Verfassungsschutzbericht 2008

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Verfassungsschutzbericht 2008 Senatsverwaltung für Inneres und Sport 1 Verfassungsschutz- bericht Senatsverwaltung für Inneres und Sport Abteilung Verfassungsschutz 1 Verfassungsschutzbericht 2008 Erreichbarkeit des Berliner Verfassungsschutzes Senatsverwaltung für Inneres und Sport, Abteilung Verfassungsschutz Adresse: Klosterstraße 47, 10179 Berlin Postanschrift: Postfach 62 05 60, 10795 Berlin Internet: www.verfassungsschutz-berlin.de E-Mail: [email protected] Vermittlung: (030) 90 129-0 Fax: (030) 90 129-844 Kontakttelefon: (030) 90 129-440 Pressestelle: (030) 90 129-565 Vertrauliches Telefon: (030) 90 129-400 Deutsch / Englisch (030) 90 129-401 Türkisch (030) 90 129-402 Arabisch Herausgeber: Senatsverwaltung für Inneres und Sport Abteilung Verfassungsschutz Redaktion: Arbeitsgruppe Öffentlichkeitsarbeit Druck: Mercedes-Druck, Berlin Redaktionsschluss: April 2009 Abdruck gegen Quellenangabe gestattet, Belegexemplar erbeten. Hinweis: Dieser Verfassungsschutzbericht erwähnt nicht alle Beobach- tungsobjekte des Berliner Verfassungsschutzes. VERFASSUNGSSCHUTZBERICHT BERLIN 2008 III VORWORT In diesem Frühjahr hat in Deutschland eines der wichtigsten Terrorismusverfahren begonnen: Vor dem Oberlandesgericht in Düsseldorf müssen sich die Angeklagten der so genannten Sauerlandgruppe verantworten. Sie hatten mehrere Bombenanschläge auf amerikanische Einrichtungen in Deutschland geplant und waren im September 2007 festgenommen worden. Seitdem war klar, dass der „home grown terrorism“ auch ein deutsches Problem ist. Das Verfahren wird nochmals eindrücklich und beispielhaft den gefährlichen Radikalisierungsprozess darstellen, den die angeklagten jungen Männer durchlaufen haben. Radikalisierungsprozesse zu erken- nen, zu verstehen und möglichst zu stoppen, ist nicht nur Aufgabe der deutschen Sicherheitsbehörden. Hier sind Elternhaus, Schulen und Moscheegemeinden gleichermaßen gefordert. Nach wie vor unerlässlich sind daher auch die vor einigen Jahren angestoßenen Dialoggremien, in denen Probleme und Missverständnisse frühzeitig erkannt und diskutiert werden. Dieser Dialog muss offen weiter fortgeführt werden; er bleibt ein wesentlicher Bestandteil der Gefahrenabwehr. Extremisten bedrohen weiterhin die Sicherheit und die Stabilität Deutschlands. Nur weil bislang in Deutschland Anschläge vereitelt wurden oder aufgrund von technischen Fehlern nicht funktionierten, darf sich niemand in falscher Sicherheit wiegen. Der Verfassungsschutz Berlin beobachtet daher ihre Bestrebungen nach wie vor konsequent. Deutschland bleibt im Zielspektrum islamistischer Terroristen. Das haben auch die Anfang 2009 im Internet veröffentlichten deutsch- sprachigen Videobotschaften und die darin aufgebauten Drohkulissen deutlich gemacht. Extremisten jedweder Art nutzen immer stärker die weltumspannende permanente Verfügbarkeit des Internets zur Verbrei- tung ihrer Ideologien, zur Kommunikation und auch zur Vorbereitung terroristischer Gewaltakte. Die deutschen Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass auch in Deutschland islamistische Terroristen leben. Verstärkt haben sich in der vergangenen Zeit auch Deutsche in Terrorcamps ausbilden lassen. Etliche sind inzwischen nach Deutschland zurückgekehrt. IV VERFASSUNGSSCHUTZBERICHT BERLIN 2008 Gerade wegen der Bedrohung durch Terroristen ist es wichtig, deutlich zu differenzieren zwischen weltweit operierenden Terroristen einerseits, den regional Gewalt ausübenden Islamisten wie „Hamas“ und „Hizb Allah“ andererseits und den völlig anders einzuschätzenden legalistischen Islamisten von „Milli Görüş“ und der Muslimbruderschaft. Von letzteren geht zwar keine Gewaltbedrohung für unser Gemeinwesen aus, es sind aber deutliche Brüche zu unserem Verfassungs- und Rechtsverständnis vorhanden. Wir dürfen legalistische Islamisten nicht mit Terroristen in einen Topf werfen, sonst würden wir den notwendigen Dialog abschneiden. Dementsprechend haben wir den Verfassungs- schutzbericht 2008 neu gegliedert. Im Rechtsextremismus hat im vergangenen Jahr besonders die NPD im negativen Sinne von sich Reden gemacht. Während sie im Jahr 2007 noch der zentrale Akteur im Rechtsextremismus war, hat sie im vergangenen Jahr vor allem mit Meldungen über falsche Rechen- schaftsberichte und manipulierte Darlehensverträge auf sich aufmerksam gemacht. Ob die NPD dieses Desaster überleben wird, bleibt abzu- warten. Auch fehlt der Partei sowohl auf Bundes- als auch auf Landes- ebene eine überzeugende Führungsperson. Zwar wurde der Bundes- vorsitzende Udo Voigt im Frühjahr 2009 im Amt bestätigt, doch die Kritik an seinem Führungsstil ebbt nicht ab. Von diesem Gerangel profitieren die Freien Kräfte im Rechtsextremismus, die nun zunehmend in Aktion treten. Ausgewiesene Verfechter des neonazistischen Flügels der NPD finden sich auch im neu gewählten