Die Lahnauen bei Mit dem Rad zu Altarmen und Neuseen

Stimmungsvolle Lahn Biologische Vielfalt erleben Natura Trails: Hessens Naturschätzen auf der Spur

Hessen ist bekannt für seine einzigartige Natur und Landschaft mit ihrer Vielfalt, Eigenart und Schönheit. Mittelgebirge, Flussauen, Streuobstwiesen oder auch Dünenlandschaften bieten ein lebenswertes Umfeld und Raum für Erholung. Sämtliche Lebensräume in Hessen sind geprägt durch jahrhunderte­lange Nutzung des Naturraums durch den Menschen. Unter ihnen finden sich sowohl solche, Naturschutzgebiet „Unterm Wolfsberg“, Foto: Rolf Küpper die noch als naturnah anzusehen sind als auch Lebensraumtypen, die erst durch traditionelle Wirt- „Ich möchte wandern an die Lahn, schaftsweisen des Menschen entstanden sind. Alle Wohl an die Lahn zur Stunde, sind Heimat einer beeindruckenden Vielfalt an Tier- Wo auf den Wellen kreist der Schwan, und Pflanzenarten. Wo auf den Dörfern singt der Hahn Mit hoch prophet‘schem Munde.” Viele dieser Land­schaftstypen stehen unter gesetz-­ Georg Weerth lichem Schutz, um sie für zukünftige Generationen zu erhalten, so auch das Natura 2000-Gebiet, an das der hier vorgestellte Natura Trail heranführt. Die Lahnauen bei Marburg Angelegt wurde dieser Natura Trail im Rahmen eines Zwischen Marburg und Gießen (die Entfernung zwi- vom Hessischen Ministerium für Umwelt, Klima­­- schen den beiden Universitätsstädten beträgt etwa schutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ge- 30 km) befinden sich auf einer Fläche von ca. 742 ha förderten Projekts der NaturFreunde Hessen. Natura landwirtschaftlich genutzte Auenlandschaften, die seit Trails machen die biologische Vielfalt erlebbar und 2008 zum Natura 2000-Schutzgebietssystem gehören. regen gleichzeitig zu einem bewussten Aufenthalt in Damit steht dieses breite und offene Flusstal als Vogel­ der Natur an. Zusammenhänge von Natur und schutzgebiet „ zwischen Marburg und Gießen“ Kultur in der Region werden verdeutlicht. unter besonderem Schutz der EU. Das Lebenselement Mit der Verbindung von natur- und umweltverträg- „Wasser“ der recht naturnahen Lahn prägt diese Land­ licher Freizeitgestaltung und der Vermittlung von schaft mit intensiver Landwirtschaft und wenigen Wissenswertem zur Bedeutung der Artenvielfalt ­Ge­hölzen. Eingestreut sind Altarmreste, Röhrichte, leistet das Natura Trail-Projekt einen Beitrag zur Riede, Teiche, Tümpel und Gräben, die Lebensraum Hessischen Biodiversitätsstrategie. für eine Vielzahl von Brut- und Zugvögeln bieten. Die NaturFreunde laden Sie ein, die oft verborgenen­ Der hier beschriebene Radweg führt bewusst nicht Geheimnisse der Natur zu entdecken und die Schön­ mitten hinein, sondern nur an besonders schützenswerte heiten der hessischen Landschaften zu genießen. Biotope heran, um keine Störungen der empfindlichen Tier- und Pflanzenwelt zu erzeugen. Es empfiehlt sich Jürgen Lamprecht Rainer Gilbert jedoch, gelegentlich das Rad abzustellen und die ausge- Landesvorsitzender NaturFreunde Hessen Projektleiter wiesenen Fußwege und Pfade zu nutzen. Diese führen zum Teil direkt bis an die Lahn.

