Editorial Inhalt

nicht ausgereift ist. Dies kennen wir ja auch vom Fußball. Da das Spiel immer schneller wird und der Mensch an gewisse Grenzen bei der Beurteilung von Situationen (insbesondere bei Tor- oder Nicht-Tor-Szenen) stößt, hat UEFA-Prä- sident Michel Platini in verschiedenen Juni- oren-Turnieren jeweils einen zusätzlichen Schiedsrichter neben den Toren testen lassen. Der freie Journalist Rainer Kalb hat ein Turnier auf Zypern besucht und schildert seine interes- santen Ansichten zu diesem Experiment. Eugen Strigel geht wieder einmal in seinen bewährten Lehrbeispielen auf verschiedene Vorfälle in den letzten Spielen der Hinrunde 2008/2009 ein. Bei dieser Gelegenheit möchte ich einmal besonders betonen, dass diese Schil- Titelthema derungen vor allem einer einheitlichen Regel- Wie ist das denn nun Der Pionier auslegung in allen Ligen dienen und sich nicht auf den einzelnen Schiedsrichter fokussieren. mit den Emotionen? 4 Wenn sich allerdings Schiedsrichter in den Mittelpunkt stellen, können wir nicht einfach Analyse Rudi Michel zur Tagesordnung übergehen. Unsere Aufgabe besteht allein darin, die Spiele entsprechend Doppel-Gelb – so etwas ist Zirkus 6 den Regelbestimmungen „über die Bühne“ zu unächst darf ich allen Leserinnen und bringen und nicht irgendwelche Showeffekte zu Jubiläum ZLesern unserer DFB-Schiedsrichter-Zeitung produzieren. Eine Feier mit Überraschungseffekt ein gesundes und erfolgreiches 2009 wün- 10 schen. Die Anforderungen an die Aktiven in Futsal hat lange Zeit in Deutschland (im Gegen- allen Klassen werden auch in diesem Jahr satz zu vielen anderen Ländern) keine Panorama 12 sicher nicht einfacher. Gemeinsam mit den ver- besonders große Rolle gespielt. Deshalb haben schiedenen Ausschüssen und Gremien werden wir den Sportjournalisten Andreas Burkhardt, Report selbst auch Schiedsrichter, gebeten, sich ein- wir diese Herausforderungen zu meistern wis- Schiedsrichter im Futsal – sen, befindet sich doch unser Ausbildungsniveau mal mit der Situation bei uns zu befassen. auf einem sehr hohen Stand. Immerhin stellt der DFB zwei FIFA-Schiedsrich- hat das Zukunft? 14 ter für den internationalen Bereich, wobei Ende des Jahres erreichte die Öffentlichkeit Stephan Kammerer mittlerweile über einige Regel-Test die Nachricht, dass der Sport-Journalist Rudi internationale Erfahrung verfügt und Stefan Michel im Alter von 87 Jahren verstorben ist. Weber, der zum Ende letzten Jahres als Aktiver Wenn der Stürmer spitzelt 17 Ich habe viele Fernsehübertragungen dieser ausgeschieden ist, sich zukünftig in der Beob- Reporter-Legende verfolgen können. Seine achterdomäne bewegen wird. Lehrwesen Bemühungen, objektiv und keineswegs am eigenen Interesse orientiert zu berichten, Der Lehrbrief Nr. 23 (!) des DFB, der an alle Auswechseln ist doch ganz haben mich stets fasziniert. Wir konnten ihn Lehrwarte im DFB-Gebiet verschickt wird und einfach, oder? 18 einige Male in unseren Lehrgängen begrüßen, für die qualifizierte Arbeit auf allen Ebenen sehr hilfreich ist, beleuchtet Vorgänge beim und ich erinnere mich an einen beeindrucken- Wettbewerb den Vortrag, in dem er nachwies, dass je nach Auswechseln (Ist doch ganz einfach, oder?). Position der Kamera eine andere Bewertung Günther Thielking und Carsten Voss, denen ich Immer weitermachen 21 der Situation zu Tage treten kann. Zur damali- bei dieser Gelegenheit zu Beginn des neuen Jahres für ihre intensive Arbeit ebenso danke gen Zeit eine wirkliche Pionierarbeit. Report wie allen in den unterschiedlichsten Ausschüs- Viele Zuschauer gehen in die Stadien, um sen Tätigen, befassen sich mit den wichtigsten Zwei Assistenten mehr – attraktiven Fußball zu sehen und dabei unter Aspekten. ist das die Lösung? 22 anderem Emotionen auszuleben. Sicher sind Ich wünsche Ihnen allen viel Freude beim Lesen diese auch bei den Akteuren vorhanden, das und würde mich über gelegentliche Meinungs- Interview muss auch so sein. Aus meiner Sicht sind aber äußerungen zu den verschiedenen Themen nicht alle Handlungen auf dem Platz in die Gespräch der Generationen 24 freuen. Kategorie „Emotionen“ einzuordnen, es kann schnell zu „Aggressionen“ kommen. Ich habe Report mich auf den folgenden Seiten mit der Frage „Wie oft kommt man schon befasst, wie ein Schiedsrichter unter diesem Mit freundlichem Gruß Aspekt agieren muss. zu einer WM?“ 28 Auf unserer „Panorama“-Seite ist zu lesen, dass kurz vor der Handball-Weltmeisterschaft in Kro- Blick in die Presse 30 atien die geplante Einführung des „Balles mit Chip“ verschoben wurde, weil die Technik noch Aus den Verbänden 32

Dieser Ausgabe ist ein Prospekt der Firma Allzweck-Sportartikel beigeheftet. Wir empfehlen, zur Durchsicht diesen Teil herauszunehmen. SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2009 3 Titelthema Wie ist das denn nun mit de

In seinen „Ansichten“ beleuchtet Volker Roth den Begriff, der heute als Alibi für jede Art von Gefühls muss. Und er untersucht die Frage, ob Schiedsrichter sich nicht zu viel gefallen lassen.

enn man einige der letzten FIFA-Spielen, nicht erlaubt und ich WSpiele der Hinserie 2008/2009 Hier überschreitet der Spieler eindeutig die hätte eigentlich die Gelbe Karte in den europäischen Spitzenligen Grenze zwischen tolerierbarer Emotion zücken müssen. Was ich aber näher analysiert, fällt ein Phäno- und einer Aggression, die eine deutliche unterließ. Deshalb unterließ, weil men auf, das ich in dieser Inten- Reaktion des Schiedsrichters verlangt. ich den Sinn dieser speziellen sität bislang nicht beobachtet (eben nur für UEFA-Spiele gelten- habe: Aggressivität. den) Anweisung nicht einsah. Das sah der Beobachter, der mir eine Moment mal, werden Spieler, Trai- nicht so berauschende Note ver- ner, Manager, einige Journalisten passte, offensichtlich anders. Ich sagen, das sind Emotionen, die so hab’s „überlebt“, diese Anweisung zum Fußball gehören, wie ein Fisch wurde übrigens etwas später wie- zum Leben Wasser benötigt. Wür- der zurückgenommen. gen, Ellbogeneinsätze, Fouls, die teilweise vorsätzlicher Körperver- Was ich damit sagen will, ist ein- letzung nahekommen, Schläge ins fach: Niemand wird Emotionen, die Gesicht des Gegners, unkontrollier- Freude ob eines Erfolges aus- tes Benehmen gegenüber dem drücken, unterbinden wollen. Das Schiedsrichter oder seinen Assis- gehört zum Spiel. Nun weiß ich tenten, unakzeptables Verhalten natürlich auch, dass meine Kritiker von Personen auf den Ersatzbän- sofort kommen und die Beispiele ken – alles nur Emotionen? Nicht mit den ausgezogenen Trikots mehr? Ich meine, dass man die und/oder dem Klettern auf Zäune Sache nicht so einfach sehen kann, anführen. Nur sind solche emotio- denn hier könnte sich eine Ent- nalen Demonstrationen (wegen wicklung anbahnen, die dem Image der Einheitlichkeit der Fußball- des Fußballs nicht dienlich ist. Regeln auf der gesamten Welt) Kommen wir zurück zum Fußball. Die Frage, die sich mir dabei stellt, anders zu bewerten. Nun ist unbestritten, dass Emotio- Viele Zuschauer gehen in die Sta- liegt auf der Hand: Wie weit kann nen in allen Bereichen mensch- dien, um in der Gemeinschaft ein Schiedsrichter das Verhalten Wenn man nämlich berücksichtigt, lichen Lebens vorhanden sind – Emotionen auszuleben, wobei eines Akteurs als Emotion tolerie- dass es in Teilen der Welt gegen Gefühlsregungen, die sich bei- selbstverständlich nicht die glück- ren, wie muss er agieren, damit es religiöse Empfindungen verstößt, spielsweise als Freude oder aber licherweise geringe, gleichwohl auf dem Platz zu einem geregelten sich mit entblößtem Oberkörper zu auch als Ärger ausdrücken. Nach unakzeptable Anzahl von Chaoten Miteinander kommt? Nun kann zeigen beziehungsweise Bilder Meinung manches Philosophen eingebunden ist. Man kann sich man ohne Übertreibung feststel- gesehen hat, wie einem Spieler der sind Emotionen ein grundlegender als Fan über die Erfolge der eige- len, dass die meisten Spiele ohne Finger beim Besteigen eines Zaunes Bestandteil menschlichen Lebens, nen Mannschaft freuen oder aber größere Probleme über die Runden abgerissen wurde oder wie die ohne Emotionen wäre ein men- sich ärgern, wenn etwas gegen die gehen, wobei ich keinesfalls auf jubelnde Zuschauermenge gegen schenwürdiges Dasein gar nicht eigenen Erwartungen verläuft. Das „Fußspitzen-Abseits-Situationen“ den Zaun gedrückt wurde, weil denkbar (so Michael Stocker und ist einer der Reize des Fußballs. eingehe, die ach so gern für Feh- jeder die Hand des erfolgreichen Elizabeth Hegeman in „Valuing Bei den Akteuren auf dem Rasen leranalysen herangezogen werden. Schützen berühren wollte, wird man Emotions“, Cambridge: University hingegen geht es hauptsächlich Ich erinnere mich an eines meiner die Sache wohl anders beurteilen Press 1996). Es ist natürlich nicht um den Gewinn von drei Punkten. EM-Spiele, in dem das Siegtor zum und wahrscheinlich auch verstehen. meine Intention und schon gar Da kann man teilweise brillante 1:0 für den Favoriten erst kurz vor nicht meine Aufgabe, auf philoso- Einzelleistungen sehen oder die Schluss erzielt wurde. Natürlich Also, wie ist das denn nun mit den phische Aspekte einzugehen. Mit perfekte Umsetzung eines takti- war der Jubel groß, der Spieler Emotionen? Der Psychologie-Pro- dem Hinweis darauf sollte lediglich schen Konzepts. Aber auch Situa- verließ vor lauter Freude den Platz, fessor Georges Steffgen hat in sei- angedeutet werden, dass sich hin- tionen, die nicht zum Fußball gehö- um mit den eigenen Zuschauern nem mit Professor Mario Gollwitzer ter dem Wort „Emotion“ ein wenig ren – leider und fälschlicherweise diesen Erfolg zu feiern. Allerdings verfassten Buch „Emotions and mehr verbirgt, als gemeinhin manchmal als Emotionen interpre- war dies zur damaligen Zeit bei Aggressive Behavior“ (Hogrefe angenommen. tiert. UEFA-Spielen, im Gegensatz zu Verlag, Göttingen) aus meiner

4 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2009 Wenn der Ausgleich in der 90. Minute gelingt, sind fast immer besondere Jubelszenen die Folge – mit einer völlig unaggressiven Art n Emotionen? von Emotion. ausbruch auf und auch neben dem Platz herhalten

Sicht trefflich formuliert, dass mung wäre das Tor nie und nim- „Emotionen mehr als nur Begleit- mer gefallen. Der Schiedsrichter erscheinungen von Aggressionen war über seine gelungene Aktion sind. Sie können Aggressionen dermaßen begeistert, dass er nach auslösen, verstärken, mindern der Torerzielung einen Luftsprung oder sogar Ziel aggressiven Ver- machte. Das hätte er lieber nicht haltens sein.“ Genau dies kann auf getan; denn natürlich wurde das Situationen im Fußball zutreffen. aus dieser Szene resultierende Wenn beispielsweise Personen auf Video auf der ganzen Welt (im den Ersatzbänken hochspringen Wege der Globalisierung gibt es gleichen Zeit? Wollte dieser len bei dieser Gelegenheit noch- und wegen irgendeiner Entschei- auch für Schiedsrichter keine Schiedsrichter einen Gag landen, mals vor Augen führt, so muss ich dung und/oder Aktion regelrechte Nischen mehr, alles wird überall oder wollte er seinen Ärger über dessen positives Verhalten erneut „Veitstänze“ aufführen, dann kann und sofort gezeigt) als Ausdruck die Spielweise zweier gegnerischer loben. Dass der Angegriffene in es zu Affekthandlungen kommen, der Parteilichkeit des Unpartei- Spieler damit deutlich zum Aus- diesem Moment sicherlich starke die nicht oder nur noch in gerin- ischen interpretiert. Vollkommen druck bringen? Jedenfalls war Emotionen verspürte, dürfte klar gem Maß kontrollierbar sind. Oder irrational, aber wirkungsvoll. Der diese Szene in verschiedenen sein. Dass er diese jedoch nicht in wenn ein Spieler nach dem Erhalt Schiedsrichter hatte einige Mühe, Medien der „Renner der Saison“. Aggressionen hat umschlagen einer Roten beziehungsweise seine wirklichen Beweggründe zu Ich möchte allerdings auch an die- lassen – bemerkenswert. Gelb/Roten Karte in bodenloser „beweisen“. ser Stelle betonen, dass diese Art Wut auf den Schiedsrichter los- des Ausdrucks von Emotionen Damit ich nicht falsch interpretiert stürmt und ihn anschreit, dann Natürlich ist auch klar, dass sich einem Schiedsrichter im Profibe- werde, sei nochmals betont, dass kann man nicht mehr von Emotio- Schiedsrichter und/oder Assisten- reich schlecht zu Gesicht steht. Emotionen im Fußball existieren nen sprechen. In diesen Fällen ten über das Benehmen von Spie- Und natürlich wurden wir von ver- müssen und für mich als Ausdruck liegt einzig und allein Aggressi- lern oder Personen auf den Ersatz- schiedenen ausländischen von Freude auch überaus positiv vität vor, die nicht geduldet wer- bänken ärgern. Vor einiger Zeit Schiedsrichter-Verantwortlichen sind. Allerdings dürfen sich dahin- den kann. Es müssen eindeutige war es Mode geworden, dem befragt, ob diese Art der Präsenta- ter nicht Hemmungslosigkeit und und klare Maßnahmen getroffen Schiedsrichter „unflätige“ Aus- tion von Gelben Karten die neue mangelnde Einsicht verstecken. werden, wie etwa Verweise auf die sprüche gegenüber Spielern zu Lehranweisung des DFB sei. Sehr Wenn aus Emotionen Aggressionen Tribüne oder statt einer Gelb/ unterstellen. Es kam gar zu Sport- erfreulich… entstehen, wenn den Spielleitern Roten direkt eine Rote Karte. Wenn gerichtsverhandlungen und nicht mehr zugestanden wird, dass man ohne jegliche Reaktion zur Bestrafungen, da andere Spieler Oder wie ist das denn mit den sie Fehler machen, ohne dass damit Tagesordnung übergeht, kann es zu die Aussagen bestätigten. Seit wir Emotionen des Vierten Offiziellen? irgendeine unlautere Absicht ver- unübersehbaren Konsequenzen den Schiedsrichtern geraten Bekanntlich sind seit seiner Ein- bunden ist, oder wenn man immer kommen. Von der immer wieder haben, bei möglichen verbalen führung in der die Ver- nur „sein“ eigenes und vermeint- reklamierten Vorbildfunktion einmal Konfrontationen die Pfeife im weise von Personen auf den lich vorhandenes Recht reklamiert, ganz abgesehen. Mund zu behalten, sind diese Ersatzbänken aus dem Innenraum dürfte ein Punkt erreicht sein, an Unterstellungen unterblieben. drastisch zurückgegangen. Das ist dem solche Verhaltensweisen Nun muss natürlich eine weitere Beleidigungen sind so ja wohl auch gut so. Wenn man allerdings gestoppt werden müssen. Frage aufgeworfen werden. Wie ist kaum möglich. Schon immer haben die Berichte im Fernsehen genau das denn mit den Emotionen der wir die Schiedsrichter darauf hin- verfolgt, sind die verbalen Attacken Schiedsrichter sind im Allgemei- Spielleiter? Dürfen diese Freude gewiesen, Gespräche mit Spielern gegen die Unparteiischen aus die- nen nicht zu empfindlich. Es kann oder auch Ärger zeigen, oder müs- während des Spiels zu minimieren ser Richtung weiterhin vorhanden. aber nicht akzeptiert werden, dass sen sie ihre Entscheidungen ohne und stets auf das moderate „Du“ Die Vierten Offiziellen sind jedoch die persönliche Integrität durch jegliche wahrnehmbare Regung zu verzichten. Das formelle „Sie“ geschult, deeskalierend zu wirken „gelebte“ Aggressionen angetastet treffen? Ich erinnere mich an ein schafft eine gewisse Distanz, lässt und nicht alle Äußerungen aus wird. Wer als Unparteiischer Spiel in den Niederlanden. Da war Emotionen oder gar Aggressionen dem Umfeld der Bänke zur Kennt- zulässt, dass seine Würde auf dem ein Tor erzielt worden, nachdem beim Schiedsrichter normaler- nis zu nehmen. Das funktioniert ja Platz nicht gewahrt bleibt, ist ein der Schiedsrichter einen wirklich weise erst gar nicht entstehen. auch recht gut. Wenn man sich den schlechtes Vorbild. Emotionen, großartigen Vorteil gewährt hatte. (glücklicherweise bislang einmali- wie ich sie interpretiere, sehen Ohne diese für mich sensationelle Oder wie ist denn das nun mit dem gen) körperlichen Angriff eines anders aus. Anwendung der Vorteilbestim- Zeigen von zwei Gelben Karten zur Trainers auf einen Vierten Offiziel- ■

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2009 5 Analyse Doppel-Gelb – so etwas Wenn Schiedsrichter nach dem Spiel im Mittelpunkt stehen, dann hat das leider selten etwas Gutes zu 2. Bundesliga – Eugen Strigel geht in seinen Lehrbeispielen aus dem Profifußball auch auf die beispiello

13. Spieltag Foto 2 Trainer musste auf die Tribüne Mit dem 13. Spieltag setzen wir unsere Analyse der Bundesliga- saison 2008/2009 fort.

Nach den „Unruhen“ des 12. Spiel- tages (siehe Ausgabe 6/2008) schien es zunächst so weiterzuge- hen. Im Freitagsspiel Hannover 96 gegen den VfL Bochum (1:1) ver- wies Schiedsrichter Michael Kemp- ter den Gästetrainer Marcel Koller in der 82. Minute von der Bank. Im Fernsehbild war der Gesamtablauf nicht erkennbar. Aber Marcel Koller hatte während des Spiels mehr- fach Schiedsrichter-Entscheidun- gen kritisiert und wurde deswegen aus dem Innenraum auf die Tribüne verwiesen.

Auch bei Spielen in unteren Klas- sen kann ein Trainer von der Bank verwiesen werden, wenn er sich nicht sportlich verhält und bei- spielsweise wiederholt Schieds- richter-Entscheidungen kritisiert oder einen Schiedsrichter oder Assistenten beleidigt. Der Ablauf ist dann so, dass der Schiedsrich- ter, nicht der Assistent oder Vierte Offizielle (den es ja bisher bei uns nur in der Bundesliga gibt), den Die übertriebene Aktion, mit der sich Schiedsrichter Thomas Metzen zum Mittelpunkt des Trainer aus dem Innenraum ver- Spiels machte. Und damit das Gegenteil dessen bewies, was nicht nur von einem Top-Schieds- weist. Dies muss in sachlicher und richter erwartet wird: Augenmaß und Zurückhaltung. ruhiger Form erfolgen. Ein Verweis mit womöglich übertriebener den Assistenten erfolgen. Das ist darauf hin, im Bereich der Coaching- die Einführung eines Vierten Offi- Gestik und aus großer Entfernung auch wichtig für die Außenwir- Zone ruhig und sachlich zu amtie- ziellen an. Bisher muss dessen dient nicht der Sache. kung, denn dann ist jedem im ren und ihr Augenmerk darauf zu Funktion ja praktisch der Assistent 1 Umfeld klar, dass der Trainer (oder richten, eine Situation nicht eska- wahrnehmen, der dadurch zu oft Natürlich soll es auch so sein, dass auch ein anderer Offizieller) bei lieren zu lassen (Foto 1). In den von seinen Aufgaben im Spiel abge- der Trainer vor einer solchen einer weiteren Verfehlung die Bank allermeisten Fällen gelingt dies in lenkt wird. Bestrafung in ruhiger Form ange- verlassen muss. Wichtig, weil es der Bundesliga unseren Vierten sprochen wird, wobei ihm deutlich immer mal wieder falsch gemacht Offiziellen auch ausgezeichnet. Die Die Samstags- und Sonntags- gemacht werden muss, dass er im wird: Gelbe und Rote Karten wer- richtigen Worte zur rechten Zeit Begegnungen dieses Spieltags Wiederholungsfall mit einem Ver- den nur Spielern gezeigt! bewirken, dass nur in ganz wenigen brachten dann keine „Aufreger“ weis rechnen muss. Dieser ein- Fällen Trainer auf die Tribüne ver- mehr, sondern wurden ruhig und dringliche letzte Hinweis soll durch Wir weisen die Assistenten und wiesen werden müssen. Daher stre- souverän über die Bundesliga- den Schiedsrichter und nicht durch Vierten Offiziellen immer wieder ben wir auch für die 2. Bundesliga Bühne gebracht.

