No. 17/2013

Philipp Lahm und VORBILDER und HOFFNUNGSSPENDER 2 CDn-Newsletter 17/2013

Editorial Serie SCHLÜSSELSPIELER Über Kanoniere, Brecher und Ungeheuer im Strafraum – Von Teil 6: Innenstürmer ein Nachruf als Aufruf zur Wiederbelebung // Fazit und Ausblick // Dann macht es bumm! Der Zusammenhalt bleibt Das darf nicht alles ­ unsere große Stärke 04 gewesen sein! 20

Aktuell im Blickpunkt

Philipp Lahm über soziales Engagement und seine Rolle als Kapitän und Vorbild // „Anderen zu helfen, ist ganz was Schönes“ 06

Von Tröger über Ducke, Frenzel, Fräßdorf, Sparwasser zu Kirsten und // – Einführung: Boom des vom Außenseiter zum „falschen Neuners“ und ­ Rekordmann 26 Überleben des „klassischen Strafraumstürmers“ // Machtprobe im Mittelsturm 10

Wolfgang Dremmler und die DFB-Stiftung : Wandeln zwischen den Welten // Stiller Star als Hoffnungsspender 08 Die imposante und doch unvollendete Karriere des Hitzkopfs und Torjägers // „Schwarzer Peter“ nicht zu fassen 30

Ob echter „Bomber“ oder „falscher“ Neuner – im Angriffs­ zentrum entscheidet: // Zur richtigen Zeit am richtigen Ort 14 3

Aktuell im Blickpunkt DFB-Präsident Niersbach Große Resonanz auf bis 2016 wiedergewählt 37 „EURO für Europa 2020“ 38 Regionaler CdN-Stammtisch in Köln Lehmann und Co. sammeln 100.000 Euro für Kicking Girls 39

„Überraschung des Jahres“ beim CdN-Stammtisch in Köln: Hans Schäfer und Jenö Buzansky // Bierhoffs Herzliche Umarmung reif fürs Fußballmuseum 37 der Gegner von Bern 32

Bilderbogen // Europas Clubs weiter Kölscher Kosmos 34 unter Kalle Rummenigge 39

Uwe Seeler freut sich über Zugang von Birgit Prinz 39

Jubiläen/ Runde Geburtstage 40

Längst vergangen – nicht vergessen: // neues DFB-Ehrenmitglied 38 Das schwarze Jahr vor 100 Jahren 41 Diagonalpässe „Gute Chancen“ für EM 2024 in Deutschland 38 Uwe Seeler jetzt offiziell „Legende des Sports“ 36

Weltmeister Kohler Trainer in der 6. Liga 36

Impressum 42 4 CDn-Newsletter 17/2013

Fazit und Ausblick Der Zusammenhalt bleibt unsere große Stärke

Liebe Freunde,

von einem Traum habe ich vor einem wahrlich keine Selbstverständlich- Mannschaft mit ihrer dynamischen, Jahr an gleicher Stelle mit Blick aufs keit ist. Denn nur Brasilien ist nun- offensiven und begeisternden Spiel- kommende Jahr gesprochen. Vom mehr, außer unserem Team, seit weise im kommenden Sommer in Traum eines rein deutschen Finales 1954 immer beim Endturnier einer Brasilien zu einer erfolgreichen WM in der Champions League. Dieser Fußball-WM vertreten. zu verhelfen. Viele Experten im ­große Wunschtraum ist Wirklichkeit In- und Ausland sehen bei ihrer geworden. Bayern München gegen Dass die deutsche Nationalmann- Standortbestimmung den deutschen Borussia – so lautete die schaft dazu zum zweiten Mal in Folge Fußball, die und die DFB- Besetzung des Finales im höchsten die Qualifikation für ein großes Auswahl auf der Überholspur zur und lukrativsten europäischen Wett- ­Turnier unbesiegt bestanden hat, Nummer 1 im Weltfußball. Daher bewerb am 25. Mai 2013 in . ­bekanntlich wurde ja die EM-Teilnah- mache ich auch diesmal zum Den begehrten Pokal stemmten am me 2012 mit zehn Siegen geschafft, Jahresende keinen Hehl aus einem Ende die Bayern-Spieler in die Höhe. spricht eindeutig für die hohe Qua- großen Traum. Aus dem Traum, dass Der Sieger hätte aber ebenso gut lität der Spieler, aber auch ganz unsere Nationalmannschaft ihre Dortmund sein können. Entscheidend ­besonders für die Kompetenz und ­außerordentliche Klasse im Sommer war und ist in meinen Augen dabei, Führungskraft des Bundestrainers. in Brasilien zum Gewinn des vierten dass der deutsche Fußball mit diesem Daher kann ich es absolut nach­ WM-Titels umsetzt. Endspiel als Höhepunkt eine groß­ vollziehen, dass das DFB-Präsidium artige Visitenkarte abgeliefert hat. den Vertrag mit Joachim Löw vor Zu den Erfolgsmeldungen der ver- wenigen Wochen bis zum Ende der gangenen Wochen und Monate zähle Dies gilt auch für unsere National- EURO 2016 verlängert hat. ich zudem die einstimmige Wieder- mannschaft. In überzeugender wahl von zum ­Manier hat sie zum 16. Mal in Folge Diesen Vertrauensbeweis werte ich DFB-Präsidenten bis 2016. Nicht nur die WM-Endrunde erreicht. Was als große Unterstützung, unserer mit seiner eindrucksvollen Grund- 5

satzrede hat er beim DFB-Bundestag lassen, dass es abermals eine tolle Allen unseren CdN-Mitgliedern und im Oktober in Nürnberg bewiesen: Veranstaltung gewesen sei mit einem ihren Angehörigen wünsche ich Wolfgang Niersbachs Wort hat Ge- neuen Teilnehmerrekord. Eine wun- ­schöne Weihnachten. Euch allen viel wicht. Überzeugend und glaubwürdig derbare Bühne des Wiedersehens Glück und Gesundheit im neuen Jahr! plädierte er für die Einheit unseres und der Kommunikation bieten dane- Fußballs, für das unerlässliche Mit­ ben unsere regionalen Stammtische. einander von Amateuren und Spitzen- Im Rahmen des Länderspiels gegen Herzliche Grüße sportlern, von Ehrenamt und Profi- Irland in Köln konnte ich mich davon tum. Er wird, davon bin ich überzeugt, selbst überzeugen. Euer den Fußball in Deutschland weiter positiv beeinflussen und vorantrei- Wann hat es dies zuvor mal gegeben, ben – und dies nicht nur mit einer dass zwei Dutzend ehemalige Kölner­ hoffentlich erfolgreichen Bewerbung Nationalspieler zu einem bestimm- um die Ausrichtung der EURO 2024. ten Anlass zusammengekommen sind! Und mit dabei in bester Laune Wolfgang Niersbachs ungemein posi- und guter körperlicher Verfassung Uwe Seeler tive Ausstrahlung kommt nicht zu- Hans Schäfer, der Weltmeister von Vorsitzender des Clubs letzt auch unserem Club der Natio- 1954. Gerade weil der Hans in den der Nationalspieler nalspieler zu Gute, dessen Gründung vergangenen Jahren die Öffent­ im Jahr 2008 ja seiner Initiative zu lichkeit weitgehend gemieden hat, verdanken ist. Am diesjährigen CdN- habe ich mich über dieses Wieder­ Jahrestreffen in München konnte ich sehen mit ihm in Köln ganz be­ leider aus einem privaten Grund nicht sonders gefreut. So muss es sein in teilnehmen. Ich habe mir aber sagen unserem Club. Aktuell im Blickpunkt 6 Soziales Engagement

Philipp Lahm über soziales Engagement und seine Rolle als Kapitän und Vorbild

„Anderen zu helfen, ist ganz was Schönes“

Schon 2007 flog er nach Südafrika. Drei Jahre vor jener WM also, bei der die junge deutsche Nationalmannschaft mit ihm als Kapitän diesen mitreißenden Angriffsfußball zelebrierte, streifte er alleine durch die südafrikanischen Townships. Und wurde emotional kräftig durch- gerüttelt. Ein ganz persönliches Schlüsselerlebnis. Philipp Lahm sah Armut und was passiert, wenn Hoffnung versickert. Er beschloss, selbst zu helfen.

Seit dieser Reise an die Südspitze aus. Das hat mich nicht losgelassen.“ mon-Doppelinterview mit der ehe- ­Afrikas unterstützt seine Stiftung Seitdem ist auch in Deutschland die maligen Ratsvorsitzenden der Evan- benachteiligte Kinder und Jugend­ Philipp-Lahm-Stiftung aktiv, veran- gelischen Kirche, Margot Käßmann, liche auf ihrem Bildungsweg, schulisch staltet zum Beispiel jährlich Som- spricht Lahm auch darüber, was eine wie auch sportlich. „Ich wollte sofort mercamps. So oft es ihm möglich ist, Mannschaft im Fußball (und auf an- helfen und nicht warten, bis meine steht er selbst mit auf dem Platz. deren Plätzen) stark macht. Denn: Profikarriere vorbei ist“, berichtet „Ich habe im vergangenen Sommer Führung und Kommunikation haben Philipp Lahm jetzt in ­Chrismon – ein elf Jahre altes Mädchen getrof- sich ­verändert, eine neue Generation Das evangelische Magazin. fen, dessen Mutter aus dem Ausland ist am Ball. stammt und nicht so gut deutsch Was ihn überzeugt hat, sich sozial zu spricht. Das Mädchen macht jeden Als Kapitän müsse er erkennen, engagieren, beschreibt er so: „Ich Amtsgang und erledigt vieles andere „was in der Mannschaft Thema ist“, wusste, die Weltmeisterschaft 2010 für seine Mutter. Im Sommercamp so Lahm: „Und ich muss viel reden. sollte in Südafrika stattfinden, des- durfte es eine Woche einfach mal Wenn etwas stört, setzen wir uns an halb wollte ich Afrika kennenlernen. Kind sein. Wenn Sie so ein Kind an­ einen Tisch, um Lösungen zu suchen, Für eine Woche war ich in Südafrika lächelt und sagt: ,Das war schön‘ – mit denen möglichst alle leben kön- und in Swasiland. Ich habe Kinder dann ist das für jeden Menschen eine nen. Das schafft Vertrauen.“ Dabei getroffen, für die es kein Schulge­ wunderbare Bestätigung. Anderen zu habe sich auch der Umgang unter­ lände gab. Der Unterricht fand unter helfen, ist ganz was Schönes. Klar kann einander verändert. „Vor zehn Jah- Bäumen statt. Die Kinder hatten ei- ich nicht allen Kindern auf der Welt ren, als ich anfing, lief das noch an- nen kilometerlangen Weg dorthin zu helfen. Aber so vielen wie möglich.“ ders, hierarchischer. Aber meine bewältigen. Bei Regen fiel die Schule In dem bemerkenswerten Chris- Generation – und viele Spieler sind 7

Seit 2007 mit seiner Stiftung sozial aktiv: Nationalmannschafts-Kapitän Philipp Lahm.

zehn Jahre jünger als ich, das ist Das müssen gar keine weltbewegen- Als „Helden außerhalb des Sports“ ­wieder eine neue Generation – sie den Themen sein“, versichert Lahm bezeichnet der Kapitän der deut- ist anders aufgewachsen. Bei Pro­ und nennt ein Beispiel: „Nach dem schen Nationalmannschaft und blemen darf man nachfragen und Sonntagstraining sollte es ein ge- Spielführer des FC Bayern München ­erwartet Antworten.“ meinsames Mittagessen geben. Aber seine Großeltern. „Meine Eltern und auch für uns Spieler ist der Sonntag wir Kinder lebten mit ihnen in einem Als Kapitän müsse er „zumindest ein Familientag, etwas Besonderes. Haus. Sie haben eine Traumehe ge- ­erklären können, warum etwas so Also sind wir zum Trainer gegangen führt, haben sich immer umeinander und nicht anders entschieden wurde. und haben gefragt: ‚Können wird das gekümmert und um uns Enkelkinder. Dieses Reden muss man lernen, von Essen sausen lassen?’ Wenn die Bis heute ist die Familie etwas Groß- Kindheit an“, sagt Lahm und betont: Spieler gute Argumente haben, wird artiges für mich, meine Großeltern „Man muss aber innerhalb von­ darauf gehört.“ sind echte Vorbilder.“ Regeln streiten. Ohne Regeln wüsste ich nicht, wie das enden würde.“ Seiner eigenen Verantwortung ist Lahm Philipp Lahm versteht seine Bekannt- ­Regeln, die „im Endeffekt immer der sich bewusst – und klammert dabei heit als Chance – und bekennt sich Trainer“ aufstelle. auch das Thema „Helden und Vorbilder“ ausdrücklich zu seiner Rolle als Vor- nicht aus. „Ich denke, die Zeit, in der bild: „Ich mache mir das immer wieder Dabei habe sich aber „in den vergan- wir leben, ist sehr ungewiss. Und die bewusst, weil ich weiß, dass mir un- genen Jahren eines extrem geändert: Themen sind sehr kompliziert. Also heimlich viele Kinder zuhören, wenn ich Wir Spieler und alle, die sonst zum brauchen wir Helden, zu denen man im Fernsehen etwas sage. Das ist eine Team gehören, können zum Trainer aufschauen kann, weil sie Mut bewiesen Verantwortung. Und eine Chance, gehen und Änderungen vorschlagen. haben und ihre Erfolge Mut machen.“ ­Respekt und Fairness zu ­vermitteln.“ Aktuell im Blickpunkt 8 Soziales Engagement

Wolfgang Dremmler und die DFB-Stiftung Sepp Herberger: Wandeln zwischen den Welten Stiller Star als Hoffnungsspender

Wolfgang Dremmler wandelt zwischen den Welten: Als Leiter der Nachwuchsabteilung bildet er bei Bayern München hoffnungsvolle Talente aus, als Botschafter der DFB-Stiftung Sepp Herberger spendet er jungen Straftätern neue Hoffnung und pflegt damit das Erbe des Weltmeistertrainers. Ein Erbe, dem sich unter anderem auch Uwe Seeler, , oder verpflichtet fühlen.

