Bezeichnung wort zu Recht notiert, sieht man (1944) der „n. Schwanz“.14 Gemeint des Romans als „nicht antisemi- bei Falladas Verleger Rowohlt rosi- ist damit zunächst wohl ein zwei- tischen antisemitischen Roman“ gen Zeiten entgegen (EG 780), vor tes Manuskript (M2), das als Typo- 7 durch den Lektor Hans Franke auf. allem nachdem es zum Vertrags- skript (T2) gut 250 neu geschriebe- Selbstzeugnissen zufolge hat der abschluss mit der Filmfirma TOBIS ne Druckseiten umfasst und am Autor das Manuskript wohl 1944 kommt und 30.000 Mark fließen 8. September bei Rowohlt eintrifft fertiggestellt, seine Ablieferung sollen (ebd.). Ungewöhnlich: Fal- (EG 791). Daraus entsteht ein Dreh- 15 aber solange hinausgezögert, bis lada soll eine Romanvorlage lie- buch (D1). Der Film kommt nie zu- das Ende der Diktatur sie über- fern; Arbeitstitel: Ein deutsches stande. flüssig werden ließ.8 Es gilt bislang Schicksal.10 Indiz für Falladas Iden- als verschollen. Man kann aus der tifikation mit dem Projekt ist der III. Der Längsschnitt-Roman Korrespondenz entnehmen, dass Schreibrausch; das umfangreiche (Rowohlt-Fassung 1938) mit dem Druck offizieller Stellen Manuskript (M1) entsteht zwischen Doch schon im März 1938 hatte Falladas Gegendruck wächst. Der 14. 11. 1937 und 30. 1. 1938. sich das Rowohlt-Lektorat – Franz beschränkt sich nicht allein auf die Nach Ablieferung des Typo- Hessel, der Freund Walter Benja-

Zurückhaltung des Manuskripts, skripts (T1) am 28. Februar gönnen mins und wegen seiner jüdischen sondern schlägt sich auch im Text sich Falladas einen „Ford-Achtzy- Herkunft nicht mehr offiziell ange- nieder: Im Briefwechsel mit sei- linder[ ]“,11 Frau Suse nimmt Fahr- stellt, und Friedo Lampe, Autor des nem Verleger Schneekluth kün- stunden. Doch die erzählte Zeit des von den Nazis schon im Oktober digt er jedenfalls eine Schreibwei- Romans reicht vertragswidrig nur 1933 wegen offener Darstellung se an, bei der „der Autor dem Leser von 1914 bis 1928. Die reichsmittel- von „Rassenschande“ mit einem allein die Beurteilung der ganz bare TOBIS Filmkunst beharrt auf „Neger“, Homosexualität und Sa- objektiv geschilderten Figur über- der vereinbarten Fortführung der domasochismus beschlagnahm- läßt.“9 Dass man noch 1943 diesen Handlung über ihren logischen ten Romans Am Rande der Nacht – Auftrag Fallada anvertrauen will, Höhepunkt, die Fahrt nach Paris, bei Fallada gemeldet. Es legt ihm

14 SALATGARTEN 2/2019 NEUES ZU FALLADA ■

nahe, T1 zu straffen, sich verselb- das Kind von Falladas bevorzugtem „auch die neuen Schluss-Seiten [...] ständigende Nebenhandlungen Muster der Querschnitte ab, wie er zum überwiegenden Teil ‚aller- zu kürzen und insbesondere all- sie seit Bauern, Bonzen und Bomben bester Fallada‘“18 zu sein scheinen, zu anstößige freizügige Szenen zu (1931) über Wolf unter Wölfen (1937) soll nach Kapitel 7 Szene 14 einge- entschärfen. bis hin zu Jeder stirbt für sich allein griffen werden. Dort identifiziert Fallada feilt in diesem Sinn an (1947) so erfolgreich variiert. Umso man einen auf politischen Druck den bereits gesetzten Fahnen: Aus mehr ist die Interpretation dieses hin NS-affin gemachten Schluss. dem Komplex um den Sympathie- Längsschnitts auf den gesamten Als Goldstandard gilt dagegen die träger Heinz Hackendahl, seinen Verlauf der erzählten Geschichte, sog. Originalfassung (= M1/T1). Die skrupellosen Bruder Erich und auf Dynamik oder Statik der Cha- jedoch ist verloren. Alle Bemü- dessen französischer Geliebter Ti- raktere im Zusammenspiel mit hungen richten sich darauf, diese nette streicht Fallada die Szenen den sozialen Tatsachen angewie- aus anderen Quellen zu rekon­ „Verführung zum Morphium“ und sen. Erzählt wird als historischer struieren: aus Briefzeugnissen, „Verführung zur Wollust“.16 Die Prozess, was die Querschnitttexte zwei Inhaltsverzeichnissen, vor al- Nackttänze der Anita Berber nach- von 1931 und 1937 oder auch Klei- lem aber der „neuen Handschrift“, empfundenen Figur und ihre les- ner Mann – was nun? bloß in Aus- die den neuen Schluss des Romans bisch-exhibitionistische Vereini- schnitten und Momentaufnah- beinhaltet.19 gung mit Tinette bleiben dennoch men tun, die Vorgeschichte der Doch die Versuche, den ‚eigent- stehen. Diese Fahnenkorrekturen NS-Zeit. Und erzählt wird sie als lichen‘ und politisch und mora- von fast 600 Druckseiten gehen am wenig ns-kompatibler Großstadt- lisch ‚besseren‘ Text wiederherzu- 31. August an Rowohlt zurück. roman, vertraut mit dessen nar- stellen, sind immer die jeweiligen Und Fallada verändert den rativen Mitteln: dem verzweigten ideologischen Interessen der Bear- Schluss nach Fahne 305 (= Kap. 7, Kollektiv gemischter Charaktere in beiter überformt. Am deutlichsten Szene 14): War Heinz bisher vor- polyperspektivischer Darstellung. wird das bei Peter W. Tügel (1958), läufig im Ullstein-Verlag unter- der den Schluss der Rowohlt-Fas- gekommen, aber dann – so IV. Im Wettstreit um das sung streicht und Stellen ent- monierten Hessel und Lampe – kulturelle ‚Erbe‘ schärft, die Sozialdemokraten „versandet“ (EG 791), will Fallada (Fassungen 1958 und 1962) und Kommunisten unvorteilhaft dieses „unbefriedigende Absacken Um 1960 steht die Editionsge- zeigen. Seine Eingriffe geschehen von Heinz ändern“.17 Offenbar, das schichte des EG im Zeichen kon- willkürlich, ja, Tügel schreibt nicht ist bislang so deutlich nie heraus- kurrierender Erbeaneignung in nur um, sondern verfasst auch gearbeitet und deshalb oft ver- Ost und West. Zum einen will selbst Passagen und erfindet Figu- wechselt worden, sind diese Um- man den populären Romancier ren, die von keiner Quelle gestützt arbeitungen nicht identisch mit wegen seiner grandios erzählten sind. Schon die Besprechung in der dem „n. Schwanz“. Ihnen fällt ein Geschichten jeweils auf der eige- ZEIT erklärt deshalb die schmale 10. Kapitel vollständig zum Opfer, nen Seite wissen, auch weil er mit Linie zwischen „Redigierung und das 9. wird von 14 auf fünf Szenen den Erfahrungen der Mehrheit Verfälschung“ für überschritten.20 zusammengestrichen. vertraut war. Doch zum anderen Günter Caspar, Cheflektor bei Als der Roman am 28. Novem- erweist sich der Umgang mit den- Aufbau, berücksichtigt dagegen ber rechtzeitig zum Weihnachts- jenigen als schwierig, die während die von ihm systematisch erfass- geschäft 1938 ausgeliefert wird, ist der NS-Zeit in Deutschland geblie- ten Archivalien und erstellt die bis er in neun Kapitel unterteilt, die, ben und populär waren wie er. So dato maßgebliche Edition (1962). mit Ausnahme des letzten, aus je- konstruiert man sich einen Falla- Dazu streicht er die Szenen 15 – 17 in weils 15 bis 19 Szenen bestehen. Die da, der so geschrieben haben soll- Kapitel 7 und Stellen in 8 und 9, die erzählte Zeit reicht, wie von Falla- te, wie man es sich wünscht. Am den Übergang zum neuen Schluss da immer beabsichtigt, von 1914 wenigsten scheint diese Wünsche motivieren. Kapitel 9 kürzt er um bis 1928. Der Roman bietet einen das Kind zu erfüllen, der EG lädt da- die drei letzten Szenen, die den historischen Längsschnitt durch gegen gerade zu Veränderungen Nazi Ramin und das Einschwen- die Vorkriegs-, Kriegs- und Nach- ein: Obwohl der Text keiner Zensur ken Heinz’ und des eisernen Gus- kriegsgesellschaft in der Haupt- und Eingriffen von fremder Hand tav auf Parteilinie präsentieren. stadt Berlin – und weicht damit wie unterworfen war und Rowohlt Doch Williams identifiziert wie

SALATGARTEN 2/2019 15 ■ NEUES ZU FALLADA

schon das Fallada-Handbuch wei- machen sei, darin unterscheiden Goldstandard der verlorenen M1/T1. tere Kürzungen21 in den Kapiteln sie sich deutlich bis drastisch. Und Das zwingt sie wie ihre Vorgänger 4 bis 7, die von Fallada nachweis- dass dabei gleich noch einiges an- dazu, künstlich einen virtuellen lich nicht verändert wurden und dere ‚verbessert‘ wird, erfährt man Text zu konstruieren. sich auf „2464 Wörter summieren“ aus Jenny Williams’ verdienstvol- Wieder wird so getan, als hät- (EG 800). Was Falladas Texten im- lem Nachwort am Beispiel der Cas- te es Nazi-Deutschland nicht ge- mer Unzufriedenheit von links wie par-Fassung jetzt ganz genau. geben und als wäre eine Literatur rechts eingebracht hat, sind weni- Hatte das Fallada-Handbuch denkbar, ja herstellbar, die in eine ger seine ausbleibenden politischen noch konstatieren müssen, dass alternativ verlaufene Geschichte Bekenntnisse. Vielmehr ist es seine die Geschichte der Druckfassun- gehört. Diese Literatur ist nicht Figurenzeichnung oder ganz all- gen des EG „reichlich verwickelt nur virtuell, sie ist ein geschichts- gemein seine Anthropologie, in und bislang im Letzten nicht auf- vergessenes Konstrukt. Fallada der Sucht und Kriminalität, psy- gearbeitet“23 ist, so schließt das muss in der Diktatur agieren, mit chische, oft psychopathologische Nachwort von Jenny Williams jetzt ihrer Enge und ihren Chancen zu- Züge intern fokalisiert dargestellt einige Lücken mustergültig. Vor rechtkommen. Der 1938 im Zusam- werden. So hat auch Caspar eine allem kann sie den Status einer menspiel mit dem Team im und zentrale Stelle im 5. Kapitel eli- noch nach Kriegsbeginn 1940 bei um den Rowohlt Verlag (Rowohlt, miniert, an der die Erzählinstanz Putnam in London erschienenen Ledig, Franz Hessel, Friedo Lampe) durch Parallelisierung von Heinz englischen Übersetzung klären: publizierte Text ist eigenhändig Hackendahls erotischer Hörigkeit Auch diese folgt nicht dem ver- und in einem starken Sinne auto- gegenüber der Französin Tinette schollenen M1, sondern kürzt und risiert, nachdem von Fallada letzte einen Lustgewinn der Deutschen modifiziert den Erstdruck stark Hand angelegt worden war. Das aus ihrer Subordination und Op- – insbesondere die Partei, in die können die Herausgeber-Fassun- ferrolle ableitet: „Ein Sklave hat Heinz eintritt, bleibt namenlos. gen von 1958, 1962 und auch die keinen Besitz. Seine Demütigung, Ein einziger Satz wird ergänzt. Der von 2019 nicht von sich behaup- seine Schmach – sie waren sein Erzählerkommentar liefert darin ten. Der vollmundigen Verlags- Besitz, seine Lust [...] O nein, Heinz eine sozialpsychologische Erklä- werbung, den EG 2019 „[e]rstmals Hackendahl steht nicht allein mit rung für diesen Eintritt: „Well, if in der Originalfassung“ zu bieten, seiner Schmach – er hat willige Ge- a boy hadn’t got a job he couldn’t ist deshalb entschieden zu wider- fährten, die Lust zu leiden ist eine be expected to stay in a pocky little sprechen. Zumindest irreführend weiterverbreitete Krankheit in die- kitchen all day“ (EG 796). ist auch, wenn im Nachwort der sen Tagen!“22 Wohltuend macht sich im Nach- Eindruck erweckt wird, einen von wort der Positivismus der briti- politischen Einflüssen gereinigten V. Die Williams-Fassung (2019) schen Historikerschule nicht nur Text „[f]rei von Konzessionen“ (EG Auch die aktuelle Fassung will hier geltend. Immer dokumentiert 818) präsentieren zu können – ei- den authentischen Fallada wie- Williams alle bekannten Details nen solchen hat es nie gegeben, er derherstellen. Sie stimmt einhel- minutiös, Caspars Praxis legt sie kann niemals existiert haben. lig mit den früheren in dem Urteil offen und kann sie deshalb auf die Was stattdessen noch immer überein, dass der Erstdruck ver- wechselhaften Umstände in der nottut, wären Ansätze zu einer his- dammenswert sei. Alle Editoren DDR zurückführen, nur die Tü- torisch-kritischen Edition dessen, verlassen sich dabei auf das Selbst- gel-Fassung erwähnt sie kaum.24 was tatsächlich überliefert ist – um zeugnis des Autors, der das ein- Von daher unverständlich und die komplexe Gemengelage nicht prägsame Wort vom „n. [=Nazi-] vielleicht bloß dem Verlagspro- wieder zu verwischen, sondern Schwanz“ in die Welt setzt. Da jekt der „ungekürzten Neuaus- endlich genau zu dokumentieren. die Editoren mit ihrem – bei allen gaben“ geschuldet, ist dann ihre Nicht virtuell aber digital wäre das Abstrichen – ‚Helden‘, nicht aber Entscheidung für eine weitere Edi- möglich: Dem Text des Erstdrucks mit den Nazis gemeinsame Sache torenfassung. Obwohl Williams wäre die bislang ungedruckte, ein- machen wollen – wer wollte das wie kaum jemand deutlich macht, hellig als „im reaktionären Sinn schon? –, stimmen sie darin über- dass der „n. Schwanz“ zur zweiten viel konsequenter“ (Caspar nach ein, vor allem diesen Schluss zu Filmfassung für die TOBIS gehört, EG 799) klassifizierte zweite Film- eliminieren. Wie das am besten zu orientiert auch sie ihre Edition am fassung und die englische Über-

16 SALATGARTEN 2/2019 NEUES ZU FALLADA ■

setzung von 1940 im Netz zur Seite rade sie nicht einer eingehenden schwer zu erklären… Du weißt das zu stellen. Dort wäre auch Platz Analyse unterziehen? Müsste man mit Erich. Und dann das mit Eva. für das von Williams begonnene nicht schauen, was Fallada in die- Sophie ist auch nicht, wie sie sein Verzeichnis der Varianten in den ser Drucksituation aus seinem ur- soll. […] Wenn eben die Familie zer- Editoren-Fassungen. Nur so könn- sprünglichen Schreibplan und Ma- fällt, die ist doch der Grundpfeiler te sich der Leser endlich selbst ein nuskript hat entwickeln können? vom Staat.“28 Urteil bilden, wie NS-affin oder re- Sollte das Urteil über einen vom 1938 kulminiert der Roman aktionär die Fassungen wirklich Autor genau so zur Publikation in einer Szene, die dem „Tag von ausfallen und was das im Einzel- gebrachten Roman nicht zumin- Potsdam“ am 21. März 1933 nach- nen und im Lichte des Gesamttex- dest auf eine eingehende literatur- empfunden ist, nur dass statt Hit- tes betrachtet bedeutet. wissenschaftliche und vor allem ler und Paul von Hindenburg sich narratologische Untersuchung im Roman Ramin und der eiserne VI. Was heißt und bedeutet gestützt werden? Williams findet Gustav die Hände schütteln, nach- eigentlich „n. Schwanz“? deutliche Worte dafür, dass Falla- dem sie gemeinsam den Überfall Freilich hat Fallada den Druck da „nicht gewillt – in der Tat auch von „sechs, acht Gestalten“29 ab- verspürt, der auf ihn und seinen nicht fähig – [war], eine überzeu- gewehrt haben. Gibt es überzeu- Verleger Rowohlt ausgeübt wur- gende Schilderung des Aufstiegs gende Gründe anzunehmen, dass de: etwa wenn stimmt, was man der NSDAP zu liefern“ (EG 814). der Roman dieses Bündnis von ihm zuträgt, nämlich dass Goeb- Eben. Wilhelminismus und Nazis feiert? bels sich drohend über seine Wei- Aber sollte nicht auch jeder Jedenfalls untersucht auch dieser gerung geäußert haben soll, die ein solches Urteil am Text kritisch Roman, inwiefern neben der über- Geschichte des eisernen Gustav bis überprüfen können, ohne sich auf wiegenden Mehrzahl seiner dar- 1933 zu verlängern. die Triftigkeit der Vorentschei- gestellten Figuren auch „die Zeit Änderungswünsche werden er- dungen eines Editors verlassen zu krank“ ist.30 hoben, und Fallada reagiert darauf müssen? Eine Analyse hätte dann Freilich, da ist der jüngste Sohn, wie so oft. Aber knickt er auch ein? freilich mehr zu leisten, als nur wie Heinz Hackendahl, bis dahin zwar Der „n. Schwanz“ stammt ja von paralysiert auf die umgearbeiteten nicht Held, aber doch der Sympa- ihm, und ihm stehen einige Mittel Passagen zu starren: Sie hätte den thieträger in diesem Falladaschen zu Gebote. Man hat es an Wir hat- ganzen Text einer Interpretation Universum überwiegend ambiva- ten mal ein Kind ablesen können, zu unterziehen und den Schluss lent oder negativ gezeichneter Fi- mehr noch an Wolf unter Wölfen. im Lichte der vollständigen Erzäh- guren. Und ausgerechnet ihn lässt Der wird 1937 zum großen Erfolg lung zu bewerten – ein Schluss, der Fallada auf Anraten Ramins zu den bei Kritik und Leserschaft, obwohl übrigens nie ins Jahr 33 verlegt Nazis gehen. Warum zeichnet er er die paramilitärischen Putschis- wird. Dann genügt es auch nicht keinen Widerständigen, wenigs- ten der Inflationszeit alles andere mehr, den Auftritt eines zum Nazi tens Abweichler? Nun, weil diese als gut aussehen lässt, zu denen konvertierten adligen Weltkriegs- Entwicklung, dieses eigentlich ja auch Hitler mit seinem Marsch leutnants vom Romananfang oder von außen dem Autor aufgezwun- auf die Feldherrnhalle in München dessen Handschlag mit dem alten gene Einmünden, nicht einer ge- vom 8./9. November 1923 gehört Hackendahl bloß festzustellen. wissen inneren Logik entbehrt: hat. Dennoch, für Studnitz etwa Denn der ist immer noch der eiser- An Heinz (der im Filmmanuskript bleibt die Rowohlt-Fassung des ne Gustav, als den ihn der ganze sogar psychisch erkrankt) lässt sich EG „ein Sündenfall und ein kaum Text gezeigt hat: ein Repräsentant die Befindlichkeit des arbeitslos nachvollziehbarer Kotau vor den des Wilhelminismus durch und gewordenen Angestellten und Fa- Machthabern“,25 während Hage- durch, der in seiner Familie regiert milienvaters zeigen und wie einer stedt und Koburger zumindest die „genau wie in der Kaserne“.27 Vier von den sozialen und ökonomi- repressiven Umstände berücksich- seiner fünf Kinder sind unter sei- schen Umständen in der Weima- tigt wissen wollen.26 ner Fuchtel schon ver- und zerstört rer Republik den Nazis in die Arme Aber müsste man, anstatt die worden. Wie sonst könnte Heinz getrieben werden konnte. Nur we- 1938er Fassung des EG in Bausch resümieren: „Na ja, dekadent… Du nige Stellschrauben mussten von und Bogen zu verdammen oder kennst das nicht? Weißt du, das Fallada gedreht werden, um aus wenigstens zu entschuldigen, ge- ist so… wenn ’ne Familie, ja, das ist dem schwachen kleinen Mann,

SALATGARTEN 2/2019 17 ■ NEUES ZU FALLADA

1 Fallada, Hans: Der eiserne Gustav. Roman. Hg. 20 Schonauer, Franz: Falladas retuschiertes Mor- dem Angestellten Johannes Pinne- u. mit einem Nachwort von Jenny Williams. genrot. Man kennt den eisernen Gustav jetzt Berlin: Aufbau 2019. ISBN 978-3-351-03760-4. kaum wieder. In: Die ZEIT Nr. 26 (26.6.1958), S. 6 berg, dem es trotz seines sozialen € 26,00. Zitiert wird im Fließtext mit der Sigle 21 Allerdings nur beispielhaft bei Woll, Silvia: Der Abstiegs, trotz der proletarischen EG und der Seitenzahl: Andere Fassungen wer- eiserne Gustav (1938). In: Hans Fallada. Leben den gesondert nachgewiesen. – Werk – Wirkung. Hg. Gustav Frank, Stefan Herkunft seines Lämmchens, trotz 2 Woll, Silvia: Der eiserne Gustav (1938). In: Hans Scherer. Berlin/Boston 2019, S. 404–405. der Sorge um den Murkel nie in den Fallada. Leben – Werk – Wirkung. Hg. Gustav 22 Fallada, Hans: Der eiserne Gustav. Berlin 1938, Frank, Stefan Scherer. Berlin/Boston 2019, S. 360. Sinn kommt, gegen die Rechten zu S. 404. 23 Woll, Silvia: Der eiserne Gustav (1938). In: Hans wählen, einen Heinz Hackendahl 3 Zur Bewertung dieser Kürzungen in der For- Fallada. Leben – Werk – Wirkung. Hg. Gustav zu machen. Vor allem die Rück- schung vgl. Delabar, Walter: Kleiner Mann – was Frank, Stefan Scherer. Berlin/Boston 2019, nun? (1932). In: ebd., S. 282–304. S. 395. kehr in den Schoß der Herkunfts- 4 Vgl. Frank, Gustav/Scherer, Stefan: Wir hatten 24 Dazu trägt Entscheidendes Sabine Koburger in familie, unter das Joch des Vaters mal ein Kind (1934). In: ebd., S. 324-353; Scherer, diesem Heft nach. Stefan: Moderner Realismus. Falladas Tradi- ist seit dem Bildungsroman der tionsverhalten in Wir hatten mal ein Kind. In: 25 Studnitz, Cecilia von: „Es war wie ein Rausch“. Fallada und sein Leben. Düsseldorf 1997, S. 302. Goethezeit ein Indikator für schei- Salatgarten 1 (2019): S. 11–16. 5 Fallada, Hans: Ewig auf der Rutschbahn. Brief- 26 Vgl. Hagestedt, Lutz: „Sehr viel wahrer ist in ternde Lebensläufe. Da macht der wechsel mit dem Rowohlt Verlag. Hg. Michael Deutschland seither nicht geschrieben worden.“ EG keine Ausnahme. Will man zu- Töteberg/Sabine Buck. Reinbek bei Hamburg Forschungs- und Tagungsbericht. In: Hans 2008, S. 142f. Fallada. Autor und Werk im Literatursystem der spitzen, könnte man sagen: Gera- Moderne. Hg. Patricia Fritsch-Lange/Lutz Hage- 6 Richter, Trude: Der gleichgeschaltete Fallada. stedt. Berlin/Boston 2011, S. 215–232, hier S. 217, de der Druck auf ihn hat Fallada zu Zu seinem neuesten Roman, In: Internationale Koburger, Sabine: Ein Autor und sein Verleger. einem realitätsgesättigten Schluss Literatur. Zentralorgan der Internationalen Ver- Hans Fallada und Ernst Rowohlt in Verlags- und einigung Revolutionärer Schriftsteller 5 (1935) Zeithorizonten. München 2015, S. 550. animiert, was sonst bei ihm nicht Nr. 4, S. 103–106, hier S. 104. 27 Fallada, Hans: Der eiserne Gustav. Berlin 1938, die Regel ist. 7 Zitiert nach Frank, Gustav/Scherer, Stefan: Der S. 11. Kutisker-Roman (1941/1944). In: Hans Fallada. Leben – Werk – Wirkung. Hg. Gustav Frank, 28 Ebd., 230f. Stefan Scherer. Berlin 2019, S. 425. 29 Ebd., S. 736. 8 Ebd., S. 421–430. 30 Ebd., S. 231. 9 Zitiert nach ebd., S. 423. 10 Fallada, Hans: Ewig auf der Rutschbahn. Brief- wechsel mit dem Rowohlt Verlag. Hg. Michael Töteberg/Sabine Buck. Reinbek bei Hamburg 2008, S. 245. 11 Williams, Jenny: Mehr Leben als eins. Hans Fallada. Biographie. Aus dem Englischen von Hans-Christian Oeser. Berlin 2002, S. 256. 12 Goebbels, Josef: Tagebücher 1924–1945. Bd. 3: 1935–1939. Hg. Ralf Georg Reuth. 2. Auflage München, Zürich 1992, S. 1240. 13 Koburger, Sabine: Ein Autor und sein Verleger. Hans Fallada und Ernst Rowohlt in Verlags- und Zeithorizonten. München 2015, S. 547. 14 Fallada, Hans: In meinem fremden Land. Gefängnistagebuch 1944. Hg. Jenny Williams/ Sabine Lange. Berlin 2009, S. 171. 15 Davon ist im Brief an Rowohlt vom 4.8.1938 die Rede, wo es heißt, der Otto-Darsteller Mathias Wieman „findet Roman wie Drehbuch aus- gezeichnet. Hat mich angerufen.“ (zitiert nach Fallada, Hans: Ewig auf der Rutschbahn. Brief- wechsel mit dem Rowohlt Verlag. Hg. Michael Töteberg/Sabine Buck. Reinbek bei Hamburg 2008, S. 259) 16 Koburger, Sabine: Ein Autor und sein Verleger. Hans Fallada und Ernst Rowohlt in Verlags- und Zeithorizonten. München 2015, S. 545 17 Ditzen an Rowohlt am 4.8.1938, zitiert nach Fallada, Hans: Ewig auf der Rutschbahn. Brief- wechsel mit dem Rowohlt Verlag. Hg. Michael Töteberg/Sabine Buck. Reinbek bei Hamburg 2008, S. 258 18 Rowohlt an Ditzen am 21.9.38, zitiert nach Koburger, Sabine: Ein Autor und sein Verleger. Hans Fallada und Ernst Rowohlt in Verlags- und Zeithorizonten. München 2015, S. 549. 19 Vgl. Caspar, Günter: Zum Text. In: Fallada, Hans: Der eiserne Gustav. Ausgewählte Werke in Einzelausgaben. Bd. 6. Hg. Günter Caspar. Ber- lin (Ost)/Weimar 1962, S. 815–837, hier S. 815f.

18 SALATGARTEN 2/2019 NEUES ZU FALLADA ■

Ideologie kontra Wahrhaftigkeit Die Romanbearbeitung des Blüchert Verlags 1958

SABINE KOBURGER dem anderen, alle große Romane – und selbst die Erinnerungsbücher Nach dem zweiten Weltkrieg dau- Damals bei uns daheim und Heute erte es dreizehn Jahre, bis ein deut- bei uns zu Haus kamen 1955 bzw. scher Verlag – Blüchert in Hamburg 1957 in einer Startauflage von je- – die Publikation des umstrittenen weils 50.000 Exemplaren heraus. Romans Der eiserne Gustav (1938) Zur Wahrheit gehört also, dass sich in Angriff nahm. Das Problem war, die „Notwendigkeit einer Neu- dass es weder ein Originalmanu- ausgabe“ vom Buchmarkt her ge- skript noch eine Anweisung des sehen aus einem einzigen Grund 1947 verstorbenen Autors gab, wie ergab: Fallada war ein Geschäft. z. B. mit dem auf Druck des Propa- Aber Rowohlt scheute wegen des gandaministeriums umgeschrie- sogenannten „Nazi-Schwanzes“ benen Schluss zu verfahren sei. Es davor zurück, den Eisernen Gustav lag nur die 1938 im Rowohlt Verlag in die rororo-Reihe zu nehmen Berlin publizierte Erstausgabe vor, (Als später Der eiserne Gustav doch und diese wollte man keineswegs noch in die rororo-Reihe Eingang eins zu eins übernehmen. Die Ent- fand, wurde als Lizenz von Aufbau Bucheinband Blüchert 1958, gestaltet scheidung für eine Bearbeitung der die Fassung von Günter Caspar von Werner Rebhuhn Erstausgabe begründete der Verlag von 1962 übernommen, dies ent- folgendermaßen: „Da von der ers- sprechend im Buch vermerkt und zu sehen ist, dass auf der hinteren ten Fassung kein Manuskript mehr Caspar erhielt, vermittelt über Auf- Umschlagklappe der ersten Bän- vorhanden ist, Fallada 1947 überra- bau, 500 DM für seine Mühen). de von 1954 zu lesen ist: „bbb-blü- schend starb und die alte Fassung Kompliziert gestalteten sich cherts bewährte Bücher wurden nicht mehr wiederherstellen konn- auch die Fragen der Buchrechte aus der Serie erfolgreicher rororo- te, es aber kaum seinem Wunsch an Falladas Werken. Die dama- Taschenbücher ausgewählt und in entsprochen hätte, die Ausgabe lige Rechteinhaberin Emma D. der vorliegenden, geschmackvol- von 1938 unverändert abzudru- Hey nutzte ihre Möglichkeiten len Ausstattung als Geschenkaus- cken, hat der Verlag den Versuch ei- geschickt aus, indem sie Rowohlt gaben gestaltet. Dass damit einem ner Bearbeitung gewagt und Peter lediglich Taschenbuchrechte ein- lang gehegten Wunsch nicht nur W. Tügel, einem guten Kenner des räumte, und Hardcover-Ausga- vieler anspruchsvoller Taschen- Falladaschen Gesamtwerkes die ben gesondert mit Verlagen und buchleser entsprochen wurde, be- ‚Entschlackung‘ des Romans der Buchgemeinschaften abschloss. weist die freudige Aufnahme, die dreißiger Jahre übertragen.“1 Sie versuchte, mit allem Geld zu den bisher erschienenen Titeln der Was in der Begründung des Ver- machen und vergab die Rechte an bbb-Reihe zuteil wurde: [es folgt lags nicht steht, was man aber mit- Blüchert, der einen großen Falla- eine Liste der erschienenen und denken muss: Seit rororo Nr. 1, Klei- da-Roman, der leider „nazianrü- geplanten Bände, S. K.]. Alle Bände ner Mann – was nun?, war Fallada in chig“ war, trotzdem vermarkten sind in Feinleinen gebunden und der BRD wieder ein viel gelesener wollte. Das war übrigens nicht der mit vierfarbigem Schutzumschlag Autor. 1958, als der Blüchert Ver- erste und nicht der letzte Fallada- versehen“3. Der eiserne Gustav war lag seine Ausgabe herausbrachte, Titel im Blüchert Verlag, wobei da allerdings nicht dabei. hatte der Kleine Mann im Rowohlt interessant ist, dass die Umschlag- Doch zurück zur Neuausgabe Verlag die Auflage von 233.000 gestaltung von Werner Rebhuhn des Blüchert Verlags. Eine posthu- Exemplaren erreicht, und in sei- stammt, der sonst für Rowohlt ar- me Revision des Romans ohne Ma- ner Taschenbuchreihe druckte beitete.2 Es gab also eine Nähe zum nuskript oder Aufzeichnungen des Rowohlt einen Fallada-Titel nach Rowohlt Verlag, was auch daran Autors, aus denen deutlich würde,

SALATGARTEN 2/2019 19 ■ NEUES ZU FALLADA

dass die neu hergestellte Fassung verfolgen, wie er bei seiner Bear­ dem hinterlistigen Abgeordneten die vom Autor gewollte ist, ist ein beitung vorgegangen ist. Über Dr. Pasold eine zusätzliche Figur fragwürdiges Unternehmen und ganze Abschnitte hindurch folgt und hebt damit die Kritik auf eine fordert Kritik förmlich heraus. Das er der 1938er Ausgabe wörtlich, nur individuelle Ebene. Fallada Presseecho auf die Romanbearbei- um dann ausgewählte Textstellen, lässt in Kapitel 2/4 den sozialde- tung durch Peter W. Tügel war mitunter auch nur einzelne Sätze, mokratischen Abgeordneten auf dann auch überwiegend kritisch wegzulassen, umzuschreiben oder Erichs Frage, ob er denn wisse, was bis ablehnend. Der Feuilleton- etwas Neues hinzuzufügen. Oft Krieg sei, antworten „Ich weiß es. chef der Berliner Zeitung, Walter sind es Petitessen: „Und du nennst Seit meiner Jugend habe ich für den Lenning, bezeichnete diese „Ent- dich Sozialist?“ (Fallada) „Und du Arbeiter gekämpft, auch das war ein schlackung“ als verfehlt, andere hast dich Revolutionär genannt?“ Krieg, es gab alle Tage Tote, Verstüm- Kritiker sprachen sogar von einer (Tügel), die jedoch in ihrer Gesamt- melte …Aber ich habe gewußt, wofür Verfälschung.4 Franz Schonauer heit eine Wirkung entfalten. Meist ich kämpfte, dafür, daß der deutsche schrieb in der ZEIT unter dem Titel jedoch verändert er ganze Textpas- Arbeiter, und mit ihm der Arbeiter „Falladas retuschiertes Morgen- sagen, mildert krasse Ausdrücke der Welt, ein wenig glücklicher, ein rot“, man kenne den eisernen Gus- (so wird aus einem fetten Zivilis- wenig leichter lebe.“9 Tügel hinge- tav jetzt kaum wieder.5 ten ein dicklicher) oder streicht gen betont die Haltung Dr. Pasolds Vergleicht man beide Fassun- politisch bzw. erotisch heikle oder gegen den Krieg und den Wider- gen, muss man den Kritikern recht scheinbar heikle Episoden bzw. standskampf der Sozialdemokra- geben. schreibt sie um. Da Fallada in sei- ten: „Ich weiß es. Dieser Krieg ist nem Roman die Familien- und die sinnlos. Er ist ein Verbrechen. Seit Die „Reinigung“ des Textes Zeitchronik von 1914 bis 1933 un- meiner Jugend habe ich für den Ar- Das geringste Problem der Neu- trennbar miteinander verknüpft beiter gekämpft, ich habe noch die ausgabe ist das Fehlen des neunten hat, erzeugen die zahlreichen Ein- schweren Jahre mitgemacht, als es Kapitels der 1938er Ausgabe. Tügel griffe Tügels nicht nur ein Abbild ein Verbrechen war, Sozialdemo- lässt den Roman mit Gustavs einsa- der Geschichte, das vom Zeitgeist krat zu sein. Auch das war ein Krieg mer Droschkenfahrt durch Berlin der 50er Jahre überlagert ist, son- … Aber ich habe gewußt, wofür ich enden: „Sie haben ihn schon wie- dern stören auch vom Autor ge- kämpfe, dafür, daß der deutsche der fast vergessen – den eisernen wollte doppelbödige Ironie und Arbeiter und mit ihm der Arbeiter Gustav.“6 Damit tilgt er den unter symbolhafte Darstellungen. Damit der Welt, ein wenig glücklicher, dem Druck des Propagandaminis- ist nicht nur die Tendenz der bei- ein wenig leichter lebe.“ (104) teriums entstandenen sogenann- den Werke unterschiedlich, wie Als Erich Hackendahl missbilli- ten „Nazischluss“ (eine meiner Rezensent Schonauer feststellt8, gend die Zustimmung der Sozial- Meinung nach nicht zutreffende sondern die Eingriffe reichen bis demokraten zu den Kriegskrediten Bezeichnung, denn „sie ignoriert in die literarische Dimension des anspricht, entgegnet der Abgeord- Falladas Geschick, seine Bücher Werkes hinein. nete bei Fallada: „Weil wir Deutsch- aus der Gefahrenzone zu bringen“ Auffällig viele Eingriffe nimmt land lieben, jawohl Erich. Es sind ebenso wie die Zeitumstände).7 Tügel vor, wenn es um sozialdemo- unendliche Fehler gemacht worden, Gleichwohl ist dieser Eingriff im- kratische Positionen und Figuren vom Kaiser […] Aber man läßt ein merhin nachvollziehbar, zumal er geht. Fallada sieht die Rolle der Kind nicht wegen Fehlern im Stich, Falladas ursprüngliche Intention SPD kritisch, bei Tügel hingegen man verläßt auch nicht seine Mutter berücksichtigt, den Roman 1928 wird das Bestreben deutlich, die So- … Wir haben mit Ja gestimmt. Wir mit der Rückkehr Gustavs nach zialdemokraten in einem besseren konnten gar nicht anders. Das ganze Berlin enden zu lassen. Licht zu zeigen. Während Fallada Volk sagt Ja, Erich. Und wir wollten Bedauerlicherweise hat es Tügel fast immer den anonymen Begriff auch nicht anders.“ (143) aber damit eben nicht belassen, „Abgeordneter“ oder „Doktor“ für Bei Tügel spüren wir eine ande- sondern mit einer Rücksichtslosig- die Figur des Anwalts und Förde- re Tendenz: „Es sind unendliche keit gestrichen, geändert, umge- rers von Erich, Dr. Meier, verwen- Fehler gemacht worden, vom Kai- schrieben, die nicht zu entschul- det, was eine Distanz beim Leser ser […]. Aber so, wie die Lage nun digen ist. Es ist aufschlussreich zu hervorruft, erfindet Tügel mit einmal ist, mußten auch wir unser