6 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2009 ist Zirkus Foto 1 bedeuten. So war es auch am 14. Spieltag der se Szene aus dem Spiel Mainz gegen St. Pauli ein.

Josef Maier richtig, denn Bellaid hatte den Ball gespielt.

Regeltechnisch war die Zurück- nahme des Strafstoßes in Ordnung. Aber so weit sollte es gar nicht erst kommen. Eine kurze Blickver- bindung vor dem Pfiff muss bei einem eingespielten Team genü- gen. Das bedarf sicherlich einer So soll es sein: Ohne Hektik wirkt der Vierte Offizielle Dirk Mar- schnellen Reaktion bei beiden, genberg beruhigend auf Bochums Trainer Marcel Koller ein. aber dann ist innerhalb weniger Momente die „abgestimmte“ und ler Bruns hatte sich bei einem Frei- Auch an diesem Wochenende gab es richtige Entscheidung gefällt. Pas- stoß für Mainz vor den Ball die regeltechnisch interessanteste siert es aber häufiger in der hier gestellt. Daraufhin schoss der Situation in der 2. Bundesliga zu geschehenen Weise, werden die Mainzer Karhan den Ball absicht- sehen. Schiedsrichter Thorsten Spieler immer öfter versuchen, mit lich und mit voller Wucht gegen Schriever gab im Spiel Kaiserslau- ihren Protesten den Schiedsrichter Bruns’ Körper. Das war eine ein- tern gegen Aachen (1:1) kurz vor zum Gang zu seinem Assistenten deutige Rote Karte! Statt mit Dop- der Halbzeitpause einen Strafstoß zu „zwingen“. Eine solche Ent- pel-Gelb zu hantieren, wäre es für die Gastgeber. Unmittelbar vor wicklung würde der Autorität des richtig gewesen, zunächst dem dem Strafraum wurde ein Lauterer Schiedsrichters und damit dem Verursacher Bruns die Gelbe Karte Angreifer gefoult. Schriever ließ Spiel allgemein schaden. zu zeigen und anschließend Kar- zunächst Vorteil laufen, denn der han mit „Rot“ des Feldes zu ver- Ball gelangte zu einem Mitspieler, Im Mittelpunkt dieses Spieltags weisen. Noch besser hätte der der dann mit seinem Schuss am stand allerdings die nicht zu Schiedsrichter agiert, wenn er Torwart scheiterte. Nach dieser akzeptierende Aktion eines sofort eingegriffen und Bruns für Abwehraktion entschied der Schiedsrichters in der 2. Bundesli- seine Unsportlichkeit „Gelb“ gezeigt Schiedsrichter auf Strafstoß – und ga. Beim Spiel Mainz gegen St. Pauli hätte. Dann wäre es zu der folgen- beging damit einen „Doppelfeh- (2:2) zeigte Thomas Metzen zwei den „Tätlichkeit“ mit dem Anschie- ler“. Zum einen fand das Foul Spielern gleichzeitig je eine Gelbe ßen gar nicht erst gekommen. Prä- außerhalb des Strafraums statt, Karte, die er in den beiden Brust- ventives Wirken ist immer sinnvoll daher hätte es nur einen Freistoß Taschen seines Trikots stecken und vermeidet oft größeren Ärger. geben dürfen. Zum anderen ist es hatte (Foto 2). So etwas ist „Zir- aber auch so, dass nur dann 14. Spieltag kus“ und nicht vereinbar mit den 15. Spieltag „nachgepfiffen“ werden kann, Doppel-Gelb: Anweisungen. Muss ein Schieds- Kein „Nachpfeifen“ wenn innerhalb weniger Sekunden So etwas ist „Zirkus“ richter zwei Spieler in derselben bei eingetretenem Vorteil der Vorteil nicht eintritt. Das war Diese Unaufgeregtheit galt auch Szene verwarnen, so zeigt er An diesem Spieltag wurde lediglich – hier allerdings der Fall, der Vorteil für die Spiele am darauffolgenden zuerst dem einen und dann dem und zum wiederholten Mal – über konnte vom Stürmer lediglich Wochenende. Als Lehrbeispiel anderen die Gelbe Karte. Die Rei- einige Handspiele diskutiert. Da nicht genutzt werden – Pech für interessant war eine Situation im henfolge ist dabei dem Schieds- allen Beteiligten bekannt ist, dass die betroffene Mannschaft. Der Spiel Eintracht Frankfurt gegen richter überlassen. Entweder nur absichtliche Handspiele Schiedsrichter kann jetzt regel- Hannover 96 (4:0): Schiedsrichter erhält der Spieler zuerst „Gelb“, geahndet werden dürfen, gehen technisch nicht mehr eingreifen Günther Perl entschied auf Straf- der das erste Vergehen beging die Meinungen über „absichtlich“ und einen Freistoß oder Strafstoß stoß für die Gäste (82.). Er sah ein oder derjenige, der dem Schieds- oder „unabsichtlich“ oft weit aus- verhängen. Foulspiel von Bellaid gegen Hanke. richter am nächsten steht. einander – je nachdem, in welcher Nach Rücksprache mit seinem Weise die eigene Mannschaft Dass die Lauterer diesen unge- Assistenten nahm er den Strafstoß Die Gelben Karten in dieser Weise davon betroffen ist. Unsere Auf- rechtfertigten Strafstoß dann ver- zurück und setzte das Spiel mit zu zeigen, war bei dieser Szene lei- gabe bleibt es, die Auslegung so schossen, war das Glück, das ein Abstoß fort. Nach den Fernsehbil- der nicht der einzige Fehler des weit wie irgendmöglich zu verein- tüchtiger Schiedsrichter auch mal dern zu urteilen, lag Assistent Schiedsrichters. Der St.Pauli-Spie- heitlichen. braucht…

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2009 7 Analyse

Foto 3

16. Spieltag Leider eine klare Rote Karte übersehen Beim Spiel Karlsruher SC gegen Werder Bremen (1:0) gab es kurz vor Schluss eine hektische Szene. Nach- dem Pizarro im KSC-Strafraum zu Fall kam und der Ball ins Aus rollte, wurde der Bremer von Gegenspieler Stoll „zur Rede gestellt“, weil der Ohne den Ball spielen zu können, reißt Torwart Fernandes den Frankfurter Fenin zu Boden. eine „Schwalbe“ von Pizarro vermu- Obwohl das Foul seitlich im Strafraum geschah, besaß der Stürmer eine glasklare Torchance… tete. Der Stürmer schlug dem Karls- ruher mit der rechten Hand leicht …wie dieses Bild aus der Totalen zeigt. Kein Abwehrspieler hätte Fenins Lauf auf das leere Tor ins Gesicht. „Rot“ war dafür selbst- verhindern können. verständlich angebracht. Bedauer- lich war dann allerdings, dass das Foto 4 noch gravierendere „Halswürgen“ von Diego gegen Eichner übersehen wurde. Denn das wäre ebenfalls „Rot“ gewesen. Obwohl sich diese zweite Situation ganz in der Nähe der ersten Szene abspielte, wurde sie leider vom gesamten Schieds- richter-Team nicht wahrgenommen, weil alle gleichzeitig den Feldver- weis für Pizarro notierten, wie der Schiedsrichter hinterher einräumen musste. Damit so etwas nicht pas- siert, muss es eine klare Absprache geben, wer in solchen Szenen was wann zu notieren hat.

Im Spiel Eintracht Frankfurt gegen den VfL Bochum (4:0) ging es ein- mal mehr um eine „Notbremse“. Gäste-Torhüter Fernandes spielte waren, handelte es sich um eine Abseits. Er ging mit seinem rech- garter Träsch nicht voll getroffen den Ball in der 5. Minute seinem eindeutige Torchance. Sie hätte ten Fuß zum Ball, verfehlte ihn wurde und hinterher weiterspielen Gegenspieler Fenin in die Beine. ohne das Foulspiel aller Voraus- allerdings knapp. Da dies aber nur konnte. Bei solchen Tritten können Als ihn daraufhin Fenin umspielt sicht nach zu einem Torerfolg zwei Meter vor Torhüter Lehmann schlimme Verletzungen entstehen. hatte, packte Fernandes zu und geführt (Foto 4). geschah, griff Klose ins Spiel ein. riss den Frankfurter um (Foto 3). Ein Abseitspfiff wäre die richtige Zum dritten Mal kritisch wurde es Der Torwart hatte keine Möglich- 17. Spieltag Entscheidung gewesen. in der 90. Minute beim 2:2-Aus- keit, den Ball zu spielen. Sein Kritische Szenen gleich für Stuttgart. Torhüter Ren- Angriff galt ausschließlich dem bei Topspielen Die nächste kritische Situation war sing fühlte sich in seinem Torraum Gegenspieler. Schiedsrichter Mar- Am letzten Spieltag vor der Winter- der Feldverweis für den Bayern- unfair behindert. Der Torraum ist kus Schmidt zeigte Fernandes die pause gab es im Spiel VfB Stuttgart Verteidiger Oddo. Für mich war die zwar ein „Schutzgebiet“ für den Rote Karte. Der Tatort war zwar am gegen Bayern München (2:2) einige Entscheidung eindeutig richtig, Torhüter, in dem er von einem Rande des Strafraums, was eher regeltechnisch bemerkenswerte denn wer mit solch einem Kung-Fu Angreifer nicht unfair behindert für „Gelb“ sprechen würde, aber Szenen. Zunächst ging es um das Tritt wie Oddo seinen Gegenspieler werden darf. Aber nichts von alle- da die übrigen Abwehrspieler zu 1:1 für Bayern. Beim Schuss von attackiert (Foto 5), der sieht zu dem war geschehen. Torhüter Ren- weit von der Situation entfernt Schweinsteiger stand Klose im Recht „Rot“ – auch wenn der Stutt- sing verpasste den Ball und sprang

8 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/20081/2009 Ob Absicht oder „nur“ Fahr- Foto 5 lässigkeit: Wer in Schulterhöhe Bayern mit einem im Sprung gestreckten Bein die Gesund- „Schiedsrichter mit Herz“ heit des Gegenspielers gefährdet, muss die Rote Der Blitzeinschlag im Klub- Karte sehen. heim des SV Haibach, das komplett abbrannte, sorgte nicht nur im Fußballkreis Straubing für Aufsehen, son- dern machte niederbayern- dabei eher einen Gegenspieler an weit Schlagzeilen. So wurde als umgekehrt. Es war ein korrek- auch der Bezirks-Schiedsrich- tes Tor. ter-Ausschuss auf den Schick- salsschlag aufmerksam und Recht schlimm ging es zu im zwei- nach Rücksprache mit Strau- ten „Topspiel“. Was sich bei 1899 bings Schiedsrichter-Obmann Hoffenheim gegen Schalke 04 an Hans Breu entschloss man Reklamationen und Rudelbildun- sich zu einer unbürokrati- gen (Foto 6) abspielte, glaubten schen Hilfe. wir längst überwunden zu haben. Ein Rückfall in die Zeiten der Die Schiedsrichter der Bezirks- schlimmsten Undiszipliniertheiten. und Bezirksoberliga unterhal- In diesem hektischen und von ten nämlich seit Jahren einen Unsportlichkeiten geprägten Spiel Spendenpool, in den sie einen wurden zwei Schalker mit „Gelb/Rot“ Teil ihrer Spesen einbezahlen. des Feldes verwiesen, zudem muss- Aus der Aktion „Schiedsrich- ten beide Schalker Co-Trainer die ter mit Herz“ wurden in den Bank verlassen und auf der Tribü- letzten Jahren bereits 15.000 Euro an Vereine oder unver- Foto 6 schuldet in Not geratene Pri- vatpersonen gespendet. Im Beisein vom Bezirks-Schieds- richter-Obmann Franz Bachin- ger, dem Bezirks-Vorsitzenden Siegfried Urlberger und Grup- pen-Schiedsrichter-Obmann Hans Breu wurde an den Vor- stand und den Jugendleiter des SV eine Spende in Höhe von 700 Euro übergeben. BV Urlberger hatte zudem noch einige Bälle dabei.

Die Verantwortlichen um Vor- stand Helmut Haimerl und Jugendleiter Fritz Kühn bedankten sich und nahmen im Beisein zahlreicher Juni- orenspieler freudestrahlend den Scheck entgegen.

Eine Szene, die in der Hinrunde zum Glück Seltenheitswert hatte: Schiedsrichter Gagelmann Hans Breu (links) behielt die Auslöser des Rudels im Blick und bestrafte sie regelgerecht mit „Gelb“. ne Platz nehmen. Beide Gelb/Rote schon vorher großes Glück gehabt, äußerst konsequente Spielleitung, Karten waren richtig, auch wenn als er abseits des Balles seinen bei der er mit dem Vorteil sehr Eugen Strigel ist seit 1995 Lehr- Jones bei seinem Sprung von hin- Gegenspieler Salihovic umriss und zurückhaltend umgeht und die wart im DFB- ten in die Beine seines Gegenspie- dafür nur ermahnt wurde. erforderlichen Strafen ohne zu Schiedsrichter- lers Gustavo den Ball noch traf. zögern ausspricht. Großzügigkeit Ausschuss. Solch ein Sprung von hinten ist In einem so aufgeheizten Spiel ist hier der falsche Begleiter. „gelb“-würdig. Dabei hatte Jones hilft dem Schiedsrichter nur eine ■

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2009 9 Jubiläum

erfen wir zunächst mal einen WBlick in die Chronik der Schiedsrichter-Gruppe Nürnberg. Dort heißt es: „1948 wurde ein jun- Eine Feier mit ger Mann entdeckt, der nicht nur auf den Sportfeldern ein hervorra- gender und geschätzter Referee war, sondern auch als Regelexperte glänzte. Bald wurde der DFB auf Überraschungseffekt diesen Mann aufmerksam und machte sich sein enormes Regel- wissen zunutze… Auch heute noch 76 Jahre alt ist Hans Ebersberger kürzlich geworden, 60 davon hat er ist er mit seinem großen Sachver- stand ein gefragter Mann. Deshalb intensiv wie kaum ein anderer der Schiedsrichterei gewidmet – ein Jubiläum erfüllt es uns immer wieder mit der besonderen Art. Heinz Wraneschitz, Journalist und selbst Schiedsrichter, Stolz, dass dieser begnadete Refe- rent und pflichtbewusste Mensch war für die Schiedsrichter-Zeitung bei der Ehrung in Nürnberg dabei. ein Eigengewächs der Vereinigung ist.“ lich da.“ Auch seine von Rößlein eingeweihte Lebensgefährtin hatte Und um diesen Stolz auf „ihren“ nichts verraten. Hans Ebersberger in besonderer Weise auszudrücken, schmiedete Wie (fast) jeder Schiedsrichter hatte Nürnbergs Schiedsrichter-Obmann sich auch der junge Hans Ebersber- Hans Rößlein einen Plan, als der ger zum Ziel gesetzt, auf die FIFA- Kalender den Anlass dazu lieferte: Liste zu kommen. Zwar erreichte er Zum 60. Mal jährte sich im Dezem- Anfang der 60er-Jahre die höchste ber 2008 die erfolgreich abgelegte deutsche Spielklasse, aber als 1963 Schiedsrichter-Prüfung von Hans die Bundesliga kam, durfte Hans Ebersberger, nach der er den Aus- Ebersberger „nur“ an der Linie ste- weis mit der Nummer 8610-0057 hen. Den Grund für das Stoppzei- erhielt. chen auf der aktiven Schiedsrichter- Karriereleiter nennt er selbst: „Carl Für eine Laufbahn von so langer Koppehel, der damalige DFB- Dauer haben weder die Schieds- Schiedsrichter-Lehrwart, sagte zu richter-Gruppe noch Bayerns Lan- mir: Ich brauche Sie im Lehrstab.“ desverband oder der DFB eine offizielle Ehrung vorgesehen. Eben Der erfahrene Funktionär Koppehel weil sie so selten ist und deshalb hatte die großen Talente Hans auch nicht nach Schema F ablau- Ebersbergers in der Wissensver- fen soll. Dazu kam in diesem spe- Ein weises Lächeln, etwas verschmitzt und auch ein wenig mittlung schnell erkannt und den ziellen Fall, dass Hans Ebersberger gerührt: Hans Ebersberger während der Ansprachen seiner gelernten Lehrer womöglich sowieso und verdientermaßen ein Laudatoren in Nürnberg. damals schon als seinen Nachfol- hoch dekorierter Mann ist. Im Fuß- ger im Auge. Denn der hatte sich ball als Besitzer der DFB-Ehren- des, am 13. Dezember nach Nürn- zolle ich dir höchste Anerkennung nicht nur auf dem Spielfeld, son- spange und der Goldenen DFB- berg – in geheimer Mission sozusa- und Respekt.“ Und überreichte ihm dern auch bei der Ausbildung von Ehrennadel, um nur zwei Auszeich- gen. Fast niemand war eingeweiht, einen 1948er Binger Rochusberg. Schiedsrichtern einen Namen nungen zu nennen. Im gesell- schon gar nicht der Jubilar. gemacht – als Gruppen-Lehrwart in schaftspolitischen Bereich reicht Rainer Koch wies auf die Bedeu- Bayreuth, danach als bayerischer die Auswahl an Ehrungen von der So kam es in Nürnberg zu einem tung der Wurzeln für jeden Landes-Lehrwart. Nun war er Mit- Ehrenmedaille des Regierungsbe- „Novum bei einer Schiedsrichter- Schiedsrichter hin: „Heute bist du glied im DFB-Lehrstab und trat zehn zirks Oberfranken bis zum Bundes- Weihnachtsfeier“, wie es Rößlein dort, Hans, wo du dich am meisten Jahre später nach Carl Koppehels verdienstkreuz. ausdrückte. Volker Roth hatte für wohlgefühlt hast: in deiner eige- Tod tatsächlich dessen Nachfolge den Weinkenner Hans Ebersberger nen Gruppe.“ an: Von 1973 an leitete Ebersberger Wie also sollte man ihn ehren? eine Rarität dabei: „1948 war ein 22 Jahre lang das Schiedsrichter- Hans Rößlein wandte sich an den guter Jahrgang, Hans, weil es dein Der Geehrte war völlig überrascht Ausbildungsgremium des DFB und DFB und lotste Volker Roth, den Startjahr als Schiedsrichter war. von Hans Rößleins Coup. Ebersber- arbeitete anschließend noch ein Vorsitzenden des Schiedsrichter- Dass der DFB heute so viele ger: „Er hatte mich ja im Saal gutes Jahrzehnt bei seinem Nachfol- Ausschusses und den DFB-Vize- Schiedsrichter in der europäischen noch gefragt, wann ich Rainer ger Eugen Strigel mit. präsidenten Dr. Rainer Koch, in Spitze hat, ist auch dein Verdienst. Koch zuletzt gesehen hätte und Personalunion ja auch Präsident In ihrem Namen und im Namen wie oft ich mit Volker Roth spre- Natürlich war der Ehrenabend in des Bayerischen Fußball-Verban- aller deutschen Schiedsrichter che. Und dann waren beide plötz- Nürnberg auch eine Gelegenheit,