Naturschutzgebiet „Unterm Wolfsberg“ Direkt an der Verbindungstraße zwischen den beiden Ortschaften Ronhausen und Wolfshausen liegt das Naturschutzgebiet „Unterm Wolfsberg“. Es beinhaltet Grünland, Feuchtflächen und einen etwa 600 m langen Flussabschnitt der Lahn. Regelmäßige Überflutungen und ansteigendes Grundwasser sind Voraus­­setzung zur Ansiedlung von Röhricht- und Seggenriedgesell­ ­schaf­- Martinsweiher bei Niederwalgern, Foto: Rolf Küpper ten, Resten von Auenwäldern mit Erlen und Weiden. Feuchte­­liebende Vögel wie z.B. Teich- und Sumpfrohr­ FFH-Gebiet „Lahnaltarm sänger finden hier ideale Brutbedingungen. Etwa ein Drittel der Fläche wird extensiv als Grünland bewirt- von Bellnhausen“ schaftet. Im ca. 16 ha großen FFH-Gebiet findet man die Lebens-­ raumtypen „Weichholzaue“ und „Naturnahe Stillge­ Vom Radweg aus gibt es zahlreiche schöne Einblicke. wässer“. Die durch Lahnbegradigung Ende der 1920er- Das Naturschutzgebiet darf nicht betreten werden. Jahre entstandenen Lahnschlingen weisen überwiegend dichtes Ufergehölz auf, gesäumt von Auenwäldchen. Acker-Grünland-Komplexe Während der Zugzeit finden sich Reiherenten ein. Beutelmeise, Gänsesäger, Zwergtaucher und Eisvogel Die Verbindung zwischen Naturschutz und landwirt­ haben hier ihre Brutplätze. Im Schilf fühlt sich die schaftlicher Nutzung lässt sich gut auf dem Weg zwi­- scheue Wasserralle wohl. Um diese Lebensräume zu er- schen Roth und Bellnhausen erkennen. Trotz groß­ halten, sind die Auenwälder sich weitgehend selbst über- zügiger Weideflächen für Schafe und Rinder finden lassen und somit reich an Totholz. Für die Grünflächen sich auch hinreichend Schutz­ ­besteht ein Verbot für den Einsatz von Dünge- und räume für viele Vogel­arten. Pflanzenschutzmitteln. Silberreiher, Brachpieper, Gold­- regenpfeifer, Kiebitze, Braun- und Schwarzkehlchen­ und Stillgewässer Rebhuhn rasten, brüten oder Entstanden in der Nähe von Kiesentnahmestellen, sind überwintern ent­lang der Wege diese Abbaugewässer wichtige Rückzugsorte für etliche und Gräben, geschützt durch Vogelarten. Uferschwalben finden in den steilen Wänden Altgrasstreifen. Auch die Le­ geeignete Stellen, um ihre Brutröhren zu graben. Fluss-­ bensqualität von Kleintieren regenpfeifer bauen auf Kiesinseln ihre Nester; Reiher­ wird durch das bewusste Ste­ enten nutzen hierfür die Uferbereiche. Auch seltene henlassen von Gras verbessert. Vogelarten wie Flussuferläufer, Kampfläufer, Grün­ Kiebitz (oben), Eisvogel (unten), schenkel, Bekassine und Haubentaucher können wäh­- Fotos: Michael Ellwardt r­end der Zugzeit beobachtet werden. An zwei kleinen Seen, im Volksmund nach einem der Pächter „Martins­ weiher“ genannt,­ wurde eine Vielzahl von Vogelarten nachgewiesen.

Zeiteninsel Wo Lahn und Allna zusammenfließen, stößt man auf eine Erhebung, die über einen Zeitraum von 11.000 Jahren durchgehend besiedelt war. Hier wurde in den letzten Jahren ein Archäologisches Freilichtmuseum er- richtet. Verschiedene Zeitstationen lassen geschichtliche Epochen von der Steinzeit über Bronze- und Eisenzeit bis zum Beginn unserer Zeitrechnung erlebbar machen. Flussregenpfeiffer, Foto: Michael Ellwardt Die Baggerseen des Kieswerks Als aufgewerteter Lebensraum für Fische bilden sich sowohl strömungsberuhigte als auch -be­schleunigte­ Im Lauf der Jahre entstanden eine Reihe von Baggerseen. Bereiche aus, Vögel kommen zur Nahrungssuche­ und Während der größte See intensive Nutzung durch Frei-­ Brut; typische­ Pflanzen der Aue finden neuen Lebens­ zeiteinrichtungen wie Wakeboardanlage und Badestrand raum in den Ufer- und Über­schwemmungsbereichen.­ erfährt, entwickelten sich die südlicher liegenden Ge­­- wässer nach Abbauende durch zum Teil aufwändige Rekultivierungsmaßnahmen zu wertvollen Sekundär­ Planetenlehrpfad biotopen. Einige der Seen sind inzwischen in das Vogel­- Auf dem Planetenlehrpfad, dem ersten der Welt für schutzgebiet integriert. Sie bieten insbesondere den Wat­ Blinde und Sehende, kann man die riesigen Entfernun-­ vögeln zur Zugzeit wichtige Rast- und Nahrungsplätze. gen und gewaltigen Größenunterschiede erleben. Er So können im Winterhalbjahr See- und Lappentaucher führt aus Richtung Süden von der Sonne im Cappeler sowie Meeresenten beobachtet werden. Brutvögel in Feld entlang des Radweges an der Lahn bis zum Pluto diesem Gebiet sind unter anderen Blaukehlchen, Fluss­ an der Bahnhofsbrücke­ in Marburg. Das Sonnensystem regenpfeifer und Uferschwalben. wird im Maßstab 1:1 Milliarde auf einer Strecke von 6 km ab-­­ Gisselberger Spannweite gebildet (1 m im Modell ent­ spricht 1 Mio km in der Wirk­ Zwischen dem Landschulheim Steinmühle und lichkeit); die Erde schrumpft Ronhausen wird die Lahn im Rahmen einer dabei auf Hasel­nussgröße. Ins­ Renaturierungsmaßnahme des Life- gesamt werden neun Planeten Projektes „LiLa - Living Lahn“ vom maßstabsgerecht vorgestellt: ausgebauten und unverzweigten Fluss­ Merkur, Venus, Erde, Mars, lauf in eine flache und weitverzweigte Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun Aue versetzt, in der sich die Lahn unter und Pluto. der Umlagerung von Kiesen, Sanden und Totholz immer wieder neue Wege suchen kann. Blick auf die Zeiteninsel (oben), Planetenlehrpfad (unten), Uferschwalbe, Foto: Michael Ellwardt Fotos: Rolf Küpper Reiherente Natura Trail Foto: Michael Ellwardt

