<<

Braune Flecken der Grünen Bewegung

Eine Untersuchung zu den völkisch-antimodernistischen Traditionslinien der Ökologiebewegung und zum Einfluss der extremen Rechten auf die Herausbildung grüner Parteien in Österreich und in der BRD

DIPLOMARBEIT

zur Erlangung des akademischen Grades eines Magisters der Philosophie an der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von David KRIEBERNEGG

am Institut für Geschichte Begutachter: Ao.Univ.-Prof. Dr.phil. Dieter-Anton Binder

Graz, 2014

Ehrenwörtliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

Die Arbeit wurde bisher in gleicher Form keiner inländischen oder ausländischen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Fassung.

Graz, 21. Dezember 2014 David Kriebernegg

- 2 -

Danksagung

Bedanken möchte ich mich bei meinen Eltern Ulla und Herbert Kriebernegg. Ohne sie wäre diese Arbeit nicht verwirklichbar gewesen.

Für die Korrekturen und die zahlreichen Verbesserungshinweise möchte ich mich bei meiner Mutter Ulla Kriebernegg, bei Angela Pilz und Daniela Grabe bedanken.

Meinen GesprächspartnerInnen Karl Kaser, Engelbert Kremshofer, Willi Lasek, Georg Monogioudis, Andreas Peham, Doris Pollet-Kammerlander, Heike Possert-Lachnit, Christian Stenner, Christian Wabl, Hans-Peter Weingand und vor allem Irene Windisch danke ich für die vielfältigen Einblicke in die Entstehungszeit der österreichischen Grünen.

Andreas Peham, Monika Bargmann und Johannes Schönner danke ich für die Unterstützung bei meiner Quellenrecherche. Für die Bereitstellung der Archivquellen bin ich dem Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes, dem Grünen Archiv und dem Karl von Vogelsang-Institut zu Dank verpflichtet.

Herzlichst bedanken möchte ich mich bei Ao.Univ.-Prof. Dr. Dieter A. Binder für die jahrelange Geduld.

- 3 -

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung ...... - 7 -

1.1 Quellenlage und Forschungsstand ...... - 9 - 1.2 Überblick zu den Kapiteln ...... - 11 -

2 Zum Phänomen „rechte Ökologie“ ...... - 13 -

2.1 Der Holismus als zentrale Denkfigur rechter Ökologie ...... - 15 - 2.2 Natur und Natürlichkeit als universelle Prinzipien ...... - 17 - 2.3 Kulturpessimismus und Untergangserwartungen ...... - 20 - 2.4 Jenseits von Rechts und Links ...... - 23 - 2.5 Die Idee vom 3. Weg ...... - 24 - 2.6 Der Materialismus als Sinnbild einer dekadenten Gegenwart ...... - 26 - 2.7 Der Biologismus als Eckpfeiler rechtsökologischen Denkens ...... - 27 - 2.8 Die Sorge um Arterhaltung und Artenschutz ...... - 29 - 2.9 Die Neobiota-Diskussion als Einfallstor der ökologischen Rechten ...... - 33 - 2.10 Die Überbevölkerung-Debatte ...... - 34 - 2.11 Lebensschutz und Volksgesundheit als zentrale Begrifflichkeiten ...... - 38 -

3 Die Geschichte der „Grünen Bewegung“ ...... - 42 -

3.1 Die Vorläufer im Fin de Siècle ...... - 42 - 3.1.1 Zur Heimatschutzbewegung ...... - 43 - 3.1.2 Zur Lebensreformbewegung ...... - 46 - 3.1.3 Der Nationalsozialismus als Kulmination des Antimodernismus ...... - 48 -

3.2 Von der Bewegung zur Formierung „grüner“ Parteien ...... - 51 - 3.2.1 Die grünen siebziger Jahre ...... - 52 - 3.2.2 Zur Pluralität der Grünen Bewegung ...... - 53 -

3.3 Die Grünen in der Bundesrepublik Deutschland ...... - 56 - 3.3.1 Die Ausgangssituation am Ende der 1970er Jahre ...... - 56 - 3.3.1.1 Die Grüne Liste Umweltschutz (GLU) ...... - 57 - 3.3.1.2 Die Grüne Aktion Zukunft (GAZ) ...... - 59 - 3.3.1.3 Die Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher (AUD) ...... - 61 -

- 4 -

3.3.2 Der Parteibildungsprozess ...... - 64 - 3.3.2.1 Die Europa-Grünen ...... - 65 - 3.3.2.2 Parteigründung und Auszug der ökologischen Rechten ...... - 67 -

3.4 Die österreichischen Grünen ...... - 71 - 3.4.1 Die 1. Parteibildungsphase 1978-1983 ...... - 71 - 3.4.1.1 Die Anti-AKW-Bewegung als grüne Mobilisierungsphase ...... - 71 - 3.4.1.2 Die obskure Grünparteien-Szene am Vorabend der NR-Wahl 1983 ...... - 75 - 3.4.1.3 Die VGÖ als Sammelbecken des bürgerlich-rechten Grünspektrums ...... - 78 - 3.4.1.4 Die Wahlbewegung der „Alternativen“ ...... - 87 - 3.4.2 Die 2. Parteibildungsphase 1983-1987 ...... - 94 - 3.4.2.1 Kooperation & Konfrontation zwischen AL und VGÖ ...... - 94 - 3.4.2.2 Hainburg und die Folgen ...... - 97 - 3.4.2.3 Die Grüne Alterative – Endergebnis der grünen Formierungsphase ...... - 103 - 3.4.2.4 Die politische Verortung der österreichischen Grünen ...... - 108 -

4 Die braunen Verstrickungen der Grünen Bewegung in Österreich ...... - 112 -

4.1 Theoretische Vorbemerkungen ...... - 115 - 4.2 Konrad Lorenz – Leitfigur der ökologischen Rechten ...... - 118 - 4.2.1 Über die „Verhaustierung“ des modernen Zivilisationsmenschen...... - 119 - 4.2.2 Der begeisterte Nationalsozialist ...... - 122 - 4.2.3 Weltanschauliche Kontinuitäten ...... - 126 - 4.2.4 Lorenz als Knotenpunkt rechter Traditionsstränge ...... - 128 - 4.3 Die Vereinten Grünen und die extreme Rechte ...... - 131 - 4.3.1 Der rechtsextreme Beitrag am Parteiaufbau ...... - 132 - 4.3.2 Der ambivalente Umgang mit der extremen Rechten ...... - 135 - 4.3.3 Politische Grabenkämpfe ...... - 138 - 4.3.4 Die VGÖ als rechter Gegenpart zur Grünen Alternative ...... - 142 - 4.4 Die rechtsökologische Lebensschutz-Szene in Österreich ...... - 145 - 4.4.1 Der Bund für Volksgesundheit (BfV) ...... - 146 - 4.4.1.1 In der Tradition der Lebensreformbewegung ...... - 148 - 4.4.1.2 Das Verhältnis zur NS-Herrschaft ...... - 150 - 4.4.1.3 Pioniere des Antiatom-Widerstands ...... - 152 - 4.4.1.4 Das Naheverhältnis zum Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff) ...... - 155 -

- 5 -

4.4.2 Der Weltbund zum Schutze des Lebens (WSL) ...... - 161 - 4.4.2.1 Die Rolle des WSL in der Umweltbewegung ...... - 162 - 4.4.2.2 Zur Person Günther Schwab ...... - 163 - 4.4.2.3 Braune Kontinuitäten im WSL-Ö ...... - 169 - 4.4.2.4 Der WSL-BRD und der Neonazismus ...... - 174 -

4.5 Grün-Braune Trittbrettfahrer ...... - 181 - 4.5.1 Die VolkssozialistInnen und die grüne Wahlbewegung ...... - 183 - 4.5.2 Robert H. Drechsler und seine Volksunion/Grüne Plattform ...... - 186 - 4.5.3 Die Grünen Österreichs (DGÖ) des Alfred Bayer ...... - 187 -

5 Resümee ...... - 191 -

6 Abkürzungsverzeichnis ...... - 194 -

7 Literaturverzeichnis ...... - 196 -

7.1 Verwendete Literatur ...... - 196 - 7.2 Weiterführende Literatur ...... - 204 -

8 Quellenverzeichnis ...... - 208 -

8.1 Schriften ...... - 208 - 8.2 Dokumente ...... - 211 - 8.3 Zeitungsartikel ...... - 213 - 8.4 Internetquellen ...... - 216 - 8.5 Radiosendungen ...... - 218 -

- 6 -

1 Einleitung

Die folgende Arbeit beschäftigt sich mit dem Verhältnis der Ökologiebewegung und der sich in den späten siebziger Jahren formierenden „grünen“ Parteien zur politischen Rechten. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen das Fortwirken völkisch-antimodernistischer Traditions- linien in der Grünen Bewegung sowie der Einfluss der rechtsextremen Szene auf die grüne Wahlbewegung in den siebziger und achtziger Jahren des 20. Jh. Außerdem werden die gängi- gen Leitmotive, Themen und Denkfiguren „rechter Ökologie“ dargestellt, womit kulturpessi- mistische, sozialdarwinistische, biologistisch-rassistische, völkisch-antimodernistische und organizistisch-antiliberale Anschauungsweisen im grün-alternativen Diskurs gemeint sind. Der Fokus wird sowohl auf die Entwicklung der Grünen in Österreich wie in der Bundes- republik Deutschland gelegt. Dafür sprechen einerseits die vielfältigen Wechselwirkungen und Verbindungen zwischen den zwei Ländern, andererseits die historischen Kontinuitäts- linien ökologischer Strömungen seit dem Fin de Siècle, die eine Herausnahme eines enger eingegrenzten Schauplatzes als nicht zielführend erscheinen hätten lassen. Außerdem zeigte sich eine Vielzahl an Parallelen in der Herausbildung grüner Parteien, die sowohl in der BRD in Gestalt der Partei Die Grünen (1980), als auch in Österreich mit der Grünen Alternative (1986) in der Etablierung einer links-alternativen Reformpartei endete. Diesen schlussendlich hegemonialen, linksorientierten Parteien stand aber noch bis Anfang der 1990er Jahre ein bürgerlich-rechtskonservatives Grünlager gegenüber, das sich in der BRD seit 1981 in der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) sammelte, in Österreich im Vorfeld der National- ratswahlen 1983 wiederum bei den Vereinten Grünen (VGÖ).1 Beide vorgeblich „bürger- lichen“ Grünparteien wiesen starke Kontinuitätslinien ins rechte lebensreformerische Milieu auf und waren auf starke Führungspersönlichkeiten fixiert. Außerdem kennzeichnete sie eine Vielzahl an Kontakten und Querverbindungen ins rechtsextreme Spektrum, von dem sie sich wechselweise distanzierten und dann wieder annäherten. Im Rückblick auf die eigene Geschichte wird dieser Umstand von den heutigen Grünen eben- so ausgeblendet wie die ideengeschichtlichen Ursprünge ökologisch-industriekritischen Gedankenguts am Ende des 19. Jh., artikuliert in antimodernistischer Manier von der sog. Heimatschutz- und der Lebensreformbewegung, die partiell mit der völkischen Bewegung verknüpft waren und in dieser Form in den Nationalsozialismus einmündeten. Besonders die ökologische Rechte stand auch nach 1945 in dieser Tradition und trat in Gestalt biologisti- scher Zirkel bereits in den frühen sechziger Jahren als Vorkämpfer gegen die Atomkraft in Erscheinung. Darüber hinaus fungierte ihre Proklamation einer biologisch-ökologischen

1 Vgl. Schandl (1996), 117. - 7 -

Lebensweise als Gegenentwurf zur industrialisierten Moderne, was wiederum auf dem Selbst- verständnis der Lebensreformbewegung rekurrierte.2 Während es in Deutschland zumindest in der Anfangszeit hierzu eine Debatte gab,3 wo vor allem die Intervention rechtsextremer Akteure zur Disposition stand, setzte in Österreich schon früh die Mythenbildung rund um die beiden „Sternstunden“ Zwentendorf und Hainburg ein. Dabei reichte gerade hier die ideologische Spannbreite von weit links bis zur äußerten Rechten. Im Zuge der Antiatom- bewegung gelang es rechtsökologischen Gruppierungen etwa, Konzepte der Eugenik und „Rassenhygiene“ über die gesundheitlichen Befürchtungen radioaktiver Verstrahlung wieder salonfähig zu machen. Bei der Hainburgbewegung tauchten wiederum Züge des romantischen Heimatschutzgedankens in Kombination mit mythischen Beschwörungen der „heiligen Ge- setze der Natur“ auf.4 Dass die Themen Ökologie,5 Naturschutz und (Volks-)Gesundheit lange Zeit zu Basisideolo- gemen der antimodernistischen Rechten zählten, wird von der heutigen Geschichtsbetrach- tung der Grünen meist konsequent ausgeblendet. Stattdessen wird allein die historische Ver- bindung zu den sog. Neuen Sozialen Bewegungen bemüht, während die NS-Vergangenheit und deren zivilisationskritisch-naturverklärende Aspekte unthematisiert bleiben.6 Doch gerade das Selbstverständnis der frühen Grünen, jenseits von rechts und links zu stehen, sowie die eklektizistisch anmutende grüne Programmatik7 boten eine offene Flanke zum rechtsextremen Spektrum.8 Dennoch scheiterten schlussendlich alle Bemühungen der extremen Rechten, an der grünen Wahlbewegung erfolgreich zu partizipieren. Im Gegenteil: Die Grünen entwickel- ten in Österreich ab den Achtzigern sogar ein prononciert antirassistisches und minderheiten- freundliches Profil und wandten sich hier im Besonderen gegen die aufstrebende rechtsnatio- nale Haider-FPÖ. In der BRD positionierten sich die Grünen sogar als systemoppositionelle

2 Vgl. Schattauer (1993), 8. 3 Im Jahr 1982 erschien z.B. ein Untersuchungsbericht der Grünen Baden-Württemberg, die eine als möglich erachtete Unterwanderung rechtsextremer Kräfte untersuchte. Siehe hierzu: Die Grünen, Zwischenbericht. Zur parteiinternen Debatte in der Anfangszeit über die rechten Führungsfiguren der Grünen siehe: Bierl (2014), 54. 4 Siehe hierzu: Voggenhuber (1996), 6. 5 Die Vorarlberger Historikerin Anna Rösch-Wehinger fasst dies folgendermaßen zusammen: „Ökologie wird im rechtsökologischen Diskurs mit Volks- und Heimatschutz verknüpft. Zu schützen gilt es den ‚angestamm- ten‘ Lebensraum und das geschichtlich erworbene Volkstum vor Überfremdung, Entwurzelung und Nivellie- rung.“ Rösch-Wehinger (2009), 80. 6 Die Historiker Gugenberger und Schweidlenka schildern etwa, dass ihren Forschungen zu rechtsökologi- schen Organisationen und Gedankengut Mitte der 1980er mit völligem Unverständnis begegnet worden wäre. Günther Nenning hätte sich sogar öffentlich über den überflüssigen „hochsubventionierten Forschungsauf- trag“ geärgert. Siehe hierzu: Gugenberger (1987), 6. 7 Vgl. Schandl (1988), 170. 8 Nach Ansicht des Politologen Richard Stöss war es gerade der „wachstums- bzw. technik-kritische […] Impetus“, der vielfach „Raum für reaktionäre, industriegesellschaftsfeindliche, romantische, antizivilisa- torische und kulturpessimistische Haltungen [bot] und […] Vertreter völkisch-rassistischer, biopolitischer und eugenischer Ideologien an[lockte]“. Stöss (1980), 242. - 8 -

Linkspartei und schwenkten erst gegen Ende der 1980er Jahre auf einen linksliberalen Reformkurs ein.