20 SALATGARTEN 2/2019 NEUES ZU FALLADA ■

Ja geben. Nicht leichten Herzens, Strategie seiner Partei erklärt. Die geltung an der Bevölkerung. Wer- nein. Das Volk ist wie in einem Regierung werde stürzen, wenn den solche Vorkommnisse getilgt, Rausch – und das ist schlimm, die Front zusammenbreche, man weil sie nicht in die neue Zeit pas- Erich. Das sage nicht nur ich, das müsse nur warten. „Wir sind dann sen, leidet die historische Wahr- sagen nicht nur Sozialdemokraten die einzigen, die eine Regierung bil- haftigkeit. – […]“(167) den können. Weil der Arbeiter, der Ähnlich verfährt Tügel mit dem Sätze des sozialdemokratischen Proletarier, nun, das ganze Volk uns Kapitel 7/10. Dort ist alles gestri- Abgeordneten wie: „Erich, jetzt vertraut …Und Sie bewilligen die chen, was Fallada über die Schuld- geht e i n Wille durch das Volk, e i n Kriegskredite! sprach Erich starr. frage Deutschlands am Ersten Glaube, e i n Zusammenhalt! Wenn Weil wir den anderen Krieg gewin- Weltkrieg, die Ungerechtigkei- sie [die Regierenden, S. K.] diese Stun- nen wollen, den großen, den Welt- ten, die das Land erdulden muss- de nicht nützen, wenn sie sich nicht krieg! Du verstehst nicht, Erich? te, und die von Hass vergifteten ohne Dünkel an die Front einglie- Aber welcher andere Krieg wird ge- Beziehungen der Menschen aus- dern – wenn auch diese Gelegenheit kämpft, seit die Welt steht, als der führt. Selbst wenn man gerade die ungenützt verstreicht, dann, Erich, für die Elenden und Armen, der für Kriegsschuldfrage 1958 anders sah kommt eine schreckliche Zeit. […] den Arbeiter, den Proleten, den Ket- als 1938, ist die Streichung frag- Es geht wirklich etwas vor im deut- tensträfling? D e n Krieg wollen wir würdig, wenn Ereignisse in einem schen Menschen“(143 f.) oder des gewinnen! “ Nur wenn der Militär- Roman von 1938 aus der Sicht ei- Leutnants von Ramin: „Wenn die- krieg verloren werde, breche der nes Zeitgenossen dargestellt wer- ser Krieg einen Sinn haben soll, so Glaube an die Militärs zusammen, den. Da überdies Fallada gerade muß etwas Neues, etwas Lebendiges komme die Befreiung der Arbeiter hier symbolhaft das Schicksal des aus ihm kommen.“ (197) hat Tügel der Welt und „dann kommt unser Landes mit dem der Brüder Ha- ausradiert und damit historische Staat, Erich“ Der Abschnitt endet ckendahl verknüpft, schadet die Realität unkenntlich gemacht. damit, dass der Abgeordnete Erich Streichung auch der literarischen Besonders augenscheinlich sind einen Vorschlag zuflüstert, der auf Verfahrensweise. Tügels Eingriffe in Kapitel 3/8: Fal- schmutzige Geschäfte schließen Kapitel 7/12, in dem Heinz den lada: „Sie, Herr Doktor! rief er [Erich] lässt, die aber zunächst nicht offen- humanistisch gebildeten, „ge- verlegen. Sie hätte ich nie hier in Lille bart werden: „Du müßtest …“(207) liebten Lehrer“ seines ehemaligen erwartet! Ganz offiziell, mein Junge, Bei Tügel ist das gleiche Gespräch Gymnasiums, Professor Degener, sagte der Abgeordnete beruhigend. kürzer und allgemeiner gehalten aufsucht, fehlt ganz. Schade, end- Eine Frontreise von Abgeordneten und die Kritik an der Sozialdemo- lich einmal eine positive Lehrerge- aller Fraktionen auf Einladung des kratie fehlt; es wirkt eher wie eine stalt! Die Frage, warum Tügel das Oberkommandos.“ (204) Tügel: „[…] geschäftliche Abmachung. Der Kapitel komplett gestrichen hat, Rein geschäftlich, mein Junge, sag- Schluss beschreibt Erichs Einsicht, ist schwer zu beantworten, mög- te Dr. Pasold. Die Not daheim ist die Verbindung zum Abgeordne- licherweise war ihm die Episode groß, es sind harte Zeiten, Erich, ten wieder aufzunehmen, da es um die schwarz-weiß-rote Fahne wir müssen uns gewaltig strecken. vorteilhaft für ihn ist, mit denen [des Kaiserreichs, S. K.], die der Pro- Aber ich freue mich, daß es dir we- verbunden zu sein, die nach dem fessor auf seinem Balkon gegen nigstens gut geht – (240) Im weite- verlorenen Krieg an der Macht sein die rote des Nachbarn verteidigt, ren Verlauf des Kapitels 3/8 streicht werden (246). zu heikel. Fallada zeigt an dieser Tügel knapp drei Buchseiten und In Kapitel 6/6, in dem Erich Episode die Unversöhnlichkeit der schreibt die Handlung um. Im Kern und der Abgeordnete des Nachts politischen Haltungen, wie sie ty- geht es bei Fallada darum, dass angetrunken die Lokale pisch für die späte Weimarer Re- bei der letzten Abstimmung im durchstreifen, fehlen Falladas Ein- publik war, insofern ist sie ein Zeit- Reichstag über die neuen Kriegs- schübe über die Ereignisse in der dokument. kredite ein Drittel der SPD-Frakti- westfälischen Stadt Buer, in der zur Im Abschnitt 17 des gleichen Ka- on dagegen stimmte – nicht so die gleichen Zeit zwei französische Of- pitels wird aus einem Nationalso- anderen zwei Drittel, denen der fiziere erschossen und ausgeraubt zialisten [Leutnant Ramin, S. K.] ein Abgeordnete angehört, der Erich werden. Die französischen Besat- Nachtwächter und Freund. Bei Fal- auch gleich die dahinterstehende zungstruppen üben grausam Ver- lada ist zu lesen: […], so kam er zu

SALATGARTEN 2/2019 21 ■ NEUES ZU FALLADA

Zorn, zu Haß, Glauben – so kam er in des Rheins.“ (694) durch: „Und sie Augen“ (203) wird ein „Zivilist mit die Partei.“ (627) Bei Tügel heißt es: wollen Haß und Zwietracht verges- traurigen Augen“ (239) „Er setz- „[…] durch eine Schlägerei zu Arbeit sen und Freundschaft schließen mit te sich traurig und zornig an einen und vielen Mißhelligkeiten – aber den Menschen jenseits des Rheins. Holztisch“ (203) wird zu „Er setzte auch zu einem Freund.“ (687) Ge- (752) Den „Erbfeind“ hat Tügel be- sich an einen Holztisch“ (239), aus strichen hat Tügel Irmas Vorwurf: reits im 2. Kapitel der Originalaus- „vorlesen, bis sie [Eva, S. K.] von ihrer „Nun fang nicht auch noch mit Poli- gabe eliminiert, als der jugendliche Bürste kippte“ (468) wird „[…] sie tik an! Und ausgerechnet die Nazis! Heinz Hackendahl zu seinem Vater kniete neben dem Bett auf einer Die sind ja noch schlimmer als die sagt: „Den Franzosen haben wir doch Bürste und las vor.“ (518) – es würde Kommunisten!“ (627) Dafür lesen noch nicht den Krieg erklärt. Warum zu weit führen, weitere Verände- wir: „Aber Irma war wenig begeis- denn nicht, Vater? Die Franzosen rungen hier aufzuführen. tert: Nachtwächter! Das ist schon sind doch der Erbfeind!“ (103) Das was Rechtes! Und dafür willst du erschien ihm womöglich für die Schlussbemerkung: deine Unterstützung aufgeben?“ deutsch-französischen Beziehun- Auf diese Neuausgabe hätte der (687) Die folgenden acht Seiten, in gen der Nachkriegszeit schädlich. Verlag besser verzichtet. Sie ist ein denen Heinz, angeregt durch die Fallada hat jedoch eine typische Zerrbild von Falladas Roman und Bekanntschaft mit Ramin, über Haltung der Deutschen vor und vermittelt dem Leser ein geschön- das Leben und seine eigenen Idea- nach dem Ersten Weltkrieg wie- tes Bild der Jahre zwischen 1914 bis le nachdenkt und sich zum Eintritt dergegeben, deshalb gehört das 1933. Es ist gut, dass die Erben eine in die NSDAP entschließt, hat Tügel in eine Zeitchronik und darf eben Autorisation der Neuausgabe ver- ebenfalls eliminiert. nicht aus falscher Rücksichtnahme weigert haben. Ich stimme Walter Wörtlich hingegen übernimmt gestrichen werden. Lenning zu „daß man sich mit Ver- er das gesamte 8. Kapitel, die Fahrt Man könnte noch viele Beispie- wunderung fragt, wie unter sol- nach Paris. Lediglich in den Ab- le aufzählen, in denen „Political chen Umständen das Dritte Reich schnitten 6 und 10 muss er (folge- Correctness“ eine Rolle spielt. überhaupt stattgefunden hat“, richtig) die Passagen streichen, in Gleichwohl verändert Tügel auch und schließe mich seiner Schluss- denen es um die NSDAP geht. Er- Passagen, die auf den ersten Blick folgerung an: staunlich ist, dass er selbst in die- unbedenklich erscheinen. So in „Je schärfer man dieses ‚Experi- sem politisch unproblematischen Kapitel 3/7, als Otto Hackendahl ment‘ ablehnt, um so weniger wird Kapitel wenige Kleinigkeiten än- seinen Urlaub antritt: „Dann war es es hoffentlich Schule machen.“10 dert, die eventuell anfechtbar sein so weit. Sein Kompanieführer schüt- könnten. So streicht er, was Gustav telte ihm noch die Hand. Kommen 1 K.H.K: Hans Fallada. Der eiserne Gustav. In: Der während seiner Fahrt durch Ver- Sie guter Stimmung wieder, Hacken- werbende Buch- und Zeitschriftenhandel. 66. dun in den Sinn kommt: „Traurig dahl, sagte er. Lassen Sie sich von Jg., 4. 12. 1958, S. 441. ist er nur über die unendlich vielen denen im Hinterlande nicht anste- 2 Vgl. http://www.blüchert.ch/reihe_fallada.html 3 http://www.blüchert.ch/reihe_bbb.html Toten, daß aus soviel [sic] Opfer und cken. Es soll dort faul aussehen. (201) 4 Vgl. Lenning, Walter: Eine verfehlte „Entschla- Mut nichts wurde bisher als Zu- Falladas Schilderung impliziert ckung“. Anmerkungen zur Neuausgabe des Romans „Der eiserne Gustav“. In: Tagesspiegel, sammenbruch, Elend, Streit“ (700), ein gutes Verhältnis zwischen Of- Sonntagsblatt Nr. 40, 5. 10. 1958. Ebd. ebenso streicht er die beiden letz- fizier und Unterstelltem. Das soll- 5 Schonauer, Franz: Falladas retuschiertes Mor- ten Nebensätze aus der Textstelle: te offensichtlich so nicht stehen- genrot. In: Die ZEIT, 26. 4. 1958. 6 Fallada, Hans: Der eiserne Gustav: Hamburg: „Es ist, als lebe hier, zehn Jahre nach bleiben, denn Tügel ersetzt den Blüchert 1958, S. 772. – Weitere Seitenangaben Kriegsende, der Krieg noch viel stär- „Kompanieführer“ durch „die Ka- erfolgen im Anschluss an das Zitat in Klam- mern. ker als in Deutschland, das doch das meraden“: „ Dann war es so weit. 7 Hagestedt, Lutz:.“Sehr viel wahrer ist in besiegte Land sein soll … als lebe er Ein paar Kameraden brachten ihn Deutschland seither nicht geschrieben worden“. Ein Tagungsbericht. In: Hans Fallada. Autor und als Druck stärker bei den ‚Siegern‘ …“ noch ein Stück, bis aus den Gräben. Werk im Literatursystem der Moderne. Hg. von (698). Im 10. Abschnitt ersetzt Tü- […]“ (236) Patricia Fritsch-Lange und Lutz Hagestedt. De Gruyter 2011, S. 218. gel den Satz aus dem Original „Und Einzelne kleine Änderungen wie 8 Ebd. nach einer langen Zeit von ewigem die folgenden tragen dazu bei, dass 9 Fallada, Hans: Der eiserne Gustav. Berlin: Haß, Zwietracht, Zorn fühlen sie gra- sich Stimmung und Atmosphäre Rowohlt 1938, S 90. – Weitere Seitenangaben erfolgen im Anschluss an das Zitat kursiv in de wieder ein freundliches Gefühl für verändern. Aus „ein fetter, dunkel Klammern. den alten ‚Erbfeind drüben, jenseits aussehender Zivilist mit traurigen 10 Lenning: Eine verfehlte „Entschlackung“.

22 SALATGARTEN 2/2019 NEUES ZU FALLADA ■

Eine gute Geschichte leider verschenkt „Der eiserne Gustav“ als Fernsehserie 1979

MICHAEL TÖTEBERG Schauen wir in die Anlagen. Zu- der „geschiedenen Frau Fallada“, nächst der Brief an den Regisseur die gesagt habe: „Mein Mann hat Juristische Scharmützel Wolfgang Staudte. Otto Hartmann nur in Trunkenheid [sic] Bücher ge- Am 3. März 1978 erhielt der erklärt, dass er „als Sohn des Eiser- schrieben.“ Für ein anderes Dreh- Rowohlt Verlag Post vom Südwest- nen Gustav die Verfilmung des ‚Ei- buch könne er, Hartmann, noch funk, Baden-Baden. Es sei dem sernen Gustav‘ aus dem Buch von genügend Material zur Verfügung Sender bekannt, dass der Verlag Fallada verbiete“, „da es sich hier- stellen. „Zum Schluss möchte ich eine Neuauflage des Romans Der bei um einen widerlichen Sitten- nicht unerwähnt lassen. Ich stehe eiserne Gustav plane. „Wir nehmen roman handelt, der keinesfalls mit mit Bonn in Verbindung.“ an, daß Sie an folgendem Vorgang meiner Familie in Zusammenhang Den Verlag schreckte die Dro- interessiert sind uns gf. einige In- gebracht werden darf“. In dem hung nicht. Urheberrechte konnte formationen geben können: Der Schreiben an Willibald Hilf, den In- Hartmann nicht geltend machen, Südwestfunk hat mit Frau Emma tendanten des Südwestfunks, wie- in Frage kamen nur Persönlichkeits- D. Hey, Braunschweig, als Urhe- derholte Hartmann: „Als Inhaber rechte. Matthias Wegner, Leiter des berberechtigte für Hans Fallada, der Urheberrechte lege ich hier- Rowohlt Taschenbuchverlags, hat- einen Vertrag über die Herstellung mit energisch Einspruch ein, für te Erfahrungen gesammelt im Um- eines mehrteiligen Fernsehspiels die Dreharbeiten den Roman von gang mit „postmortalen Persönlich- nach dem Roman ‚Der eiserne Gus- Fallada zu verwenden.“ Sich selbst keitsrechten“: Er hatte es gewagt, tav‘ geschlossen. Mit Schreiben stellte er als „karakterlich [sic] ohne den auf Klage des Adoptivsohns vom 24. Februar 1978 (Kopie anbei) Tadel“ vor; er sei „30 Jahre im öf- von Gustaf Gründgens höchstrich- wandte sich ein Herr Otto Hart- fentlichen Dienst – Justiz-Oberbür- terlich in Westdeutschland verbo- mann als Sohn des ‚eisernen Gus- germeister – z.T. in Vertrauensstel- tenen Roman Mephisto von Klaus tav‘ gegen die Produktion; zuvor lung“ tätig gewesen. Anders als der Mann herauszubringen, ohne dass hatte Herr Hartmann am 8. Febru- Autor des ominösen Romans. „Zur die Justiz eingeschritten war – Per- ar 1978 bereits ein entsprechendes weiteren Erhärtung meiner Ableh- sönlichkeitsrechte verblassen im Schreiben an Herrn Staudte ge- nung gegenüber Fallada“ verwies Laufe der Jahre, und Gustav Hart- richtet (Kopie anbei).“1 Hartmann auf ein Interview mit mann war bereits 1938 gestorben.

„Der eiserne Gustav“ mit Gustav Knuth Fotomontage aus dem Booklet der DVD „Der eiserne Gustav“

SALATGARTEN 2/2019 23 ■ NEUES ZU FALLADA

Seit diesem Jahr war Falladas Ro- man – in dessen Vorspruch darauf hingewiesen wurde, dass alle Figu- ren inklusive des eisernen Gustav Geschöpfe der Fantasie des Verfas- sers seien – in verschiedenen Ausga- ben unbeanstandet geblieben. Die Produktion des Taschen- buchs wurde nicht gestoppt. Pa- rallel schaltete der Verlag seinen Rechtsanwalt Ferdinand Sieger ein. Der versierte Jurist, eine Kory- phäe auf dem Gebiet Urheberrecht, konnte angesichts der Formulie- rungen (und der Rechtschreibung) des Herrn „Justiz-Oberbürger- meister“ nur lächeln, gleichwohl fürchtete er eine einstweilige Verfügung zur Unzeit. Nicht, weil er unsicher in der Rechtslage sei, Buchcover „Der eiserne Gustav“ mit Buchcover „Der eiserne Gustav“ mit wohl aber wissend um „die Zufäl- Heinz Rühmann, rororo 1978 Gustav Knuth, rororo 1979 ligkeiten von Entscheidungen, die im eV-Verfahren von Sonnabend- Eine Auftragsarbeit der Finanzierung beteiligte sich nachmittags-Assessoren erlassen Als „ein sozialkritisches, sehr zudem das Schweizer Fernsehen. werden“.2 Deshalb sollte eine Aus- menschliches Zeitpanorama“ Es gelang, große Namen für das einandersetzung so früh wie mög- kündigte der Südwestfunk die Projekt zu verpflichten. Regisseur lich stattfinden und nicht erst, siebenteilige Verfilmung an. Die Wolfgang Staudte lehnte zunächst wenn bereits erhebliche Herstel- ARD war dabei, den traditionellen ab, denn er wollte kein Remake lungskosten investiert sind. Serientermin am Montagabend – machen. Aber im Gegensatz zum Seine Strategie: Hartmann sollte „diesem Stammplatz für Unterhal- Rühmann-Film sollte diesmal Fal- „frühzeitig dazu provoziert wer- tungsplotten und phantasiekillen- lada verfilmt werden. Staudte: den“ zu klagen. Das war offenbar de Belletristik-Verfilmungen“, wie „Dann habe ich den Roman ge- nicht schwer: Hartmann zog vor sich der Spiegel mokierte3 – durch lesen und mich hat – abgesehen Gericht. Das Berliner Landgericht aufwändige Mehrteiler nach lite- davon, daß es ein wesentlicher entschied, dass Falladas Roman- rarischen Vorlagen aufzuwerten. Stoff ist – die brillante Schilderung held eine Kunstfigur ist und keine Gedreht wurde „Der eiserne Gus- menschlicher Situationen gereizt, Rechte verletzt wurden. tav“ an Originalschauplätzen in natürlich auch der gesellschaft- Der Rowohlt Verlag wartete den Berlin-Kreuzberg, vor allem aber liche Sachverhalt, den Fallada be- Ausgang des Prozesses nicht ab im Südwestfunk-Studio Baden-Ba- schreibt. Mich hat gereizt, wie da und brachte – in der von Günter den, wo man nicht nur den Reichs- die alten preußisch-reaktionären Caspar besorgten Fassung – 1978 tag, sondern auch die Berliner Begriffe wie Ehre, Zucht und Ord- „Der eiserne Gustav“ als rororo- Kneipe nachbaute (ansprechende nung infrage gestellt werden. Und Taschenbuch Nr. 4261 heraus. Auf Motive hatte man vor Ort nicht ge- da habe ich dann gesagt: ja, ich dem Umschlag ein Filmfoto: Heinz funden). Gespart wurde nicht: Für mache es gerne.“4 Für das Dreh- Rühmann als der eiserne Gustav die Szenen bei der Mobilmachung buch wurde der Serien erprobte in dem gleichnamigen Spielfilm engagierte man 800 Komparsen. Autor Herbert Asmodi gewonnen, von 1958, der nichts mit dem Fal- Vier Millionen DM kostete die der auf der Pressekonferenz erklär- lada-Roman zu tun hat. Aber Fotos Produktion. Zwei Abteilungen im te: „Eine gute Geschichte, in der et- mit Gustav Knuth gab es zu diesem Sender, Unterhaltung und Fern- was los ist und in der es Charaktere Zeitpunkt noch nicht: Die Serie sehspiel, taten sich zusammen und gibt.“5 Asmodi hielt sich ziemlich wurde erst noch gedreht. trugen gemeinsam das Budget, an genau an den Fallada-Text. „Gott

24 SALATGARTEN 2/2019 NEUES ZU FALLADA ■

sei Dank“, kommentierte Staudte. renz. Als am Montag darauf die tem Realismus und mitunter „Es ist einer der seltenen Fälle, wo dreizehnteilige Buddenbrooks-Ver- melodramatisch aufgeweichtem das Drehbuch so gut ist, daß ich so filmung den Eisernen Gustav ablös- Naturalismus allen Reiz. Da hat gut wie nichts ändern mußte.“6 te, waren 43 Prozent der TV-Geräte man tatsächlich den Eindruck, Hauptdarsteller Gustav Knuth eingeschaltet und die Quote stieg eine Strasse sei nachgebaute Stu- – dank zahlreicher TV-Serien wie bis auf 48 Prozent.9 diokulisse. Die Wirklichkeit, mit Alle meine Tiere, Salto mortale oder der Staudte operieren möchte, Die Powenzbande ein Liebling des Ein Bündel Verrisse verkommt zu herausgeputzt pitto- Fernsehpublikums – war bewusst, Im Hans-Fallada-Handbuch steht: reskem Grossstadtkriegselend, in dass er diesmal keine durchweg „Die Serie wurde von der Pres- dem mit schöner Regelmässigkeit sympathische Rolle verkörperte: se lobend aufgenommen.“10 Das brave Statisten und alte Autos auf- Der eiserne Gustav sei „weniger lie- stimmt nicht. Eher das Gegenteil tauchen, einerseits wohl des Zeit- benswert denn starrköpfig“, aber war der Fall. kolorits wegen, andererseits weil der Film könne dazu beitragen, Nach der ersten Folge las man ja anscheinend Bewegung sein „die Generation der Väter oder in der Welt, Wolfgang Staudte sei muss in jedem Bild.“ Sarkastisch Großväter besser verstehen zu ler- immer noch im Vollbesitz seiner schloss der Artikel: „‚Was hier ge- nen“. Für den populären Schau- handwerklichen Fertigkeiten: „Er schildert wird, hat sich nie so zuge- spieler bedeutete der Film die läßt das Jahr 1914 wogen und tragen‘, vermerkt der Nachspann. Chance, sich noch einmal in einer dünsten, läßt marschieren, daß Daran wenigstens wird niemand Charakterrolle zu beweisen. dem Gustav Knuth, als Berliner zweifeln.“ Für die Kritik stellte sich die Fra- Droschkenkutscher verkleidet, die „Nun hat uns der Eiserne Gustav ge, ob Staudte nach belanglosen patriotischen Tränen ins Gesicht also verlassen“, begann Günther Unterhaltungsfilmen, etlichen schießen, während die Herren Söh- Rühle, Theaterkritiker der Frank- Tatorten und Serien wie MS Fran- ne sich ins Feld begeben – so weit, furter Allgemeinen, seinen Rück- ziska noch einmal an seine großen so bunt, so telegen.“11 Trotz des in- blick nach der siebten und letzten Filme wie Die Mörder sind unter szenatorischen Aufwands, den Re- Folge. Zunächst lobte er die Dar- uns oder Der Untertan anknüpfen zensenten konnte der Film nicht stellungskunst Gustav Knuths, ob- könne. „Wolfgang Staudtes Spät- überzeugen. „Szene folgt auf Szene wohl Empathie nicht aufgekom- werk?“ fragte ein Journalist.7 Der wie auf Nut und Feder gearbeitet, men sei: „Knuth war uns nie sehr Regisseur winkte müde ab: „Für dennoch ist mehr Papierrascheln fremd. Aber auch nie sehr nah.“13 mich gibt es Stoffe, die ich als mei- zu vernehmen als Herzklopfen; die Rühle hatte manchmal den Ein- ne Filme bezeichne und es gibt Darsteller stellen dar, als hätten sie druck, Staudte hätte die Großstadt- Aufträge. Der ‚eiserne Gustav‘ ist nur darzustellen wie Stellvertreter legende vom Eisernen Gustav gern ein Auftrag. Ich hatte eigentlich ihrer selbst. Leben kommt nicht benutzt, um abermals das Unter- nicht vor, wieder einen Auftrag auf.“ tan-Thema aufzugreifen und bis zu übernehmen. Aber was soll ich Nach zwei Folgen zog die Neue an die Grenzen des Dritten Reichs sagen: ich habe keine Lust mehr. Zürcher Zeitung eine vorläufige Bi- weiterzuführen. „Man hielt oft den Meine eigenen Ideen passen nicht lanz und konnte ihre „grosse Ent- Atem an, wenn die Zeichen dafür mehr in diese Zeit; die Zeit hat sich täuschung nicht verhehlen über sich durch die Berliner Schicksals- verändert.“8 soviel Geschichtslosigkeit, über geschichte drängten, die dann Die Serie – sieben Folgen à so viele inszenatorische Schwach- doch mehr auf eine Art Drosch- 60 Minuten – startete am 27. Au- stellen und, nicht zuletzt und kenkutscher-Buddenbrooks hin- gust 1978. Im Durchschnitt erziel- nicht unwesentlich, soviel Lang- auslief, als dem Fallada recht sein te man eine Einschaltquote von atmigkeit“.12 Das mittelmäßige konnte.“ Zudem habe der Dreh- 40 Prozent: Mehr als 13 Millionen Drehbuch sei ganz auf Knuth ab- buchautor Herbert Asmodi seine Zuschauer verfolgten den Eisernen gestellt, „einen Schauspieler mit liebe Not gehabt, den Weg des Gustav. Für heutige Verhältnisse nicht eben breitem Ausdrucks- eisernen Gustav, den Verlust sei- eine sensationelle Quote, die nur spektrum“. Die Inszenierung von nes Geschäftes, seiner Gesinnung, selten einmal ein Tatort erreicht. Staudte mache dies nicht wett. die Auflösung seiner Familie und Doch damals gab es nur ARD und „Realen Dekors nimmt seine altvä- die Schicksale seiner Kinder knapp ZDF, noch keine private Konkur- terliche Mischung aus verkrampf- und exakt darzulegen. „So bekam

SALATGARTEN 2/2019 25 ■ NEUES ZU FALLADA

die Geschichte nie Luft, blieb eng korrekt, wird dem Zuschauer ein- 1 Dr. Winfried Enz, Südwestfunk, an Anne-Lotte Becker-Berke, Rowohlt Verlag, 3.3.1978. und wirkte so montiert, so ab- gebläut, was er vom Lauf der Dinge Rowohlt Verlagsarchiv. Dort befinden sich auch sichtlich, so auf Stoffreiz aus, daß zu halten hat. Natürlich in bester die zitierten Kopien der Briefe Otto Hartmanns. das Zeitgemälde, das in diesem Absicht: Damals verstand sich das 2 Rechtsanwalt Ferdinand Sieger gleichlautend an Rowohlt Verlag, Dr. Matthias Wegner und Stoff zu entdecken ist, doch nicht öffentlich-rechtliche Fernsehen Südwestfunk, Dr. Winfried Enz, 9.6.1978. Ebd. mit jener Hellsicht und Prägnanz noch als Medium der Aufklärung. 3 o.V.: Run auf Mann. Mit ihrer ‚Buddenbrooks‘- Serie hat die ARD sensationellen Publikums- hervortrat, die uns seit der Darbie- Der Roman wird benutzt für Ge- erfolg. In: Der Spiegel, 26.11.1979. tung des Fallada-Romans ‚Bauern, schichtsunterricht via Bildschirm. 4 Zit. nach: Hannelore Kelling: Der eiserne Gustav. In: TV-Journal, Nr. 34, 25.8.1979. – Das Bonzen, Bomben‘ auf die Fallada- Derlei didaktische Absichten Statement stammt aus den Pressematerialien; Bearbeitungen im Fernsehen so hatte Fallada nie. Trotzdem pro- es wird so wörtlich in allen Vorberichten und Ankündigungen zur Sendung zitiert. süchtig macht. Hier sah man nicht fitierte der Romanautor von der 5 Asmodi, zit. in: Rose-Marie Borngässer: die Zeit, sondern Lebensläufe, die Fernsehserie. Sieben Wochen lang Jannings‘ unerfüllter Traum. In: Die Welt, die Zeitläufe ausdrücken sollten, lief im Herbst 1979 Der eiserne Gus- 27.8.1979. 6 Zit. in Kelling: Der eiserne Gustav, a.a.O. sie aber nur illustrierten.“ tav zur besten Sendezeit im Fernse- 7 Klaus Wienert: Wolfgang Staudtes Spätwerk? hen, das ließ sich der Verlag nicht In: Der Tagesspiegel, Berlin,. 26.8.1979. Resümee entgehen: Rowohlt brachte eine 8 Zit. in Kelling: Der eiserne Gustav, a.a.O. Das Urteil der zeitgenössischen gebundene Sonderausgabe her- 9 o.V.: Run auf Mann, a.a.O. 10 Tina Grahl: Verfilmungen, in: Gustav Frank / Kritik lässt sich leicht überprüfen: aus. Der im Vorjahr veröffentlichte Stefan Scherer (Hg.): Hans-Fallada-Handbuch. Die Serie liegt als DVD vor. Man rororo-Band 4261 (35.000 Exemp- Berlin, Boston 2019, S. 511. wird – bei aller Bewunderung über lare) war fast schon ausverkauft, 11 Valentin Polcuch: Mehr Rascheln als Herzklop- fen. In: Die Welt, 29.8.1979. die Schauspielkunst der Darsteller man konnte nachdrucken; im 12 liv.: „Der eiserne Gustav“ – enthärtet und syn- und die Opulenz der Ausstattung – Oktober 1979 stand das Taschen- thetisch. In: Neue Zürcher Zeitung , 9.9.1979. doch den damaligen Rezensenten buch auf Platz 10 der Spiegel-Best- 13 G.r. (= Günther Rühle): Staudtes Fallada. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.10.1979 recht geben müssen: Das wirkt höl- sellerliste. Die zweite Auflage un- zern und spannungsarm, weil man terschied sich von der ersten nur bei jeder Szene, bei jedem Dialog- durch das Cover: Heinz Rühmann satz (und erst recht bei jedem Mu- war vom Umschlag verschwun- siksatz) weiß, was uns jetzt gesagt den; nun hatte Gustav Knuth auf werden soll. Da ist kein Geheim- dem Kutschbock Platz genommen. nis, keine Überraschung; politisch

FALLADA-WISSEN

Die Tobis Tonbild-Syndikat AG, später Tobis Industrie GmbH (Tiges) und Tobis Film- kunst GmbH, wurde am 12. Mai 1927 als Zweigunternehmen gegründet. 1934 begann unter Goebbels‘ Führung die Umbildung der neben der UFA größten deutschen Film- produktionsgesellschaft in eine reichsmittelbare Firma. Von der Öffentlichkeit blieb die feindliche Übernahme – ähnlich wie beim Rowohlt Verlag – unbemerkt. In der Zeit des Nationalsozialismus spielte sie eine wichtige Rolle bei der Filmproduktion. Der mit Fal- lada zeitweilig in Kontakt stehende Schauspieler Emil Jannings wurde 1937 zum Ver- waltungsratsvorsitzenden ernannt. 1942 wurde die Tobis in den bereits seit 1933 gleich- geschalteten UFI-Konzern eingegliedert und behielt nur noch formale Selbstständigkeit. Die Tobis wurde nach 1945 nicht wiederbelebt, sondern erst 1971 entstand unter dem alten Markennamen eine neue Filmgesellschaft.