Wolfgang Dremmler sitzt im Ge­ ich einst aus Brasilien geholt“, sagt ­Gesprächsrunde mit Gefangenen fängnis – und ist zufrieden. Das Dremmler über den 24-Jährigen, der sagt Wittfoth: „Junge, du kannst das. alte Fußballfeld im hinteren Teil eine Haftstrafe wegen Brandstiftung Das ist wird dir ein Leben lang guttun.“ der Münchner Justizvollzugsanstalt verbüßt: „Das ist mein Junge.“ Stadelheim ist zurechtgemacht für Als Freigänger hilft Breno unter der Dremmler kommt am 12. Juli 1954 den großen Tag. Neben ihm steht ein Woche in Dremmlers Sekretariat acht Tage nach dem „Wunder von JVA-Beamter mit strengem Blick und aus. Er kopiert, faxt und telefoniert – Bern“ in Salzgitter zur Welt. Zwölf verschränkten Armen, und beide und um 14.30 Uhr fährt er zurück in Jahre später verlieren er und seine ­gucken einer Gruppe Jungs in aus­ seine Acht-Quadratmeter-Zelle in sechs Geschwister den Vater geleierten Trainingsanzügen dabei Stadelheim. bei ­einem Unfall. Dremmler macht zu, wie sie über den Rasen rennt. seinen Hauptschulabschluss („Da „Die reden seit Wochen von nichts Seit 2012 steuert Wolfgang Dremm- war ich als Nachkriegskind stolz anderem mehr“, sagt der Beamte mit ler den Jugendfußball bei Rekord- drauf, viele haben damals gar keinen Blick auf die jugendlichen Straftäter. meister Bayern München. Seit 2011 Abschluss gemacht“) und widmet Dremmler lächelt. ist er Botschafter der DFB-Stiftung sich dem Sport. Schnell kristallisiert Sepp Herberger, die sich auch für sich das Fußballtalent des jungen Von den 15 Jungs mit ihren Stations- die Resozialisierung von Strafge­ Mittelfeldspielers heraus. Über und Zellennummern auf der Brust fangenen engagiert. Der 58-Jährige ­ kommt hat noch nie einer gegen den ist eine Mischung aus Sozialarbeiter er 1979 zum FC Bayern und wird FC Bayern gespielt. Die fünf Jugend- und Ausbilder – ein Wandelnder ­Nationalspieler. spieler der Münchner, die Dremmler ­zwischen den Welten. Sich selbst mitgebracht hat, waren noch nie im zu charakterisieren fällt ihm schwer: Dremmler wird ein stiller Star, einer Knast. „Mir ist wichtig, dass wir die „Ich weiß nicht, was ich bin. Vielleicht­ der Leistung sprechen lässt, anstatt Jungs mitnehmen“, sagt er: „Sie bin ich ein Helfer.“ das Rampenlicht zu suchen. Vor einer müssen wissen, dass es noch eine Autogrammstunde der Bayern-­ andere Welt gibt.“ Wie dicht diese Wenn er mal Rentner ist, werde er Spieler auf dem Oktoberfest 1981 beiden Welten beieinander liegen, ­eine Hospitanz im Strafvollzug ma- erkennen die Ordner Dremmler nicht spürt Dremmler jeden Morgen. chen, sagt Dremmler: „Ich muss und fordern den Profi gar zum das mal erleben.“ Als 17-jähriger ­Weitergehen auf. 1982 nimmt ihn Sein Büro im Leistungszentrum an Shootingstar bei Union Salzgitter Bundestrainer mit zur der Säbener Straße ist hell und zeigt ihm sein damaliger Trainer WM in Spanien. Er wird Vize­ ­geräumig mit freier Sicht auf den ­Hannes Wittfoth die Justizvollzugs- weltmeister. Vier Jahre später endet Trainingsplatz. Nebenan sitzt Breno anstalt in Wolfenbüttel, deren Di­ seine aktive Laufbahn nach vier und erledigt Papierkram. „Den habe rektor Wittfoth war. Nach einer ­Meisterschaften und drei Pokalsiegen. 9

engagiert sich für junge Strafgefangene: Wolfgang Dremmler, VizeWeltmeister von 1982.

Dremmler versucht sich als Trainer in Gefühl der Verantwortung er­ ­einmal Zugang in den Knast“, sagt er unterklassigen Ligen, ehe er 1995 wachsen.“ Dremmler selbst sagt, auf dem Weg zur anschließenden Chefscout der Bayern wird. In Süd- er sei „jemand, der gerne etwas Gesprächsrunde, bei der es Kaffee amerika spürt er Talente auf, von ­fertig macht“. und Kuchen gibt: „Wir merken, auf ­denen es eine Handvoll, darunter welches Interesse der Fußball auch Breno, in die Münchner Profi- Nach einer Knieoperation vor einigen bei den Inhaftierten stößt. Wir ­ mannschaft schafft. 17 Jahre später Wochen musste Dremmler zuletzt wollen den Gefangenen beweisen, folgt er auf den ehemaligen Bayern- kürzer treten. Auch bei der Münchner dass man aus einem Teufelskreis Torwart Jörg Butt als Leiter der Tafel, für die er montags ein paar ­herauskommen kann.“ ­Jugendabteilung. Dremmler ist Stunden lang Lebensmittel an Be- ­wieder dicht dran, er beobachtet dürftige ausgibt. „Ich stehe da und Dremmler sitzt mit seinen Mit­ nicht mehr nur Spiele und Spieler, verteile Gemüse, und dann kommen streitern vom FC Bayern inmitten der sondern die Entwicklung von Talenten Leute zu mir, die absolut nichts jungen Straftäter. Es wird gefragt vor seiner Haustür. ­haben, und fragen: ‚Mensch, Herr und erzählt und gelacht. Der Speise- Dremmler, wie geht’s Ihnen nach saal neben dem Fußballfeld füllt sich Das soziale Bewusstsein, das heute der Operation?‘ So was beschämt mit Lärm und Leben und für einige viele aktive und ehemalige Spieler mich“, sagt er. möglicherweise auch mit Hoffnung vor sich hertragen, ist bei Dremmler auf eine Zukunft außerhalb der tief verwurzelt. Einer, der ihn kennt, Zurück in Stadelheim. Die Mann- ­Mauern. Wolfgang Dremmler be­ sagt: „Wolfgang Dremmler gehört schaft mit den Bayern-Youngstern obachtet das Geschehen. Er sitzt auf zu einer ­Gesellschaftsgruppe von hat das Spiel knapp gewonnen. „Wenn einem Tisch und ist zufrieden. Männern, die als Jungen früh ihren ich die Sepp-Herberger-Stiftung Vater ver­loren haben. Daraus ist ein nicht hätte, hätte ich noch nicht Jörn Schweichler Serie SCHLÜSSELSPIELER (Teil 6) 10 Innenstürmer

Einführung: Boom des „falschen Neuners“ und Überleben des „klassischen Strafraumstürmers“

Machtprobe im Mittelsturm

Während der Entwicklung des Fußballspiels haben sich Schlüsselpositionen herauskristalli- siert, auf denen das dem Spiel von Natur aus innewohnende Risiko und seine Fehlerhaftigkeit minimiert und das eigentlich nicht Vorhersehbare einem planbaren Ergebnis zugeführt werden sollen. Zuständig hierfür sind die Schlüsselspieler. Akteure, die zum einen für das unerlässliche Zusammenwirken der verschiedenen Mannschaftsteile sorgen und damit für eine funktionie­ rende taktische Organisation große Verantwortung tragen. Die zum andern aber auch mit ihrem Talent, ihrer Persönlichkeit und Erfahrung die besondere Dramaturgie und Ästhetik sowie die Effizienz eines Fußballspiels prägen und dabei entscheidende Aktionen und Impulse geben.

Mit einer mehrteiligen Serie kristal­ der des klassischen Mittelstürmers. dem gegnerischen Tor zu erledigen lisieren wir die Besonderheiten der Dies hängt zum einen mit dem Raum hat. Kein anderer Aufgabenbereich einzelnen Schlüsselpositionen und zusammen, der sein hauptsächliches ist daher mit solch schmerzhaften ihrer Schlüsselfiguren an Beispielen Betätigungsfeld ist. Dort, rund um Attacken verbunden wie der des so- aus dem internationalen Fußball, vor den Elfmeterpunkt im gegnerischen genannten Keilstürmers. Der frühere allem aber von Protagonisten der Strafraum, wo sich das Ziel des Spielmacher der DDR-Auswahl und deutschen Nationalmannschaft und ­klassischen Angriffszugs befindet langjährige kicker-Redaktionsleiter der früheren DDR-Auswahl heraus. und wo sich folglich die besten Ein- Jürgen Nöldner beschreibt dies auf Die bisherigen fünf Folgen dieser schussmöglichkeiten ergeben, dort den Seiten 26 bis 31 am Beispiel Schlüsselspieler-Serie beschäftigten hat in einem stets verengten Raum hochkarätiger DDR-Torjäger. sich mit der Entwicklung im Auf­ nur einer Platz: der Mittelstürmer. gabenbereich des Torwarts, der Als Vollstrecker muss er dort voll­ Ist der Konterversuch der eigenen ­Innenverteidiger, der Außenspieler enden, was seine Kollegen hinter Mannschaft ins Leere gelaufen, dann sowie der Akteure im defensiven und und neben ihm vorbereitet haben und muss er in einer Situation, in welcher im zentralen offensiven Mittelfeld in steht daher unter ganz besonderer der Gegner mit schneller Rückwärts- allen seinen Facetten. Im sechsten Beobachtung. bewegung alle Türen vor und im und letzten Teil stehen nunmehr die ­ei­genen Torraum verriegelt hat, mit Innenstürmer im Fokus unserer Am Ende der Verwertungskette ist es ­Analysen, Betrachtungen und Remi- seine Aufgabe, das Gemeinschafts- niszenzen. produkt eines Angriffs mit dem Tor- erfolg zu krönen. In der Natur der Auf keiner anderen Position des Sache liegt es, dass er diesen Job Mannschaftsspiels Fußball wird ein rund um den Elfmeterpunkt als per- überragender Strafraum- Feldspieler so deutlich als Einzel­ manenten Kampf gegen die personel- stürmer: Miro Klose hat Müllers exemplar wahrgenommen wie auf le Übermacht der Kontrahenten vor Torrekord (68) eingestellt.

Serie SCHLÜSSELSPIELER (Teil 6) 12 Innenstürmer

höchstem Kraftaufwand der minima- Kirsten. . Joachim eigenen Teams. Und, wo diese nicht len Erfolgschance unerschrocken Streich. Erwin ­Kostedde. Dieter Müller. stattfand oder ausblieb, allerdings und unverdrossen auf der Spur Klaus Toppmöller und, und, und ... auch die Einsamkeit und Abgeschie- ­bleiben. Immer gejagt, nicht selten denheit des Mittelstürmers. getreten und nur allzu oft geklam- Daneben der schnelle, trickreiche mert. Stoßfest und unempfindlich und dribbelstarke Verwirrungsstifter. Exakt an dieser Stelle setzt er ein, haben sich – verbunden mit der atem- Unter anderem Kalle Rummenigge. der Wandel von der „klassischen beraubenden Wertsteigerung des . Jürgen Klinsmann. Nummer 9“ zum „falschen Neuner“ Torjägers während der vergangenen Siggi Held. Peter Ducke. oder besser zum „variablen Neuner“. Jahrzehnte zum Topverdiener im Ein Umbruch in der Philosophie des Fußball – zwei unterschiedliche Oder die ­Mixtur aus beiden Typen: Fußballs, den der langjährige FAZ- ­Typen in der Rolle der klassischen Rudi Völler. Fußballchef Roland Zorn in seiner Angriffsspitze herauskristallisiert. vortrefflichen Untersuchung über Kühnheit und Beherztheit waren es, die Innenstürmer auf den folgenden Zum einen der wuchtige, zumeist die diese Fürchtenichtse bei ihren Seiten analysiert. kopfballstarke und oft auch schlitz- Bravourstücken miteinander verban- ohrige Draufgänger. Gerd Müller, den. Dazu der sechste Sinn als Tor- Der Trainer des sogenannten „mo- dem man nachsagte, aus keiner riecher. Aber auch die Abhängigkeit dernen“ Fußballs wollte und will Chance zwei Tore zu machen. Horst von der Vorarbeit ihrer Mitspieler, die sich nicht mehr abhängig sehen von Hrubesch. Uwe Seeler. Kalle Riedle. enge Beziehung zum Spielmacher der Ohnmacht seines Mittelstür- . Dieter Hoeness. Ulf oder einem anderen Kreativen des mers, wenn dieser immer wieder

Vollblutstürmer: Rudi Völler im WM-finale 1990 gegen Argentinien. 13

Moderne OFFENSIV-ALLROUNDER: Bayern-PROFI THOMAS MÜLLER ...