1.1 Quellenlage und Forschungsstand

Das Verhältnis zwischen der Grünen Bewegung und der extremen Rechten wurde bisher in Hinblick auf Österreich noch keiner eingehenden Untersuchung unterzogen. Hinweise dazu finden sich jedoch in den Arbeiten der Historiker Franz Schandl und Gerhard Schattauer, die sich vornehmlich mit den Auseinandersetzungen innerhalb der Alternativen Liste Österreichs (ALÖ) und den Konflikten im Vorfeld der Nationalratskandidatur der Grünen Alternative im Jahr 1986 auseinandersetzten.9 Darüber hinaus existieren jedoch mehrere Arbeiten zur regio- nalen Entwicklung der Grünen, wobei hier besonders auf die Abhandlung der Historikerin Anna Rösch-Wehinger zu verweisen ist. Sie thematisiert die Entwicklung in Vorarlberg mit Fokus auf das Spannungsverhältnis zwischen dem bürgerlich-rechten und dem links-alterna- tiven Grünspektrum.10 Zur Entwicklung in Oberösterreich existiert eine chronologische Dar- stellung von Marco Vanek, bei der die Verbindungslinien zur ökologischen Rechten zwar angedeutet, aber aufgrund des Blicks auf die alternative Grünszene darüber hinaus unthema- tisiert bleiben.11 Eine fundierte politikwissenschaftliche Analyse über die österreichischen Grünen existiert wiederum vonseiten der Salzburger Politologin Sonja Puntscher-Riekmann, die jedoch auf Anfang der 1990er Jahre zurückgeht und hauptsächlich die Zeit nach 1986 be- handelt.12 Zur Geschichte der Vereinten Grünen (VGÖ) existiert lediglich die Diplomarbeit von Markus Huber aus dem Jahr 1991, die sich jedoch durch ihren Faktenreichtum und die Thematisierung der rechtsökologischen Szene auszeichnet.13 Breiter liegt das Angebot im Hinblick auf die Entwicklung der bundesdeutschen Grünen, wo sich besonders die Publikation von Silke Mende über die „Gründungsgrünen“ als äußerst fruchtbar herausstellt. Hierbei handelt es sich um eine der wenigen wissenschaftlichen Unter- suchungen zu den unterschiedlichen Milieus der frühen Grünen, die sie charakterisiert und zu- einander in Beziehung setzt.14 Eine detaillierte Darstellung der innerparteilichen Macht- kämpfe findet sich bei Rudolf van Hüllen, dessen Arbeit jedoch schon 1990 erschien. Er stellt die Gründung der Grünen als erfolgreiche Unterwanderung linkssozialistischer Kräfte dar. Trotz oftmals tendenziöser Wertung ist seine Darstellung aufgrund der großen Faktendichte

9 Schandl (1996); Schattauer (1993); Schattauer, (1988). 10 Rösch-Wehinger (2009). 11 Vanek (2001). 12 Puntscher-Riekmann (1992). 13 Huber (1991). 14 Mende (2011). - 9 -

äußerst ergiebig. Die Publikationen der ehemaligen grünen AkteurInnen Hubert Kleinert, Ludger Volmer und Jutta Ditfurth haben dagegen eher den Charakter subjektiv gefärbter Er- zählungen und sind aufgrund ihrer unterschiedlichen politischen Deutungen deshalb gerade im Vergleich äußerst erhellend.15 Im Hinblick auf das Spektrum der ökologischen Rechten nimmt das Werk von Oliver Geden eine zentrale Stellung ein. Hierbei handelt es sich um eine Gesamtdarstellung von AkteurIn- nen, Organisationen und Debatten, die er dem Bereich „rechte Ökologie“ zuordnet.16 Eben- falls als Standardwerk ist die Untersuchung von Roman Schweidlenka und Eduard Gugen- berger aus dem Jahr 1987 zu bezeichnen, die sich mit den mythisch-okkulten Aspekten der Alternativ- und Ökologiebewegung beschäftigten.17 Aktueller sind die Darstellungen von Peter Bierl, der erst im Frühjahr 2014 eine kurze Gesamtdarstellung mit dem Titel „Grüne Braune“ ablieferte und darüber hinaus auch kritische Publikationen zur Anthroposophie Rudolf Steiners und zur Freiwirtschaftslehre Silvio Gesell veröffentlichte.18 In Bezug auf die österreichische Szene ist besonders der Artikel von Heribert Schiedel aus dem Jahr 1994 her- vorzuheben, der sich mit den rechtsextremen Verwicklungen der Vereinten Grünen beschäf- tigt, dessen zeitlicher Fokus allerdings auf den frühen neunziger Jahren liegt.19 In der Aus- einandersetzung mit Konrad Lorenz erschienen die Untersuchungen der Wissenschaftshistori- ker Benedikt Föger und Klaus Taschwer äußerst informativ. Sie setzten sich vor allem mit dem Verhältnis von Lorenz zum Nationalsozialismus auseinander, darüber hinaus themati- sierten sie auch seine Rolle für die Grünen Bewegung.20 Eine Vielzahl von Zeitungsartikeln, Briefen, Zeitschriftenbeiträgen und Parteiprogrammen rechtsökologischer und neonazistischer Grüngruppierungen finden sich im Dokumentations- archiv des österreichischen Widerstandes (DÖW). Sie bildeten die Grundlage für die Unter- suchung des Verhältnisses zwischen den VGÖ und der rechtsextremen Szene sowie zu den „grünen“ Parteien neonazistischer Provenienz. Auch im Grünen Archiv der Grünen Bildungs- werkstatt Wien fand sich eine Vielzahl an Unterlagen zu den VGÖ-Wien aus den Jahren 1983 und 1984, die Aufschluss über innerparteiliche Kontroversen und den Umgang des Wiener Landesverbandes mit den Annäherungsversuchen rechtsextremer AkteurInnen gaben.

15 Kleinert (1992a); Kleinert (1992b); Volmer (2009); Ditfurth (2000). 16 Geden (1996). 17 Gugenberger (1997). 18 Bierl (2014); Bierl (2012); Bierl (2005). 19 Schiedel (1994). 20 Taschwer (2009) und Föger (2001). - 10 -

1.2 Überblick zu den Kapiteln

Die Arbeit ist in drei Kapitel gegliedert, in denen die unterschiedlichen Aspekte des Verhält- nisses zwischen der Grünen Bewegung und der extremen Rechten dargestellt werden. Das erste Kapitel beschäftigt sich mit dem Phänomen der „rechten Ökologie“. Hierbei geht es um Themen, Denkfiguren, Leitmotive und bestimmte Debatten, die einem rechtsökologischen Weltbild entsprechen. Dieses reicht von Ideen und Positionen eines kulturpessimistischen Konservatismus bis hin zu Elementen der nationalsozialistischen Ideologie. Der Zweck des Kapitels besteht darin, aufzuzeigen, in welcher Weise rechtsextremes Gedankengut am Dis- kurs der Ökologiebewegung anschließen kann und wirkmächtig wird. Charakteristisch ist hier insbesondere die antimodernistische Stoßrichtung, die sich einerseits gegen die westliche Industriegesellschaft richtet, andererseits aber auch gegen die sog. Werte der Französischen Revolution. Der Mensch erscheint in der rechtsökologischen Vorstellung als homo natura, dessen Leben vollständig von den Gesetzen der Natur bestimmt wird. Davon werden wiede- rum biologistische und sozialdarwinistische Gesetzmäßigkeiten abgeleitet und eine organizis- tisch-ganzheitliche Gesellschaftsordnung proklamiert. Das zweite Kapitel befasst sich mit der Geschichte der Grünen Bewegung und Parteiwerdung. Der Fokus liegt hier auf den rechten Traditionslinien, die bis ins letzte Drittel des 19. Jahrhun- derts verfolgt werden. Vorgestellt werden die Heimatschutz- und die Lebensreformbewegung, die sich beiderseits gegen die Zumutungen der Moderne wandten. Während es dem romanti- sierenden Heimatschutz um den Erhalt der überlieferten Tradition, um Werte und um die „ur- sprüngliche“ Landschaft ging, handelte es sich bei den unterschiedlichen Strömungen der Lebensreform um eine gegenkulturelle Bewegung. Als Idealbild galt der mit der Natur in Ein- klang stehende „neue Mensch“, der sich von den Unzulänglichkeiten der Großstadt und dem getakteten, maschinellen Arbeitsleben befreit. Nach dem ersten Weltkrieg wurden beide Bewegungen zunehmend völkisch überformt und gerieten damit ins Fahrwasser des National- sozialismus, dessen „Blut-und-Boden“-Ideologie und Bauernmystik an Denkfiguren des konservativen Antimodernismus anknüpften. Nach 1945 war der rechte Kulturpessimismus vorerst erledigt, konnte sich jedoch Ende der fünfziger Jahre rehabilitieren und prägte danach die frühe Antiatomkraftbewegung. Mit der Verbreiterung und dem Erfolgszug der Ökologie- bewegung ab Mitte der siebziger Jahre verlor die „wertkonservative“ Rechte jedoch ihr Monopol auf das Thema Ökologie. Gleichzeitig setzte sie jedoch im Rahmen des bürgerlichen Grünspektrums zur Parteigründung an, die ihr sowohl in der BRD als auch in Österreich gelang. Dennoch konnte sich die ökologische Rechte schlussendlich nicht gegen den

- 11 -

linksliberalen Mainstream der grünen Wahlbewegung durchsetzen und stand spätestens seit Mitte der 1980er Jahre im politischen wie gesellschaftlichen Abseits. Das dritte Kapitel behandelt das rechtsökologische Spektrum in Österreich als solches. Zu- nächst geht es darum, das Phänomen rechte Ökologie als politisches Phänomen zu verorten, wozu die Rechtsextremismus-Definition des Historikers Willibald I. Holzer passend erscheint. Die Ideologie der extremen Rechten erscheint bei ihm als Zuspitzung des politischen Konser- vatismus, der die Entwicklung der Moderne als Verfallserscheinung und Degeneration be- trachtet. Am konkreten Beispiel wird danach auf die Weltanschauung und das Leben des Biologen Konrad Lorenz eingegangen, der als eine der grünen Galionsfiguren in Österreich gilt und sowohl in Zwentendorf als auch in Hainburg in Erscheinung trat. Seine Schriften und Aussagen charakterisieren ihn als idealtypischen Vertreter der rechter Ökologie. Besonders verehrt wurde Lorenz wiederum von den Vereinten Grünen, zu deren Führungsriege er in einem Naheverhältnis stand. Die VGÖ pflegten seit ihrer Entstehung in den frühen 1980ern mit der rechtsextremen Szene einen engen Austausch, was sich bis zu ihrem Niedergang Mitte der neunziger Jahre nicht wesentlich ändern sollte, auch wenn sich Phasen der engeren Kooperation mit solchen der Abgrenzung abwechselten. Danach werden zwei Organisationen beleuchtet, die beide ein enges Beziehungsgeflecht zu den Vereinten Grünen aufwiesen. Sowohl der Bund für Volksgesundheit als auch der Weltbund zum Schutze des Lebens vertra- ten ein biologistisches und sozialdarwinistisches Weltbild. Während der BfV vor allem durch seine Nähe zur völkischen Sekte der Ludendorffer geprägt war, tummelten sich beim WSL eine Vielzahl von ehemaligen Nationalsozialist(innen) und Anhänger(innen) der „Rassen- hygiene“ und Eugenik. Zu guter Letzt wird noch das überschaubare Segment des neonazis- tischen „Grünlagers“ dokumentiert, das um 1980 vom grünen Mode-Zug zu profitieren hoffte und eine Unzahl grüner Klein- und Kleinstparteien anmeldete bzw. im bürgerlichen Grün- spektrums anzudocken versuchte.

- 12 -

2 Zum Phänomen „rechte Ökologie“

Im folgenden Kapitel sollen jene Debatten, Denkfiguren und Positionen erläutert werden, die in Teilbereichen der Umwelt- und Ökologiebewegung anzutreffen und ideengeschichtlich dem Fließbereich zwischen antimodernistischen Konservatismus und völkisch-faschistischen Spektrum zuzuordnen sind. Der Terminus „rechte Ökologie“ geht auf eine Publikation des Politikwissenschaftlers Oliver Geden zurück, der ihn Mitte der 1990er Jahre in die Debatte einführte und damit den Graubereich zwischen konservativen Grün-Strömungen und Rechts- extremismus meinte.21 „Ökologie von rechts“ wird in dieser Perspektive nicht als eine geschlossene Weltanschauung vorgestellt, sondern fungiert als Bezeichnung ideologischer Versatzstücke, die in unterschied- lichen Kombinationen wie Akzentuierungen auftreten können. Charakteristisch ist jedoch eine naturalisierende, biologistische oder organische Betrachtungsweise des Menschen und der Gesellschaftsverhältnisse. Bezugspunkt ist eine als ursprünglich, echt und gesund ge- dachte Natur, womit das Natürliche zum Ideal avanciert. Im Gegensatz dazu wird der Materialismus zum Inbegriff der Natur-Entfremdung erklärt, der meist mit der Moderne, dem Westen und in völkischer Auslegung mit dem Jüdischen assoziiert wird. Dieses Kapitel soll außerdem zeigen, in welcher Weise ökologische Themen nach rechts an- schlussfähig sind bzw. in welcher Form Überscheidungen zu biologistischen, sozialdarwi- nistischen, völkischen und rassistischen Anschauungsweisen bestehen.22 Wechselwirkungen zwischen dem Themenbereich Ökologie und rechten Positionen werden insbesondere mit Blick auf die historische Entwicklung deutlich, wo Naturverbundenheit und Fortschrittsfeind- lichkeit die längste Zeit zum Selbstverständnis des Konservatismus gehörten. Ressentiments gegenüber der Moderne waren sowohl Bestandteil der deutschen Romantik im ersten Drittel des 19. Jh. als auch von Heimatschutz- und Lebensreformbewegung, die den herrschenden Zeitgeist des Fin de Siècle als Verfallsphänomen wahrnahmen. Berührungspunkte bestanden

21 Siehe hierzu: Geden (1996). Verwendung fand dieser Terminus später bei Oliver Nüchter, Anton Maegerle, Thomas Jahn oder Peter Wehling. Andere Festlegungen lauten „völkische Ökologie“, „braune Ökologie“ oder „Ökofaschismus“, ein Begriff der vor allem von der Journalistin Jutta Ditfurth und bei Peter Bierl Verwendung findet und vermutlich auf den Rechtsextremismusforscher Volkmar Wölk (1991) zurückgeht. 22 Rassismus wird hier nicht in der überholten Definition als Haltung charakterisiert, die Menschen, aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten „Rasse“, als minderwertig betrachtet und der eigenen „Rasse“ die Superiorität zuschreibt, sondern bereits die Einteilung und Bewertung der Menschen nach Volksgruppen und Rassen ist als rassistisch zu werten. Rassismus ist demnach die „Gesamtheit der Theorien und politischen Lehren, die nach Maßgabe einer anthropologischen Klassifizierung der menschlichen Erdbevölkerung“ eine Einteilung in Menschenrassen vornehmen und Zusammenhänge zwischen Körpertypen und Kulturentwick- lung behaupten. Als kulturalistischer Rassismus wird darüber hinaus die essentialistische Zuschreibung von Charaktereigenschaften entlang ethno-kultureller Stereotype verstanden. Dieser Kulturalismus bzw. „Ethno- pluralismus“, eine Wortschöpfung der „Neuen Rechten“, geht analog zum biologistischen Rassismus von der Unvereinbarkeit und Unvermischbarkeit verschiedener, essentialistisch konstruierter Kulturen aus. Vgl. Schwagerl (1993), 131. - 13 -

hier insbesondere zur Jugendbewegung als auch zur „völkischen Bewegung“, die bis 1933 dann alle antimodernistischen Strömungen dominieren sollte. Eine ideologische Konstante rechter Ökologie bildet ein antiwestlich konnotierte Kultur- pessimismus, der ein Element des nationalsozialistischen Ideengebäudes darstellte und bis in die „Grüne Bewegung“ der siebziger und achtziger Jahre nachwirkte.23 Besonders die Idee von der Degeneration der Gesellschaft, biopolitische und eugenische Überzeugungen, die Verherrlichung des Gesunden und Natürlichen bei gleichzeitiger Pathologisierung des Abarti- gen und Widernatürlichen bildeten die Klammer rechter sich als grün gerierender Strömun- gen, deren geistige Kontinuitätslinien bis zur Lebensreform und zum Diskurs der Eugenik24 um 1900 zurückreichten.25 Die Topoi der Entfremdung von Natur, die Ablehnung der Geldwirtschaft als Mammonismus oder die Artikulation eines Gattungsinteresses, das keine Rücksichtnahme auf soziale Verhält- nisse dulde, entsprachen ebenfalls ideologischen Mustern, an welche die extreme Rechte an- knüpfen konnte. Noch bis Mitte der 1980er Jahre versuchten ProtagonistInnen dieser Szene den Themenkomplex Umweltschutz und Ökologie zu besetzen und innerhalb des grün- alternativen Spektrums zu reüssieren.26 Die Idealisierung von Natürlichkeit und Gesundheit bilden dabei die zwei wichtigsten Bezugspunkte, die mit dem Imperativ der ständigen Selbst- kontrolle körperlicher Fitness und natürlicher Ernährung auch dem herrschenden Zeitgeist entsprechen.27

23 Vgl. Zander (2001), 331f. 24 Die Eugenik war eine Ende des 19. Jh. entstandene Lehre, die auf eine Vermehrung des Anteils positiv bzw. Verringerung negativ bewerteter Erbanlagen abzielte, aus biologistischer Perspektive als Hochzucht propa- giert. Die Anwendung bezog sich vor allem auf die Bevölkerungs- und Gesundheitspolitik. „Positive Eugenik“ meint Maßnahmen, die z.B. auf eine Erhöhung der Kinderzahl mit vorgeblich wertvollen Genen abzielen, während „negative Eugenik“ etwa die Fortpflanzung „minderwertiger“ Menschen mittels Sterilisa- tion oder Abtreibungen zu verhüten versucht, im Nationalsozialismus schließlich in den sog. Selektionsmaß- nahmen der T-4 Aktionen oder Vernichtungsaktionen in den Konzentrationslagern mündend. Als geistiger Vater der Eugenik gilt der britische Anthropologe Francis Galton (1822–1911), der den Begriff prägte und die Idee einer gesünderen Menschheit verfolgte. In diesem Sinn steht z.B. das Konzept der Volksgesundheit im ideologischen Kontext einer „biologischen Höherentwicklung“. 25 Vgl. Stöss (1980), 243. 26 Davon zeugt etwa eine Untersuchungskommission des Landesverbandes der Grünen in Baden-Württemberg 1982, die sich mit einer möglichen „rechtsextremen Unterwanderung“ auseinandersetzte. Auch in Österreich kandidierten bis Ende der 1980er Jahre neonazistische Grün-Listen bei diversen Kommunalwahlen, während die Partei Vereinte Grüne mit Verbindungen ins rechtsextreme Milieu aufwarten konnte. In den letzten Jahren versucht sich in Deutschland wieder die Nationaldemokratische Partei (NPD) mit Umweltschutz- themen zu profilieren, die sie mit rassistischen, fremdenfeindlichen und antisemitischen Gedankengut an- reichert. Die NPD setzt sich etwa gegen Genmais und für „Volksgesundheit“ wie „ernährungstechnische Autarkie“ ein, agitiert gegen das jüdisch-muslimische „Schächten“ und warnt vor dem „Atomtod aus Polen“. Vgl. Staud (2012a), 20f. 27 Vgl. Hanisch (1994), 486. - 14 -