NPD-Parteivorstand. So ist davon auszugehen, dass die Partei auch weiterhin mit den „Freien Kräften“ zusammenarbeiten wird, da die aufgeführten Personen als Ansprechpartner und Vertreter der Kameradschaftsszene und rechts- extremistischen Vereine in der NPD fungieren. Ein deutliches Zeichen im Kampf gegen den Rechtsextremismus ist das Verbot der „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ) durch den Bundesminister des Innern im März 2009. Die Zerschlagung der Strukturen der HDJ schwächt die rechtsextremistische Szene Berlins empfindlich – vor allem in Hinblick auf die Betreuungs- und Schulungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen als Nachwuchs für die extreme Rechte. Der Linksextremismus wurde in der Öffentlichkeit in den vergangenen Monaten vor allem durch brennende Autos und Anschläge auf Wohnungen und Geschäftsräume wahrgenommen. Die Gewalttaten VERFASSUNGSSCHUTZBERICHT BERLIN 2008 V zeigen ein deutlich gestiegenes Aggressionspotenzial insbesondere der linksextremistischen autonomen Szene, die auch vor schweren Straftaten nicht zurückschreckt. Diese Form des Linksextremismus darf in ihrer Gefährlichkeit nicht unterschätzt werden. Auch wenn nicht immer klar ist, inwieweit eine politische Motivation hinter diesen perfiden Attacken steckt – hochkriminell sind sie in jedem Fall. In der Missbilligung der Anschläge darf es keine Nuancen geben, ganz gleich ob als Motiv ein persönliches Anliegen oder vermeintlich politische Beweggründe wie der Kampf gegen eine städtebauliche Umstrukturierung und für „Freiräume“ stehen. Der Verfassungsschutz setzt alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel ein, um die linksextremistische Szene und ihr mili- tantes Vorgehen zu ergründen. Immer wieder sorgte auch die „Scientology Organisation“ (SO) in Berlin für Schlagzeilen. Ihre großspurig angekündigten Kampagnen, Werbe- und Lobbymaßnahmen blieben aber bislang erfolglos. Weder stiegen die Mitgliederzahlen, noch hat SO an irgendeiner Stelle an Einfluss gewonnen. Die Berlinerinnen und Berliner sind offensichtlich sehr widerstandsfähig und lassen sich nicht von der verqueren SO-Ideologie beeindrucken. Der Senat hat inzwischen die Aufklärungs- und Informationsangebote über Scientology innerhalb der Sektenleitstelle ausgebaut. Der Berliner Verfassungsschutz arbeitet eng mit dieser Stelle zusammen, um auch zukünftig über die Organisation aufzuklären. Information und Aufklärung über Bestrebungen gegen den freiheitlichen Rechtsstaat sowie die geistig politische Auseinandersetzung mit dem Extremismus sind ohnehin die besten Mittel, um unseren Verfassungs- staat auch in Zukunft zu sichern. Dr. Ehrhart Körting Senator für Inneres und Sport VI VERFASSUNGSSCHUTZBERICHT BERLIN 2008 Inhaltsverzeichnis Vorwort I AKTUELLE ENTWICKLUNGEN IN DEN BEOBACHTUNGSFELDERN...................................................... 1 1 ISLAMISTISCHER TERRORISMUS ..........................................................2 1.1 Überblick..............................................................................................2 1.2 Transnationaler islamistischer Terrorismus....................................5 1.2.1 Bedrohungslage.....................................................................................5 1.2.2 Deutschland weiterhin im Zielspektrum des islamistischen Terrorismus ...........................................................................................6 1.2.3 Jihad-Salafismus als ideologische Basis des islamistischen Terrorismus .........................................................................................13 1.2.4 Propaganda und Radikalisierung ........................................................15 1.3 Prozesse und Exekutivmaßnahmen in Deutschland......................21 1.3.1 Urteil zum Anschlagsversuch auf Regionalzüge ................................22 1.3.2 Anklage gegen mutmaßliche Mitglieder der „Sauerland-Gruppe“ ....23 1.3.3 Urteile gegen „al-Qaida“-Unterstützer ...............................................23 1.3.4 Urteil im „Ansar al-Islam“-Prozess ....................................................24 1.4 Regionaler islamistischer Terrorismus...........................................25 1.4.1 Entwicklungen bei der „Hizb Allah“ ..................................................25 1.5 Kurz notiert .......................................................................................28 1.5.1 „al-Quds“-Demonstration in Berlin ....................................................28 2 EXKURS: SALAFISTISCHE BESTREBUNGEN IN DEUTSCHLAND.........29 3 LEGALISTISCHER ISLAMISMUS...........................................................35 3.1 Überblick............................................................................................35 3.2 Enge Bindung der „Islamischen Gemeinschaft Milli Görüş e. V.“ an die „Milli Görüş“-Bewegung in
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