... UND Mönchengladbachs MAX KRUSE.

mal von der gegnerischen Abwehr den müssen, haben daher mit ihrer tige Mario Gomez, der schwer fass- aus dem Spiel genommenen wird. vermeintlichen fußballerischen All- bare Stefan Kießling, der mächtige Vor allem aber will er das Risiko des macht in den Augen so mancher Mario Mandzukic, auch der variable schnellen Ballverlustes minimieren, ­Experten den klassischen Mittel­ Kevin Volland oder ein aufstrebender das mit dem Anspiel zum von meh­ stürmer zum Aussterben verdammt. Pierre-Michel Lassoga Erinnerungen reren Gegenspielern umschwärmten an glorreiche Mittelstürmer-Zeiten Strafraumakteur zwangsläufig ver- Der klassische Knipser, er ist heut­ der Vergangenheit, die der Sport- bunden ist. zutage zum Vertreter einer bedroh- feuilletonist Oskar Beck auf den ten Art geworden. Nicht nur Günter ­Seiten 20 bis 25 eindrucksvoll be- In einer Zeit, da Ballbesitz das tak­ Netzer vertritt aber die Meinung, schreibt. tische Diktat der modernen Fußball- dass „es ohne Spezialisten wie zum strategie ist, hat der variable Neuner Beispiel Klose auch in Zukunft nicht Darüber hinaus verkörpern sie effek- die Vielseitigkeit als Allrounder in funktionieren wird“. Jürgen Klopp tive Präsenz des klassischen Mittel- Person zu sein: Kombinationsspieler glaubt zudem, dass „man auf Dauer stürmers und die aktuelle Sehnsucht und defensiver Mitarbeiter, Spiel­ nicht ohne den klassischen Stoßstür- nach dem Draufgänger, Brecher und macher, Spielversteher und natür- mer auskommt, der sich aufreibt und Verwirrungsstifter. Dieser ist und lich auch Vollstrecker. „Bewegungs­ Wege schafft und auch im Luftkampf bleibt unverzichtbar. Dem Schwirrstil stürmer“ wie , Mesut Özil, als Abnehmer von Flanken taugt“. wuseliger, spiel- und laufstarker Thomas Müller oder Mario Götze und Und den auch der Trainer von heute ­„falscher Neuner“ zum Trotz. Der Max Kruse. als mögliche Tor-Garantie in der Strafraum-Einzelkämpfer, oft mit ­Hinterhand behält. dem Rücken zum gegnerischen Tor, Brillante Protagonisten des Flach- wird so schnell nicht verschwinden. passfußballs, wenn am Boden die Vor diesem Hintergrund wecken der richtigen Lösungen gefunden wer- fulminante Miro Klose und der wuch- Wolfgang Tobien Serie SCHLÜSSELSPIELER (Teil 6) 14 Innenstürmer

Ob echter „Bomber“ oder „falscher“ Neuner – im Angriffszentrum entscheidet:

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort

In einer Zeit, da martialische Bilder und Begriffe zum Fußballdeutsch gehörten, nannten sie Gerd Müller den „Bomber der Nation“. Diese kriegerische Metapher weckte vollkommen ­falsche Assoziationen, da Gerd Müller, der bis heute beste der besten deutschen Stürmer, so gut wie nie ein Tor mit „Schmackes“, also mit Anlauf und Wucht von außerhalb des Strafraums, erzielte. Seine Kunst bestand vielmehr darin, seinem Instinkt zu vertrauen, schneller als seine Gegenspieler Witterung aufzunehmen, wenn der Moment zum Torschuss da war.

Dann „müllerte“ es, wie es damals in sieg über die Niederlande, oder aus deutsche Angreifer mit Heldenstatus den 70er-Jahren hieß, als die deut- höchster Bedrängnis, in der er immer ins vordere Mittelfeld zurück: Uwe sche Nationalmannschaft mit Gerd wieder die Lücke zum Torschuss er- Seeler, groß geworden als klas­ Müller als weltweit herausragendem spähte. sischer Strafraumstürmer des Ham- Angreifer Europameister (1972) und burger SV, der für seine Tore in der Weltmeister (1974) wurde. Haupt­ Wäre der bis jetzt erfolgreichste Tor- Nord und später in der sache drin, lautete sein Dauerauf- schütze der Bundesliga und National- ­Bundesliga (404 in 476 Spielen) hin- trag, und da spielte es keine Rolle, ob elf auch heutzutage ein verlässlicher gebungsvoll ackerte und kämpfte, er aus dem Stand, aus der Drehung, Torelieferant? Fast alle Fachleute der keinen Zweikampf scheute und, im Fallen, im Sitzen oder per Kopfball sagen: ja. Müller nämlich war ein obwohl nur 1,68 Meter lang, reichlich zuschlug. „Ich habe mein Glück“, ­Unikat, der sich jeder Katalogisierung Kopfballtore, manchmal sogar ein sagt der stets bodenständig ge­ entzog und aus der damals üblichen Hinterkopfballtor wie beim 3:2-Erfolg bliebene frühere Stürmerstar des Manndeckung immer wieder heraus- nach Verlängerung über England FC Bayern München, „fast immer wand, um den Ball ins Netz zu spit- im WM-Viertelfinale 1970, erzielte. ­direkt vor dem Tor gesucht“. zeln – und ein Fußballspieler dazu, Bei diesem Turnier war die Achse der die Kunst des Doppelpasses mit Seeler – Müller ein Prunkstück der So war er denn in 62 Länderspielen Koryphäen wie Franz Beckenbauer deutschen Mannschaft, die am Ende 68 Mal erfolgreich und traf in 453 oder Günter Netzer beherrschte WM-Dritte wurde. Bundesligaspielen 398-mal: eine und so wie auf unsichtbaren Rasen­ Spitzenquote, die auf maschinelle schienen zum Abschluss kam. Präzision deutet. Tatsächlich waren Müllers Treffer oft genug situative Ihm zuliebe zog sich seinerzeit Der Allerbeste: Gerd Müller Kunstwerke, erzielt mit dem Rücken bei der Weltmeisterschaft 1970 in erzielt auf seine Typische Art zum Tor wie beim 2:1 zum WM-Final- ­Mexiko sogar der zweite legendäre das Tor zum WM-Titel 1974.

Serie SCHLÜSSELSPIELER (Teil 6) 16 Innenstürmer

Wurde 1980 Europameister und stand zweimal im WM-Finale: karl-heinz Rummenigge.

„KopfballUngeheuer“: bei seinem SiegTor zum EM-Titel 1980.

Noch lange danach schienen Mittel- Nach den Jahren der furchtlosen derungen an die Abteilung Attacke stürmer prädestiniert, an ihrem Ar- ­Mittelstürmer, die sich vor allem auf umgeschrieben wurde. Selbst der beitsplatz im Sechzehnmeterraum ihren originären Job konzentrieren Typus „falsche Neun“, von dem heute einsame Spitze zu sein: stets darauf konnten, glänzte eine Stürmergene- beim Blick auf die Innenstürmer vorbereitet, auf ihren großen Augen- ration, die ihren Auftrag etwas ­anders ­gelegentlich fälschlich die Rede ist, blick warten zu können, und dazu da- auslegte und die 80er- und 90er- zeichnete sich schon ab: eine Rolle, rauf getrimmt, den Ball auch mal mit Jahre des vorigen Jahrhunderts die Bernd Hölzenbein, der variable dem Rücken zum Gegner zu sichern, prägte. Es waren Innenstürmer, die Frankfurter Weltmeister von 1974, abzulegen oder sich mit ihrer eigenen als ein Mittelfeldspieler mit Stürmer- Dynamik und Wucht hemdsärmlig über Schon Bernd Hölzenbein qualität gern spielte. ihre Widersacher hinwegzusetzen. war eine „falsche Neun“ Wer wie in der Zone auftrat, in der Horst Hrubesch war so ein Typ, der mit Anlauf auch über die Außen­ Spiele entschieden werden, war bis zum „Ungeheuer“ ernannt wurde, bahnen angerauscht kamen, die in heute immer eine Typfrage. Deshalb weil der Europameister von 1980 in Eins-gegen-Eins-Situationen wie ist, auch wenn es in Deutschland der Nationalmannschaft oder im Ver- ­Rudi Völler, der Weltmeister von nicht mehr so viele Strafraum­ ein oft genug nach „Bananenflanken“ 1990, oder Karl-Heinz Rummenigge, stürmer gibt, dieser Stoß- oder seines Hamburger Kollegen Manfred WM-Zweiter 1982 und 1986, nicht ­Keilstürmer nicht entbehrlich ge­ Kaltz dem Gegner per Kopfballtor zurücksteckten oder wie Jürgen worden. Ihn verkörpert am besten den Rest gab. Auch Klaus Fischer, zu Klinsmann, Völlers Kompagnon beim der vom FC Bayern München zu Müllers besten Zeiten die Nummer Titelgewinn vor 23 Jahren, die AC Florenz gewechselte Mario zwei unter den deutschen Angreifern, ­Gegner oft genug im Sprintertempo ­Gomez oder der von Hertha BSC an war von einer Vehemenz, die nicht nur überrannten. den Hamburger SV ausgeliehene im gegnerischen Strafraum für Angst Pierre-Michel­ Lasogga. und Schrecken sorgte. Der am Ball Es war die zweite goldene Zeit des starke Schalker glänzte auch mit deutschen Fußballs, in der die Defi­ Dass die Stellenbeschreibung für spektakulären Fallrückziehertoren. nition für die spezifischen Anfor­ ­einen Angreifer anders geworden ist, 17

hat viel mit dem Zuwachs an Auf­ Der System- und Aufgabenwandel im mobil sein Ziel erreichen wie einst gaben zu tun, die sich längst nicht Fußball ist inzwischen Alltag in der Rummenigge, oder mehr allein auf das Toreschießen Nationalmannschaft und Bundesliga, ­. konzentrieren. In einer Zeit, da die doch auch ein Innenstürmer der Manndeckung von gestern und des- Neuzeit braucht noch den Vollender- Dass manche Trainer inzwischen halb Raumdeckung gefragt ist, instinkt , um im richtigen Moment am gern auf die „variable Neun“ setzen, ­müssen auch die besten Stürmer de- richtigen Ort zu sein. Eine Fähigkeit, also auf ein System ohne klassischen fensiv mithelfen, dem Gegner den die vor Jahren so unterschiedliche Angreifer, erklärt sich neben den in- Spaß am Spiel zu rauben. Ihnen Offensivspezialisten wie die Straf- zwischen gebräuchlichen taktischen ­werden in Pressing- oder Gegenpres- raumgrößen , Systemen auch aus der Schulung der sing-Situationen spezifische Druck- Bundesliga-Koryphäen dieser Tage. Aufträge abverlangt beim Anlaufen Reus und Co. Profiteure der Mittelfeldgrößen mit Stürmerblut der gegnerischen Innenverteidiger; Ausbildungsoffensive 2000 wie Mario Götze oder Marco Reus, sie müssen sich dazu laufend in den Thomas Müller oder Mesut Özil Balleroberungsprozess ihrer Teams ­Dieter Müller, Joachim Streich,­ schaffen mit ihrer technischen Spit- einbringen, um dann, wie der Dort- Dieter Hoeneß, Karl-Heinz Riedle, Ulf zenqualität und ihrer hohen Ge- munder Pole , Kirsten, Oliver Bierhoff, , schwindigkeit mit und ohne Ball auch blitzschnell in den Strafraum eindrin- oder die Frankfurter Freiräume für die nachrückenden gen zu können und das Aktions­ Eintracht-Ikone Anthony Yeboah Mittelfeldspieler. Es sind Schnitt­ programm zuvor zum Schützenfest ­besaßen. Der Angreifer von heute stellenspieler, die sich zwischen den zu veredeln. kann aber genauso geschwind und Linien bewegen und ob ihrer Dribbel-

Schnittstellenspieler: Mario Götze beim Länderspiel ­gegen England im November.

Voller durchschlagskraft: Anthony Yeboah wurde zweimal Bundesliga-Torschützenkönig.

19

Prototyp des klassischen Mittelstürmers: der 59-Malige Nationalspieler Mario Gomez.