Schon im Ursprung des Begriffs Ökologie, der auf den Darwinisten Ernst Haeckel28 (1866) zurückgeht, ist übrigens eine biologistisch-rassistische Konzeption grundgelegt. Haeckel ver- stand darunter „die Wissenschaft von den gesamten Beziehungen des Organismus zur umge- benden Außenwelt, […] ihre Anpassung an die Umgebung, ihre Umbildung durch den Kampf ums Dasein“. Haeckel biologisierte damit bereits gesellschaftliche Verhältnisse und Zustände, indem er diese als von der Natur bestimmt ansah.29 Damit schwingt schon in der ursprüng- lichen Konnotation die Idee vom „Kampf ums Dasein“ mit, die Haeckel mit einer Klassifizie- rung in „Lang- und Kurzköpfe, woll- und schlichthaarige sowie Menschen mit schiefen oder geraden Zähnen“ verband. Er propagierte eine „Umkehr zur Natur“ und eine „naturgemäße Gesellschaftsordnung“, die den „ewigen Naturgesetzen“ entsprechen müsse.30

2.1 Der Holismus als zentrale Denkfigur rechter Ökologie

Ein „ganzheitliches“ Verständnis der Welt, die als Organismus wahrgenommen wird, stellt eines der populärsten Leitmotive der Alternativ-, Ökologie- und Esoterikszene dar. Grund- legend hierfür ist die Vorstellung einer im Kosmos waltenden Harmonie und Gesetzmäßig- keit, wo alles mit allem im Innersten verbunden und geordnet erscheint. Beispielgebend ist etwa die Vorstellung, dass sich Mensch, Kultur und Natur in einer wesenhaften Verbindung befänden, in Form einer „unverbrüchlichen Schicksalsgemeinschaft“.31 Paradigmatisch ist der Satz: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“, womit die mechanistische, wissen- schaftlich-analytische Sichtweise auf die Welt abgelehnt und dieser ein tieferes Verständnis entgegengestellt wird. Statt die tieferen Ursachen zu ermitteln würden nur Teilaspekte be- trachtet und Symptome behandelt, Gesamtzusammenhänge vernachlässigt oder aufgrund der Zergliederung überhaupt nicht erkannt.32 Im Fokus dieser Kritik steht der gesamte Zeitgeist der Moderne, bestimmt von Rationalität, Naturentfremdung, fokussiert auf Technik, industrielle Produktion und Konsum. Die Forde- rung nach ganzheitlichem Denken korrespondiert somit mit der Idee von der Überwindung technischer Rationalität und des Materialismus, die für die Zergliederung eines als ursprüng-

28 Ernst Haeckel (1834-1919) war überzeugter Rassentheoretiker, der die europide „Rasse“ naturwissenschaft- lich für die hochentwickeltste hielt. 1906 gründete er den Deutschen Monistenbund (DMB), wo die weltan- schaulichen Konsequenzen der Evolutionsbiologie diskutiert wurden. Haeckel galt als scharfer Eugeniker, der ein „sorgfältiges Ausjäten des Unkrauts“ forderte, worunter er eine „unnachsichtliche Ausrottung aller unverbesserlichen Verbrecher“ verstand. Damit gilt er nicht nur als Begründer des Ökologie-Konzepts, son- dern auch als ideologische Leitfigur des Sozialdarwinismus und Wegbereiter der „Rassenhygiene“. Vgl. Schulze (2012b), 49f. Siehe auch: Bierl (2014), 28f; Gommel (2012), 108-111; Geden (1996), 11 und 14f. 29 Vgl. Schulze (2012a), 19. 30 Vgl. Bierl (2014), 22f. 31 Diese Vorstellungen einer harmonisch-organischen Welt reichen bis zur Lebensphilosophie und Steiners Anthroposophie im Fin de Siècle zurück, die auch eine „Ganzheit des Menschen als Leib, Seele und Geist“ proklamierten. Vgl. Mende (2011), 140. 32 Vgl. Sichler (1995), 67. - 15 -

lich harmonisch konzipiertem Weltganzen verantwortlich gemacht werden. Die Verding- lichung der Natur, Resultat der Cartesianischen Trennung von Subjekt und Objekt, wäre dem- nach Ursache für die Vorherrschaft des modernen, als geistlos gebrandmarkten Materialis- mus. Erst das hätte zur Entfremdung von Mensch und Natur, Individuum und zugehöriger Ge- meinschaft geführt, als deren Bestandteil jede/r Einzelne gesehen wird. Individualismus und Massengesellschaft, Egoismus und rationalistischer Kategorismus wären demnach Folgen eines falschen Bewusstseins. An deren Stelle soll nun wieder das mythische Ganze treten, wo- bei die überrationalen Zusammenhänge nur von einer erleuchteten Elite in ihrer vollen Trag- weite erkannt werden könnten.33 Mit dem Konzept der geordneten, harmonischen und konstanten Natur wird ein positives Gegenbild zur Zivilisation geschaffen, Sinnbild einer idealen Ordnung, die als „Mutter Natur“ mythisch-spirituell überhöht und personifiziert wird. Der Jean-Jacques Rousseau zugeschrie- bene Ausspruch „Zurück zur Natur“ bildet das Basistheorem dieser Kulturkritik, die den modernen Menschen in einer entfremdeten, künstlichen Welt gefangen sieht, entrissen von der Einbindung in die Natur.34 Die natürliche Lebensweise wird in der rechtsökologischen Auslegung von Beobachtungen der Tier- und Pflanzenwelt abgeleitet. Zentral ist dabei die Vorstellung vom Prinzip des Orga- nismus՚, nach dem jedes Einzelwesen Bestandteil eines größeren, wesenhaften Ganzen wäre. In Analogie dazu wird auch der einzelne Mensch zur Zelle eines komplexen Körpers erklärt, der eine eigene Identität besitze und ein Eigenleben führe. Der Schritt zum antiindividuellen Postulat vom homogenen und organisch strukturierten „Volkskörper“, imaginiert als ge- schlossene und natürliche Abstammungsgemeinschaft, ist damit bereits gesetzt. „Du bist nichts, Dein Volk ist alles“ lautet dessen Leitsatz.35 Diese Verpflichtung des Individuums ge- genüber dem größeren Ganzen ging bekanntlich mit der Forderung nach absoluter Opfer- bereitschaft, Gehorsam und Unterordnung einher, in dem das Individuum seine eigenen Be- dürfnisse zum Wohle des Kollektivs der „Volksgemeinschaft“ weitgehend aufgeben musste. Am deutlichsten offenbart sich dieser antiliberale kollektivistische Utilitarismus in der vom Nationalsozialismus oft propagierten Parole: „Gemeinnutz geht vor Eigennutz“.36 Diese organische und ganzheitliche Sichtweise steht in Kontinuität zur deutschen Romantik. Bereits der Philosoph und Staatstheoretiker Adam Müller (1779-1829) sprach von der „Ganz-

33 Ein solches Selbstverständnis findet sich etwa in der New-Age-Bewegung und ihren Vorläufern Theosophie und Anthroposophie, deren Einflüsse auf das grünalternative Milieu bis heute Bestand haben. Tiefere Einblicke in das Wirken der „Grund- und Naturgesetze des Seins“ erhalten dabei nur einzelne Erleuchtete, deren Einsicht oft übersinnlichen Fähigkeiten zugeschrieben wird. Vgl. Geden, 178. 34 Vgl. Sichler, 63ff. 35 Vgl. Wölfingseder (1995), 26. 36 Vgl. Schwagerl, 104 und 108. - 16 -

heit“ Natur, aus der sich die Völker als Unter-Ganzheiten ableiten würden. Popularisiert wurde die Idee des homogenen und exklusiven Volks von Ernst Moritz Arndt (1769-1860), auf den sich besonders die Deutschnationalen berufen sollten.37 Die bürgerliche Demokratie erscheint hier als unorganisch und somit als undeutsch, da sich das Individuum natur- gesetzlich dem Kollektiv des Volkes oder Staates zu unterwerfen habe.38 Im Nationalsozialis- mus diente diese Vorstellung der mythischen Überhöhung der Volksgemeinschaft, die tief in den Ursprungskräften wurzle, und als organisches Gegenstück zu den künstlichen Demokra- tien hochstilisiert wurde.39 Das holistische Prinzip bildet damit einen wesentlichen Bestandteil völkischer Ideologie, „in Form einer streng gegliederten und hierarchisierten Volksgemein- schaft als Bezugsrahmen, der dem Individuum erst seinen Sinn gibt“. Dabei gilt der/die Ein- zelne bekanntlich nichts, da der Lebenszweck einzig in der Existenzerhaltung des Kollektivs, „der Gemeinschaft“, gesehen wird.40 Hier zeigt sich auch die Bedeutung des Begriffs Natio- nalsozialismus, konzipiert als Synthese von exklusivem Nationalismus und egalitärem Sozia- lismus. In dieser völkischen Utopie gelten zwar alle individuellen Elemente des Volkes als gleichartig und besitzen damit das Recht auf materielle Versorgung durch die Volksgemein- schaft, müssen sich andererseits als Angehörige dieser aber unterordnen und sich für sie auf- opfern. Die Gesellschaft transformiert zur harmonischen Großfamilie, in der es keine Inter- essensgegensätze gebe, die herrschende soziale Ungleichheit wird somit negiert.41 Die Egalität verwirklicht sich also nur im Sinne der Zugehörigkeit zur exklusiven, „rassisch“- homogenen Volksgemeinschaft, während Hierarchien innerhalb des Kollektivs als naturge- geben gelten, insbesondere die Rollenverteilung zwischen Mann und Frau, ArbeiterIn und FabriksbesitzerIn, „Führer“ und Gefolgschaft. Jedem Individuum wurden damit ein vorher- bestimmter, angestammter Platz und eine korrespondierende Funktion im organisch konzi- pierten Volkskörper zugewiesen.

2.2 Natur und Natürlichkeit als universelle Prinzipien

Natur bildet den zentralen Bezugspunkt der grünalternativen Bewegung, ist der gemeinsame Nenner von rechtsökologischen Strömungen und dem links-alternativen bzw. emanzipato- rischen Grünspektrum. Exemplarisch äußert sich dieses Selbstverständnis etwa im 1983 publi- zierten Programm der Alternativen Liste Österreichs: „Die Natur ist Grundlage unseres Lebens. Die Zerstörung der Natur wäre die Zerstörung von uns selber. Diese Zerstörung geht

37 Vgl. Geden, 17. 38 Vgl. Bierl (2005), 153f. 39 Vgl. Gugenberger (1987), 27. 40 Vgl. Geden, 17. 41 Vgl. Wohnout (1994), 395. - 17 -

von einem auf maximales Ausnützen, auf Profit- und Machtstreben gerichteten Wirtschafts- system aus.“42 Als gemeinsames Feindbild galt somit ein ungehemmt wütender Industriekapitalismus, der durch schonungslose Ressourcenausbeutung die Lebensgrundlagen auf dem Planeten zu be- drohen schien. Hinzu kam die zunehmende Skepsis im außerparlamentarisch organisierten, linken Spektrum gegenüber Fortschrittsparadigma, Konsumismus und Wirtschaftsexpansion, womit Anknüpfungspunkte zu antimodernistischen Strömungen gegeben waren.43 Die Idee von der Bewahrung der Natur gegenüber dem technischen Fortschritt ist ideengeschichtlich ein Grundtheorem des Konservatismus. Die Idealisierung der Familie, die organisch gewendet als „kleinste natürliche Zelle menschlicher Gemeinschaft“ gilt, das Plädoyer für die „Ehr- furcht vor dem Leben“ und der Wunsch nach kleinräumig-überschaubaren Strukturen veran- schaulichen den konservativen Kontext. Auch die Ahnengalerie der Ökologie verweist auf diese Traditionslinie, vom Verkünder des „Recht[s] der Wildnis“, Wilhelm Heinrich Riehl, Mitte des 19. Jh., über Ernst Rudorff, Initiator des Heimatschutzes, bis hin zum radikalen antimodernistischen Öko-Philosophen Ludwig Klages.44 Die Steigerung von Produktion und Konsumtion, aus rechtsökologischer Perspektive als Materialismus dämonisiert, und der Erhalt von Natur und Planet Erde wurden als sich aus- schließende Gegensätze postuliert. Der entfremdete Zivilisationsmensch wird dabei allgemein zum Feind der Natur erklärt und erscheint metaphorisch als Parasit, Schädling oder Krebs- geschwür des Heimatplaneten, als Infektion, die den natürlichen Organismus bedroht. Gleich- zeitig erscheinen Naturkatastrophen und Epidemien wie Aids, Pest oder Cholera als gerechte Strafe des Planeten an der Menschheit, denn die Natur lasse als richtende Instanz nichts unge- straft und unabgegolten.45 In Form des Animismus wird die Erde als lebendiges Wesen betrachtet und wahrgenommen, als eine Art Superorganismus, dem die menschliche Gesellschaft und Individuen untergeord- net wären. Die in der Natur beobachteten natürlichen Abläufe werden dabei als universelle Prinzipien verabsolutiert und als Handlungsanweisungen auf die gesellschaftliche Sphäre rückübertragen, um „in bewahrendem Einklang mit dem Lebenssystem unseres Planeten [zu]

42 Siehe hierzu: Programmatisches Manifest der Alternativen Liste Österreich, 2. 43 Bereits die Lebensreformbewegung forderte in Reaktion auf die Modernisierungsprozesse am Ende des 19. Jh. eine Rückkehr zum Ideal der „Natürlichkeit“, propagierte vegetarische Ernährung, die mit dem Kult von Körper und Gesundheit verknüpft wurden. Auch mittels Musik und Rhythmus sollte der Einklang bzw. Gleichklang mit der Natur wiedererlangt werden, was sich etwa in der anthroposophischen „Eurythmie“ wiederspiegelt. Vgl. Schulze (2012b), 43. 44 Vgl. Strelow (1997), 158f. 45 Vgl. Ditfurth (2011), 181f. - 18 -

stehen“.46 Auftretende Krisenphänomene gelten daher als Folge widernatürlichen Verhaltens, was besonders eindrücklich in den Aussagen der rechtsökologischen Apologeten Konrad Lorenz, Herbert Gruhl oder Werner Georg Haverbeck zutage tritt.47 Das proklamierte Primat der Natur hatte somit eine normierende Funktion und forderte ange- sichts der sonst drohenden Apokalypse die Unterordnung menschlicher Bedürfnisse unter die vorgeblich naturgesetzliche Ordnung.48 Die Vorbildfunktion der Natur beschränkte sich jedoch nicht nur auf den Bereich der Wirtschaft, sondern fand gesamtgesellschaftliche An- wendung. Damit wurden etwa soziale Verhältnisse naturalisiert, die Geschlechterrollen er- schienen als natürlich festgesetzt, bestehende Macht- und Herrschaftsverhältnisse wurden als Ausdruck einer natürlichen Ordnung legitimiert. Das erklärt auch, warum der Verweis auf die Natur gerade vom Konservatismus bis zu faschistischen Konzeptionen so gern bemüht wird und Rechtsextremen der Anschluss an den ökologischen Diskurs so glatt gelingt.49 Menschliche Gestaltungsmöglichkeiten und Einflüsse der sozialen Umwelt werden in diesem Weltbild sukzessive negiert, der Mensch erscheint als biologisch determiniert, sodass Abwei- chungen von gängigen Verhaltensnormen als widernatürlich pathologisiert werden.50 Auch Ressentiments gegenüber abstrakter Kunst oder von der Norm abweichende Formen der Sexualität werden in diesem Sinne als natürliches und damit gesundes Empfinden bei Ver- letzung ästhetischer, sozialer wie kultureller Normen gedeutet.51 Die Natur erscheint in diesem Verständnis als „grausame Königin aller Weisheit“ und wurde in der NS-Ideologie sogar zum Lebensprinzip des „Fressens und Gefressenwerdens“ erhoben, als Richterin über Leben und Tod. Humanismus, Marxismus und die jüdisch-christliche Tradition erschienen dagegen als widernatürlich, als eine „krankhafte Vorstellung feiger Besserwisser und Kritiker der Natur“.52 Diese Vorstellung vom Menschen als Naturwesen, der den „Gesetze[n] der Vererbung und Auslese“ unterliege, wurde nach 1945 vor allem vom rechtsökologischen Spektrum weitertradiert, war jedoch innerhalb der Ökologiebewegung nur