10 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2009 immer am Herzen, nicht erst seit er 30 Jahre lang kümmerte sich Hans 1970 als Oberstudiendirektor die Ebersberger um das Blatt. Neben Leitung des Wirtschaftswissen- der Berichterstattung über den schaftlichen Gymnasiums Bayreuth Spitzenfußball verlor er nie den übernahm. Später wurden ihm noch Blick auf den Schiedsrichter in den die Berufsoberschule und die Volks- unteren Klassen: „Manchmal benei- hochschule als Zusatzaufgaben det er seine Kameraden in höheren übertragen. Klassen, denen Assistenten zur Seite stehen. Er ist für alles allein Dieses sozialpolitische Engagement verantwortlich, soll alles sehen – ist seit 2007 sogar verbrieft: Da aber nicht alles hören. Wirklich eine bekam Ebersberger vom oberfrän- bewundernswerte Leistung! Je Eine Ansprache zu halten, war für Hans Ebersberger noch nie kischen Regierungspräsidenten Wil- mehr Spiele er geleitet hat, um so ein Problem. Es lauschen (von links): Dr. Rainer Koch, Volker helm Wenning die offizielle Aner- gelassener geht er an die Aufgabe Roth und Hans Rößlein kennungsurkunde der 1998 gegrün- heran. Häufig kommt eine innere deten „Hans-Ebersberger-Stiftung“ Freude auf, wenn er mit dem Anpfiff sich zu erinnern. Volker Roth dachte Und auch eine öffentlichkeitswirk- überreicht. Stiftungsziel: den Bay- das Spiel eröffnet. Für unqualifizierte an die Zeit Mitte der 60er-Jahre: same Rolle über den Fußball hinaus reuther Schulsport fördern. Zurufe der wenigen Zuschauer hat „Als ich mit 24 Jahren zum DFB nahm er eine Zeit lang ein. Den er nur ein Lächeln übrig und den kam, war Hans schon da. Er war Fernsehzuschauern wurde Hans 1998 war auch das Jahr, in dem er Spielcharakter hat er schnell damals für uns junge Leute so Ebersberger Ende der 60er-Jahre den Schuldienst beendete. Was erfasst.“ Selten wird der Unpartei- etwas wie Schiedsrichter-Vater.“ als Schiedsrichter der ARD-Show natürlich dazu führte, dass Hans ische ohne Namen so gelobt, wie es „Spiel ohne Grenzen“ ein Begriff: An Ebersberger sich seinen übrigen Hans Ebersberger in seiner Kolumne Rainer Koch, der das Ehrenmitglied der Seite des legendären TV-Mode- Aufgaben noch intensiver widmete. in der Schiedsrichter-Zeitung tat. seines bayerischen Verbandes als rators Camillo Felgen wachte er als Eine davon war die Redaktions- „ganz persönlichen Freund und neutrale Institution über die Einhal- leitung der DFB-Schiedsrichter-Zei- Er wurde zwar nie FIFA-Schiedsrich- wichtigen Ratgeber“ betrachtet, tung der Regeln bei dieser damals tung. Die legte er erst vor wenigen ter, aber der Weltverband holte ihn erzählte mit Blick auf seine eigene außerordentlich beliebten Sendung, Monaten in die Hände des Sport- trotzdem schon 1968 in seine Rei- Zeit als Oberliga-Schiedsrichter: in der verschiedene Städte gegen- journalisten und Ex-Bundesliga- hen und schickte ihn als „Instruk- „Wenn ich wegen meiner Pfeiferei einander antraten. Linienrichters Lutz Lüttig. tor“ viele Jahre durch die Fußball- in der Familie Probleme hatte, dann Welt, um ihn das tun zu lassen, was rief Hans Ebersberger bei meiner Aber auch das war noch nicht alles, Auch bei der Schiedsrichter-Zeitung Hans Ebersbergers Bestimmung ist: Frau an.“ Das habe immer geholfen. wofür sich der eloquente Lehrer wurde er in den 70er-Jahren Nach- zu lehren, ohne jemals ein Besser- einsetzte: Der Schulsport lag ihm folger von Carl Koppehel; mehr als wisser zu sein. ■ Auch Karl Fleischer, der „in vielen Funktionen in Hans Ebersbergers Fußstapfen trat, ob als Verbandsob- mann oder Bezirksvorsitzender in Oberfranken“, verbindet „mit Hans eine Jahrzehnte lange, tiefe Freundschaft.“ Fleischer erinnert sich an „das legendäre Gespann mit FIFA-Referee Karl Riegg an der Pfei- fe, Hans und mir an den Linien in der Bundesliga.“ Noch wesentlich stärker blieben Karl Fleischer „Ebersbergers brillante Referate auf DFB-Ebene“ im Gedächtnis: „Hans scheute sich nicht, Unzuläng- lichkeiten jedes Einzelnen aufzu- greifen.“

Doch Ebersberger beschränkte sich nie nur auf das Lehrwesen. Er sah den Fußball immer als großes Gan- zes und handelte danach – unter anderem als Schiedsrichter- Obmann des BFV, auch als Fußball- Bezirksvorsitzender in Oberfranken bewies er sich, und dem bayerischen Verbandsspielausschuss stand er Aus der aktiven Zeit: Hans Ebersberger mit seinen Linienrichtern Karl Port (l.) und Edi Winkler. ebenfalls einige Jahre vor. Die Kapitäne waren Max Morlock (1. FC Nürnberg, rechts) und Jupp Röhrig (1. FC Köln).

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2009 11 Auch Handball führung im Handball unmittelbar vor der WM, die im Januar in Kro- ohne Chip im Ball atien stattfand, gestoppt. Die Argu- Im Fußball wird er „Chip-Ball“ mente klingen ähnlich wie im Fuß- genannt, im Handball „iBall“. Er ball. Ulrik Merrild, General Manager soll dem Schiedsrichter in Bruch- der Entwickler-Firma GoalRef: teilen von Sekunden mitteilen, „Grundlegend funktioniert das dass ein Tor gefallen ist. Aber das System, wie es funktionieren soll. Spielgerät mit dem eingebauten Wir wollen aber sicher sein, dass Chip hat in beiden Sportarten noch das System auch unter großen Belastungen absolut zuverlässige Messungen liefert.“ Jetzt soll der „intelligente“ Handball bis Mitte Bastian Dankerts nächstes des Jahres 2009 weiteren Tests Ziel ist die 3. Liga. unterzogen werden. viele Beispiele dafür, dass Schieds- richter wichtige Ämter im Fußball Geschäftsführer in übernehmen - im ehrenamtlichen wie im hauptamtlichen Bereich. Mecklenburg- Neuestes Beispiel: Bastian Dankert. Der 28jährige aus Rostock, der als Der Ball mit dem Chip in der Vorpommern Regionalliga-Schiedsrichter und stoßgedämpften schwarzen Mit Peco Bauwens und Egidius Zweitliga-Assistent auf der DFB- Kugel wurde vom Internati- Braun wurden zwei Schiedsrichter Liste steht, ist seit dem 1. Januar onal Board nicht akzeptiert. einst Präsidenten des DFB. Der 2009 Geschäftsführer des Landes- ehemalige FIFA-Schiedsrichter fußballverbandes Mecklenburg- keine Zustimmung gefunden. Wäh- führt den Lan- Vorpommern. Seit der Entschei- rend beim Fußball der Internati- desverband Brandenburg. Es gibt dung des Verbandes im Jahr 2006, onal Board IFAB, das für alle Regel- ihn einzustellen, bereitete sich der fragen entscheidende Gremium, Sportwissenschaftler und derzeiti- alle weiteren Versuche bis auf Wei- ge Promotionsstudent engagiert teres abgesagt hat, wurde die Ein- mit Unterstützung des bisherigen Panorama

Die Spiele der Deutschen im November und Dezember 2008 leitete in Valencia sein zehntes UEFA- FIFA-Schiedsrichter unterwegs Cup-Spiel.

Name Wettbewerb Heim Gast Assistenten/Vierte Offizielle* Christine BECK UEFA Women's Cup Umea IK ARSENAL LFC Müller/ Rafalski UEFA-Cup Club Brügge KV AS Saint-Etienne Schiffner/ Borsch/ Drees Felix BRYCH Freundschaftsspiel Schottland Argentinien Kadach/ Pickel/ Rafati Champions League AS Rom Girondins Bordeaux Wezel/ Hartmann/ Perl Manuel GRÄFE Freundschaftsspiel Österreich Türkei Scheppe/ Voß Stephan KAMMERER Futsal-Cup MNK Nacional Zagreb ARAZ Naxcivan Stephan KAMMERER Futsal-Cup ARAZ Naxcivan DINAMO YAMAL Moscow Stephan KAMMERER Futsal-Cup DINAMO YAMAL Moscow MNK Nacional Zagreb Stephan KAMMERER Futsal U 21-EM Ukraine Niederlande Thorsten KINHÖFER UEFA-Cup Dinamo Zagreb Spartak Moskau Scheppe/ Voß/ Seemann Knut KIRCHER UEFA-Cup Valencia CF FC Kopenhagen Kadach/ Lupp/ M. Kempter Champions League Dynamo Kiew Fenerbahce Istanbul Kadach/ Bornhorst/ Schmidt Babak RAFATI U 21-Freundschaftsspiel Schottland Nordirland Kadach/ Pickel/ Brych Peter SIPPEL Freundschaftsspiel Serbien Bulgarien Schiffner/ Bornhorst Champions League Olympique Marseille Atletico Madrid Salver/ Pickel/ Gagelmann Bibiana STEINHAUS U 20-WM Brasilien Nordkorea Reichert/ Wozniak Bibiana STEINHAUS U 20-WM Nigeria Chile Reichert/ Wozniak Freundschaftsspiel Dänemark Wales Borsch/ Ittrich Michael WEINER UEFA-Cup Deportivo La Coruna AS Nancy-Lorraine Schiffner/ Zwayer/ Winkmann Stefan WEBER Futsal-Cup Benago Zruc nad Sazavou Helas Brno Kammerer

* Vom DFB nominierte Assistenten und Vierte Offizielle

12 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2009 Klare Aussage „Ziemlich deutlich gleiche Höhe.“ Stelleninhabers Fritz Zarpentin auf kurz seine neue Aufgabe vor. Während DSF-Kommentar beim notiert dieser Zeit hatte Dankert in seiner Spiel Kaiserslautern

Funktion als Pressesprecher unter Reporter-Weisheit gegen Aachen. anderem eine vorbildliche Diskus- ■ FIFA-Schiedsrichter Michael sions-Veranstaltung mit den wich- führungspunkt eines Freistoßes Weiner, im niedersächsischen tigsten Sportjournalisten des Lan- markieren und - noch wichtiger - Innenministerium für Grund- des unter dem Titel „Abseits, in 9,15 Meter Entfernung eine Linie satzfragen der Integration abseits – nein, doch nicht!“ einge- ziehen. In Brasilien und Argenti- zuständig, wurde in den Vor- führt, die auch im Februar 2009 nien ist damit schon experimen- stand der neu gegründeten wieder stattfindet. tiert worden, um auf diese Weise Lotto-Sport-Stiftung des Lan- den korrekten „Mauer-Abstand“ des berufen. Trauer um herzustellen. Die Markierungen ■ FIFA-Schiedsrichter Thorsten Günter Männig verschwinden laut Silva nach 45 Schiedsrichter Saul Laverni Kinhöfer (40) vom SC Constan- Sekunden bis zwei Minuten von befördert die tote Taube vom tin Herne-Mark hat am 17. Spiel- Der ehemalige FIFA-Schiedsrichter selbst, die Dauer kann der Schieds- Spielfeld. tag sein 100. Bundesligaspiel Günter Männig (geboren am 22. Juni richter angeblich selbst bestim- geleitet. Die Partie VfB Stuttgart 1928 in Hirschfelde) ist am 25. Novem- men. Unter http://www.reuters.com/ nicht mehr vom Boden ab und ver- gegen Bayern München endete ber 2008 verstorben. Der in Böhlen news/video?videoId=87249 gibt es endete noch auf dem Feld. „Es war 2:2. bei Leipzig beheimatete Mathema- ein Video dazu. In den Fußballsze- unglücklich. Ich habe den Ball voll ■ tik-Lehrer wurde 80 Jahre alt. Er nen wird allerdings gar kein Frei- getroffen und dann die arme Erfreulich: Die offizielle leitete in seiner Laufbahn zwi- stoß gezeigt. Immerhin sind aber Taube“, sagte Aguirre. „Nun werde Bundesliga-Statistik weist aus, dass in der abgelaufenen Hin- schen 1960 und 1978 (die Alters- drei Sprühdosen in verschiedenen ich wohl als der Spieler in Erinne- runde 75 Grätschenfouls weni- grenze lag damals bei 50 Jahren) Größen zu sehen, die das offizielle rung bleiben, der eine Taube töte- ger begangen wurden als 226 Spiele der DDR-Oberliga sowie Emblem des Argentinischen Fuß- te.“ FIFA-Schiedsrichter Saul Laver- 2007/2008 - statt 582 waren es 38 Pokalspiele, darunter 1972 das ballverbandes AFA tragen: Das ni (39) trug das tote Tier vom Feld. jetzt 507. Zudem wurden zum Finale um den FDGB-Pokal, das Carl weist darauf hin, dass es dort Die Partie endete mit einem 2:1- ersten Mal seit 1994/1995 im Zeiss Jena mit 2:1 gegen Dynamo ernst wird mit den Rasen-Graffitis. Sieg für San Lorenzo. Nicht berich- Durchschnitt mehr als drei Tore Dresden gewann. Männig stand 14 Ungeklärt ist noch, wie der tet wurde übrigens, wie Laverni pro Spiel erzielt. Jahre auf der FIFA-Liste. Bernd Schiedsrichter die Dose während das Spiel fortgesetzt hat. Wir Heynemann (Magdeburg), selbst des Spiels transportieren soll. Wie gehen davon aus, dass er als FIFA- ■ Vorbildlich: Die Mitglieder der ehemaliger FIFA-Schiedsrichter: wär's mit einem Schultergurt? Schiedsrichter alles richtig Schiedsrichter-Gruppe Haßfurt „Für mich gehört Günter Männig Oder einem Rucksack mit Werbung gemacht und einen Schiedsrichter- verzichteten an einem Spieltag zusammen mit Rudi Glöckner, Sieg- drauf? Auf jeden Fall kommen gol- Ball am „Tatort“ gegeben hat. auf ihre Spesen. Die 1.621 Euro fried Kirschen und zu dene Zeiten auf uns zu, wenn ein wurden anlässlich des Jubi- den vier großen Schiedsrichtern Schiedsrichter seinen Mangel an Weltrekord: läums der Haßfurter Gruppe der DDR.“ Ab 1986 war Männig Mit- Durchsetzungsfähigkeit durch eine dem Leiter der Kinder- und glied der Schiedsrichter-Kommis- Spraydose ersetzen kann… „Rot“ nach drei Jugendhilfe St. Josef Eltmann sion des DFV. Später fungierte er Sekunden übergeben. Damit können sich unter anderem als Vorsitzender Was Schiedsrichter so die Fußballer des Jugendheims Vermutlich einen Rekord für die des Schiedsrichter-Ausschusses im einen Satz Fußballtrikots kau- Ewigkeit hat der englische Ama- Sächsischen Fußballverband, als alles machen müssen fen, den sie sich bisher auslei- Beobachter in der Bundesliga und Ein Befreiungsschlag des argenti- teur-Fußballer David Pratt am letz- hen mussten. der UEFA sowie als Ansetzer der nischen Fußball-Profis Gaston ten Wochenende des Jahres 2008 ■ Regional- und Oberliga. Aguirre ist einer Taube zum Ver- aufgestellt, wie der Sport-Informa- In Banalmadena (Spanien) hängnis geworden. Gerade als sie tions- Dienst (SID) meldet: In der nahmen 4. und 5. Februar 2009 „Mauer-Abstand“ sich mit einigen Artgenossen wäh- siebtklassigen Southern League des fünf deutsche Top-Schiedsrich- rend der Playoff-Partie zwischen Fußball-Mutterlandes sah der Stür- ter an einem Lehrgang der UEFA per Spraydose San Lorenzo und Tigre um den mer von Chippenham Town wegen teil. Dabei handelte es sich um Auch unter kritischen Journalisten argentinischen Meistertitel in der einer rüden Attacke auf einen Herbert Fandel (Kyllburg), Florian gilt die BBC als eine seriöse Quelle. Nähe der Eckfahne niedergelassen Gegenspieler gerade einmal drei Meyer (Burgdorf) und Wolfgang Deshalb nehmen wir mal ernst, was hatte, wurde sie vom Schuss des Sekunden nach Anpfiff der Partie in Stark (Landshut), die zur UEFA- die britische Nachrichten-Institu- Lorenzo-Abwehrspielers getroffen. Bashley die Rote Karte und sorgte Kategorie „Elite“ gehören. tion kürzlich gemeldet hat: In Während die anderen Tauben aus damit für den frühesten bekannten Schiedsrichter dieser Gruppe Argentinien hat ein Sport-Journa- dem Stadion flatterten, hob sie Platzverweis der Fußball-Geschich- werden vorwiegend bei den Top- list namens Pablo Silva ein Spray te. Die Reaktion des 21 Jahre alten spielen der Champions League entwickeln lassen, das nach dem Abwehrspielers: „Ich habe das nicht und bei besonders brisanten Das Zitat Länderspielen eingesetzt. Aus Aufsprühen von selbst wieder ver- als eine Rote Karte angesehen, aber der „Premier“-Kategorie (über- schwindet. Ein Albtraum für alle „Wenn mich jemand anschreit, hat wenn der Schiedsrichter so ent- wiegend UEFA-Cup) waren Knut Graffiti-Sprayer; aber für die ist er das Recht auf„ eine vernünftige scheidet, muss ich das akzeptieren. Kircher (Rottenburg) und Felix das ja nicht gedacht. Vielmehr sol- Antwort selbst verwirkt.“ Dieser Rekord ist außerdem etwas, len damit Schiedsrichter den Aus- ■ Brych (München) dabei. Lutz Wagner (45), dienstältester worauf ich nicht stolz bin.“ Schiedsrichter der Bundesliga in der FAZ. SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2009 13 Report Schiedsrichter im Futsal– ha

Andreas Burkhardt, Sportjournalist und Schiedsrichter-Obmann beim Lichterfelder FC in Berlin, befasst sich mit der Situation in Deutschland.

ankt Petersburg, 14. Dezember S2008, Metrostation Sportivnaya unweit der Newa. Hier im Yubileyny Sports Palace, einem in Beton gegossenen großen Relikt aus der Sowjet-Ära, steigt um 14 Uhr mitteleuropäischer Zeit das Finale der ersten UEFA-U21-Futsal-Europa- meisterschaft. Der Sportpalast fasst 7.700 Zuschauer und ist fast ausverkauft. Futsal steht in Russ- land hoch im Kurs.