26 SALATGARTEN 2/2019 NEUES ZU FALLADA ■

Pressestimmen von 1938/39

PAUL NIEHAUS inwieweit er der ausschmücken- – er behält sich selbst in der Hand Noch ein paar Jungen-Bücher den Phantasie freien Lauf ließ. Er und verliert in dem Chaos ringsum Der Roman vom wollte mehr geben als ein Einzel- nicht eine Stunde die Selbstach- „eisernen Gustav“ schicksal, er schrieb mit dieser tung. Und diese zähe, skeptische In: Braunschweiger Tageszeitung. kleinbürgerlichen Tragödie um und zugleich doch gläubige Art Braunschweiger Staatszeitung 8 Gustav Hackendahl (wie Hart- vererbt sich auf seinen Jüngsten, (1939), Nr. 306, Stadtausgabe, mann im Roman heißt) ein Stück den Heinz, und auf seine Schwie- 31.121938/1.1.1939, Unterhaltungs- deutsche Zeitgeschichte zwischen gertochter. Das sind die Bürgen für Beilage, [S. 2]. 1914 und 1932. Der Roman beginnt eine bessere Zeit, die am Ende des Vor wenigen Tagen meldeten in den Julitagen vor dem Welt- Romans wie nach einer apokalyp- wir, daß Berlins ältester Drosch- kriegsausbruch, als Gustav noch tisch geträumten Sintflut herauf- kenkutscher, Gustav Hartmann, ein reicher Fuhrunternehmer mit dämmert. Der „eiserne Gustav“ im Alter von 80 Jahren gestorben 50 Pferden war und „eisern“ sei- hat das Zeug, ein Volksbuch zu sei. Er wurde über Berlins, ja über ner Familie vorstand, Frau und werden, es führt eine frische, un- Deutschlands Grenzen hinaus po- fünf Kindern, die keinen Willen verblümte Sprache und vermeidet pulär durch die Verwirklichung haben durften neben ihm, dem jede Feierlichkeit der „Literatur“; einer originellen Idee: Am 2. April alten Feldwebel. Fallada erzählt es rührt an Erlebnisse und Empfin- 1928 fuhr er von Berlin mit „seiner nun den Verfall dieser achtbaren dungen, die jeder der vielen Mil- alten Zosse“ quer durch das Land Familie: ein Sohn bleibt draußen lionen Arbeitslose einmal gehabt (auch über Braunschweig!) an die vor dem Feind, der jüngste kämpft hat, es ist unpathetisch und „ber- französische Grenze, nach Frank- sich durch alle Verführungen der linerisch“ skeptisch , wie wir alle reich hinein als „Versöhnungsen- Zeit hindurch zur Erneuerungs- es schätzen: das Herz ist voll, ohne gel“, als Personifikation des Stre- bewegung, zum Nationalsozialis- daß der Mund überläuft, der treff- semannschen „Silberstreifens“. mus; die andern Kinder aber ver- sichere Witz ersetzt die lehrhafte Ja, Paris war ein großer Jux und kommen. Dieses Milieu, das uns Bußpredigt. Diese Lebensnähe wis- Rummel: man empfing den biede- Fallada zeichnet, ist alles andere sen wir Fallada zu danken, auch ren Mann wie einen König, die Stu- als appetitlich, er scheut vor kei- wenn manche meinen mögen, denten spannten sich vor seinen nem Realismus zurück, kein In- er hätte seinen Zeitspiegel etwas Wagen, man veranstaltete eine ferno der furchtbaren Jahre des glänzender aufputzen sollen. offizielle Begrüßung im Rathaus, Zwischenreichs bleibt uns erspart: Festbankette in der Deutschen Bot- die Höhlen der Verbrecher und DR. KURT FISCHER schaft und Kolonie; und die Berli- Dirnen, ihre Destillen und Schlupf- Talent auf Abwegen ner ließen sich bei der Heimkehr winkel werden ebenso eingehend Falladas neuer Roman ihres „eisernen Justav“ natürlich beschrieben wie die Luxusvillen „Der eiserne Gustav“ nicht lumpen. Seitdem führte er der Neureichen und Kriegs- und In: Niedersächsische Tageszeitung, ein zurückgezogenes Leben. Revolutionsschieber. Hannover (1939), Nr. 7, Stadtaus­ Zur rechten Zeit veröffentlichte Also gewiß kein „erbauliches“ gabe, 9.1.1939, S. 2. nun Hans Fallada seinen neuen Ro- Buch, sein Jargon streift das Or- Vor einigen Tagen ging die man „Der eiserne Gustav“ (Rowohlt dinäre, aber da ist eben die Figur Nachricht durch die Presse, daß Verlag Berlin), gerade noch recht- des „Eisernen Gustav“ auf den alles der „eiserne Gustav“, der älteste zeitig genug, daß er alte Mann sei- Licht fällt. Er bleibt „eisern“ in all Droschkenkutscher Berlins, der ne dickleibige Lebensgeschichte dem Zerfall; auch wenn er selbst vor zehn Jahren die bekannte, re- selbst durchblättern konnte. Ob er den Clown und Hanswurst nach klamehaft aufgezogene Fahrt von sie wohl gelesen hat? – Wir wissen außen hin spielen muß, auch wenn Berlin nach Paris und zurück un- nicht, wie weit Hans Fallada sich die Wertlosigkeit seiner Kinder ihn ternommen hatte, gestorben sei. streng an die Wirklichkeit hielt, zur Menschenverachtung treibt Dieser Mann und seine Fahrt ga-

SALATGARTEN 2/2019 27 ■ NEUES ZU FALLADA

ben den Titel und eines der 140 Ka- Augen des Lesers, allein sie ergrei- im Gehirn dieses Epikers, dieses pitel des neuen Romans von Hans fen nicht. wahrhaft geborenen Epikers, alles Fallada ab (Ernst Rowohlt Verlag, Um den Weg des deutschen neben- und miteinander Platz hat; Berlin, 738 Seiten); alles andere ist Volkes aus seiner tiefsten Erniedri- das Oben und das Unten und diese nach des Verfassers eigener An- gung zu zeigen – das ist vorgeblich kaum glaubliche Beherrschung gabe „Geschöpf der freien Phanta- die Idee des Buches, wenn sie auch der Alltäglichkeit in allen sozialen sie“. schwer erkennbar bleibt – bedarf Schichten. Der Roman behandelt die Er- es mehr als einer naturalistischen lebnisse des Fuhrwerksbesitzers Schilderung von Kleinbürgern, die HANS FRANKE und nochmaligem Droschken- einen seelischen Knacks haben, Das Sorgenkind Hans Fallada kutschers Hackendahl und sei- und zur Volksnähe gehört mehr Realismus als Mittel zum „höheren ner fünf Kinder. Er, ein früherer als seitenlang im Berliner Dialekt Leben“ in der Dichtung Wachtmeister bei den Kürassie- zu schreiben oder mit Gassenaus- In: NSZ Rheinfront, Saarbrücken 10 ren, erzieht die Kinder – wie ihn drücken wie Lude und Nutte und (1939), Nr. 12, 14.1.1939, [S. 13] der Kommiß erzogen hatte – in ähnlichem um sich zu werfen. Ne- Man bezeichnet ihn wohl rich- Härte, Disziplin und Gehorsam, ben einzelnen Bildern voll Leben tig, wenn man Hans Fallada „das aber sie mißraten alle bis auf den und dichterischer Schönheit ste- Sorgenkind der deutschen Litera- Jüngsten, der nach einer großen hen Hunderte von Seiten peinlich tur“ nennt, deshalb weil hier ein Jugenddummheit zur Verantwor- ausgedehnter Beschreibungen ungemein starkes und vielseitiges tung und schließlich zum Glauben des Nachkriegssumpfes, sie unter- literarisches Talent, ein Schilde- an den Führer kommt. Der älteste scheiden sich nur darin von dem rer hoher Ordnung […], dem sich Sohn, weich und feige zu Hause, berüchtigten Fabianroman eines das Leben, die Eigenschaften und wird im Kriege zum Mann und Kästner, daß ihnen dessen boshaf- Schicksale der Menschen zu einer fällt. Die erste Tochter, kalt und bi- te und zugespitzte Ironie fehlt. leicht überschaubaren großen gott, macht Karriere bis zur Oberin Ein talentvoller Erzähler auf Ab- Fläche ordnen, an der Arbeit ist; eines großen Krankenhauses, aber wegen … […] und weil er dennoch kein Dich- ihrer Eltern schämt sie sich. Die ter ist. […]: so ist Fallada doch kein zweite Tochter fällt einem Zucht- OTTO ERNST HESSE Realist, oder, wenn er als solcher häusler und Zuhälter in die Hände, Der eiserne Gustav angesprochen werden darf, ein wird Dirne und Verbrecherin. Der Hans Falladas neuer Roman negativer Realist. […] Falladas Welt zweite Sohn, Drückeberger in der In: B. Z. am Mittag. Berliner Zeitung aber ist, bei aller photographi- Etappe, großer Mann beim Novem- 63 (1939), Nr. 22, 26.1.1939, S. 6. schen Treue, eine lediglich trieb- berrat 1918, Revolutionsgewinnler Der eiserne Gustav ist tot und der hafte Welt, es ist gleichsam eine und Inflationsschieber, verkommt eiserne Gustav lebt weiter. Einmal Welt niederer Gattung, sie bedeu- am Ende als heimatloser Landes- in der Berliner Legende, nun aber tet etwas Untergründiges, etwas verräter. auch in einer künstlerischen Nach- Fischhaft-Schlammiges und nur Schon bei dieser groben Skizzie- formung eines Romans. […] Von ei- ganz selten taucht von oben her, rung der Charaktere wird deutlich, ner genialen epischen Objektivität also aus einer höheren Sphäre, ein daß der Stoff ein Wagnis ist; um geleitet, laufen diese Schicksale, Lichtstrahl in diese Gründe, und ihn zu formen, bedarf es der Kraft mit prachtvollen Nebengestalten auch der ist meist gebrochen und eines echten Dichters, der hinter aufgefüllt, nebeneinander und erreicht das Gewimmel im Brodem den vom Leben Zermalmten das durcheinander; die Substanz, die des Schlammes kaum. […] grauenvoll-große Schicksal selber vom Dichter zur Verfügung steht, sichtbar zu machen weiß. So kön- scheint unerschöpflich zu sein. Da- nen die Gestalten tragisch sein, bei bei trifft dieser Nicht-Berliner das Fallada aber werden sie traurig. Sie Berlinische mit einer unerhörten sind zwar dank einer unbeküm- Klarheit und Plastik, sowohl in der merten, manchmal auch schnodd- Schilderung des Milieus wie im Ton rigen Erzählweise greifbar vor den der Dialoge. Es ist unheimlich, was

28 SALATGARTEN 2/2019 NEUES ZU FALLADA ■

Braune Hemden unter schwarzen Roben Hans Fallada und zwei ‚Staranwälte‘ der Rechtsextremen und Nationalsozialisten

ULRICH FISCHER

Teil 1: Dr. Walter Luetgebrune

Nach jahrelangen Gefängnisauf- enthalten hatte Fallada in Neu- münster wieder Fuß gefasst. Dort bot sich ihm die Gelegenheit, einen Strafprozess nicht als Ange- klagter zu verfolgen, sondern als Beobachter. Seine ‚Karriere‘ beim örtlichen General-Anzeiger, die ihn bis zum stellvertretenden Chefre- dakteur trug, verschaffte ihm Ge- Gruppenfoto mit Dr. Walter Luetgebrune – 4.v.l. © Holsteinischer Courier, 5.11.1929. legenheit, die Landvolkbewegung aus erster Hand zu verfolgen. Da- wie schnell die Justiz damals arbei- „Streiter“ ist, nebenbei bemerkt, von zeugen nicht nur seine Berich- tete – bildet einen ganz wesentli- ein treffendes Beispiel für einen te in der örtlichen Presse, sondern chen Teil des Romans Bauern, Bon- sprechenden bzw. redenden Na- auch seine Reportagen für die zen und Bomben (1931) men, wie sie Fallada gern und häu- B.Z. am Mittag, das Tage-Buch und Im Roman beherrscht der Rechts- fig in seinen Werken verwende- die Weltbühne. Die ab 28. Oktober anwalt, Justizrat Streiter, die Pro- te. Der positiv konnotierte Name 1929 durchgeführte öffentliche zessbühne als versierter, engagier- steht für einen Rechtsanwalt, der Strafgerichtsverhandlung gegen ter, kämpferischer, listenreicher, erfolgreich für seinen Mandan- die Rädelsführer der Unruhen vom aber auch genussfreudiger Ver- ten streitet. Das Modell für ihn ist 1. August 1929 – bemerkenswert, teidiger der Hauptangeklagten. bald erraten; auch Rechtsanwalt

Erkennen Sie den Pressevertreter? © Holsteinischer Courier, 5.11.1929.

SALATGARTEN 2/2019 29 ■ NEUES ZU FALLADA

Dr. Walter Luetgebrune selbst er- sind wie ich.‘“ Und kurz darauf tritt den wohl bedeutendsten Strafver- kannte sich in Falladas Darstel- der Fahnenträger Henning zu ihm teidiger der Weimarer Republik, lung wieder, wie er in seiner 1931 und sagt: „Entschuldigen Sie, Herr Max Alsberg. Während Smend erschienenen Darstellung der Justizrat, daß ich Sie noch nicht sich dem Zivilrecht widmete, kam Landvolkbewegung Neu-Preussens beglückwünscht habe. Noch nie Luetgebrune durch die Förderung Bauernkrieg: Entstehung und Kampf habe ich so etwas gehört wie Ihre Alsbergs schnell an interessante der Landvolkbewegung schreibt: „In Rede.“3 politische und komplexe Manda- einem die Vorgänge der Landvolk- te, in denen er zunächst noch Seite bewegung um den Fahnenmarsch Luetgebrunes Karriere zum an Seite mit Alsberg kämpfte. Doch in Neumünster zum Mittelpunkt ‚Staranwalt‘ schon Anfang der Zwanzigerjahre nehmenden neuerlichen Roman Luetgebrune, am 18. Februar kam es – über den persönlichen ‚Bauern, Bonzen und Bomben‘ von 1879 im Fürstentum Lippe gebo- Kontakt mit weit rechtsstehenden Hans Fallada wird mit der ganzen ren, stammte aus einer alt einge- Angeklagten – zu einer intensiven teuflischen Könnerfreude eines sessenen Bauernfamilie, die jedoch Orientierung an rechtsextremem Mephisto jene Szene des Fahnen- über den Betrieb von Ziegeleien zu Gedankengut. Er wurde Mitglied prozesses geschildert, in der alle einem nicht unerheblichen Wohl- der DNVP und zu deren führendem die Pikanterien gegenüber dem stand gelangt war. Die These, Luet- Rechtsberater. Das entfremdete unheilbringenden Eingreifen des gebrune sei ein Sohn eines Gutsbe- ihn von Alsberg, auch von Smend, Verwaltungsapparats zum Vor- sitzers gewesen4, ist unzutreffend. so dass auf dessen Betreiben die schein kamen. Es ist der prickelnde Glaubhafter erscheint Ernst von Sozietät 1928 aufgelöst wurde. Bericht eines Journalisten, der in Salomons Einschätzung Luetge- Smend vertrat 1933 standhaft jüdi- der Sachkunde obenauf ist.“1 Ja, er brunes als „Bauernstämmling“.5 sche Mandanten. Es war aber nicht erkannte sich wieder und überdies Verheiratet mit der Tochter eines nur die Politik, die beide ausein- recht günstig dargestellt. Es war höheren Richters aus Hannover anderbrachte, sondern auch das dem schon sehr bekannten Anwalt strebte Luetgebrune zunächst die Geld. Smend hatte in der Kanzlei offensichtlich gelungen, Rudolf Richterlaufbahn an. Er ließ sich als über zivilrechtliche Mandate gutes Ditzen alias Hans Fallada nachhal- Anwalt in Göttingen nieder, in So- Geld verdient, so dass es sich Lu- tig zu beeindrucken. Aus Berlin, zietät mit einem in Göttingen sehr etgebrune leisten konnte, in poli- wie im Roman dargestellt, kam er bekannten Namen, Rechtsanwalt tisch wichtigen Verfahren teilwei- jedoch nicht2, sondern aus Göttin- Leopold Smend, dem Sohn des Göt- se auf Honorare, Reisekosten und gen. tinger Theologieprofessors Rudolf Spesen zu verzichten. Gleichzeitig In Bauern, Bonzen und Bom- Smend und dem Bruder des be- pflegte er jedoch einen exorbitant ben heißt es: „Der große Berliner deutenden Staatsrechtlers Rudolf großbürgerlichen Lebensstil, der Rechtsanwalt ist noch durchglüht Smend. Luetgebrune hatte einen ihn immer wieder in gebühren- vom Feuer, von der Erregung sei- weiteren bedeutenden Förderer, rechtliche Auseinandersetzungen ner Rede: ‚Und Sie fanden mein Plädoyer wirklich gut, Herr Stuff? War es wirklich sehr gut?‘ ‚Un- übertrefflich, Herr Justizrat! Ein- fach glänzend. Wie Sie nachgewie- sen haben, daß die Polizei selbst dann, wenn das Publikum an der Fahne Anstoß nahm, nicht die Fah- ne beschlagnahmen durfte, son- dern den Fahnenträger schützen mußte, nein, ich muß schon sagen …‘ ‚Ja‘, sagt der Justizrat zufrie- den, ‚der arme Oberstaatsanwalt: […] Da gibt es nicht viele Leute in Deutschland, die so beschlagen

30 SALATGARTEN 2/2019 NEUES ZU FALLADA ■

mit seinen Mandanten führte.6 1931 traf Luetgebrune, der seine Wegen seiner überhöhten Hono- Nach Abschluss der Landvolkpro- Kanzlei inzwischen aus Hannover rare im Landvolkprozess und auch zesse 1931 erschien im Rendsburger betrieb, Ernst Röhm. Daraus ergab wegen seiner Vertretung des jü- Tageblatt vom 20. August 1931 fol- sich eine intensive anwaltliche Tä- dischen Inhabers der Schuhfabrik gender Leserbrief: tigkeit, insbesondere in dem von Tack & Cie., Konsul Krojanker am Als „Staranwalt der Rechtsex- diesem geführten Verleumdungs- 3. November 1936 von einem an- tremisten“ erstritt Luetgebrune verfahren im Kontext um dessen waltlichen Ehrengericht zu einer z. B. den Freispruch für Ludendorff Homosexualität. Luetgebrune trat Geldstrafe von 1.000 RM verurteilt, im Hitler-Prozess, verteidigte Ehr- 1932 in die NSDAP ein. Im Range durfte aber weiter praktizieren.10 hardt nach dem Kapp-Putsch. Er eines SA-Gruppenführers wurde er Sein Wunsch, eine Rechtsprofessur war führender Anwalt im Rathe- 1933 gar zum Ministerialdirigen- zu erhalten, blieb unerfüllt. Hitler nau-Prozess. Hier lernte er Ernst ten im preußischen Innenministe- hatte – auch was Anwälte anging – von Salomon kennen, dessen Bru- rium und Justizrat bestellt, so dass ein nachtragendes Gedächtnis. Er der Bruno in der Landvolkbewe- seine anwaltliche Tätigkeit zu gro- mochte sie nicht nur nicht, er hass- gung maßgeblich tätig war. Ernst ßen Teilen ruhte. Deswegen konn- te sie. Man könne „es doch wirklich von Salomon schwärmte später ten Ernst von Salomon und Rudolf nicht als einen anständigen Be- von seinem langjährigen Anwalt Ditzen auf ihn nicht zurückgrei- ruf bezeichnen, ein ganzes Leben in den allerhöchsten Tönen und fen, als beide im April 1933 nach lang Bazis zu verteidigen. Dabei sei verwunderlich ist es nicht, dass einem Treffen in Berkenbrück ver- die Inbrunst der Plädoyers in den beide zu dem Kreis gehörten, der haftet wurden. An seine Stelle trat meisten Fällen auch noch auf die zusammen mit Falladas Verleger Rechtsanwalt Dr. Alfons Sack, dem Vermögenslage des Klienten ab- Ernst Rowohlt gerne deftige Spei- der 2. Teil dieser Untersuchung ge- gestimmt. Rechtsanwalt Luetge- sen bei intensiver Alkoholzufuhr widmet sein wird. Das Salär eines brune habe sogar weinen können, zu sich nahm.7 Ministerialdirigenten lag deutlich wenn die Lage seines Bazis und Dass Luetgebrune das Mandat unterhalb der bisher gewohnten die Höhe des Honorars dies hätten im Neumünsteraner Prozess über- Einkommenshöhe. Und so verfiel zweckmäßig erscheinen lassen.“11 nahm, obwohl die Sache noch kei- Luetgebrune auf den Gedanken, Luetgebrune verlegte im Oktober ne reichsweite Bedeutung erlangt der in seiner absurden Kühnheit 1940 seinen ständigen Wohnsitz hatte und die finanziellen Gewinn- von Hans Fallada hätte stammen von Berlin nach Mittenwald in aussichten nicht rosig waren, ist können, die Einblicke, die er als SA- sein ursprüngliches Feriendomizil, daraus zu erklären, dass er auf- Gruppenführer in die Arisierung dass er sich schon Ende der Zwan- grund seiner oben dargestellten jüdischer Unternehmen hatte, für zigerjahre von den Honoraren sei- Herkunft einen direkten Draht zu ureigene Zwecke zu nutzen, durch ner Mandanten gekauft hatte.12 den Problemen der Bauern hatte. die anwaltliche Vertretung der Er überlebte den Krieg als Wirt- Davon zeugt vor allem seine oben Eigentümer gegenüber den Arisie- schaftsanwalt. Größere Verteidi- bereits angesprochene Schrift. Sei- rungsraubrittern. Dieses Doppel- gungen blieben ihm verschlossen. ne Strategie setzte – im Gegensatz spiel flog alsbald auf. Völlig in Un- Sein sehnlichster Wunsch, wieder zu seinem sonstigen Auftreten – gnade fiel Luetgebrune nach dem in die NSDAP aufgenommen zu nicht auf die politische Ausrich- so genannten „Röhm-Putsch“. Er werden, ging nicht in Erfüllung. tung, ohne im Interessenskonflikt- kam mit monatelanger „Schutz- Aus einem Schreiben des württem- falle auf die Mandanten Rücksicht haft“ davon. Obwohl finanziell bergischen Justizministers vom zu nehmen, sondern stand in und gesundheitlich schwer ge- 15. April 1946 geht hervor, dass er emotionalem Einklang mit den zeichnet, am 21. Dezember 1934 zu diesem Zeitpunkt noch in Lud- Zielen seiner bäuerlichen Man- aus der NSDAP ausgeschlossen: das wigsburg interniert war.13 Im Rah- danten. Die NSDAP, der Stahlhelm, Vertrauen in den Rechtsstaat hatte men der Entnazifizierung behaup- aber auch seine eigene Partei, die er nicht verloren und betrieb mit tete er, nie in der Partei gewesen zu DNVP, versuchten das Landvolk für Unterstützung von Ernst von Salo- sein. Er starb am 21. August 1949 in ihre parteipolitischen Interessen mon und seinen Mandanten aus Mittenwald. Ja, die Zeit, sie brachte zu instrumentalisieren. So kam es dem Landvolk-Prozess, teilweise merkwürdige Personen hervor. zum Bruch mit Ludendorff.8 erfolgreich, seine Rehabilitation.9

SALATGARTEN 2/2019 31 ■ NEUES ZU FALLADA

Teil 2: Anwalt zu diesem Zeitpunkt noch Deutschland“, wie der Verlauf die- Dr. Alfons Sack nicht, denn der Reichstagsbrand- ses Prozesses angeblich aller Welt prozess wurde vom Reichsgericht bewiesen habe.15 Während Fallada bei seiner in Leipzig erst am 21. September Sack, 1887 als Sohn eines Tele- Tätigkeit als Gerichtsreporter im 1933 eröffnet. Nachdem einige grafendirektors in Wiesbaden ge- Landvolkprozess den Anwalt Dr. andere Anwälte die Verteidigung boren, war er wie Luetgebrune im Luetgebrune lediglich hören und Ernst Torglers, des Fraktionsvorsit- Wesentlichen durch den Ersten beobachten konnte und – wie die zenden der KPD im Reichstag von Weltkrieg und den Übergang in Beschreibung im Roman vermu- 1929 bis 1933, abgelehnt oder ast- eine neue, grundsätzlich abge- ten lässt –von ihm beeindruckt ronomische Honorarforderungen lehnte Staats-und Rechtsordnung war, hatte er mit dem berühmten gestellt hatten, übernahm der „Al- sozialisiert worden. Seine juristi- „Staranwalt“ Dr. Alfons Sack inso- leröbberste“ die Verteidigung für sche Laufbahn begann schleppend, fern Kontakt, als er ihm seine Frei- äußerst günstige 3.000 RM. Später das 1. Staatsexamen bestand er erst lassung aus dem Amtsgefängnis erreichte er dann für Torgler, den nach Wiederholung mit der Note Fürstenwalde, wohin Fallada im die KPD dringend, aber erfolglos, ausreichend, auch das 2. Staats- April 1933 durch einen Trupp SA- aufgefordert hatte, sich öffentlich- examen konnte er nicht besser Leute gebracht und inhaftiert wor- keitswirksam im Prozess von sei- absolvieren. Dennoch gelang es den war, verdankte. nem Anwalt zu distanzieren, dass ihm, in der DNVP als Rechtsbera- „Man muss immer gleich er nicht hingerichtet, sondern im ter die ersten Stufen der Karriere- zum Alleröbbersten gehen, sag- Gegenteil – aus welchen Gründen leiter zu erklimmen. Zusammen te Rowohlt und telefonierte mit auch immer – freigesprochen wur- mit Luetgebrune übernahm er einem berühmten Anwalt, einem de. Dennoch war dieser Anwalt die Verteidigung im Rathenau- Mann, der von Partei wegen den ein Kollege im Geiste von Walter Mörder-Prozess. Wesentlich früher Reichstagsbrandstifter verteidigt Luetgebrune. 1934 veröffentlichte als Luetgebrune wandte sich Sack hatte, der ja dann schließlich auch er – das war wohl der eigentliche den Nationalsozialisten zu und hingerichtet wurde.“ So schildert Sinn und Zweck der an sich aber- bot dort seine rechtsanwaltlichen Fallada die sich im April 1933 ab- witzigen Konstruktion, dass ein Dienste an. Schon am 15. April 1927 spielende Szene in seinem unter ex- erklärter Nazi-Fanatiker einen be- notiert Goebbels in sein Tagebuch: tremen Bedingungen der Haft ge- kannten Kommunisten in einem „Gestern Rechtsanwalt Sack. We- schriebenen Gefängnistagebuch der spektakulärsten Prozesse des nig erreicht. Rechtsanwälte sind von 1944.14 Zunächst eine Richtig- Jahrhunderts verteidigte – eine Lumpenhunde!“ Ja, die Profession stellung der Fallada‘schen Erinne- widerwärtige Schrift über die des Rechtsanwaltes war nicht der rungslücken: Verteidigt hatte der Rechtsstaatlichkeit im „Neuen Nazis liebstes Kind. Goebbels am 5. Januar 1928: „Dr. Sack lehnt die Verteidigung im Stuckeprozeß ab, weil er nicht antisemitisch hervortreten will. Ich habe dem- gemäß Dr. Frank aus München gebeten.“ Ein Tagebucheintrag am 27.9.1931 lautet: „Streit um die Verteidigung. Sack macht Spe- renzien.“16 Seit 1932 Mitglied im Nationalsozialistischen Kraftfahr- korps (NSKK), wird er in demselben Jahr SS-Flieger in der SS-Flieger- staffel Ost. Im September 1933 wur- de diese in den gleichgeschalte- ten Deutschen Luftsport Verband (DLV) überführt. Dessen Nach- folger war ab 1937 das National- Sacks Mitgliedskarte der NSDAP sozialistische Fliegerkorps (NSFK).

32 SALATGARTEN 2/2019 NEUES ZU FALLADA ■

Am 1. Mai 1932 tritt Sack mit der in ein gewaltiges Toben aus: „Sie kurzer Zeit wieder frei und konnte Mitgliedsnummer 1.078.882 der Idiot, Sie! Und einen solchen Trot- anschließend seine anwaltliche Tä- NSDAP bei. tel habe ich aus der Schutzhaft ge- tigkeit – allerdings ohne je wieder Damit war er nun endgültig als holt! Fein ruhig hätten sie sich hal- in wichtigen politischen Strafver- Staranwalt der Nazis ausgewiesen. ten müssen, keinen Mucks hätten fahren das Licht der Öffentlichkeit Dies obwohl Sack 1930 und 1933 im sie tun dürfen – und nun fängt der auf sich zu ziehen – als Strafvertei- Rahmen einer Stellungnahme des Idiot schon wieder Stunk an! Ma- diger weiterführen. Berliner Landgerichtspräsidenten chen Sie, dass Sie aus meinem Büro Aktiv war Sack dafür nun vor al- im Rahmen seines Antrages auf kommen! In der Schutzhaft müss- lem als Rechtspolitiker im Bereich Zulassung als Notar bescheinigt ten Sie verfaulen! Nicht sehen will des Strafrechts. In Veröffentlichun- wurde, „wiederholt eine gewisse ich Sie wieder! Fort mit Ihnen.“(90) gen versucht er, das Strafrecht und Nachlässigkeit, die sich insbeson- Strafprozessrecht und die Rolle dere in der Behandlung seiner Sacks Karriere im Dritten Reich des Verteidigers darin, völkisch, persönlichen Angelegenheiten ge- Der Parteigenosse und „Lum- aus dem Rechtsempfinden der zeigt hat, in Erscheinung getreten penhund“ Sack hielt sich nicht Volksgemeinschaft zu begründen: ist.“17 immer selbst an die von ihm oben schon 1935 veröffentlichte er die Keine „Sperenzien“ machte ausgegebenen Verhaltensregeln. Schrift Der Strafverteidiger und der Sack, als er im April 1933 auf Be- Er war einer der wenigen Anwäl- neue Staat. Darin heißt es „Recht treiben von Ernst Rowohlt gebe- te, und unter diesen sicherlich der ist, was arische Menschen für Recht ten wurde, Ernst von Salomon und Prominenteste, der sich jüdischen empfinden, Unrecht was sie ver- Hans Fallada aus der sogenannten Kollegen gegenüber nach der na- werfen.“18 1943 veröffentlichte er „Schutzhaft“ der SA zu befreien. tionalsozialistischen Machtüber- zusammen mit Dr. Heermann die Fallada beschreibt dies so: „Sie ka- nahme Anfang 1933 noch solida- programmatische Schrift Der Straf- men zusammen: der berühmte risch verhielt, ja er unterstützte verteidiger, für die der „Blutrichter“ Anwalt, der berühmte Verleger diese durch die Weitergabe von und Präsident des Volksgerichts- Rowohlt und die Frau des Schrift- Mandaten. Er war der einzige hofes Roland Freisler das Vorwort stellers. Sie war ja etwas empört, namhafte Jurist, der die rückwir- schrieb und in der es heißt: „ [Die] diese Frau, als sie merkte, dass der kende Geltung der so genannten Erziehungsarbeit am deutschen Anwalt, übrigens ein sacksiede- Reichstagsbrandverordnung vom Menschen [hat] den Erfolg gezei- grober Herr und ein altes Partei- 28. Februar 1933 aus Gründen der tigt, dass nur noch in ganz weni- mitglied, an ihrer Geschichte gar Rechtsstreitigkeit in Zweifel zog. gen, ganz vereinzelten Fällen an nichts Aufregendes fand, er er- All das und die erfolgreiche Ver- den Verteidiger das Ansinnen ge- schien ihm ein Fall aus dem Dut- teidigung Torglers im Reichstags- stellt wird, er möge sich dazu her- zend.“(70) Und tatsächlich gelang brandprozess, aber auch seine geben, einen Beschuldigten einer es Sack aufgrund seiner Kontakte Verbindungen zur SA, er war Jus- Strafe zu entziehen.“19 In einer insbesondere zur SA, Fallada frei- tiziar der SA- Abteilung des Grup- äußerst positiven und umfangrei- zubekommen. penführers Karl Ernst, der übri- chen, anonymen Besprechung des „Sperenzien“ machte allerdings gens immer wieder als möglicher ‚Machwerkes‘ in der Berliner Bör- der Herr Dr. Sack, als Fallada, der Drahtzieher des Reichstagsbrand- senzeitung vom 7. November 1943 mit seiner kleinen Familie vorü- prozess Erwähnung findet, führ- wird die Einordnung des Vertei- bergehend in der Pension Stössin- ten dazu, dass der Vertrieb seines digers in die Volksgemeinschaft, ger logierte, den kurzen Weg in Reichstagsbrand-Buches 1934 vom als „Kämpfer dafür, dass Urteil das Sacksche Büro, Tauentzien- Propagandaministerium verboten und Strafe im Verfahren mit dem straße 17, machte, um dort Hilfe wurde, ein Gestapo-Spitzel in sein Rechtsbewusstsein des Volkes ver- gegen offensichtliche Erpressun- Büro eingeschleust wurde und er bunden bleiben“, gefeiert.20 gen seiner ehemaligen Vermieter schließlich im Zusammenhang Mit dieser Schrift hatte Sack im zu finden: „Als ich kurz und be- mit den Ereignissen vom 30. Juni Grunde ein Bewerbungsschrei- scheiden die Geschichte meiner 1934, also der so genannten „Nie- ben formuliert. Denn er war sich neuerlichen Differenzen mit mei- derschlagung des Röhm-Putsches“ nicht zu schade, 1944 die Seiten zu nen Wirtsleuten und der dortigen verhaftet wurde. Anders als Luet- wechseln und die Rolle des Rechts- SA erzählt hatte, brach der Anwalt gebrune kam er jedoch schon nach anwaltes mit der eines „Reichs-