46 Diese Naturalisierung gesellschaftlicher Prozesse negiert damit vollkommen, dass z.B. der Arbeitsprozess und die dazugehörige Nutzung von Rohstoffen, keineswegs dem biologischen Kreislauf, im Sinne des Lebenszyklus der Pflanze, folgen. Vgl. Ditfurth (2011), 139. Siehe auch: Geden, 16 und Barth (2001), 62. 47 Programmatisch wurden solche Positionen etwa in der bundesdeutschen grünen Vorläuferpartei Grüne Aktion Zukunft (GAZ), die von Herbert Gruhl 1978 ins Leben gerufen worden war. In deren „Grünen Mani- fest“ wurde die „materialistische Verschwendungswirtschaft“ als gegen die Naturgesetze verstoßend ange- klagt und eine „Gleichgewichtswirtschaft“ gefordert, welche die „ökonomische Rücksichtslosigkeit ablösen“ sollte. Vgl. Gruhl (1978), 122. Siehe auch: Schulze (2012b), 80. 48 Vgl. Strelow (1997), 160 und Geden, 180f. 49 Vgl. Bierl (2014), 17 und Dudek (1984), 98. 50 Solidarität mit Schwächeren, sozialstaatliche Maßnahmen oder karitative Einrichtungen gelten in gleicher Weise als der Natur widersprechend, da die natürlichen Selektionsmechanismen dadurch außer Kraft gesetzt würden. 51 Vgl. Geden, 202f und Ditfurth (2011), 124f. 52 Vgl. Gugenberger (1987), 28. - 19 -

in Randbereichen.53 In wissenschaftlich verbrämter Form vertraten besonders die Biologen Konrad Lorenz und Irenäus Eibl-Eibesfeldt ein naturalistisches Menschenbild, indem sie soziales Verhalten ausschließlich mit angeborenen Trieben und Dispositionen erklärten. Biologistische Deutungen reichen somit über das rechtsextreme Spektrum hinaus und finden sich auch im naturwissenschaftlichen Diskurs.54 Auf das menschliche Zusammenleben ange- wendet bilden diese Naturalisierungen eine normative Schablone, wie Gesellschaft zu organi- sieren sei. Der Politikwissenschaftler Anton Pelinka interpretiert diese Praxis als „Politikver- bot“, da der Anschein des Unveränderlichen vermittelt und damit menschlicher Gestaltmög- lichkeit entzogen wird.55 „Die Verschleierung dieser Beliebigkeit kommt in der Geschichte des Naturrechts zum Ausdruck. Was jeweils als ‚natürlich‘ im Sinne von angeboren und un- veräußerlich bezeichnet wird, ist Reflex herrschender politischer Verhältnisse.“56 Damit bildet die Natur lediglich eine Projektionsfläche, wo vermeintlich beobachtete Gesetzmäßigkeiten entdeckt und danach auf die gesellschaftlichen Verhältnisse übertragen werden, wo sie mit dem Prädikat „natürlich“ versehen als sakrosankt gelten.57

2.3 Kulturpessimismus und Untergangserwartungen

Eine Grundstimmung, die sowohl für die antimodernistischen Strömungen des Fin de Siècle als auch für Teile der Ökologiebewegung der siebziger Jahre charakteristisch ist, ist jene des Kulturpessimismus. Kritisiert wurde vor allem die Dekadenz der westlichen Industrie- und Wohlstandsgesellschaft mit ihrer Konsumorientierung und vorherrschenden materiellen Wert- orientierung. Exemplarisch hierfür ist die Ablehnung des ökonomischen Aufschwungs der Wirtschaftswunderjahre durch den konservativen Naturschützer Hubert Weinzierl, der be- klagte, dass auf die Natur „keinerlei Rücksicht“ genommen werde und mit Ludwig Erhard zwar „die Kassen gefüllt, aber die Altäre geleert“ worden seien.58 Gleichzeitig war die „Grüne Bewegung“ der siebziger Jahre von einem Krisendiskurs geprägt, schien doch die finale Selbstauslöschung der Menschheit bevor zu stehen, ausgelöst von im- mer weitreichenderen Umweltzerstörungen und scheinbar unumstößlichen „Grenzen des Wachstums“59, etwa in Form einer Übervölkerung des Planeten. Außerdem drohte die ato- mare Gefahr, die in Gestalt eines Atomkriegs zur totalen Selbstauslöschung der menschlichen Spezies führen könnte. Damit zeichnete sich dieser Diskurs durch die Pflege einer regel-

53 Vgl. Schwagerl, 104. 54 Vgl. Schandl (1988), 179. 55 Vgl. Pelinka (2003), 195f. 56 Ebd., 197. 57 Vgl. Ditfurth (1997), 265f. 58 Siehe hierzu: Radiokolleg am 14.02.2012. 59 Siehe hierzu: Dennis L. Meadows u.a., Die Grenzen des Wachstums, Stuttgart 1972. - 20 -

rechten Endzeitstimmung aus, in der die Gegenwart als Präludium eines bevorstehenden Weltuntergangs erschien.60 Die Existenzfrage begann zusehends alle anderen gesellschaft- lichen Fragen zu überlagern und als nachrangig zu bewerten, sie wurde besonders in der kon- servativen Auslegung als überideologisches Anliegen verstanden, das einem objektiven Sach- zwang unterliege.61 Kulturpessimistisch gewendet stellte sich die Entwicklung der Menschheit hier als „gegen die Natur gerichtet“ dar, führe doch die moderne Lebensweise zu einem pflanzlichen und tieri- schen Artensterben, „wie es bislang nur Meteoriten auszulösen vermochten“. Nach diesem „Schachmatt der Natur“ würde es jedoch keine zweite Chance für die Menschheit geben, meint etwa noch heute der bekannte Umweltaktivist Wolfgang Pekny.62 Als Gründe werden meist die entwickelten „technischen Fähigkeiten“, ein falsches Bewusstsein, das die Beherr- schung der Natur beansprucht, und „zivilisatorische Maßnahmen“ genannt, die zur Störung und Gefährdung des ökologischen Gleichgewichts geführt hätten. Die Umweltkrise stellt sich hier als ein Symptom des Abfallens der Menschheit von der Natur dar, weshalb die Wieder- herstellung einer als ursprünglich imaginierten Harmonie als einziger Ausweg gilt.63 Das Zeit- alter der Moderne erscheint dabei als Verfallsgeschichte, wo die Menschheit zusehends einem blinden Wachstums- und Fortschrittswahn erlegen wäre. In den siebziger Jahren vermengte sich diese historisch ältere Kritik an der Moderne mit einem linken systemkritischen Diskurs, in dem zunehmend die Konsum- und Wegwerfgesellschaft in den Fokus rückte.64 Eine moralisierende Kritik an den Symptomen des Kapitalismus, die auf falsche Werte rekur- riert, findet sich vor allem in Debatten der ökologischen Rechten. Als Ursache galt die Eta- blierung des westlich-konsumistischen Lebensstils, in rechtsextremer Diktion Folge der nach 1945 einsetzenden „Umerziehung“, die zu Sinnverlust, Verdinglichung, rücksichtsloser Naturausbeutung und biologisch-kulturellem Niedergang des deutschen Volkes geführt hätte.65 In der Deutung der ökologischen Rechten, so etwa bei Konrad Lorenz, avancierte die Entwicklung der Moderne wiederum zur Degeneration bzw. „Entartung“, was einer biologis- tisch-eugenischen Untergangsvorstellung entsprach. In seinem kulturkritischen Werk „Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit“ geißelte Lorenz die moderne „Massengesell- schaft“, die „nur an kommerzielle Werte“ glaube und deshalb „gefühlsarm“ und „verhaus- tiert“ sei. Der „kulturellen Tradition verlustig“ gegangen bot sie für den Verhaltensforscher

60 Vgl. Mende, 372. 61 Vgl. Gronner (1988a), 74. 62 Vgl. Radiokolleg am 16.02.2012. 63 Vgl. Köser (1978), 289. 64 Vgl. Hanisch, 481. 65 Vgl. Dudek (1984), 97. - 21 -

alle Anzeichen einer „Verfallserscheinung“.66 Diese kulturpessimistische Grundstimmung entspricht derjenigen des Fin de Siècle, wo eine ähnliche Katastrophenerwartung vorherrschte und ebenfalls Industrialismus, Konsumismus und Naturentfremdung als Ursachen einer kulturellen wie biologischen „Degeneration“ galten.67 Besonders die als wuchernd charakteri- sierten Großstädte galten als widernatürlich, wogegen das romantische „Ideal vom deutschen Bauern auf eigener Scholle“ in Stellung gebracht wurde. Der technische Fortschritt wurde dagegen als „unorganische und zersetzende Kraft“ charakterisiert, als Ausdruck eines „art- fremden“ und „jüdischen“ Einflusses.68 In der Kulturkritik der siebziger und achtziger Jahre wurde die Vorherrschaft des Konsumis- mus wiederum dem US-amerikanischen Einfluss angelastet, als Sinnbild einer geistlosen, oberflächlichen Gesellschaft. Die extreme Rechte bastelte aus diesem antiamerikanischen Ressentiment eine Verschwörungstheorie, der zufolge die USA willentlich, durch ihren prak- tizierten Kulturimperialismus, die Eigentümlichkeiten und die Autonomie der unterschied- lichen Völker auszulöschen versuchten. Werner Georg Haverbeck, eine Zentralfigur der öko- logischen Rechten, prangerte bereits beim Kongress der bundesdeutschen Kleinpartei Aktions- gemeinschaft Unabhängiger Deutscher (AUD) im Oktober՚73 den „American Way of Life“ an und identifizierte ihn als Ursache der zunehmenden Umweltzerstörung. Danach appellierte er dafür, die Überwindung der „nationale[n] Überfremdung“ anzustreben, die nach 1945 ein- gesetzt habe, damit „wieder“ mit dem „eigenen“ Weg begonnen werden könne.69 Schon der deutsche Konservatismus im 19. Jh. assoziierte die verabscheute Zivilisation mit dem westlichen Lebensstil und den Werten der Französischen Revolution, die zu Naturent- fremdung und Entwurzelung des Individuums von Heimat und Volk führe. Das zeigte sich be- sonders deutlich in der antiliberalen und antidemokratischen Haltung der nationalkonservati- ven deutschen Rechten, die Egalitarismus und Individualismus seit Napoléon Bonaparte (Code civil) als Ausdruck französischer Fremdherrschaft betrachtete. Die Postulate der Auf- klärung galten als gemeinschaftszersetzend und als fremdes kulturelles Exportgut, das nicht dem deutschen Wesen entspreche.70 Dem auf persönliche Freiheit und demokratische Wil- lensbildung abzielenden Modell wurde ein genuin deutsches entgegengestellt, das als Ideal die harmonisch konzipierte Gemeinschaft propagierte, wo das Individuum Bestandteil eines Volks-Organismus՚ ist, womit ihm jegliche persönlichen Freiheitsrechte genommen waren.71

66 Vgl. Lorenz (1993), 98. 67 Vgl. Ha (2009), 209f. 68 Vgl. Staud (2012b), 18f. 69 Vgl. Bierl (2014), 52. 70 Vgl. Barthel (2013), 13f. 71 Vgl. Bierl (2014), 18f. - 22 -

Auch hier fungiert die USA als Gegenbild, als Verkörperung einer verkommenen, nivellierten Gesellschaft, womit sie als personifizierte Moderne erscheint, gekennzeichnet von „Vermas- sung“ und Naturverachtung. Als ethno-kultureller Schmelztiegel (melting pot) gilt die ameri- kanische Gesellschaft darüber hinaus als Schreckensszenario rassistischer Reinheitsphanta- sein. Daran knüpft wiederum der Vorwurf an, die USA beabsichtigten mittels der von ihr intendierten Globalisierung die ganze Welt in eine Welteinheitszivilisation zu verwandeln, dem einzig die verwurzelten Völker und Kulturen entgegenstünden.72

2.4 Jenseits von Rechts und Links

Die Parole „Jenseits von Rechts und Links“ bildet die polit-ideologische Selbstverortung der Ökologiebewegung und frühen Grün-Parteien in den siebziger und frühen achtziger Jahren in der BRD und Österreich.73 Als fortschrittliche, lebensbejahende und umweltbewusste histo- risch neue Bewegung wollte man sich jenseits der alten politischen Lager positionieren und in Erwartung des ökologischen Zusammenbruchs die als hinderlich empfundenen ideologischen Gegensätze überwinden. Nicht Klassenkampf und die Frage Konservatismus oder Fortschritt sollte im Mittelpunkt stehen, sondern als neuer Hauptwiderspruch wurde jener zwischen Öko- logie und Technokratie postuliert.74 Proklamiert wurde eine Dichotomie von Bewahren und Zerstören, womit über alle sonstigen ideologischen Fragen hinweg eine grüne Interesseniden- tität geschaffen wurde. Diese alleinige Fokussierung auf die Themen Ökologie und Umweltschutz wurde bereits Ende der 1970er Jahre als Entideologisierung charakterisiert und als mögliches Einfallstor für rechtsextreme Gruppen identifiziert, gerade weil über die Verabsolutierung des Themas Natur weltanschauliche Anknüpfungspunkte gegeben waren. Gleichzeitig fungierte der Hinweis, sich allein umweltpolitischen Fragen widmen zu wollen, als Entlastungsstrategie gegenüber Vorwürfen, die Mitwirkung rechtsextremer Kräfte zu dulden. Besonders konservative Grün- gruppen zeigten sich dabei gern tolerant bis kooperativ gegenüber jeder Form von Protest gegen das bestehende System, gleich welcher politischen Herkunft und Zielsetzung. Der Poli- tikwissenschaftler Richard Stöss wertete dies in der Formierungszeit der bundesdeutschen Grünen als „kleinbürgerlich-volkskonservative“ Attitüde, als eine „Sehnsucht nach einer harmonisch-populistischen Bewegung gegen das etablierte Institutionensystem“.75

72 Vgl. Ebd., 16. 73 Eine inhaltliche Kritik an der Selbstverortung „jenseits von rechts noch links“, gerade in Bezug auf die Hintergründe der globalen Umweltkrise, sowie eine Genealogie des polittheoretischen Links-Rechts- Schemas findet sich bei: Huber (1986), 148-156. 74 Vgl. Stöss (1980b), 44. 75 Vgl. Ebd., 45. - 23 -

Gerade dieses Motiv vom amorph-monistischen Volk, das sich einer technokratischen Despotie gegenübersieht, entspricht mit der Negation sozialer Fragmentierung dem Selbstbild der völkischen Bewegung, die sich im ersten Drittel des 20. Jh. auch als über den Parteien und sozialen Klassen stehend definierte. Gerade im konservativen Teil der Grünen fanden sich solche Gedanken, angesichts einer vorgeblich drohenden ökologischen Katastrophe.76 Gerade anhand der zwei zentralen Gründungsmythen der österreichischen Grünen, Zwenten- dorf (1978) und Hainburg (1984/85), artikuliert als Gegensatz zwischen einer von der Regie- rung forcierten Industrie und einer grünen Volksbewegung, offenbart sich die zeitweilige Existenz eines Sammelbeckens aller „gegen oben“ gerichteten Strömungen, dessen Bogen von der systemoppositionellen Linken, über das latente Unbehagen bürgerlicher Mittelschich- ten, bis hin zur äußersten politischen Rechten reichte.77 Die fehlende Sensibilität gegenüber der etwaigen Beteiligung von Rechtsextremen und Neonazis an der Au-Besetzung veran- schaulicht sich etwa in der dem Maler Friedensreich Hundertwasser zugeschriebenen Aus- sage: „Ein grüner Nazi ist ein guter Nazi, weil er einen Baum schützen kann, wenn er sich da- vorstellt.“78

2.5 Die Idee vom 3. Weg

Diese Idee, jenseits von Rechts und Links zu stehen, wurde auch als Absage an den materia- listischen Kapitalismus und Kommunismus verstanden, womit in rechtsökologischer Ausle- gung das westliche Gesellschaftsmodell und die sog. realsozialistischen Staaten assoziiert wurden. Diesen Konzeptionen wurde die Utopie eines „Dritten Weges“ entgegengestellt, ein oft bemühtes Leitmotiv politischer Bewegungen im 20. Jh. in Deutschland und Österreich, das in grünalternativen Kreisen ab den siebziger Jahren eine Renaissance erlebte. Durch die Ab- wendung vom versteinerten, autoritären Sowjetkommunismus und dessen Planwirtschaft wurden „Dritte Weg“-Ideen auch für vom starren Marxismus abrückende Linke zunehmend attraktiver, womit dieses Denkmotiv innerhalb des grünalternativen Spektrums mit unter- schiedlichsten Vorstellungen belegt wurde.79 Mit einer kulturpessimistischen Note stand die Parole vom „Dritten Weg“ vor allem für den Widerstand gegen das bestehende System, das unter romantischen Vorzeichen wieder in

76 Vgl. Ebd., 46f. 77 Vgl. Brandstätter (1984), 170. Diese Außerachtsetzung des weltanschaulichen Kontextes, bei gleichzeitiger Betonung reiner Sachpolitik, war vor allem ein Charakteristikum der ab den siebziger Jahren einsetzenden sich als überparteilich gerierenden Bürgerinitiativen (BIs), die mit ihrem Fokus auf ein bestimmtes Anliegen von der ideologischen Motivation der Beteiligten absah. Siehe hierzu: Mende, 441 und 435. 78 Vgl. Gugenberger (1987), 271 und Schiedel (1994), 126. 79 Vgl. Mitschka-Kogoj (1990), 82; vgl. Hüllen (1990), 463; vgl. Lindtner (1991), 216. - 24 -

Einklang mit der Natur gebracht werden sollte.80 Dahinter verbarg sich die Sehnsucht nach bodenständiger Arbeit und einem von der Zivilisation unbeschädigten Leben, was einer Idea- lisierung der vorindustriellen Gesellschaft entsprach. Außenpolitisch stand die Idee wiederum für die Forderung einer Entkopplung von der West- und Ostblockanbindung. Die USA und die UdSSR wurden in dieser Perspektive gleichermaßen negativ gesetzt, was von rechts mit der Forderung nach einer Rückkehr zum sog. „deutschen Sonderweg“ verbunden wurde.81 Bereits die Protagonist(inn)en der „Konservativen Revolution“, die in den zwanziger Jahren den weltanschaulichen Boden für den Nationalsozialismus bereiteten, propagierten diese Idee des „Dritten Weges“ als Alternative zu Kapitalismus und Marxismus. Die materialistische und dekadente Zivilisation sollte damit überwunden, der deutsche Urgeist wiederentdeckt werden. Für den rechten Intellektuellen Moeller van den Bruck, Autor des Werks „Das Dritte Reich“ (1923), bestand diese richtige Gesellschaftsordnung im Sozialismus, den er vom inter- nationalen Marxismus jedoch scharf schied. Ihm zufolge müsste eine je eigene, nationalspezi- fische Form des Sozialismus entwickelt werden, die mit dem jeweiligen „Volkscharakter“ korrespondieren müsse. Der deutsche National-Sozialismus sollte etwa aus mittelalterlichem Gemeinschaftsgeist und den kulturellen Eigenheiten des Volkes geformt werden, dabei revo- lutionär durchsetzt, aber konservativ gebunden bleiben.82 Im Sinne der organizistischen Volksgemeinschaftsideologie verdammten jene präfaschistischen Theoretiker(innen) den libe- ralistischen Kapitalismus, dem das Modell einer harmonistischen Betriebsgemeinschaft als „Führer-Gefolgschaftsprinzip“ entgegengestellt wurde, ohne jedoch Lohnarbeit, Konkurrenz- prinzip oder Marktlogik selbst anzutasten.83 Somit ergaben sich durch die Ablehnung der materialistischen Ideologien und diverser „Dritter Weg“-Ideen Anknüpfungspunkte zwischen der Ökologiebewegung und völkisch-kon- servativen Positionen. Gerade die Mitte der 1960er Jahre entstandene „“ ver- suchte mit ihrem Chefideologen den Brückenschlag zum grünalternativen Spektrum, während führende bundesdeutsche Grüne der ersten Stunde, wie August Haußleiter oder Baldur Springmann, ein „national-sozialistisches“ bzw. „völkisch-esoterisches“ Weltbild vertraten. In Österreich, wo die ExponentInnen der rechtsökologischen und neu-rechten Szene sich im Bereich der 1983 gegründeten Vereinten Grünen (VGÖ) einfanden, waren solche völ- kischen „Dritte Weg“-Phantasien jedoch kaum anzutreffen.