Eine deutsche Mannschaft sucht man wie auch bisher bei allen A-Länder-Turnieren vergeblich. Dafür ist mit Stephan Kammerer einer von insgesamt zwei deut- schen FIFA-Futsal-Referees vor Ort. Der Karlsruher, der von 1997 bis 2004 insgesamt 61 Spiele der 2. Bundesliga leitete, ist sogar für das Finale nominiert: als dritter Schiedsrichter. In dieser Eigen- schaft führt er unter anderem Buch über Spielunterbrechungen, Fouls, Torschützen. Er hat viel zu tun, denn in diesem Endspiel zwi- schen Gastgeber Russland und Mit- favorit Italien führen mal die einen, mal die anderen. Fünf Ver- warnungen muss Kammerer proto- Die deutschen Futsal-Top-Schiedsrichter. In der Mitte Stefan Weber (Eisenach), der auf der FIFA- kollieren, mehrere Strafstöße und Liste am 1. Januar 2009 nach Erreichen der Altersgrenze (45) von Swen Eichler (links) aus Erfurt neun Tore. Nach 2x20 Minuten abgelöst wurde. Rechts: Stephan Kammerer (Karlsruhe). steht es 2:2, in der Verlängerung geht Italien in Führung, unterliegt gespielt. Der spezielle Ball ist klei- Auch futsal-spezifisch: Das Hinein- dann doch mit 4:5. ner und etwas schwerer, weshalb er grätschen (Sliding Tackling) beim nicht so stark springt wie der nor- Zweikampf ist verboten und wird Futsal, das sich laut DFB-Präsident male Ball. Eine Regel-Spezialität des strikt geahndet. Dieser Punkt hat Dr. Theo Zwanziger „vor allem Futsal sind die „kumulierten Fouls“ dem Futsal den Ruf eingebracht, durch seinen Fair-Play-Gedanken (Regel 14): Die Vergehen werden von „körperlos“ zu sein. Was allerdings und durch technische Finessen“ den Schiedsrichtern mitgezählt. Ab so nicht ganz stimmt. Futsal ist auszeichnet, ist im Kommen und dem sechsten von einer Mannschaft nicht körperlos, sehr wohl birgt es im Begriff, als offizielle, von der pro Halbzeit begangenen Foul darf aber wegen der restriktiveren FIFA anerkannte Form auch in beim daraus folgenden direkten Regeln eine geringere Verletzungs- Deutschland den traditionellen Freistoß keine „Mauer“ mehr gebil- gefahr. Und noch ein wichtiger Hallenfußball abzulösen. Die in det werden. Wie entscheidend sol- Aspekt aus Schiedsrichter-Sicht: Deutschland von vielen „richtigen“ che Situationen sein können, zeigte Futsal-Spiele werden von zwei Fußballern noch belächelte Sport- das EM-Finale, bei dem Russland alle gleichberechtigten Unparteiischen art wird mit fünf Spielern je Mann- fünf Treffer durch so genannte geleitet; bei internationalen schaft (4 + 1) und ohne Banden ruhende Bälle erzielte. Begegnungen kommen sogar,

14 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2009 Kleine Futsal-Historie

Die Wiege steht in Südamerika t das Zukunft? Futsal ist eine Zusammen- ziehung aus „Futebol de Salon“ – und älter als man denkt. Ihren Ursprung nahm die fußballähnliche Sportart bereits in den 30er-Jahren in Südameri- ka. Wo genau, darüber siehe oben, drei zum Einsatz. wurde, referierten über die Ein- sind sich die Experten satz-Möglichkeiten von Futsal- uneinig. Die einen sehen Auch in Deutschland ist Futsal auf Schiedsrichtern in den Regional- die brasilianische Groß- dem Vormarsch und wird in eini- verbänden. Ihre Bilanz: gute Chan- stadt Sao Paulo als gen Landesverbänden bereits ab cen im Westen und Südwesten, Geburtsort des Futsals, die den D-Junioren gespielt. In ande- eher mäßig die Anzahl von Futsal- anderen Montevideo. Hier ren Regionen mangelt es aber Turnieren im Bereich des NOFV und in der Hauptstadt Uru- noch an Initiative und vielleicht des Norddeutschen Fußballverban- guays soll der argentini- Auch Ausnahmefußballer Zinedine auch am Mut, Veränderungen des. Auch Eugen Strigel ist mit sche Sportlehrer Juan Zidan zaubert gern beim Futsal wie zuzulassen. Das Fernziel müssen dem aktuellen Stand noch nicht so Carlos Ceriani dem Spiel hier 2008 bei einer Benefiz-Veran- überregional natürlich eine Futsal- recht zufrieden: „Wir hoffen aber, den entscheidenden staltung für Kinder. Bundesliga und eine National- dass es aufwärtsgeht und die Anstoß gegeben und ihn mannschaft sein. Der DFB ist seit Anzahl der DFB-Turniere steigt.“ mit den ersten grundlegenden Regeln versehen haben. Dabei einiger Zeit dabei, grundlegende war es ihm sehr wichtig, Futsal auf die Belange und Fähigkeiten Entwicklungsschritte zu vollziehen – Wie lässt sich die Situation verbes- von Kindern auszurichten. natürlich auch bei den Schieds- sern? Kammerer plädiert für eine richtern. Bei einem Lehrgang unter Zusammenarbeit der Verbände: Vermutlich hat sich Futsal sowohl in Sao Paulo als auch in Mon- der Leitung von DFB-Lehrwart „Kooperationen werden uns enorm tevideo entwickelt und seinen Siegeszug von beiden Orten aus Eugen Strigel trafen sich führende helfen, den Futsal-Sport auch im durch Südamerika angetreten. Als gesichert gilt, dass Futsal in Futsal-Schiedsrichter und -Beob- Schiedsrichter-Wesen in Deutsch- Ermangelung von Großfeldern zuerst auf Basketballplätzen achter in Frankfurt am Main. Auf land auf ein festes Fundament zu gespielt wurde und vor allem in Brasilien enorm an Popularität der Tagesordnung unter anderem: stellen und den Abstand zu den gewann. Da der Spielraum begrenzt war, zudem der sprungre- Regeländerungen, Schwierigkeiten großen Futsal-Nationen zu verrin- duzierte, schwerere Ball viel Geschick erforderte, feilte man an bei der Auslegung, Stellungsspiel, gern.“ Dazu tragen, das machte den Techniken, was dem Sport zu einer spezifischen Ästhetik Laufverhalten, Aktuelles aus der der Lehrgang deutlich, natürlich und damit erhöhten Publikumswirksamkeit verhalf. Praxis. auch sportliche Erfolge bei, denn das ist die beste Werbung. 2008 Ob Pelé, Socrates, Zico, Ronaldo, Ronaldinho – kaum ein brasili- Stephan Kammerer und Stefan konnte der UFC Münster zum zwei- anischer Superstar, der nicht durch die Schule des Futsals ging Weber, der ebenfalls nach seiner ten Mal den seit 2006 ausgetrage- und hier das Einmaleins der perfekten Ballbeherrschung lernte. Laufbahn als Zweitliga-Unpartei- nen DFB-Futsal-Cup gewinnen, sich Die erste internationale Futsal-Meisterschaft wurde 1965 aus- ischer Futsal-FIFA-Schiedsrichter für den UEFA-Futsal-Cup gespielt und nicht von Brasilien, sondern von Paraguay gewon- nen. Das Interesse am Futsal griff langsam auch auf andere Die 13 DFB-Futsal-Schiedsrichter bei ihrem Lehrgang im Kontinente über und veranlasste schließlich die FIFA, das Fünf- November 2008. Mann-Spiel 1989 unter ihre Schirmherrschaft zu stellen. Im sel- ben Jahr wurde in den Niederlanden die erste offizielle Futsal- WM ausgetragen, bei der sich – wie auch 1992 in Hongkong und 1996 in Spanien – Brasilien den Titel sicherte.

Da sich aber Futsal in Süd- und Osteuropa und auch in Asien weiterentwickelte und Länder wie Russland, Portugal, Spanien und Iran Profiligen etablierten, bekam Brasilien ernsthaft Kon- kurrenz. Vor allem von Spanien, das 2000 und 2004 Weltmeis- ter wurde. Im vergangenen Jahr holte sich Brasilien im eigenen Land im Finale gegen Spanien den WM-Titel zurück.

Inzwischen spielen weltweit über zehn Millionen Aktive Futsal. Seit 1999 gibt es auch offizielle Europameisterschaften, die in der Regel alle zwei Jahre stattfinden. Die nächste steht 2010 in Ungarn an – ohne deutsche Beteiligung, da eine National- mannschaft noch nicht existiert, ebenso wenig wie eine bundesweite Liga. Das soll sich aber bald ändern. ■

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2009 15 Interview mit Stefan Kammerer Report

2008/2009 qualifizieren und damit „Ich habe im Internet unter Nachdem ich sieben Jahre in der wickelt. Was ist Ihrer Meinung nach gemeinsam mit dem DFB zum Fuzzal gesucht!“ 2. Bundesliga gepfiffen hatte, mach- die zentrale Bedeutung? ersten Mal in Deutschland offizielle te mir Eugen Strigel im September internationale Begegnungen aus- Herr Kammerer, im Dezember fand 2003 das Angebot, als Futsal- Der pädagogische Gedanke, die richten. in St. Petersburg die UEFA-U 21-Fut- Schiedsrichter tätig zu werden. soziale Integration von Straßenkin- sal-Europameisterschaft statt. Was Gereizt haben mich die internati- dern. Futsal fördert den gewalt- Auf der DFB-Liste stehen 13 Futsal- waren für Sie als teilnehmender onalen Einsätze und die Möglichkeit, freien Fußball und wirkt zudem Schiedsrichter. Die meisten von Schiedsrichter die Höhepunkte? den DFB-Schiedsrichter-Ausschuss integrativ – deshalb kommt dieser ihnen pfeifen „draußen“ in der bei der Entwicklung der Lehrarbeit Sportart vor allem in den Schulen Oberliga. Neu dabei sind in dieser Es war ein in jeder Hinsicht span- zu unterstützen. zunehmend größere Bedeutung zu. Saison Aslan Basibüyuk (FV Rhein- nendes Turnier. Das zeigten auch Und Futsal ist eine Chance, auch land), Ingo Hess (Südwestdeut- die Zuschauerzahlen. Zum Finale Was wussten Sie zu dieser Zeit von bei uns die Fußballfamilie zu ver- scher FV) und Heiko Langhammer kamen allein 6.500 Zuschauer. Futsal? größern. (Hessischer FV). Die FIFA-Liste Schon in der Vorrunde gab es ein führt weltweit 253 Referees, je vier wahres Spitzenspiel, nämlich Russ- Nichts. Im Internet habe ich die Was sind für Sie die wesentlichsten davon kommen aus Futsal-Ländern land gegen Italien. Ein äußerst Schreibweise „Fuzzal“ eingegeben Regeln beim Futsal? wie Brasilien und Spanien. Aber robustes Spiel mit vier Gelben Kar- und mich gewundert, dass es da- auch drei aus Palästina sind dabei ten. Außerdem musste der italie- runter keinen Eintrag gab… Aber ich Das strikte Verbot des Grätschens. und zwei aus Brunei – soviel wie nische Trainer wegen permanenter habe mich dann schnell eingearbei- Das so genannte kumulierte Foul- aus Deutschland. Kritik auf die Tribüne. Die hart tet. Als ich im Herbst 2003 als Assis- spiel: Nur fünf Foulspiele darf eine umkämpfte Partie endete 2:2, beide tent von Helmut Fleischer in Katar Mannschaft pro Halbzeit begehen, Vieles ist bei uns im Werden: Die Mannschaften standen sich im End- war, lernte ich Evzen Amler kennen, ohne zusätzlich bestraft zu werden. Zahl der Futsal-Spieler wächst, spiel wieder gegenüber. einen internationalen Futsal- Und das Torwart-Spiel: Der Torwart ebenso die Bereitschaft der Schiedsrichter aus Tschechien, der darf den Ball erst wieder berühren, Schiedsrichter, außer auf dem Bei dem Sie als dritter Schiedsrich- mir ganz begeistert von dieser Fuß- wenn der Ball hinter der Mittellinie Großfeld auch Spiele auf dem Fut- ter amtieren durften … ball-Variante erzählte und mein war beziehungsweise vom Gegner sal-Kleinfeld zu leiten. Der zustän- Interesse damit weiter steigerte. berührt wurde. dige DFB-Direktor Willi Hink: „Wich- Ja, das hat mich schon mit Stolz tig ist, dass wir beim Futsal solide erfüllt. Russland schlug Italien mit Ist Futsal bei uns jetzt auch im Kann sich Futsal seinen Charakter Strukturen aufbauen. Wir werden 5:4 und wurde Futsal-Europameister. Kommen? bewahren? Oder werden die diese Art des Hallenfußballs über Regeln sukzessive aufgeweicht? die Schulen und Vereine verbrei- Die anderen teilnehmenden Mann- Auf jeden Fall. Es ist auch attraktiv Kurz: Wird bald genauso ten. Ich bin mir sicher, dass wir in schaften kamen aus Spanien, Slo- für Ältere, weil die Verletzungsge- gegrätscht wie beim Feldfußball? den kommenden Jahren enorme wenien, der Ukraine, Niederlande, fahr geringer ist. Der DFB unter- Zuwächse verzeichnen. In zehn Kasachstan und Kroatien. Warum Ich glaube, dass Futsal restriktiver Jahren wollen wir zu den Top-Ten- war Deutschland nicht vertreten? nimmt viele Anstrengungen. Den- Nationen in Europa gehören.“ noch wird es noch einige Jahre dau- wird, dass zum Beispiel in Zukunft Deutschland hat noch keine U 21- ern, bis wir einen Top-Level errei- nur noch vier oder drei Foulspiele Natürlich auch bei den Schieds- Mannschaft. Das muss sich erst chen. pro Halbzeit zugelassen werden. In richtern. Ein langer Weg … ■ noch entwickeln. Russland hat man sehr gut gese- Warum hinkt Deutschland noch hen, wie intensiv aber auch wie fair Wie kommt ein Schiedsrichter der hinterher? die Teams spielen. International im Einsatz: 2. Bundesliga darauf, sich dem Fut- Stephan Kammerer sal zu verschreiben? In Deutschland war Hallenfußball Könnte man Futsal auch draußen sehr populär. Man hat aber ver- spielen? säumt, die Hallenregeln auf Futsal umzustellen, was andere europä- Man kann es als Outdoor-Sportart ische Länder taten, unter anderem entwickeln. Aber nur auf einer glat- die Niederlande. Deshalb sind diese ten Oberfläche, weil sonst der Ball Länder jetzt im Vorteil. nicht richtig rollt. In Brasilien und Süditalien wird das schon prakti- Wie ist allgemein das Spieler- ziert. Potenzial verglichen mit dem Feld- fußball? Bekommen Sie nicht irgendwann einen Hallenkoller? Definitiv anders. Meistens hat Futsal eher so filigrane Typen, Techniker Ich habe von Jahr zu Jahr mehr Ein- eben, die vor allem das Kurzpass- sätze. Und die werden anspruchs- spiel beherrschen. voller, denn die Mannschaften stei- gern sich von Jahr zu Jahr. Aber Futsal existiert bereits seit 1930 von Hallenkoller kann bei mir keine und wurde als Spiel für Kinder ent- Rede sein. ■

16 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2009 Regel-Test Fragen Wenn der Stürmer spitzelt Worauf man dabei achten muss und was in weiteren 14 kniffligen Situationen zu tun ist, steht auf Seite 20.

sich vor den Ball. Jetzt schießt der den gerade noch über die Querlatte Spieler des Platzvereins den Ball lenken kann. absichtlich und heftig dem Gegen- spieler an den Körper. Situation 10 Ein Angreifer läuft mit dem Ball Situation 5 alleine in Richtung des gegneri- Ein Spieler wird deutlich gefoult. schen Tores. Jetzt beschwert sich Der Schiedsrichter lässt aber Vor- ein Abwehrspieler beim Schieds- teil laufen, da er sieht, dass ein richter in unsportlicher Weise, Mitspieler den Ball in aussichtsrei- dass eine Abseitsstellung vorgele- cher Position erhält. Dieser Spieler gen habe. erreicht zwar den Ball, vertändelt ihn aber anschließend in einem Situation 11 Zweikampf. Nachdem der Torhüter seinen Straf- raum verlassen hat, bekommt er Situation 6 den Ball von seinem Mitspieler Ein Abwehrspieler wirft bei einem zugepasst. Da ihn ein Gegner Einwurf den Ball zu seinem Torhü- angreift, spielt der Torwart den ter zurück. Da der Ball unglücklich Ball zurück in den Strafraum und aufspringt, will der Torhüter den nimmt ihn dort mit den Händen Ball mit den Händen abwehren. Er auf. kann den Ball zwar noch berühren, aber nicht verhindern, dass er ins Situation 12 Tor springt. Indirekter Freistoß für die Angrei- fer. Der Schütze schießt den Ball Situation 7 direkt auf das Tor. Ein Abwehrspie- Eine Mannschaft führt einen Spie- ler auf der Torlinie faustet jetzt lerwechsel durch. Ein Spieler hat den Ball mit der Hand über das Tor. das Spielfeld verlassen, der Aus- wechselspieler mit Zustimmung Situation 13 des Schiedsrichters das Feld Eine Weile nach dem Schlusspfiff UEFA-Cup Viertelfinale 2008: Bayern-Stürmer Luca Toni bereits betreten. Jetzt stellt der beleidigt ein Spieler den Schieds- spitzelt Getafe-Torwart Oscar Ustari den Ball weg, als der ihn Trainer fest, dass sich ein anderer richter, der das Spielfeld gerade gerade abschlagen will. Spieler verletzt hat. Daher möchte verlassen hat. er jetzt diesen Spieler auswech- Situation 1 erkämpft sich den Ball und erzielt seln. Situation 14 Der Torwart hat den Ball abgefan- ein Tor. Eine Mannschaft trägt rote Stut- gen und tippt ihn mehrfach auf Situation 8 zen. Ein Spieler hat eine weiße den Boden auf. Ein Angreifer steht Situation 3 Während des Elfmeterschießens Bandage über die roten Stutzen unbemerkt hinter ihm und spitzelt Strafstoß. Der Spieler mit der verletzt sich der Torhüter. Die gezogen, die ungefähr das halbe den gerade aufspringenden Ball Nummer 5 legt sich den Ball Mannschaft hatte erst zwei Spieler Schienbein bedeckt. mit dem Fuß weg, ohne den Tor- zurecht, begibt sich außerhalb des ausgewechselt und kann daher wart dabei zu berühren. Strafraums und alle rechnen mit den Ersatztorhüter einwechseln. Situation 15 ihm als Strafstoßschützen. Plötz- Dieser Ersatztorhüter möchte jetzt Ein Trainer stellt sich während des Situation 2 lich läuft aber der Spieler mit der auch einen Elfmeter schießen. Spiels mehrere Minuten an den Auch in diesem Beispiel hat der Nummer 9 an. vorderen Rand seiner Coaching- Torwart den Ball gefangen. Nach Situation 9 Zone und gibt von dort Anweisun- einigen Sekunden legt er den Ball Situation 4 Ein Abwehrspieler spielt den Ball gen an seine Mannschaft. Danach auf den Boden, da er den hinter Der Schiedsrichter entscheidet auf zu seinem Torwart zurück. Er trifft bleibt der Trainer ruhig stehen und ihm stehenden Angreifer nicht Freistoß im Mittelfeld für den den Ball so unglücklich, dass der geht nicht zur Bank zurück. gesehen hat. Dieser Angreifer Platzverein. Ein Gästespieler stellt Torhüter den Ball mit seinen Hän- ■

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2009 17 Lehrwesen Auswechseln ist doch ganz

Der Lehrbrief Nr. 23 des DFB, der an alle Lehrwarte in Deutschland geschickt wurde, befasst sich ausfü Rande abspielt. Günther Thielking beleuchtet hier die wichtigsten Aspekte.

ufgeregt trippelt der kleine ABenjamin an der Seitenlinie auf und ab. Sein Team führt mit 4:1, und gleich darf der Junge sein erstes Spiel in der D-Jugend bestreiten. „Wenn wir in der zweiten Halbzeit mit drei Toren führen, kommst du als Auswechselspieler rein“, hatte der Trainer ihm vor Spielbeginn versprochen. Stolz zieht Benjamin noch einmal seine Stutzen hoch. Da fällt das 4:2. Betroffen sieht der Junge zu Boden. Plötzlich rollt der Ball an der Seitenlinie entlang, genau auf ihn zu. Schnell rennt er auf den Platz und tritt mit voller Wucht gegen die Kugel. Weit fliegt sie vor das gegnerische Tor. Doch sofort kommt ein Pfiff. Der Schiedsrichter läuft auf Benjamin zu und zeigt ihm „Gelb“: „Tut mir leid, das steht so in den Regeln. Schließlich dürft ihr ja nicht mit zwölf Mann auf dem Feld sein.“ Und schon geht das Spiel weiter – mit indirektem Freistoß, wo sich der Ball beim Pfiff befand. Aber ohne Benjamin. Dessen Mutter lobt den jungen Schiedsrichter nach dem Spiel dafür, dass er ihrem Begriffe bei der Zuordnung inner- Nach einigen Veränderungen in zu den Textstellen im Regelwerk ist Sohn erklärt habe, weshalb es für halb der Teams ins Spiel (niemand den folgenden Jahren heißt es beim Thema „Auswechselspieler“ ihn als Auswechselspieler die benutzt heute mehr den Ausdruck heute in Regel 3: „Bei Spielen eines besonders zu beachten, dass die Gelbe Karte gab. „Halbstürmer“ zum Beispiel) – kons- offiziellen Wettbewerbs der FIFA, Abläufe beim Spielerwechsel for- tant blieb dagegen für fast ein einer Konföderation oder eines mal korrekt vollzogen werden. In den amtlichen Spielregeln Jahrhundert die Zahl der Spieler, Mitgliedsverbandes dürfen bis zu gehört das Thema „Spielerwech- die eingesetzt werden durften: elf. drei Spieler ausgewechselt wer- So muss der Wunsch nach einem sel“ zur Regel 3, in der die Zahl der Die übrigen Mitglieder eines Teams den.“ solchen Wechsel zunächst beim Spieler auf dem Rasen eindeutig konnten lediglich bis zum Anpfiff Unparteiischen angemeldet wer- bestimmt wird. Schon wenige hoffen, von ihrem Trainer aufge- Um Wechselfehler zu vermeiden, den. Kommt es dann durch einen Jahre nachdem die ersten Spielre- stellt zu werden. Danach waren sie gibt es zu dieser Regel eine Reihe Ausball, durch einen Pfiff nach geln erschienen waren, wurde 1870 nur noch Zuschauer, selbst wenn von Ausführungsbestimmungen. einem Foul oder nach einer Verlet- die Spielerzahl auf elf festgelegt. ein Spieler ihrer Mannschaft sich Sie gehören natürlich zum Grund- zung zu einer Unterbrechung des Im Regelwerk steht seitdem: „Die verletzte oder gar durch einen wissen eines Schiedsrichters und Spiels, muss der auszuwechselnde Partie wird von zwei Teams bestrit- absichtlichen Tritt seines Gegners müssen von ihm beherrscht wer- Spieler unbedingt zunächst vom ten, von denen jedes höchstens elf nicht mehr weiterspielen konnte. den. Die Lehrwarte sollten deshalb Platz, ehe der neue Spieler das Spieler aufweist; einer von ihnen Von Chancengleichheit konnte das Thema „Auswechselspieler“ Spielfeld betreten darf. Gleichzei- ist der Torwart.“ man häufig nicht mehr reden. Sie regelmäßig schulen und den tig ist hierfür die Zustimmung des wieder einigermaßen herzustellen, Kenntnisstand bei ihren Unpartei- Unparteiischen notwendig. Der Taktische Veränderungen, neue war der Hauptgedanke bei der Ein- ischen abrufen. Sehr gut gegliederte Assistent darf dem Spieler diese Systeme wie 4-2-4 oder der „Libero“ führung der Auswechslung (siehe Hinweise bekommen sie in den Erlaubnis nicht erteilen. Als Ort brachten zwar immer wieder andere Kasten). Regeln 3, 4 bis 6 und 12. Ergänzend zum Betreten des Spielfelds ist der

