LANDTAG RHEINLAND-PFALZ Antwort
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LANDTAG RHEINLAND-PFALZ Drucksache 12/4 7 2 7 12. Wahlperiode zu Drucksache 12/4436 27. 04. 1994 Antwort des Ministeriums des Innern und für Sport auf die Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -Drucksache 12/4436- Rechtsextremismus in Rheinland-Pfalz - nationales und internatio nales faschistisches Netzwerk Die Große Anfrage vom 18. Februar 1994 hat folgenden Wortlaut: Die Zahl ausländerfeindlicher und antisemitischer Straftaten nimmt entgegen den offiziellen Annahmen von 1993 in der Bundesrepublik weiter zu. Selbst der Verfassungsschutz des Landes Rheinland-Pfalz, der noch 1990 von einem ,.beachtlichen Rückgang"' des Rechtsextre mismus spricht, erkennt heute die Realität dieser "besonderen Herausforderung.. an. Einige wenige repressive Maßnahmen, wie Verbote rechtsextremistischer Gruppierungen und Parteien nach vorheriger Ankündigung, belegen die strukturelle Hilflosigkeit der politisch Verantwortlichen. Diese sind nicht bereit, eine umfassende Aufarbeitung von Rechtsextre~ mismus und Ausländerfeindlichkeit zur Basis ihres politischen Handeins zu machen. Allein die wirtschafdichen und gesellschaftlichen Folgen der Wiedervereinigung Deutschlands 1989 reichen als Erklärung für die explosive Entwicklung nicht aus. Der politische und gesellschaftliche Aufstieg rechtsextremer Parteien und Organisationen im Nachkriegsdeutschland hat eine Geschichte, die so alt ist, wie die Bundesländer selbst. Unter anderem haben es deren Entscheidungsträger seit jeher verstanden, gegen den realen gesell schaftlichen Wandel bewährte Mechanismen nach dem Sündenbockprinzip in Gang zu setzen, die ein Problem durch ein anderes ersetzen: Rechtsextremistische Tendenzen lassen sich in der Bundesrepublik in verschiedenen Phasen schwieriger gesellschaftlicher und politischer Ent wicklungen nachweisen, wie z. B. von 1964 bis 1971. Zuletzt verstärkte sich dieser Trend nach rechts wieder seit 1983. Seitdem haben verschiedene öffentliche Diskussionen stattgefunden, deren Intention es war, abermals rechtsextreme Ideologie und Werte als ganz norma.les Gedankengut in der deutschen und europäischen Öffentlichkeit zu etablieren. Der sogenannte "Historikerstreit" versuchte eine Neubewertung der deutschen national sozialistischen Vergangenheit; die darauf folgende Diskussion um pränatale Diagnostik und Manipulation, ausgehend von den Thesen des Australiers Singer, belebten die Diskussion um "wertvolles und unwertes Leben" wieder, ohne daß die demokratische "Solid.argemeinschaft.. dem entgegenwirkte. Die Thesen Singcrs finden Einlaß an Universitäten, in Büchern, in der Politik. Unsägliche Worte wie .. Verfremdung", ,.Durchr.assung", .gesundes Volksempfin den" werden von Politikern der Bundesrepublik mit einer Selbstverständlichkeit .ausgespro chen, die erschreckt, zumal diese Politiker keine Hinterbänkler sind, sondern Abgeordnete in Parlamenten, ein ehemaliger Bundestagspräsident oder ein ehemaliger Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten. Mit der Wiedervereinigung der beiden D<.