80 Vgl. Geden, 152. 81 Vgl. Lloyd (1991), 98. 82 Vgl. Mosse (1991), 295f. 83 Vgl. Bierl (2014), 36. - 25 -

2.6 Der Materialismus als Sinnbild einer dekadenten Gegenwart

Die Klage über den vorherrschenden geistlosen Materialismus gehört zum Kernstück rechter Kulturkritik, meist identifiziert mit Maßlosigkeit, Egoismus oder Hedonismus, die in der be- quemen Wohlfahrtsgesellschaft verbreitet wären. Gegen diesen als oberflächlich wahrge- nommenen Lebensstil wird eine Rückkehr zu Natürlichkeit und Spiritualität eingemahnt, was im Jargon des Konservatismus meist als „geistig-moralischen Wende“ artikuliert wird. Diese Denkfigur gehört zum festen Bestandteil konservativer Weltanschauung und findet sich in der antimodernistischen Lebensreformbewegung um 1900 als auch im rechten Spektrum der Ökologiebewegung. Diese Attitüde ist auch im sogenannten „Grünen Manifest“ der ÖVP anzutreffen, das 1982 von Erhard Busek formuliert wurde,84 oder durchzog die Aussagen des Mitbegründers der bundesdeutschen Grünen, Herbert Gruhl, der 1978 aus der CDU ausge- treten war. Die ökologische Krise erscheint hier gleichzeitig als geistige Krise, der westlichen Überflussgesellschaft und dem sozialen Versorgungsstaat wird eine Ethik des Verzichts ent- gegengestellt.85 Dieser Topos dominierte vor allem den rechtsökologischen Diskurs, wo der diffamierte blanke Materialismus und Hedonismus zur Folge einer „Entwurzelung“ von Heimat, Natur und Kultur erklärt wurde.86 Diese Dämonisierung des als verheerend empfundenen Wirtschaftsliberalismus und Industria- lismus wird zumeist assoziiert mit der Erschütterung des traditionellen Werte- und Familien- modells durch die 68er-Generation, was seitdem von der politischen Rechten als Kulturbruch beklagt wird. Der daraus resultierte übersteigerte Individualismus, verächtlich als „Ego-Kult“ angeprangert, wäre demnach verantwortlich für den Verlust von Gemeinschaftsgeist, Opfer- bereitschaft und Heimatverbundenheit. Damit einher geht die Aufforderung nach Askese, Dis- ziplin, Gehorsamkeit und Unterordnung, die zu den fixen Bestandteilen des konservativen Wertekanons zählen.87 Die in weiten Teilen des grünalternativen Spektrums ausgeprägte antimaterialistische Grund- haltung offenbarte sich wiederum in Losungen wie „weniger ist mehr“, „small is beautiful“ oder der Forderung nach einer Verzichtsethik. Die Systemfrage „Kapitalismus oder Sozialis- mus“ wurde dagegen als hinfällig abgelehnt, da beide Gesellschaftsformen einem destruktiven Fortschrittsglauben huldigen würden, die das Wirtschaftswachstum zu ihrem Fetisch gemacht hätten. Ab Mitte der siebziger Jahre wurde unter dem Eindruck des Berichts des Club of

84 Vgl. Christian (1983), 82f. 85 Vgl. Mende, 89. 86 Siehe hierzu: Strelow (1997), 160f. 87 Siehe hierzu: Gruhl (1978), 122. - 26 -

Rome (1972) die Forderung nach „Selbstbegrenzung und Bewusstseinsänderung“ erhoben und an Tugenden wie Sparsamkeit oder Bescheidenheit appelliert.88 Die Geißelung des zeitgeistlichen Materialismus und Mammonismus gehörte zu den belieb- testen Motiven dieses grünen Antimodernismus, verbreitet in der Alternativszene wie im rechtsökologischen Spektrum. Besonders die Idee vom Wirtschaften ohne Geld war hierbei sehr wirkmächtig, die etwa hinter diversen Tauschkreisen und Regionalwährungsinitiativen steht. An die moralisierende, personifizierende Kritik am Finanzkapital oder einer beklagten Zinsknechtschaft, die ideologisch einem regressiven Antikapitalismus entspricht, konnten diskursiv wiederum leicht antisemitische Erklärungsmuster anknüpfen. Besonders die völ- kische Bewegung und der daran anschließende Nationalsozialismus identifizierten in der ersten Hälfte des 20. Jh. die Vorstellung „Geld regiert die Welt“ mit einer jüdischen Weltherr- schaft, die gebrochen werden müsste. Darin ist auch das Moment des „revolutionären“ Auf- begehrens der Nazibewegung zu sehen, die von einer vorgeblichen Unterdrückung des arisch- deutschen Volkes phantasierte.89

2.7 Der Biologismus als Eckpfeiler rechtsökologischen Denkens

Biologistische Erklärungsmuster gehören zu den wesentlichen Grundprinzipien rechter Öko- logie und fungieren als Verbindungsstück zum Bereich der Esoterik und rechtsextremer Ideo- logiebildung.90 Medizingeschichtlich gilt der Biologismus als „Übertragung biologischer Ge- setzmäßigkeiten auf die Entwicklung und Existenzbedingungen von Gesellschaften“, wobei „Staat und Gesellschaft […] in Analogie zum Organismus gesetzt [werden]“, beispielsweise als Vorstellung vom Volkskörper. Darüber hinaus gehört auch die Vorstellung von der Natürlichkeit des Konkurrenzprinzips91 oder der Grundsatz vom „Recht des Stärkeren“ bzw. „Kampf ums Dasein“92 zur biologistischen Spielart des Sozialdarwinismus. Auch die Unter- teilung der Menschheit in „Rasse“-Unterarten oder die Unterscheidung zwischen „wertem“ und „unwertem“ Leben entspricht dieser Weltanschauung.93

88 Vgl. Straubinger (2009), 9. 89 Vgl. Ditfurth (1997), 288. 90 Vgl. Wölfingseder, 22f. 91 Peter Bierl weist daraufhin, dass es eine enge Verflechtung zwischen sozialdarwinistischen Konzepten und der Funktionsweise des Kapitalismus gibt, wird doch soziale Ungleichheit als Ausdruck ökonomischer Leis- tungsgerechtigkeit legitimiert. Auch Thilo Sarrazins wirkmächtiger „Aufguss rassenhygienischer Ideologie“ reüssiere demnach nicht zufällig in der gegenwärtigen ökonomischen Krisenzeit. Vgl. Bierl (2014), 15. 92 Diese von Charles Darwin in seinem epochalen Werk „On the Origin of Species by Means of Natural Selection“ (deutsch: „Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl“), veröffentlicht im Jahr 1859, entwickelte Idee vom „Kampf ums Dasein“ (englisch: „Struggle for Life“) gilt mittlerweile als ein- fache Übertragung der Hobbesschen Lehre des „bellum omnia contra omnes“. Thomas Hobbes verwendete diese Vorstellung vom Naturzustand um im 17. Jh. die Herrschaftsform des Absolutismus als notwendig zu legitimieren. Vgl. Lippels (2001), 103. 93 Vgl. Schulze (2012a), 15 und Geden, 47ff. - 27 -

Der Mensch wird in dieser Perspektive als den Gesetzen der Natur unterworfen erklärt, während Staat, Gesellschaft und Volk zum biologischen Organismus avancieren, konzipiert als systematisches Zusammenwirken aller organischen Bestandteile. Das biologistische und naturalisierende Weltbild äußert sich exemplarisch im Ausspruch: „Alle Ethik ist biologischer Natur“, was auf den französischen Lebensphilosophen Henri Bergson zurückgeht und symp- tomatisch für den Diskurs der ökologischen Rechten ist. Dabei erscheinen „‘natürliche‘, bio- logische oder speziell ökologische Gesetzmäßigkeiten […] [als] Maßstab für menschliches Sozialverhalten“, verstanden als „ewiggültige, universelle Naturgesetze“, deren Ermittlung als wissenschaftlich-wertfrei suggeriert wird.94 In den Aussagen der Verhaltensforscher Konrad Lorenz oder Irenäus Eibl-Eibesfeldt werden etwa alle Handlungsweisen des Menschen als an- geboren und genetisch bestimmt beschrieben, womit Aggressivität, Xenophobie oder Geschlechterrollen als biologisch festgelegt gelten. Eibl-Eibesfeldt kritisierte etwa feministische Emanzipationsbestrebungen als gezielte Propa- ganda, mit der die Frau von der Mutterrolle ferngehalten werden soll, und bezeichnete Zuwanderung als ethnischen Selbstmord.95 Rekurrierend auf das Konzept des Intuitionismus vertrat Eibl-Eibesfeldt die Idee einer Vorprogrammierung des Menschen, die „stammesge- schichtlich“ bedingt sei. Selbst den Kapitalismus erklärte er als Ausdruck des Lebensprinzips vom Daseinskampf, der zu einer stetigen Selektion und damit evolutionären Höherentwick- lung führe.96 Die Tendenz, gesellschaftliche Phänomene und menschliches Sozialverhalten zu biologisie- ren, geht zurück bis Charles Darwin. In dieser Denktradition werden jegliche Verhaltens- weisen als angeboren und unveränderlich begriffen, gleichzeitig durch Naturalisierungen aber auch eine Norm aufgestellt, gegen die nicht verstoßen werden darf. Abweichungen und Ver- stoße werden pathologisiert, gelten als widernatürlich, krankhaft oder abartig, was sich beson- ders im Umgang mit Homosexualität zeigte.97 Dabei gelten auch negativ bewertete Eigen-

94 Im Programm der bürgerlich-konservativen Vereinten Grünen heißt es etwa: „Leitidee […] ist der ökolo- gische Humanismus […] als Einsicht in das Zusammenwirken unabänderlicher Naturgesetze“. Dieser „öko- logische Humanismus soll unbelastet von Ideologien und Heilslehren“ sein, fordert ein „Leben in Einklang mit der Natur und Gesellschaft“. „Diese Einsicht eröffnet der ‚Grünen Bewegung‘ ganzheitliches und wirklichkeitsbezogenes Denken und Handeln.“ Siehe hierzu: VGÖ-Programm lt. Bundesversammlung vom 23.5.1984, Leitidee, 1f. 95 Vgl. Ditfurth (1997), 263f; vgl. Schulze (2012a), 15f. 96 Vgl. Schulze (2012b), 57ff und Gommel, 116ff. 97 Bei diesem Vorgang werden das herrschende gesellschaftliche Ordnungsmodell bzw. ideologische Überzeu- gungen mit dem Hinweis auf Naturbeobachtungen verobjektiviert, indem sie zum Ausdruck natürlicher Gesetzmäßigkeiten werden, z.B. das binär-heterosexuelle Geschlechterverhältnis, das Nützlichkeitsprinzip oder die Vorstellung einer Höher- und Minderwertigkeit von Individuen. Als „biologische Gesetze“ werden diese Prinzipien nach vorgeblicher Entdeckung in der Natur auf die Gesellschaft rückübertragen, wo sie als unveränderlich festgeschrieben werden, bei gleichzeitiger Negierung menschlicher Willens- und Gestaltungs- freiheit. Vgl. Wölfingseder, 24. - 28 -

schaften als biologisch determiniert wie etwa die Raffgier, die meist für die steigende Natur- ausbeutung verantwortlich gemacht wird. In einem Arbeitspapier der Vereinten Grünen wurden deshalb Hemmmechanismen in Form eines „Schonwirtschaftsprogramms“ vorge- schlagen, das Menschen „durch externe Schranken an übertriebenem materiellem Eigentums- streben [hindern]“ sollte, da sich ansonsten der „angeborene Egoismus“ nicht „nachhaltig unter Kontrolle bringen lässt“.98 Eine andere biologistische Spielart besteht im Schließen von Aussehen und Gestalt eines Lebewesens auf deren Charaktereigenschaften, was seit dem 19. Jh. mit einer rassifizierenden Praxis korrespondierte. Anhand der Physiognomie meinte man, kriminelle oder perverse An- lagen ablesen zu können. Körper wurden zu dieser Zeit vermeintlich wissenschaftlich vermes- sen und klassifiziert, etwa mithilfe der Phrenologie (Schädelkunde) oder anderen Subdiszipli- nen der biologistischen Anthropologie. Im grün-alternativen Spektrum finden sich solche Vorstellungen etwa in der Evolutionstheorie Rudolf Steiners, Begründer der Anthroposophie (1912/23), und bei dem von der Eugenik beeinflussten Konrad Lorenz, der die Entwicklung der Menschheit in der Zivilisation als Degeneration wahrnahm. Steiners „Wurzelrassen- theorie“ ging dagegen von einer evolutionären Höherentwicklung entlang sich ablösender „Wurzelrassen“ aus, die wiederum bestimmten Epochen menschlicher Entwicklung zugeord- net wurden.99 Bei ihm trat wiederum ein kolonialer Rassismus zutage, indem er indigene bzw. außereuropäische Völker vergangenen „Wurzelrassen“ zuordnete und ihre Verdrängung oder Aussterben als evolutionären Akt naturalisierte.100 Diese Anschauung entspricht auch jener von , der in seinem Hauptwerk „Der Untergang des Abendlandes“ (1918/1922) den Aufstieg und Verfall von Kulturen in Analogie zum Lebenszyklus der Pflanze setzte.

2.8 Die Sorge um Arterhaltung und Artenschutz

Eine durchgängige Denkfigur rechtsökologischer Debatten ist das Postulat der Arterhaltung, angewendet sowohl auf Tier- und Pflanzenarten als auch auf den Fortbestand der Menschheit. An diesen Diskurs versuchte insbesondere die Neue Rechte anzudocken, die den Gedanken des Artenschutzes auf essentialisiert gedachte Völker und Kulturen ausweitete, indem sie den

98 Siehe hierzu: Papier der Arbeitskreise Wirtschaft und Soziales (VGÖ) vom 18.1.1984, 1. 99 Vgl. Bierl (2005), 92-118. 100 Grundsätzlich reicht die Idee distinkter Menschenarten, mündend in unterschiedlichen „Rassen“-Typologien, zurück bis ins 17. Jh. in die Ära des europäischen Kolonialismus. Die „Rassenmischung“ wurde in der Folge- zeit zur Bedrohung für den Bestand der vermeintlich höherstehenden weißen EuropäerInnen dämonisiert. In Verbindung mit der kulturpessimistischen Degenerationstheorie entwickelte sich Ende des 19. Jh. daraus das Konzept der Eugenik bzw. „Rassenhygiene“, worauf das 1935 von den Nazis erlassene „Deutsche Blut- schutzgesetz“ rekurrierte. Vgl. Palm (2009), 241-243. - 29 -

sog. „Ethnopluralismus“ als vermeintlich humanistisches Leitprinzip propagierte. Diese pseu- dowissenschaftliche Theorie delegitimiert dem Historiker Helmut Wohnout zufolge den „Gleichheitsanspruch im Sinne der Menschen- und Bürgerrechte“, da dieser „den Ansprüchen einer ethnisch unterschiedenen Gesellschaft zur Wahrung der Identität der eigenen ‚Volks- und Kulturgemeinschaft‘ weichen [muss]“101. Anklänge daran fanden sich im Programm der als bürgerlich-bieder geltenden Vereinten Grünen, wo im Parteiprogramm des Jahres 1984 unter dem Punkt „Außenpolitik“ etwa die „Besonderheiten und Eigenarten“ aller „Völker“ hervorgehoben wurden. Demnach hätte „[j]edes Volks […] das Recht, sich seinen Lebensraum nach seinen eigenen Wesensmerk- malen und Verhaltensnormen zu gestalten“. In chauvinistischer Manier wird „den wirtschaft- lich weniger ‚entwickelten‘ Staaten der Welt“ der westliche Lebensstil verwehrt, habe dieser doch „bei uns zur derzeitigen ökologischen Fehlentwicklung geführt“. In euphemistischer Weise wird die Weitergabe technischen und wirtschaftlichen Knowhows als vorgebliche „Fortsetzung der Kolonialpolitik“ erklärt. Demnach sollten die Industrieländer, statt eine „technisch-materialistische Einheitszivilisation“ aufzurichten, „die besonderen Eigenarten dieser Völker“ und deren spezifischen Lebensstil anerkennen. Der Westen soll deshalb das „vorhandene reiche Erbe an bodenständiger Kultur und überliefertem Brauchtum“ als „wesentliche[n] Bestandteil der Identität der Völker […] erhalten“.102 Damit plädierten die VGÖ nicht nur für den neu-rechten „Ethnopluralismus“, sondern verbreiteten auch die Schi- märe von der drohenden ethno-kulturell gleichgeschalteten Welteinheitszivilisation. In dieser vorgeblich antikolonialen Debatte gelten nicht Armut, Hunger, Unterdrückung oder Not als größtes Unglück, sondern der Versuch einen „Einheitsmenschen“ zu schaffen.103 Das Spezifikum rechtsökologischer Positionen besteht somit darin, die Ökologiedebatte mit rassistischem und sozialdarwinistischem Gedankengut zu verbinden. In Analogie zum Biotop- schutz wird etwa die „Erhaltung der Vielfalt altgewachsener Arten, Lebensgemeinschaften und Lebensräume“ von „Völkern, Rassen und Kulturen“ gefordert, „ohne die der Mensch als Kultur- und Gemeinschaftswesen sich nicht artspezifisch verwirklichen“ könne. In Analogie zum Schutz bedrohter Tier- und Pflanzenarten soll auch die Artenvielfalt der Völker und Kul- turen erhalten bleiben.104 Solche Aussagen propagierten Mitte der 1980er Jahre etwa die