18 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2009 Die Zahl der Spieler Bis 1965 immer mit 11 Mann Spieler auch, der Strafgewalt des Schiedsrichters unterliegen. Kriti- Fußball ist ein weltweites Phä- siert ein Auswechselspieler von der nomen. In nahezu sämtlichen Ländern der Erde spielen die einfach, oder? Ersatzbank aus den Schiedsrichter, Mannschaften nach den glei- dann gibt es für ihn ebenso die chen Regeln. Damit wird für Gelbe oder gar Rote Karte wie für jedes Team im Wettkampf mit hrlich mit einem Vorgang, der sich eigentlich am einen Spieler auf dem Spielfeld. anderen eine Chancengleichheit Wichtig für die Unparteiischen geschaffen. Als die Urväter des bleibt letztlich noch die Vorgabe, Fußballspiels in England um dass Regelübertretungen der Aus- 1850 den modernen Fußball auf wechselspieler gleich welcher Art den Weg brachten und sich mit Bereich in Höhe der Mittellinie ver- findet sich in den Anmerkungen zu immer nur einen indirekten Freistoß besonderen Spielregeln vom Rugby lossagten, merkten sie bindlich vorgegeben. Der Spieler- den Spielregeln am Anfang des nach sich ziehen können, selbst bald, dass die Zahl der Akteure wechsel ist durchgeführt, wenn der Regelbuchs. Bedingt durch die wenn es sich um Verbotenes Spiel exakt festgelegt werden musste. Auswechselspieler den Regeln ent- Autonomie der einzelnen Verbände, wie Treten, Schlagen oder Bein- sprechend das Spielfeld betreten Bezirke und Kreise gibt es hier eine stellen handelt. Nachdem zunächst zwischen 15 und 20 Spieler gegeneinander hat. Von diesem Moment an darf geradezu babylonische Vielfalt an antraten, wurde schon 1870 die der ausgewechselte Spieler nicht Bestimmungen, die den Schieds- Der junge Schiedsrichter hatte also Mannschaftsstärke auf „11“ fest- mehr am Spiel teilnehmen. richtern an den jeweiligen Lehr- die richtige Spielfortsetzung gelegt. Bestimmungen zum abenden vom Lehrwart mitgeteilt gewählt – indirekter Freistoß, wo „Auswechselspieler“ haben Wichtig für die Spiele in den Kreisen werden müssen. sich der Ball beim Pfiff befand. Und dagegen erst eine kurze Ver- und im Jugendbereich ist, dass von Benjamin, der inzwischen auch sein gangenheit, denn noch bis 1965 den Bestimmungen zur Zahl der Keine Abweichungen vom offiziel- erstes D-Jugendspiel hinter sich galt im Fußball die Philosophie Auswechselspieler und zur Möglich- len Regeltext gibt es dagegen beim hat, weiß jetzt genau, was er als vom „Elf Freunde müsst ihr sein“. Daraus leitete sich unter keit, ausgewechselte Spieler wieder bereits beschriebenen Auswechsel- Auswechselspieler auf keinen Fall anderem auch ab, dass selbst einzuwechseln, abgewichen werden vorgang und der Tatsache, dass tun darf – ohne Anmeldung einfach verletzte Spieler bis zur letzten darf. Die formale Grundlage hierzu Auswechselspieler, wie jeder andere aufs Feld rennen. ■ Minute durchhielten, um ihre Mannschaftskameraden nicht im Stich zu lassen. Dann aber beschloss zunächst die englische Liga, dass ein sol- cher verletzter Spieler ausge- wechselt werden durfte. Vier Jahre später, im Sommer 1967, entschied der International Board, die höchste Regelinstanz unseres Sports, dass zwei Spie- ler pro Mannschaft ausge- tauscht werden konnten – die Auswechselregel war einge- führt. Sie wurde erstmals zur Saison 1994/95 verändert. Nun wurde neben den zwei Aus- wechselspielern mit dem Ein- wechseln eines Ersatztorwarts ein dritter Tausch zugelassen – allerdings nur im Fall einer Ver- letzung. Das führte schnell zu Unstimmigkeiten, weshalb es schon ein Jahr später zur bis heute gültige Fassung kam, dass pro Spiel und Mannschaft drei Spieler ausgewechselt werden dürfen, gleich ob Feldspieler oder Torwart. Verbunden damit waren eindeutige Festlegungen zum Auswechselvorgang. Der Lehrbrief 23 befasst sich unter der Überschrift „Rund um den Auswechselspieler“ mit die- sen Bestimmungen und bietet Arbeitsvorschläge für die In der Bundesliga und bei internationalen Spielen (hier mit Spielern von Schiedsrichter-Aus- und Fortbil- Atletico Madrid) achtet der Vierte Offizielle darauf, dass bei einem Wechsel alles regelkonform dung. ■ abläuft.

19 Regel-Test Antworten Wenn der Stürmer spitzelt Die richtige Beurteilung der Spiel-Situationen von Seite 17

Situation 1 Situation 6 Mitspieler). Daher muss der ganz klare Ausnahmefälle Indirekter Freistoß für den Torhüter, Das Tor ist gültig, das Spiel wird mit Schiedsrichter auf indirekten Frei- beschränken. da jeglicher Angriff verboten ist, Anstoß fortgesetzt. Die Ballberüh- stoß entscheiden. Der Freistoß wird solange er den Ball hält, und er rung durch den Torhüter mit der auf der Torraumlinie ausgeführt. Situation 11 auch beim Abschlag nicht behindert Hand war zwar regelwidrig, aber Eine Persönliche Strafe gegen den Indirekter Freistoß gegen den Tor- (angegriffen) werden darf. Das Auf- hier wird selbstverständlich der Torhüter gibt es nicht, ebenso wart. Er darf den Ball nicht mit den tippen des Balles zählt nicht als Vorteil angewendet und das Tor selbstverständlich keinen Strafstoß. Händen berühren, da er ihm von Ballfreigabe. anerkannt. Hätte ein Feldspieler den Ball mit einem Mitspieler absichtlich mit der Hand über das Tor gelenkt, so dem Fuß zugespielt worden war. Situation 2 Situation 7 wäre neben einem Strafstoß auch Dass der Torwart den Ball selbst in Das Tor ist gültig. Wenn der Torhü- Mit Verlassen des Spielfeldes durch noch eine Rote Karte die Folge den Strafraum spielte, ist nicht von ter den Ball auf den Boden legt, ist den Spieler und dem Betreten gewesen. Bedeutung. er frei und damit für andere spiel- durch den Auswechselspieler ist die bar. Auswechslung vollzogen und kann Situation 10 Situation 12 damit nicht mehr rückgängig Der Schiedsrichter lässt das Spiel Der Schiedsrichter entscheidet auf Situation 3 gemacht werden. Soll jetzt der ver- im Sinne der Vorteilgewährung Strafstoß. Der Spieler wird wegen Der Schiedsrichter muss das Spiel letzte Spieler auch noch ausge- weiterlaufen. Wird ein Tor erzielt, des unsportlichen Handspiels ver- sofort unterbrechen (nicht die Wir- tauscht werden, so ist dies nur wird dieser Abwehrspieler unmittel- warnt. Ein Feldverweis wird nicht kung des Strafstoßes abwarten). durch eine weitere Auswechslung bar danach verwarnt. Wird kein Tor ausgesprochen, da durch das Hand- Der Spieler mit der Nummer 9 wird möglich. Natürlich nur dann, wenn erzielt, so gibt es in der nächsten spiel kein reguläres Tor verhindert verwarnt und anschließend wird noch keine drei Spieler ausge- Spielunterbrechung „Gelb“. wurde (es hatte sich um einen indi- tauscht wurden. Schwieriger wird es, wenn der rekten Freistoß gehandelt). der Strafstoß ausgeführt. Welcher Abwehrspieler den Schiedsrichter Spieler jetzt den Strafstoß ausführt, Situation 8 beleidigt haben sollte. Normaler- Situation 13 bleibt der Mannschaft überlassen. Dies ist zulässig. Jeder Spieler, der weise wird bei einer Roten Karte Da der Schiedsrichter bereits das Er muss lediglich als Schütze klar am Elfmeterschießen teilnimmt, kein Vorteil gewährt. Das Spiel wird Spielfeld verlassen hatte, darf er identifizierbar sein. kann auch einen Elfmeter schießen. dann unterbrochen und der Spieler dem Spieler keine Rote Karte zei- Da die Einwechslung des Ersatztor- des Feldes verwiesen. Lediglich gen. Er kann diesen Vorgang nur Situation 4 hüters regelgerecht war, kann er wenn es sich um einen ganz klaren noch im Spielbericht melden. Wäre Zunächst gibt es eine Gelbe Karte auch einen Elfmeter schießen. Vorteil handelt und sich dieser Vor- er noch auf dem Spielfeld gewesen, für den Spieler, der sich vor den teil in den nächsten Sekunden ein- dann hätte er eine Rote Karte zei- Ball gestellt und damit die Fortset- Situation 9 stellt, dann soll er auch in einem gen müssen. zung des Spiels verzögert hatte In diesem Fall ist die Ballberührung solchen Fall gewährt werden. Regel- (Unsportlichkeit). „Rot“ gibt es durch den Torhüter mit den Händen technisch ist dies möglich, in der Situation 14 dann für den Spieler des Platzver- nicht erlaubt (Ball kam von seinem Praxis sollte es sich auf wenige Dies ist nicht zulässig. Normaler- eins, da er den Gegenspieler weise müssen sämtliche Feldspieler absichtlich und heftig angeschos- einer Mannschaft gleichfarbige sen hatte. Stutzen tragen. Die UEFA erlaubt jetzt Tapestreifen in einer anderen Situation 5 Farbe bis zu einer Breite von maxi- Der Schiedsrichter unterbricht das mal zwei Zentimetern. Spiel nicht und lässt es weiterlau- fen. Entsprechend den Spielregeln Situation 15 kann er zwar nach einigen Sekun- Dies ist erlaubt und soll vom den das Spiel noch unterbrechen Schiedsrichter akzeptiert werden, (nachpfeifen), wenn der erwartete solange sich der Trainer nicht Vorteil nicht eintritt. In dieser Situa- unsportlich verhält und den tion hatte der Mitspieler den Vor- Schiedsrichter und sein Team in teil, er hat ihn lediglich nicht Ruhe amtieren lässt. genutzt. Damit kann der Schieds- ■ richter nicht mehr nachpfeifen.

20 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2009 Wettbewerb Immer weitermachen Wie schon in den letzten Ausgaben veröffentlichen wir auch diesmal einen Text, der zum Wettbewerb „Faszination Schiedsrichter“ einge- schickt wurde und einen Preis gewann.

Benjamin Egyed (18) machte 2005 vation, einen Antrieb, den niemand Das treibt mich an. Auch wenn es seine Schiedsrichter-Prüfung im sehen, niemand wahrnehmen will. schwierig wird, ist es trotzdem Kreis Ludwigshafen. Sein Verein schön und belebend, etwas zu leis- ist die FG („Fußballgesellschaft“) Ich trage Verantwortung. Ich tue ten, was sich so viele nicht trauen. Dannstadt. Als er im Mai 2008 am etwas für den Sport, den ich liebe. Einer von den 80.000 zu sein, Wettbewerb teilnahm – damals war Ich spiele nicht selbst, ich trainiere grade mal 0,1 Prozent unserer er noch 17 –, schrieb er dazu: „Viel keine Mannschaft und ich leite kei- Bevölkerung, die es wagen, sich Niedersachsen Spaß mit meinem Text! Ich hoffe, nen Verein, sondern ich leite das hinzustellen und die Aufgabe zu er bringt rüber, warum ich einer ganz zentrale Geschehen. Ich opfere erfüllen. Viele sehen mich als not- 70 Jahre Schiedsrichter von den ,Men in Black’ bin.“ Kein mich gewissermaßen für den wendiges Übel, aber genau genom- Zweifel, das hat Benjamin sehr gut Sport, ich bin einer von denen, die men bin ich etwas Besonderes, Nicht alltägliche Ehrungen rübergebracht – und noch ein mit der schwierigsten Rolle über- einer von denen, die sich ungeach- langjähriger Unparteiischer bisschen mehr… haupt belastet sind und den Sport tet der Probleme einer Herausfor- gab es im Fußballkreis Osna- am Leben halten. derung stellen und sie bewältigen. brück-Land des Niedersächsi- s gibt Momente, da zweifle ich Ich bin wie ein Bergsteiger, der schen Fußballverbandes. Ean mir selbst. Es gibt Momente, Ich kann nach einem guten Spiel sich oft durchquälen muss. Ich bin da frage ich mich, warum und vom Platz gehen und stolz sein. auch ein Leistungs-Sportler, einer, Vor 70 Jahren, im Herbst 1937 wozu ich mir das hier antue, was Stolz darauf, was ich erreicht habe, der nicht nur an körperlichen, son- legte Peter Scharmacher es für einen Sinn hat. nicht in Titeln messbar, eigentlich dern viel mehr an mentalen Grenz- seine Schiedsrichter-Prüfung an gar nichts messbar. Vielleicht bereichen kratzt und sich immer ab, um danach zunächst als Das sind die Tage, an denen auf daran, wie wenig Sprüche heute wieder antreibt. Wie Olli Kahn, Referee und dann als Fußball- mich als Schiedsrichter alles ein- kamen. Ich habe erreicht, dass einer, der immer weitermachte. funktionär in unterschied- prasselt. Knifflige Situationen, Spieler, Trainer, Zuschauer ein lichen Arbeitsbereichen tätig wilde Spieler, wütende Trainer, Erlebnis hatten, das es ohne mich Das ist mein Antrieb, das ist mein zu sein. ganz dumme Sprüche und so vie- als richtende Person nicht gege- letzter Gedanke vor dem Spiel und les mehr. Teilweise wollte ich nach ben hätte. Ich habe mein erster nach dem Match. Dass In Anwesenheit seines Kreis- solchen Spielen schon die Pfeife einen Teil zu dem ich etwas leiste, auf das ich, ich vorstandes, der Bürgermeiste- an den Nagel hängen. Aufhören. Es Werk beigetra- ganz allein, am Abend stolz sein rin der Stadt Bramsche und sein lassen. Dabei bin ich grade gen, das Spiel kann. Egal, ob vor 69.000 in der des NFV-Vizepräsidenten Ferdi erst 17 und seit drei Jahren für Spiel Millio- Allianz Arena oder vor 69 in Dunker wurde er zusammen Schiedsrichter. Was war das denn nen in seinen irgendeinem Amateurspiel. mit anderen langjährigen bisher für eine Jugendzeit, wenn Bann zieht. ich mich dauernd beschimpfen las- Und deswegen mache ich jedes Schiedsrichtern im Rathaus sen muss? Was gibt mir das alles? Wochenende wieder weiter, ich seiner Stadt geehrt. Der Was hat „König Fußball“ für mich motiviere mich damit und 89jährige Schiedsrichter-Pensi- parat? – wer weiß – vielleicht onär zeigte sich überrascht, kann ich irgendwann als mit Herbert Reitzer, Man- Es ist schwierig, das jemandem auch Bekannten und fred von Dom und Martin klar zu machen, beispielsweise meinen Kindern Gebauer noch drei weitere einem Sportler. Jeder im Sport erzählen, welche tol- Schiedsrichter-Veteranen die strebt danach zu gewinnen, einen len Spiele ich live Ehrenurkunde erhielten. Er Pokal in Händen zu halten, Medail- erlebt habe. Nicht hatte die drei als Lehrwart vor len am Hals zu spüren, auf dem auf der Tribüne, 50 Jahren selbst ausgebildet. Siegerpodest zu stehen und sich sondern mitten- Mit einem Schmunzeln feiern zu lassen. drin. Hautnah. begrüßte er noch fünf Silber- Ein Schiedsrichter hat das alles Benjamin Egyed jubilare, die auf eine 25jährige nicht, was ist dann der Lohn? Der Schiedsrichter-Tätigkeit Lohn ist ein ganz besonderer, zurückblicken konnten. einer, den man nicht in der Sonne Stolz trägt Benjamin Egyed seine gewonnene WM-Uhr. Herbert Reitzer glänzen sieht. Ich habe eine Moti- Den Ring nimmt er natürlich vor Spielbeginn ab…

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2009 21 Report Zwei Assistenten mehr – ist das die Lösung?

Die UEFA testet bei Junioren-Turnieren eine Idee ihres Präsidenten. Michel Platini hofft, mit zwei zusätzlichen Unparteiischen den Ruf nach dem Videobeweis zum Verstummen bringen zu können. Der freie Journalist Rainer Kalb schreibt hier seine Sicht der Dinge und befragte auch Volker Roth zu dem Experiment

dert, ist das nur zu begrüßen.“

Die Zusatz-Schiedsrichter haben keine Flaggen und keine Entschei- dungsgewalt. Sie kommunizieren mit den drei „normalen“ Schieds- richtern nur über Funk. Der Haupt- Schiedsrichter entscheidet, ob er die Anmerkungen seiner neuen Kollegen berücksichtigt und umsetzt.

