Wahlrecht Von Geburt An
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...... FORUM Ökologischer Ärztebund Deutsche Sektion der ISDE International Society of Doctors for the Enviroment Bundesgeschäftsstelle, Fedelhören 88, 28203 Bremen, Tel.: 0421/4984251, Fax: 0421/4984252 E-Mail: [email protected] • Internet: http://www.oekologischer-aerztebund.de Wahlrecht von Geburt an In der Kinderagenda für Gesundheit und Umwelt 2001 des licher werden, die Bereitschaft junger Erwachsener, Eltern zu wer- Netzwerks Kindergesundheit und Umwelt - Vorschläge für den, muss gestärkt, und die zahlreichen Probleme und Nachteile eine enkeltaugliche Politik, haben wir u. a. die Einrichtung für Familien mit Kindern müssen abgebaut werden. eines Kinderwahlrechts gefordert. Der in Artikel 38 Absatz 2 des Grundgesetzes festgelegte Aus- Wir haben dies getan, weil wir ein solches Wahlrecht als Vor- schluss der Kinder und Jugendlichen vom Wahlrecht vereitelt aussetzung dafür ansehen, dass in einer Demokratie mit jedoch eine angemessene Berücksichtigung der jungen Genera- demographischer Entwicklung überhaupt eine enkeltaugli- tion im politischen Willensbildungsprozess unserer Gesellschaft che Politik stattfinden kann. und passt weder in die Gesamtsystematik unseres demokrati- Jetzt liegt ein Antrag für den Bundestag vor, in dem die The- schen Ordnung, noch überzeugt er inhaltlich. Das Wahlrecht ist matik so umfassend dargestellt wird, dass wir diesen ein- ein in einer Demokratie unverzichtbares Grundrecht.Wer Kindern schließlich der Begründung hier veröffentlichen. und Jugendlichen das Wahlrecht grundsätzlich weiter vorenthält, Günter Stahl,Vorstand stellt einerseits die prinzipielle Gleichheit der Staatsbürger in Frage und leistet andererseits einer Politik Vorschub, die zu einer Verlagerung von Lasten auf die nächste Generation tendiert. Deutscher Bundestag, Drucksache 15/1544, 15. Wahlperiode Nach Artikel 20 Absatz 2 des Grundgesetzes geht alle Staats- gewalt vom Volk aus und wird vom Volk in Wahlen und Abstim- Antrag mungen ausgeübt. Das Volk gemäß Artikel 20 GG ist das Staats- der Abgeordneten Ingrid Arndt-Brauer, Norbert Barthle, Veronika volk und umfasst alle Deutschen.Dieses Bekenntnis zur Demokra- Bellmann, Lothar Binding, Renate Blank, Angelika Brunkhorst, tie in Artikel 20 GG beschränkt das Volk als primären Träger aller Rainer Eppelmann, Petra Ernstberger, Dr. Hans-Peter Friedrich, Staatsgewalt dem Wortlaut nach also nicht auf die volljährigen Hans-Michael Goldmann, Josef Göppel, Joachim Günther, Dr. Deutschen. Durch die sog. Ewigkeitsgarantie des Artikels 79 Karlheinz Guttmacher, Dr. Christel Happach-Kasan, Klaus Haupt, Absatz 3 Grundgesetz gehört dieser Artikel 20 zu den einer Ände- Martin Hohmann,Dr.Werner Hoyer,Dr.Peter Jahr,Ulrich Kelber,Dr. rung nichtzugänglichen Vorschriften unserer Verfassung. In Heinrich Kolb, Gudrun Kopp, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Artikel 38 Absatz 2 des Grundgesetzes wird allerdings das Wahl- Ina Lenke,Werner Lensing, Markus Löning, Dr. Martin Mayer, Petra recht zum Deutschen Bundestag an die Vollendung des acht- Merkel, Dirk Niebel, Dietmar Nietan, Cornelia Pieper, Dr. Andreas zehnten Lebensjahres gebunden. Kinder und Jugendliche unter Pinkwart, Christa Reichard, Walter Schöler, Swen Schulz, Werner 18 Jahren -und damit 20 Prozent des Volkes - ist so generell ein Schulz,Uwe Schummer,Johannes Singhammer,Dr.Hermann Otto Einfluss auf die Ausübung der Staatsgewaltversagt. Dies zu Solms, Rolf Stöckel, Wolfgang Thierse, Dr. Dieter Thomae, Jürgen ändern, ist eine politische Entscheidung, deren Umsetzung eine Türk, Hans-Jürgen Uhl, Dr. Antje Vogel-Sperl, Dr. Antje Vollmer Änderung von Artikel 38 des Grundgesetzes und weiterer einfa- cher Gesetze bedarf. Dabei sind unterschiedliche Realisierungs- varianten im Detail denkbar. Mehr Demokratie wagen durch ein Wahlrecht von Geburt an Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, einen Gesetzesentwurf zur Einführung eines Wahlrechtes ab Ge- Der Bundestag wolle beschließen: burt durch Änderung des Artikel 38 Grundgesetz und erforder- licher weiterer gesetzlicher Änderungen vorzulegen. Dabei ist ein Der Deutsche Bundestag stellt fest: Wahlrecht ab Geburt dergestalt vorzusehen, dass die Kinder zwar Inhaber des Wahlrechtes werden, dieses aber treuhänderisch von Die demografische Entwicklung in Deutschland gefährdet die den Eltern bzw. Sorgeberechtigten als den gesetzlichen Vertre- Zukunft unserer Gesellschaft.Die Probleme der deutschen Gesell- tern ausgeübt wird. Für den Fall, dass sich die Eltern nicht in der schaft der Zukunft sind nur zu bewältigen, wenn im Genera- Ausübung des Kinderwahlrechts einigen können, sollte eine ein- tionen-Vertrag auch die junge Generation berücksichtigt und fache und beide Elternteile möglichst gleich berechtigende Rege- Kindern und den sie großziehenden Eltern ein ihrer Bedeutung lung vorgesehen sein. für die Zukunft unserer Gesellschaft angemessener Stellenwert eingeräumt wird. Die Gesellschaft insgesamt muss kinderfreund- Berlin, den 11. September 2003 umwelt·medizin·gesellschaft | 17 | 2/2004 ..... 