Pendler zwischen Mittel- feld und Angriff: Argentiniens Superstar Lionel Messi.

kunst und Passgenauigkeit schwer zu tion von Profis heraus, die sich wie die mit ihrem Beschleunigungsfußball greifen sind von den gegnerischen Kollegen in Spanien, zunehmend und ihrem Ideenreichtum, doch sie Abwehrspielern. auch in Italien, aus dem offensiven ersetzen nicht den Prototyp des Mittelfeld heraus mehr und mehr ­Mittelstürmers, wie ihn auf verschie- Zudem werden sie auch deshalb ge- ganz nach vorn orientiert. dene Weise in Deutschland Gomez legentlich in der Spitze eingesetzt, und verkörpern. weil es in ihren Mannschaften ein Leitstern dieser Entwicklung ist Überangebot an hochqualifizierten ­sicher Lionel Messi, der argentini- Klose, ein Angreifer, der auf der Mittelfeldstars gibt, eine Folge der sche Megastar des FC Barcelona. ­Suche nach seiner Chance laufend deutschen Ausbildungsoffensive Er gilt ob seiner Vollstreckerqualitä- unterwegs ist, um schließlich zuzu- nach dem Jahr 2000. Damals, nach ten als Stürmer, will aber mit seiner schlagen, hat mit 130 Länderspielen der missratenen Europameister- Beweglichkeit und taktischen Flexi­ Müllers Torrekord in der Nationalelf schaft in Belgien und den Nieder­ bilität nie verleugnen, dass sein eingestellt und wird noch auf mehr landen, wurde die Nachwuchsschu- Spielplatz im Mittelfeld beginnt. als die bisher erzielten 68 Treffer lung in der Liga und den Stützpunkten kommen. Doch mit dem unvergleich- des Deutschen Fußball-Bundes mit Den Typus „variable Neun“ gab es im lichen Müller vergleicht er sich des- der Zielrichtung intensiviert, das Übrigen immer schon, nur dass er wegen noch lange nicht. Bescheiden Fußballspiel zu verbessern und zu früher „hängende Spitze“ genannt geblieben wie der mit dem „Bomber“- verfeinern. Dabei kam eine Genera­ wurde und im Hinterland des Stoß- Bild falsch etikettierte Münchner stürmers für Unruhe sorgte. Viel­ sagt Klose über sein Idol: „Ich kann seitigkeit, Wendigkeit, eine hohe und darf mich mit ihm nicht auf eine ­Passqualität und Laufbereitschaft Stufe stellen.“ Manchmal tut es auch zeichnen die oft zierlich anmutenden die Stufe darunter, um als Stürmer Mit Nr. 8 als „Variable Neun“: Mesut Özil im Länderspiel Spieler ohne Überlänge aus. Sie bele- der Extraklasse zu gelten. gegen Italien in Mailand. ben das Offensivspiel der Gegenwart Roland Zorn Serie SCHLÜSSELSPIELER (Teil 6) 20 Innenstürmer

Über Kanoniere, Brecher und Ungeheuer im Strafraum – ein Nachruf als Aufruf zur Wiederbelebung

Dann macht es bumm! Das darf nicht alles gewesen­ sein!

Sie hießen Uwe Seeler und Gerd Müller, Klaus Fischer und Horst Hrubesch, Dieter Hoeneß und Oliver Bierhoff. Auch Jürgen Klinsmann und Rudi Völler oder Miro Klose und Mario Gomez darf man keinesfalls weglassen beim Rückblick auf die angeblich aussterbende Gattung der Mittelstürmer und spektakulären Sturmspitzen der alten Schule. Sie hatten immer das Tor im Auge – und dazu furchterregende Kampfnamen: Strafraumschreck, Sturmtank, Bomber, Brechstange, Kopfballungeheuer, Knipser und Killer.

Vor einiger Zeit gab es eine Werbe- würdig zu erinnern an die fulminan- die ARD bei der letztjährigen EM kampagne namens „Sie lieben ten Fallrückzieher, haarsträubenden ­engagiert als „unseren Mann für die Sport?“, und im Mittelpunkt der Hinterkopfbälle, eiskalten Abstauber, sensiblen Zwischentöne“ (Moderator ganzseitigen Anzeigen stand ein knallharten Kopfballtorpedos und Gerhard Delling) – doch prompt holte Grabstein, in den ein Fußball graviert sonstigen gnadenlosen Gewaltakte der Experte Scholl den Hammer war und der Vermerk: „Paul Mücke. dieser unvergessenen Neuner, die ­heraus und erklärt Mario Gomez, den Eingewechselt 28.01.1939. Aus­ auch unter den Pseudonymen „Straf- Schützen der Nation, zum lauffaulen gewechselt 13.10.2002.“ Soviel Witz, raumschreck“, „Sturmtank“, „Voll- Sack, bei dem er Angst habe, „dass er werden viele sagen, gehöre nicht auf strecker“, „Brechstange“, „Bomber sich wund liegt und mal gewendet den Friedhof. Um aber dem Vorwurf der Nation“, „Knipser“, „Killer“ oder werden muss“. Sofort schnellte in der Pietätlosigkeit die Schärfe zu „Kopfballungeheuer“ die Welt in den Facebook-Umfragen die Ab­ nehmen, gehen wir jetzt einfach da- Atem hielten. lehnung in puncto Gomez hoch auf von aus, dass die Grabschrift der 80 Prozent. letzte Wunsch des Verblichenen war, Woran dieser Torjäger des alten weil er ein glückliches Leben als Schlags gestorben ist? Leider nicht ­Fußballer hatte. friedlich im Bett. Er ist in den Tod ­getrieben worden von den Revolutio- War Paul Mücke Mittelstürmer? Wir nären des modernen Fußballs. Tiki- vermuten es fast, denn ungefähr zur Taka heißt deren Philosophie, und selben Zeit wurde auch der klassi- ­ihre falschen Neuner haben den alten sche Mittelstürmer zu Grabe getra- Neunern das Wasser abgegraben. gen. Und dieser Anlass ist weiß Gott „sein AuSSenrist war der traurig genug, um hier und heute Als Sargnagel fällt uns spontan aber hohe Scheitel“: Uwe Seeler mittels eines Nachrufs noch mal auch ein. Den hatte als typischer „Brecher“.

Serie SCHLÜSSELSPIELER (Teil 6) 22 Innenstürmer

Die übrigen 20 Prozent schimpften decker Tschik Cajkovski getauft, und ­aller Zeiten hat es in manchem Spiel allerdings fuchsteufelswild: Mein er hatte viel zu kurze Beine, um weit auf 3,5 Kilometer gebracht, während ­lieber Scholli, warum gibst Du Deinen zu laufen. heute schon die durchschnittliche Senf ab über die Dinge im Strafraum, Laufstrecke eines Torwarts zwischen in den Du Dich als Kleinkünstler Der „Bomber der Nation“ vier und fünf Kilometern liegt.“ ­früher nur selten gewagt hast – hat gemüllert – sonst nix ­warum kommt da nicht ein wahrer Wer damals verlangt hätte, dass Experte zu Wort, der größte? Vor einiger Zeit lief ein schöner Film Müller einen Schritt nach hinten Warum fragt keiner Gerd Müller? über unsere sagenhaften Europa- macht, wäre in die nächstbeste ge- Der hätte geschwind erklärt, was ein meister von 1972, und bei jenem schlossene Abteilung eingeliefert Torjäger tun muss, und seinen auto- Ramba-Zamba fiel unter läuferischen worden. Vorne war sein Jagdrevier, biografischen Schlager „Dann macht Gesichtspunkten nur einer ab, das dort hat er als torhungriger Alles­ es bumm“ dazu vorgetragen, hören war Müller, dessen Bewegungsradius erlediger allein 1970 bei der WM in wir kurz rein: „Dann macht es bumm, nur geringfügig kleiner war als der Mexiko zehn Stück geschossen. Der ja und dann kracht’s, und alles Durchmesser seiner Oberschenkel. „Bomber der Nation“ hat sich nie auf schreit: Der Müller macht’s! Dann Pro­fessor Jürgen Buschmann von der die Flügel verirrt. Gemüllert hat er, macht es bumm, dann gibt`s ein Tor, Sporthochschule Köln hat bei seinen sonst nix. und alles schreit dann: Müller vor!“ Forschungen festgestellt, dass ­Müller nicht wie Hacki Wimmer fast Das ist vorbei. Mitspielen muss jetzt Vor, nicht zurück. Vorne fallen die 14 Kilometer pro Spiel lief, sondern der moderne Neuner, im Rahmen der ­Tore. Dort war Müller daheim. „Klei- als Denkmal in sich ruhte, wir zitieren: Quadratur des Kreises, als virtuoser, nes dickes Müller“ hat ihn sein Ent­ „Der erfolgreichste Mittelstürmer versierter, vollstreckender Messi.

Rudi Brunnenmeier 1965: Der Münchner „Löwe“ erzielte in fünf Länderspielen drei Tore.

Stets an vorderster Front: Dresdens richard Hofmann mit 24 Toren in 25 Länderspielen. 23

„Das Tor des Jahrhunderts“: Klaus Fischers Fallrückzieher 1977 gegen die Schweiz.

Sensationells debüt: Dieter Müller als Torjäger bei der EM 1976.

Und Richard Hofmann dreht sich, den Hintern fiel und sich mit einem Wie in Leon 1970. Da katapultierte wenn er das sieht, im Grab um. Der derartig rätselhaften Fallrückzieher Uwe im WM-Viertelfinale seine 168 Dresdner war in den 30er-Jahren aus der aussichtslosen Lage befreite, Zentimeter in die Luft, bediente sich „König Richard“, der Monarch im dass anderntags in der Zeitung stand: des Hinterkopfs, und Sir Bobby und Strafraum, mit 24 Toren in seinen „Das Tor des Jahrhunderts“. die Engländer packten in Mexiko 25 Länderspielen. ihre Koffer. Diese Kopfnuss war das Ein Fallrückzieher, okay – aber im letzte seiner 43 Tore in 72 Länder- Den Kopf hinhalten – Sitzen, auf zwei Backen? Der Fuß- spielen. Wo Pele und Beckenbauer das war „Uns Uwe“ ballbub B. hat sich das Foto ausge- für ihren Ballzauber zusammen vier schnitten und in sein Erdkundebuch Füße ­benötigten, genügte bei Uwe Doch reden wir über den, der das Bild geklebt. Bald aber ist es darin eng dieser eine, unvergleichliche Kopf – des klassischen Mittelstürmers wie geworden, denn andere Tore als sol- sein Außenrist war der hohe Scheitel. kein anderer geprägt und sich damit che, die man unbedingt ausschneiden in die Herzen der Fans und die Götter- musste, hat mein Uwe gar nicht Ja, sie waren unsere Helden, vor galerie der Größten des Sports ge- ­geschossen: Sobald „der Dicke“ auf ­allem diese Bundesligakanonen der köpft und geballert hat. Uns Uwe. der vollen Breite und Höhe des ersten Stunde, und bezeichnend für ­Strafraums explodierte, drohte ein ihre Bedeutung ist die wunderbare Uns Uwe? „Euch Uwe“ sagen sie in Kracher unter die Latte, mindestens Anekdote von Vater und Sohn, die St. Pauli, bei der anderen Hamburger aber ein Kopfballtorpedo. zum TSV 1860 gehen und am Stadion Feldpostnummer. Auf jeden Fall ist er merken, dass sie die Eintrittskarten mein Uwe – und zwar seit jenem Den Kopf hinhalten, das war Uwe. vergessen haben. Der Bub rennt also ­unfassbaren Vorfall gegen Westfalia „Lieber Uwe“, hat ihm Sir Bobby schnell noch mal heim – und kommt Herne anno 1960, als er in einem Charlton zum 75. Geburtstag gra­ völlig verstört zurück. „Babba, der Endrundenspiel um die Deutsche tuliert, „es war immer ein Vergnügen Br...“, stottert er aufgeregt, „Babba Meisterschaft beim Luftkampf mit gegen Dich, wenn Du nur nicht diese der Br…“, bis er es endlich rausbringt: Nationaltorwart auf berühmten Tore geköpft hättest.“ „Babba, der Briefträger liegt mit Serie SCHLÜSSELSPIELER (Teil 6) 24 Innenstürmer