Abgesehen von den technischen Fragen, wo dieser Zusatz-Schieds- richter plaziert sein soll, scheinen noch folgende Beobachtungen von Bedeutung: Bislang traf der Haupt- Schiedsrichter 80 Prozent der Ent- scheidungen allein, ohne Hilfe sei- ner Assistenten. Jetzt sind es nur noch 50 Prozent. Zwei Kapitäne, zwei Torhüter und fünf Schiedsrichter: Schiedsrichter Douglas McDonald mit seinen vier Assistenten vor dem U19 EM-Vorrundenspiel Zypern gegen Tschechien am 22. Novem- Als beispielsweise bei einem ber 2008 in Larnaca - ein gewöhnungsbedürftiger Anblick. Gegentor Schiedsrichter Tony Cha- peron (Frankreich) die vorherge- ie international tätigen Jour- sie unterbinden können – ein als sechs. Und wenn sich das hende Szene nicht eindeutig beur- Dnalisten, die sich zur Gruppen- ungeahnter Vorteil gegenüber Schieben und Stoßen aus Angst teilen konnte – ein Stürmer, ein phase der U 19-Europameister- jedem Videobeweis, der erst nach- vor direkter Beobachtung vermin- Verteidiger und ein herausstürzen- schaft nach Zypern begeben hat- träglich kommen kann. Deshalb ten, um das Experiment mit fünf auch sah sich derjenige, der eine So dicht wie hier steht der zusätzliche Assistent neben dem Schiedsrichtern zu beobachten, Elfmeter-Lawine erwartet hatte, Tor - eine neue Situation auch für die Torhüter. ließen sich an zwei Händen abzäh- am Ende getäuscht. len. Das Fazit vorweg: Es hat sich gelohnt. Und der Weg scheint der Ob Spiele(r) auch im Profibereich richtige zu sein. fairer werden, wenn sie im Straf- raum unter direkter Beobachtung Am überzeugendsten war der stehen, muss noch abgewartet Moment, als einer der Zusatz- werden. Bei den Junioren jeden- Schiedsrichter rief: „Nummer drei, falls war das auffällig. DFB-Vize- ich habe Sie im Blick!“ Das war der präsident Dr. Rainer Koch, zustän- Moment, in dem klar wurde, dass dig für das Schiedsrichter-Wesen, die Zusatz-Schiedsrichter schon im äußert sich nach Informationen zu Vorfeld auf sich anbahnende regel- den Beobachtungen des Experi- widrige Attacken hinweisen und ments: „Zehn Augen sehen mehr

22 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2009 Interview mit Volker Roth

„Es muss ein Versuch im Profibereich stattfinden!“

Auf Zypern fand bei Grup- Roth: Da gehen die Meinun- penspielen der U 19-Europa- gen unter Experten und in meisterschaft ein Test mit den Kommissionen noch aus- fünf Schiedsrichtern statt. einander. Bislang laufen die Gleiche Versuche hatte es Schiedsrichter ja immer dia- schon bei Turnieren in gonal von rechts hinten nach Ungarn und Serbien gege- links vorne. Untersuchungen ben. Wie fällt Ihr erstes Fazit haben gezeigt, dass sich die aus? meisten Fehlentscheidungen, vor allem hinsichtlich Foul- Volker Roth: Ich war bei kei- spiels, bei Aktionen in der nem Test vor Ort, kann mich rechten Angriffshälfte ereig- nur auf die entsprechenden nen, obwohl dort der Assis- Berichte stützen. Danach tent tätig ist. Aber der ist waren die Tests in Ordnung. heutzutage sehr intensiv mit Die Körpersprache verrät einiges von der Anspannung des Und alles, was den Schieds- der Überwachung von Assistenten bei einer Strafraum-Situation. richtern und damit dem Fuß- Abseitsstellungen beschäftigt, ball hilft, ist gut. und der Schiedsrichter hält der Torwart kämpften um den Ball, Im Grunde ist der Zusatz-Schieds- sich eben links auf. Steht der und der Referee stand 20 Meter richter mit einem Torwart zu ver- Glauben Sie, dass der Inter- Zusatz-Schiedsrichter rechts hinter der Szene, so dass ihm die gleichen. Manchmal hat er nur ein national Board des Weltver- vom Torwart – also auf der lin- Sicht versperrt war –, hörte er halbes Dutzend entscheidende bandes FIFA schon im Februar ken Seite aus Blickrichtung über den Knopf im Ohr nur kurz: Situationen im Spiel zu bewältigen, 2009 die Einführung der bei- des Schiedsrichters –, braucht „Alles in Ordnung.“ Das Tor war muss aber immer hoch konzen- den so genannten Zusatz- dieser nicht mehr diagonal gültig. Dazu Chaperon: „Da war ich triert sein, weil er nie wissen kann, Schiedsrichter beschließen nach links zu laufen, sondern wirklich erleichtert. Sonst hätte wann die Prüfung über ihn herein- wird? kann sich vielmehr in die ich Selbstzweifel gehabt.“ bricht. Mitte orientieren. Das wird Roth: Ich denke eher, die nur insofern schwierig, weil Außerdem wird das Spiel flüssiger Ein weiteres Problem ist auf Testergebnisse müssen noch wir bei Amateurspielen ja und der Schiedsrichter geschont. Zypern auch noch angesprochen gründlich analysiert werden, keine fünf Schiedsrichter In einem Match spielte der Torhü- worden: Das Fernsehen wird mit und vor allem müsste ein Ver- haben werden, die Unpartei- ter auf Zeit, und der Unparteiische einem Zusatz-Schiedsrichter nicht such im Profibereich stattfin- ischen sich aber über die wies seinen Zusatz-Schiedsrichter glücklich sein. Zwangsläufig taucht den, ehe solch ein doch ein- Amateurklassen für den Profi- an: „Sag ihm, beim nächsten Mal er bei den Hintertor-Kameras schneidender Beschluss bereich qualifizieren. Sie müss- zeige ich ihm ,Gelb’!“ Der Schieds- immer wieder im Bild auf und ver- gefasst wird. Bislang wurde ten dann noch einmal konse- richter ersparte sich damit zwei sperrt mit seinem Rücken den diese Idee von UEFA-Präsi- quent umdenken und umler- Laufwege von 50 Metern, denn Blick auf Teile des Spielgesche- dent Michel Platini ja nur bei nen. Das wäre keine leichte sonst hätte er selber zum Torwart hens. Das ist vielleicht das kleinste Junioren-Turnieren getestet. Aufgabe. eilen müssen – und so hielt er Problem, aber kein geringes. zudem das Spiel im Fluss. ■ Der Zusatz-Schiedsrichter Auf Zypern fiel auf, dass die darf auch das Feld betreten... Zusatz-Schiedsrichter bei Eckbällen oder Freistößen Roth: Ja, aber er muss immer schon vor der Ausführung in hinter dem Torwart bleiben. das Spiel eingriffen. Zwei weitere Schiedsrichter, die sich zwischen den Spie- Roth: Wenn durch genaue lern tummeln dürften, würden Beobachtung und warnende diese irritieren. Worte Fußball wieder mit Füßen und Köpfchen und Der Zusatz-Schiedsrichter nicht mit zerrenden Händen wird nicht hinter dem Tor gespielt wird, kann ich das nur stehen, da ihn dann das Netz begrüßen. Allerdings: Dass es in der Sicht behindert. Bleibt auch bei fünf Schiedsrichtern die Frage: Soll er links vom falsche Entscheidungen Torhüter, also quasi neben geben wird, ist klar. Es wäre dem Assistenten, oder unfair und verblendet, das in UEFA-Präsident Michel Platini war auf Zypern vor Ort und rechts auf der vom Assisten- Abrede stellen zu wollen. konnte die Gespräche der Schiedsrichter während des Spiels ten entfernten Seite postiert mithören. werden? ■

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2009 23 Interview

urt Tschenscher (80) nahm in Kden 60er- und 70er-Jahren an & Felix Brych: drei Weltmeisterschaften teil, Felix Brych (33) gehört heute zu den besten fünf Schiedsrichtern in Deutschland. In Mannheim führten sie ein „Gespräch der Generationen“, dessen ersten Teil wir in der Aus- Gesprächder Ge gabe 6/2008 veröffentlicht haben. Drei Stunden redeten die beiden Top-Schiedsrichter über ihre großeLeidensch Hier folgt Teil zwei, aufgeschrie- ben in der Form eines Stichwort- Interviews. oder warum einer seine Groß- um ihre Berichte fertigzumachen. dem Spitznamen Napoleon, chance versemmelt hat. Koppehel war ja selber Journalist da hat der Koppehel nur gelacht Fehler und Medien und hat die Schiedsrichter-Zeitung und gesagt: „Nehmen Sie das doch Tschenscher: Wir hatten vom DFB- gegründet. Der wusste, wovon er als Kompliment!“ Tschenscher: Ich habe mal bei Schiedsrichter-Ausschuss die sprach, und ich habe gerade im einem Spiel in Essen einen Elfme- Anweisung: Bis zu einer halben Umgang mit den Medien sehr viel Brych: Zu euch sind die Journalisten ter nicht gegeben, der eigentlich Stunde nach dem Spiel erfolgt kein von ihm angenommen. wohl nur gekommen, wenn es einer war, aber ich habe einfach Interview mit Journalisten zu ein- wirklich etwas ganz Gravierendes den Moment des Pfiffs verpasst. zelnen Spielsituationen und auch Brych: Was denn zum Beispiel? war wie ein aberkanntes Tor oder Das Foul war in einem Spielerknäu- dann erst, wenn das Team bereits ein kniffliger Feldverweis. Bei uns el, so dass die Sache von außer- umgezogen ist. Carl Koppehel, Tschenscher: Er sagte mal zu mir: fragen sie ja schon nach einem Elf- halb des Spielfelds nur schwer zu unser DFB-Lehrwart, hat damals „Kamerad Tschenscher, ich habe meter, der zum 4:1 führt. Da wird erkennen war. Und wie das so ist schon immer in seinem jetzt gelesen, Sie seien auf dem das Haar in der Suppe gesucht. mit selbst erkannten Fehlern: Man Berliner Dialekt gesagt: Platz unnahbar. Machen Sie sich ist ja froh, wenn einen keiner drauf „Wissense wat, meine nichts draus, lassen Sie sich Tschenscher: Ich wünsche mir, hinweist. Ein Reporter kam aber Herren? Wenn diese weiter nichts gefallen, ein dass ihr den Medien gegenüber bei doch und meinte: Herr Tschen- Zeit rum is’, will Schiedsrichter muss sich bei nie- Fragen zu kritischen Spielsituati- scher, das war doch ein klarer keener mehr wat mandem lieb Kind machen.“ Und onen euer Entscheidungsverhalten Elfer! Ich hab dann nur zu ihm von ihnen!“ Und er als ich ihm antwortete, da hat begründet, aber kurz und knapp. gesagt: Schreiben Sie, was Sie hatte Recht, die sogar ein Journalist geschrieben, Denn je länger über eine Frage gesehen haben! Der ging weg und Journalisten waren der Tschenscher diskutiert wird, desto mehr Zweifel schrieb dann, dass ich mich sehr noch kurz bei den bewege sich könnten an der Berechtigung erhaben gezeigt hätte. Dabei war Spielern und auf dem Platz einer getroffenen Entscheidung mir schon kurz nach dem Gespräch Trainern und wie ein entstehen. mit ihm klar: Das hätte ich ruhig sausten dann Diplomat zugeben können. Schließlich weiß los in ihre und Feld- Brych: Wir leben aber auch im jeder, dass auch Schiedsrichter Redaktionen, herr mit Zeitalter der Medien und Fehler machen. müssen uns mit ihnen arrangieren, allerdings Brych: Ja, aber wer gibt die schon gern zu? Von uns wird es aber immer verlangt, und es kann ja auch ein Zeichen von Stärke sein. Heute kommen die Reporter natür- lich viel öfter zu uns Schiedsrich- tern als zu euch früher, Kurt. Das Fernsehen zeigt ja auch viel mehr als damals und die Reporter wäh- nen sich durch die Zeitlupen auf der sicheren Seite. Ich muss schon zugeben, es ist manchmal wirklich schwierig, eine halbe Stunde nach Abpfiff, wenn man sozusagen noch unter Strom steht, ganz abgeklärt zuzugeben, was falsch gelaufen ist. Spieler oder Trainer geben ja auch nicht sofort ihre Fehler zu. Die eiern dann rum, wenn sie erklären sollen, warum der Spieler- wechsel doch richtig war oder warum der Ball nicht zu halten war

24 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2009 halb des Strafraums. Erst in mei- nen letzten beiden aktiven Jahren 2. Teil gab es die Anweisung, dass Linien- richter Fouls in ihrem Bereich mit der Fahne anzeigen durften. Das war sozusagen der Korridor, der sich ergibt, wenn man die Straf- nerationen raumlinie auf ihrer Seite bis zur aft. Lutz Lüttig führte Protokoll. Mittelinie verlängert. Das habe ich damals als eine sehr gute Unter- stützung empfunden. Sie müssen ohne die Distanz zu verlieren. Tschenscher: Da hast du Recht, allerdings dafür befähigt sein, also Ich habe mir zum Beispiel ange- Felix. Die „Schwalbe“ als solche auch selber Spiele leiten, damit sie wöhnt, bei Roten Karten oder gab es zu unserer Zeit längst nicht ein Gefühl für die entsprechenden Geschehnissen, die hinter mei- so oft und sie wurde auch nicht so Situationen entwickeln können. Kurt Tschenscher nem Rücken passiert sind, mich schauspielerisch vorgeführt. Ich nur mit einem Satz zu äußern: habe auch nie jemanden deswegen Brych: Aus meiner Sicht werden 22 Jahre ganz oben „Haben Sie bitte Verständnis, das verwarnen müssen. Es gab von mir die Assistenten immer wichtiger. ist ein schwebendes Verfahren, zu dann im Vorbeilaufen eine ernst- Denn die Entscheidungen werden 1953 DFB-Schiedsrichter dem ich deshalb keine Stellung hafte Ermahnung, wenn ich immer enger, wobei sie ja direkt (24 Jahre alt) nehmen kann.“ Dann haben die erkannt hatte, dass der Spieler Einfluss aufs Spielgeschehen neh- 1958 FIFA-Schiedsrichter Fernsehleute ein Statement, und etwas herausschinden wollte. men, weil es in vielen Szenen eben (29) ich habe mir nichts vergeben. um Abseitssituationen geht, aus 1962 Europacup-Finale der Assistenten denen Tore fallen. Ich würde Pokalsieger (33) „Schwalben“ soweit gehen zu sagen: Ein 1966 WM-Schiedsrichter in Tschenscher: Bei uns hießen sie ja Schiedsrichter in den Profiligen ist England (37) Brych: Diese Unsportlichkeit ist noch Linienrichter. Sie waren heute mehr denn je auf seine 1967 Europacup-Finale der für uns immer schwerer zu immer eine wichtige Instanz für Assistenten angewiesen. Landesmeister (38) erkennen, weil die Spieler sie mich. Auch für mich als Schieds- 1968 EM-Schiedsrichter in immer geschickter ausführen. richter war es ja von Vorteil, wenn Tschenscher: Ihr Aufgabenbereich Italien (39) Wenn ich mir Spiele von früher ich zwei erfahrene Linienrichter an ist ja noch größer und damit 1970 WM-Schiedsrichter in anschaue, habe ich das der Linie hatte, auf die ich schwieriger geworden. Sie müssen Mexiko (41) Gefühl, dass man mich hundertprozentig ja höchst konzentriert 90 Minuten 1972 Finale Olympische davon ausgehen verlassen konnte. lang das Geschehen verfolgen. Es Spiele in München (43) konnte, dass ein wird von ihnen höchste Konzentra- 1973 DFB-Pokalfinale (44) Spieler, der zu Fall Allerdings hatte ich, tion, Unerschrockenheit und Ein- 1974 WM-Schiedsrichter in kam, auch gefoult was Foulspiel an- fühlungsvermögen gefordert. Deutschland (45) worden war. ging, die alleinige Damit es eben nicht passiert, dass 1975 126. und letztes Entscheidung – der Schiedsrichter auf der Assis- Bundesliga-Spiel (46) innerhalb und außer- tentenseite einen Freistoß außer-

Zwei Generationen, ein Sport: Kurt Tschenscher halb des Strafraums gibt, wenn das und Felix Brych haben beide sehr früh den Foul deutlich innerhalb war. Weg vom Spieler zum Schieds- richter genommen. Brych: Richtig. Die erhöhte Ent- scheidungskompetenz ist wichtig für das ganze Team. Der Schieds- richter braucht gerade in solchen Situationen Assistenten, die vor allem den Mut besitzen, ihm zu helfen.

Tschenscher: Ich hatte mit meinen Linienrichtern in solchen Situationen eine Absprache. Wenn es ein Foul und innerhalb war, bewegst du dich ohne Hektik Richtung Eckfahne, aber mit gesenkter Fahne. Offenes Anzeigen wie heute war damals ja noch verpönt. Allenfalls der Zeige- finger wurde an der Fahne Richtung Strafraum gestreckt. Das hat

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2009 25 Interview eigentlich gut funktioniert. Genauso die Zuschauer, die nicht regelkundig wie umgekehrt: Wenn du es nicht sind, nehmen es ihnen ab – zum als Foul gesehen hast, bleibst du Nachteil des Schiedsrichters.“ Dem ruhig stehen. Aber du schaust mich muss man nichts hinzufügen. sofort an. Der Blickkontakt war schon immer das Allerwichtigste. Torjubel

Brych: Als ich im Amateurbereich Tschenscher: Die Spieler waren da anfing, wurde bei uns ja noch viel recht verhalten. Die Kollegen sind mit Libero gespielt. Der stand häu- zum Torschützen hingelaufen, fig weit hinten drin, so dass man haben ihm auf die Schulter mit der Abseitsbeurteilung selten geklopft und dann sind alle zusam- große Probleme hatte. Das ist men in ihre Hälfte getrabt. Heute heute natürlich noch viel kompli- musst du ja Angst haben als Tor- zierter geworden, weil die Abwehr schütze, dass dir ein Arm oder ein meist auf einer Linie spielt. Des- Bein gebrochen wird, wenn alle auf Kurt Tschenscher: „Das war halt unsere Geste damals, als es wegen haben gute Assistenten dich losstürzen. Das ist mir zu noch keine Gelben Karten gab: Noch einmal, dann fliegen Sie meine ganze Hochachtung. emotional und zu sehr nach außen raus!“ Hier trifft es den Bulgaren Jezev, der im WM-Spiel dargestellt. Mein Fall ist das nicht. 1966 Brasiliens Star Pelé (am Boden) gefoult hatte.

Brych: Die Tore werden heute halt Schiedsrichter keinen Spaß mehr, wenn der Vorteil mal nicht zustande zelebriert, das ist ein Teil der Spiele zu leiten. Ich habe gern das kam, habe ich eine entschuldigende Show. Damit bin ich aufgewachsen, Spiel laufen lassen und immer ver- Geste mit der Hand gemacht. Die das stört mich nicht. Wenn natür- sucht, auf Vorteil spielen zu lassen. Spieler haben das respektiert, lich das Trikot ausgezogen oder Und ich hätte es sicher noch öfter wenn der Schiedsrichter versuchte, auf den Zaun geklettert wird, gibt gemacht, wenn es damals schon das Spiel im Fluss zu halten. Heute es „Gelb“. Das ist die Regel, an die den verzögerten Pfiff gegeben wird ja gleich lamentiert und müssen wir uns halten. hätte. Das ist wirklich eine sinnvolle gemault, ohne dass der Spieler Auslegung der Regeln. schaut, ob seine Mannschaft nicht Ermessensspielraum doch im Ballbesitz bleibt – furcht- Brych: Das höre ich gern, Kurt. bar! Brych: Das Wort benutze ich zwar Vor allem, weil ich ab und zu darauf kaum, aber den Ermessensspiel- hingewiesen werde, dass ich zu oft Spieler duzen raum schon. Der muss mir in den Vorteil suche. Dabei hilft uns jedem Fall von den Spielern und die Möglichkeit, in solchen Situati- Tschenscher: Kam für mich nie in allen anderen Beteiligten einge- onen verzögert zu pfeifen, ja enorm. Frage. Halt, mit einer Ausnahme. räumt werden. Wobei sich aus die- Das war der Franz Beckenbauer. In sem Spielraum natürlich auch die Tschenscher: Na, klar, das Spiel soll einer Strafraumsituation mit Gerd Felix Brych unterschiedlichen Beurteilungen doch flüssig bleiben. Im Rahmen Müller habe ich mal keinen Elfme- von Situationen ergeben, je nach des Ermessensspielraums kann der ter für die Bayern gegeben. Es war Noch auf dem Weg subjektiver Sicht des Vorgangs. Er Schiedsrichter dazu beitragen. Und ein Pressschlag. Da kam von hinten ist ein ganz, ganz wichtiges Ele- 1999 DFB-Schiedsrichter ment, um ein Spiel zu leiten. (24 Jahre alt) 2001 Schiedsrichter Tschenscher: Nur da, wo die Regel 2. Bundesliga (26) die Entscheidung vorgibt, kannst 2004 Schiedsrichter du den Ermessensspielraum nicht Bundesliga (29) nutzen. Wenn ein Verteidiger den 2007 FIFA-Schiedsrichter Ball von der Linie boxt, kann ich (31) nichts mehr auslegen. Aber sonst ist er das wichtigste Instrument, Tschenscher: Richtig, denn die Stür- um ein Spiel eben nicht nur zu mer bewegen sich heute ja bewusst pfeifen, sondern wirklich zu leiten. mit auf dieser Linie. Das macht es Ich will das Spiel doch mitgestal- wirklich enorm schwer. Hinzu ten und es schnell machen, damit kommt das Fernsehen als „Ober- es den Spielern mehr Freude Assistent“. Uns hat schon Rudi bringt und den Zuschauern auch. Michel, der kürzlich verstorbene Wird dieser Ermessenspielraum große ARD-Fernsehreporter gesagt: immer weiter und schließlich zu „Verlasst euch nicht auf alles, was stark eingeschränkt, indem man euch das Fernsehen zeigt. Auch die jede Kleinigkeit im Regelbuch fest- Felix Brych: „Auch mit energischen Gesten kann man die Spie- Reporter sind nicht fehlerfrei. Doch schreibt, macht es dem erfahrenen ler auf Distanz halten.“