-utschl.ands 1989 scheinen schließlich ,..alle Grenzen zu fallen": Seitdem bestimmen zunehmend Begriffe wie ,.Asylbel.nlg", "Sozi.almißbrauch ... , ,.Sekundärtugenden" u. ä. eine Politik, die ihr Profilaus der Abgrenzung gegenüber Anders denkenden bezieht. Dabei existiert in der Bundesrepublik eine rechtsextreme/nationalsozialistische Tradition und Infrastruktur, die seit 1945 kontinuierlich von Organisationen und Parteien aufrechterhalten wird, die z. T. schon längst wieder salonfähig sind. Wer vom ,.oftmals diffusen Umfeld" rechtsextremistischer Gewalttäter redet, verkennt den seit Jahren bekanntermaßen hohen Organisationsgrad rechtsextremer Organisationen; dem Bild vom betrunkenen, jugendlichen und tinorganisierten Gewalttäter steht längst der hochmobile datenvernetzte Neonazi gegen über. Die Behörden wissen das. Druck: Landt.Jg Rhcinl.md-PfJlz, 13. MJi 1994 Drucksache w4 72 7 Landtag Rheinland-Pfalz -12. Wahlperiode In den alten Bundesländern sind seit 1989 wesentlich mehc Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund verübt worden als in den Ländern der ehemaligen DDR. Kein westliches Bundesland ist von dieser Entwicklung ausgenommen, auch Rhein1and~Pfalz nicht. In Rhein land-Pfalz befinden sich mehrere Zentren rechtsextremer Orga.nisnionen, deren Strukturen z. T. über das Land hinausgehen. Den bundesweiten Verboten einiger Neonazi-Gruppen hat sich auch das rheinland-pfälzische Innenministerium angeschlossen, zu eigenständigen Schrit ten sieht man sich bisher jedoch nicht in der Lage. Die Landesregierungen von Rheinland Pfalz haben ihren politischen wie praktischen Gestaltungsspielraum nie genutzt, weil ein Gesamtkonzept gegen Rechtsextremismus und Rassismus ebenso fehlt wie die klare Grund haltung zu einer integrativen Gesellschaft, die Minderheiten respektiert und verteidigt. Ein erster Schritt, um ein solches Konzept erstellen und einfordern zu können, ist die um fassende Information der Öffentlichkeit über das gegenwärtige Gefährdungspotential von Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit in Rheinland-Pfalz. Deshalb fragen wir die Landesregierung: I. Begriffsdefinitionen 1. Wie definiert die Landesregierung folgende Begriffe: 1.1 Rechtsextremismus, 1.1.1 "sog. Neue Rechte", 1.2 rechtsradikal, 1.3 rechtskonservativ, 1.4 ultra-rechts, 1.5 Nationalsozialismus, nationalsozialistisch, 1.5.1 "sog. alte Rechte", 1.6 Faschismus, 1.7 neofaschistisch, t.B neonazistisch bzw. neonationalsozialistisch, 1. 9 nationalistisch, 1.10 nationalrevolutionär, 1.11 übersteigerter Nationalismus, 1.12 Nationalgefühl, 1.13 völkisch, 1.14 ausländerfeindlich, 1.15 fremdcnfeindlich, 1.16 ,.Überfremdung", 1.17 Rassismus, 1.18 antidemokratisch, 1.19 antisemitisch, 1.20 neutralistisch, 1.21 Revisionismus, 1.22 Revanchismus, 1.23 Ökofaschismus. II. Rechtsextreme Parteien und Organisationen in Rheinland-Pfalz 1. Rechtsextreme Parteien 1.1 Ist es zutreffend, daß folgende Landesverbände in Rheinland-Pfalzaktiv sind: 1.1.1 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD), Ellen Doris S., Landesvor· sitzende (ebenfalls im Surland), 1.1.2 Die Republikaner (REP)- S., Landesvorsitzender, Worms, 1.1.3 Deutsche Volksunion (DVU), Heinrich W., Landesvorsitzender, Heinz G. und Erwin H., Stellvertreter, 1.1.4 Deutsche Nationalisten (DN), Michael P., Bundesvorsitzender, Mainz, 1.1.5 Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) - Klaus