der Mamma im Bett!“ Worauf viele Länderspieltore (68) geschos- zum Umbiegen? Wenigstens über der Papa­ lacht: „Und i hab scho sen hat wie der unvergleichliche Gerd ­einen Plan B? g’fürcht, der Brunnenmeier spielt net.“ Müller, war eine Zeitlang schier reif Rudi Brunnenmeier ist tot, aber auch für die Couch samt Hypnose. Vor der Früher war das noch Plan A. Uns er klebt noch im Schulheft. Oder letzten WM hat er wochenlang nicht Deutschen war im Ernstfall jeder „Emma“ mit seiner linken Klebe, mehr getroffen, keinen Salto mehr Strafraumschreck willkommen, wie ­speziell seinem WM-Volley von der geschlagen, und seine Körperspra- im EM-Halbfinale 1976 in Belgrad. Torauslinie ins spanische Latten- che glich der eines traurigen Hundes, Die Jugoslawen führten 2:1, da kam kreuz anno 1966. der die Schlappohren hängen lässt, als Hexer in der 79. Minute der Kölner das Futter verweigert und nicht mehr Debütant Dieter Müller. Erster Ball- Wenn wir Lothar Emmerich sagen, bellt und beißt. kontakt: 2:2 Müller. 3:2 Müller. 4:2 dürfen wir Siggi Held nicht weg­ Müller. Was er auch tat, der Ball lag lassen. Der eine Dortmunder war Aber auch „Bomber“ Müller hatte im Tor. Seine Länderspielbilanz war ­undenkbar ohne den anderen. Sie solche Tage. Oder Jupp Heynckes, der am Ende ansehnlich (12 Spiele, 9 Tore),­ ­ergänzten sich da vorne wie früher Knipser vom Bökelberg. Karlheinz aber relativ kurz. Warum? „Ganz Puskas und di Stefano bei Real Riedle, , Kevin Kuranyi, ­einfach“, sagte Müller, „mit Rumme- ­ oder später Seeler und Mül- Mike Hanke – jeder bekam früher nigge, Fischer und Hrubesch hatte ler, oder noch später Klinsmann und oder später gnadenlos seine torlosen ich äußerst begabte Konkurrenten.“ Völler. Überhaupt: Der perfekte Part- Dürre- und Tolpatschzeiten aufs Brot ner war für einen Mittelstürmer der geschmiert, und auch Klinsmann und Horst Hrubesch traf, wenn es pres- alten Schule das Tüpfelchen aufs i. Bierhoff blieben nicht verschont – sierte, sogar ohne Kaltz. Die Banane Und mit einem Zulieferer ging alles bei Völler wurde eine Torflaute sogar durfte dann auch von Rummenigge noch leichter. bekam mit dem Ohrwurm „Was ist bloß von links kommen, wie in der letzten die brüderlichen Pässe vom Fritz auf mit Rudi los?“ musikalisch begleitet. Minute des EM-Endspiels 1980 in dem Tablett serviert, Uwe Seeler die Dieter Hoeneß, den „Schwabenpfeil“, Rom gegen Belgien. Sturmtank Flanken von Charly Dörfel, und Horst hätten wir jetzt fast vergessen. Der ­Hrubesch brachte seine 195 Zen­ Hrubesch bedankte sich als „Kopf- flog mit dem hohen Scheitel voraus timeter und 98 Kilo in Position und ballungeheuer“ bei unermüdlich in jede Flanke, litt wuchtete das Runde ins Eckige. 2:1. ­eines Tages mit dem unvergesslichen aber ebenfalls unter gelegentlichen Schon das 1:0 war sein Ding. O-Ton: „Manni Banane, ich Kopf – Tor!“ Schützenpausen. Doch wehe, der Knoten platzte wieder, dann machte Bierhoff mit Brechstange zum Ihre Ladehemmungen der Ulmer Fürchtenichts alles nieder. historischen „Golden Goal“ ­wurden minutiös aufgelistet Er hatte einen eisernen Willen und unwiderstehlichen Körper, sogar 16 Jahre später ist das alles ganz Verdammt abhängig vom Nachschub ­einen Flugkopfball gegen die Bord- ähnlich abermals passiert, nur hieß waren sie alle, diese alten Neuner. steinkante hätte er überlebt. der Hrubesch diesmal Oliver Bierhoff. Wenn sie nicht mit Bällen gefüttert Wieder ein Hüne. Wieder einer, der wurden, hingen sie in der Luft, und Im DFB-Pokalfinale 1982 gegen in der Luft eine Kante war, aber am bisweilen konnte sie zum Alptraum Nürnberg erlitt Hoeneß als Bayern- Ball als zu eckig galt. 0:1 stand es in ausarten, die Einsamkeit des klas­ Draufgänger eine blutende Platz- Wembley im EM-Finale gegen die sischen Neuners. Vor allem, wenn er wunde, doch er hat sich den Kopf Tschechen, das Ende nahte. Doch wochenlang das Tor nicht mehr traf. ­geschwind abbinden lassen und ihn dann packte die Brech- Da vorne, am Ende der Chancen­ samt Turban in der 89. Minute noch stange aus. 1:1 Bierhoff. 2:1 Bierhoff. verwertungskette, musste gefälligst mal hingehalten, zum 4:2-Endstand. Es war das erste „Golden Goal“ der vollstreckt werden, zuverlässig. Wer Trotz kleiner Holprigkeiten schaffte Fußballgeschichte, und der Mann des dreimal danebenschoss, war als es Hoeneß bis ins WM-Endspiel 1986, Tages wusste sofort, dass ihm mit „Chancentod“ sein Geld nicht mehr und seine bloße Einwechslung ver- seinem Doppelschlag etwas Be- wert. Die Ladehemmungen wurden setzte die Argentinier, die im Azteken­ rühmtes gelungen war. penibel aufgelistet, die Flauten minu- stadion schon 2:0 führten, derart in tiös festgehalten, und die Ungeduld Panik, dass das Spiel noch fast kippte.­ Wie Fischers Fallrückzieher. Klaus gipfelt mitunter in Hohn und Spott. Fischer, der Bayer auf Schalke. Seine Als der spanische Welt- und Europa- Nein, Tika-Taka war das damals noch 268 Tore weisen ihn als zweitbesten meister Fernando Torres beim FC nicht. Aber wären nicht sogar die Bundesligakanonier nach Gerd ­Müller Chelsea einmal 1.541 Minuten lang Messis, Xavis und Iniestas in Barce- aus, in Länderspielen gesellten sich nicht traf, bekam er balkenhoch mit der lona später manchmal ganz froh ge- noch 32 dazu, doch eines schlug alle. Schlagzeile Dresche: „Torlos-Torres“. wesen über einen, mit dem man zwar Ob in jener Nacht die Kirchenglocken nicht auf Höhe der Grasnarbe zau- geläutet haben, lässt sich nicht mehr Doch bleiben wir im Land, denn auch bern, aber notfalls einen Luftangriff ermitteln – aber die Uhren sind auf Miroslav Klose, der inzwischen so starten kann? Über eine Brechstange jeden Fall stehengeblieben am 25

16. November 1977 in der 60. Minute „Zugabe!“, brüllten die 70.000 in rückteste Akrobat schööön, der die gegen die Schweiz. Rüdiger („Abi“) Stuttgart und kamen sich vor wie im Genialität mit dem Wahnsinn ver- Abramczik, der „Flankengott“, flank- Zirkus: Blindlings hatte dieser Hans- knüpfte und den Verstand durch den te in dem Moment viel zu hoch in guck-in-die-Luft den Ball, den er nur Instinkt ­ersetzte, bleibt denn auch den Strafraum. Unmöglich sei es für ahnte, unter die Torlatte in der Unter- Klaus ­Fischer. Im WM-Halbfinale Fischer gewesen, mit dem Kopf an türkheimer Kurve gedroschen, wäh- 1982 gegen­ Frankreich, der sagen- diese schlampige Hereingabe he­ rend er in die entgegengesetzte haften „Schlacht von Sevilla“, ge- ranzukommen, sagte hinterher der ­Richtung nach Cannstatt schaute. lang ihm erneut solch eine Luftikus- Schweizer Torwart Erich Burgener. ­Fischers Kunstschuss wurde „Tor des nummer. Der Titel seiner Biografie Monats“, „Tor des Jahres“, „Tor des ergab sich von selbst: „Fallrück­ Klaus Fischers Hexerei als Jahrzehnts“ und „Tor des Jahrhun- zieher und mehr“. ästhetischer Hochgenuss derts“, und die ARD-Sportschau wusste endlich, warum sie diese Wahl Auch in hundert Jahren, wenn Klaus Auch Fischer wusste es. Abrupt erfunden hatte: Um die Menschheit in Fischer nicht mehr waagrecht sechs drehte er sich deshalb um die halbe den ästhetischen Hochgenuss der Fuß hoch über dem Strafraum liegt, Achse, nahm den unnützen Kopf un- ­ultimativen Hexereien zu bringen, vom sondern sechs Fuß unter der Erde, ter die Arme und die Füße in die Höhe, aus der Hüfte geschüttelten Scheren- wird die Fußballwelt von seinen Fall- stieg am Elfmeterpunkt hoch – und schlag und Seitfallzieher bis zum unter rückziehern noch schwärmen. Oder von dann legt er sich rücklings und hori- die Latte gedonnerten Fallrückzieher. Uns Uwe und Bumm-Bumm-Müller. zontal in die Luft, klappte auf wie eine Und auf Hrubeschs Grabstein wird Schere, das linke Bein zuckte nach Es sind diese Tore, die sich der stehen: „Manni Banane, ich Kopf – unten, oben traf das rechte volley den ­Fußball in die Gedenksteine der Tor!“ Der klassische Neuner, er lebt. Ball, und der Lautsprecher meldete Ewigkeit meißelt, die unerwarteten fassungslos: „4:1 für Deutschland“. und unwiederholbaren. Der ver­ Oskar Beck

Argentiniens Zittern begann: Dieter Hoeness’ Einwechselung im WM-Finale 1986.

Mann des EM-finales 1996: Oliver Bierhoff auf dem Weg zum Tschechischen Tor. Serie SCHLÜSSELSPIELER (Teil 6) 26 Innenstürmer

Von Tröger über Ducke, Frenzel, Fräßdorf, Sparwasser zu Kirsten und Matthias Sammer

Joachim Streich – vom Außenseiter zum Rekordmann

Die Mittelstürmer waren auch im DDR-Fußball die „Helden“. Auf den Bolzplätzen legten sich die jüngsten Kicker ihren Namen zu, wurden die Goalgetter zu Vorbildern. Denn: In der DDR gab es von Anbeginn in den 50er-Jahren bis zum Ende mit der Wende erstklassige Innenstürmer.

Der Mittelstürmer. Wohl auf keiner bis man sie ihm glaubte. Er sei da- Wenn manch ein Zuschauer verwun- anderen Schlüsselposition im DDR- mals 1955 in Bukarest nach einen dert schaute, dass beim Laufduell Fußball waren so viele hochkarätige Konter allein auf das rumänische Tor mit Tröger dem Gegenspieler plötz- Akteure von Weltklasse und inter­ zugelaufen, „Dann habe ich mit dem lich die Luft knapp wurde, dann lag nationaler Klasse anzutreffen wie in Ball am Fuß für einen Moment auf das nicht selten an Trögers „rechtem diesem Zentralbereich des Angriffs. die Stadionuhr geguckt und gewartet, Stumpen“, der sich mit erheblicher Oft sogar in solcher Überzahl, dass dass der Zeiger auf die 45. Minute Wucht an den Rippen des Kontra­ sich manch einer, der als Mittelstür- springt. Erst in diesem Augenblick henten wiederfand. Im Erzgebirge mer auf einen Stammplatz in der habe ich ihn reingemacht.“ Tatsache wurde Willy Tröger verehrt, ein Auswahl hoffte, notgedrungen auf ist auf jeden Fall, dass der Erzgebirgler ­Volksmusiker schrieb das Lied vom eine andere Position im Sturm aus- für den ersten Länderspielsieg der „Tröger-Will“. In Pirna, seiner spä­ weichen musste, wenn er zu Län­ DDR (3:2 gegen Rumänien) sorgte. teren Wirkungsstätte als Trainer, derspieleinsätzen kommen wollte. trägt das Stadion seinen Namen. Durch die üppigen Siegprämien bei Eigentlich hätte es den Mittel­ Länderspielen und durch das zusätz- stürmer Tröger nie gegeben, denn Die legitimen Nachfolger in den liche monatliche Salär für die Auswahl- er wollte ursprünglich Torwart 60er-Jahren wurden der Jenaer kicker wurde „der Schmerz“ als Not- ­werden. Doch als dem damals ­Peter Ducke und der Leipziger lösung allerdings mehr als gelindert. 16-Jährigen im Zweiten Weltkrieg von einer Granate die rechte Hand Der gebürtige Zwickauer Willy ­Tröger, abgerissen wurde, suchte und fand der in den 50er-Jahren beim damali- er eine neue Posi­tion. In der Ober­ gen Meister und Pokalsieger Wismut liga schoss er in 224 Spielen 105 Rekordspieler und Rekord- Aue zum Aushängeschild wurde, hat Tore, in der DDR-Auswahl traf er in Schütze: Joachim Streich, die die Geschichte immer wieder erzählt, 15 Spielen elfmal. Nr. 1 der DDR-Mittelstürmer.