26 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2009 der Ruf „He, du, dös war a Elfer!“ den. Und ich erwarte das von über den Spielern und allen ande- Blut kommt bei schweren Verge- Das habe ich erst mal ignoriert, ihnen ebenso. Es kann aber schon ren Beteiligten wahren muss. hen und groben Unsportlichkeiten das Spiel lief noch drei Minuten bis passieren, dass man mit Spielern, auch noch mit 80 Jahren in Wal- zur Halbzeitpause. Wir gingen vom die man länger kennt, auch mal ins Tschenscher: Ja, Felix, diese lung, so dass mich meine Frau vor Platz und ich sagte: „Du, Herr Du verfällt. Damit macht man sich Distanz zu den handelnden Perso- dem Fernseher immer bremsen Beckenbauer! Wenn Sie noch mal aber nicht zum Kumpel. Es ist nur nen ist wirklich wichtig. Es geht möchte: „Mensch, Kurt, reg’ dich über den Platz brüllen, dann bitte so, dass der Ton auf dem Platz ins- schließlich um immer mehr Geld, doch nicht so auf, du hast doch mit per Sie!“ Danach waren wir die gesamt wohl etwas lockerer ist als und eure Aufgabe wird ständig der Sache nichts mehr zu tun.“ besten Freunde – und immer per Sie. früher. Das gilt ja auch für andere schwieriger. Aber ich hab’s ja Aber da liegt sie ausnahmsweise Lebensbereiche. Das Sie schafft schon gesagt: Ich würde mich dem mal falsch – ich werde immer mit Brych: Die Anweisung ist klar: Die allerdings die Distanz, die man vor gern stellen und noch mal richtig euch mitfiebern, Felix! Spieler sollen von uns gesiezt wer- allem im Konfliktfall immer gegen- mitmischen auf dem Platz. Mein ■

Die erste Gelbe Karte der Welt Was Kurt Felix voraus hat

Ob der Name Felix Brych Tschenscher: „Eins war auf irgendwann einmal untrenn- der Vorderseite gelb einge- bar mit einem Fußballereignis färbt, das andere rot. Auf der von Weltbedeutung verbun- Rückseite sahen beide aus, den sein wird, kann heute wie hellbraune Pappe eben niemand vorhersagen. Bei aussieht.“ Kurt Tschenscher wissen wir, dass es so ist. Als er am Nach einer halben Stunde 31. Mai 1970 die Mannschaften brachte der sowjetische Ver- von Mexiko und der Sowjet- teidiger Evgeni Lovchev sei- union auf das Spielfeld des nen Gegenspieler rüde zu Azteken-Stadions von Mexiko Fall. Klarer Fall: Verwarnung City führte, hatte er in die- für die Nr. 6 der UdSSR, die Ein fußballhistorisches Foto: Kurt Tschenscher zeigt Evgeni sem Eröffnungsmatch der erste in diesem Spiel, die Lovchev die Gelbe Karte – in Brusthöhe. WM außer seiner Spielnotiz- erste bei dieser WM! Wie bis- karte noch zwei Stückchen her üblich, machte Tschen- scher dem Spieler mündlich Noch vier Mal zückte er in Pappe in der Tasche. klar, dass er im Wiederho- diesem Spiel die brandneue lungsfall vom Platz gestellt Verwarnungskarte, die dem Das Original! würde. Aber dazu nestelte englischen FIFA-Schiedsrich- Die erste Gelbe Karte, der deutsche WM-Schieds- ter Ken Aston während einer die jemals einem Spie- richter das Stückchen Karton Autofahrt durch London ler gezeigt wurde. Sie mit der gelben Vorderseite beim Betrachten der Ampeln ist mit 10,5 x 7,3 cm aus der Tasche: Kurt Tschen- in den Sinn gekommen war. ein Stück kleiner als scher zeigte die erste Gelbe Die Pappe mit der roten die heute üblichen Karte der Fußball-Geschichte! Vorderseite blieb übrigens (12 x 9 cm). das gesamte Turnier über in Wie viele der 107.160 der Tasche der Schiedsrich- Zuschauer im Stadion diese ter, kein Spieler musste des Welt-Premiere tatsächlich Feldes verwiesen werden. mitbekamen, ist nicht über- Selbst wenn das geschehen liefert. Aber es werden längst wäre: Die allererste Karte der nicht alle gewesen sein. Welt gezeigt zu haben, wird „Denn die Anweisung war: immer mit dem Namen Kurt Die Karte wird – natürlich mit Tschenscher verbunden blei- der farbigen Seite nach oben – ben. dem Spieler in Brusthöhe präsentiert“, erzählt Tschen- Und Felix Brych? Wer weiß, scher. „Ich habe diese Karte vielleicht steht er beim Eröff- bis heute gehütet wie meinen nungsspiel der WM 2018 auf Die Rückseite: „Original-Karte eingeführt beim Eröffnungs- Augapfel, denn mir war die dem Platz und wird der erste spiel der WM 1970 in Mexico. Mexico – USSR“ hat der fußballhistorische Bedeutung Schiedsrichter der Welt sein, Schiedsrichter darauf geschrieben. Und das mit seiner schon bewusst.“ der… Unterschrift bestätigt. ■

27 Report „Wie oft kommt man schon

Weltmeisterschaft – ein Zauberwort für jeden Sportler. Bibiana Steinhaus, Moiken Reichert und Marina Wozniak können seit ihrem Einsatz in Chile da jetzt mitreden.

ibiana Steinhaus: Wenn dieser BName fällt, denkt die nach wie vor stark auf den Männer-Fußball fixierte Öffentlichkeit sofort an die erste Frau, die es in Deutschland als Spielleiterin in die Lizenzligen geschafft hat. Seit 2007 pfeift sie Spiele in der 2. Bundesliga und wird als Vierte Offizielle in der Bundesliga eingesetzt.

Leicht in Vergessenheit gerät dabei, dass Bibiana Steinhaus auch im Frauen-Fußball große Erfolge aufzuweisen hatte und hat. DFB- Pokalfinale, „Schiedsrichterin des Jahres“, im Herbst 2007 Berufun- gen zur Universiade in Bangkok, bei der sie das Endspiel leitete, und zur Militär-WM in Hyderabad (Indien).

Im vergangenen November ein weiterer Höhepunkt ihrer Karriere: Die Polizistin aus Hannover wurde mit ihren Assistentinnen Moiken Reichert (Worms-Herrnsheim) und Marina Wozniak (Herne) von der FIFA als eine von fünf europä- ischen Schiedsrichterinnen für die U 20-WM in Chile nominiert – nach der WM der „Großen“ das zweit- wichtigste Turnier im Welt-Frauen- fußball. „Das war natürlich eine große Ehre. Wie oft kommt man schon zu einer WM?“, erzählt Bibiana nach den fast vier Wochen in Südamerika. Der erste Einsatz bei einer FIFA-WM: Bibiana Steinhaus mit ihren Assistentinnen Marina Wozniak (links) und Moiken Reichert (rechts) sowie der Vierten Offiziellen Bentla Coth aus Indien vor dem „Bereits eine Woche vor Turnierbe- Spiel Brasilien gegen Nordkorea. ginn sind Moiken, Marina und ich nach Chile geflogen. Denn wie vor Schon am zweiten Tag begann für ten wir auch das Glück, als deut- Bei großen Turnieren hängen die großen Turnieren üblich, fand noch das deutsche Trio in Chile die WM. sches Team arbeiten zu dürfen.“ Es Einsätze der Schiedsrichter ja ein Kurs statt – natürlich mit Leis- In Temuco leiteten die Drei Brasi- gab zwar keine festgelegten Teams nicht nur von ihren aktuellen Leis- tungsprüfung!“ Traurig und lien gegen Titelverteidiger Korea bei dieser WM, aber auch ihr zwei- tungen ab, sondern auch vom eigentlich nicht zu fassen: Fünf der (3:2), ein Spiel, das sogar in tes Spiel Nigeria gegen Chile (2:0) Abschneiden ihrer Nationalmann- 28 Assistentinnen schafften die Deutschland bei Eurosport live durften die drei Deutschen schaft. Die deutsche U 20 hatte Prüfung nicht und mussten nach übertragen wurde. „Keine Probleme gemeinsam leiten. das Viertelfinale erreicht und die Hause fahren. Unsere drei Frauen mit der Spielleitung“, konnte Namen Steinhaus-Reichert-Wozniak waren gut genug vorbereitet und Bibiana vermelden. „Im Gegensatz Danach begann das Warten: „Gibt tauchten in den Ansetzungen durften bleiben. zu vielen anderen Kolleginnen hat- es noch ein drittes Spiel für uns?“ für diese Runde nicht auf. Erste

28 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2009 zu einerWM?“

Aber auch für sie sank die Hoff- Vier Wochen WM: Bibiana Steinhaus nung auf einen weiteren Einsatz, denn die deutsche Mannschaft hatte das Halbfinale erreicht. Eine Ansetzung im Parallel-Spiel lassen Ein typischer WM-Tag in Santiago die Gepflogenheiten der FIFA nicht zu. Man will damit allen Spekula- Von Urlaub keine Spur tionen aus dem Weg gehen. Was Vier Wochen in Südamerika, zwischendurch ein paar Spiele dann auch für einen Einsatz im leiten – da muss doch reichlich Zeit für Shopping, Sonnen- Finale galt, nachdem die Deut- baden und Relaxen sein. Bibiana: „Ich kann mir vorstellen, schen ihr Semifinale im „besten dass der eine oder andere das denkt. Aber so ist es bei und spannendsten Spiel des Tur- niers“ (Bibiana) mit 0:1 gegen die einer WM wirklich nicht – im Gegenteil.“ Hier hat sie den USA verloren hatten. Niemand sollte normalen Tagesablauf der Teilnehmerinnen protokolliert. sagen können, dass die deutsche 8.15 Uhr Bis dahin müssen wir die obligatorische Schiedsrichterin eventuell die USA Gewichtskontrolle und unser Frühstück hinter benachteiligt hätte, weil die ja ihre uns haben. Mannschaft ausgeschaltet hatte. Bibiana: „Das sind alles Spekulati- 8.30 Uhr Abfahrt zum Training. onen. Für mich gibt es bei Anset- 8.50 Uhr Nach der Ankunft legen wir unsere Gurte an. zungen immer nur ein Motto: Wait Deren Werte werden nach jedem Training aus- and see!“ gelesen.

So blieb ihr bei den Finalspielen 9.00 Uhr Tag für Tag stellt Fitnesstrainerin Carla Punkt (Deutschland wurde mit 5:3 gegen 9.00 ihre berühmte Frage: „Are you ready?“ Frankreich Dritter, die USA holten Bis 10.10 Uhr stehen Kondition und Schnellkraft mit 2:1 gegen Nordkorea den Titel) auf dem Programm. Nicht zu vergessen die nur der Platz auf der Tribüne: sehr beliebten und geschätzten Stabilisations- „Natürlich hätte ich lieber auf dem übungen. Platz gestanden, aber auch so war 10.20 Uhr Jetzt legen die Instruktorinnen Kati und Ingrid die WM für mich eine enorme los. Mit Hilfe eines Dutzend chilenischer Nach- Erfahrung.“ Vielleicht ja auch im wuchsspieler werden Spielsituationen darge- Hinblick auf die WM 2011 in stellt: Stürmer gegen Torwart, Simulationen, Deutschland… Mauer, Ecken, Stellungsspiel allgemein und für unsere Assistentinnen immer wieder Abseitssi- Die beiden WM-Assistentinnen tuationen. vor dem Lauftest in Santiago: Bankkauffrau Moiken Reichert 11.30 Uhr Rückkehr zum Hotel. kleine Enttäuschung für unser (rechts) steht seit 2005 auf 13.00 Uhr Mittagessen. Team. Oder sollten sie für eine der FIFA-Liste. Marina Wozniak, noch größere Aufgabe geschont Einzelhandelskauffrau, leitet 14.00 Uhr Physiotherapie, Massagen. werden? seit 2006 Spiele in der Frau- 16.00 Uhr Drei Stunden lang Theorie. Vor allem Auswer- en-Bundesliga. tung von Videos, die die FIFA-Mitarbeiter über Leider nicht, denn nach dem Vier- Nacht von den aktuellen Spielen angefertigt telfinale blieben für die restlichen haben. vier Spiele sieben Schiedsrichte- rinnen und zehn Assistentinnen 20.00 Uhr Abendessen. vor Ort, der Rest fuhr nach Hause. Dieser Zeitplan änderte sich ausschließlich an einem Leider auch Moiken Reichert und Spieltag! Von Urlaub wirklich keine Spur… Marina Wozniak. Bibiana: „Da ging es doch recht emotional zu.“

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2009 29 Blick in die Presse

mal aus einer etwas anderen Per- sein, der sich weniger damit Der 25-jährige Koblenzer greift seit spektive“, wünscht sich der Lage- beschäftigt – oder? dem Jahr 2002 für den VfR Koblenz rist, der vielerorts mangelnden im Fußballverband Rheinland zur Der Schiedsrichter Respekt vor den Männern (und Frau- Nein, im Falle eines Schiedsrichters Pfeife - und das mit Erfolg. In der en) mit der Pfeife beklagt. muss es nicht zutreffen. Ein Unpar- Regel stellt ihm der VfR ein Auto zur als Lebensretter teiischer, der nebenbei noch im zivi- Verfügung, um zu den Sportplätzen Höchsten Respekt für sein souverä- len Berufsleben Verantwortung hat, der Region zu kommen. So aber Für Markus Haas war es eine Selbst- nes Handeln in diesem Notfall bekommt dadurch womöglich sogar nicht am Wochenende - und da Dep- verständlichkeit, für viele andere bekundet Alzeys Schiedsrichter- eine stärkere Unabhängigkeit als ken keinen PKW sein Eigen nennen einen Heldentat: Der Fußball- Obmann Kalli Appelmann. „Sicher“, jemand, der sich ausschließlich in kann, musste er improvisieren. „Nur Schiedsrichter vom SV Bechtols- sagt er, seien die Schiedsrichter für seiner Sportszene bewegt. Und dass weil ich kein Auto habe, kann ich heim hat dank seines beherzten Ein- solche Rettungseinsätze geschult. ein bezahlter Schiedsrichter unbe- doch kein Spiel absagen. Das mache satzes während eines C-Junioren- Doch sei es noch einmal ein Unter- dingt ein besserer Spielleiter ist als ich einmal und dann habe ich die spiels in Mainz wahrscheinlich schied, ob jemand theoretisch über ein Amateur, diesen Nachweis gab längste Zeit in der Bezirksliga einem jungen Mann das Leben das Wissen verfüge oder es prak- es im deutschen Eishockey noch gepfiffen. Da musst du eben auch gerettet. Der Südwestdeutsche Fuß- tisch in einer solchen Situation nicht: Die zunehmende Geschwin- mal in den sauren Apfel beißen und ballverband wird das vorbildliche anwenden kann: „Markus hat reak- digkeit gerade in dieser Sportart anderweitig an dein Ziel kommen“, Handeln von Markus Haas würdigen: tionsschnell die richtigen Entschei- macht es Schiedsrichtern immer sagt Depken gut gelaunt. „Wir warten nur noch auf einen dungen getroffen und gehandelt“, schwerer, Entscheidungen zu fällen – geeigneten Anlass, um ihm in ange- lobt er Haas, der einer der herausra- im Eishockey hilft selbst der Video- Um 11.43 Uhr setzte er sich in messenem Rahmen zu danken und genden Idealisten sei, die „fürs beweis manchmal nicht weiter. Koblenz in den Zug. In Remagen ihn zu ehren“, sagt Timo Hammer, Schiedsrichter-Wesen leben“. Wann ein Foul ein Foul ist, bleibt stieg er um in den Regionalzug nach beim Verband für das Schiedsrich- letztlich doch immer Entscheidung Ahrbrück, von dort ging die Reise ter-Wesen zuständig. Grundsätzlich, so erzählt Paul Fass, des Individuums. Also Ansichtssa- mit dem Bus weiter nach Leimbach seien die Folgen des Unglücks sehr che. Es wird immer Diskussionen und schließlich mit der Sporttasche Es lief die zehnte Minute in der gut gemanagt worden: „Wir hatten über Schiedsrichter-Entscheidungen auf dem Rücken zu Fuß zum Sport- C-Junioren-Verbandsliga-Partie zwi- Patrick relativ schnell wieder stabili- geben. Und der Unsicherheitsfaktor platz – ein wahrer Husarenritt durch schen Mainz 05 und dem FSV siert“, so der Alzeyer. Mitursächlich Mensch wird eben nicht ausgeschal- die tiefste Eifel. Die letzten Meter Oggersheim: „Da ist ein Gästespieler dafür sei gewesen, dass überhaupt tet, indem er bezahlt wird. nahm ihn dann aus Solidarität sogar umgekippt und krampfte wegen keine Hektik aufgekommen sei. Die noch der Leimbacher Spieler Marc eines epileptischen Anfalls“, Begegnung wurde nach dem Vorfall Mit der Nominierung ihres dritten Göbel mit. „Das mache ich aber nicht erinnert sich der Alzeyer Paul Fass, nicht wieder angepfiffen. Sie wird Profi-Schiedsrichters macht die DEL zum ersten Mal in meiner Schieds- der als Coach des Mainzer wiederholt und erneut, so das kleine vor allem eines: Sie suggeriert ihren richter-Laufbahn. Sie werden es C-Jugend-Teams an der Seitenlinie Dankeschön der Schiedsrichter- Amateuren unter den Unparteii- nicht glauben, aber in Deutschland stand. Haas unterbrach die Partie Obleute an ihren Kameraden, von schen, dass sie Schiedsrichter zwei- kommt man auch mit öffentlichen sofort und eilte dem Teenager – es Markus Haas gepfiffen. „Das freut ter Klasse sind. Verkehrsmitteln an sein Ziel“, lacht war der Sohn des FSV-Trainers mich unheimlich“, so der passio- Depken. „Ich schaue mir die Verbin- Patrick Hübner – ebenso zur Hilfe nierte Unparteiische. Claus Vetter dungen vorher immer im Internet wie Paul Fass und mit Stefan Stüwe an. Da kannst du sogar sehen, wo ein Physio des Zweitligisten. „Mit Claus Rosenberg genau die Haltestellen sind.“ vollem Einsatz bemühten wir uns dann, den Mund des Spielers zu öff- Das Spiel endete im Übrigen 2:1 (0:0) nen, weil die Zunge in den Rachen für die Hausherren. Während der gerutscht war und er deshalb zu Ein Spiel dauert Leimbacher Trainer Jakob Weiler ersticken drohte“, schildert Schieds- mit seinem Team den Sieg feierte, richter Haas ganz unspektakulär die Verlorene achteinhalb Stunden machte sich Depken wieder mit der dramatischen Minuten. Sporttasche auf dem Rücken zu Fuß Unabhängigkeit Zeit ist Geld – von diesem Sprich- auf den Heimweg: Mit dem Bus nach Zehn Minuten später war der Not- wort hält der Schiedsrichter Robert Ahrbrück, von dort mit dem Regi- arzt da. Patrick Hübner konnte nach Es hört sich ja fortschrittlich an. Depken wohl gar nichts. Kürzlich onalzug nach Remagen und weiter drei Tagen das Krankenhaus verlas- Kürzlich stellte die Deutsche Eis- leitete der Unparteiische die Partie nach Koblenz. Um 20.15 Uhr war sein sen und machte Haas wiederum hockey-Liga (DEL) bereits ihren der Fußball-Bezirksliga Mitte zwi- Arbeitstag dann nach achteinhalb eine große Freude: „Er rief bei mir dritten Profi-Schiedsrichter ein, schen der SG Leimbach/Adenau/ Stunden beendet. Depken sagte: an und bedankte sich. Ein größere und die Liga sieht sich jetzt natür- Reifferscheid und der SG Mosel- „Heute war ich mein Geld doch wert – Anerkennung hätte er mir nicht lich auf dem Weg der absoluten kern/Müden. Die Geschichte, die auch wenn der Stundenlohn nicht geben können“, so der Gau-Odern- Professionalisierung. Irgendwann Depken danach zu erzählen hatte, besonders hoch sein wird.“ Der heimer, der seit 16 Jahren Fußball- werden nur noch Menschen auf klingt beinahe absurd. Während für Anerkennung der Spieler konnte er spiele leitet. Der 43-Jährige hofft, dem Eis die Entscheidungen fällen, die 22 Spieler die Partie nach 90 sich aber sicher sein. mit seinem Engagement auch der die in ihrem Leben sonst nichts Minuten beendet war, konnte Dep- Schiedsrichter-Gilde einen Dienst anderes machen. Und wer sich ken zu später Stunde einen achtein- David Geisbüsch erwiesen zu haben: „Vielleicht sieht mehr mit etwas beschäftigt, muss halb Stunden-Arbeitstag nachwei- der Spieler Schiedsrichter nun auch ja zwangsläufig besser als der sen. ■

30 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2009 +++ Die perfekte Vorbereitung für den Weg nach Südafrika +++

Jungs! Danke für 100 Jahre Länderspiele!

Überall im Buchhandel erhältlich!

»Unsere Jungs: 100 Jahre deutsche Länderspiele – Tore, Titel, Triumphe« ist das Buch für alle Fußballfans. Alles zum großen Jubiläum der deutschen Nationalmannschaft und noch viel mehr: unvergessene Spiele, Stars und Legenden – namhafte deutsche Sportjournalisten erzählen aus ihrer persönlichen Perspektive über 100 Jahre deutsche Länderspiele.