101 Wohnout, 391. 102 Siehe hierzu: VGÖ-Programm lt. Bundesversammlung vom 23.5.1984, Außenpolitik u. Entwicklungshilfe, 18f. 103 Siehe hierzu: VGÖ-Programm lt. Bundesversammlung vom 23.5.1984, Abrüstung u. Landesverteidigung, 20. 104 Dass Veränderung und Vereinheitlichungstendenzen Grundzüge menschlicher Entwicklungsgeschichte dar- stellen, wird sukzessive unterschlagen. Stattdessen erscheinen Kulturen und Völker als vorgeschichtlich, die sich im Laufe der Zeit in statisch-unveränderlicher Weise schon immer als Entitäten gegenübergestanden - 30 -

rechtsextremen Republikaner (REP) in der BRD, was sie als Eintreten für die „biokulturelle Eigenart des Volkes“ darstellten.105 Auch bei der Partei Die Grünen Österreichs (DGÖ) des Neonazis Alfred Bayer hieß es vergleichbar: „Wir sind der naturgemäßen Auffassung, dass die Gliederungen nicht nur in der Pflanzen- und Tierwelt ihre Gültigkeit haben, sondern auch in den Menschenarten zum Ausdruck kommen […].“106 In klassischer Form fand sich die Vermengung von Rassismus und Ökologie beim bundes- deutschen Weltbund zum Schutze des Lebens (WSL-BRD), wo nicht nur die Natur vor „ökolo- gischer Überanspruchung“ geschützt werden sollte, sondern auch die kulturspezifische „Eige- nart“, der in „ihrem Umraum gewachsenen […] Völker“.107 WSL-Präsident Haverbeck (1974- 1982) definierte Ökologie als Ausdruck dafür, dass Völker nicht nur durch „Sprache, Verhal- tensweise, Kultur und Geschichte zu einem Ganzen zusammengewachsen sind“, sondern „in ihrem Werden und unverwechselbaren Eigenart […] [auch] durch den Boden, aus dem sie wuchsen, [geprägt]“ sind.108 Für Haverbeck, der Ende der 1970er Jahre auch in die Formie- rungsphase der bundesdeutschen Grünen involviert war, waren die „Unterarten des Menschen […] wie die Pflanzen und Tiere einem jeweiligen Ökosystem zugeordnet“, weshalb Umwelt- schutz nicht vom „Völkerschutz“ zu trennen sei, gehe es doch um den Schutz der „biolo- gischen Substanz“.109 In dieser Vorstellung handelt es sich bei der Menschheit nicht um eine eigene Spezies, sondern um den übergeordneten Gattungsbegriff für verschiedene mensch- liche Typen oder „Rassen“.110 Ab den frühen siebziger Jahren hielt in der extremen Rechten das Schreckensszenario eines drohenden biologischen „Volkstodes“ Einzug, zurückgeführt auf eine diagnostizierte zu ge- ringe Geburtenrate deutschblütiger Kinder. Die propagierte Bedrohung durch „Überfrem- dung“ und „Umvolkung“ bildete die zweite Quelle dieser Angst vor einem Schwinden der ori- ginär deutschen Bevölkerung. ArbeitsmigrantInnen, ZuwandererInnen, Flüchtlinge oder Asyl- suchende werden dabei pauschal zu fremden Invasoren erklärt, die den Erhalt und das Über- leben des „eigenen Volkes“ durch ihre bloße Anwesenheit bedrohten. Eines der eindrück-

hätten, unbeeinflusst von politischen, sozialen oder ökonomischen Entwicklungen. Ausdruck dessen ist etwa die Konstruktion einer starren Nationalgeschichte oder das Festhalten an national-kulturellen Mythen. 105 Vgl. Schwagerl, 108. 106 Alfred Bayer zit. n. Purtscheller (1993), 341. 107 Vgl. Ditfurth (1997), 350. 108 Vgl. Ditfurth (2011), 136 und Melchert (2012), 42f. 109 Vgl. Bierl (2014), 17. 110 Diese Vorstellung reicht zurück bis ins Zeitalter des Kolonialismus, als sich die weißen europäischen Erobe- rer weigerten, die von ihnen unterdrückten, vertriebenen oder ermordeten außereuropäischen Bevölkerungs- gruppen als gleichartig und gleichwertig anzuerkennen. Rassistische Kategorisierungen und die Grundüber- zeugung von der natürlichen Differenz bildeten in ihrer verwissenschaftlichten Form auch die Rechtfertigung für Apartheid und Nazifaschismus, wobei mittels verschiedenster Klassifikationsmodelle und Messmethoden die vermeintliche Andersartigkeit und damit verbundene Unterlegenheit bzw. „Minderwertigkeit“ des Fremden bewiesen wurde. Vgl. Brückmann (2009), 26f. - 31 -

lichsten Belege dieser Abwehrideologie im Namen rechtsökologischer Arterhaltung stellt das sog. Heidelberger Manifest111 dar, das am 17. Juni 1981 von fünfzehn bundesdeutschen Pro- fessoren, allesamt Männer, unterzeichnet wurde. In wissenschaftlich verbrämter Weise wurden „Völker“ darin zu „kybernetisch und biologisch […] lebende[n] Systeme[n] höherer Ordnung mit voneinander verschiedenen Systemeigenschaften“ erklärt. „Die Integration großer Massen nicht-deutscher Ausländer“ wurde „bei gleichzeitiger Erhaltung unseres Volkes“ als „nicht möglich“ erklärt, da dies zur „bekannten ethnischen Katastrophe multikul- tureller Gesellschaften [führt]“.112 Gefordert wurde deshalb eine „Rückkehr der Ausländer in ihre angestammte Heimat“, was für die BRD, „als eines der am dichtesten besiedelten Länder der Welt“, auch eine „ökologische Entlastung“ brächte.113 Hier wurde die Idee der „organi- schen Ganzheiten“, von dem aus das rassistische Prinzip der Unvereinbarkeit unterschied- licher Völker oder Kulturen abgeleitet wurde, mit Bezug auf die Systemtheorie als wissen- schaftliche Erkenntnis hingestellt.114 Unwidersprochen nahm das Heidelberger Manifest auch Bezug auf die fachlichen Ausführungen von Konrad Lorenz, dessen bekanntester Schüler Irenäus Eibl-Eibesfeldt gar als Mitverfasser des Manifests gehandelt wurde.115 Dieses Szenario eines völkischen Existenzkampfes ist der Hintergrund der kultisch-ideolo- gischen Überhöhung der Mutterschaft in faschistischen Bewegungen, die besonders im Natio- nalsozialismus zutage trat. Sie wird dabei zum geheiligten Schicksal der Frau erklärt, dessen vordringlichster Zweck in der Arterhaltung bestünde, also in der Sicherung des Fortbestandes von Volk und „Rasse“.116 Diese Hochachtung der Mutterschaft wurde vor allem von sog. „wertkonservativen“ Grüngruppierungen geteilt, z.B. im „Grünen Manifest“ der Partei Grüne Aktion Zukunft (GAZ), wo Mütter zum „wichtigsten Stand des Volkes“ erklärt werden, die für ihre Rolle stärkere Anerkennung verdienten.117

111 Eine Analyse dieses Manifests findet sich bei: Dudek (1984), 98f. 112 Diese Panik und Aversion gegen Vermischung, bei gleichzeitiger Huldigung des Reinen und Unverfälschten, ist typisch für biologistisch-rassistische Weltbilder und wird bei der rechten Ökologie mit der Argumen- tationslogik der Artenschutz-Diskussion verbunden. Besonders die völkische Sekte der Ludendorffer, deren ExponentInnen sich unter anderem an der Anti-AKW-Bewegung beteiligten, hielt auch nach 1945 am Grund- satz fest: „Blutsvermischung führt zum Volkstod“. 113 Vgl. Geden, 60. 114 Vgl. Bierl (2014), 18 und 20; vgl. Botsch (2012), 47-49. 115 Vgl. Lippels, 101 und Schwagerl, 127. Unterstützung fand dieser professorale Heidelberger Kreis auch bei Jürgen Riegers Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung (GfbAEV), die für die Reetablierung der NS-Rassenpolitik stand und im Umfeld des rechtsökologischen Weltbundes zum Schutze des Lebens (WSL) agierte. Siehe hierzu: Palm, 250. 116 Vgl. Schmidt (2012), 72ff. 117 Vgl. Straubinger, 11. Der Abdruck des gesamten Manifests findet sich bei: Gruhl (1978), 122-125. - 32 -

2.9 Die Neobiota-Diskussion als Einfallstor der ökologischen Rechten

Diese Debatte, die sich auf den ersten Blick als reine Fachdiskussion von BiologInnen und NaturschützerInnen artikuliert, dreht sich um die Auswirkungen eingeschleppter und sich aus- breitender gebietsfremder Tier- und Pflanzenarten. Die seriöse forschungsorientierte Unter- suchung zu den Folgen neu auftauchender „Neobiota“ auf das Ökosystem des neuen Gebiets wird dabei begleitet durch den Diskurs des Fremden, wo das Eigene als auch das natürliche Gleichgewicht als bedroht erscheint. Dieses Bedrohungsszenario einer Invasion fremder Arten ist dabei weit über das rechtsökolo- gische Spektrum hinaus wirkmächtig und wird auch von politisch unverdächtigen, fachlich anerkannten BiologInnen geteilt. Einem statischen Gleichgewichtsdenken verhaftet, werden neu auftauchende Lebewesen, die als nicht dem heimischen Ökosystem zugehörend kategori- siert sind, als Bedrohung für den Fortbestand des natürlichen Status Quo betrachtet. In diesem Szenario gelten die einheimischen Arten als von Verdrängung bedroht, als auch eine Verun- reinigung des Genpools ansässiger Spezies befürchtet wird.118 Wie etabliert dieser Diskurs des Fremden, sowie Nationalisierungen der Tier- und Pflanzen- welt mittlerweile sind, beweist ein Artikel der Kleinen Zeitung vom Mai 2013, der unter der Überschrift „Der Vormarsch der grünen Eindringlinge“ in alarmistischer Rhetorik die Aus- wirkungen „eingeschleppte[r] Pflanzen“ auf Mensch und Ökosystem schilderte. Neophyten erscheinen hier ausschließlich als zerstörerische Schädlinge, als Gefährdung für Bauwerke, menschliche Gesundheit und heimische Arten. Als Invasoren zur permanenten Bedrohung erklärt, könne nur rücksichtsloses Ausmerzen einen Schutz der Heimat bieten. Auffallend ist die semantische Nähe zu rechtsextremen Debatten, wo in gleicher Weise seit den 1980er Jahren vor fremden, menschlichen Eindringlingen gewarnt wird, die das Heimatland zu über- schwemmen drohten. Formulierungen wie „Nie war der Druck auf heimische Pflanzenarten, durch […] Eindringlinge aus anderen Teilen der Welt größer als heuer“ erinnern in frappie- render Weise an xenophobe Phantasien. Hinzu kommt, dass der Verfasser die als negativ be- urteilten Neophyten nationalisiert, womit die Entgegensetzung des eindringenden Fremden und der bedrohten Heimat eine zusätzliche Dimension erhält. Pflanzenarten werden z.B. als „rosarote Wucherer aus Nepal“ oder als „Japaner, der alles umschlingt“ beschrieben.119 Diese Tendenz zur Nationalisierung ist symptomatisch für die Neobiota-Diskussion, in der Sprach- bilder und Beschreibungen, die man aus der restriktiven Zuwanderungsdiskussion kennt, in

118 Vgl. Franke (2012), 78f. 119 Siehe hierzu: Pilch (2013), 14f. - 33 -

scheinbar wertneutraler Form den Blick auf das Ökosystem bestimmen. Die Vorstellung vom Eigenen und Fremden wird in dieser scheinbar politisch und ideologisch neutralisierten Ver- sion noch wirkmächtiger.120 Bereits länger ortsansässige Tier- und Pflanzenarten avancieren in dieser Vorstellung zum Be- standteil eines nationalspezifischen Ökosystems, das wiederum mit der Heimat identifiziert wird. Volk und Umland erscheinen somit als untrennbare Entität, der charakteristische Ge- meinsamkeiten innewohnen, etwa ein spezifisch „deutscher“ Charakter, der sich auch in der Natur abbilde.121 Durch diese Vermengung gesellschaftlicher und ökologischer Kategorien ist es wiederum möglich, die Migration nach Europa als ökologisch bedrohlich zu interpretieren, wobei ZuwandererInnen, in Anlehnung an eingeschleppte Pflanzen- und Tierarten, als inkom- patibel mit dem heimischen Ökosystem erklärt werden. Gleichzeitig wird von manchen WissenschaftlerInnen wie Eibl-Eibesfeldt der Versuch unternommen, Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus zu naturalisieren, indem sie zu evolutionären Ausprägungen genetisch determinierten „Territorialverhaltens“ bagatellisiert werden, das mit dem Trieb nach Existenz- sicherung und Arterhaltung korrespondiere.

2.10 Die Überbevölkerung-Debatte

Eine andere populäre Debatte, die seit dem Bericht des Club of Rome zum unantastbaren Dogma aufstieg, war die These von der drohenden Übervölkerung des Planeten, dessen Res- sourcen Berechnungen zufolge nur für eine bestimmte Anzahl an Menschen reichen könnten. Auch in dieser Wahrnehmung stand somit die Arterhaltung im Blickpunkt, auch wenn es zu- mindest vordergründig um die Existenzsicherung der gesamten Menschheit und nicht um jene von „Rasse“ oder Nation ging.122 Die biopolitisch-rassistische Dimension offenbart sich erst in der Schuldzuweisung und den davon abgeleiteten Maßnahmen, die meist in der Forderung nach Bevölkerungsreduktion in der sog. „Dritten Welt“ kulminiert und selbst offene Vernich- tungsphantasien mitumfasst.123

120 Vgl. Lippels, 115f. 121 Vgl. Franke, 80ff. 122 Noch im Nationalsozialismus diagnostizierte der Bevölkerungsökonom Werner Conze eine Überbevölkerung Ostmitteleuropas, aufgrund dessen ein „Zustand völliger Verarmung“ und „Herd dauernder Spannung und revolutionärer Unruhe“ bestehe. Ähnlich wie Thomas R. Malthus ging die NS-Fachwissenschaft von einem „Bevölkerungsoptimum“ aus, das nicht überschritten werden dürfe, da die „überzählige Bevölkerung“ tendenziell eine „volkswirtschaftlichen Belastung“ darstelle. Vgl. Götz Aly u. Susanne Heim, Vordenker der Vernichtung, Frankfurt am Main 2013, 89-93. 123 Joseph Huber assoziiert diese Perspektive mit der Paranoia der Adligen und Großbürger des beginnenden 19. Jh. gegenüber dem aufkommenden Proletariat. Bei dieser Diskussion handle es sich um ein Lieblingsthema konservativer Eliten, die schon immer der Meinung gewesen wären, „dass es außer ihnen zuviele gebe“. Vgl. Huber (1986), 111f. Siehe auch: Schultz (1995), 141. - 34 -

Breitenwirksam rezipiert wurde die „Legende von der Überbevölkerung“ (Bierl) erstmals durch den Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ (1972) von Donella und Dennis L. Meadows, der die Umweltbewegung nachhaltig beeinflussen sollte.124 Darin wurde das demo- graphische Wachstum zu einer der Hauptursachen ökologischer Zerstörungen und steigender Armut erklärt.125 Noch heute ist der Erklärungsansatz, dass sich aktuelle sozio-ökologische Krisenphänomene wie Klimawandel, Umweltzerstörung und Ressourcenknappheit durch eine Reduktion des globalen Bevölkerungswachstums lösen ließen, weit verbreitet. Jüngstes Beispiel ist die Schrift des Journalisten Alan Weismans, der sich mit der Frage beschäftigte: „Wie viel Men- schen erträgt die Erde ohne dessen ökologisches Gleichgewicht zu gefährden?“126 Dabei griff er auf die beliebte Analogie vom geschlossenen System zurück und verglich die globale Situ- ation mit jener eines Nationalparks, wo auch die Balance zwischen Jäger und Beute stimmen müsse. Nach seiner Vorstellung würde sich jeder Organismus bei Fehlen natürlicher Feinde ungehemmt vermehren, sodass die Menschheit Gefahr laufe, durch unkontrollierte Repro- duktion das System zum Zusammenbruch zu bringen. Weisman naturalisiert damit nicht nur die gesellschaftlichen Verhältnisse, sondern tritt auch als Apologet der Idee vom optimalen Gleichgewichtszustand auf.127 Die Übervölkerungs-Debatte reicht somit weit über das rechtsökologische Spektrum hinaus und ist fester Bestandteil wissenschaftlicher und politischer Auseinandersetzungen. Aus- gangspunkt dieses Szenarios ist der Gedanke eines bestimmten Optimums im Mensch- Ressourcen-Verhältnis, wo eine festgelegte Größe nicht überschritten werden dürfe. Dabei werden die ökonomischen, politischen und sozio-kulturellen Rahmenbedingungen, die sich je nach Region als höchst different darstellen, vernachlässigt oder völlig ausgeblendet.128 Gras- sierender Hunger und Armut in den Ländern der „Dritten Welt“ werden somit nicht als Ver-