Serie SCHLÜSSELSPIELER (Teil 6) 28 Innenstürmer

­Henning Frenzel. Zum dritten Kon- er von Motor Geithain nach . er als 23. Mann aus dem Aufgebot kurrenten hätte aus der damaligen Und als 1963 in der Messestadt der gestrichen wurde. „Trainer Buschner Meisterelf von Vorwärts Berlin Otto Fußball nach dem Motto „Die Guten hatte nicht einmal den Mut, es mir Fräßdorf werden können, doch nach ins Töpfchen, die schlechten ins selbst zu sagen.“ Eine Konkurrenz der schweren Verletzung von Klaus Kröpfchen“ neu geordnet wurde, als Mittelstürmer wäre er allerdings Urbanczyk, Kapitän der Olympiaelf „zählte ich zu den vermeintlich Guten nicht mehr gewesen, denn inzwi- beim Turnier 1964 in Tokio, funktio- und spielte fortan für den SC Leipzig, schen brachte der Leipziger seine nierte ihn der ungarische Auswahl- dem späteren 1. FC Lok Leipzig“, strategischen Qualitäten im Mittel- Trainer Karoly Soos kurzerhand zu erzählt­ Frenzel. feld ein. einem modernen rechten Außen­ verteidiger um. Und diese Position Der „Bomber von Geithain“ Die Kontrahenten in den 70er-Jahren musste Fräßdorf laut Beschluss des 1974 nur WM-Zuschauer waren der Magdeburger Jürgen Spar- Fußball-Verbandes auch in seinem wasser und der Rostocker Joachim Verein übernehmen. 420 Erstligaspiele mit 152 Toren und Streich. Sparwasser hatte den Vorteil, 56 Länderspiele mit 19 Toren zemen- dass er fest ins Netz der Magdeburger Peter Ducke war einer der schil- tierten den Ruf als „Bomber von Geit- verwoben war, die 1974 als einzige lerndsten Figuren des DDR-Fußballs, hain“, dessen Stadion schon heute Mannschaft der DDR einen Europa- mit Ecken und Kanten, nicht nur oft seinen Namen trägt. Viele seiner Län- pokal gewannen, den der ­Pokalsieger die Gegenspieler, sondern manchmal derspiele bestritt er gemeinsam mit gegen den AC Mailand (2:0). Das war auch seine­ Mannschaftskameraden Peter Ducke, nur dass Frenzel dann natürlich ein starker Bonus auch im in Verein und Auswahl zur Verzweif- auf die Rechtsaußenposition wech- Hinblick auf die Nationalelf. lung treibend (siehe Story ab Seite 30). seln musste. „Das war nicht schlimm, Hauptsache war, man spielte.“ Streich dagegen war der Außenseiter war dagegen der so- aus , praktisch ein Einzel- lide, sachliche Typ, frei von allen Eitel- Vielmehr wurmt es ihn bis heute, kämpfer. So musste der gebürtige keiten und Marotten. 1959 wechselte dass er die WM 1974 verpasste, weil Wismarer mit der Position des

Sorgte für den ersten Länder- spielsieg der DDR-Auswahl: der 2004 verstorbene Willy Tröger.

Der „Bomber von Geithain“: Henning Frenzel in einem Länderspiel gegen Schweden. 29

Rechtsaußen vorlieb nehmen. „Da- gar nicht mehr“, geriet er in die para- außen bei Dynamo begann, bevor mals wurde noch mit drei Spitzen doxe Situation, abermals Rechts­ man ihm die Mittelstürmer-Position gespielt. oder Martin außen spielen zu müssen, weil eben anvertraute. Auch in der DDR-Aus- Hoffmann auf der linken Seite, ich auf Sparwasser noch immer da war. wahl wurde er zum Vollstrecker der der rechten. Das war gar nicht meine Auf Dauer aber setzte sich Streich Vorarbeit seiner Mitspieler auf den Welt, denn ich musste immer meinen durch und wurde zur unbestrittenen Flügeln, und Andreas Gegenspieler bei dessen Angriffen Nummer eins als Mittelstürmer. Thom. Eine Position, die Kirsten auch verfolgen.“ bei Bayer und in der Sparwasser und Streich deutschen Nationalmannschaft er- Der gebürtige Halberstädter Spar- Konkurrenten und Kollegen folgreich ausfüllte. wasser dagegen avancierte bei der WM 1974 mit seinem Tor zum Mit 102 Länderspielen und 55 Tref- Oder, viele im Westen werden es 1:0-Sieg gegen die Bundesrepublik fern ist er der Rekordspieler und kaum glauben, wie der ebenfalls zur Legende. „Wenn auf meinem ­Rekordschütze in der Geschichte der aus stammende und bei Dy- Grabstein eines Tages lediglich DDR-Auswahl, mit 229 Treffern dazu namo groß gewordene Matthias ­‚ 74‘ steht, weiß jeder, wer ewiger Torschützenkönig der DDR- Sammer. Die DDR-Junioren führte er darunter liegt.“ Ein Spruch, der Oberliga. Streich war die Inkarnation bei der Weltmeisterschaft 1987 in durchaus eine gewisse Berechtigung des Mittelstürmers: schlitzohrig und Chile als Mittelstürmer auf den hat. In 53 Länder­spielen schoss der absolut treffsicher, auch aus Null- ­dritten Platz. Doch Sammer blieb in Magdeburger 15 Tore, in 271 Erstliga- Chancen machte er seine Tore. seiner Laufbahn kein ständiger spielen markierte er 111 Treffer. ­Innenstürmer Vielmehr avancierte Die letzte Ära erstklassiger Stürmer er mit seiner beeindruckenden Viel- Als Streich 1975 gezwungener­ begann in der DDR – und setzte sich seitigkeit auf den verschiedensten maßen nach wechselte, nach der Wende im vereinten Positionen zu einem der besten weil die Anordnung des Fußballver- Deutschland erfolgreich fort. Wie der Fußballer­ Europas. bandes der DDR lautete „dorthin oder Dresdner Ulf Kirsten, der als Rechts- Jürgen Nöldner

Torjubel: Ulf Kirsten nach einem Treffer für die DDR-AuSwahl.

WM 1974: Jürgen sparwasser und „Sein Tor“ gegen die Bundesrepublik. Serie SCHLÜSSELSPIELER (Teil 6) 30 Innenstürmer

Die imposante und doch unvollendete Karriere des Hitzkopfs und Torjägers Peter Ducke „Schwarzer Peter“ nicht zu fassen

Beinahe hätte es den unnachahmlichen Mittelstürmer der DDR-Auswahl nicht gegeben. Als näm- lich Peter Ducke, dessen Familie es nach dem Krieg aus dem nach Schönebeck verschlagen hatte, 1957 in zum Probetraining erschien, wurde der 16-Jährige für die Ober- liga als zu untalentiert befunden. Nur gut, dass sein älterer Bruder Roland schon beim Carl Zeiss spielte und nicht locker ließ. Zwei Jahre danach wurde der verspätete Wechsel vollzogen.

Der Weg war geebnet, dass der „Republikflucht verraten“ hatte. Peter DDR gegen den Vizeweltmeister von „Schwarze Peter“ zu einem der un­ Ducke – antrittsschnell und schuss- Chile 1962 deutete alles auf ein Ent- gewöhnlichsten Fußballer der DDR stark, explosiv und egoistisch – ein scheidungsspiel hin, als Ducke in der wurde. „Er war ein südlicher Artist, typischer Mittelstürmer eben. 85. Minute die Kugel in halbrechter ein Virtuose, ein Fußball-Belcanto, Position annahm und mit trockenem brillant, heißblütig, cholerisch“, Zu den legendären Toren des Jenaers Schuss ins kurze Eck Schlussmann zeichnet Christoph Dieckmann, heute zählte der 1:1-Ausgleich beim Rück- Schroiff zum 1:1 überwand. „Ich sah Autor der „Zeit“ und seit 1965 Fan spiel im Europapokal der National- die freie Ecke und habe gezielt“, erklär- des FC Carl Zeiss Jena, ungemein mannschaften gegen die CSSR im te der Torschütze selbstbewusst in die trefflich Duckes Bild. Frühjahr 1963 in Prag. Nach dem Mikrofone von Funk und Fernsehen. sensationellen 2:1-Hinspielsieg der Ja, für eine Übertreibung mit seinen Peter Duckes Karriere verlief steil Künsten war der Peter immer gut. und schnell, aber nicht ohne Ecken und Kanten. Im Herbst 1959 debü- Dass er mit seiner eigenwilligen tierte er als 18-Jähriger in der Natio- Spielweise und manchmal übertrie- nalelf beim 5:1-Sieg gegen Finnland in benem Eigensinn aneckte, wurde Rostock. Insgesamt brachte es der nicht immer schnell vergeben. Als es Angreifer auf 68 Länderspiele mit in der DDR-Kabine beim WM-Quali­ 15 Toren. Mit seinem Verein errang er fikationsspiel gegen Österreich in drei DDR-Meistertitel und drei Pokal­ Wien nach dem mageren 1:1 ziemlich siege. 1963 schaffte er es zum Ober­ knirschte, zog Ducke den Zorn der liga-Torschützenkönig, 1971 zum Mitspieler auf sich, weil er seine „Fußballer des Jahres“, 1965 gar zum schwächere Leistung damit begrün- „Sportler des Jahres“, weil der eigent- dete, dass er nicht genügend Bälle liche Sieger der Umfrage, der Leicht- bekommen hätte. Der ungarische athlet Jürgen May, die DDR mit seiner Trainer Karoly Sos konnte gerade 31

Peter Ducke am Ball: bei den Olympischen Spielen 1972 gegen Polen (oben) und in einem Spiel der DDR-Traditionsmannschaft (links).

noch ein Handgemenge verhindern – „Ich habe in meiner Heimat ein wun- Ein weihnachtsbaumähnliches Ge­ und Ducke bekam eine Denkpause derbares sportliches und privates bilde wurde im Ausland unter som- verordnet. Umfeld mit Familie und Kindern. merlicher Hitze stets aufgetrieben. Zu sehen, wie sie aufwachsen, ist Dresdner Stollen und Radeberger Als aber das entscheidende Spiel sehr schön. Um zu essen, zu trinken, Bier befanden sich im Mannschafts- ­gegen Ungarn heranrückte und die Auto zu fahren und mit der Familie gepäck. Die Silverster-Bowle brauten Chancen ohne Ducke deutlich ge­ zusammen zu sein, braucht man die Spieler selbst zusammen. Und die ringer gewesen wären, griff Soos zu ­keine Millionen.“ Ehefrauen hatten für ihre „besseren einer List. Er lud Ducke im Trainings­ Hälften“ kleine Geschenke den Mit- lager zu einer Mannschaftssitzung Mit solchen Worten eckte das an- spielern mitgegeben. Dazu konnten ein. Er selbst zog sich kurzerhand sonsten für so manche Überra- die Wüsche der Familien im Ausland zurück. Hinter der Tür wurde Tache- schung gute „Enfant terrible“, das dank der harten Tagegeld-Dollar für les geredet, und Ducke war wieder sich wegen seines bisweilen über- die Rückkehr abgearbeitet werden. dabei. Zwei Tore schoss er daraufhin triebenen Gerechtigkeitssinns und Erst 14 Monate nach der schweren in , das dritte beim Stande oft überschäumenden Tempera- Verletzung in Mexiko kehrte Peter von 2:2 hatte er auch noch auf dem ments so manchen Feldverweis und Ducke auf den Fußballplatz zurück. Fuß, doch es sollte nicht sein. Statt- Sperre und sogar 1962 mal den Olympia 1972, wo er in München, ein- dessen entriss Farkas zehn Minuten (schnell wieder zurückgenommenen) gesetzt in allen Spielen, mit der DDR vor Schluss mit dem 3:2 für die Ausschluss aus der DDR-Auswahl ein- Bronze gewann, und die WM 1974 ­Magyaren den Ostdeutschen noch die handelte, bei den hölzernen und hu- waren noch einmal Höhepunkte. Fahrkarte zur WM 1966. „Darüber morlosen DDR-Funktionären nicht an. Doch da gab es mit Joachim Streich ärgere ich mich heute noch schwarz, Einen Knick bekam seine Karriere, und Jürgen Sparwasser schon große denn wir hätten in England garantiert als ihm im Januar 1966 bei einem Konkurrenz. für Furore gesorgt“, ist sich Peter Turnier in Mexiko-Stadt der Tscheche Ducke sicher. Es war in der Tat die Jiri Tichy im Freundschaftsspiel ge- In der Erinnerung der Fans ist er aber spielerisch beste Auswahl in der gen Sparta Prag mit einem brutalen bis heute der hitzköpfige, aufbrau- DDR-Geschichte. Foul das Schien- und Wadenbein sende, aber grandiose „Schwarze brach. „Schade, denn diese Reisen ­Peter“ geblieben. Unfassbar in jeder Der dribbelstarke Mittelstürmer über die Weihnachtszeit und um die Beziehung. Ein Ausnahmemittel­ ­hatte international für genügend Jahreswende waren sehr schön und stürmer von Weltklasse, dessen ­Interesse gesorgt. Atletico Madrid, eine willkommene Abwechslung“, ­ohnehin imposante Karriere ohne die Barcelona und Benfica Lissabon ­erinnert sich Ducke. vielen Verletzungen und bisweilen buhlten um ihn, Werder unangemessenen Disziplinarmaß- ­fragte an. Doch die DDR-Statuten Egal, ob es nach Asien oder Afrika, nahmen noch höhere Gipfel hätte ließen einen Wechsel nicht zu. Ducke nach Süd- oder Mittelamerika ging, ­erreichen können. aber war darüber nicht allzu traurig. die Plätze im Kader waren begehrt. Jürgen Nöldner/wt Aktuell im Blickpunkt 32 Regionaler Stammtisch in Köln

„Überraschung des Jahres“ beim CdN-Stammtisch in Köln: Hans Schäfer und Jenö Buzansky

Herzliche Umarmung der Gegner von Bern

Es war wohl das Wiedersehen des Jahres. Hans Schäfer und Jenö Buzansky. Deutschlands Linksaußen und Ungarns rechter Verteidiger. Die direkten Gegenspieler beim unvergessenen WM-Endspiel 1954 in der Schweiz. Am Rande des WM-Qualifikationsspiels gegen Irland ­trafen sie in Köln in aller Freundschaft nach langer Zeit wieder einmal aufeinander. Beim Stammtisch der Kölner Altinternationalen im Club der Nationalspieler des DFB.