A., Landesvorsitzender, Worms; früher Thomas G., Landesbeauftcagter, 1.1.6 Aktionspartei Nationalrevolutionärer Kameraden (ANK)- Manfred H., Bundes vorsitzender, Ludwigshafcn- am 19. Juli 1993 angeblich aufgelöst, 1.1.7 Deutsche Liga- für Volk und Heimat- (DL)- Jürgen R., Landesvorsitzender, Ludwigshafen, 1.1.8 Patrioten für Deutschland (Patrioten), seit 22. November 1992 umbenannt in Bürgerrechtsbewegung Solidarität, Helga Z., Bundesgeschäftsstelle Mainz, Landesvorsitzende Ursula A., 1.1.9 Die Naturgcsetzpartei, Dr. Klaus V., Landesvorsitzendcr, Frankenthal, gegründet 14. Dezember 1992, 1.1.10 sonstige? 1.2 Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung vor in bezug auf die unter 2.1.1 - 2.1.1 0 genannten Parteien, insbesondere über Gründungsdatum, Namen und Anzahl der Gründungsmitglieder, 2 Landtag Rheinland-Pfalz-12. Wahlperiode Drucksache 1214 72 7 Mitgliederentwicklung seit Bestehen (aufgeschlüsselt nach Frauen u. Männem), Anzahl, Sitz und Mitgliederstärke der Kreisverbände bzw. Organisationen, Vorstandsmitglieder (laut Landeswahlleiter, Bundeswahlleiter, falls Unter schiede bestehen bzw. sonstigen [nformationsquellen) und die Gründe für den Wechsel, Eintritte und Austritte, frühere Mitgliedschaft in einer anderen rechtsextremistischen Partei (Deutsche Konservative Partei - Deutsche Rechtspartei (DKP-DRP), Sozialistische Reichspartei (SRP) bis 1949- 1952 (durch das Bundesverfassungsgericht ver boten), Deutsche Reichspartei (DRP) 1950- 1963; Doppclmitglicdschaften, gleichzeitige Mitgliedschaft in einer oder mehreren anderen (welcher) rechts extremistischen bzw. neonazistischen Organisationen, wo, wann unter welcher Beteiligung, auch Mitglieder anderer rechtsextremisti scher Parteien, Organisationen oder bekannter rechtsextremistischer Einzel mitglieder haben Landesparteitage stattgefunden (seit Bestehen der Landesver bände), Symbole, Flaggen, Grußformen, Parteiprogramme und deren ideologische Aussagen insbesondere bezüglich Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Familie, Nationalismus, Geschichtsrevisio nismus (sog. Auschwitz-Lüge), Antisemitismus, Neutralismus, antidemokra tisch, Miliurismus, und welche Beispiele gibt es, wo Funktionäre von diesen pseudodemokratischen Parteiprogrammen in Reden oder Verlautbarungen abweichen? 1.2.1 Welche Aktivitäten haben die o. g. Parteien 1989, 1990, 1991, 1992, 1993 selbst durchgeführt, und an welchen haben sie sich oder deren Mitglieder in Rheinland PEalz, dem Bundesgebiet oder dem Ausland beteiligt? 1.3 Welche der oben genannten Parteien unterhielten oder unterhalten in Rheinland PEalzjugendverbändeoder -organisationen, wie viele Mitglieder hatten diese in den Jahren 1988, 1989, 1990, 1991, 1992, 1993, und welche Aktivitäten gingen von diesen aus? 1.4 Welche Stiftungen unterhalten die unter 2.1.1 - 2.1.1 0 genannten Parteien in Rhein land-Pfalz, und haben diese Stiftungen in der Vergangenheit Landeszuschüsse erhalten oder erhalten derzeit Landeszuschüsse? 1.5 In welchen Landkreisen, Städten und Kommunen sind die oben genannten Parteien bei Wahlen seit 1964 angetreten und mit welchem Ergebnis? 1.5.1 Wo und mit wie vielen Parteimitgliedern sind bzw. waren die oben genannten Parteien im Gemeinde-, Stadt- bzw. Ortsbeirat und/oder