Preis: 29,95¤ | 200 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag | ISBN: 978-3-577-14703-3

© 2008, DFB Lizenz durch m4e AG, Grünwald © medienfabrik Gütersloh GmbH, Gütersloh 2008 Aus den Verbänden

Interessanter Dialog Personen ein gemeinsames Ziel anhand von Video-Beispielen durch Nordost mit einem Trainer haben und damit „in einem Boot den Verantwortlichen für Frauen sitzen“, sei es möglich, über diesen und Mädchen, Günter Supp. Gerhard Für die Schiedsrichter im Bereich Dialog Probleme zu lösen. In einer Müller erläuterte den Schiedsrich- Für die meisten war der FIFA- der Herren-Oberliga des Nordost- von beiden Seiten offenen und tern den Beschluss des Schiedsrich- Test Neuland deutschen Fußballverbandes und sachlichen Diskussion wurden ins- ter-Ausschusses, die Anzahl der der Regionalliga fand Anfang des besondere Fragen des Verantwor- Oberliga-Schiedsrichter nach der Zum ersten Halbzeit-Lehrgang der Jahres im Sport- und Bildungszen- tungsbewusstseins, Schiedsrichter- Saison von gegenwärtig 47 auf 41 Schiedsrichterinnen im Bereich trum Lindow der bereits traditionel- Kosten, Außenwirkung, Fingerspit- zu reduzieren. des Nordostdeutschen Fußballver- le Halbzeit-Lehrgang statt. zengefühl, klare Linie des Schieds- bandes trafen sich 27 Schiedsrich- richters, keine Unterstellung Abschließend bescheinigte Siegfried terinnen auf Einladung des Vorsit- Der Vorsitzende des NOFV-Schieds- absichtlicher Fehler behandelt. Im Kirschen den Schiedsrichtern eine zenden des Schiedsrichter-Aus- richter-Ausschusses, Siegfried Kir- Ergebnis dieser Diskussion konnte vorbildliche Lehrgangsdisziplin und schusses, Siegfried Kirschen, in schen, eröffnete den Lehrgang und festgestellt werden, dass über den gute Mitarbeit, ein starkes Engage- der Sportschule Lindow. Anwesend überbrachte den Dank und die Dialog zwischen Trainer und ment im Schiedsrichter-Wesen ins- waren auch die Mitglieder des Anerkennung für die recht ordent- Schiedsrichter positive Veränderun- gesamt sowie in der Regel überzeu- NOFV-Schiedsrichter-Ausschusses lichen Leistungen der Schiedsrich- gen sowohl beim Trainer als auch gende Leistungen in den Spiellei- und Carolin Rudolph vom DFB- ter im bisherigen Saisonverlauf sei- Schiedsrichter erzielt werden. tungen, verbunden mit dem Wunsch Schiedsrichter-Ausschuss. tens des Präsidiums und Vorstan- um eine positive Fortführung dieser des des NOFV. In der „Stunde des Im sportmedizinischen Dialog durch Tugenden auch in der Rückrunde. Im Mittelpunkt des über zwei Tage Vorsitzenden“ wurden Probleme den Referenten Dr. Berg wurde das gehenden Lehrgangs standen angesprochen und analytisch auf- Wissen der Schiedsrichter zu Fra- Klaus Ladwig neben einem Rückblick auf die ver- gearbeitet, die es zu verbessern gen der Ersten Hilfe, Therapie und gangene Halbserie (Referenten gilt, aber auch auf Dinge und Sach- Rehabilitation sowie um Muskelver- verhalte verwiesen, die durch die letzungen durch ein praxisnahes Gerhard Müller und Udo Penßler- Hamburg Beyer) die Überlegungen von Gün- Schiedsrichter sehr gut umgesetzt Seminar aufgefrischt. In diesem worden sind. Im Ergebnis dieser Dialog brachten sich die Schieds- ter Supp (neuer Verantwortlicher Analyse hat der Schiedsrichter-Aus- richter mit fundierten Argumenten Ein Mann für alle Ämter für den Frauen-Schiedsrichter- schuss des NOFV den Dialog mit ein und unterstrichen ihr breites Bereich im Nordostdeutschen Fuß- den Trainern empfohlen, den so Wissen um die sportmedizinische Eine besondere Ehrung konnte der ballverband) zur Konzeption der genannten „Runden Tisch“. Behandlung. Vorsitzende des Verbands-Schieds- Regionalliga-Schiedsrichterinnen. richter-Ausschusses Hamburg, Wil- Die nachfolgende Podiumsdiskus- Weitere Schwerpunkte des Lehr- fred Diekert, zu Beginn des neuen Am ersten Tag konnten die Teilneh- sion mit dem Trainer von Optik gangs waren die Analyse der durch- Jahres 2009 vornehmen. Rudolf merinnen zusätzlich eine Trai- Rathenow, Ingo Kalisch, brachte geführten Beobachtungen im NOFV- „Rudi“ Schlienz wurde für 50-jähri- ningseinheit des FIFA-Tests absol- beide Seiten, sowohl die Trainer als Bereich durch Udo Penßler-Beyer, ge Schiedsrichter-Tätigkeit geehrt. vieren, der für die meisten auch die Schiedsrichter, näher die Schiedsrichter-Ansetzungen Schiedsrichterinnen komplettes zusammen. Nur wenn beide Seiten durch den verantwortlichen Anset- Der Jubilar begann beim SC Vor- Neuland war. miteinander reden und erkennen, zer des NOFV, Gerhard Müller, sowie wärts Billstedt (seit 1990 SC Vor- dass alle am Fußball beteiligten die einheitlichen Regelauslegung wärts-Wacker 04 Billstedt) 1951 als Der zweite Lehrgangstag sah nach Vorstellung der Konzeption die übliche diskussions- und lehrrei- che Analyse von Video-Beispielen vor. Nach einer kurzen Eröffnung zum Thema „Zusammenarbeit im Team“ (Referenten Harald Sather und Heinz Rothe) wurde unter Lei- tung der Bundesliga-Schiedsrichte- rinnen Inka Müller, Anja Kunick und Daniela Schneider in Gruppen das

Thema, Ideen und Gedanken aufge- LEHRBILD arbeitet und vorgestellt.

Zum Abschluss referierte der Aus- schuss-Vorsitzende Siegfried Kir- schen, der sich die Zeit nahm, einen Rück- und Ausblick aus Sicht des Schiedsrichter-Ausschusses zu geben.

Katia Kobelt ANSPRACHE Wahrscheinlich war das gerade begangene Foul allein nicht gelbwürdig. Der Schieds- richter zeigt dem Spieler und auch dem Umfeld deutlich an, warum er dennoch die 32 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2009Gelbe Karte zeigt: Auch wiederholtes Foulspiel kann zu einer Verwarnung führen. Esel“ im Schlosstheater Celle. Das Besondere daran: Ihr Schiedsrich- ter-Kollege Ronald Schober spielte eine der beiden Hauptfiguren. Er ist nicht nur Verbands-Schiedsrichter und Lehrwart im Kreis, sondern auch von Beruf Schauspieler! Die LEHRBILD meisten der 90 Schiedsrichter-Kol- legen - darunter auch Verbands- Schiedsrichter-Obmann Wolfgang Mierswa - hatten ihn so noch nicht erlebt.

Die Schiedsrichter amüsierten sich prächtig bei den witzigen Ausein- andersetzungen zwischen dem auf- AUFSTÜTZEN brausenden Ox (Kalle Brell) und Es mag noch nicht einmal Absicht sein, aber der aufgelegte linke Arm des Spielers im dem begriffsstutzigen Esel (Ronald roten Trikot verhindert, dass sein Gegenspieler einige Zentimeter höher springen kann. Schober). Die hätten in diesem Fall schon gereicht, um an den Ball zu kommen. Horst Frieb

Fußballspieler. 1958 legte er die spielen die Strategien eines Hessen Schiedsrichter-Prüfung ab. Schon Bayern Schiedsrichters sowie immer vor- 1962 wurde Schlienz als Beisitzer in handenes Verbesserungspotenzial Podiums-Diskussion den Bezirks-Schiedsrichter-Aus- praxisgerecht aufzuzeigen. Zu den mit Funkel und Boysen schuss Ost gewählt. Diese Tätigkeit Ehrenmedaille für Adolf Krügel Bereichen: „Vorbildcharakter der übte er bis 1975 aus, wurde dann EM“, „Agieren statt reagieren“, Der November 2008 war reich an Vorsitzender und nach zwanzig Ein Höhepunkt, der mit viel Beifall „Präventives Leiten“, „Vorbereiten Meldungen und Berichten über das Jahren von 1995 bis 2004 erneut von allen Anwesenden des Ehren- ohne Vorbelasten“, „Außenwirkung teilweise angespannte Verhältnis Beisitzer. Nach 42 Jahren (!) abends der Schiedsrichter-Vereini- in kritischen Situationen“ und vie- zwischen Trainern und Schiedsrich- ununterbrochener Vorstands-Tätig- gung Hochfranken bedacht wurde, les mehr hatte Wagner mit Hilfe von tern. Viele prominente Vertreter keit hörte „Der gute Mensch von war die Ehrung von Adolf Krügel Powerpoint regeltechnische und aus der Bundesliga, Deutschen Fuß- Billstedt“ auf. Ebenso beendete (TV Kleinschwarzenbach). Adolf verhaltenstechnische Hinweise für ball Liga und dem DFB äußerten Schlienz seine Laufbahn als Liga- Krügel legte 1958 seine Schiedsrich- alle Teilnehmer parat. Bei Lutz Wag- sich zu diesem Thema und veran- Schiedsrichter nach 45 Jahren ter-Prüfung erfolgreich ab und lei- ner, der neben seiner Schiedsrich- stalteten diverse „Runde Tische“. (1959 bis 2004) und pfeift seither tete in den 60er-Jahren Spiele bis ter-Tätigkeit seit mehr als acht Jah- Ungewöhnlich war die Initiative der regelmäßig Spiele der Alten Herren zur Bezirksliga. Adolf Krügel war ren auch Verbands-Lehrwart im und Senioren. In seinem Verein war auch über viele Jahre Schriftführer Schiedsrichter-Vereinigung Frank- Hessischen Fußball-Verband ist, „Robert“, wie er dort gerufen wird, der Schiedsrichter-Vereinigung furt am Main, die unversehens als spürte man die Basisverbundenheit von 1962 bis 2006 Schiedsrichter- Münchberg und wurde 1993 zum Vermittler auftrat. Ohne zu wissen, bei diesem rhetorisch gekonnten, Obmann, von 1998 bis heute Ehrenmitglied ernannt. Für seine dass die Diskussion über Schieds- regelintensiven aber doch praxis- Schiedsrichter-Betreuer bei den 50-jährige Tätigkeit als Unpartei- richter und Trainer ausgerechnet Ligaspielen und von 2002 bis 2006 ischer erhielt er die Ehrenmedaille orientierten und motivationsgela- im November ausbrechen würde, 2. Vorsitzender. Am 5. Januar 2009 des Bayerischen Fußballverbandes denen Vortrag. organisierte die Vereinigung im wurde Rudi Schlienz 70 Jahre. in Gold. Bürgerhaus des Stadtteils Bonames Jens Klemm eine Podiums-Diskussion zum Thema Carsten Byernetzki Daniel Schaller „Verhältnis zwischen Trainer und Schiedsrichter - Freunde fürs Leben?“. Niedersachsen Sachsen Die Veranstaltung war prominent Schiedsrichter sahen Kollegen besetzt. Teilnehmer waren Bundes- Lutz Wagner beeindruckte auf der Bühne liga-Trainer Friedhelm Funkel von Eintracht Frankfurt und Hans- Mehr als 150 Schiedsrichter und Ein Weihnachtsgeschenk der unge- Jürgen Boysen von Kickers Offen- Fußball-Interessierte verfolgten wöhnlichen Art hatte die Schieds- bach sowie Amateurtrainer Manfred Für 50jährige Schiedsrichter-Tätig- beim Besuch von DFB-Schiedsrich- richter-Vereinigung Celle mit Kreis- Meyer vom Landesligisten SpVgg. keit wurde Rudolf Schlienz (rechts) ter Lutz Wagner beim Kreisverband Schiedsrichter-Obmann Michael Griesheim 02. Bundesliga-Schieds- vom Vorsitzenden des Hamburger Riesa-Großenhain den Vortrag des Frede für ihre Kreis-Schiedsrichter richter-Assistent Verbands-Schiedsrichter-Aus- dienstältesten Bundesliga-Referees. parat: Sie besuchten gemeinsam (Oberhausen) vertrat das Lager der schuss, Wilfred Diekert, geehrt. Wagner verstand es an vielen Bei- die Theatervorstellung „Ox und Spielleiter kompetent.

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2009 33 Aus den Verbänden

Die eineinhalb Stunden dauernde fehlungen und Appelle in der Weitere Höhepunkte der Veranstal- stützen. Das sehe ich als positives Diskussionsrunde, der etwa 200 Zukunft bringen werden. tung stellten die Ehrungen für lang- Signal und gleichzeitig als Verpflich- Interessenten aufmerksam zuhör- jährige Mitglieder der Fuldaer tung. ten, verlief in angenehmer Atmo- Goran Culjak Schiedsrichter-Vereinigung und die sphäre. Beide Seiten zeigten Ver- Ernennung des ehemaligen Schieds- Ein Vorwurf der vergangenen Jahre ständnis für ihre Arbeit auf dem Lautenbachs großes Jubiläum richter-Obmanns Bernhard Haase war immer der so genannte Platz und forderten noch mehr zum Ehrenmitglied dar. „Jugendwahn“ - wie geht der Ver- Respekt untereinander. Funkel und Eine nicht alltägliche Ehrung sprach bands-Schiedsrichter-Ausschuss Boysen bemängelten das teilweise der Fuldaer Kreis-Schiedsrichter- Volker Schuster damit um? viel zu junge Alter der Schiedsrich- Obmann Hans-Dieter Köhler im Bür- ter in der Bundesliga und monier- gerzentrum von Rothemann bei der „Jugendwahn gibt Diesen Jugendwahn gab und gibt es ten ihre „überzogene Arroganz“. Feier zum 90-jährigen Bestehen der es bei uns nicht!“ in Hessen nicht. Die Altersmischung Stieler entgegnete mit einem „zu Vereinigung Fulda aus: Die Rede ist muss stimmen. Talentierte, junge jung gibt es nicht“. Der DFB bereite von Fritz Lautenbach (Germania Verbands-Schiedsrichter-Obmann Schiedsrichter müssen sich in den die Schiedsrichter optimal auf ihre Fulda), der für seine 60-jährige Gerd Schugard (Dipperz) äußert sich Verbands-Spielklassen ebenso wie- Einsätze vor, sagte Stieler weiter. Tätigkeit an der Pfeife gewürdigt nach seiner Wiederwahl zu Heraus- derfinden wie ältere Schiedsrichter. wurde. Lautenbach, langjähriger forderungen und Perspektiven des Darauf haben wir immer geachtet Ganz anders seien hingegen die Schiedsrichter der Hessenliga und hessischen Schiedsrichter-Wesens. und dies entsprechend praktiziert. Verhältnisse in den unteren Spiel- vielen noch als früherer Bezirks- Das Interview führte Karsten Voll- klassen, stellte Amateurtrainer Schiedsrichter-Obmann bekannt, mar, im Verbands-Schiedsrichter- Noch zwei persönliche Fragen: Was Manfred Meyer klar. Dort seien gehört damit zu den Urgesteinen Ausschuss Nachfolger von Michael reizt an der Aufgabe des Verbands- sowohl Trainer als auch Schieds- der Fuldaer Vereinigung. Imhof für die Öffentlichkeitsarbeit. Schiedsrichter-Obmanns bei all richter öfter überfordert. Für ein dem Stress, und welchen Tipp Schiedsrichter-Gespann sei es im Mit Verbands-Schiedsrichter- Welches Signal geht vom HFV-Ver- würden Sie einem jungen Unpartei- Amateurbereich wesentlich schwie- Obmann Gerd Schugard, der die bandstag 2008 für das hessische ischen mit Perspektive geben? riger Spiele zu leiten als in den Pro- Ehrung begleitete, verbindet ihn Schiedsrichter-Wesen aus? fiklassen, gab er zu. Mangelnde viel. Lautenbach brachte Schugard Die absolute, uneingeschränkte Ver- Regelkenntnis bei den Trainern zur Schiedsrichterei. Dieser bezeich- Gerd Schugard: Die Ergebnisse des bundenheit zum Schiedsrichter- führe immer öfter zu Missverständ- net ihn daher als „Mentor und Verbandstages, die das Schiedsrich- Wesen ist es, die immer wieder die nissen und Streitigkeiten auf dem Freund“. ter-Wesen betreffen, sind zufrieden- Freude an der Arbeit entfacht und Fußballplatz. In solchen Fällen und stellend. Die neu gefasste und bis antreibt. Jungen Schiedsrichtern auch grundsätzlich suche er immer Im weiteren Programm des gelunge- ins Detail gehende Schiedsrichter- empfehle ich, sich auf die Tätigkeit öfter das direkte Gespräch mit den nen Festakts, zu dem auch die Ordnung wurde bis auf eine Ergän- als Schiedsrichter zu konzentrieren. Referees vor, aber auch nach dem befreundeten Vereinigungen aus zung in der Form akzeptiert, wie wir Talentierte Unparteiische müssen Spiel, gab Meyer als Empfehlung ab. Lauterbach-Hünfeld, Hersfeld- sie den Delegierten vorgeschlagen engagiert sein und die Bereitschaft Rotenburg, Schlüchtern, Gelnhau- haben. Die Notwendigkeit der Erhö- mitbringen, mit sich arbeiten zu las- Auch Gastgeber und Kreis-Schieds- sen, Bad Neustadt und Bad Brücke- hung der Spesen im Juniorenbe- sen. Erfolg setzt Arbeit voraus. Das richter-Obmann Mathias Lippert nau mit Abordnungen erschienen reich wurde ebenfalls durch die gilt für einen Verbands-Schiedsrich- appellierte in seinem Schlusswort waren, zeichnete Kreisfußballwart Delegierten erkannt und mitgetra- ter-Obmann ebenso wie für einen an alle Beteiligten: „Schiedsrichter Hans Peter Hopfhauer die Schieds- gen. Daraus schließe ich, dass die jungen, talentierten Schiedsrichter. und Trainer müssen sich an die richter Marko Müller, Rolf Bauer, Delegierten mit der Arbeit des Ver- eigene Nase greifen und noch bes- Markus Finke und Rudi Weber mit bands-Schiedsrichter-Ausschusses Bildnachweis ser miteinander kommunizieren.“ dem Ehrenbrief des Hessischen Fuß- in den vergangenen Jahren insge- ARD, Augenklick, Burkhardt, Es bleibt abzuwarten, was alle Emp- ball-Verbandes aus. samt zufrieden waren und sie unter- Byernetzki, dpa, Imago, Picture Point, Reuters, UEFA, Wraneschitz

Herausgeber: Deutscher Fußball-Bund e.V., Frankfurt am Main Redaktion: Klaus Koltzenburg, DFB-Direktion Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, Lutz Lüttig, Berlin Gestaltung, Satz und Druck: kuper-druck gmbh, Eduard-Mörike-Straße 36, 52249 Eschweiler, Telefon 0 24 03 / 94 99 - 0, Fax 0 24 03 / 949 949, ISDN 0 24 03 - 94 99 71 (Leonardo) Anzeigenleitung: kuper-druck gmbh, Franz Schönen Abonnement bequem per e-mail: Zur Zeit ist die Anzeigenpreisliste vom 1. 1. 2002 gültig. [email protected] Erscheinungsweise: zweimonatlich. Abonnementpreis: Jahresabonnementpreis 15,– €. Lieferung ins Ausland oder per Streifband auf Anfrage. Abonnementskündigungen sind sechs Wochen vor Ablauf des berechneten Zeitraums dem Abonnement-Vertrieb bekannt zu geben. Zuschriften, soweit sie die Redaktion betreffen, sind an den Deutschen Fußball-Bund e.V., Otto-Fleck-Schneise 6, 60528 Frankfurt am Main, zu richten. Vertrieb: kuper-druck gmbh, Eduard-Mörike-Straße 36, 52249 Eschweiler, Telefon 0 24 03 / 94 99 - 0, Fax 0 24 03 / 949 949, ISDN 0 24 03 - 94 99 70 PC, 0 24 03 - 94 99 71 MAC Nachdruck oder anderweitige Verwendung der Texte und Bilder – auch auszugsweise und in elektronischen Systemen nur mit schriftlicher Genehmigung und Urhebervermerk. IMPRESSUM

34 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2009