Wegbeschreibung beachten (Umfang 6,80 m). Auf der rechten Seite folgt Kurslänge: 32,5 km das FFH-Gebiet „Lahn­- Schwierigkeit: gering altarm von Bellnhausen“. Bahnhof Marburg-Süd Startpunkt: Die Be­schilderung des Rad-­ Bahnhof Einstiegspunkt: weges führt geradeaus durch Vom Bahnhof Richtung Osten (Baumärkte) in die den Ort. Nach der Fuß­ Berliner Straße. An deren Ende links auf den Lahn­ gängerampel in Richtung Sichertshausen, Gießen radweg abbiegen. fahren. Am Ende von Sichertshausen­ die Straße ge- Die Fahrrad-Rundroute startet in Marburg-Süd und radeaus überqueren. Nach der alten Lahnbrücke der führt auf der östlichen Lahnseite nach Sichertshausen. Beschilderung des Lahnradweges nach , Von dort geht es westlich der Lahn zurück zum Start­ Fronhausen folgen. Die gesamte Rück­fahrt führt ent- punkt. Bis auf 3 km Straße verläuft die Strecke auf lang oder durch das große Vogelschutzgebiet­ zwi- Radwegen. Der Natura Trail zeigt in besonderer Weise, schen Marburg und Gießen. Hier lohnt ein Abstecher wie trotz intensiver Nutzung einer Landschaft durch zum „Martinsweiher“ mit Vogelbeobach­ tungsstation.­ Natura 2000-Schutzgebiete der Lebensraum für viele (bei Roth Straße links Richtung Niederwalgern, kurz bedrohte Pflanzen und Tierarten nachhaltig verbessert vor der Ortseinfahrt rechts). Zurück auf dem Lahn­­ kann. radweg geht es Richtung Argen­stein, an der „Zeiten­ insel“ vorbei. Weiter über Nieder­ (Baggersee Von der Bushaltestelle in die Frauenbergstraße Rich­ mit Einkehrmöglichkeit) Richtung Marburg. Unter dem tung Süden. Nach etwa 300 m – parallel der Bahngleise Projektnahmen „Gisselberger Spannweite“ erfolgen – beginnt der Radweg durch den Stadtteil Cappel. in den kommenden Jahren in diesem Bereich viele Nach etwa 2 km rechts dem Radweg Niederweimar, Strukturverbesserungsmaßnahmen (Hinweisschilder Ronhausen folgen. In Ronhausen die beschilderten beachten). Kurz vor Marburg ist links die „Sonne Radwege verlassen und rechts in die Straße abbiegen, des Planetenlehrpfades“ zu sehen (Infotafel an der vorbei am Ortsausgangsschild­ Ronhausen. Vorsicht! Sonne). Der Radwegbeschilderung Marburg, Süd­ Für ca. 3 km werden öffentliche Straßen genutzt. bahnhof folgen. Die Straße führt am Naturschutzgebiet „Unterm Wolfsberg“ vorbei. Am Ende in die Querstraße links Lahnaltarm von Bellnhausen, Foto: Rolf Küpper abbiegen und für etwa 300 m parallel zur Autobahn fahren. In der Senke geht es links unter der Autobahn durch in den Ort Wolfshausen.­ In Wolfshausen der Hauptstraße durch den Ort folgen. Kurz vor Ortsende links in den Kuhdamm abbiegen. Dem geteerten Weg folgen bis rechts eine Brücke über die Autobahn führt. Auf der rechten Seite durch eine Leitplanke geschützt, die Autobahn überqueren und der Straße nach Roth folgen. Hinter dem Bürgerhaus (an Wochenenden Einkehrmöglichkeit) noch vor der Lahnbrücke links auf den Schotterweg ab­biegen. Nach ca. 1 km nach leichtem Anstieg in der Rechtskurve die „Dicke Eiche“