175 FORUM ...... Begründung Unsere Gesellschaft verschiebt finanzielle, soziale und viele ande- re Lasten in die Zukunft und raubt so den künftigen Generationen ihre Zukunftschancen. Wären die Familien mit ihren Kindern und die Kinder und Jugendlichen selbst dank eines Wahlrechts ab Geburt eine bedeutendere politische Größe, bestünde eher die Chance, ihren Interessen im politischen Prozess Geltung zu ver- schaffen. Politische Entscheidungen in der Demokratie sind nicht nur an ihrer sachlichen Notwendigkeit, sondern auch an der Wählerwirksamkeit orientiert. Der gesellschaftliche Generatio- nenvertrag ist nicht zuletzt deshalb auf die Generation der Er- werbstätigen und die Generation der nicht mehr Erwerbstätigen beschränkt, weil die Generation der noch nicht Erwerbstätigen von der Relevanz als Wählergruppe weitgehend ausgeschlossen ist. Höchstrichterliche Entscheidungen der letzten Jahre zeigten die Kinderdelegierte beim UN-Kindergipfel 2002 unangemessene Familienbesteuerung und die Benachteiligung von Alleinerziehenden und Familien mit Kindern in der gesetz- lichen Pflegeversicherung auf. Diese und andere Formen der Benachteiligung von Familien sind keineswegs zwischenzeitlich Dass dennoch Kinder und Jugendliche nach Artikel 38 Absatz 2 rechtlich beseitigt. Die Realität zeigt: Immer noch sind Kinder, ins- GG ausgeschlossen sind, wird damit begründet, dass das Wahl- besondere mehrere, eines der größten Armutsrisiken in Deutsch- recht eine gewisse Beurteilungs- und Verstandesreife des Wahl- land, vor allem für Alleinerziehende. Doch nicht nur die Familien berechtigten voraussetze. Bei Volljährigen wird jedoch diese Be- von heute leiden unter dieser Verteilungsungerechtigkeit, auch urteilungsfähigkeit generell unterstellt, selbst wenn sie im Einzel- die Kinder als die Erwachsenen von morgen finden ihre Interes- fall nicht gegeben sein mag. Insofern wird das Kriterium der sen in der politischen Wirklichkeit derzeit nicht angemessen Verstandesreife keineswegs konsequent angewendet.Im Übrigen berücksichtigt. Eine Generationengerechtigkeit gibt es für Kinder wird die Beurteilungsfähigkeit in unserer Verfassung nicht grund- schon lange nicht mehr. sätzlich zur Voraussetzung für die Gewährung von Grundrechten Dabei ist aufgrund der demografischen Entwicklung von einer gemacht, so beispielsweise bei den Rechten nach Artikeln 1 bis 3. weiteren erheblichen Verschlechterung der politischen Interes- Die Rechtsfähigkeit nach § 1 BGB beginnt mit der Vollendung der senvertretung der jungen Generation auszugehen. Der Einfluss Geburt, auch wenn die volle Geschäftsfähigkeit erst mit der Voll- von Familien auf politische Entscheidungen wird aufgrund ihres jährigkeit beginnt. Das Problem des Auseinanderfallens von abnehmenden Bevölkerungsanteils noch weiter zurückgehen. Rechtsinhaberschaft des Kindes bei gleichzeitiger Unfähigkeit, Bevölkerungswissenschaftler erwarten, dass um das Jahr 2030 diese Rechte selbst auszuüben, ist in § 1626 BGB gelöst: Sofern es jeder dritte Bundesbürger 60 Jahre und älter sein wird. Wir kön- erforderlich ist, nehmen die Eltern als Personensorgeberechtigte nen die Zukunft der Familien und damit unserer ganzen Gesell- die Rechte ihres Kindes in dessen Interesse wahr. Entsprechendes schaft nur sichern, wenn wir den Familien die Chance geben, auf sollte beim Wahlrecht von Geburt an gelten. Eltern sollten bei der politische Entscheidungen stärker Einfluss zu nehmen als bisher. Ausübung des Wahlrechtes in Stellvertretung ihres Kindes dessen Aufzuheben ist dieser Mangel im politischen System nur durch wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes die Ausweitung der politischen Repräsentation auf die junge zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln berück- Generation, der diese bislang vorenthalten bleibt. In politischen sichtigen. Die Wahlentscheidung sollte von den Eltern, soweit es Entscheidungsprozessen stiegen mit dem Wahlrecht ab Geburt nach dem Entwicklungsstand des Kindes angezeigt ist, mit dem die Chancen familien- und kinderfreundliche Politik durchzuset- Kind besprochen werden. zen. Die politischen Parteien würden ihr Handeln deutlicher als Der allgemein anerkannte Grundsatz der Höchstpersönlichkeit jetzt auf diese Wählergruppen ausrichten. der Wahl kann beim Wahlrecht ab Geburt nicht gewährleistet Dabei ist - anders als bei anderen Überlegungen zur Ausweitung werden, ist aber auch nicht ausdrücklich in der Verfassung veran- des Wahlrechts - nicht von einer grundsätzlichen Verschiebung kert. Die Höchstpersönlichkeit wird auch in der heutigen Praxis