SALATGARTEN 2/2019 33 ■ NEUES ZU FALLADA

anwaltes beim Volksgerichtshof“, Honorarforderungen, das mit 1 Luetgebrune, Walter: Neu-Preussens Bauern- krieg: Entstehung und Kampf der Landvolkbe- also eines Anklägers, unter seinem einer „ernstlichen Missbilligung“ wegung. Hamburg: Hanseatische Verlagsanstalt Laudator Roland Freisler zu tau- endete. Er galt jedoch nach wie 1931, S. 116. schen. Seine Bewerbung wurde vor als einer der besten und er- 2 wie z.B. Antje Dietz behauptet. Vgl. Hans Falla- das Bauern, Bonzen und Bomben: Historische, jedoch keineswegs von allen be- folgreichsten Strafverteidiger und biografische und soziologische Voraussetzun- gen zum Verständnis des Romans. Hamburg: grüßt. Der Präsident des Oberlan- seine Mandanten waren bereit, Diplomica 2015, S. 45. desgerichts Karlsruhe entblödete monströse Honorarforderungen 3 Fallada, Hans: Bauern, Bonzen und Bomben. sich nicht, im Reichsjustizminis- zu akzeptieren, auch wenn sie das 89.–93. Tausend, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1975, S. 411 f. terium darauf hinzuweisen, dass später bitterlich bereuten. Nach 4 So aber Rudolf Heydeloff, Staranwalt der Rechts- Sack im Jahr 1932 in empörender Kriegsende beschwerten sich meh- extremisten, Vierteljahreshefte für Zeitgeschich- te, Jg. 32 (1984), H. 3, S. 373. Weise einen Sittlichkeitsverbre- rere ehemalige Mandanten beim 5 Salomon, Ernst von: Der Fragebogen. Reinbek cher, einen Ballettmeister, vertre- Landgericht Berlin nicht darüber, bei Hamburg: Rowohlt 2003, 17. Aufl., S. 27. ten und zur Verteidigung seines dass er die Grundlagen freier Ad- 6 vgl. ebd. Mandanten ausgeführt habe. Dar- vokatur mit Füßen getreten habe, 7 Ebd., S. 454. 8 Vgl. Heydeloff, Rudolf. Staranwalt der Rechtsex- auf der Minister kurz und trocken: sondern über völlig überzogene tremisten. In: Vierteljahreshefte für Zeitge- „Es ist hier bekannt, dass Rechts- Honorarforderungen von Sack, die schichte, Jg. 32 (1984), H. 3, S. 400 f. anwalt Dr. Alfons Sack in Berlin vor in keinem angemessenen Verhält- 9 Salomon von: Der Fragebogen, S. 347 ff. 10 Landesarchiv Berlin, Akte B Rep. 068-Nr. 3598 der Machtübernahme gelegent- nis zu seinen anwaltlichen Leistun- Luetgebrune. 22 lich bedenkliche Auffassungen gen gestanden hätten. Die Bitten 11 Picker, Henry: Hitlers Tischgespräche. Hg. von vertreten hat. Dr. Sack hat seither um Mitteilung über den Verbleib Andreas Hilburger. München: dtv 1968, S. 244. 12 amtliche Auskunft des Marktes Mittenwald seine Anschauungen und seine des Dr. Alfons Sack, um ihn zur an den Verfasser, Einwohnermeldeamt vom Haltung grundlegend geändert Rechenschaft zu ziehen, konnten 30. 8. 2018. und sich Verdienste um die Rechts- aber nur dahingehend beantwor- 13 Landesarchiv Berlin, Akte B Rep. 068-Nr. 3598 Luetgebrune. erneuerung und die Ausrichtung tet werden, dass dieser 1944 bei 14 Fallada, Hans: In meinem fremden Land. Ge- der Rechtsanwaltschaft erworben. einem Bombenangriff in Branden- fängnistagebuch 1944. Hg. von Jenny Williams und Sabine Lange. Berlin: Aufbau 2009, S. 70. – Über seine früheren Schwächen burg gestorben sei. Manche dieser Weitere Seitennachweise aus dem Text erfolgen kann daher hinweggesehen wer- Beschwerde führenden ehemali- direkt im Anschluss an das Zitat in Klammern. 21 15 Der Reichstagsbrand-Prozess. Berlin: Ullstein den.“ Dann durfte er endlich dem gen Mandanten vermuteten, Sack 1934. Mit einem Vorwort des NS-Anwaltes Fried- Unrechtstribunal die Opfer, die sei im Zusammenhang mit den Er- rich Grimm. von diesem gnadenlos verurteilt eignissen am 20. Juli 1944 als Mit- 16 Die Tagebücher von Joseph Goebbels Online, https://www.degruyter.com (Bezahlschranke) wurden, zuführen und zwar an der täter getötet worden. Doch das ist der PA Gerichtsstätte Brandenburg, da ebenso falsch wie die Behauptung, 17 Bundesarchiv R 9361/II/867479 und R 3001/73 293. Berlin zu unsicher geworden war. er habe seine Anwaltskanzlei aus 18 Vgl. König, Stephan: Vom Dienst am Recht – Berlin nach Brandenburg verlegt. Rechtsanwälte als Strafverteidiger im National- Der Staranwalt und das Geld Wie das Schicksal so spielt: sozialismus. Berlin: De Gruyter 1987, S. 7. 19 Sack, Alfons/Heermann, Kurt: Der Strafverteidi- Auch Sack liebte – wie Luetge- Kaum hatte Sack seine Tätigkeit ger. Berlin: Decker 1944, S. 7. brune – das große Geld und das beim VGH aufgenommen, kam er 20 Bundesarchiv R 9361/II/867479 und R 3001/73 angenehme, ja pompöse Leben. ums Leben. Sein Todestag ist un- 293. 21 Bundesarchiv R 9361/II/867479 und R 3001/73 Zu weit entfernten Auswärtster- bekannt, seine Leiche nicht auf- 293. minen reiste er nicht selten mit gefunden. Ja, die Zeit, sie brachte 22 Landesarchiv Berlin, B Rep. 068, Nr. 2409. einem von ihm gesteuerten Privat- merkwürdige Personen hervor. Es flugzeug an. Nicht immer hatten war eine Zeit des Umbruchs und seine Mandanten das Gefühl, dass der Umwertung und nicht alle die von ihnen gezahlten Honorare, können von sich sagen, dass sie al- die Sack diesen Lebensstil ermög- les richtig gemacht haben. lichten, auch nur im Entferntesten angemessen waren. im Gegenteil, die von ihm geforderte Honorare waren exorbitant. Schon 1935 kam es zu einem ehrengerichtlichen Verfahren wegen überhöhter

34 SALATGARTEN 2/2019 NEUES ZU FALLADA ■

Auch ein Staranwalt Hans Fallada und sein schriftstellernder Anwalt Dr. Carl Haensel

ULRICH FISCHER erschienen war.2 Denn Fallada er- hielt Post vom Schriftleiter der Als Hans Fallada 1935 in eine Aus- Zeitschrift Der Kriegsblinde. Dieser einandersetzung mit der Reichs- führte bittere Klage darüber, dass schrifttumskammer geriet, weil er Fallada in der negativen Schilde- in diese aufgenommen zu werden rung eines blinden Gutsbesitzers begehrte, „um weiterarbeiten zu namens Siebenhaar sämtliche dürfen“, wurde er von den Kultur- Kriegsblinden beleidigt habe und funktionären des Dritten Reiches brachte nachdrücklich zum Aus- einer Antwort nicht für würdig be- druck, dass er das Buch nicht „hin- funden, was zur Folge hatte, dass nehmen“ werde. Der Verlag riet Fallada nur „vorläufig“ weiter pu- Fallada, „Herrn Dr. Haensel in Ber- blizieren durfte. Also beauftragte lin von dem Fall zu unterrichten“.3 Fallada, wie er im Gefängnistage- Haensel nahm das Mandat dankbar buch beschreibt, einen Anwalt, um an und profilierte sich in ihm als Rechtssicherheit zu erlangen. Die- Literaturkenner und -theoretiker. ser Anwalt war ein Schriftsteller- Er gehörte zu der nicht gerade Dr. Carl Haensel, um 1964 kollege, Dr. Carl Haensel1 kleinen Schar der sogenannten © Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht (UFITA) . Er vertrat Bd. 43, 1964 Fallada auch späterhin mehrfach. Dichterjuristen deutscher Sprache, So bei dem Versuch, Falladas Vor- unter denen jedoch die Rechtsan- Familie hineingeboren worden strafenregister zu löschen. Auch wälte die Minderheit bilden. Aber war. 1920 zog er als Rechtsanwalt als Fallada im September 1942 in es gab sie, z. B. Max Alsberg, der nach Berlin. Hier wurde er auch Carwitz Besuch von dem Feldber- nicht nur juristische Fachbücher als Notar zugelassen. Als Berliner ger Gendarmeriemeister Stark und sonstige Beiträge, sondern Repräsentant der Firma J. Adler Ju- erhielt, in der dieser ihn mit einem auch Romane und Schauspiele ver- nior aus war er schon in Brief der Kriminalpolizei Schwe- öffentlichte. Und im Kontext mei- jungen Jahren zu einem beträcht- rin, Abteilung Rauschgifte, be- ner kleinen Serie scheint es nicht lichen Vermögen gelangt, denn kannt machte, wurde eingeschal- mehr ganz zufällig, dass auch Carl die genannte Firma gehörte zu tet. Und schließlich bediente sich Haensel erste Sporen seiner beruf- Beginn der Zwanzigerjahre zu den Fallada seiner Hilfe, als er ihn bat, lichen Laufbahn bei diesem großen „reich gewordenen Händlern“, die seine Vertretung im Rahmen der Kollegen verdiente als Mitverteidi- „durch schnelle Beutezüge in die Verhandlungen über Entschädi- ger in vielen wichtigen Prozessen Hochburgen der Industrie reich gungsansprüche Falladas nach der der damaligen Zeit. Auch Haensel geworden waren.“4 Neben seiner Ankündigung der Schließung des gehört in die Reihe der hier vorge- wirtschaftsrechtlichen Tätigkeit Rowohlt Verlages, der mittlerwei- stellten „Staranwälte“ der damali- wandte er sich schon früh urheber- le eine Marke der DVA in Stuttgart gen Zeit, wenn auch nicht in einer verwertungsrechtlichen Fragen war, zu übernehmen. Diese Schlie- so pointiert nationalsozialistischen zu, auch hinsichtlich des neu ent- ßung war der Tatsache geschuldet, Ausrichtung wie die beiden ande- stehenden Mediums Rundfunk. dass der NSDAP-Parteiverlag, also ren, Luetgebrune und Sack. der Eher Verlag, mittlerweile auch Der Kulturfunktionär die DVA beherrschte. Frühe Jahre Ab Mitte der Zwanzigerjahre Eher in das Kuriositätenkabi- Nach dem Studium in Lau- war er als Literaturfunktionär tä- nett fällt Haensels Wirken, nach- sanne und Marburg war Haensel tig, wobei ihm seine urheberrecht- dem Falladas Roman Der ungeliebte zunächst in seiner Geburtsstadt lichen Kenntnisse wichtige (Karrie- Mann, von ihm selbst als „Roman Frankfurt am Main tätig, wo er in re-) Dienste leisteten, vor allem im minderer Kraft“ bezeichnet, 1941 eine wohlhabende bürgerliche „Schutzverband Deutscher Schrift-

SALATGARTEN 2/2019 35 ■ NEUES ZU FALLADA

steller“ und im PEN. Diese Diens- lich institutionalisiert wurde und grüßten neuen Staates von diesem. te trugen unmittelbar nach der damit Teil der Reichskulturkam- Aber immer nur so weit, dass seine Machtübernahme der Nazis dazu mer wurde. Es ist deshalb nicht ver- schriftstellerischen Ambitionen bei, dass beide Verbände nicht nur wunderlich, dass Carl Hänsel das nicht nachhaltig geschädigt wur- gleichgeschaltet, sondern ausge- „Gelöbnis treuester Gefolgschaft“, den. Folgt man der Darstellung schaltet wurden. Hinsichtlich des das am 26. Oktober 1933 veröffent- von Hanns Martin Elter, so schloss PEN betrieb er diese Aufgabe über licht wurde, unterzeichnete. sich Haensel dem Kreis um Bruno einen schon am 17. März 1933 in E. Werner und Paul Fechter an. So seiner ehemaligen Zeitung DAZ Der Urheberrechtsspezialist konnte er in diesen Jahren, wenn (Deutsche Allgemeine Zeitung, die Als Spezialist in urheberrecht- auch bei zwei Romanen wegen ehemalige „Hauspostille“ Bis- lichen Fragen, insbesondere auch „Unerwünschtheit“ kein Papier marcks) veröffentlichten Artikel, in Bezug auf urheberrechtliche zugeteilt wurde, eine Vielzahl von in dem er forderte, „daß nur der Verwertungsgesellschaften, stand Erzählungen veröffentlichen und Deutschland nach außen vertre- er einem der wesentlichen Prot- die beachtliche Zahl von neun Ro- ten kann, der bis in die Tiefen mit agonisten dieser Rechtsentwick- manen. Er kannte sich aus im Di- dem eigenen Volkstum verwurzelt lung, nämlich Richard Strauss, in ckicht der nationalsozialistischen und von seinen Säften bis in die den Auseinandersetzungen um Kulturpolitik. Auf dem Gebiete letzte Pore durchzogen ist.“(S.18) die GEMA zur Seite.5 Dabei war er der Rechtspolitik allerdings trat Und sein Wunsch wurde erhört: natürlich durch die Tatsache, dass er öffentlich kaum in Erscheinung Im Rahmen der Umgründung der Richard Strauss als Präsident der Allerdings veröffentlichte er schon deutschen PEN-Gruppe in die Uni- Reichsmusikkammer in das „Kul- im Herbst 1933 zusammen mit Ri- on Nationaler Schriftsteller wurde turkammer-(Un-) Wesen“ der Nazi- chard Strahl ein Politisches ABC Hanns Johst zum Vorsitzenden be- Kulturpolitik bis zu seinem Rück- des neuen Reichs: Schlag- und Stich- stimmt. Schon unmittelbar nach tritt 1935 tief eingebunden war, wörterbuch für den deutschen Volks­ der Machtübernahme hatte Carl auch in diesem Kontext rechtlich genossen, das 1938 eine zweite Auf- Haensel im Rahmen einer hand- und kulturell vernetzt. lage erlebte. streichartigen Aktion mit anderen Die in einer lobhudelnden, Nationalkonservativen und Natio- apologetischen Würdigung von Der Schriftsteller nalsozialisten bereits die Berliner Hanns Martin Elster6 aufgestellte Parallel zu allem verlief seine Ortsgruppe des „Schutzverbandes Behauptung, Haensel sei entschei- schriftstellerische Karriere, so dass Deutscher Schriftsteller“ gleich- dend an der Umstrukturierung die Vermutung richtig sein dürfte, geschaltet und den 2. Vorsitz über- der GEMA zur Stagma beteiligt dass ihm damals „wohl kein Berli- nommen. Seine Rolle als Syndikus, gewesen und dieser Vorgang sei ner Autor persönlich unbekannt“ die er schon zuvor gespielt hat- „ohne Einflussnahme der Nazis“ blieb.8 1928 veröffentlichte er den te, behielt er bei. Am 31. Juli 1933 geschehen,7 bedarf jedenfalls der Roman Der Kampf ums Matter- wurde der Schutzverband auf den Korrektur dahingehend, dass – wie horn, den er gleichzeitig mit dem Reichsverband Deutscher Schrift- Albrecht Dümling im Einzelnen Drehbuch für den gleichnamigen steller, also die entsprechende Na- nachgewiesen hat – die Gleich- Stummfilm mit Louis Trenker ver- zi-Organisation, übergeleitet. Als schaltung der GEMA nach einem fasste. Auch das Drehbuch des nach Gründung der Reichskultur- ähnlichen Muster verlief, wie die Remakes von 1938, der unter dem kammer sich der Reichsverband des Schriftstellerverbandes, näm- Titel Der Berg ruft in die Kinos kam, neu konstituierte, gehörte Haen- lich durch Drohung, Erpressung, in der Regie von Louis Trenker, war sel zu den erforderlichen sieben Entrechtung. sein Werk. Daneben schrieb er eine Gründungsmitgliedern. Und im Aber so wie bei Fallada selbst ist Vielzahl an Romanen und Theater- November 1933 war der Reichs- auch bei Haensel eine differenzier- stücken, die jedoch mit Ausnah- verband dann der von den NS-Poli- tere Sicht auf Leben und Wirken me des Matterhorn mittlerweile tikern und Behörden erwählte im Unrechtsstaat des Dritten Rei- überwiegend der Vergessenheit Verein, der durch die „Erste Ver- ches angebracht. Sukzessive löste anheimgefallen sind. Um einige ordnung zur Durchführung des sich Haensel mit zunehmender zu nennnen: Der Bankherr und die Reichskulturkammergesetzes“ zur Erfahrung der wahren Natur des Genien der Liebe, (1938); Neuaufla- Reichsschrifttumskammer staat- von ihm zunächst begeistert be- ge als: Frankfurter Ballade: Diotima

36 SALATGARTEN 2/2019 NEUES ZU FALLADA ■

zwischen Gontard und Hölderlin über den sogenannten Wilhelm- 1 * 12. November 1889 in Frankfurt am Main; † 25. April 1968 in Winterthur; eine für den damali- (1964); unter dem Titel Der Bank- Straßen-Prozess. gen Zeitgeist nicht typische, völlig unkritische herr und die Genien der Liebe: Ein Und weiter ging es auf der Kar- und apologetische Beschreibung seines Lebens findet sich bei Hanns Martin Elster: Carl Haen- Frankfurter Roman um die Familie riereleiter: Nach Beendigung der sel: Dem Juristen und Dichter zur Vollendung Gontard und Hölderlin (1998) und Nürnberger Prozesse kehrte Haen- seines 75. Lebensjahres, Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht (UFITA). Band 43, Wetterleuchten: Wien im Frühjahr sel wieder in seine ehemalige Do- 1964, S. 1–20. 1913 (1943); vom Autor umgearbei- mäne, das Rundfunk- und Urheber- 2 Vgl. dazu Hanuscheck, Sven in Gustav Frank / Stefan Scherer (Hg.), Hans-Fallada-Handbuch. tete und erweiterte Fassung unter sowie Verwertungsrecht zurück. Berlin/Boston: De Gruyter 2019, S. 452 f. dem Titel Kennwort Opernball 13 Von 1950 bis 1955 war er Justiziar 3 Schreiben des Rowohlt Verlages an Fallada vom (1966). des Südwestfunks. Er wurde Mit- 24.2.1942, HFA Sign. N 159. 4 so Felix Pinner (Frank Faßland). In: Die Welt- glied der Fernsehkommission der bühne, 20. Jg., 1924, S. 933. Der Nürnberg-Verteidiger und Arbeitsgemeinschaft der Rund- 5 Elster, Hans Martin: Carl Haensel: Dem Juristen Rundfunk- und Fernsehmann funkanstalten. Kulturpolitisch be- und Dichter zur Vollendung seines 75. Lebens- jahres, Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Nach der Ausbombung Anfang deutsam war seine federführende Theaterrecht (UFITA). Bd. 43, 1964, S. 7. 1944 übersiedelte Haensel in sein Mitarbeit an der Gründung der 6 Ebd., S. 1 ff. Haus in Überlingen. Deshalb konn- Verwertungsgesellschaft Wort 7 Ebd., S. 10. 8 Ebd., S. 7. te er Fallada in den Auseinander- (VG Wort). Er wurde Präsident der 9 Ebd., S. 20. setzungen des Jahres 1944 nicht „Humboldt-Gesellschaft für Wis- mehr vertreten. Das Kriegsende senschaft, Kunst und Bildung“ und erlebte Haensel in der Schweiz und wirkte, wie es Elster formuliert, kehrte dann nach Überlingen zu- „auf das Fruchtbarste am kulturel- rück. Alfred Döblin, der in der fran- len Neuaufbau der Bundesrepub- zösischen Zone, zu der Überlingen lik mit: kein Wunder, daß ihm das gehörte, von der französischen Bundesverdienstkreuz verliehen Militärregierung mit der Wahr- wurde.“9 nehmung kultureller Aufgaben betraut war, half Haensel, sofort Schlussbemerkung wieder als Rechtsanwalt Fuß zu fas- Und als die in der Nachkriegs- sen. Und so wurde er, wie übrigens zeit nicht unbedeutende Berliner auch der seit Anfang der Vierziger- Monatszeitschrift Athena die Ant- jahre in seiner Kanzlei tätige Kolle- wort auf die Frage veröffentlicht: ge Rechtsanwalt Horst Pelckmann „Wer repräsentiert die deutsche einer der prominenten (Pflicht-) Literatur?“, fanden sich unter den Verteidiger vor dem Internationa- 30 Namen nicht nur Hermann Hes- len Militärgericht und später den se, Thomas Mann und Bert Brecht, amerikanischen Militärgerichten sondern auch Carl Haensel. Sein in Nürnberg, mit beachtlichen ehemaliger Mandant Hans Fallada Verteidigungserfolgen, die zu ei- hatte nicht die Spur einer Chance, ner Vielzahl von Freisprüchen der in dieser Auswahl zu erscheinen. Angeklagten jenseits der Haupt- Ja, so waren die Zeiten. kriegsverbrecher führten. Parallel dazu veröffentlichte er eine Viel- zahl von Fachartikeln in den juris- tischen Fachzeitschriften zu den Rechtsfragen im Zusammenhang mit den Verbrechen der in den sogenannten „nachgeordneten Verfahren“ angeklagten Täter: Ju- risten, Ärzte, Diplomaten usw. Im Zusammenwirken mit Robert M. W. Kempner verfasste er ein Buch

SALATGARTEN 2/2019 37 ■ NEUES ZU FALLADA

Fallada im Hans Otto Theater Jeder stirbt für sich allein

ANJA RÖHL Alles andere bleibt der Phantasie Nazis weicht mit einem Schlag, als des Zuschauers überlassen. er die Widerlichkeit seiner Vorge- Hans Fallada zu dramatisieren, sei- Zu Beginn laufen und schlen- setzten zu spüren bekommt. Die ne Romane für Theater oder Film dern alle Mitwirkenden mehrfach Darstellung der Entwicklung der zu adaptieren, ist eine dankbare durchs Bild, Straßenstimmung Figur meistert Lenk unprätentiös, Aufgabe, denn er hat die Dialoge darstellend. Die Briefträgerin fast unauffällig, sehr gut, dass er schon geschrieben. Man muss nur Kluge, mit der das Buch beginnt, sie nicht so hochspielt. die Beschreibungen und Erzählse- führt auch hier ein, sie wird durch Die Machart des Stückes ist mo- quenzen in Bilder umsetzen. Falla- Nadine Nollau besetzt, die eine be- dern im Sinne von Brecht, Boal, da selbst sah alle Bücher als Filme stimmte Eigenschaft Fallada’scher Dario Fo; es wechseln die Spieler vor seinem geistigen Auge, das ist Frauenfiguren sehr schön zeigt, sukzessive ins Erzählende, treten überliefert. das Selbstbewusst-Kluge gepaart wahlweise aus ihren Rollen heraus, Der Stoff des Romans Jeder stirbt mit einer starken Mütterlichkeit. distanzieren sich von ihrer Figur, für sich allein gibt schon die Auf- Die Briefträgerin sieht, wohin es wählen die personelle Erzählweise teilung in Akte eines griechischen in der Gesellschaft geht, und wan- und schlüpfen danach wieder in Dramas vor. Ausgangspunkt ist dert aufs Land aus, wo man unab- ihre Rollen hinein. Das Ganze fast der Tod eines Sohnes, der im Krieg, hängiger leben kann, wie sie sagt. unbemerkt. Es gefällt mir, dass hier den er nie wollte, getötet wird. Das Ehepaar Quangel ist glän- kein Schnickschnack eingebaut Daraus entwickelt sich alles Wei- zend besetzt: Jon-Kaare Koppe ist. Das ist nicht nötig, der Stoff ist tere: Die Eltern werden von bie- ist zwar nicht so groß, wie man auch so spannend, man würde ihn deren unpolitischen Duldern zu sich Quangel immer vorgestellt nur zerfasern. heimlich Widerstand Leistenden. hat, aber seine starre Sturheit, sei- Bravo an die Regisseurin Annet- Dann Hochgefühl, Absturz, Rei- ne subdepressive Stimmung, die te Pullen und ihr Team. Eine pa- fung durch Erkenntnisse und Tod Trauer nicht herauslässt, seine Kör- ckende Inszenierung, der Besuch durch Hinrichtung. Das Publikum perhaltung, seine in einem langen lohnt sich! wird zum Denken gebracht durch Leben erworbene Klugheit, seine die Widersprüche, in die sich die beredte Schweigsamkeit, all das Protagonisten verwickeln, was am setzt er sehr gut um. Auch Katja Beispiel des Kommissars, „des Ein- Zinsmeister, vielleicht etwas zu zigen, den die Karten der Quangels jung für diese Rolle, meistert ihre überzeugt haben“, wie dieser kurz Aufgabe, überzeugend ist sie be- vor seinem Selbstmord enttäuscht sonders in dem schonungslosen konstatiert, deutlich wird. Kampf, den sie zu Beginn mit ih- Das Hans Otto Theater gibt rem Mann führt, ausgelöst durch das Stück konzentriert und nüch- den Satz: „Du und dein Führer ...“, tern, keine Videos, kein Blut, kein der geschickt auf die bereits vor Schlamm, in dem sich wer wälzt, Längerem erfolgte Bestechung kein Feuer, keine Bomben, kein der Arbeiteraristokratie durch die Hitlergebrüll. Nur ein sich je nach Versprechungen der National- Bedarf langsam drehender breiter sozialisten hinweist – Quangel ist Klotz aus Holz, in dem Wohnun- Werkmeister und somit in einer gen übereinander Häuser skizzie- herausgehobenen Position. Komis- ren, eine lange, graue Mauer eine sar Escherich, eine Schlüsselfigur, Straße vorstellt, ein Zimmer Arbeit wird von Arne Lenk überzeugend zeigt, dazu Treppenhäuser. Fertig. gespielt, seine Anpassung an die

38 SALATGARTEN 2/2019 NEUES ZU FALLADA ■

Ulrich Fischer Kurt Weill und das Urheberrecht Der andere Dreigroschenfilm-Prozess 2018, 112 S., 19.90 EUR, br., ISBN 978-3-643-14095-1 »Ulrich Fischer, als Jurist und Publizist durch zahlreiche fundierte Studien u.a. zu Bertolt Brecht hervorgetreten, hat eine rechtshistorisch und urheberechtlich akzentuierte Spe- zialstudie zu Weills Prozess gegen die Nero vorgelegt und hat mit seiner lesenswerten und bestens dokumentierten urheberrechtshistorischen Arbeit seine bekannten Arbeiten auf zu Brecht und dem Urheberrecht ungemein bereichert. So gesehen ist damit zugleich ein Zeitbild vorgelegt worden. Denn auch Weills Prozess kann nur auf der Grundlage des zeitgeschichtlichen Kontextes zutreffend eingeordnet wer- den. «Prof. Dr. iur. Albrecht Götz von Olenhusen in Zeit- schrift integrativer europäischer Rechtsgeschichte (ZIER) -HP-09-2019 .

Ulrich Fischer Ankündigung Juristensohn und Dichter Hans Fallada und die Rechtsanwaltsfiguren in seinem Romanwerk 2019, 110 S., 19.90 EUR, br., ISBN 978-3-643-14539-0

Hans Fallada, Sohn eines zum Reichsgerichtsrat aufgestiegenen Sprosses einer Juristen- dynastie, erlebte die Justiz vorrangig von der anderen Seite: aus der Perspektive des An- geklagten. Verwunderlich ist es deshalb nicht, dass Richter in seinem Romanwerk so gut wie keine Rolle spielen. Doch deren Antipoden, die Rechtsanwälte finden in Falladas Ro- manwerk, manchmal beiläufig, manchmal bedeutsam, einen nicht zu übersehenden Platz. Kaum ein Autor lässt so viele Rechtsanwälte in seinem Werk auftreten, wie Fallada. Die- sem Phänomen spürt das Buch nach und zeichnet ein umfassendes Bild der Anwaltstypik, keinesfalls immer nur Stereotypen, während Falladas Schaffenszeit. Das Buch wendet sich sowohl an den Fallada- Kenner, den sporadischen Fallada-Leser, aber auch an alle, die an der Sozialgeschichte der Anwaltschaft in Deutschland in der 1. Hälfte des 20. Jahrhun- derts interessiert sind.

SALATGARTEN 2/2019 39 ■ LITERATUR UND LITERARISCHES LEBEN

„Ich sah hoch und erkannte ihn, mein geheimes Idol“ Eine Jubiläumstagung feierte Karl May

LUTZ HAGESTEDT phänomen. Dies macht auch die ausgefallene, schwierige Wörter abendliche Auktion deutlich, die und ungewohnte Wendungen in- Am Abend kommt eine Rarität auf keinem Karl-May-Kongress teressieren. Denn Karl May ist ein ersten Ranges zur Versteigerung: fehlen darf. Knapp dreihundert Virtuose des Sprachlichen. Bei ihm Ein Kolportageroman in einem Er- Raritäten werden hier angebo- trifft man auf Wendungen wie: haltungszustand, wie man ihn sich ten, von begnadeten Sammlern „etwas benamsen“, „sich in etwas besser kaum wünschen kann. Auf- und ausgewiesenen Kennern des teilen“ oder „sich um jemanden gerufen wird Der verlorene Sohn Antiquariatsbuchhandels gezielt bekümmern“. oder Der Fürst des Elends (um 1885) für die Fans ausgesucht. Für jeden In einem Antiquariat aufzu- zu zwei Dritteln des Schätzpreises: Geldbeutel ist hier etwas dabei. wachsen, das erinnert uns an Bas- „Tausendzweihundert Euro sind Unter den Bietern sitzt in der tian Balthasar Bux („Books“) aus geboten.“ zweiten Reihe auch ein Antiquar, der Unendlichen Geschichte von der sein vorzüglich geführtes Sor- Michael Ende. Auf dem „Schooße“ Karl-May-Tagungen sind eine timent um einige seltene Funde des Vaters einer Buchauktion fol- echte Besonderheit unter den Kon- erweitern möchte und der haupt- gen dürfen: Kann es eine schöne- gressen literarischer Gesellschaf- sächlich illustrierte Rara kauft. Er re Kindheit geben? Fern von der ten. Hier kommen auf einen Refe- sieht aus, wie man sich Klekih-pe- hässlichen Welt des Smartphones, renten bis zu fünfzig sachkundige tra vorstellt, und auf seinem Schoß abseits primitiver Emoticons? Gäste, die nichts anderes lesen als sitzt ein kleiner Winnetou. Der Der kleine Winnetou wird unter- Karl May. Und jede Karl-May-Bien- exotisch anmutende Knabe ist um schiedslos, warum auch nicht?, nale ist für sie ein Fest. Hochstim- die fünf Jahre alt, und lesen kann klassische Werke wie Groschen- mung herrscht zumal dann, wenn er noch nicht. Gleichwohl folgt hefte verschlingen. Und vielleicht fünfzig Jahre Karl-May-Gesell- er aufmerksam und beseelt der dereinst Romane von Hans Falla- schaft zu feiern sind. Der Festsaal langen Prozedur der Auktionäre. da. So wie einst Fallada Karl May für den 25. Kongress in Mainz ist Es ist ein berührender Moment, verschlungen hat. Und vielleicht gut gefüllt, aber die Reihen haben wenn sich ein Kind die Welt der wird ihm das den Übergang vom sich doch auch gelichtet: lang ist Bücher erobert. Zunächst reizen Lesen zum Schreiben erleichtern. die Liste der Toten, deren eingangs die berühmten ›Grünen Bände‹ gedacht wird. Die überlebenden den noch Leseunkundigen in ihrer Der Triumph des Helden Mitglieder der Karl-May-Gesell- Materialität: Einband, Papierquali- Hans Falladas Erinnerungsbuch schaft sind in die Jahre gekommen; tät, Farbe, Geruch. Schon ahmt der Damals bei uns daheim enthält eine junge Gesichter sieht man kaum, kleine Winnetou die Geste des Le- Episode, die aus einem Kolportage- wenngleich viele Teilnehmer des sens nach, indem er seine Augen roman Karl Mays stammen könnte. Kongresses unter die Rubrik der über die schwarzen Spiegel und Da hat ein Kind, noch kurz vor der ‚jugendlichen Alten‘ fallen dürf- Buchstabenreihen wandern lässt, Bescherung an Heiligabend, eine ten; es hält offenbar jung, Kolpor- während er Blatt für Blatt langsam Besorgung machen sollen – doch tage zu lesen. umwendet. Ein Spurenleser auch es fällt ihm, kurz vor dem Ziel, die Auch das Foyer ist voll wie ein er. Stolz schleppt er die großen gerade erst erworbene Flasche To- Bienenstock. Dort stehen die gut- Folianten herbei, die Nach- und matenmark auf das Trottoir. Und sortierten Tische der Antiquare. Wiegendrucke, die vom schönsten wer den Schaden hat, braucht für Seitdem der Freiburger Verleger Handwerk der Welt künden. Und den Spott nicht zu sorgen. Sofort Fehsenfeld in das Leben Karl Mays wenn er dereinst selbst wird lesen ist der halbwüchsige „Frostpeter“ trat, ist dessen Werk ein Bücher- können, wird er sich besonders für von Tagedieben „eng umstanden“,