Rast an der Lahn bei Roth, Foto: Rolf Küpper

Informationen zur NaturFreunde-Ortsgruppe Marburg:

Legende: FFH = Fauna Flora Habitat NSG = Naturschutzgebiet

Bahnhöfe Marburg-Süd und Vogelbeobachtungsstation Fronhausen Martinsweiher Dicke Eiche Zeiteninsel Proviantstation Jung Planetenlehrpfad (Hofladen), Lahnstr. 11

Impressum: NaturFreunde Hessen e. V. (Hrsg.) Grafik-Design: www.eigensein.de Herxheimerstr. 6 Druck: Druckerei Lokay e. K., 60326 Frankfurt am Main Recycling-Papier (Blauer Umwelt- Tel. 069 / 6 66 26 77 engel), Farben auf Pflanzenölbasis [email protected] Gefördert aus Mitteln des www.naturfreunde-hessen.de Hessischen Ministeriums für V.i.S.d.P. Umwelt, Klimaschutz, Landwirt - Jürgen Lamprecht, Vorsitzender schaft und Verbraucherschutz NaturFreunde Hessen e.V. Schirmherrin: Staatsministerin Redaktion: Rainer Gilbert (verantw.) Priska Hinz Konzeption und Text: Rolf Küpper, Fachliche Unterstützung: UNB Stadt Andreas Kunz, Gerhard Pfaff, Marburg, UNB Landkreis Marburg- NaturFreunde Marburg , Hessen-Forst 2017 Kontakt:

Outdooractive Kartografie Geoinformationen © Outdooractive © GeoBasis-DE / BKG 2017 © GeoBasis-DE / BKG Kartografie © Outdooractive Geoinformationen Outdooractive [email protected] Biologische Vielfalt Die Erhaltung unserer Landschaft und der biologi­ schen Vielfalt ist seit jeher ein zentrales Anliegen der NaturFreunde. Als biologische Vielfalt (Biodiversität) bezeichnet man die Vielfalt an Lebensräumen, der Tier- und Pflanzenarten und ihrer genetischen Ausstattung.­

Je größer die biologische­ und damit auch ge­ne­- „Wir können den Ver­ tische Vielfalt ist, umso lust von biologischer leichter gelingt die An­ Vielfalt und von Öko­ passung an Veränderun-­­ systemen nicht einfach gen der Umwelt und somit mit Geld wettmachen. die Sicherung unserer Was zerstört ist, ist Lebensgrund­ lagen.­ Nur zerstört.“ Sandeep Chamling Rai ein intakter Naturhaushalt ist in der Lage, auch zukünftig die notwendigen Ökosystem­ leistungen­ wie frisches Trinkwasser,­ saubere Luft, fruchtbare Böden und Erholung in der Natur zu liefern.

Der Einsatz für biologische Vielfalt ist deshalb kein Selbstzweck, sondern eine Investition in die Zukunft.

Natura 2000 Natura 2000 ist ein europaweites Netz von Schutz­ gebieten zum Erhalt der biologischen Vielfalt. Grund­- lagen dieses Netzwerkes sind die von den Mitglied­staaten der Europäischen Union beschlossene FFH-Richt­- linie (F = Fauna, Tierwelt, F = Flora, Pflanzenwelt, H = Habitat, Lebensraum) und die Vogelschutzrichtlinie. Ziele beider Richtlinien sind Schutz, Pflege und Entwicklung bedeutsamer Lebensräume,­ z. B. Streu­ obstwiesen oder Dünenlandschaften, sowie der dort an- gesiedelten besonderen Tier- und Pflanzenarten.

Die von NaturFreunden ausgewiesenen Natura Trails ­er­möglichen das Kennenlernen von Natura 2000- Ge­bieten im Einklang mit dem Schutz der Natur. Es gilt die Naturschätze vor der eigenen Haustür zu ­entdecken und wertzuschätzen. Küpper Rolf Titelseite: Foto