Für Hans Schäfer war es „die Über­ der Deutschland-Besuch des 48- auch aus Ungarns seinerzeitiger raschung des Jahres“, als Jenö Bu- maligen Nationalspielers dank der „Wunderelf“ nur noch zwei Spieler: zansky ihm vor dem Anpfiff des schon traditionell engen Verbindun- Jenö Buzansky und Gyula Grosics, ­Länderspiels vorgestellt wurde. „Wir gen des Fußballverbands Rheinland der inzwischen 87 Jahre alte ehe­ haben uns seit Ewigkeiten nicht mehr mit seinem Präsidenten Walter Desch malige Torwart. gesehen. Umso mehr habe ich mich zum Ungarischen Fußballverband. gefreut, dass er jetzt hier dabei war“, „Ich bin heilfroh, dass ich die Ein­ kommentierte der 39-malige Kölner Das „Wunder von Bern“ beim deut- ladung zu diesem Stammtisch des Nationalspieler und Nachfolger von schen 3:2-Sieg 1954 wurde im Ge- Clubs der Nationalspieler angenom- als Kapitän der National- spräch der beiden Altmeister nur am men habe. Sonst hätte es dieses mannschaft die herzliche Umarmung Rande erwähnt. Vielmehr informierte Treffen mit Jenö gar nicht gegeben. mit dem Kontrahenten vor nunmehr sich Jenö Buzansky, der mit Ungarn Außerdem war es sehr schön, et- bald sechzig Jahren. 1952 Olympiasieger wurde, über liche andere Mitstreiter von früher ­Ottmar Walter, den Mitte Juni dieses wie , Karl-Heinz Völlig unerwartet kam auch für Jahres verstorbenen Mittelstürmer ­Thielen, Hannes Löhr oder Wolfgang ­Buzansky dieses Aufeinandertreffen. der Weltmeister-Elf von 1954. Zudem ­Weber und spätere FC-National­ „Mit allem habe ich bei meinem Be- erkundigte sich der spätere Vizeprä- spieler wie Jürgen Kohler, Pierre Litt- such hier in Deutschland gerechnet. sident des ungarischen Verbandes, barski, , Gerd Strack Doch auf diese Begegnung mit Hans der im Mai dieses Jahres seinen oder bei diesem An- war ich nicht im Geringsten vorbe­ 88. Geburtstag feierte, nach Horst lass mal wiederzusehen. Dieser Club reitet“, erklärte der Stammspieler Eckel. Wie aus dem damaligen deut- der Nationalspieler ist eine wunder- der „Magischen Magyaren“ in gutem schen Weltmeister-Team Hans bare Sache. Ich werde wieder­ Deutsch. Zustande gekommen war ­Schäfer und Horst Eckel, so leben kommen“, sagte Schäfer, der 1962 Herzliches Wiedersehen nach vielen Jahren: Rechtsverteidiger Jenö Buzansky und Linksaussen Hans Schäfer.

und 1964 mit seiner Wucht und Ele- „Special Guests“: ganz den 1. FC Köln zu deutschen Hans Schäfer, Wolf- ­Meistertiteln geführt hatte und gang Niersbach und Wolfgang Overath 1963 zu Deutschlands „Fußballer mit WDR-Intendant des Jahres“ gewählt worden war. tom Buhrow ...

Acht Tage nach dem Länderspiel in Köln wurde Hans Schäfer, der in den vergangenen Jahren öffentliche Auftritte stets gemieden hat, am 19. Oktober 86 Jahre alt. In erstaun- lich rüstiger und vitaler Verfassung.

Das außergewöhnliche Zusammen- treffen der beiden 54er-Endspiel­ gegner aus Ungarn und Deutschland 60 Jahre nach dem „Wunder von Bern“ war freilich nicht die einzige Besonderheit bei diesem Regionalen ... Und Ligapräsident CdN-Stammtisch in Köln. Neben DR. Reinhard Rauball Schäfer waren ja auch Wolfgang mit Schauspielerin ­Overath und Rainer Bonhof sowie Iris Berben. ­ und Jürgen Kohler an diesem Abend dabei, womit erst- mals alle drei Weltmeister-Teams dieses CdN-Meeting begrüßen. wie FC-Präsident Werner Spinner mit der DFB-Geschichte bei einer CdN- WDR-Intendant Tom Buhrow zum Sportdirektor Jörg Schmadtke. Veranstaltung vertreten waren. Beispiel, Schauspielerin Iris Berben und DFB-Ehrenpräsident Gerhard Sie alle scherzten, plauderten und Zusammen mit Liga-Präsident Mayer-Vorfelder. Oder flachsten bei diesem denkwürdigen Dr. Reinhard Rauball, DFB-General- und frühere Nationalspieler­ wie Wolf- Wiedersehen miteinander. Die Stim- sekretär Helmut Sandrock und dem gang Fah­rian, , Erwin Kre- mung war bestens – auch weil der CdN-Vorsitzenden und Ehrenspiel- mers und die beiden einstigen Idole FC an diesem Abend als Tabellen­ führer Uwe Seeler konnte DFB-Präsi- des DDR-Fußballs, Eberhard Vogel führer auf dem Weg zurück in die dent Wolfgang Niersbach zahlreiche und Jürgen Croy. Und nicht zuletzt Bundesliga grüßte. hochkarätige Ehrengäste rund um zwei gut gelaunte Kölner „Platzhirsche“ Wolfgang Tobien Aktuell im Blickpunkt 34 Regionaler Stammtisch in Köln

Wolfgang Overath, uwe Seeler

Wolfgang Fahrian, Max Lorenz

Hans Schäfer, Werner Spinner

Hans Schäfer, Hannes Löhr

Uwe Seeler, Rainer Bonhof 35

Otto Rehhagel, Erwin Kremers Armin Görtz, Karl-Heinz Thielen Karl-Heinz Thielen, Dr. Reinhard Rauball

Pierre Littbarski, Helmut Sandrock, Jörg Schmadtke

Jenö Buzansky, Jürgen Kohler

Jürgen Kohler, Harald Konopka, Hans Schäfer, Wolfgang Overath

Walter Desch, Jenö Buzansky, Hans Schäfer Gerhard Mayer-Vorfelder, Otto Rehhagel 36 Diagonalpässe

Weltmeister Kohler Trainer in der 6. Liga

Als Nationalspieler wurde er Welt- und Europameister. Mit seinen Klubs gewann er die Champions League (1997 mit Borussia Dort- mund), den UEFA-Pokal (1993/Ju- ventus Turin) und drei Mal die Deut- sche Meisterschaft (mit Bayern München und Dortmund). Als Trai- ner ist sich der einstige Welt­- klasse-Verteidiger nicht zu schade, in der 6. Liga zu arbeiten: Seit Mitte Oktober betreut Kohler die SpVgg Glas-Chemie Wirges in der Rhein- landliga. Zuvor hatte der 48 Jahre alte Fußball-Lehrer als Trainer mit der U 21-Nationalmannschaft, dem MSV Duisburg, VfR Aalen und den U 19-Junioren des Bonner SC und Grafschafter SV gearbeitet. Sein Vertrag in Wirges läuft zunächst Hohe Auszeichnung: DFB-Ehrenspielführer Uwe Seeler. bis Ende dieser Saison. „Es ist ­genau das, was ich machen will. Uwe Seeler jetzt offiziell Wolfgang Niersbach die Ehrung vor Die Klasse spielt keine Rolle. Ich „Legende des Sports“ 2.500 Gästen vornahm, seinen will abtrainieren, Spaß haben und einstigen Mitspieler und lang­ etwas im Fußball vermitteln. Ich Hoch dekoriert mit beachtlichen jährigen Freund, der seit 2008 Vor- will das durchziehen und kein Vier- Auszeichnungen und Ehrungen ist sitzender des Clubs der National- Wochen-Trainer sein“, erklärte der Uwe Seeler seit vielen Jahren. spieler ist. „Kokser“ bei seinem Amtsantritt. Jetzt kamen drei weitere Würdi- gungen für den Ehrenspielführer der deutschen Nationalmannschaft hinzu. Zunächst zeichnete der „Schalker Golfkreis“, dem der ­frühere Nationalspieler Erwin ­Kremers als Präsident vorsteht, den einstigen Torjäger des Ham- burger SV wegen „herausragender Verdienste“ mit dem Charity Award aus. Kurz danach wurde Seeler als „Vorbild in der heutigen Zeit“ von der Universität Iserlohn der Charlie Award verliehen. Und am 2. November wurde der Vorsitzen- de des Clubs der Nationalspieler beim 32. deutschen Sportpresse- ball in der Alten Oper in als „Legende des Sports“ geehrt. Drei Tage vor seinem 77. Geburts- tag erhielt Uwe Seeler diese hohe Auszeichnung für sein Lebens- werk, das vor allem auch großes soziales Engagement beinhaltet, wie ausdrücklich betont wurde. „Du bist eine Super-Legende“, ­würdigte Franz Beckenbauer, der zusammen mit DFB-Präsident Trainer bei der SPvgg Wirges: Welt- und Europameister Jürgen Kohler. Diagonalpässe 37

Deutsches FussballMuseum: Oliver Bierhoff Bei der Übergabe seiner „Arbeitsgeräte“.

DFB-Präsident Niersbach Bierhoffs Golden Goal ­zukünftigen Deutschen Fußball­ bis 2016 wiedergewählt reif fürs Fußballmuseum museum zur Verfügung. „Es ist schön, mit diesen Erinnerungs­ Beim 41. ordentlichen DFB- Das „Golden Goal“ von Wembley stücken vom WM-Titel 1996 Teil Bundes­tag erhielt Wolfgang Niers- kommt ins Museum. Im Rahmen der entstehenden Dauerausstel- bach am 25. Oktober in Nürnberg des 41. DFB-Bundestags stellte lung zu werden“, sagte der Mana- das Votum aller 259 stimmberech- Oliver Bierhoff die Ausrüstungs­ ger der deutschen Nationalmann- tigten Delegierten und wurde damit gegenstände (Schuhe, Trikot und schaft, der in 70 Länderspielen als DFB-Prä­sident bis zum Bundes- Hose), mit denen er am 30. Juni 38 Tore erzielte. Die Eröffnung des tag 2016 in Erfurt wiedergewählt. 1996 in der 5. Minute der Verlänge- derzeit im Rohbau sich befinden- „Ich freue mich sehr über das rung das Golden Goal erzielt und den Deutschen Fußballmuseum in ­große Ver­trauen, das mir entge- damit Deutschland zum Europa- Dortmund ist für das erste Halbjahr gengebracht wird“, bedankte sich meister geschossen hatte, dem 2015 geplant. Niersbach und machte in einer viel beachteten Grundsatzrede deut- lich, wie er sich den deutschen Fußball in den nächsten Jahren vorstellt: stark, erfolgreich und einflussreich sowie Profis und Amateure in harmonischem Einver- nehmen. „Profis und Basis, Ehren- amt und Spitze – gemeinsam sind wir stark“, sagte Wolfgang Niers- bach in Anwesenheit hochkarätiger Ehrengäste wie UEFA-Präsident , dessen Vorgänger Lennart Johansson und IOC-Präsi- dent Dr. Thomas Bach und betonte: „Nur wenn wir unser ­Kerngeschäft beherrschen, können wir auch in Zukunft glaubwürdig und nachhal- tig unsere wichtigen gesellschaft­ lichen Aufgaben wahrnehmen.“ Im Amt bestätigt: Wolfgang Niersbach mit dem neuen DFB-Präsidium. 38 Diagonalpässe

Franz Beckenbauer neues DFB-Ehrenmitglied

Der DFB-Bundestag hat Franz ­Beckenbauer für seine Verdienste um den Fußball in Deutschland zum DFB-Ehrenmitglied ernannt. Beckenbauer war als Spieler (1974) und Trainer (1990) Weltmeister, als Präsident des Organisationskomi- tees der FIFA WM 2006 half er an entscheidender Stelle mit, die WM nach Deutschland zu holen und zu einem herausragenden Erfolg zu gestalten. „Für seine großen Ver- dienste auf dem Platz haben wir ihn bereits zu unserem Ehrenspiel­ führer gemacht. Mit der Ehrenmit- gliedschaft wollen wir all das wür- digen, was er nach seiner Karriere als Spieler und Trainer für den deutschen Fußball geleistet hat. Ohne ihn wäre das Sommer­ märchen nicht möglich gewesen. Gerüstet für „Euro für Europa 2020“: Münchens Allianz Arena. Es ist uns eine Ehre, Franz Becken- bauer als Ehrenmitglied zu haben“, stimmig während seiner Sitzung karte bei ­FIFA und UEFA abge­ sagte DFB-Präsident Wolfgang Ende Oktober. „18 Jahre nach der geben hat“, so Niersbach. Auf Niersbach. einzigartigen WM 2006 ist dann Münchens Bewerbung als Ausrich- die Zeit reif für ein neues Sommer- ter eines Spiel­pakets der einmalig märchen in Deutschland“, sagte in 13 europäischen Städten aus­ „Gute Chancen“ für Niersbach auf dem DFB-Bundestag getragenen EURO 2020 hat die EM 2024 in Deutschland in Nürnberg. „Der DFB war 1988 ­Bewerbung für 2024 keinen Ein- letztmalig Gastgeber einer EURO. fluss. Die Ent­scheidung des UEFA- Der DFB wird sich um die Ausrich- Wir rechnen uns gute Chancen Exekutiv­komitees über das Gast­ tung der Europameisterschaft aus, weil der DFB als Ausrichter geberland für die EURO 2024 2024 bewerben. Diese Entschei- großer Turniere in der Vergangen- erfolgt voraussichtlich nicht vor dung traf das DFB-Präsidium ein- heit stets eine exzellente Visiten- dem Jahr 2017.