40 SALATGARTEN 2/2019 LITERATUR UND LITERARISCHES LEBEN ■

die ihn schadenfroh zu veräppeln doch noch zu erfahren, ob er le- Karl May, ein Betrüger? So suchen: ben oder sterben würde – da nahm schien es, und so mussten die Karl- „Ich erinnere mich noch, daß der Vater das Buch lächelnd in die May-Bände, die ein Onkel den mir ein besonders hartnäckiger Hand, wies auf das dicke Seiten- Ditzen-Geschwistern geschenkt Witzbold immer wieder die Hand paket, das noch ungelesen vor mir hatte, „beim Familienbuchhänd- auf den Kopf legte und mich lag, und sagte: ‚Noch zweihundert- ler in schicklichere Lektüre“ um- zwingen wollte, das Zeug aufzu- fünfzig Seiten – und der Held soll getauscht werden.5 Freilich, es half lecken.“1 Da naht die Rettung in jetzt schon sterben? Was will denn alles nichts: „Vater hat damit nur Gestalt eines Uniformierten: „To- der Verfasser auf den restlichen erreicht, daß meine Liebe zu Karl matenpüree, was?“, fragt er mili- zweihundertfünfzig Seiten erzäh- May immer weiter unter der Asche tärisch knapp. Und er greift in die len? Das Begräbnis?‘“4 schwelte. Als ich dann ein Mann Tasche: „Hier hast’ne Mark, Jung. Da hier auch von einem „Prärie- geworden war und ein bißchen Weil heute Weihnachten ist. Laß brand“ die Rede ist, könnte der Pas- Geld hatte, habe ich mir alle fünf- die Pulle aber nicht noch mal fal- sus auf Mays Erzählung Die Stake- undsechzig Bände Karl May auf len!“2 Diese Geste tätiger Nächs- men gemünzt sein. Hier, im dritten einmal gekauft. Während ich dies tenliebe kommt von einer Persön- Band der Winnetou-Tetralogie, ist schreibe, stehen sie grüngolden lichkeit, die auf den Knaben schon Old Shatterhand schon zu Beginn aufmarschiert in der Höhe meines lange Eindruck gemacht hat: am Verschmachten, aber es fehlt rechten Knöchels. Ich habe sie nun „Ich sah hoch und erkannte ihn, noch ein dicker Buchblock von alle gelesen, nicht nur einmal, son- mein geheimes Idol. […] Ich liebte fünfhundert Seiten bis zum Ende dern mehrere Male. Jetzt bin ich diesen Mann schon lange aus der der Geschichte: Nicht der Tod des gesättigt von Karl May, ich werde Ferne, ich bewunderte ihn, trotz- Helden ist also zu erwarten, son- sie kaum wiederlesen. Aber nun dem er zweifelsfrei ein Mann und dern sein Triumph. schlüpft mein Ältester in den Feri- kein Herr war, ein Unterschied, Fallada hat viel von seinen Lek- en hier herauf und holt sich einen den wir Kinder sehr genau kann- türen profitiert: Schon die Ereig- Band nach dem andern, bettelt vor ten. […] Aber damals war er mein nisfülle und Handlungsintensität dem Schlafengehen um fünf Minu- Idol, und zwar vor allem wegen seiner Romane weisen auf den ten Aufschub – alles dasselbe und seiner Kopfhaltung und der halb- sächsischen Volksschriftsteller zu- doch alles ganz anders. Denn ich geschlossenen Lider.“3 rück. Fallada wie auch May kann hindere ihn nicht, ich raube ihm Der Karl May-Leser kennt diesen man in jedem Alter lesen, weil sie auch nicht die Illusion, der Held Typus mit diesem Habitus: Der er- spannend vom Leben erzählen befinde sich wirklich in tödlicher fahrene Westmann beispielsweise und uns die Realität auf Zeit ver- Gefahr – ich will doch einmal ge- beobachtet solcherart seine Um- gessen lassen. Als Kind freilich gen Vater recht behalten!“6 gebung, er beschattet seine Au- durfte Rudolf Ditzen noch keine Viele Gemeinsamkeiten beider gen und senkt die Lider, um den Karl-May-Bücher lesen – denn Œuvres fallen ins Auge: Die Prota- suchenden Blick zu verbergen. damals, zwischen 1900 und 1912, gonisten sind oftmals Getriebene Gelernt hat er das bei Winnetou, tobte ein erbitterter Kampf um (man würde heute von Intensiv- der edelsten aller Rothäute, und er den ‚Jugendschriftsteller‘, der vie- tätern sprechen), die einen Kampf transferiert dieses Wissen in sein len als ‚Jugendverderber‘ galt. Die mit sich selbst auszutragen ha- eigenes Werk. strafwürdigen Vergehen aus Mays ben, gemischte Charaktere, die Auch die folgende Episode ge- Lehrjahren wurden publik, seine sich nicht in der Opposition von mahnt an Karl May: Rudolf, als anzüglichen Kolportageromane Schwarz und Weiß, von Gut und Kind Kostgänger spannender In- erschienen erstmals mit seinem Böse erschöpfen. dianer- und Abenteuerbücher, Verfassernamen, sein Doktortitel Fallada hat von seiner Leiden- deren Helden ständig in Lebens- erwies sich als Hochstapelei, und schaft für Karl May Zeugnis abge- gefahr schwebten, wird vom Va- man munkelte, dass sogar seine legt: man verschlingt seine „sämt- ter kuriert: „Als ich nämlich einst Reiseerzählungen aus dem Orient lichen Bücher“, als müsse man sie um einen Helden zitterte und nur und dem Wilden Westen ohne „durchrasen“.7 Echte May-Leser noch um fünf Minuten Aufschub jede eigene Anschauung verfasst nämlich lesen das ganze Werk, mit dem Zubettgehen bettelte, um worden seien. und zwar mehrfach. Und auf diese

SALATGARTEN 2/2019 41 ■ LITERATUR UND LITERARISCHES LEBEN

Gesamtwerklektüren wird man Old Shatterhand überzeugend in- als den „Versuch einer allegori- nicht zuletzt durch Karl Mays Ver- frage gestellt. Dem schloss sich ein schen Summe des Jahrhunderts“ leger abonniert, die aus verstreut ausufernder, überlanger Vortrag zu erweisen. erschienenen Erzählungen ein über „Karl May, die Deutschen und Œuvre komponiert und sie in den den Orient“ an. Wie man es bes- berühmten „Grünen Bänden“ des ser macht, demonstrierte Florian 1 Hans Fallada: Damals bei uns daheim. Erlebtes, Erfahrenes und Erfundenes. Rowohlt Verlag, vielleicht bedeutendsten Autoren- Schleburg mit einem virtuosen Stuttgart, 1. Auflage 1941: S. 232. verlags vorgelegt haben. Beitrag zu Karl Mays „apokryphem 2 Ebd. Koran“. Die Exotik der Fremde the- 3 Ebd. Durchwachsene Gemengelage matisierte auch Malte Ristau mit 4 Ebd.: S. 212. der Referenten seinen Ausführungen über „Aus- 5 Ebd.: S. 213. 6 Ebd.: S. 213. Bislang hatte ich die Karl-May- wanderung als Thema bei Karl 7 Ebd.: S. 245. Welt immer für eine Bastion des May“. Ein zentrales Motiv aller politisch Inkorrekten gehalten. Erzählungen wurde von Stephan Doch damit war es jetzt augen- Lesker untersucht, nämlich die scheinlich vorbei. Johannes Zei- Begräbniskultur als Klammer um linger, der langjährige Vorsitzen- Leben und Werk des Schriftstellers de der Gesellschaft, begrüßte in Karl May betreffend. Innovativ war einem Anfall von Genderitis die schließlich vor allem der Vortrag Anwesenden mit „Liebe Mitglie- von Micky Remann, der Karl May der und Mitgliederinnen“, was als Medientheoretiker würdigte. kopfschüttelnd und mit Gelächter Den Festvortrag hielt abschlie- quittiert, aber auch von anderen ßend Heinrich Detering. Er sprach aufgegriffen wurde. Es bedurfte über „Metaphysische Reisen. Karl dann eines Wechsels im Vorsitz, Mays späte Landschaften und ihre bis Florian Schleburg diesem zum literarischen Kontexte“. Dieser Running Gag mutierten Unsinn Festredner war ein Glücksgriff in ein Ende bereitete: das Wort „Mit- der insgesamt durchwachsenen glied“ sei immer noch sächlich und Gemengelage der Referenten, gebe keinen Anlass für Kompensa- denn er verknüpfte hochaktuelle FALLADA-KÖPFE tion durch ein anderes grammati- Modernetheorien mit gut einge- sches Geschlecht. führten Klassikern der Interpreta- Olaf Gulbransson (1873 – 1958) Aber auch bei Helmut Schmiedt, tionskunst. So wurde hier Juri M. dem renommierten Winnetou- Lotmans Konzept der „Semiosphä- Über den norwegischen Maler, Grafiker Forscher, hatte sich ein merkwür- re“ bemüht, um Dantes „Meister- und Karikaturisten, der u. a. Falladas Ro- dig zwiespältiger Blick auf diese narrativ“ für Karl Mays späte Al- man Bauern, Bonzen und Bomben illust- mehrfach gebrochene ‚Heiligen‘- legorie Ardistan und Dschinnistan rierte, schrieb der Schriftsteller und Jour- Gestalt eingestellt, mit Spurenele- nutzbar zu machen: die Aufwer- nalist Peter Scher: „Er ist ein (passiver) menten von Kolonialismuskritik tung der Grenze als Konfliktzone Eisbär mit der Seele eines (raffinierten) („die ausbeuterische Behandlung verdanke sich dem Raumplan des Kindes. Etwas von einem Troglodyten der Ureinwohner durch weiße In- Märchens. Dieser Vortrag war hin- umwittert ihn noch im Smoking – heu- vasoren“), Me-Too-Debatte und sichtlich Performanz, Qualität und te noch. Als er, von Björnson und Albert einem Problemaufriss der dar- Innovativität ohne Frage heraus- Langen aus seiner Höhle gelockt, nach gestellten Geschlechtercharak- ragend, und es schmeichelte dem Deutschland kam, fraß er Fische noch mit teristik – demnach wären Mays Auditorium, dass es hier seinen den Köpfen und wieherte unter wohl- Romane „hegemoniale Erzählun- Autor in die literarische Moderne erzogenen Menschen das Gelächter ei- gen“ des Weißen Mannes über die um Thomas Mann, Ibsen, Nietz- nes liebenswürdigen Untiers. – Er ist ein Farbigen und übergriffige Inbe- sche und Wagner gestellt sah. Stück Natur – dressiert vom Leben.“ Aus: sitznahmen der Frauen. Helmut Aber auch ältere Textzeugen, dar- Anmerkungen zu Olaf Gulbransson. Der Schmiedt hatte das Freundschafts- unter Goethe und Dante, wurden Bücherwurm, 5. Jg 1919, H. 2, S. 51. theorem zwischen Winnetou und bemüht, als es galt, Mays Spätwerk

42 SALATGARTEN 2/2019 LITERATUR UND LITERARISCHES LEBEN ■

Hans-Fallada-Preis 2020 für Saša Stanišić

SIBYLLE OBERHEIDE kurzen Kapitel mit den orientie- renden Überschriften: keine star- 2019 war ein erfolgreiches Jahr für re Chronologie, oft abschweifend, Saša Stanišić. Mitte Oktober 2019 denn „ohne Abschweifung wären wurde er mit dem Gewinn des Kri- meine Geschichten gar nicht mei- tiker-Preises des deutschen Buch- ne“ (39), mit der Lust zu fabulieren handels in Frankfurt für sein Pro- und zu phantasieren, symbolisiert sawerk Herkunft ausgezeichnet, durch den kleinen Drachen, der das sich seit dem Erscheinen bei gegen den Heiligen Georg, den Luchterhand im März dieses Jahres Schutzpatron der Familie Stanišić, auf der Spiegel-Bestseller-Liste hält. kämpfte und auf dem Einband Inzwischen wurde sein Roman zu sehen ist. Dem Fabeltier ge- Saša Stanišić © Katja Sämann auch für den Hans-Fallada-Preis hört die Sympathie des Erzählers. der Stadt Neumünster vorgeschla- Durchwoben wird das Geschehen viele Bücher und drei kleine Haus- gen, der im Frühjahr 2020 verlie- vom Schicksal der Großmutter, die tiere. Die Eltern gehören als ange- hen wird (vgl. Pressemitteilung). allmählich ihre Erinnerung ver- sehene Bürger zur aufstrebenden Wenn man sich fragt, was Fallada liert, während er Erinnerungen Mittelschicht. Mit der Flucht sind und Stanišić eint, so ist also beiden sammelt. Mit Skepsis sieht sie sein die Lebenssicherheit und die fes- gemeinsam die Popularität bei fiktives Schreiben als „Erfinden te Sozialstruktur dahin. Nichts ist Publikum und Kritikern. Beiden und Übertreiben“ (20) und dringt mehr wie vorher: die Großfamilie geht es um das Schicksal einfacher darauf, nach Oskoruša zu fahren, in Europa und den USA verstreut, Menschen, die mit Sympathie und zum real-existierenden Herkunfts- die sozial abgestiegene Familie Humor geschildert werden. Beide ort des väterlichen Zweiges der lebt in Sperrmüllmöbeln in einem beschäftigen sich mit der Darstel- Familie. Ihrem Drängen verdankt abgelegenen Betonviertel mit lung gesellschaftlicher Umbrüche der Leser die unvergesslich heite- besonders vielen Migranten aus und dem Verlust der eigenen Welt. re Szene der Großfamilie am Grab unterschiedlichsten Ländern. Eine Bei Stanišić kommen die Themen der Toten, mit denen man isst und Krieg und Migration dazu. trinkt und sich Geschichten über Der Roman Herkunft hat auto- sie erzählt, die „Urszene für ein biografischen Bezug. Stanišić war Selbstportrait mit Ahnen“ (50). 1992 vierzehn Jahre alt, als er aus Der Ich-Erzähler beschreibt das dem bosnischen Visegrád mit sei- Leben vor und nach der Erschüt- ner muslimischen Mutter nach terung. Zu dieser Zweiteilung Deutschland floh, wo er in Heidel- kommt ein mit „Drachenhort“ ori- berg seine Jugend verbrachte. Ein gineller Schlussteil, der den Leser serbischer Polizist hatte die Mutter zu einem spielerischen Umgang gewarnt, den Muslimen gehe es an mit dem Text und zur Aktivität he- den Kragen. Stanišić geht es nicht rausfordert. um Kriegsgräuel und Bitterkeit, Die Kindheit des Ich-Erzählers sondern er sagt über seine Art zu in Visegrád scheint festgefügt. Als schreiben: „Ich beschwöre das Hei- Einzelkind, geliebt von den Eltern © Luchterhand le und überbrücke das Kaputte.“1 und geborgen in der Großfamilie, Das erklärt die poetische Leichtig- verbringt er seine Freizeit in der Saša Stanišić keit, die das Moderne, wie einige Natur am Fluss Drina. Er ist be- Herkunft Kritiker sagen, Revolutionäre die- geisterter Fußball-Fan des Vereins Luchterhand Literaturverlag ses Werkes ausmacht. Fragmen- “Roter Stern Belgrad“, Mitglied März 2019, 368 Seiten tarisch, wie der Ich-Erzähler alles eines festen Klassenverbands mit Preis 22 €, E-Book 17,99 € Leben sieht, sind Herkunft und die strengen Pionierregeln, besitzt

SALATGARTEN 2/2019 43 ■ LITERATUR UND LITERARISCHES LEBEN

abgerockte Aral-Tankstelle dient auch Fallada. Den Roman Kleiner selbst zum Sprachkünstler und als Jugendtreff. Das Entscheiden- Mann – was nun? findet er „super“ wird der Poet, „der seine eigentli- de für Stanišić aber ist der Verlust (165). In Heidelberg lernt er den che Heimat in der Sprache findet“, der Sprache. Trotzdem gelingt ihm berühmtesten Vertreter der „Hei- wie der Literaturkritiker Thomas die Integration, weil er sich integ- delberger- Romantik“ – Josef von Hummitzsch treffend einschätzt. rieren will: „Meine Rebellion war Eichendorff – kennen. Nichts liest die Anpassung. Ich war für das Da- sich so schön und poetisch wie das zugehören.“ Er findet viele Perso- Kapitel über ihn. „Dass ihn so vieles nen, die ihm dabei helfen und die verzückt, finde ich gut. Die Nacht, er in seiner Danksagung anführt. der Wald, der Adler, die Jagd, eine Meines Erachtens wären noch die Frau namens Luise, eine andere verständnisvollen Lehrer zu er- Frau namens Venus, außerdem die wähnen, die ihn z. B. auffordern, Lerche, die Saale, noch mal die Ler- ein Gedicht auf Deutsch zu schrei- che, überhaupt die Lerche, Herbst ben, und die ihn in die moderne und Frühling. Ach, alle Jahreszei- 1 Stanišić, Saša: Herkunft, S. 217. – Weitere deutsche Literatur einführen. Er ten und Dämmerungen, morgens Seitenangaben werden im Folgenden direkt im Anschluss an das Zitat in Klammern nachgewie- liest Hesse, Kafka, Brecht und eben und abends, egal.“ (233) Er wird sen.

Pressemitteilung 19. Hans-Fallada-Preis, März 2020

Der Hans-Fallada-Preis der Stadt Rolle spielen die Orte der fami- Frauke Tensfeldt, Franziska Wolff- Neumünster 2020 geht an den liären Wurzeln, die durch einen heim. deutsch-bosnischen Schriftsteller überbordenden Reichtum kultu- Saša Stanišić wurde 1978 in Vi- Saša Stanišić. reller Facetten bis hin zu magi- segrad /Jugoslawien geboren. Als Die Jury fällte ihre Entscheidung schen Räumen verdichtet werden. Folge des ethnischen Bürgerkriegs auf ihrer Sitzung am 2. Oktober Dies alles geschieht in einer offe- im zerfallenden Jugoslawien flüch- 2019 unter Würdigung des 2019 nen, wunderbar geschmeidigen tete die Familie 1992 zunächst nach erschienenen Prosabands „Her- Erzählform und einem spieleri- Heidelberg, wo er später Slawistik kunft“ (Luchterhand Verlag): schen Sprachgestus, der die bitte- und Deutsch als Fremdsprache stu- „Saša Stanišić schickt in seinem ren Momente migrantischer Er- dierte. Als Romanautor debütierte autofiktionalen Text „Herkunft“ fahrung zärtlich und ohne billigen Stanišić 2006 mit dem autobio- den Ich-Erzähler auf Expeditionen Trost aufbewahrt.“ grafischen Band „Wie der Soldat in den Erinnerungsschatz seiner Der Hans-Fallada-Preis der das Grammofon repariert“. Seither Familie, der sich über drei Gene- Stadt Neumünster wird alle zwei erhielt er eine ganze Reihe litera- rationen hinweg bis in die Zeit Jahre verliehen, er ist mit 10.000.- rischer Auszeichnungen, darunter des Zweiten Weltkriegs erstreckt. Euro dotiert und soll am 10. März den Publikumspreis des Ingeborg- Dabei wird das am Buchanfang 2020 im Rahmen einer feierli- Bachmann-Wettbewerbs (2005), gesetzte Motiv der Demenz der chen Abendveranstaltung an den den Alfred-Döblin-Preis (2013), Großmutter auf virtuose Weise 19. Preisträger überreicht werden. den Preis der Leipziger Buchmesse verschränkt mit der Wiedererlan- Mitglieder der Jury waren dieses (2014) sowie den Rheingau-Litera- gung, ja Rettung individueller Mal: 1. Stadtrat Carsten Hillgruber turpreis (2016). Der Autor lebt mit historischer Erfahrung durch die (Vorsitz), Dr. Sandra Kerschbau- seiner Familie in Hamburg. Spurengänge des Erzählers in die mer, Dr. Stefan Knüppel, Burkhard Vergangenheit. Eine besondere Möbius, Dr. Wolfgang Sandfuchs,

44 SALATGARTEN 2/2019 LITERATUR UND LITERARISCHES LEBEN ■

„Das Brieflein hat sich mächtig ausgewachsen“ Brigitte Reimann im Briefwechsel mit ihren Geschwistern Ein Gespräch mit den Herausgeberinnen Heide Hampel und Dr. Angela Drescher

ERIKA BECKER Welche konzeptionellen Überlegun- Wie war die Ausgangssituation? Wie gen gab es im Verlag zur Herausgabe viele Briefe lagen vor? Wer steuerte In den vergangenen Jahren sind meh- des Briefwechsels? Material bei? rere Briefwechsel von Brigitte Rei- Brigitte Reimann wollte immer Die vorliegende Sammlung be- mann mit unterschiedlichen Brief- über ihre Geschwister schreiben. ruht zum einen auf den 426 Brie- partnern erschienen. Wie ordnet sich Deren Konflikte, Reibungen, Ener- fen, Postkarten und Telegrammen, das „Schwarze Schaf“ dort ein? gie schienen ihr symptomatisch die dem Brigitte-Reimann-Archiv Es war ja ein Briefwechsel, der für die junge Generation der 60er von den Eltern Elisabeth und Willi nach 1990 überhaupt den Anstoß Jahre, die sich aufmachte, ihre Ide- Reimann übergeben wurden. Zum für den Aufbau Verlag Berlin gab, ale umzusetzen. andern stellten die Geschwister sich dem Werk der früh verstorbe- Weil kaum jemand damals in Brigitte Reimanns im Laufe der ver- nen Brigitte Reimann (1933–1973) der DDR über ein privates Telefon gangenen Jahre dem Archiv Origi- neu zu nähern: die Korrespondenz verfügte, gingen in kurzen Abstän- nale oder Kopien ihrer Korrespon- zwischen ihr und Christa Wolf. den Briefe zwischen Rostock, Hoy- denz zur Verfügung. Sie befinden Das Buch hatte große Resonanz, erswerda und Hamburg hin und sich in folgenden Briefbeständen: und plötzlich interessierte man her: Kummer und Ermutigungen, Brigitte Reimann an ihren Bruder sich auch wieder für die damals Hilferufe, Beichten und Geheim- Ludwig und seine Familie; Brigitte bereits etwas in Vergessenheit ge- nisse, „Weiberkram“, Auseinan- Reimann an ihre Schwester Doro- ratene Schriftstellerin. Innerhalb dersetzungen. Besonders mit dem thea und ihre Familie; Briefe der der Neuausgaben und Nachauf- Bruder Lutz, der in den Westen ge- Geschwister an Brigitte Reimann. lagen, die folgten, tritt der biogra- flohen war, stritt Brigitte Reimann Außerdem erhielten wir aus dem phische Komplex deutlich hervor. erbittert über Politik. Am Ende Privatarchiv der Familie Ulrich Rei- Sein Kernstück ist die zweibän- ihres Lebens, sie sah sich ironisch mann die Briefe Brigitte Reimanns dige kommentierte Ausgabe der als „schwarzes Schaf“ der Familie an ihn und seine Familie. Tagebücher Ich bedaure nichts. – kinderlos, krebskrank, der große Eine besondere Quelle stellt die 1955–1963 (1997) und Alles schmeckt Roman unvollendet –, waren es die bisher unbekannte Sammlung des nach Abschied. 1964–1970 (1998). Geschwister, die Mut machten. Vaters Willi Reimann dar, der sei- Diese Bände sind eine wesentliche So fügen sich die unzähligen ne Kinder bat, regelmäßig nach Grundlage zur Erschließung des Briefe der beiden Brüder und Hause zu schreiben. Aus den wich- Werkes und der Persönlichkeit Schwestern zu einem deutsch- tigsten Informationen stellte er ab der Schriftstellerin sowohl für ihre deutschen Familienroman, in des- Januar 1961 den „Familienrund- breite Leserschaft als auch für die sen Zentrum eine außergewöhnli- schrieb“ zusammen, den er allen Literaturwissenschaft. Dem folg- che Schriftstellerin steht. Geschwistern schickte, so dass je- ten u. a. 2004 Brigitte Reimann. Das war auch unser Anliegen, der stets darüber informiert war, Eine Biographie in Bildern, 2008 Jede ein differenziertes Bild vom Pri- was die anderen gerade erlebt hat- Sorte von Glück. Briefe an die Eltern vatleben einer Familie mit all den ten oder was sie bewegte. und nun abrundend 2018 Post vom Konflikten und Schwierigkeiten Die verwendeten Fotos stam- schwarzen Schaf. Geschwisterbriefe. im geteilten Deutschland jener men zum Großteil aus der Fotothek Jahre festzuhalten. des Literaturzentrums Neubran-

SALATGARTEN 2/2019 45 ■ LITERATUR UND LITERARISCHES LEBEN

denburg. Die Familie von Lutz und und dem Werk und können sich Ulrich Reimann steuerten weitere mit den Konflikten identifizieren. bisher unbekannte Fotos bei. Die Familie, die ja seit Jahren Veröffentlichungen großzügig un- Nach welchen Kriterien erfolgte die terstützt, hat einen großen Anteil, Auswahl? dass diese Dokumente einer brei- Wir hätten anfangs nicht da- ten Lesergemeinde zugänglich ge- mit gerechnet, so viele Briefe und worden sind. Es ist sicher nicht im- Postkarten zusammentragen zu mer einfach zu verkraften, wenn können, die ein fast doppelt so di- sehr persönliche Details aus dem ckes Buch ergeben hätten. Manch- Familienleben veröffentlicht wer- mal fiel uns die Auswahl wirklich den und man fast zu einer ‚literari- schwer, zumal auch Brigitte Rei- schen Figur‘ wird. Dafür schulden manns Geschwister sehr anschau- wir den Geschwistern und ihren lich schreiben konnten. Aber vie- Partnern Respekt und Dank. An- le Ereignisse wurden von ihnen dererseits haben sie selbst erstaunt ähnlich geschildert, manches war den Umfang und die Vielfältigkeit nebensächlich oder einfach zu pri- der Korrespondenz entdeckt. So vat. Wir haben uns darum bemüht, konnten sich auch die Familien- dass jeder das Wort erhält, ver- mitglieder erneut erinnern und er- schiedene Sichtweisen zu ihrem fuhren sogar das eine oder andere, Recht kommen und Geschehnisse was sie nicht wussten. nachvollziehbar für heutige Leser sind.

Mit welchen Erwartungen seid Ihr als Herausgeberinnen an die Arbeit gegangen und haben sie sich bestä- tigt, oder gab es Überraschungen? Wir haben uns selbst in die Lek- türe hineinziehen lassen und hät- ten wohl beide nicht erwartet, was für ein lebendiges Zeit- und Famili- enbild dieses Briefkonvolut in sich barg. In der Tat ein Romanstoff – Brigitte Reimann hatte recht.

Wie war das Echo auf die Publikation

– bei der Familie, beim Lesepubli- © Aufbau Verlag kum, in den Medien? Post vom schwarzen Schaf er- Brigitte Reimann schien 2018 anlässlich des 85. Ge- Post vom schwarzen Schaf burtstages und des 45. Todestages Geschwisterbriefe 1960 – 1972 von Brigitte Reimann. Die Auf- Herausgegeben von merksamkeit in den Medien war Heide Hampel und bemerkenswert. Begegnungen Angela Drescher mit den Lesern erstaunen immer 35 Abbildungen, Gebunden mit wieder durch das ungebrochene Schutzumschlag Interesse an der Schriftstellerin. Preis 24,00 € Offenbar finden viele Leser Berüh- Auch als E-Book erhältlich rungspunkte in der Biographie

46 SALATGARTEN 2/2019 LITERATUR UND LITERARISCHES LEBEN ■

Urnenumbettung zurück nach Burg Gedenkstunde für Brigitte Reimann

WOLFGANG BEHR gekehrt.“2 Reimanns Bruder Ulrich Reimann dankte der Stadt Burg Als in Carwitz im Rahmen der und vielen weiteren Akteuren für 29. Hans-Fallada-Tage die Sonder- die Zeremonie und dafür, dass das ausstellung zum Leben und Werk Andenken an Brigitte Reimann von Brigitte Reimann eröffnet auch mit dem Grab bewahrt blei- wurde, traf sich am 20. Juli 2019 be. Sowohl Weggefährten aus fast zeitgleich ein Kreis von Mit- der Schulzeit als auch der Burger gliedern der Familie und persön- Lesekreis trugen zur weiteren Ge- lichen und literarischen Freunden staltung der Gedenkstunde bei. der Schriftstellerin auf dem Ost- Dr. Margrid Bircken vom Vorstand friedhof in Burg bei Magdeburg. der Brigitte-Reimann-Gesellschaft Anlass war eine Gedenkfeier zur betonte in ihrer Erinnerungsrede, Wiederbeisetzung der Urne. hier in Burg habe alles angefan- Nach dem Tod der Schriftstelle- gen, hier ende ihr leiblicher Weg, rin vor 46 Jahren, am 20. Februar aber ihre Literatur werde bleiben. 1973, hatte an dieser Stelle bereits Geplant ist, dass auf der Grab- am 3. April 1973 die Beerdigung der stelle im Spätherbst ein großer Ge- sterblichen Überreste stattgefun- denkstein errichtet wird. Bis dieser den. 1991 erfolgte die Überführung jedoch zur Verfügung steht, ist des Urnengrabes auf den Friedhof das Grab mit einer Platte, die den nach Oranienbaum (Landkreis handschriftlichen Namenszug der Wittenberg) zum Familiengrab. Schriftstellerin trägt, gestaltet. Da- Das sei damals, erinnert sich Ulrich vor lädt eine Bank zum Verweilen, Reimann im Gespräch mit dem Nachdenken oder auch vielleicht MDR „ein Wunsch der Mutter“ ge- zum Lesen in den Büchern der wesen. Dass die Urne nun zurück in Schriftstellerin ein. Burg ist, erklärt Ulrich Reimann so: Der Name der großen Tochter „Hier ist ihr Geburtsort. Wir finden der Stadt ist übrigens auch an an- es schön, dass das hier – für uns als deren Stellen der Stadt sichtbar. Die 1 Familie – abgeschlossen ist.“ So Burger Bibliothek trägt seit 2007 Fotos: Wolfgang Behr fand in diesem Sommer, am Tag vor den Namen Brigitte Reimann, und ihrem 86. Geburtstag, nicht weit seit 2016 heißt eine in der Nähe ge- von der Friedhofskapelle des Ost- legene 200 m lange Promenade friedhofs die Urne der Schriftstel- am Ufer des Flüsschens Ihle „Bri- lerin Brigitte Reimann zum dritten gitte-Reimann-Promenade“. Seit Mal ihre Ruhestätte. Sie wurde „in Dezember 2018 erinnert zudem feierlichem Rahmen und in Be- ein auf eine Giebelwand gesprüh- gleitung von Saxophon-Klängen tes haushohes Wandbild auf dem des Musikers Heinz Schöpke in die Nachbargrundstück ihres 2017 ab- 1 Vgl. Ehemalige Schriftstellerin der DDR – Urne Erde gelassen. In der Volksstimme gerissenen Geburtshauses an der von Brigitte Reimann umgebettet. In: www.mdr. de/sachsen-anhalt/magdeburg/jerichow/ddr- war später zu lesen: „Im Schatten Bahnhofstraße 4 an die Schriftstel- schriftstellerin-reimann-umgebettet-100.html der mächtigen Fichten und umlie- lerin. Eine angemessene Gestal- (21. 10. 2019). genden Baumgräber ist die Schrift- tung der Brachfläche davor steht 2 https://www.volksstimme.de/lokal/burg/bri- gitte-reimann-ein-kreis-schliesst-sich-in-burg stellerin wieder nach Burg zurück- allerdings noch aus. (21. 10. 2019).

SALATGARTEN 2/2019 47 ■ LITERATUR UND LITERARISCHES LEBEN

„Der Mensch stirbt nicht“ Zum Tode von Ernst Augustin

LUTZ HAGESTEDT Unter glücklicher Mitnahme sei- Von exotischen Welten erzähl- ner Frau, der Malerin Inge Kalan- ten auch seine Romane, und sogar Was macht einen Autor zum Lieb- ke, schlug er sich Anfang der sech- das ostdeutsch-triste Grevesmüh- lingsautor, sodass er mit Karl May ziger Jahre nach Westdeutschland len („hier wäre ein Selbstmord und Hans Fallada, Rainald Goetz durch. In Hamburg kaufte er sich verständlich“) gewann in seinem und Walter Kempowski, Else Las- einen Mercedes mit weiß gewan- Œuvre Tiefe, Farbe und Relief – ker-Schüler und Anna Luise Karsch deten Reifen. War es im Orient heiß nachzulesen in seinem Roman konkurrieren kann? Es ist nicht zu und drückend gewesen, so regnete „Robinsons blaues Haus“ (2012), sagen, denn es rührt an das Ge- es in Deutschland Bindfäden. Der mit dem er den Deutschen Buch- heimnis einer zauberhaften Lite- liebe Augustin wandte sich gen preis nicht gewann. ratur, die dem eigenen Wesen auf Süden. Es goss tagelang und ohne Die Arbeit am Werk war ihm das klandestine Weise entspricht. Und Unterlass, so weit sie auch kamen Wichtigste, und die mangelnde wer kennt sich schon selbst? – kein Ort, nirgends, wo man blei- Resonanz bekümmerte ihn nicht: Ernst Augustin, es ist sogar sein ben mochte. Schließlich erreichten „Der Tukan-Preis und sicher auch richtiger Name, war Ende der sie München, und dort herrschten der Literaturpreis der Stadt Mün- fünfziger Jahre aus der DDR ge- plötzlich Föhn und hochsommer- chen waren gewiss Missverständ- flohen. Ohne Pass („assumed to be liche Temperaturen. Wie liebte er nisse.“ Auch dem Sterben gegen- German“) wurde er Chefarzt eines die Sonne, die diese schöne Stadt über war er höchst gelassen: „Der amerikanischen Krankenhauses in in Festglanz tauchte: „eine Art In- Mensch stirbt nicht. Ich weiß gar Afghanistan und bereiste Indien. dien“ war gefunden! nicht genau, wie man das macht.“

Zum 200. Jubiläumsjahr Theodor Fontanes Meine Buchempfehlungen

LIANE RÖMER den Sehenswürdigkeiten ist man der die Mecklenburger beurteilen an einem Nachmittag fertig.“1 In- kann, die meist langsam aus ihrem Was kann man anlässlich des teressanterweise hatte es ihm das Mustopf herausgucken. Zeitko- 200. Geburtstages nicht alles über Arsenal besonders angetan. Kein lorit wird eingefangen, wenn er den alten Fontane lesen? Am bes- Wunder, denn Fontane war auch über das Essen in Hotels oder seine ten fange ich mit dem Buch der Kriegsberichterstatter. Für das Wandergewohnheiten erzählt. So Schweriner Schriftstellerin Brigitte Schloss hatte er schon keine Zeit manche Beobachtung kleidet er Birnbaum an, die uns bereits 1994 mehr. Manche Gebäude gab es in Versform, z. B. im Gedicht über mit Fontane in Mecklenburg in Erin- noch gar nicht: die Hauptpost, das die Badehose: „Und sind auch ver- nerung ruft, dass der große Erzäh- Museum, das Theater in heutiger schieden der Menschheit Lose, ler des 19. Jahrhunderts nicht nur Gestalt. In Warnemünde weilte er gleichmacherisch wirkt die Bade- halb Europa und die Mark Bran- oft im Hotel Hübner und besuchte hose“.2 denburg bereist hat, sondern auch die Freunde Witte und Eggers. Von Bernd W. Seiler stellt uns Fon- Schwerin, Warnemünde, Güstrow, hier fuhr er meist weiter zu seiner tanes Probleme mit der guten Ludwigslust, Waren/Müritz, Dob- Freundin Mathilde von Rohr im und der schlechten Luft dar. In bertin, um nur einige Orte zu nen- Dobbertiner Kloster. Autorin Birn- seinem Buch Fontanes Sommerfri- nen. Über seinen Schwerin-Besuch baum präsentiert Theodor Fon- schen (2018) verstehen wir so rich- am 6. August 1870 lesen wir: „Mit tane als weitgereisten Europäer, tig, warum Fontane im Sommer