124 Bereits durch Paul Ralph Ehrlichs Bestseller „The Population Bomb“ (1968), kam es zu einer Renaissance der Überbevölkerungsängste. Seine Bomben-Metapher, die sich populärwissenschaftlich in der Alltags- sprache verbreitete, löste außerdem diskursiv den Begriff der Bevölkerungsexplosion ab, der Anfang der 1950er Jahre aufgekommen war. Vgl. Bergmann (2001), 87. 125 Vgl. Bierl (2014), 31f. Siehe auch: Geden, 51f. 126 Siehe hierzu: Alan Weisman, Countdown. Hat die Erde eine Zukunft?, München 2013. 127 Die inhumane Schlagseite tritt in der Forderung zutage, dass man bei Maßnahmen gegen das steigende Bevölkerungswachstum auf die eigene Spezies keine Rücksicht nehmen dürfe. Die Menschheit erscheint bei Weisman als amorphe, homogene Masse, die sich ungehemmt vermehrt und der, im Angesicht der drohenden Katastrophe, Einhalt zu gebieten sei. Eine große Kinderzahl wird zur Belastung des Ökosystems erklärt, womit sich Weisman in der Denktradition von Thomas R. Malthus und Paul R. Ehrlich befindet. 128 Diese Praxis wird als Demographisierung bezeichnet, da als Ursache von Armut oder Ressourcener- schöpfung allein die Kopfzahl der Bevölkerung und objektive Höchstgrenzen eine Rolle spielen. In ähnlicher Weise wird auch der Grad der Auswirkungen auf die unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen ver- wischt, wenn angesichts ökologischer Krisen nur noch vom Gattungsproblem die Rede ist. Nach sozialer und regionaler Situation sind Menschen jedoch in unterschiedlicher Weise von Klimawandel und Umweltbelas- tungen betroffen, gleichzeitig treffen allgemeine Beschränkungen und Steuern die weniger Privilegierten in stärkerer Weise. Vgl. Geden, 63-65 und Kemper (2009), 166-169. - 35 -

teilungsfrage interpretiert, sondern der vorgeblich zu großen Zahl an zu ernährenden Köpfen zugeschrieben. Das desolate materielle Versorgungsniveau wird als selbstverschuldet darge- stellt, da die betroffenen Gesellschaften zu wenig gegen die scheinbare Ursache, nämlich die zu hohe Geburtenrate, unternehmen würden. Damit fungiert die Debatte über die Überbevöl- kerung auch als Entlastungsstrategie der westlichen Industriegesellschaften, deren ökono- mische Ausbeutung der globalen Ressourcen unthematisiert bleibt, ebenso wie die sozio- ökonomische Kluft zwischen den Wohlfahrtsstaaten und denjenigen des Trikont.129 Als Begründer der pessimistischen Überbevölkerungstheorie gilt der britische Geistliche Thomas Robert Malthus, der am Ende des 18. Jahrhunderts mit dem steigenden Bevölke- rungswachstum die Pauperisierung sozial deklassierter Gesellschaftsgruppen zu erklären ver- suchte.130 Malthus zufolge wachse die Bevölkerung immer schneller als die Nahrungsmittel- produktion, weshalb die Verarmung weiter Teile der proletarisierten Bevölkerung unvermeid- bar sei. Nicht die herrschenden sozio-ökonomischen Verhältnisse wären somit Ursache der Pauperisierung weiter Teile der Bevölkerung, sondern die Existenz der Armen an sich, die zu Überflüssige erklärt wurden.131 Diese Vorstellung von begrenzten Ressourcen äußerte sich im Diskurs der Ökologiebewe- gung in Metaphern vom „überfüllten Rettungsboot“ oder „Raumschiff Erde“. Bemüht wurden auch misanthropisch-gewaltförmige Begrifflichkeiten wie „Zeitbombe Mensch“ oder „Bevöl- kerungsexplosion“, sodass die Lösung der Überbevölkerung bald als dringlichstes Weltpro- blem galt. Konsens bestand darin, dass die Ursache in den vorgeblich anwachsenden Men- schenmassen der Länder des Trikont zu sehen sei.132 Einerseits wurde den sog. Entwicklungs- ländern in Folge die Perspektive auf bessere materielle Verhältnisse und ein höheres Lebens- niveau verwehrt, könnte doch der Planet Erde einer solchen Ressourcenbelastung nicht stand- halten, andererseits wurde die Forderung nach einer Geburtenreduktion erhoben. In dieser

129 Vgl. Schultz, 138f. Siehe auch: Klug (2000), 39f. 130 Damit setzte eine Trendwende ein, da noch bis ins 18. Jh. das Prinzip des Merkantilismus vorherrschte, dem zufolge die Maximierung der Bevölkerungszahl zu einem höheren ökonomischen und monetären Erfolg des Staates, sowie zur militärischen Schlagkraft, beitrage. Die Vorstellung von der Bevölkerung als Biomasse, im Sinne einer eigenständigen Größe jenseits von Gesellschaft und individuellem Schicksal, ist wiederum eng an die Entstehung des modernen Staates gekoppelt, drückt sich etwa in der sich entwickelnden Disziplin Demo- graphie aus. Vgl. Schultz, 136. 131 Malthus geht von der Voraussetzung eines optimalen Gleichgewichtszustands zwischen Bevölkerungszahl und Ressourcen aus, wobei beide Größen als voneinander getrennte Daten betrachtet werden. In der bevölke- rungspolitischen Diskussion werden sie in ein Kausalverhältnis gebracht, sodass im Grunde jede gesellschaft- liche Krise zum Übervölkerungsproblem erklärt werden kann. In der Debatte der 1970er Jahre über die Trag- fähigkeit des Planeten, orientierte man sich wiederum an der Populationsbiologie, wo ein bestimmtes Ver- hältnis zwischen Bevölkerung und Territorium als optimal angenommen wurde, ohne die Lebensverhältnisse und Umweltbedingungen miteinzubeziehen. 132 Vgl. Schultz, 135-137 und Geden, 62f. Siehe auch: Ditfurth (1997), 236. - 36 -

Debatte avanciert der Mensch somit zum ökologischen Schädling, der durch seine grenzen- lose Vermehrung einen biologischen Zusammenbruch provoziere.133 Dieses apokalyptische Szenario bildete den Ausgangspunkt geäußerter Vernichtungsphanta- sien prominenter Rechtsökologen wie Konrad Lorenz oder Herbert Gruhl, Autor des Öko- Bestsellers „Ein Planet wird geplündert“ (1975), die sich auch in medialen Bildern von der „Zeitbombe Mensch“ oder wuchernder Krebsmetastasen ankündigte.134 Laut Gruhl wäre „[f]ür einige überfüllte Populationen […] Gewalt oder sogar die Atombombe eines Tages keine Drohung […], sondern Befreiung“135. Lorenz hegte aufgrund der Überbevölkerung da- gegen eine „gewisse Sympathie mit AIDS“, wie er in einem Interview noch kurz vor seinem Ableben im Jahr 1988 unumwunden eingestand.136 Die Forderung nach einer Geburtenbeschränkung in der „Dritten Welt“ war, über alle sonsti- gen Meinungsverschiedenheiten hinweg, auch innerhalb der Partei Vereinte Grünen Kon- sens.137 In einer internen Programmdiskussion des Jahres 1983 wurden sogar „Maßnahmen zur Bekämpfung der Bevölkerungsexplosion in etlichen Ländern der Dritten Welt“ als Bedin- gung für eine von Österreich geleistete Entwicklungshilfe diskutiert.138 Damit war man in der Gedankenwelt der Neuen Rechten angekommen, die die Bevölkerungsdezimierungen in der „Dritten Welt“ durch Krieg und andere Formen als „nützlich“ betrachtete.139 Schon in den 1980er Jahren wetterte die extreme Rechte gegen eine diagnostizierte „kanin- chenhafte Vermehrung“ im Trikont und erklärte Europa zur Festung, angesichts drohender Migrationsströme.140 Das Gespenst des dichtbesiedelten Europas ging um, das sich keine „Masseneinwanderung“ leisten könne, verbunden mit apokalyptischen Bildern von „Asylan- tenfluten“, die es im allgemeinen Interesse „einzudämmen“ gelte.141 Gleichzeitig beklagte die extreme Rechte den Rückgang der eigenen Geburtenrate und begann den Schwangerschafts- abbruch zu kriminalisieren, was ideologisch als „Lebensschutz“ propagiert wurde. In völ- kischer Auslegung ging es dabei vordringlich um den proklamierten Kampf der Wiegen, in dem der Rückgang der Geburtenrate als Weg zum biologischen „Volkstod“ gewertet wurde.142 So engagierte sich etwa auch der Verhaltensbiologe Eibl-Eibesfeldt in der Liga für

133 Vgl. Geden, 205. 134 Vgl. Schultz, 140f. Siehe auch: Ditfurth (1997), 235f. 135 Ebd., 235. 136 Vgl. Geden, 208. 137 Siehe hierzu: Protokoll der Vorstandssitzung der VGÖ-Wien am 31.10.1983, TOP 3, 2. 138 Vgl. Haiden (1989), 127. 139 Vgl. Fetscher (1989), 222; vgl. Moreau (1983), 131. 140 Vgl. Schwagerl, 144f. 141 Vgl. Geden, 191f. Siehe auch: Ditfurth (1997), 428f. 142 Diese Diskussion reicht zurück bis ins 19. Jh. als die Deutschnationalen mit Häme auf die zurückgehende Kinderzahl in Frankreich blickten und diese Entwicklung als „Französische Krankheit“ bezeichneten, die den „Erbfeind“ schwäche. Aufgrund des in Folge allgemein einsetzenden Geburtenrückgangs in Europa sowie - 37 -

das deutsche Kind, womit offenkundig das Geburtenverbot hauptsächlich gegenüber den post- kolonialen Gesellschaften eingefordert wurde, während für weiße, europäische Frauen der Gebärzwang galt, zum Erhalt von Volk, Nation und „Rasse“.143

2.11 Lebensschutz und Volksgesundheit als zentrale Begrifflichkeiten

Als programmatische Begriffe rechter Ökologie in Österreich stehen die Termini „Lebens- schutz“ und „Volksgesundheit“. Namensgebend sind sie beispielsweise in den sechziger und siebziger Jahren für den Weltbund zum Schutze des Lebens (WSL) und den Bund für Volks- gesundheit (BfV), die beide für die entstehende österreichische Antiatomkraftbewegung von Bedeutung waren. Der Begriff Lebensschutz wurde vom Schriftsteller und Förster Günther Schwab als Wort- schöpfung etabliert, der Ende der 1950er Jahre auch als Gründer des international ausgerichte- ten WSL in Erscheinung trat. Im Gegensatz zu den Termini Naturschutz oder Umweltschutz meinte Lebensschutz eine umfassendere Konzeption und imaginierte eine ursprüngliche Ge- samtheit von Natur, Umwelt, Leben und Volk, die durch schädliche Einflüsse von außen be- droht würde. Werner Georg Haverbeck, von 1974-82 Präsident der bundesdeutschen Sektion, definierte dies später als „Menschenschutz und Völkerschutz“, womit sich auch eine völkisch- nationalistische Komponente andeutete. Eine ausgehende Gefahr wurde aus ganzheitlicher Sicht sowohl von der Umweltzerstörung, als auch von der Praxis der Abtreibung und Migra- tion gesehen, konstatierte etwa die wertkonservative Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) im Jahr 1987.144 Die Publizistin und ehemalige Grün-Politikerin Jutta Ditfurth wertete die Parole vom „Schutz des Lebens“, womit die Ächtung des Schwangerschaftsabbruchs gerecht- fertigt wurde, als „Gebärzwang für deutsche Frauen und […] völkische[n] Kampfbegriff gegen ein selbstbestimmtes Leben einschließlich einer selbstbestimmten Sexualität“145. Solche Lebensschutz-Organisationen standen der Moderne dabei grundsätzlich oppositionell gegenüber. Besonders die Industrialisierung und Technisierung wurde als gegen die Natur ge- richtet empfunden, die das Leben gefährde. Daher rührt auch die strikte Ablehnung der Atom- technologie durch die LebensschützerInnen, welche als Bedrohung für Individuum, Volk und Menschheit betrachtetet wurde. Die Sorge galt dabei weniger den Einzelschicksalen als dem

der Bevölkerungsverluste im Ersten Weltkrieg kam es bald zur Sorge, dass die „Weißen“ von den „Farbigen“ zahlenmäßig übertroffen werden könnten. Vgl. Bierl (2014), 30-33. 143 Vgl. Schiedel (1994), 128. 144 Vgl. Geden, 53 und Botsch, 49f. 145 Ditfurth (1997), 243. - 38 -

Überleben des Kollektivs Volk, dem durch modernen Lebensstil und Auswirkungen der Tech- nologien, allen voran in Gestalt der Atomkraft, die Degeneration bevorstehe.146 Aus diesem Grund wurde auch auf ein gesundes Leben und eine daraus resultierende intakte Volksgesundheit Wert gelegt, die es durch gesunde Ernährung und eine naturgemäße Lebens- führung zu erhalten und zu verbessern galt.147 In Tradition der zivilisationskritischen Lebens- reformbewegung widmete man sich dem Kampf gegen den Alkohol- oder Zigarettenkon- sum,148 propagierte vegetarische Ernährung und agitierte seit den 1960er Jahren gegen den drohenden „Atomtod“, was auch von bürgerlichen Honoratioren, BiologInnen und Mediziner- Innen unterstützt wurde.149 Dieses Spektrum partizipierte in der Folgezeit im Umfeld der Ver- einten Grünen, die in einem Arbeitspapier vom Jänner 1984 etwa die „Kopplung der Gebur- ten- und Familienbeihilfe mit begleitender sozialmedizinischer Kontrolle“ andachten, womit sozialpolitische Maßnahmen an staatliche Gesundheitsvorgaben geknüpft worden wären.150 Generell ist in diesem Milieu die Fokussierung auf den Körper und den Bereich Gesundheit auffallend, ebenso das Engagement vieler ProtagonistInnen aus dem Bereich von Biologie und Medizin. Krankheiten wurden in diesen Kreisen als Ausdruck einer unnatürlichen Lebensweise betrachtet, was sich besonders deutlich im Terminus „Zivilisationskrankheit“ ausdrückt. Im Fokus stand hier schon früh die Forderung nach einer gesunden und natürlichen Ernäh- rung, sowie die Einmahnung von Mäßigung und Selbstdisziplin.151 Große Popularität genoss etwa das Konzept der Vollwerternährung, die bald zum Sinnbild gesunder Essgewohnheiten aufstieg und sogar Eingang in die Programmatik grüner Parteien fand.152 Als einer der Haupt- vertreter dieser Ernährungslehre galt seit den sechziger Jahren der Mediziner Max Otto Bruker, der lange Zeit eine führende Rolle in der bundesdeutschen Sektion des Weltbundes zum Schutze des Lebens innehatte. Er sorgte sich vor allem um die Volksgesundheit, die er durch die Stimmungsmache einer falschen Ernährung gefährdet sah, hinter der er eine allge-