Große Resonanz auf „EURO für Europa 2020“

32 Bewerbungen ihrer Nationalver- bände sind bei der UEFA für die Ausrichtung von Spielen der EURO 2020 eingegangen. Zum Jubiläum ihres 60-jährigen Bestehens wird diese EM-Endrunde in 13 euro­ päischen Städten ausgetragen. Mit dieser „EURO für Europa“ ermög- licht es die UEFA Verbänden, die kein ganzes Turnier ausrichten können, an der Organisation dieser Veranstaltung teilzuhaben. 26 Ver- bände bewerben sich um ein Paket mit drei Gruppenspielen und einem Achtel- bzw. Viertelfinale. Die Tür- kei bewirbt sich nur um das Final- EM-Bewerbung 2024: Hoffnung auf ein neues „Sommermärchen“. paket, das die Halbfinalspiele und Diagonalpässe 39

das Endspiel umfasst. Der DFB hat, ebenso wie die Verbände Belgiens, Englands, Spaniens und der Ukrai- ne, sein Interesse für beide Pakete mit München als Bewerberstadt angemeldet. Die UEFA-Exekutive wird am 25. September 2014 die Ausrichter bestimmen.

Lehmann und Co. sammeln 100.000 Euro für Kicking Girls

Im Dresdner Glücksgas-Stadion erspielten Prominente aus Sport, Medien und Gesellschaft 100.000 Euro beim zum fünften Mal ausgetragenen­ Laureus-Benefiz- spiel. Mit dabei waren ehemalige „Beste ­sportliche Entwicklung 2013“: . Fußball-Nationalspieler wie , Fredi Bobic, Mario Europas Clubs weiter Club of the Year 2013“ entgegen. ­Basler, Christian Karembeu, Guido unter Kalle Rummenigge Den ECA-Preis für die „Beste Buchwald, Krassimir Balakov und ­sportliche Entwicklung 2013“ Gerald Asa­moah. „Ich freue mich Seit 2008 steht Karl-Heinz Rum­ konnte Borussia Dortmund ent­ sehr, dass wir mit diesem Benefiz- menigge an der Spitze der „Euro- gegennehmen. Juventus Turin spiel eine signifikante Spenden- pean Club Association (ECA)“. ­wurde für die „Beste Jugendarbeit summe für die Kicking Girls ge- ­Dieser ­Tage wurde der Vorstands- 2013“ ausgezeichnet. sammelt haben“, erklärte Jens vorsitzende des FC Bayern Mün- Lehmann. Das bundesweite Projekt chen für zwei weitere Jahre als Kicking Girls unter der Schirm­ Präsident der Interessenver­ Uwe Seeler freut sich über herrschaft der Laureus Botschaf- tretung von 214 europäischen Zugang von Birgit Prinz ter Nia Künzer, Birgit Prinz und ­Proficlubs aus 52 UEFA-Verbän- Jens Lehmann verfolgt das Ziel, den wiedergewählt. Bei der ECA-­ Eine Ausnahmespielerin von Welt- Mädchen mit Migrationshinter- Generalversammlung in Genf nahm klasse war sie. Jetzt ist Birgit grund den Übergang zum benach- der frühere Kapitän der National- Prinz zudem Ehrenspielführerin barten Sportverein zu erleichtern mannschaft für seinen FC Bayern des DFB. Vor der Frankfurterin er- und sie für den Sport zu gewinnen. zudem den Preis als „European hielten erst fünf Persönlichkeiten diese hohe Auszeichnung: Fritz Walter, Uwe Seeler, Franz Becken- bauer, Lothar Matthäus und Bettina Wiegmann. „Ich freue mich sehr, dass Birgit das halbe Dutzend in unserem Kreis voll macht. Sie hat als weltweites Gesicht des Frauen- fußballs riesigen Anteil an der im- mer größer gewordenen Akzeptanz des Frauenfußballs und speziell am ­hohen Stellenwert unserer Frauen-Nationalmannschaft“, sagt Uwe Seeler über den Zugang der zweimaligen Welt- und fünfmali- gen Europameisterin.­ Beim DFB-­ Bundestag in Nürnberg wurde die Rekordnationalspielerin (214 Län- derspiele) und dreimalige „Welt- fußballerin des Jahres“, die 2010 ihre Karriere beendet hatte, im Ok- tober 2013 zur Ehrenspielführerin Spendensammler: Die Ex-Nationalspieler Jens Lehmann und Fredi Bobic. ernannt. 40 Jubiläen / Runde Geburtstage

Runde Geburtstage Jubiläen (In Klammern Anzahl (Spieler mit fünf und der Länderspiele) mehr Länderspielen)

40 Jahre Debütantenball Abschiedsspiel vor 20 Jahren (1993) vor 20 Jahren (1993) René Schneider (1) am 1. Fe­ bruar; (2) am (insgesamt Thomas Doll (insgesamt 47 13. Februar; (13) 72 Länderspiele, Alter und Verein Länderspiele, Alter und Verein beim 1. Länderspiel: 21 Jahre, FC Bayern München) am 10. Juni

­O liver Neuville

am 21. Februar; Christian ­Nerlinger (6) am 21. März; ­ (69) am 1. Mai; Frank Rost (4) am 30. Juni; Tho mas Doll (59) am 27. August; Bernd Schneider Chris tian Ziege beim letzten Länderspiel: 26 Jahre,­ (81) am 17. November. Lazio Rom) am 24. März gegen gegen Brasilien (3:3); Maurizio Schottland (1:0); Gaudino (5, 26 Jahre, Eintracht (17, 32 Jahre, Eintracht Frank- Frankfurt) am 22. September ­ furt) am 22. September gegen gegen Tunesien (1:1); Dieter ­Tunesien (1:1); Michael Zorc Eilts (31, 30 Jahre, Werder (7, 31 Jahre,­ Borussia Dortmund) ­Bremen) am 18. Dezember gegen am 13.Oktober gegen Uruguay die USA (3:0); Stefan Kuntz (5:0); Michael Schulz (7, 32 (25, 31 Jahre, 1. FC ) Jahre, Borussia Dortmund) am am 18. Dezember gegen die USA (3:0). 22. Dezember gegen Mexiko (0:0).

Frank Rost

Bernd Schneider Michael Schulz Jubiläen / Runde Geburtstage 41

Längst vergangen – nicht vergessen: Das schwarze Jahr vor 100 Jahren

Zum Beispiel Eugen Kipp. 1908 begann der Mittelfeldspieler aus Stuttgart beim ersten Länderspiel der DFB-­ Geschichte gegen die Schweiz seine Karriere im Trikot der Nationalmannschaft. 1913 beendete er sie als dama­ liger Rekordnationalspieler gegen Belgien beim 2:6 in Antwerpen mit seinem 18. Einsatz. Was er vor 100 Jahren miterleben musste, war das erfolgloseste Länderspieljahr in den DFB-Annalen: vier Spiele, vier Niederlagen. 0:3 gegen England in Berlin, 1:2 gegen die Schweiz in Freiburg, 1:4 gegen Dänemark in Hamburg und 2:6 gegen Belgien in Antwerpen.

Neben Eugen Kipp ging für 17 weitere Nationalspieler bei jenen vier Spielen vor 100 Jahren die DFB-Karriere zu Ende. Im Jahr darauf gab es im April 1914 in Amsterdam gegen die Niederlande (4:4) nur noch ein weiteres ­Länderspiel. Danach folgte eine sechsjährige Zäsur wegen des 1. Weltkriegs, aus dem zum Beispiel Hermann Bosch, Ernst Möller, Christian Schmidt, Johannes Schneider und Karl Zilgas nicht mehr zurückkehrten. Erst 1920 nahm die Nationalmannschaft mit einem neuen Team um Torwart Heiner Stuhlfauth, Hans Kalb und Tull Harder den Länderspielbetrieb wieder auf.

Abschiedsspiel vor 100 Jahren (1913)

Otto Jungtow (insgesamt Schweiz (1:2), Fritz Förderer 1 Länderspiel, Alter und Verein (11, 25 Jahre, Karlsruher FV) am beim letzten Länderspiel: 20 Jah- 26. Oktober gegen Dänemark (1:4); re, Hertha BSC) am 21. März gegen Karl Zilgas (1, 31, Victoria England (0:3); Otto Löble (4, Hamburg) am 26. Oktober gegen 24 Jahre, ) am Dänemark (1:4); Max Breunig 21. März gegen England (0:3); (9, 24 Jahre, 1. FC Pforzheim) am ­Otto Völker (1, 20 Jahre, 23. November gegen Belgien (2:6); ­Preußen Berlin) am 21. März gegen Gottfried Fuchs (6, 24 Jahre, England (0:3); Hermann Bosch Karlsruher FV) am 23. November Eugen Kipp (5, 22 Jahre, Karlsruher FV) am gegen Belgien (2:6); Julius 18. Mai gegen die Schweiz (1:2); Hirsch (7, 21 Jahre, SpVgg Fürth) Kurt Diemer (4, 20 Jahre, am 23. November gegen Belgien Zahlen und Fakten auf ­Britannia Berlin) am 18. Mai gegen (2:6); Eugen Kipp (18, 28 Jahre, toller CdN-Datenbank die Schweiz (1:2); Fritz Fürst Stuttgarter Kicker) am 23. Novem- (1, 21 Jahre, FC Bayern München) ber gegen Belgien (2:6); Ernst Übrigens: Jedes Mitglied im Club der am 18. Mai gegen die Schweiz Möller (9, 22 Jahre, Holstein Nationalspieler (CdN) kann sich auf (1:2); Paul ­Kugler (2, 23 Jahre, Kiel) am 23. November gegen der Website www.nationalspieler. Viktoria 89 Berlin) am 18. Mai ge- ­Belgien (2:6); Helmut Röp- dfb.de in einem geschützten Bereich gen die Schweiz (1:2), Heinrich nack (10, 29 Jahre, Viktoria einloggen und dort auf einer um­ Mechling (2, 21 Jahre, Frei­ 89 Berlin) am 23. November fangreichen Datenbank viele interes­ burger FC) am 18. Mai gegen die gegen Belgien (2:6); Johannes sante Zahlen und Fakten über die Schweiz (1:2), Christian Schneider (2, 26 Jahre, VfB ­eigene Länderspiel-Karriere und die Schmidt (3, 24 Jahre, Stuttgarter Leipzig) am 23. November gegen anderer Nationalspieler erfahren. Kickers) am 18. Mai gegen die Belgien (2:6). Der DFB wünscht allen CdN-Mitgliedern und ihren Angehörigen ein frohes Weihnachtsfest und einen guten Jahreswechsel. Impressum 43

Herausgeber: Verantwortlich Gastautoren: Deutscher Fußball-Bund für den Inhalt: Oskar Beck, Jörn Schweichler, Otto-Fleck-Schneise 6 Ralf Köttker Roland Zorn 60528 Frankfurt/Main (DFB-Direktor Kommunikation Telefon: (0 69) 67 88-0 und Öffentlichkeitsarbeit) Bildquellen: Telefax: (0 69) 67 88-2 04 dpa, Getty Images, E-Mail: [email protected] Chefredaktion/ Imago Sportfoto www.dfb.de Konzeption: Wolfgang Tobien (c/o DFB) Gesamtherstellung: Projektleiter Club der Braun & Sohn Nationalspieler: Redaktionelle Mitarbeit: Druckerei GmbH & Co. KG Michael Kirchner (c/o DFB) Klaus Koltzenburg, Thomas Dohren Am Kreuzstein 85, 63477 Maintal www.dfb.de | www.nationalspieler.dfb.de