48 SALATGARTEN 2/2019 LITERATUR UND LITERARISCHES LEBEN ■

aus Berlin „auswandern“ musste. Buch Gerade dadurch sind sie mir ne Romane zu schreiben begann, Frische Luft hatte Fontane bitter lieb (2018) ans Herz legen, in dem steckte die Frauenbewegung noch nötig, denn zu seiner Zeit wurden es um den Autor und seine Frauen- in den Kinderschuhen. Ein Frau- die Abwässer Berlins flott in den figuren sowie um ihn als Privatper- enrechtler im engeren Sinne war Landwehrkanal gekippt. Ganz in son geht. Darin erzählt die Autorin er nicht. Er war ein Mensch, der der Nähe des stinkenden Gewäs- detailreich über Effi Briest, Grete gern Freundschaften pflegte, seine sers wohnte Fontane, nämlich in Minde, Jenny Treibel, Mathilde Freundschaften hielten ein Leben der Potsdamer Straße. Für zwei bis Möhring u.a. Wie konnte er seine lang, insbesondere zu den Fami- drei Monate musste er förmlich auf Figuren so unverwechselbar ge- lien Merckel in Berlin, Witte in Reisen gehen, um den schlimmen stalten? Er beobachtete die Frau- Rostock und Merington in London. Dünsten zu entkommen. Bernd en seiner Familie genau: Tochter Auch Ehefrau Emilie trug zur Pfle- W. Seiler macht in dem Band mit Martha, Mutter Emilie, Ehefrau ge der Freundschaften bei. Zu der 220 Abbildungen klar, dass Fon- Emilie, die Schwestern Jenny und kinderlosen Henriette von Merckel tanes Berlin-Fluchten auch mit Elise. Auch die Frauen seines Be- entwickelte sie ein liebevolles Ver- seinem Schreibbedürfnis zu tun kanntenkreises, z.B. Henriette von hältnis. Henriette war von Adel, hatten. Seine Bücherproduktion Merckel oder Mathilde von Rohr, man siezte sich trotz großen Ver- kurbelte er an Nord- und Ostsee, stehen im Fokus. Sie alle traten ihm trauens. Sie half bei Wohnungssu- im Harz, Riesengebirge, Berliner gegenüber unbekümmert auf. che, Umzügen, Kinderbetreuung, Umland oder in Karlsbad an, allein Fontane plauderte gern, er stellte wirkte als Familienseelsorgerin. oder mit Familie. Fuhr er allein, eine spezifische Nähe zu den Frau- Briefe an Emilie, die ihrem Gatten hatte er an Ehefrau Emilie in den en her. Er wollte sie nicht erobern, nach London folgte, zeugen von zahllosen Briefen viel zu berichten. Erotik war nicht im Spiel. Durch ihrer großen Zuneigung und herz- Deshalb ist über die Aufenthaltsor- seinen Apothekerberuf kannte er lichen Anteilnahme. Bei Emilies te und jeweiligen Befindlichkeiten außerdem die Frauenkrankheiten. Schwangerschaften half sie be- eine Menge bekannt. Man kann Das half, das weibliche Geschlecht reitwillig. Sohn Theo hielt sie am sich vorstellen, wie er Leute ken- besser zu verstehen. Viele Infor- 3. November 1856 in kalter Kirche nenlernte, diese beobachtete und mationen entnahm er Archiven, allein über das kalte Taufbecken; in seinen Romanen literarisierte. der Presse, ließ sich berichten, wie die Mutter war noch zu schwach, Mit anregenden Gesprächspart- z. B. von Mathilde von Rohr in Dob- der Vater in London. Henriettes nern unterhielt er sich gern, z. B. bertin. Besonderes Interesse hatte Ehemann Wilhelm von Merckel, mit Amtsrichter Georg Friedlän- er an Frauen, die mit dem bürger- auch ein aufmerksamer und mit- der, der Einblick in das Leben aller lichen Moralkodex jener Zeit in fühlender Mensch, machte als Gesellschaftskreise hatte. Bei der Konflikt gerieten. Bestes Beispiel Staatsdiener im preußischen In- schönen Ehebrecherin Marie Rich- ist Effi Briest (1896). Schon zu Fon- nenministerium eine steile Kar- ter mit ihrem reichen Fabrikanten- tanes Zeiten sympathisierten die riere. Man inspirierte und half Gatten dürfen wir vermuten, dass Leser mit seiner Effi. Er war kein sich gegenseitig. Merckels wie hier Anleihen zu Effi Briest aufge- Revolutionär, aber die Heuchelei auch Fontanes Briefe sprühten vor nommen wurden. Marie kannte er der Gesellschaft zeichnete er ein- Witz und Ironie. Man kannte sich besser als Elisabeth von Ardenne, drucksvoll nach. Fontane liebte aus dem Literatenclub „Tunnel die als Effis Vorbild gilt. das Natürliche, seine Frauenfigu- über der Spree“. Obwohl der treue Bayreuth besuchte er auch, was ren haben alle einen „Knacks weg“, Freund Merckel schon mit 58 Jah- ihm jedoch viel zu teuer war. Zu- wie er selber es einmal feststellte. ren starb, hielt die Freundschaft zu dem mochte er Wagner nicht. Er „Gerade dadurch sind sie mir lieb“, Henriette unvermindert an. Von lobt die Manierlichkeit der Dresd- schrieb er.3 Natürlich sind seine London aus bat Fontane sie sogar, ner im Unterschied zur Ruppigkeit Frauenfiguren Produkt dichteri- für seine „Mila“ einen Winterman- der Berliner. Zum Schluss sehen scher Phantasie, doch ließ er sich tel zu besorgen. So eng war die Be- wir ein, dass Fontane in Berlin am von lebenden Personen inspirie- ziehung. Christine von Brühl be- rechten Platz war. Ohne Berlin kei- ren. Tochter Martha stand Pate bei streitet, Fontanes Ehefrau sei eine nen Fontane! Corinna in Frau Jenny Treibel und nörgelnde Gattin gewesen. Selbst Ganz besonders möchte ich Fon- bei Grete Minde im gleichnami- Fontane-Kenner hielten gern an tane-Lesern Christine von Brühls gen Erzählwerk. Als Fontane sei- diesem Negativ-Klischee fest, dass

SALATGARTEN 2/2019 49 ■ LITERATUR UND LITERARISCHES LEBEN

Gerhard Hauptmann nach einem See erblickte, konnte man die Stille Dickens lebte, den er jedoch nicht Besuch bei der Fontane-Familie fast hören.4 aufzusuchen wagte. Er liebte es, verbreitet hatte. Natürlich haben 1884 war der Harz das bevorzug- Orte zu vergleichen, auch Brigh- sie in den langen Ehejahren auch te Ziel, wo er gern Hammelbraten ton und Hastings sind im Blickfeld: gestritten, besonders zwischen und Fassbier konsumierte oder bis „Hastings ist schöner“, schreibt er 1870 und 1876, als Fontane seine zur Bode barfuß mit aufgekrem- 1858.5 Für ihn waren immer Orte Vorlieben über alles setzte, sei- pelten Hosen hinunterkletterte (so mit historischem Bezug interes- ne Festanstellungen von heute in einem Brief an Emilie von 1868). santer. Deshalb wohl hatte Has- auf morgen an den Nagel häng- In der Umgebung von Wernigero- tings mit der Schlacht von 1066 für te und ein sicheres Einkommen de spielt dann auch seine Novelle ihn Vorrang. Auch Landschaften ausschlug. Fontane hatte trotz Ellernklipp von 1881. vergleicht er gern. Die norddeut- mancher Auseinandersetzungen Aufregend ist die Reise durch sche Landschaft hat nach seiner erkannt, dass die treusorgende den Spreewald, wo er die Brauch- Meinung „viel Gegend“, wie der Emilie ein Schatz war. Die Liebe barkeit der Kähne betrachtet, die Berliner sagt.6 In England seien zwischen den Eheleuten hielt trotz sich als Transportmittel für die Hügel und Tal, Graben und Hecke drückender Existenzsorgen so Heuschober eignen, aber auch ei- stets im Wechsel. Bei uns habe manchen Stürmen stand. Emilie nem Liebespaar beim Stelldichein man das selten so gehäuft. war die, die immer dafür sorgte, helfen können. Es wird klar, Fon- Weitere Bücher, die mich beein- dass aus dem Manuskript ein Buch tane hat Gesehenes und Gehörtes, druckten, kann ich aus Platzgrün- werden konnte, sie übertrug alles die Landschaftsimpressionen und den nur nennen: Luise Berg-Ehlers ins Reine. Die Erstleserin war weib- die Urlaubserlebnisse in seine Ro- Theodor Fontanes Traumorte (2019), lich, nämlich Emilie. Und die zen­ mane einfließen lassen. Gotthard Erler Theodor Fontane- tralen Figuren waren es auch. Empfehlenswert ist auch Hans- Kleines Brevier für Reisende und Voller Genuss durchblättere ich Jürgen Gaudecks Buch Von London Sommerfrischler (2018), Dagmar immer wieder Hans-Jürgen Gau- bis Pompeji mit Theodor Fontane von Gersdorff Vaters Tochter –Theo- decks Bildband Ein weites Land (2014). Mit Fontane-Reisetexten dor Fontane und seine Tochter Mete (2013, Neuauflage 2019). Das Buch und sehenswerten Aquarellen aus- (2019). mit den geheimnisvollen Aqua- gestattet, vermittelt es die lebens- rellen ist ein Kunstwerk für sich. lange England-Liebe des Dichters. Hans-Jürgen Gaudeck unterstützt Schon in seiner Kindheit hatte Fontanes geschriebenes Wort, das Fontane am Swinemünder Hafen zumeist Briefen und Büchern über See- und Reiseluft geschnuppert. Fontanes Wanderungen entnom- Sein Geschichtsinteresse und das men ist, auf beglückende Weise. für Walter-Scott-Romane und So viel und weit Fontane auch ge- Maria Stuart hatte ihn früh fit ge- reist ist, er war immer wieder froh, macht für Reisen nach England zu Hause zu sein, in seinem Berlin. und Schottland. Gaudeck hat sich Seine Lebensaufgabe sehe er nicht mit Malutensilien im Gepäck auf am Golf von Neapel, sondern an Fontanes Spuren begeben und Spree und Havel, wie er 1874 an sein eigenes sinnliches Empfin- Mathilde von Rohr schreibt. Deut- den der Fontane-Orte malerisch 1 Birnbaum, Brigitte: Fontane in Mecklenburg. lich wird, wie Fontane seine Reise- stimmungsvoll umgesetzt. Her- Demmler 1994, S. 67. 2 Ebd., S. 58. erlebnisse zur Grundlage seiner ausgekommen ist ein sehens- und 3 Fontane an den Historiker Colmar Grünhagen. Werke macht. Den Stechlin kann lesenswertes Buch über Fontane, In: Gerade dadurch sind sie mir lieb. Aufbau man schon in seiner Begeisterung der London gegenüber Paris den 2018, S. 322. 4 Gaudeck, Hans-Jürgen: Theodor Fontane. für den gleichnamigen See im Vorzug gibt, der von Edinburgh Aquarelle. Ein weites Land. Wanderungen Teil 1. 1. Kapitel der Wanderungen (1873) schwärmt, der die schönen Tage Mit einem Vorwort von Peter Bramböck. Steffen 2013, S. 62. entdecken. Wenn man so reiste, mit Freund Bernhard von Lepel in 5 Ders.: Von London bis Pompeji. Ein Sommer in mit der Kutsche „über Stubben Schottland genoss. Fontane wohn- London. Out of Town. Mit einem Vorwort von Dr. Claus Cartellieri. Steffen 2014, S.18. und Wurzeln, holterdiepolter in te in London am Travistock Square, 6 Ebd. Wanderungen durch England und Schott- den Wald hinein“ und dann den genau dort, wo auch Charles land. Ein Tag in einer englischen Familie, S. 22.

50 SALATGARTEN 2/2019 LITERATUR UND LITERARISCHES LEBEN ■

Buchtipp: Unwiederbringlich

SIBYLLE OBERHEIDE ertränkte sich eine Frau und hin- terließ einen Zettel mit dem Wort Fontane erzählt vorwiegend von „Unwiederbringlich“, das Fonta- der versunkenen Welt des Adels, ne als Roman-Titel wählt. Es hat die er mit Sympathie, begleitet von mich überrascht, dass die dänische einem skeptisch-ironischen Unter- Übersetzung den Titel Grevinde ton, beschreibt. Was seine Romane Holk (Gräfin Holk) trägt. aktuell macht, ist seine Menschen- Der aus drei Teilen bestehen- kenntnis. Er beschreibt seine Figu- de Roman wird umschlossen von ren ohne Verherrlichung oder mo- einem kurzen Einleitungsteil (Ka- ralische Benotung, mit Empathie pitel eins bis acht) und einem noch und Zartheit. Viele Leser schätzen knapperen Schluss (Kapitel 31 bis ihn gerade wegen seiner starken 34), die auf Holkenäs in Schles- Frauenfiguren, aber seine Meister- wig-Holstein spielen. Schauplatz © Aufbau schaft zeigt sich eben auch in den der 21 Kapitel des Hauptteils ist prägnant gezeichneten männ- der dänische Hof in Kopenhagen, Theodor Fontane lichen, denken wir nur an Briest, der mit seinen Frivolitäten den Unwiederbringlich Instetten und den alten Stechlin. Gegensatz zur übrigen Handlung Aufbau Taschenbuch Verlag Unumstritten war Fontane als bildet. Gräfin Holk, die ohnehin 1996/2005, 281 Seiten Schriftsteller nie, darin ähnelt er alles Höfische ablehnt, sieht das Preis: 10,00 € Fallada. In einer Anekdote berich- Leben in Kopenhagen kritisch: „Es tet der Germanist Otto Flake, der sind lauter Lebeleute; sie haben 1903 eine Doktorarbeit über den sich nie recht quälen müssen, und Erziehung. Gereiztheiten, Spitzen Romancier schreiben wollte, dass das Glück und der Reichtum sind und Entfremdung bestimmen den sein Doktorvater diesen Wunsch ihnen in den Schoß gefallen. Die Ton. Im Gegensatz zu dem ‚Augen- mit einem Lachen bedacht habe: Zuchtrute hat gefehlt, und das gibt blicksmenschen‘ Holk ist Christi- „Fontane? Ein Dienstmädchenau- ihnen nun diesen Ton und diesen nes Charakter vielschichtiger. Sie tor, diese Ehebruchsgeschichten Hang zum Vergnügen, und der ist eine gute Mutter, stark und klug liest die Köchin meiner Mutter.“1 Hof schwimmt nicht nur bloß mit, mit prägnantem Urteilsvermögen. Um dieses Thema geht es in Ce- er schwimmt voran, anstatt ein Wenn sie über ihren Mann sagt, line, Graf Petöfi, Effi Briest, L’Adulte- Einsehen zu haben und sich zu sa- er sei „eitel und schwach“ so wird ra und auch in Unwiederbringlich gen, daß er, der herrschen will, mit damit sein Verhalten in Dänemark (1892), nur dass es sich im letztge- der Beherrschung seiner selbst be- treffend beschrieben, aber ist es nannten Roman um den Ehebruch ginnen muß.“2 klug, dem Partner direkt zu sagen: eines Mannes handelt. Ja, der Ehe- Das Geschehen beginnt in den „Alle Körner fallen aus deinem Ge- bruch war das wichtigste Thema letzten Septembertagen des Jahres dächtnis, und nur der Spreu bleibt der Gesellschaftsromane Fonta- 1859, fünf Jahre vor dem deutsch- zurück.“? (48) Holk weiß, dass seine nes, denn daran konnte er der dänischen Krieg. Im Mittelpunkt Frau Christine klüger und charak- herrschenden Schicht kritisch den stehen Graf und Gräfin Holk auf terlich gefestigter ist als er, fühlt Spiegel vorhalten. Alle Romane Schloss Holkenäs in der Geltinger sich dadurch und auch durch ihre beruhen auf Fakten aus den Gesell- Bucht, gegenüber von Dänemark. dogmatische Haltung in religiösen schaftsnachrichten der Zeitung. Das liebenswerte Ehepaar war 17 Fragen bedrückt und unzufrieden Auch Unwiederbringlich basiert Jahre lang glücklich verheiratet – Probleme, die ähnlich auch in ei- auf einer wahren, in Mecklenburg- und hat zwei Kinder, aber jetzt ner modernen Ehe auftreten kön- Strelitz geschehenen Geschichte, kriselt es, das Paar hat sich ent- nen. Bei all der Klugheit, Schön- die ihm eine Frau Brunnemann als fremdet. In ihren Gesprächen gibt heit, Ehrlichkeit, die Christine Novellenstoff ans Herz gelegt hat- es nichts, worin sie sich einig wä- auszeichnen, gefällt mir ihr über- te. Nach einer Affäre ihres Mannes ren, sei es Politik, Religion oder heblicher Ton gegenüber Holk

SALATGARTEN 2/2019 51 ■ LITERATUR UND LITERARISCHES LEBEN

nicht, und ihre Gottesvorstellung ten Ehemanne gegeben, und da- in der weiten Fläche des Arre-Sees ist zu sehr geprägt vom Bild des bei mussten Sie bleiben. Auf dem verlor. Immer näher rückten sie der strafenden Gottes. So stark sie ist, Nachbargebiete [des Lebemanns, Gefahr, und jetzt schien es in der bleibt sie zugleich das Herrenhu- S. O.] sind Sie fremd und verfal- Tat, als ob beide, quer über den nur ter Pensionsfräulein, das Gedichte len aus Fehler in Fehler.“ (245) noch wenig hundert Schritte brei- ins Poesiealbum einträgt und der Sie lehnt jede Verantwortung ab. ten Eisgürtel hinweg, in den offe- ständigen Anwesenheit der Freun- Ebba ist ohne moralische Nor- nen See hinauswollten; ihre Blicke din aus Jugendtagen, Dobschütz, men, d. h. sie ist noch frivoler als suchten einander und schienen bedarf, um sich über ihren Mann am dänischen Hof üblich. Lachend zu fragen: ‚Soll es so sein?‘ Und die zu beklagen, was zur Entfremdung lehnt sie Holks Eheantrag ab. Man Antwort war zum mindesten keine der Ehepartner führt. Ihr wichtigs- könnte meinen, ihre sexuelle Frei- Verneinung.“ Aber Holk schreckt ter Charakterzug ist ihre Melan- zügigkeit sei ein Zeichen aufkom- im letzten Moment zurück: „Hier cholie, die in den Todesahnungen mender weiblicher Emanzipation, ist die Grenze, Ebba. Wollen wir da- deutlich wird: das Gedenken an aber das täuscht, ihre Frauenrolle rüber hinaus“, fragt Holk und Ebba das tote Kind, ihr Wunsch, als ers- reicht weit in mythische Vorzeit antwortet: „Wer an zurück denkt, te in der neuen Gruft begraben zu zurück. Ebba gehört zu den Me- der will zurück.“(202) Wer die nor- werden, ihre Liebe zu den trauri- lusine-Frauengestalten, auf die mativen Grenzen überschreiten gen Gedichten von Uhland und sich Fontane immer wieder beruft will, betritt einen Todesraum, das Waiblingen. und die wie seine Familie aus dem Eis ist die sichtbare Oberfläche der Als ein Brief Holk, der auch Kam- südlichen Frankreich stammt. Die unsichtbaren Tiefe. Auf diese Eis- merherr der dänischen Prinzessin Sage ist ein Abkömmling des ver- laufszene im 25. Kapitel von Fonta- Maria Eleonore ist und als solcher breiteten Märchens von der Ver- nes Roman Unwiederbringlich ver- Pflichten hat, nach Kopenhagen bindung eines übernatürlichen weist Stefan Scherer, wenn er Hans an den dänischen Hof ruft, folgt Wesens, meist einer dämonischen Falladas Traditionsverhalten in er nicht nur aus Pflichtgefühl, Verführerin, mit einem Menschen Wir hatten mal ein Kind untersucht, sondern auch, um dem häusli- und ihrer Trennung. (Eine jüngere weil in beiden Werken „der Reiz chen Druck für eine Weile zu ent- Schwester ist Undine, wie wir sie der Gefahr in einer ‚Eismeer-Expe- kommen. Gleichwohl lädt er seine aus Andersens Kleiner Meerjung- dition‘ mit der Geliebten den ‚ge- Frau ein, ihn zu begleiten, was sie frau her kennen). Die Herkunft der sicherten Verhältnissen‘ auf dem ablehnt, aber im Nachhinein be- Melusine-Gestalten Fontanes ist Land gegenübersteht“.3 dauert. „Ich durfte Holk nicht rei- dunkel und voll Fremdheit. Sie ste- Noch gefährlicher ist die Situati- sen lassen oder doch nicht allein“, hen außerhalb der bürgerlichen on beim Schlossbrand, wobei beide sagt sie am Tag vor Holks Abreise Sitte und Ordnung (siehe Melanie gerade noch gerettet werden kön- nach Dänemark, nachdem sie der van der Straaten, Marie Kniehase, nen und der Brand als Symbol für Dobschütz von ihrem nächtlichen Franziska Franz, die Gräfin Melu- das Entbrennen Holks durch Ebbas Angsttraum erzählt hat – vom sine im Stechlin). All das trifft auch Verführung steht und auch exis- Trauerzug, der zum Hochzeitszug auf Ebba zu. Ihre adlige Herkunft tentielle Gefahr bedeutet. Ebbas und dann wieder zum Trauerzug ist dunkel: ihr Großvater war der Nähe zum Feuer wird noch betont wurde (67). Leibjude des schwedischen Kö- durch einen Brief des Pentz über Es ist ein Traum, der das Ende nigs mit Namen Meyer. Erst nach- ihre Heirat mit einem reichen eng- vorwegnimmt. Trägt sie eine Mit- dem der König ihn adelte, nennt er lischen Aristokraten und großen verantwortung für das Geschehen sich Baron Meyer-Rosenberg und Waldbesitzer: „Vielleicht zündet in Dänemark? Ich glaube nicht, dann nur noch Rosenberg. Sie ist sie mal die 15 Millionen Tannen an die Ehe wäre über kurz oder lang dem Elementaren durch Wasser und stellt bei der Gelegenheit sich gescheitert. Auch Ebba von Rosen- und Feuer nah, verlockt Holt zum und den Eheliebsten in die rechte berg, die Hofdame am dänischen Schlittschuhlaufen bis zur Gren- Beleuchtung.“(254). Ebba ist in je- Königshof, mit der er eine kurze ze des offenen Meeres, wo das Eis der Hinsicht eine Kontrastfigur zu Affaire hat, gibt ihm die Schuld: brüchig wird. „ […] und nun flogen Christine so wie der dänische Hof „Allmutter Natur hat Ihnen, wenn sie […] der Stelle zu, wo sich der eis- ein Kontrast zu Schloss Holkenäs ist. man von der Beständigkeit ab- blinkende, mit seinen Ufern immer Mir gefällt an dem Roman Un- sieht, das Material zu einem gu- mehr zurücktretende Wasserarm wiederbringlich die Darstellung

52 SALATGARTEN 2/2019 LITERATUR UND LITERARISCHES LEBEN ■ des dänischen Staatsmodells, des Fontane-Silbenrätsel „gamlen Danmark“, mit dem An- cien Régime als überlebtes Modell. aus: Berliner Tageblatt vom 29.11.1931 Dänemark wird den Krieg verlie- ren, so wie Holks Leben in der Ka- tastrophe endet. Ich schließe mich Aus den Silben: C. F. Meyers Urteil über den Roman an, der die feine Psychologie, die a – bac – ber – cha – cher – drei – e festen Umrisse, die höchst wahren – e – e –eng – en – er – gar – i – im Charaktere und den poetischen – in – land – le –le – le – le – li – li Hauch, der über allem liegt, be- – ment – misch – mi – mit – mor – wundert. na – nal – ne – no – po – ra – re – re – ri –spei –tau – tel – tim – u – vel

1 Hochhuth, Rolf: Effis Nacht. Monolog. Rowohlt sind 16 Wörter nachstehender Be- Schicken Sie die 16 Lösungs- Taschenbuch, S. 102f. deutung zu bilden, deren erste worte per E-Mail oder auf dem 2 Fontane, Theodor: Unwiederbringlich. 3. Aufl., Aufbau Taschenbuch. Berlin 2005, S. 47. – und letzte Buchstaben beide von Postweg an die Redaktion des Weitere Seitennachweise aus dem Text erfolgen oben nach unten gelesen, einen SALATGARTEN. direkt im Anschluss an das Zitat in Klammern. 3 Scherer, Stefan: Falladas Traditionsverhalten Ausspruch von Theodor Fontane in „Wir hatten mal ein Kind“. In Salatgarten ergeben. (ch = 1 Buchstabe) Der Gewinner erhält den Fon- 1/2019, S. 11–15; hier S. 12. tane-Roman „Unwiederbring- 1. Einsiedler, 2. weiblicher Vor- lich“, gespendet vom Aufbau name, 3. italienische Stadt (italie- Verlag. nische Schreibweise), 4. europäi- sches Land, 5. soviel wie vertraut, 6. Harzart, 7. üppiges Fest, 8. euro- päisches Land, 9. kurze Erzählung, 10. alte deutsche Münze, 11. Volks- stamm in Afrika, 12. schweizeri- scher Kanton, 13. Wintersportart, 14. Grundstoff, 15. Strohblume, 16. Lagerhaus

SALATGARTEN 2/2019 53 ■ VON UNSEREN PARTNERN

Ministerpräsident a. D. Erwin Sellering liebt und liest Fallada Der 79. Schweriner Literatur-Stammtisch LISTA

LIANE RÖMER

Literatur muss wohl etwas Ver- bindendes auslösen, sonst wären LISTA-Initiatorin & Literaturclub- Leiterin Liane Römer und Minis- terpräsident a. D. Erwin Selle- ring nicht aufeinandergetroffen. Gleich im ersten Gespräch stellte sich heraus, dass der literaturin- teressierte Politiker Hans Falladas Romane Bauern, Bonzen und Bom- ben sowie Kleiner Mann – was nun? von Jugend an besonders mochte und dass er auch gern bei einem literarisch-musikalischen Fallada- Programm mitwirken würde. So v.l.n.r. Steffen Liers, Erwin Sellering, Hans-Wolfgang Römer, Liane Römer, ein Entgegenkommen stieß natür- Helmut Kiesewetter Foto: Monika Evert lich auf offene Ohren, bald wurde ein Drehbuch geschrieben, dessen Stuff und des sozialdemokrati- das sieht er rückblickend als sein Hauptaugenmerk auf der Bedeu- schen Bürgermeisters Gareis, zwi- Credo für seine Zeit als Minister- tung des Schriftstellers Hans Fal- schen denen der orientierungslose präsident von Mecklenburg-Vor- lada sowie den Kernaussagen der Hilfsredakteur Tredup zerrieben pommern. Und ja, es wurde sehr beiden oben genannten Romane wird. Der Kampf der Bauernschaft wohl wahrgenommen, dass Sel- lag. Außer dem ehemaligen Minis- gegen die Bürokratie wurde durch lering die Lebensleistung der Ost- terpräsidenten agierten Helmut das Lesen mit verteilten Rollen für deutschen immer geachtet und Kiesewetter sowie Liane und Hans- die Zuhörer besonders spannend verteidigt hatte, auch gegen Kri- Wolfgang Römer als Sprecher bzw. und anschaulich. tik aus dem Westen, und dass ihm Vorleser. Steffen Liers sorgte mit Im Programmteil zu Kleiner Solidarität in der Gesellschaft und seiner Klarinette für die musika- Mann – was nun? trug Sellering das miteinander im Gespräch blei- lische Umrahmung. Nach ange- neben anderen Passagen sehr ben wichtig waren und sind, auch strengten Proben war es am 5. Ok- überzeugend die Rolle des Pro- wenn gegensätzliche Auffassun- tober soweit: der 79. LISTA fand im tagonisten Pinneberg vor. Auch gen aufeinanderprallen. Schleswig-Holstein-Haus in Schwe- diesmal erwies sich das Lesen mit Mit Vergnügen erlebten die rin statt, und ca. 80 Gäste kamen. verteilten Rollen als besonders wir- Gäste Sellering in der Rolle des Erwin Sellering rief den Zuhö- kungsvoll – es löste beim Publikum Johannes Pinneberg anlässlich rern zunächst die Romanhand- Nachdenklichkeit über das sor- seines Antrittsbesuches bei den lung von Bauern, Bonzen und Bom- genvolle Leben in Deutschland zu Schwiegereltern. Auch die ein- ben in Erinnerung. Dabei rückte er Beginn der 1930er Jahre aus. Den prägsame Episode im Berliner die Protestaktionen der Bauern- ‚kleinen Leuten‘ ging es schlecht. Kaufhaus Mandel wurde von allen schaft und deren Widerstand ge- Der Politiker Sellering ließ erken- beteiligten Akteuren so eindrucks- gen Zwangspfändungen in den Fo- nen, wie unverzichtbar es für eine voll vorgetragen, dass man Pinne- kus. Er beleuchtete das Vorgehen Regierung ist, sich gerade der ‚klei- bergs Angst vor Arbeitslosigkeit des deutschnationalen Redakteurs nen Leute‘ anzunehmen. Genau förmlich nacherleben konnte. Ge-

54 SALATGARTEN 2/2019 VON UNSEREN PARTNERN ■

schichtsbücher nennen die Zahlen der Firma oder aus der Wohnung. im Westen ist Hannelore Hoger von Arbeitslosen, Schmerz und Ängste, tägliche Mahlzeiten oder als Lämmchen in der Revue-Verfil- Angst der Menschen gehen jedoch den Arztbesuch nicht zahlen zu mung von 1972 unvergesslich. daraus nicht hervor, das zu zeigen, können, verfolgen Pinneberg bis Am Ende der Veranstaltung kann nur die Literatur leisten. In in seine Träume. Sellering blieb herrschte Einigkeit darüber, dass Falladas Kaufhaus-Szene wird die- aber nicht bei Pinneberg stehen, gerade diese beiden Romane Fal- se Angst fühlbar. Es gelingt ihm, er schlug den Bogen zu unserer ladas uns heute wieder hellhörig seine Figuren und den Einfluss Gegenwart und mahnte die solida- machen. Nie soll das kommen, was der Zeitumstände auf ihre Hand- rische Hilfe der Menschen unter- der kranken Weimarer Republik lungen so realistisch darzustellen, einander auch in unserer heutigen nachfolgte. Gute Literatur kann dass man sich förmlich in die da- Gesellschaft an. Menschen sensibilisieren, die Pro- malige Zeit hineinversetzt glaubt. Schließlich kamen dann auch bleme in der Gesellschaft besser Meisterlich geschriebene Szenen noch die Verfilmungen der beiden wahrzunehmen, eigenes Handeln wurden durch die Lesung in Er- Fallada-Romane zur Sprache. Im immer wieder zu hinterfragen, innerung gerufen, aus denen die Osten bleiben Jutta Hoffmann als sich in andere einzufühlen und Furcht vor dem Versagen im Beruf Lämmchen und Arno Wischnew- damit die Welt ein Stück besser zu spricht, vor dem Rausschmiss aus ski als Pinneberg im Gedächtnis, machen.

Fallada en miniature Mitteilungen vom Freundeskreis Miniaturbuch Berlin

UDO HAEDICKE fentliche Tauschtage. (siehe auch https://www.minibuch-berlin.de) Unser Verein kann mittlerweile Wann spricht man eigentlich von auf eine über 30 Jahre währende einem Miniaturbuch? Ganz ein- Geschichte zurückblicken. Wir fach – das Buch wird über die Grö- haben heute ca. 65 Mitglieder ße definiert. Der Buchblock soll im In- und Ausland und aus allen max. 100 x 100 mm oder drei Inch Berufsgruppen. Ursprünglich als (7,62 mm) im englischsprachigen Sektion des Kulturbundes der DDR Raum betragen. 1987 gegründet, wurde 1993 der Bis in das 16. Jahrhundert hinein Verein in das Vereinsregister ein- gab es vorwiegend handgeschrie- getragen. Er widmet sich dem Er- bene und gezeichnete religiöse halt des buchkünstlerischen Erbes Bücher, die auch ein Statussymbol und der Fortführung im Bereich darstellten. Mit der Erfindung des des Miniaturbuches, insbesondere Buchdrucks erweiterte sich die durch die Pflege der Buchkunst, Herstellung von Miniaturbüchern. die Bewahrung ihrer Geschich- Eine Verwendung fanden sie zu- te und der handwerklichen Tra- nächst vorwiegend im religiösen ditionen, die Organisation von Bereich als Gebetbücher. In ver- Ausstellungen, die Organisation schiedenen handlichen Größen Fotos: Udo Haedicke des gegenseitigen Gedanken-, hergestellt, konnten sie auf Reisen Ideen-, und Informationsaustau- oder Spaziergängen problemlos niaturbücher. Im 18. und 19. Jahr- sches sowie die Förderung von mitgeführt werden. Aber auch hundert erfuhren die Miniaturbü- Sammlung und Tausch von Mi- andere Inhalte wie Klassikerwer- cher, die bis dahin hauptsächlich niaturbüchern und durch regel- ke, Märchen oder Erotica fanden in England und Frankreich herge- mäßige Mitgliedertreffen und öf- Einzug in die Themenwelt der Mi- stellt wurden, auch in Deutschland

SALATGARTEN 2/2019 55 ■ VON UNSEREN PARTNERN

einen erheblichen Aufschwung. und ein fröhliches Weihnachtsfest kultur. Das kunstvolle Binden und Mit fortschreitender Entwick- erschien. Hyperion ist einer der die künstlerische Verzierung der lung der Drucktechnik und der ältesten deutschen Verlage für Einbände sind Beleg dafür. Bis Erfindung der Fotografie eröffne- kleinformatige Bücher; er ging heute ist bei der Herstellung von ten sich neue Möglichkeiten der 1906 aus einem bibliophilen Ver- Miniaturbüchern ein großes hand- Miniaturbuchherstellung. Jetzt lag der Buchkunstbewegung her- werkliches Können notwendig, konnten große Schriften minia- vor. Sein Gründer, Hans von Weber, was in der Massenproduktion der turisiert und in kleinem Format war befreundet mit Falladas späte- gegenwärtigen Zeit nur noch sel- und in einer großen Anzahl her- rem Verleger Ernst Rowohlt, der ten erkennbar ist. Miniaturbücher gestellt werden. Aber auch die selbst einige Jahre bei Hyperion sind keine Spielerei sondern die- kunstvoll gestalteten Miniatur- in Berlin gearbeitet hatte. Weber nen der Bewahrung bibliophiler bücher, sowohl hinsichtlich des war es übrigens auch, der Alfred Buchkunst. Beispiele dafür sind Druckbildes als auch des Einban- Kubins Können ‚entdeckte‘; und das Beutelbuch, das Doppelbuch, des, erfuhren einen Aufschwung. bekanntlich gestaltete Kubin für traditionell verarbeitete Bücher, Das 20. Jahrhundert kann als die den Rowohlt Verlag den Schutz- Künstlerbücher eingebunden in Blütezeit der Miniaturbuchher- umschlag von Falladas Roman Wir Leder, Leinen, Seide, Papier oder stellung in Europa bezeichnet hatten mal ein Kind (1934). Dies nur auch in Jeansstoff und anderen werden. Die Miniaturbuchreihen nebenbei. Materialien. Wir freuen uns, dass des Verlages Schmidt & Günther, Heute wird die Tradition der Mi- nun auch Hans Fallada dabei ist! Leipzig, ab 1907 hergestellt und niaturbücher von verschiedenen liebevoll als „Liliput-Bibliothek“ Verlagen mit einem breiten Spek- bezeichnet, fanden sehr schnell trum von Themen weitergeführt. viele Leser und Liebhaber. In kur- Wie ich zu den Fallada-Tagen zer Zeit wurden hohe Auflagen- berichtete, gelang es unserem Ver- zahlen der Klassiker erreicht. ein, ein weiteres Miniaturbuch von Hinzu kamen unzählige Mini- Hans Fallada zu initiieren: Zwei Wörterbücher, die vor allem bei zarte Lämmchen weiß wie Schnee. Geschäftsreisenden beliebt waren. (vgl. die Eröffnungsveranstaltung Der Hyperion Verlag stellte von der HFT) Es ist jüngst im Miniatur- den 1920er Jahren bis heute über buchverlag Leipzig erschienen 400 Bände der Hyperion-Biblio- und ein schönes Beispiel dafür, wie thek her. Auch in Osteuropa wur- wir unsere Vereinsarbeit verste- den ab den 1950er Jahren Minia- hen. turbücher in großen Stückzahlen Mittlerweile ist in Zusammen- produziert. In der ehemaligen arbeit mit der Gemeinde, der Bi- DDR gab es zahlreiche Verlage, die bliothek und dem Freundeskreis Miniaturbücher in ihrem Verlags- Miniaturbuch Berlin e. V. ein wei- programm hatten, insbesondere teres Buch im Kleinformat erschie- die Offizin Andersen Nexö und der nen: Fallada in Neuenhagen – Sein Verlag für die Frau. Im westlichen Leben in Neuenhagen mit Bildern Teil Deutschlands widmeten sich und Zitaten. Es führt in das Neu- der Hyperion Verlag, der Brunnen- enhagen der 1930er Jahre und be- verlag und der ars-Verlag der Her- schreibt die vielleicht glücklichste ausgabe von Miniaturbüchern, in Zeit der jungen Familie Ditzen. der Schweiz war es der Diogenes- Die Vorstellung des Büchleins in verlag mit der Diogenes Reihe. der Anna-Ditzen-Bibliothek in Interessant ist, dass im Hype- Neuenhagen fand bei den über rion Verlag Freiburg im Breisgau 80 Gästen großen Zuspruch. bereits 1985 ein Miniaturbuch zu Miniaturbücher zeugen immer Hans Falladas Erzählung 100 Mark von hoher Buchkunst und Buch-

56 SALATGARTEN 2/2019 VON UNSEREN PARTNERN ■

Otto und Elise Hampel – Karte bitte wandern lassen! Zwischenbilanz einer Wanderausstellung

CHRISTIAN WINTERSTEIN

Nach der erfolgreichen Präsenta- tion im Scheunensaal des Hans- Fallada-Museums von 2017 bis 2018 (das war die bis dahin fünfte Station), wanderte die Ausstellung über den Widerstandskampf der Hampels gegen die Nazi-Diktatur nach Feldberg in die Galerie des Kulturvereins Feldberger Land e.V. und wurde dort von Oktober 2018 bis Januar 2019 gezeigt. Damit die Ausstellung realisiert werden konnte, spendeten engagierte Ver- einsmitglieder. Von der Feldberger Seenlandschaft ging es im März Damen und Herren der Regionalgruppe und der Stadtbibliothek Cuxhaven 2019 an die Elbmündung nach mit Kurator Christian Winterstein, Foto: Reese-Winne Cuxhaven. Ausstellungsnehmerin dort war die Regionalgruppe des Widerstand und ihr Tod in der Hin- nicht nur Widerstandskämpfer Vereins „Gegen Vergessen – Für richtungsstätte Plötzensee 1943. und Opfer der Nazijustiz, sondern Demokratie e.V.“. Die Ausstellung „Otto und Elise Hampel – Karte eben auch Alltagsmenschen, die wurde durch Mittel des Bundes- bitte wandern lassen!“ setzt Ener- sonntags mit Hut und Krawatte programms „Demokratie leben!“ gien bei den Ausstellungsneh- spazieren gingen und sich mit ih- realisiert. Dank der Kooperation mern frei. So gelang es der Regio- ren Verwandten trafen. der Regionalgruppe mit der Stadt nalgruppe „Gegen Vergessen – Für Es hat sich gezeigt, dass eine Cuxhaven konnte sie in der Stadt- Demokratie e.V.“ in Cuxhaven im kuratorische Betreuung der Aus- bibliothek präsentiert werden, wo Rahmenprogramm, 250 Schüle- stellung unerlässlich ist, da der sie ein großes Publikum erreichte. rinnen und Schüler ins Kino zu Ausstellungsnehmer in der Regel Die Ausstellung wurde so gut locken, wo sie den Film Jeder stirbt nur oberflächlich mit der Thema- angenommen, dass sie einen Mo- für sich allein (Originaltitel Alone in tik vertraut ist und bei der Auswahl nat länger lief als zunächst ge- Berlin) aus dem Jahr 2016 sahen. und Präsentation der Postkarten plant. Im Mittelpunkt stehen nach Der Vorteil einer Wanderaus- und Flugzettel ohne fachliche Un- wie vor die fotografischen Repro- stellung liegt auf der Hand: Anre- terstützung überfordert wäre. Es duktionen der Postkarten und gungen vom Publikum oder vom muss deutlich werden, dass es sich Flugzettel, mit denen das Arbeiter- Ausstellungsnehmer können stets bei dem Kampf der Hampels um ehepaar zwischen 1940 und 1942 eingearbeitet werden, wenn sie einen Widerstand auf der Grund- zum Widerstand gegen das Nazi- eine sinnvolle Ergänzung darstel- lage von Alltagserfahrungen in regime aufrief. Ausstellungstexte len. So sieht man neuerdings All- einer Diktatur während des Krie- erläutern sie näher und ordnen sie tagsfotografien von den Hampels. ges handelte. Auch das Rahmen- historisch ein. Beleuchtet werden Diese Bilder bieten Identifikations- programm sollte der Veranstalter die Biografien von Otto und Elise potential, und der Blick auf die nicht allein festlegen. Musik aus Hampel, ihr Einstieg in den aktiven Hampels wird erweitert: Sie waren dem Film Schindlers Liste (1993)

SALATGARTEN 2/2019 57 ■ VON UNSEREN PARTNERN

Kurator Christian Winterstein Ausstellung in Paderborn Foto: Cordes Foto: Winterstein gehört beispielsweise nicht in die sie hinausgehen. Aus der Lesung Bei all dem bleibt die zentrale Vernissage einer Hampel-Ausstel- heraus plane ich derzeit einen Fragestellung der Ausstellung be- lung, denn die Hampels haben in Stadtspaziergang im Wedding, stehen, die ich auch zukünftig ins- ihren Schriften die Verfolgung der dem Berliner Bezirk, in dem die besondere gerne mit jungen Men- jüdischen Bevölkerung nicht the- Hampels ab 1937 bis zu ihrer Ver- schen diskutieren möchte: Was matisiert. Und übrigens: So drän- haftung 1942 in der Amsterdamer können wir heute von den Ham- gend die Aufarbeitung der DDR- Straße 10 lebten, und wo sie einen pels lernen? Vergangenheit ist, kann doch der großen Teil ihrer Untergrund- Und noch etwas: Falls die ge- Ort hierfür nicht die Ausstellung schriften in Hauseingängen, Brief- neigte Leserin oder der geneigte über Otto und Elise Hampel sein – kästen und Treppenhäusern hin- Leser einen guten Ausstellungsort auch nicht im Rahmenprogramm. terlegten. Der Arbeitstitel: „Mit weiß, kann sie oder er sich jeder- Die Schlüssigkeit der Kontextuali- Fallada auf den Spuren von Otto zeit gerne an mich wenden. sierung muss stets kritisch geprüft und Elise Hampel“. werden. Ein Lernprozess, den ich Im Juli 2019 machte die Wan- als Kurator durchmachte. derausstellung in der Universitäts- Apropos Rahmenprogramm: bibliothek Paderborn Halt. Katrin Neben Einführungsvorträgen und Schubert, wissenschaftliche Mit- Führungen biete ich inzwischen arbeiterin beim Institut für Ger- auch die von mir konzipierte Le- manistik und Vergleichende Li- sung „Wer waren Otto und Elise teraturwissenschaft, beschäftigt Hampel? – eine Lesung für zwei sich seit 2015 aus sprachwissen- Sprecher“ an. Sie nimmt neben schaftlicher Perspektive mit den dem historischen Fall die literari- Widerstandsschriften der Ham- sche Verarbeitung in Jeder stirbt pels. Ihr Dissertationsvorhaben ist für sich allein in den Blick und stellt eingebettet in die Erforschung des Doku-Material aus den überliefer- Sprachgebrauchs im Widerstand. ten Gestapo- und Nazijustizakten Auch diese wissenschaftlichen Er- und Textpassagen aus Falladas kenntnisse fließen in die Ausstel- Roman gegenüber. lung ein, tragen sie doch zu einem Die Wanderausstellung regt differenzierten Bild von den Ham- demnach weitere Vorhaben an, pels, ihrem Widerstandskampf die die Schau ergänzen und über und den Zeitumständen bei.

58 SALATGARTEN 2/2019 29. HANS-FALLADA-TAGE ■

Die 29. Hans-Fallada-Tage Ein Rückblick

Freitag, 19. Juli

Die Eröffnungsveranstaltung Wie jedes Jahr waren die Hans- Fallada-Tage schon vor der Eröff- nungsveranstaltung ein Ereignis. Gäste trafen ein, Freunde begrüß- ten sich, das Getränke- und Imbiss- Angebot der Firma „Bluhms Deli- kat“ wurde eifrig genutzt, Bücher lagen zum Verkauf aus, im Scheu- nensaal schwirrten die Stimmen durcheinander. Schlag 16.00 Uhr – der Saal so voll, dass manche auf der Treppe oder draußen sitzen mussten – be- grüßte die Vorsitzende der hfg, Pa- tricia Fritsch-Lange, die Gäste und Mitglieder. Diesmal wurden die bewerteten Bücher des Autors. Hans-Fallada-Tage mit einer Podi- Das gilt besonders für die frühen umsdiskussion eröffnet, moderiert Werke, Der junge Goedeschal und von dem Fallada-Experten Michael Anton und Gerda, die Fallada selbst Töteberg. Die beiden renommier- abgetan hat und die bisher nur we- ten Literaturwissenschaftler Prof. nig Beachtung gefunden haben: Gustav Frank und Prof. Stefan Hier im Handbuch kann man erst- Scherer, extra aus München bzw. mals eine eingehende Darstellung Karlsruhe angereist, gaben in ent- der für heutige Leser nicht leicht Fotos Wolfgang Behr spannter Atmosphäre interessante zugänglichen Romane finden. Er- Einblicke in ihre Arbeit am Hans- wähnenswert ist auch die im Hand- tigen Autor der synthetischen Mo- Fallada-Handbuch und nahmen buch vorgenommene Revision ei- derne; ihr Handbuch gibt einen Stellung zu inhaltlichen Fragen. nes anderen, bei den Kritikern wie Überblick über sein gesamtes lite- Das Handbuch ist, nachdem in den Lesern ungeliebten Romans: rarisches Schaffen, seine Arbeiten den letzten Jahren diverse neue Wir hatten mal ein Kind. Die zeit- für den Film, die journalistischen Editionen, Briefausgaben, For- genössische, stark ideologische Re- Gelegenheitsarbeiten etc. Es ist schungsliteratur zu Einzelthe- zeption hat bis heute den Blick auf ein unverzichtbares Standardwerk men erschienen, zur rechten Zeit dieses dem Autor so wichtige Werk entstanden, nicht zuletzt dank der gekommen. Es gibt zuverlässig verstellt. Frank/Scherer haben als eindrucksvollen Bibliografie. Ein Auskunft über den Stand der For- erste Falladas Poetologie, z.B. die Manko gaben Frank und Scherer schung und ist doch nicht nur ein Vielfalt der Erzähltechniken und im Gespräch unumwunden zu: Nachschlagewerk für Fachgerma- die Traditionslinien des Erzählens, Die Vorabdrucke in Zeitungen nisten. Man schlägt etwas nach untersucht und geben damit den und Zeitschriften, deren gekürzte und liest sich fest, bekommt Lust, Anstoß für weitere Forschungen Versionen Fallada selbst redigiert wieder Fallada zu lesen, gerade zu diesem bisher unterschätzten hat, hatten sie nicht genügend auch die unbekannteren, unter- Roman. Sie sehen Fallada als wich- im Blick. Als Nachtrag zu ihrem

SALATGARTEN 2/2019 59 ■ 29. HANS-FALLADA-TAGE

Handbuch haben sie deshalb im letzten Salatgarten auf einen Feh- ler im Zusammenhang mit dem Vorabdruck von Jeder stirbt für sich allein hingewiesen (vgl. SG 1/2019, S. 58 bis 62). Töteberg ergänzte zu dem Kapi- tel Ein Mann will hinauf, dass Falla- da für den Abdruck in der Berliner Foto: Winfried Braun Illustrirten ein Kapitel entschei- dend umgeschrieben hat; es gibt also immer wieder Neues zu ent- decken. Frank und Scherer kündigten an, dass für sie mit dem Erschei- nen des Handbuchs ihre Beschäf- tigung mit Fallada keineswegs ab- geschlossen sei: Geplant ist eine Plattform im Internet, auf der u. a. die Bibliografie fortgeschrieben werden kann. Auch die Lektorin Nele Hol- dack vom Aufbau Verlag konnte Neues berichten – noch in diesem Jahre wird die ursprüngliche, von

Jenny Williams neu herausgege- © HFA bene Textfassung des Romans Der eiserne Gustav erscheinen. Carwitz, 29. Juli 1944 Eine weitere interessante Neu- igkeit: Die Fallada-Gesellschaft Sehr geehrter Herr Heimeran, bereitet eine Edition von Falladas verzeihen Sie die dürftige Gegengabe – in diesen bescheidenen Zeiten ist Buchkritiken zwischen 1931 und „Wertausgleich“ leider nicht möglich. Nur der „Hoppelpoppel“ taugt was. 1933 vor, ergänzt um Essays zu den (Und auch nicht viel.) von ihm besprochenen (heute teils [Fallada schickt Heimeran zwei Bücher mit Widmung: das Reclam-Heft völlig unbekannten) Büchern. „Hoppelpoppel“ und „Die Abenteuer des Werner Quabs“, ein Buch, von Zum Schluss gab es noch eine dem der Autor offenbar selbst nicht viel hielt, M. Töteberg] besondere Überraschung. Mo- Über den Lichtenberg von Deneke [„Lichtenbergs Leben“ von Otto Deneke, derator Michael Töteberg schenk- erschienen 1944, M. Töteberg] habe ich mich sehr gefreut und will ihn sofort te dem Hans-Fallada-Archiv ein lesen. Das Programm: mehr Fakten als Raisonnements ist verlockend. Fundstück, das er im Netz erstei- Das Buch sieht übrigens noch tadellos aus. – Sollte man nicht ein Bändchen gert hatte: eine Briefkarte Falladas mit dem viel zu unbekannten Lichtenberg in diesen Zeiten herausbringen? an den Münchner Verleger Ernst (Aber die Auswahl nicht – unterstrichen – nicht von mir.) Heimeran. Herzlichst Ihr Fallada

60 SALATGARTEN 2/2019 29. HANS-FALLADA-TAGE ■

v. l. n. r.: Prof. Stefan Scherer und Michael Töteberg (Mitte)moderiert das Prof. Gustav Frank Podiumsgespräch

ist neben dem von Hans Fallada der öffentliche Debatten ein und griff wichtigste Bestand, den das Litera- in ihren Büchern aktuelle Zeitfra- turzentrum Neubrandenburg in gen auf – die Auseinandersetzung seinem regionalen Literaturarchiv mit dem Nationalsozialismus, die bewahrt, und wie bei Hans Falla- deutsche Teilung, Probleme des da ist es ein wichtiges Anliegen, modernen Städtebaus. auch Brigitte Reimanns Leben und Ein Jahr vor ihrem Tod, am Werk im öffentlichen Gedächtnis 30. März 1972, schrieb sie an eine zu bewahren, das Leseinteresse Freundin im Ausland, zu der der und auch die wissenschaftliche Be- Kontakt lange abgebrochen war, schäftigung mit ihren Büchern zu unter anderem: befördern und neue Publikationen „[…] Heute erinnern sich noch zu unterstützen. ein paar Leser, daß es mal eine B.R. Sucht man nach Gemeinsam- gegeben hat, heute habe ich noch keiten zwischen Reimann und ein paar Freunde, auf die ich stolz Nele Holdack, leitende Lektorin für Fallada, so fällt als erstes das Ge- bin, weil sie nicht nur zu den bes- den Bereich Moderne Klassik/Klassik burtsdatum ins Auge: Reimann ten Schriftstellern unseres Landes im Aufbau Verlag Fotos: Wolfgang Behr wurde auf den Tag genau 40 Jahre zählen, sondern auch gütige Men- nach Fallada geboren, was natür- schen sind (das geht nicht immer Nach einer kurzen Pause führte lich ein Zufall ist. Wesentlicher ist zusammen, wie ich früher dachte); Erika Becker, Leiterin des Brigit- da schon die beiden gemeinsame heute schreibe ich unter Qualen an te-Reimann-Literaturhauses Neu- Schreibbesessenheit. Wie für Fal- meinem ersten guten Roman, der brandenburg, in die neue Sonder- lada war Schreiben für Reimann wahrscheinlich auch mein letzter ausstellung „Brigitte Reimann ein Rausch, und – wie sie sagte sein wird; heute bin ich unheilbar – Leben und Werk einer Schrift- – zugleich egoistisches und alt- krank an Knochenkrebs und höre stellerin (1933 – 1973)“ ein, die im ruistisches Vergnügen, dem sie ihr mir lächelnd – oder manchmal zor- Scheunensaal bis zum Sommer Privatleben unterordnete. Ganz nig – die barmherzigen Lügen an, 2020 zu sehen sein wird. anders aber als Fallada sah sie ihr wieviel Zeit mir vielleicht, unter Die Ausstellung entstand an- Schreiben als eine gesellschaftli- günstigen Umständen, noch bleibt lässlich des 85. Geburtstages der che Angelegenheit. 1933 geboren, […].“ Autorin mit Hilfe mehrerer priva- gehörte sie einer Generation an, ter und öffentlicher Förderer, und deren Kindheit und Jugend von Fa- Brigitte Reimann hat ihren letz- sie steht ab dem nächsten Jahr als schismus, Krieg, Zusammenbruch ten Roman Franziska Linkerhand Wanderausstellung interessierten des Hitlerregimes und gesell- nicht mehr vollenden können. Er Vereinen, Bibliotheken oder an- schaftlichem Neubeginn geprägt erschien 1974, ein Jahr nach ihrem deren öffentlichen Einrichtungen war. Sie war nicht nur ein politisch frühen Tod, und wurde zu einem zum Verleih zur Verfügung. Brigit- interessierter, sondern auch enga- Kultbuch der damals jungen Gene- te Reimanns literarischer Nachlass gierter Mensch, sie mischte sich in ration.

SALATGARTEN 2/2019 61 ■ 29. HANS-FALLADA-TAGE

dem Freundeskreis Miniaturbuch ein weiterer Fallada im Kleinfor- mat vorbereitet, der im Herbst er- scheinen soll: Fallada in Neuenha- gen – Sein Leben in Neuenhagen mit Bildern und Zitaten. Da darf man gespannt sein! Fazit der Zuhörer: Eine an- Erika Becker, Leiterin des Literaturzent- Patricia Fritsch-Lange und spruchsvolle und anregende Eröff- rums Neubrandenburg und des Hans- Udo Haedicke Foto: Winfried Braun Fallada-Archivs nung mit vielen Neuigkeiten und ein gelungener Auftakt für das Das bei Aufbau erschienene weitere Programm der 29. Hans- Buch Post vom schwarzen Schaf. Fallada-Tage. Geschwisterbriefe lässt uns Brigitte Sabine Koburger Reimann von einer ganz anderen Seite erleben. Mit-Herausgebe- Abendveranstaltung: rin Heide Hampel und Winfried Der Trinker Braun gaben eine Leseprobe aus Theaterstück mit dem Schauspieler dem Briefband. Matthias Brenner Heide Hampel und Winfried Braun „Klein, handlich, faszinierend – Was der aus Fernsehen, Kino Fotos: Wolfgang Behr Miniaturbücher“, so könnte man und Theater bekannte Schauspie- den letzten Vortrag überschrei- ler Matthias Brenner, der darüber 25 Jahre später erlebte ihre ben, den Udo Haedicke hielt, der hinaus auch als Regisseur, Autor Werkschöpfung eine gesamt- als Vorsitzender des Freundes- und Intendant erfolgreich gear- deutsche Renaissance. kreises Miniaturbuch Berlin e.V. beitet hat, an diesem Abend bot, Dazu trugen vor allem die un- natürlich zugleich Sammler von war Schauspielkunst vom Feinsten. gekürzte Neuausgabe des Fran- Miniaturbüchern ist (vgl. S. 55 f.). Sogar der einsetzende Regen ließ ziska-Romans und die Veröffent- Er informierte über die Arbeit des sie ausharren. Geduldig warteten lichung ihrer Tagebücher bei. Es Freundeskreises und insbesonde- alle, bis der Himmel der Vorstel- folgten mehrere Briefausgaben, re, wie es dazu kam, dass jüngst ein lung wieder gnädig war, und „der Dokumentarfilme und die Biogra- Miniaturbuch mit dem Titel Zwei Trinker“ schreckte nicht einmal da- fie-Verfilmung Hunger auf Leben zarte Lämmchen weiß wie Schnee vor zurück, sich auf das nunmehr mit Martina Gedeck in der Haupt- von Hans Fallada erschienen ist. pitschnasse Bett zu legen, wenn es rolle. Außerdem erschienen Über- Die Idee dazu versuchte er erst- die Rolle erforderte. Die Fotos spre- setzungen in Frankreich, Italien, mals 2017, anlässlich des 70. Todes- chen für sich. Spanien und in den Niederlanden, tages von Fallada, umzusetzen, kob/de weitere sind derzeit in Arbeit. Was dann folgte ein Jahr später noch damals wie heute an Reimanns einmal ein Anlauf, die Umsetzung Werken fasziniert, ist einerseits scheiterte jedoch aus verschiede- die schonungslose Darstellung nen Gründen. Im Frühjahr dieses gesellschaftlicher Missstände, von Jahres stellte sich dann doch noch denen etliche nicht nur die DDR der Erfolg ein – der Miniaturbuch- betreffen; es ist vor allem aber die verlag Leipzig legte Haedicke das Ermutigung, die von der Haltung Probe-Exemplar des Miniaturbu- der Autorin und ihrer Romanhel- ches Zwei zarte Lämmchen weiß din Franziska ausgeht, es ist der Le- wie Schnee vor, und danach lief die bensmut, der Ehrgeiz, Verantwor- Produktion an. Mittlerweile wird tung zu übernehmen und auch in der Gemeinde Neuenhagen ge- unter widrigen Umständen nicht meinsam mit der Bibliothek und aufzugeben.

62 SALATGARTEN 2/2019 29. HANS-FALLADA-TAGE ■

Fotos: Wolfgang Behr

Samstag, 20. Juli parat. Nicht nur, weil eine Wahl nicht „gendern“) durch die Vorsit- stattfand. zende wurde der vier verstorbenen Mitgliederversammlung und Also: „Wochenend‘ und Son- Mitglieder gedacht. Danach etwas Wahl des neuen Vorstandes nenschein …“. Der Sonnabend ver- Statistik: Sechs Austritte gegen 18 „Du schreibst doch die Beiträge sprach wirklich schön zu werden. Eintritte. Eine gute Bilanz. Dann über die Mitgliederversammlung Nach dem Regenüberfall bei der ein zusätzlicher Punkt: Die Abstim- und die Ehrung auf dem Fried- tollen Aufführung des Trinkers mung über die Ehrenmitglied- hof?“ Der fragende, leicht mitlei- von Matthias Brenner am Freitag- schaft für Achim Ditzen. Mit zwei dige Blick meiner Chefredakteu- abend schöpften wir Hoffnung, Enthaltungen wurde der Antrag rin sagt mir, dass sie weiß, dass ich dass die Lesung mit Hannelore Ho- angenommen. Nach der Wahl gerade diese beiden Beiträge nicht ger nicht ins Wasser fallen würde. der Versammlungsleiterin, wie im gerne schreibe. Zu oft habe ich das Doch vor dem Vergnügen wird Vorjahr Dr. Sabine Koburger, zog schon getan. Und gerade die Mit- gearbeitet, sprich die Mitglieder- Patricia Fritsch-Lange Resümee gliederversammlung wiederholt versammlung durchgeführt, nebst und eröffnete den Mitgliedern, sich doch fast immer. Aber gut. Je- Wahl des Vorstandes, wie alle zwei dass dieser Rechenschaftsbericht mand muss es machen. Also lächle Jahre. Das geschieht im Scheunen- ihr vierzehnter und letzter sei, da ich gequält und stimme zu. Aber es saal, unter Ausschluss der Öffent- sie nicht mehr zur Wahl als Vor- kommt manchmal anders … lichkeit – wie alle zwei Jahre. Nach sitzende zur Verfügung stehe Die diesjährige Versammlung der Begrüßung der Mitglieder (Zum Glück bleibt sie uns mit hielt doch einige Überraschungen (Entschuldigung, aber ich mag ihrem Erfahrungsschatz für den

SALATGARTEN 2/2019 63 ■ 29. HANS-FALLADA-TAGE

Berichte der 2. Stellv. Bürgermeis- terin der Gemeinde Feldberger Seenlandschaft, Katrin Zemlin, des Museumsleiters und des Schatz- meisters (Alle Berichte können eingesehen werden). Die Kassen- prüfer Tina und Claus Warncke entlasteten den Schatzmeister. Da- Die ersten Mitglieder treffen ein. In Eintracht: die alte und der neue Vor- mit war der erste Teil erledigt. sitzende der hfg Aber nun die Aussprache: der entscheidende Punkt, die Erhö- hung des Mitgliedsbeitrages, wur- de ohne Diskussionen angenom- men. Die Vergabe einer Ehrenmit- gliedschaft zählt zu den seltenen Ereignissen einer Mitgliederver- sammlung, sind doch bisher le- diglich sieben Personen damit ge- Katrin Zemlin, 2. Stellv. Bürgermeisterin Der neu gewählte Vorstand der hfg ehrt worden. Nach dem Verlesen der Gemeinde Feldberger Seenland- Fotos Wolfgang Behr schaft des Grußes von Achim Ditzen, der diesmal leider nicht bei den Falla- da-Tagen anwesend sein konnte, begründete Patricia Fritsch-Lange den Vorschlag des Vorstandes. Die Entscheidung der Mitglieder für die Ehrenmitgliedschaft für Achim Ditzen fiel einstimmig aus. Das war keine Überraschung! Auch an die- ser Stelle noch einmal mein Glück- wunsch, lieber Achim, wenn Du diese Zeilen liest! Nächster Punkt: Die Wahl des Vorstandes. Ich fasse mich kurz. Die Wahlleiterin, Doris Haupt, durch viele Vorstandswahlen ge- stählt, führte auch dieses Proce- dere in gewohnter und bewähr- ter Manier durch. Und es gibt Bewegung im Vorstand: Michael Töteberg, unseren Mitgliedern als Vorstand erhalten). Ihr Bericht en- Fallada-Film-Enthusiast, der alle dete mit dem Dank an Vorstand, Filmnächte einleitet, und Rowohlt/ Museumsleiter und die Mitglieder Fallada-Spezialist bekannt und ge- für die gute Zusammenarbeit und schätzt, wurde zum Vorsitzenden das Vertrauen, welches ihr über gewählt. Johanna Wildenauer Jahre entgegengebracht wurde. und Carolin Reimann sind unsere Langer Beifall. Ein schöner Kunst- jungen Speerspitzen, Edzard Gall, druck als Geschenk. Es folgten die Werner Sagner, Patricia Fritsch-

64 SALATGARTEN 2/2019 29. HANS-FALLADA-TAGE ■

Lange und ich selbst sind sozusa- fiebern mit! Denn spätestens als senbonbons durch Kinderträume gen die „Alten“ und Erfahrenen. das Lied „Grün, grün, grün sind rollten. Hoffentlich jedoch ohne Es musste außerdem noch ein alle meine Kleider“ das erste Mal eine garstige Wachkatze! neuer Kassenprüfer gewählt wer- angestimmt wird, sitzen da nur den, da Claus-Dieter Warncke noch ausgelassene Kinder im Pub- Yasmina Deutschkämer aus Altersgründen diese Funktion likum. Der Liedtext wird angepasst abgeben wollte. Ein großes Dan- und weitergesponnen, sodass sich In der Dorfkirche Carwitz: keschön an ihn, der über Jahre allerlei lustige ‚Schätze‘ ergeben: Und über uns der weite Himmel gewissenhaft und zuverlässig die Grizzlybären scheinen zum Bei- Lesung und Literaturgespräch mit Finanzen geprüft hat. Sein Nach- spiel sehr beliebt zu sein. Sicherlich dem Autor Lutz Dettmann folger wird Stefan Hanke sein. folgte die Melodie den Besuchern In diesem Jahr fand in der Dorf- Tina Warncke stellte sich wieder noch bis ins Schlafzimmer, wo kirche keine musikalische Veran- zur Wahl und wurde ebenfalls ge- dann bestimmt einige bunte Rie- staltung statt, sondern auf dem wählt. Programm standen Lesung und Der letzte Punkt, die Diskussion Gespräch mit dem Autor Lutz Dett- der Mitglieder, war diesmal über- mann zu seinem neuesten Roman. raschenderweise der kürzeste des Moderiert wurde die Veranstal- Tages. Offensichtlich waren alle tung von Liane Römer, Initiatorin rundum zufrieden. des Literaturstammtisches LISTA Übrigens, die Sonne schien im- Schwerin, und seit vielen Jahren mer noch, als die Mitgliederver- mit Dettmann eng befreundet. In sammlung zu Ende war. lockerer Atmosphäre entlockte sie ihm so manche Hintergründe Lutz Dettmann und persönliche Bezüge zum Ro- man. So erfuhren die Zuhörer, dass Kinderveranstaltung Dettmann als 13-jähriger Schüler am Nachmittag für drei Wochen zu einem Schüler- Mäusecken Wackelohr mit austausch in die estnische Haupt- Rike Schuberty. Ein Theaterspiel stadt Tallinn reisen durfte. Dort mit Puppen. freundete er sich mit dem Sohn sei- Die Kinder sitzen mit ihren El- ner Gasteltern an und unterhielt tern gespannt in dem abgedun- jahrelang eine Brieffreundschaft kelten Scheunensaal und blicken zu ihm, die dann aber einschlief. ein wenig ratlos auf einen alten Bei einem Umzug 1989 fiel ihm Holzstuhl. Plötzlich lugt eine klei- die Adresse wieder in die Hände, ne, weiße Maus aus einem Loch und er versuchte den Kontakt zu in der Sitzfläche. Und schon ver- seinem ehemaligen Jugendfreund wandelt sich das öde Möbelstück wieder aufzunehmen. Dieser war in einen abenteuerlichen Schau- allerdings umgezogen und nur platz! Mit Hilfe von Licht, Ver- durch einen glücklichen Zufall – kleidungstricks und einer großen die Postzustellerin kannte die neue Portion schauspielerischen Ta- Anschrift – erreichte sein Brief den lents inszeniert Rike Schuberty ein Empfänger. Das Band zwischen ih- spannendes Katz- und-Maus-Spiel. nen riss von nun an nicht mehr ab; Die Zuschauer halten in kritischen entstanden ist eine Freundschaft, Momenten gespannt den Atem die bis heute anhält. an und versuchen lautstark, dem Der in Estland angesiedelte Ro- Mäusecken zu helfen. Ob das wohl man Und über uns der weite Him- gelingen mag? Ausnahmslos alle mel zog neben anderen Besuchern

SALATGARTEN 2/2019 65 ■ 29. HANS-FALLADA-TAGE

viele Mitglieder der Fallada-Gesell- 1938 einen heiteren Abschluss. schaft in die Kirche, die bereits den Christoph wird Zeuge eines abend- ersten Teil des Buches, Anu. Eine lichen Gespräches zwischen Anus Liebe in Estland gelesen hatten. Es Onkel Arno und dessen Freund Er- wurde inzwischen ins Estnische win. Das Gespräch findet auf einem übersetzt und wird in Estland gut „Doppelklo“ in Arnos Garten statt, nachgefragt. Anu. Eine Liebe in in dem der Este Arno Christophs Estland handelt von der Liebe der positive Eigenschaften preist, wäh- Estin Anu Lina zu ihrem deutsch- Foto: Wolfgang Behr rend Nachbar Erwin grundsätzlich baltischen Freund Christoph skeptisch gegenüber jedem Deut- Scheerenberg. Das neue Buch Und schen ist. über uns der weite Himmel erzählt Fragen aus dem Publikum be- diese Geschichte weiter. Es beginnt rührten das Verhältnis der Esten damit, dass Anus Tochter Irja die zu Deutschland, aber auch zu Aufzeichnungen Scheerenbergs Russland; diskutiert wurde auch, gelesen hat und von ihrer Mutter dass Estland mehr von den Deut- mehr dazu erfahren möchte, vor al- schen als von den Russen geprägt lem aber darüber, wer ihr Vater ist. sei, bei etwa achthundert Jahren Anus Erzählung von ihrer Liebe zu Foto: Winfried Braun deutschen Einflusses nicht über- Christoph, ihrer Verhaftung durch raschend. den NKWD, der Fahrt ins GULAG, Die Veranstaltung hat die Zu- dem Terror im GULAG, aber auch hörer still und nachdenklich zu- von positiven Erlebnissen gibt dem rückgelassen. Die Geschichte der Leser interessante Einblicke in die Estin Anu lässt uns neu über die wechselvolle Geschichte Estlands Geschichte Estlands nachdenken. (vgl. dazu auch SG 1/2019, S. 65-67). Michael Thoms Für den Beginn seiner Lesung wählte Dettmann den Abschnitt Foto: Wolfgang Behr Abendveranstaltung aus, in dem beschrieben wird, wie „Kleiner Mann – was nun?“ Irja Rinsteln, Anus Tochter, auf falls auch Freunde oder Bekannte und andere Texte dem Weg zu ihrer Mutter Schee- als Staatsfeinde denunziert. Anu Lesung und Gespräch mit der renbergs Aufzeichnungen zum lehnt ab und geht für zehn Jahre in Schauspielerin Hannelore Hoger, wiederholten Male liest. Dann sit- die Verbannung nach Sibirien. moderiert von Uwe Naumann zen Mutter und Tochter gemein- Die dritte Lesestelle schilderte Der laue Sommerabend schien sam auf einer Bank im Garten mit Ereignisse während der Zugfahrt viel versprechend, die Lachspani- eben diesen Aufzeichnungen und nach Sibirien. Der Zug hält in der ni und der hausgemachte Eistee die Mutter beginnt zu erzählen. kleinen vom Krieg verwüsteten des Caterers „Bluhms Delikat“ fan- Der zweite Teil der Lesung fokus- Ortschaft Wolossowo. Die Zugin- den allseits viel Anklang und der sierte auf Anus Verhör im NKWD- sassen werden auf den Bahnhofs- Regensturm, der bei der Theater- Gebäude nach ihrer Verhaftung. vorplatz getrieben. Sie müssen aufführung des Trinkers am Vor- Ihre Beziehung zu dem Deutschen das sterbende Mädchen Linda im abend noch für eine gehörige Por- Christoph Scheerenberg wird ihr Zug zurücklassen. Nun beginnt tion Chaos gesorgt hatte, wurde in nun als Landesverrat vorgewor- ein Spießrutenlauf durch mehrere den Erzählungen der Zuschauer fen. Sie wird von Indrek Brügman, hundert vom Hass gezeichnete be- schon als grandioses Stilmittel ge- einem Freund Christophs, verhört, trunkene Russen. Danach wird die feiert. Zahllose über Stühle bzw. im der ihr anbietet, sie vor dem GU- Zugfahrt ins Lager fortgesetzt. Außenbereich auf den Steinstufen LAG zu bewahren, wenn sie für den Nach diesen düsteren Episoden ausgebreitete Pullis, Hemden und NKWD spitzelt und gegebenen- bildet eine Rückblende in das Jahr Handtücher zeugten vor Beginn

66 SALATGARTEN 2/2019 29. HANS-FALLADA-TAGE ■

ter Sachbuch des Rowohlt Verlags, Die Filmnacht präsentierten – professionell ab- Kleiner Mann – was nun? gestimmt und mit lebhaftem Stim- Theaterrevue von Tankred Dorst menspiel – eine unterhaltsam-mit- aus dem Schauspielhaus Bochum reißende Text-Bandbreite aus dem von 1973 Portfolio Falladas. Der Besuch des Wieder brachte der Filmexper- „kleinen Mannes“ Johannes Pinne- te Michael Töteberg für die Film- berg mit seinem Lämmchen beim nacht etwas Besonderes nach Car- Hannelore Hoger und Uwe Naumann Frauenarzt zeugte von – zumin- witz mit. Passend zur Lesung mit dest gefühlten – ‚Klassenunter- der ‚gereiften‘ Hannelore Hoger schieden‘ zwischen privat und ge- präsentierte er einen Film mit der setzlich Versicherten, die auch 80 jungen Hoger, als sie noch am An- bzw. 90 Jahre später vielfach noch fang ihrer Karriere stand. Da spielt ein Thema in den Wartezimmern des Landes sind. Eine kurze Gesangseinlage Han- nelore Hogers verbreitete Zwanzi- gerjahre-Stimmung in der liebevoll restaurierten Scheune, die sich wie- der einmal als Veranstaltungsort bewährt hat. Auch Uwe Naumann überzeugte mit seinen Lese- und Vortragskünsten, so z. B. mit der Ge- schichte vom schlechten National- sozialisten oder der Schilderung ei- nes düsteren, fast brutalen Traums Falladas, die beide aus dem Gefäng- nistagebuch 1944 stammten. Das nebenbei auf der Terrasse aufgeführte ‚Kleindrama‘ um die Einhaltung des Rauchverbots im Außenbereich, das mehrere ambi- tionierte ‚Laiendarsteller‘ während des Abends zum Besten gaben, sorgte überwiegend für Erheite- rung und hätte Fallada mit seiner

Fotos: Wolfgang Behr ausgeprägten Liebe für das wahre Leben sicherlich gut gefallen. der Veranstaltung vom ausge- Am Ende der Lesung verbreite- prägten Interesse des Publikums. te die Murkelei trotz Höllenhund Und so war der Innenbereich dann und Höllenfürst wieder versöhn- auch ein wenig über-, der Außen- liche Töne, und der Applaus für bereich sehr angenehm gefüllt, als die beiden Hauptdarsteller dieses Michael Töteberg den Filmabend wunderschönen und gelungenen mit einer kurzen Einführung er- Abends hallte noch nach, als die öffnete. Hannelore Hoger, den Umbauarbeiten für die nachfol- meisten aus Film, Fernsehen und gende Kinoprojektion schon in Hörspiel bekannt, sowie Uwe Nau- vollem Gange waren. mann, langjähriger Programmlei- Benjamin Ditzen

SALATGARTEN 2/2019 67 ■ 29. HANS-FALLADA-TAGE

sie die Emma Mörschel, genannt Sonntag, 21. Juli Gründen wohl nicht nachahmens- Lämmchen, in dem TV-Film Klei- wert sein dürfte, aber allgemeine ner Mann – was nun? Eine Revue von Ehrung Hans Falladas Heiterkeit unter den Zuhörern aus- Tankred Dorst nach dem Roman von zum 126. Geburtstag löste. Nach der Verabschiedung Hans Fallada – und sie war damals Ehrung am Grab durch Patricia Fritsch-Lange been- schon überzeugend! Regie führte Bei schönem Sommerwetter dete Silke Lange die Veranstaltung wieder Peter Zadek, der schon die fanden sich in diesem Jahr viele musikalisch. Bühnenfassung im Schauspielhaus Mitglieder der Hans-Fallada-Ge- Lutz Dettmann Bochum inszeniert hatte, die am sellschaft und Leser des Schrift- 22. September 1972 uraufgeführt stellers zur traditionellen Ehrung Am Nachmittag worden war. Dorst hatte in seiner auf dem alten Friedhof der Ge- Geschichten aus der Murkelei Revue zwar die Orte Ducherow und meinde Carwitz ein. Silke Lange Lesung mit Schauspieler Peter Berlin, die Handlung aus den Jah- eröffnete die kleine Feierstunde Treuner ren 1931/1932 sowie die handeln- traditionell mit ihrem Spiel auf Die Lesung versprach beste den Personen belassen, den Text dem Akkordeon.­ Wie jedes Jahr Unterhaltung, denn der bekannte jedoch gekürzt und mit Gesang legten Patricia Fritsch-Lange und Kabarettist Peter Treuner und Fal- und Ballett aufgelockert. Seine Art Edzard Gall einen Blumenstrauß ladas Geschichten aus der Murkelei, der Inszenierung war damals eine nieder, diesmal zusammengestellt das passt einfach wunderbar zu- kleine Sensation. Über ein Jahr spä- aus dem Dreiecksbeet vor dem sammen. So war dann auch diese ter, am 29. Dezember 1973, lief der Wintergarten des Fallada-Hauses Veranstaltung sehr gut besucht, TV-Film über den Bildschirm. Ne- von der Floristin Katrin Gall. Stefan obwohl nach der Ehrung auf dem ben Hannelore Hoger wirkten z. B. Knüppel hatte für seinen Vortrag Friedhof immer eine Reihe von Heinrich Giskes (Pinneberg), Rosel mehrere Passagen aus dem Erin- hfg-Mitgliedern die Heimreise an- Zech in mehreren Rollen (Marlene nerungsbuch Heute bei uns zu Haus tritt. Aber bekanntlich ist Carwitz Dietrich, Hans Albers, Marie Klein- ausgewählt, so das Kapitel Port- im Sommer eine Touristenhoch- holtz und Kind) und Hans Mahnke rait meiner Kinder. Hier beschreibt burg, insofern können die Veran- (Puttbreese) mit. Der Versuch, die Fallada das gemeinsame Anlegen stalter immer mit viel Publikum Zeit zwischen den Weltkriegen eines kleinen Buschbrandes in der rechnen. Umso mehr, als mit der mit Inflation, Arbeitslosigkeit und Natur. Ein Vorgang, der heute aus Murkelei nahezu alle Altersgrup- dem aufkommenden National- pädagogischen und ökologischen pen angesprochen wurden. sozialismus lebendig zu machen, Peter Treuner, Jahrgang 1956, ist zweifellos gelungen. Den zahl- spielte schon in seiner Jugend im reich erschienenen Gästen gefiel Amateurkabarett und gewann als es, jedenfalls den meisten! Solist die Goldmedaille bei einem kob/de Laienwettbewerb – bei dem übri- gens Jürgen Hart (den Älteren viel- leicht noch durch „Sing mei Sachse sing“ im Gedächtnis) der Vorsitzen- de der Jury war. Es folgten Schau- spielstudium an der Theaterhoch- schule Leipzig, dann 1980 Theater Rostock und schließlich 1986 die Rückkehr nach Leipzig. Seitdem ist er Mitglied des legendären Leipzi- ger Kabaretts „academixer“. Paral- lel zur Bühnenarbeit betätigt sich Treuner als Autor: schreibt Kaba- rettprogramme, Kabarettszenen, Comedy-Texte, Radio-Sketche und

68 SALATGARTEN 2/2019 29. HANS-FALLADA-TAGE ■

Kabarettist und Autor Peter Treuner Fotos: Wolfgang Behr arbeitet mit mehreren TV-Statio- Literarischer Spaziergang Erinnerungsbuch Heute bei uns zu nen zusammen. Unterwegs mit Fallada Haus, die ein lebendiges Bild von Nun also ist er nach Carwitz ge- Der Tradition folgend, endeten dem Anwesen zu Lebzeiten der Fa- kommen. In der Feldberger Seen- auch die 29. Hans-Fallada-Tage mit milie Ditzen nachzeichneten. landschaft, die er besonders liebt, einem literarischen Spaziergang Sowohl als Einstieg in das klei- hält er sich oft auf, wie er dem durch Falladas Anwesen und die ne Fallada-Universum zwischen Publikum mitteilte. Seine Dar- Carwitzer Umgebung. Museums- Schmalem Luzin und Carwitzer bietung von Falladas Texten war leiter Dr. Stefan Knüppel stellte in See als auch zur (Wieder)Entde- stimmlich und schauspielerisch diesem Jahr die Kinder Hans Falla- ckung von Lektüreerlebnissen bil- beeindruckend und brachte das das in den Mittelpunkt und wuss- dete der literarische Spaziergang Publikum oft zum Schmunzeln. te Lehrreiches, Amüsantes und einen stimmigen Abschluss der Er trug u. a. die Geschichte vom ge- – selbst für ausgewiesene Falla- Hans-Fallada-Tage 2019. treuen Igel vor, die viele der Anwe- darianer – bisher noch ganz Unbe- senden bereits am Vorabend von kanntes zu berichten. Über siebzig Anni-Lotta Hamer Hannelore Hoger gehört hatten. Gäste folgten dem Museumsleiter Das war jedoch kein Nachteil, wie über den Fallada-Spielplatz bis auf man meinen könnte – im Gegen- den Hauptmannsberg; vom kleins- teil – es war interessant zu erleben, ten Felsstein bis zur größten Pap- wie unterschiedlich (und jeder auf pel wurde das Anwesen literarisch seine Weise gleichermaßen über- erkundet und begangen. zeugend) die beiden Profis die Tex- Teils unveröffentlichte Fotos aus te präsentierten. Das hatte zweifel- Falladas Familienalben bebilder- los auch etwas mit einer spezifisch ten den Spaziergang und zeigten weiblichen und einer spezifisch eine bienenzerstochene Suse, den männlichen Herangehensweise grüblerischen Uli, einen im Sand zu tun. Wie schön, dass es diese buddelnden Achim und viele wei- Unterschiede doch gibt! tere Impressionen aus dem Car- witzer Familienleben. Dr. Knüppel Sabine Koburger las kurze Episoden aus Falladas

SALATGARTEN 2/2019 69 ■ 29. HANS-FALLADA-TAGE

Impressionen der 29. Hans-Fallada-Tage

70 SALATGARTEN 2/2019 WEITERE RUBRIKEN ■

Wiese Allerlei Wissenswertes

Die Weihnachtsgabe der Hans-Fallada-Gesellschaft Preisträger Literatur- wettbewerb zum Thema LUTZ DETTMANN „Mauerfall“

Die Hans-Fallada-Gesellschaft konn- Die Fotos wurden in den 90er Jah- SABINE KOBURGER te im Sommer einen Teil des foto- ren aufgenommen und bestechen grafischen Nachlasses des im De- durch ihre Qualität, besonders der Lutz Dettmann gewann beim zember 2018 verstorbenen Foto- Landschaftsaufnahmen. Literaturausschreiben der Zeit- grafen Harald Wenzel-Orf von Das als Weihnachtsgabe ausge- schrift Risse und des Literaturrates dessen Witwe Marion Wenzel er- wählte Bild eröffnet den Blick auf Mecklenburg-Vorpommern zum werben. Die etwa 150 Kontaktab- die Bankgruppe des Fallada-Anwe- Thema „Die Freiheit ist ja da. Lite- züge, großformatigen Bilder und sens von 1997. raturwettbewerb zum 30. Jahres- Negative umfassen Ereignisse aus tag des Mauerfalls“ den Preis in dem Leben der hfg, wie z. B. das der Kategorie Prosa. Anlässlich Carwitzer Anwesen, die Hans-Fal- der Preisverleihung am 5. Novem- lada-Tage und andere Veranstal- ber 2019 im Peter-Weiss-Haus in tungen, die Ausstellung „Lebensor- Rostock stellte er seine Erzählung te“ sowie Portraits der Mitglieder. Grenzenlos dem Publikum vor.

Wird der Platz in Ihrem Auf unser Angebot per E-Mail Lahr-Algraphien mit Bücherschrank knapp? an die Mitglieder haben wir schon Feldberg-Motiv in gerin- eine große Reaktion erhalten, so- ger Stückzahl erhältlich Der Salatgarten erscheint wohl für die digitale Variante, aber nun auch digital natürlich auch für die altbewährte STEFAN KNÜPPEL und von vielen sehr geschätzte Pa- DORIS HAUPT pierform, die weiterhin bestehen Vor einigen Jahren nahm das bleibt. Fallada-Museum verschiedene Der Vorstand hat sich entschie- Selbstverständlich erhalten alle Algraphien mit Feldberg- und den, den Salatgarten ab Dezember Mitglieder, die nicht die PDF-Datei Carwitz-Motiven des Grafikers 2019 zukünftig auch als PDF-Datei bestellen, den Salatgarten in ge- Gerhard Lahr ins Angebot. Da die zur Verfügung zu stellen. Damit druckter Form wie bisher, ohne meisten dieser Motive inzwischen möchten wir zum Umweltschutz dass Sie dazu irgendetwas unter- vergriffen sind, freuen wir uns, beitragen und sowohl Papier- als nehmen müssen. wieder einige wenige Exemplare auch Versandkosten einsparen. Gern können Sie auch zu jedem dieser Motivreihe, die das „Haus Wir würden Ihnen in diesem Fall späteren Zeitpunkt auf den digita- Losch“ in Feldberg zeigen, an- die Datei zum gleichen Zeitpunkt len Salatgarten umsteigen. Teilen bieten zu können. Zu verdanken wie bisher den Postversand per E- Sie es uns dann bitte per E-Mail an ist dies einer Spende des Berliner Mail zusenden (also jeweils im Juni [email protected] mit. Kurt Losch-Forschers, Joachim und Dezember). Artz, bei dem wir uns herzlich be- danken. Interessenten melden sich bitte direkt im Museum.

SALATGARTEN 2/2019 71 ■ WEITERE RUBRIKEN

Scheinduell am Uhu Eine Zeitwanderung in das Jahr 1911

JÖRN BIER

Am 17. Oktober 2019 trafen wir uns um 10.00 Uhr an der ehema- ligen Pension des Generalsuper- intendenten Dr. Arnold Braune in der Kirchgasse 7. Sie war für den Primaner Rudolf Ditzen die erste Unterkunft in Rudolstadt. Foto: Anne Kramer Bei einer unvergessenen und er- lebnisreichen Wanderung durch Rudolstadt und das wunderbare Schaalatal ging es bei sehr schö- nem Wetter in Richtung Eichfeld. Nach dem steilen Anstieg kurz hin- ter Schaala, einem Dorf zwischen Rudolstadt und Eichfeld, wander- ten wir über noch taufrische Wie- sen zum Uhu-Felsen. Dank Bernd Hercher aus Eich- feld bekamen wir die Möglichkeit, die Duell-Lichtung kennenzu- lernen. Wir stiegen längere Zeit Blick auf Eichfeld Foto: Marie Giesler über Stein, Geäst und Geröll einen Hohlweg den Berg hinauf. Einigen aufzustehen. Wir genossen oben lesen. Er ist der Ehemann der En- in unserer Gruppe waren die An- auf dem Berg das herrliche Pano- kelin des damaligen Besitzers des strengungen ins Gesicht geschrie- rama über Keilhau und Eichfeld. Gasthofes Stockmann. ben. Aber es hatte sich gelohnt. Mit der schönen Aussicht auf ein Am späteren Nachmittag blieb Vor uns lag die Duell-Lichtung. warmes Essen stiegen wir zum al- dann auch Zeit, noch einige wei- Die meisten von uns sahen sie zum ten Gasthaus Stockmann in Eich- tere Passagen aus dem Jenaer Le- ersten Mal und nutzten das saftige feld hinunter, wo uns die derzeiti- benslauf zu präsentieren. Grün, um sich von dem strapaziö- ge Besitzerin Frau Wiezorek schon Ein großer Dank gilt vor allem sen Aufstieg auszuruhen. Wir lasen erwartete. Bei Thüringer Klößen Frau Wiezorek, die uns diesen hier einen ersten kurzen Abschnitt mit Roulade und guten Getränken wunderbaren Tag ermöglicht hat aus dem Jenaer Lebenslauf, der aus der Region regenerierten wir und allen, die sich auf diese Zeitrei- sich direkt mit dem Ereignis von uns nach der doch anstrengenden se eingelassen haben. 1911 befasste. Während des Lesens sechsstündigen Wanderung. hatte man den blutüberströmten, Herr Heimrich, der sich im Be- im Gras liegenden Körper Rudolf sitz einer Kopie der Prozessakten Ditzens vor Augen und seine über- von 1911 befindet, gab mir jetzt Mehr dazu unter: menschlichen Anstrengungen, die Möglichkeit, aus diesen vorzu- http://www.fallada-wanderung.de

72 SALATGARTEN 2/2019 WEITERE RUBRIKEN ■

Aus der Redaktion:

• Bemerkenswert: • Bedauerlich: • Erfreulich: Ein Fund im online-Antiquariat Nach der Sanierung wurde die ehe- In Gadebusch konnten Maximilian malige Hans-Fallada-Schule in Ber- und Babette Kase wieder Fallada- lin-Pankow unter neuem Namen Freunde und Interessierte zu einer wiedereröffnet: Sie heißt nun Elisa- Lesung locken. Diesmal standen beth-Christinen-Grundschule. Die die Erzählungen und Kurzge- hfg hat sich lange darum bemüht schichten des Meisters im Mittel- (bis zum Bezirksrat), dass der Name punkt. erhalten bleibt, leider ohne Erfolg. Begründung war, dass es bei Schu- len in Berlin keine Doppelbenen- nungen geben solle – mit Hinweis auf die Neuköllner HF-Schule. Immerhin erinnert die Gedenkta- fel noch daran, dass hier, im ehe- maligen Hilfskrankenhaus, Hans Fallada am 5. Februar 1947 starb.

Fallada, Hans (eig. Rudolf Dit- zen), Schriftsteller (1893 – 1947) Wir hatten mal ein Kind. Eine Geschichte und Geschichten (1. – 20. Tsd.) Anbieter Eberhard Köstler Autographen&Bücher oHG, • Sportlich (Tutzing, Deutschland) Während ihres Urlaubs in Thürin- Preis: EUR 1.500,00 gen führte das Ehepaar Kraeft aus Versand: EUR 5,00 Stralsund eine Fahrradtour unter anderem nach Posterstein und Berlin, Rowohlt, 1934, Gr.-8°. 545 Tannenfeld zu den beiden Stätten, S., 1 Bl. OLwd. (ohne den Schutz- an denen sich zwischen 1912 und umschlag von Kubin). Vortitel mit 1915 Rudolf Ditzen aufhielt. Hier eigenhändiger Widmung und Un- eine Auswahl ihrer Fotos! Tannenfeld terschrift von Hans Fallada, datiert Carwitz in Mecklenburg, Oktober 1934: „Sehr verehrter Hermann Hesse, vielen Dank! Immer Ihr Hans Fallada“. Autographen, aber ganz besonders Widmungsexem- plare von Fallada sind äußerst sel- ten. Gewicht (Gramm): 10. Artikel- Nr.: 52460. Burg Posterstein ehemaliges Herrenhaus Posterstein, Seitenansicht, Fotos: Kraeft

SALATGARTEN 2/2019 73 ■ WEITERE RUBRIKEN

Rätselhaft

Drei Rätsel – 1. Buchstabenrätsel entdeckt in dem bekannten Maga- Der erste in der Bibel steht, zin UHU aus dem Jahr 1931. Friedrich Jedoch nicht im Roman; Kroner war ab 1926 Chefredakteur Den zweiten ihr beim Esel seht, der Wochenschrift, zu deren Repu- Niemals beim Huhn und Hahn. Nie sieht den dritten man beim Kind, tation bekannte Fotografen und Il- Beim Herrn ist es der Fall, lustratoren sowie Philosophen und Den vierten sieht man nicht beim Rind, Schriftsteller wie Walter Benjamin, Beim Esel doch und Stall. Bertolt Brecht, und Kurt Tucholsky Und gar den fünften Wien uns zeigt, beitrugen. UHU positionierte sich Doch Rom dagegen nicht, schon früh gegen den Nationalso- Und’s sechste aus dem Nebel steigt, zialismus. Es erschienen 120 Ausga- Doch niemals aus dem Licht! ben von Oktober 1924 bis September Das Ganze aber wirst erschauen, 1934. Auch Fallada hat gelegentlich Als eine Stadt in Märk’schen Gauen*. Beiträge für den UHU geschrieben, u. a. den Essay „…daß wir über der Wie heißt das Lösungswort? Kompliziertheit des heutigen Lebens den Boden der Wirklichkeit verlieren könnten …“ 2. Existenzfragen Mancher strengt sich nicht mehr an, Weil er von ihr leben kann. Die zwei ersten Zeichen setze Auf die umgekehrten Plätze. In so gewandelter Gestalt Ist sie des Landwirts Unterhalt. Übrigens, mein Freund: auch wir Leben ständig mit von ihr.

Wie heißen die zwei Lösungsworte?

3. Drei unterschiedliche Abstrakta Der Dichtform, die uns zeitenfern, Als Huldigung verwandt so gern Gib einen Fuß. Hätt‘ dies der Schöpfer nicht gegeben Wir wären nie erwacht zum Leben. Doch änderst Du’s, Machst Fuß zu Kopf – ein launisch Ding Ersteht und geht und wechselt flink. Festhalten kann man‘s schwerlich, – Doch Frauen unentbehrlich!

Wie heißen die drei Lösungsworte?

Die Auflösung finden Sie in Heft 1/2020.

74 SALATGARTEN 2/2019 WEITERE RUBRIKEN ■

Nachrichten vom Schatzmeister

Liebe Mitglieder und Freunde fahren teilzunehmen. Wer sich der Hans-Fallada-Gesellschaft, dem anschließen will, sollte sich spätestens bis zum 15.1.2020 mel- beiliegend erhalten Sie einen den, da die Abbuchung zum 15.2. Überweisungsträger für den Mit- eines jeden Jahres erfolgen soll. gliedsbeitrag 2020. Der Jahresbei- trag ist zum 1.1.2020 zu leisten, aus- Das Finanzamt erkennt Spenden genommen sind die Mitglieder, die per Kontoauszug bis 200,-- € ohne eine Einzugsermächtigung erteilt Spendenbescheinigung an. Sie haben. Die Beitragshöhe hat sich sollten im Betreff Spende und hfg zum 1.1.2020 generell um 5,-- € er- erwähnen. Für eine evtl. Spenden- höht, siehe Beschluss der Mitglie- quittung erbitte ich eine kurze derversammlung vom 20.7.2019. Nachricht. Für alle neuen Mit- Alle Mitglieder, die einen Dauer- glieder hier meine Kontaktdaten: auftrag bei Ihrer Bank erteilt ha- Werner Sagner, Leonorenstr. 71, ben, bitte ich daran zu denken, 12247 Berlin, telefonisch unter diesen Dauerauftrag um 5,-- € zu 030 774 28 71 und per E-Mail unter erhöhen. Es steht jedem Mitglied [email protected]. Beitragsände- frei, einen höheren Betrag als rungen, neue Adressen, Telefon- Spende zu überweisen. Die Bei- nummern, E-Mail usw. können Sie tragserhöhung haben wir bei den auch an Frau Doris Haupt senden. Lastschrift-Teilnehmern vorge- Die Daten stehen im Impressum nommen. des Salatgartens. Leider müssen wir nach wie vor feststellen, dass einige Mitglieder Ich wünsche Ihnen besinnliche die Beiträge erst im Laufe des Jah- Tage und Gesundheit für das neue res zahlen, oftmals erst nach einer Jahr. Mahnung im Sommer. Mitglieder, die sich ein Jahr mit der Beitrags- Herzlichst zahlung im Rückstand befinden, Werner Sagner erhalten keine Salatgärten mehr. Mitglieder die zwei Jahre ihren Bei- trag nicht gezahlt haben, werden automatisch satzungsgemäß aus- geschlossen. Auf diesem Wege Dank für die ge- zahlten Beiträge und Dank für die geleisteten Spenden im Jahre 2019. Die Spenderliste für die Baumpa- tenschaften ist auf den neuesten Stand gebracht worden. Ebenso ist erfreulich zu verzeichnen, dass viele Mitglieder sich entschlossen haben, am Beitragslastschriftver-

SALATGARTEN 2/2019 75 ■ WEITERE RUBRIKEN

Runde und besondere Geburtstage von Mitgliedern der hfg Wir wünschen unseren Jubilaren, die im 1. Halbjahr 2020 ihren Geburtstag feiern, alles Gute!

06.01. Anatol Regnier 21.03. Dr. Rainer Ortner 75. Geburtstag 70. Geburtstag 08.01. Nicholas Jacobs 27.03. Dr. Siegfried Haubold 81. Geburtstag 96. Geburtstag 14.01. Erika Seiffert 29.03. Elfriede Gast 81. Geburtstag 93. Geburtstag 20.01. Annelore Fritsch 30.03. Jutta Amberg 88. Geburtstag 83. Geburtstag 09.02. Werner Sagner 02.04. Regina Klaus 70. Geburtstag 70. Geburtstag 12.02. Günther Bruns 03.04. Achim Ditzen 82. Geburtstag 80. Geburtstag 20.02. Dr. Cecilia von Studnitz 01.05. Karlheinz Gast 80. Geburtstag 93. Geburtstag 05.03. Erika Hagel 23.05. Hans-Joachim Timm 85. Geburtstag 75. Geburtstag 05.03. Wolfgang Szebel 26.05. Dorothee Hamacher 80. Geburtstag 70. Geburtstag 06.03. Dr. Viola Heß 05.06. Gerhard Becker 70. Geburtstag 82. Geburtstag 09.03. Dr. Sabine Koburger 10.06. Inge Kuhnke 70. Geburtstag 85. Geburtstag 13.03. Dr. Leonore Krenzlin 17.06. Thomas Bricke 86. Geburtstag 60. Geburtstag 14.03. Christian Winterstein 18.06. Theodor Cronewitz 50. Geburtstag 83. Geburtstag 17.03. Hans Jürgen Heimrich 22.06. Gunilla Abrahamsson 82. Geburtstag 75. Geburtstag

76 SALATGARTEN 2/2019 WEITERE RUBRIKEN ■

Über die Beiträger Autoren dieses Heftes sind:

Erika Becker, Jahrgang 1959, Udo Haedicke, Jahrgang 1955, Liane Römer, Jahrgang 1944, Archivarin, Geschäftsführerin des Vorsitzender des Freundeskreises Gymnasiallehrerin Deutsch/Eng- Literaturzentrums Neubranden- Miniaturbuch Berlin e. V., lebt in lisch i. R., Leiterin des Schweriner burg, hfg-Mitglied seit 2001, lebt in Neuenhagen bei Berlin Literaturclubs und des Literatur- Cölpin bei Neubrandenburg Prof. Dr. Lutz Hagestedt, Jahr- stammtischs (LISTA), hfg-Mitglied Wolfgang Behr, Jahrgang 1953, gang 1960, Professor für Neuere seit 2011, lebt in Pinnow bei Sozialpädagoge i. R., hfg-Mitglied und neueste deutsche Literatur Schwerin seit 1997, lebt in Recklinghausen an der Universität Rostock, lebt in Werner Sagner, Jahrgang Jörn Bier, Jahrgang 1961, Soft- Rostock 1950, Leiter eines Lohnsteuerhilfe­ ware-Entwickler Internet, hfg-Mit- Anni-Lotta Hamer, Jahrgang vereins, hfg-Mitglied seit 2009, glied seit 2018, lebt in Berlin 1999, Studentin der Kultur- und lebt in Berlin Lutz Dettmann, Jahrgang 1961, Literaturwissenschaft an der Via- Julia Sophie Schmitz, Jahrgang Vermessungstechniker und Buch- drina Universität Frankfurt (Oder), 2001, bis Mai 2019 am Gymna- autor, hfg-Mitglied seit 1991, lebt in ehemalige Praktikantin des Hans- sium Alleestraße in Siegburg, seit Rugensee bei Schwerin Fallada-Museums, lebt in Berlin September 2019 absolviert sie ihr Yasmina Deutschkämer, Jahr- Heide Hampel, Jahrgang 1946, Freiwilliges Kulturelles Jahr im gang 2000, ab September 2018 Kulturwissenschaftlerin, Grün- Hans-Fallada-Museum Carwitz absolvierte sie ihr Freiwilliges dungsmitglied der hfg, lebt in Michael Thoms, Jahrgang 1968, Kulturelles Jahr im Hans-Fallada- Neubrandenburg Studium der Wirtschaftswissen- Museum Carwitz Patricia Fritsch-Lange, Jahr- schaften, seit 1998 kaufmänni- Benjamin Ditzen, Jahrgang gang 1961, Gründungsmitglied der scher Angestellter in Hannover, 1975, Produktdesigner und Geo- hfg, Vorstandsmitglied seit 1997, hfg-Mitglied seit 2013 wissenschaftler, hfg-Mitglied seit Vorsitzende von 2005 – 2019. Ar- Michael Töteberg, Jahrgang 2018, lebt und arbeitet in Berlin beitet in der Erwachsenenbildung, 1951, Filmwissenschaftler, Autor Ulrich Fischer, Jahrgang 1946, lebt in München und Herausgeber, Leiter der Rechtsanwalt, ehemals Fachan- Doris Haupt, Jahrgang 1944, Rowohlt-Agentur für Medienrech- walt für Arbeitsrecht, Spezialisie- Gründungsmitglied der hfg, lebt te, Gründungsmitglied der hfg, rung auf kollektives Arbeitsrecht in Berlin Vorsitzender seit Juli 2019, lebt in und Vertretung von Gewerkschaf- Dr. phil. Stefan Knüppel, Hamburg ten und Betriebsräten, hfg-Mit- Jahrgang 1975, Literatur- und Johanna Wildenauer, Jahr- glied seit 2014, lebt in Frankfurt Politikwissenschaftler, Leiter des gang 1993, FSJ-Kultur im Fallada- am Main Hans-Fallada-Museums in Carwitz, Museum 2011/12, Studentin Ger- Prof. Dr. Gustav Frank, Jahr- hfg-Mitglied seit 2004, lebt in manistik und Westslavistik an der gang 1964, Literatur- und Me- Neustrelitz Universität Halle (Saale) im inter- dienwissenschaftler, Institut für Dr. phil. Sabine Koburger, disziplinären Master „Kulturen Deutsche Philologie, Ludwig-Maxi- Jahrgang 1950, Germanistin, hfg- der Aufklärung“, hfg-Mitglied seit milians-Universität München, lebt Mitglied seit 2010, lebt in Stralsund 2012 in Thalmässing Sibylle Oberheide, Jahrgang Christian Winterstein, Jahr- Edzard Gall, Jahrgang 1966, 1939, Gymnasiallehrerin Deutsch/ gang 1970, Sozialpädagoge, hfg- M. A. Politikwissenschaften und Geschichte i. R. lebt in Kiel Mitglied seit 2017, lebt in Bremen Soziologie, hfg-Mitglied seit 1996, Anja Röhl, Jahrgang 1955, Do- lebt in Rostock zentin für Kinder- und Jugendlite- ratur im Bereich Sozialpädagogik, Freie und Buchautorin, lebt in Fürstenberg, hfg-Mitglied seit 2011

SALATGARTEN 2/2019 77 ■ WEITERE RUBRIKEN

Impressum Die Mitgliederexemplare enthalten als Beilage Herausgeberin: · Weihnachtsbrief des Vorsitzenden Hans-Fallada-Gesellschaft e. V. · Jahresgabe 2019: Foto von Harald Wenzel-Orf Vorsitzender Michael Töteberg · Protokoll der Mitgliederversammlung vom 20. 07. 2019 (nur an Mitglieder ohne E-Mail-Adresse) Zum Bohnenwerder 2 ∙ Ortsteil Carwitz · Finanzbericht 2018 (nur an Mitglieder ohne E-Mail-Adresse) 17258 Feldberger Seenlandschaft · Zahlschein für die Mitgliedsbeiträge 2020 Telefon 03 98 31 / 203 59 · Einlageblatt zur Änderung der Finanz-, Kassen- und Beitragsordnung (Beschluss vom 20.07.2019) www.fallada.de ∙ E-Mail: [email protected] ISSN-Nr. 1433-4917

Bankverbindung für Beiträge und Spenden: Sparkasse Mecklenburg-Strelitz IBAN: DE43 1505 1732 0036 0041 16 BIC: NOLADE21MST

Jahresbeitrag: Für Einzelpersonen: 35,– € bzw. 20,– € ermäßigt (für Rentner, Arbeitslose, Studenten) Bei Ehepaaren bzw. Lebensgemeinschaften für die 2. Person 25,– € bzw. 15,– € ermäßigt (für Rentner, Arbeitslose, Studenten) kostenlos für Ehrenmitglieder

Preise für den SALATGARTEN: kostenlos für hfg-Mitglieder (Bestandteil des Mitgliedsbeitrages) 7,50 €/Heft im Abonnement zwei Ausgaben/Jahr (zzgl. Versandkosten) 7,50 €/Heft als Einzelheft (ggf. zzgl. Versandkosten)

Redaktion: Dr. Sabine Koburger (verantwortlich) Lutz Dettmann Doris Haupt

Anschriften: Dr. Sabine Koburger Grünhufe-Dorf Nr. 40 ∙ 18437 Stralsund Telefon: 03831/494154 E-Mail: [email protected]

Lutz Dettmann Weg zum See 1b ∙ 19069 Rugensee Telefon 03867/8606 E-Mail: [email protected]

Doris Haupt Grünberger Straße 83 ∙ 10245 Berlin Telefon 030/2914199 E-Mail: [email protected]

Schatzmeister Werner Sagner Telefon 030/7742871 ∙ Fax 030/7742873 E-Mail: [email protected]

Umschlaggrafik: e. o. plauen Anzeigen: Dr. Sabine Koburger (verantwortlich) Layout, Satz und Druck: STEFFEN MEDIA GmbH, www.steffen-media.de

Auflage dieser Ausgabe: 340 Exemplare Redaktionsschluss: 11. November 2019

Die Redaktion behält sich das Recht der auszugswei- sen Wiedergabe und redaktionellen Bearbeitung von Beiträgen vor. Veröffentlichungen müssen nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen. Nach- druck, auch auszugsweise, ist nur mit Einwilligung der Herausgeberin zulässig. Die Herausgeberin dankt für die freundliche Genehmigung zum Ab- druck bzw. Nachdruck von Texten, Dokumenten und Bildern. Trotz intensiver Bemühungen ist es leider nicht immer gelungen, die Inhaber der Rechte an Texten, Dokumenten und Bildern festzustellen.

78 SALATGARTEN 2/2019

Salatgarten 2/2019