146 Das Lebensschutzspektrum darf jedoch nicht allein als Anhängerschaft rassistischer und biologistisch-euge- nischer Ideen betrachtet werden, da sich ein Großteil als idealistische BeschützerInnen „ungeborenen Lebens“ verstand und sich aus christlicher Überzeugung engagierte. Damit war durchaus Konfliktpotential gegeben, wenn etwa Themen wie „wertes-unwertes Leben“, Geburtenkontrolle in der „Dritten Welt“ oder das Verhältnis zum Nationalsozialismus zur Diskussion standen. 147 Vgl. Geden, 54f. Auch in der Programmatik der NPD findet sich seit 1973 der Punkt „Volksgesundheit“, die durch ökologische Bildung dem deutschen Volk erhalten bleiben soll. Vgl. Klein (2012), 62. 148 Im Spannungsfeld von völkischer Bewegung und Lebensreform, unter dem Eindruck und der Hochkonjunk- tur eugenischer Ideen, wurde die Abstinenz zur Jahrhundertwende als Möglichkeit einer biologischen „Auf- artung“ betrachtet. Vgl. Farkas (1992), 189. 149 In der BRD setzte diese „Kampf dem Atomtod“-Kampagne übrigens bereits zehn Jahre früher ein. Vgl. Klein (2003), 22. 150 Siehe hierzu: Papier der „Arbeitskreise Wirtschaft und Soziales“ (VGÖ) vom 18.1.1984, 14. 151 Vgl. Farkas (1992), 172. 152 Siehe hierzu: VGÖ-Programm lt. Bundesversammlung vom 23.5.1984, Gesundheit, 6. - 39 -

genwärtige Verschwörung der Zuckerindustrie vermutete. Dagegen propagierte Bruker den von ihm entwickelten Frischkornbrei und die Vollwertrohkost als Allheilmittel in Ernährungs- fragen. Vollmundig verkündete er etwa, dass durch diese richtige Ernährung eine Frau selbst ein Dutzend Schwangerschaften hintereinander ohne Gesundheitsschäden überstehen könnte. In gleicher Weise assoziierte er in der Krankheitshäufigkeit einen unnatürlichen Lebensstil, sodass er Erkrankungen wie Krebs etwas Positives abgewinnen konnte, da sie diejenigen liquidieren würden, die sich ohnehin von den „Schöpfungsgesetzen“ abgewandt hätten, was er als einen Akt der ausgleichenden Gerechtigkeit deutete.153 Volksgesundheit wird in diesem Diskurs somit umfassender verstanden denn als bloße Abwe- senheit von Krankheitssymptomen, eine Verengung, die man insbesondere der mechanisti- schen Schulmedizin vorwarf, die keinen Blick für ganzheitliche Zusammenhänge besitze. Bereits die Lebensreformbewegung ortete die Ursache des diagnostizierten körperlichen Nie- dergangs des Zivilisationsmenschen im hektisch-nervösen, schmutzigen und kränkelnden Leben in der modernen Großstadt, dem das gesündere, bäuerliche Landleben als positives Gegenbild entgegengestellt wurde. Unschwer erkennt man hier die ideellen Kontinuitäten zum völkischen Blut-und-Boden-Mythos, wo die Erhaltung eines gesunden Bauerntums zur „Lebensfrage“ für das gesamte Volk erklärt wurde, das sich durch die bäuerliche Bevölkerung „rassisch“ erneuern sollte.154 Die Vorstellung von Gesundheit und Gesundung bezieht sich in diesem Kontext stets aufs Kollektiv, dem das Individuum einverleibt ist. Die eigene Gesunderhaltung erscheint als Bringschuld, die zum Wohle des Volkes bzw. der „Rasse“ zu leisten wäre. Besonders körper- liche Ertüchtigung, gesunde Ernährung und die Wahl des/r angemessenen SexualpartnerIn werden hier vom/von der „ArtgenossenIn“ verlangt, um die Volks- und Erbgesundheit nicht zu gefährden.155 Zur „Rassenhygiene“ weiterentwickelt war diese Idee von Gesundheit grund- legend für die Programmatik des Nationalsozialismus und hielt sich über 1945 hinaus im Seg- ment der ökologischen Rechten. Im Jahr 1969 proklamierte etwa Jürgen Rieger156, Vorsitzen-

153 Vgl. Geden, 120f und Ditfurth (1997), 354f. 154 Vgl. Schwagerl, 114 und 179. 155 Um 1900 kursierte die Befürchtung, dass es zu einer Degeneration der Bevölkerung kommen könnte, der man mithilfe von „Erkenntnissen“ aus der Vererbungslehre, die auf Gregor Mendel zurückging, beizukom- men hoffte. Zur eugenischen „Rassenlehre“ weiterentwickelt stieß sie auf breite Zustimmung und verhalf der expandierenden rassistischen Bewegung zu wissenschaftlicher Legitimierung. Nach dieser Sichtweise hätte „Rassenmischung“ eine kulturelle und biologische Degeneration zur Folge, sodass es als unumgänglich erschien, Maßnahmen zur Wahrung der „Rassenreinheit“ zu setzen. Vgl. Ha, 207-209, 218; vgl. Schulze (2012b), 24-28. 156 Jürgen Rieger (1946-2009) galt als einer der exponiertesten Vertreter der deutschen Rechtsextremisten- und Neonaziszene. Als Anwalt verteidigte er zahlreiche Rechtsextreme als Strafverteidiger, trat selbst als Holocaustleugner auf und war Multifunktionär innerhalb des Milieus. Rieger propagierte die „Rassenkunde“ in der Tradition des NS-Rassenideologen Hans F. K. Günther, war Vorsitzender der völkisch-neuheidnischen und Hauptorganisator des Rudolf-Heß-Gedenkmarsches. Im Jahr 2006 trat Rieger der NPD - 40 -

der der Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung (GfbAEV), dass dem „individuellen Egoismus zweier Menschen […] nicht das Glück aller kommenden Generationen geopfert werden [könne]“, womit er die Fortpflanzung mit „min- derwertigen“ oder „fremdrassigen“ Menschen meinte. Als Sprachrohr solcher „rassenhygie- nischen“ Proklamationen fungierte Riegers Zeitschrift Neue Anthropologie157, Zentralorgan der GfbAEV, an der führende Repräsentanten des WSL, wie die Präsidenten Günther Schwab, Walter Gmelin oder Max O. Bruker, mitwirkten. Im Jahr 1981 forderte Neue Anthropologie, verstärkt Bemühungen zur Vermehrung „intelligente[r] Menschen“ zu setzen, zumal der Kinderreichtum bei „Asozialen […] oftmals unverhältnismäßig groß ist“. Einige Jahre später warnte Jürgen Rieger vor „verstärkte[m] Zuzug“ von Asylsuchenden, drohe doch sonst eine „verstärkte Rassenmischung“, was aufgrund des vermehrten Auftretens von Krankheiten „vom anthropologischen Standpunkt aus abzulehnen ist“. Deshalb forderte die GfbAEV in Anlehnung an die Nürnberger Gesetze ein Verbot der „Rassenvermischung“158, was auch strafgesetzlich zu ahnden sei.159

bei, nachdem sie sich der gewaltbereiten Neonaziszene geöffnet hatte, da sie ihm zuvor als zu gemäßigt erschienen wäre. Vgl. Geden, 107. 157 Die Zeitschrift Neue Anthropologie galt in den 1980er Jahren als „eindeutig rassistisch und ausländerfeind- lich“. Der Schwerpunkt lag fast ausschließlich auf den Bereichen „Rassenhygiene“, Vererbung und Bevölke- rungspolitik, wobei in rassistisch-kolonialistischer Weise die „europid geprägte[n] Volksteile“ als besonders wertvolles Erbgut deklariert wurden. Neben WSL-Gründer Günther Schwab, der zumindest bis 1986 im Wissenschaftlichen Beirat saß, verkehrten hier auch prominente Exponent(inn)en der Neuen Rechten. Vgl. Lasek (1994), 521. 158 Bereits vor dem Ersten Weltkrieg existierte eine Verzahnung von kolonialem Rassismus und medizinischem Diskurs, wonach jegliche Vermischung der „Rassen“ mit Ansteckungen einhergehen könnte, was die Gesundheit des deutschen Volkskörpers bzw. Reinheit der weißen „Rasse“ gefährde. Diskursiv werden so die späteren Nürnberger Gesetze vorweggenommen, die von der GfbAEV über vierzig Jahre später wieder einge- fordert wurden. Vgl. Ebner (2009), 185. 159 Vgl. Ditfurth (1997), 358-361. - 41 -

3 Die Geschichte der „Grünen Bewegung“

3.1 Die Vorläufer im Fin de Siècle

Das Leiden an der Moderne, der empfundene Zwang zu sinnloser und krankmachender Arbeit, die bloße Befriedigung als künstlich wahrgenommener Bedürfnisse im Sinne eines alles durchdringenden Konsumismus, die Ausbeutung von Mensch und Natur als Folge des „Wachstumswahns“, bildeten den Kern ökologisch-alternativer Kultur- und Gesellschafts- kritik. Diese Vorbehalte gegenüber der als geistlos und materialistisch erlebten Verhältnisse knüpften in vielerlei Hinsicht an die gegenkulturellen Strömungen um 1900 an. Gerade im Protest gegen Materialismus und Technokratie, sowie in der Hinwendung zu Spiritualität und einem Leben im Einklang mit der Natur, bestehen Parallelen zur Reform- und Jugendbewe- gung des Fin de Siècle.160 Diese ideologischen und ideengeschichtlichen Verbindungslinien reichen in ihrer antimodernistischen und antikapitalistischen Stoßrichtung über die Geistes- strömung der sog. „Konservativen Revolution“ der zwanziger Jahre und der Verherrlichung des Natürlichen, Starken und Gesunden, bis hin zum Nationalsozialismus.161 Die wirtschaftliche Entfesselung der Nachkriegskonjunktur, die erst die Voraussetzungen für die Ökologiebewegung schuf, hatte ihr Pendant in den Gründerjahren in der zweiten Hälfte des 19. Jh., wo insbesondere die deutsche Reichsgründung (1871) einen Industrialisierungs- und Modernisierungsschub in Gang setzte, der damals ebenso einen grundlegenden gesell- schaftlichen Wandel einleitete. Während einige Schichten in dieser Entwicklung den Aufstieg Deutschlands zu einer der führenden Weltmächte erblickten, bedeutete dies anderen lediglich eine industrielle Verhunzung ihrer naturgegebenen Heimat.162 Die Folgen bestanden jedoch nicht nur in der Zurückdrängung naturnaher Gebiete, sondern auch in der Urbanisierung und den negativen Erscheinungen wie Pauperismus, Alkoholismus und steigender Kriminalität.163 Diese täglich erfahrenen Verwüstungen und die, im Rückblick zunehmend als harmonisch und idyllisch verklärte Vormoderne führten im ausgehenden 19. Jh. zum Einsetzen eines kontinuierlichen natur- und landschaftsschützerischen Engagements. Der Musiker Ernst Rudorff gründete zu diesem Zweck im Jahre 1904 schließlich den Bund Heimatschutz, der zum Vorläufer der diversen Naturschutzorganisationen werden sollte und in engem Austausch zur noch näher erläuterten Lebensreformbewegung stand.

160 Vgl. Huber (1986), 122 und Stöss (1980a), 242f. 161 Vgl. Huber (1991), 1f und Hüllen, 6. 162 Vgl. Hermand (2013), 52f. 163 Vgl. Morris-Keitel (2013), 226f. - 42 -

3.1.1 Zur Heimatschutzbewegung

Dieser Bewegung ging es nicht allein um den Erhalt von Natur, existierte sie aus deren Pers- pektive doch nicht als eigenständige Größe. Sie galt als Teil der unmittelbar umgebenden Lebenswelt, die als „Heimat“ zur eigenen Identität gehörte und dadurch emotional besetzt war. Dem Heimatschutz ging es somit auch um den Erhalt regionaler Architektur, der Wah- rung von Brauchtum, Handwerk oder Landwirtschaft und um eine intakte heimatliche Natur. Die Heimat als Ganzheit sollte in dieser Hinsicht davor bewahrt werden, weder materiell noch ideell zerrissen zu werden, damit sich die Bevölkerung stets wohlgebettet fühle.164 Naturschutz ging somit mit dem Schutz der Heimat und der Forderung nach der Wiederher- stellung der traditionellen Wirtschafts- und Gesellschaftsverhältnisse einher. Gesellschaft wurde holistisch als naturhafte organische Ganzheit angesehen, die in unterschiedliche Teile gegliedert ist. Deshalb lag das Ziel im Schutz der genuin „Deutsche[n] Heimat in ihrer natür- lichen und geschichtlich gewordenen Eigenart“, wozu sowohl die Denkmalpflege als auch die heimische Tier- und Pflanzenwelt gehörte.165 Als Ursache dieser Bedrohung von Landschafts- bild, Tradition, Brauchtum und einer intakten Natur galt wiederum ein zerstörender Kapitalis- mus, der als Gefahr für die deutsche Eigenart lanciert wurde.166 Als Vater und Begründer des Heimatschutzes trat der Musiker Ernst Rudorff in Erscheinung, der vom Aussehen der Heimat auf die kulturelle Verfasstheit ihrer Bewohnerschaft schloss.167 Die Heimatschutzbewegung richtete ihre Kritik gegen den gesamten Industrialisierungspro- zess und war „massiv geprägt von der antimodernistischen Zivilisationskritik der völkischen Bewegung“ (Peter Morris-Keitel). Rudorff beklagte etwa die durch den Kapitalismus hervor- gerufene Verschandelung der Landschaft durch Industrie- und Verkehrsbauten, Resultat der rationellen Land- und Forstwirtschaft, sowie den anwachsenden Tourismus. Die rapide Indus- trialisierung würde die Landschaft überall „zur Sklavin erniedrigen“, sodass die Natur zum eigenen Gewinn und Vergnügen „bis zum letzten Tropfen [ausgepresst]“ würde, zur „Ware“

164 Vgl. Cluet (2013), 40f. 165 Vgl. Geden, 20f. 166 Vgl. Hermand (2013), 55f. 167 Besonders die ab 1930 zunehmend völkisch ausgerichtete Heimatschutzbewegung verlegte den Akzent von der Entgegensetzung von verschmutzter Metropole und ländlicher Idylle auf die Identifizierung des Aussehens und Beschaffenheit des Landes mit dem spezifischen „Volkscharakter“. Die Natur wäre demzufolge der „sichtbare und objektive Ausdruck des jeweiligen Volks- und Rassegeistes“, womit sich die „Verkommenheit“ der „ostischen Völker“ in den „Fratzen ihrer Herkommenslandschaften“ zeige. Aus diesem Grund sollte mit Beginn des expansiven Vernichtungskrieges des Jahres 1939 der „Lebensraum im Osten“ „eingedeutscht“ werden, was zum Betätigungsfeld des „NS-Reichslandschaftsanwalts“ Alwin Seiferts wurde. Trotz NS-Engagement wies dessen Werdegang keinen Bruch auf, konnte Seifert doch nach 1945 „Bundesleiter“ des Bundes Naturschutz in Bayern werden und sich maßgeblich an der Gründung des bundes- weiten BUND beteiligen. Seine veröffentlichten Werke über den ökologischen Landbau steigerten gleich- zeitig sein Ansehen in der aufkeimenden ökologischen Bewegung der 1970er Jahre. Vgl. Melchert, 39f und Geden, 18f. - 43 -

herabgewürdigt und in „Kapital“ umgesetzt. Kritisiert wurde insbesondere das stetige An- wachsen der Städte durch zunehmende Landflucht, die daraus resultierende „Entwurzelung“ des städtischen Proletariats und die Verödung der ländlichen Gebiete. Moralisierend wetterte Rudorff gegen das „gewinn- und vergnügungssüchtige Volk“, das statt am Land zu arbeiten, zur Fabrikarbeit in die Städte eile. Im Sinne des Kulturkritikers Wilhelm Heinrich Riehl idea- lisierte Rudorff die in Auflösung befindliche ständische Agrargesellschaft und propagierte das Bild vom „ewigen Bauern“, „der über Generationen hinweg sein Land bestellt, fest eingebun- den in die traditionellen dörflichen Strukturen, fernab der großen, grauen Städte und ihrer Verführungen“, zu denen auch die Sozialdemokratie gezählt wurde.168 Mit dem Heimatschutz wollte Rudorff neben dem verhassten Materialismus auch die „Ideen der roten Internationale“ bekämpfen, was er ideell mit dem „heimatlosen Judentum“ ver- knüpfte. Das „germanische Wesens“ sei demgegenüber nämlich von einem innigen Naturge- fühl bestimmt. Aus diesem Grund wollte er Juden und Jüdinnen sowie grundsätzlich Frauen die Mitgliedschaft in seinem Verein verwehren, lenkte aber aufgrund der von ihm als „jüdisch“ titulierten Presse schließlich ein. Auch der als Heideschriftsteller bekannte Hermann Löns prägte die Idee einer besonderen deutschen Naturverbundenheit, die er mit völkischer Ideologie und Ressentiments gegen die moderne Großstadt anreicherte. Naturschutz war ihm gleichbedeutend mit „Rassenschutz“, definiert als „Kampf um die Gesunderhaltung des gesamten Volkes, […] [und] für das Gedeihen der Rasse“.169 Im Jahr 1934 überführten die Nazis seine Gebeine unter großem Getöse in die Lüneburger Heide und selbst heute wird Löns vom bundesdeutschen Bund Naturschutz (BUND) noch als großer Vorkämpfer gewürdigt.170 Die empfundene Entfremdung vom gesellschaftlichen Alltag und den herrschenden Zustän- den, die vor allem in der modernen Großstadt als unübersichtlich, chaotisch und nivellierend erlebt wurde, erschien zunehmend als Überfremdung einer ursprünglich vertrauten, genuin deutschen Kultur. Die Sehnsucht nach einer fiktiven ländlichen Idylle muss somit als Flucht- moment in Konfrontation mit der sich vollziehenden Modernisierung gedeutet werden, als Idee einer heilen Welt, die es in ihrer Kleinteiligkeit und Übersichtlichkeit wiederherzustellen

168 Vgl. Geden, 22. 169 Einflussreich waren Rudorff, Löns aber auch Peter Rosegger für die sog. Jugendbewegung. Rudorff rief diese dazu auf „sich gegen die fortschreitende Entfremdung von der Natur zu wehren, sich der Sucht nach materiellem Reichtum zu entziehen und sich stattdessen einer von Idealen geprägten Einstellung zu Natur und Leben zuzuwenden“. Die neue Generation sollte sich von der Lebensweise der Eltern abwenden und „jenseits von Industrie und Moderne eine eigenständige, naturverbundene Kultur [schaffen]“. Vgl. Morris- Keitel (2013), 229f. 170 Vgl. Bierl (2014), 35. - 44 -

galt.171 Die antiwestliche Konnotation dieser Zivilisationskritik zeigt sich wiederum im Urteil des Darwinisten und Urheber des Ökologie-Begriffs Ernst Haeckel, der den modernen Klei- dungsstil als Kennzeichen dafür wertete, dass die „leitenden Nationen Europas“ in Wahrheit „niedrige Culturvölker“, teilweise „noch Barbaren“ wären.172 Mit der Ablehnung dieser Deka- denzphänomene proklamierten jene Heimatschützer(innen) einen eigenständigen kulturellen „Sonderweg“, galt doch die deutsche Kultur sowohl gegenüber der „Unkultur des Ostens“ (Russland), als auch der „Überkultur des Westens“ (Frankreich) als überlegen und sollte der Menschheit als Leitbild dienen.173 In völkischer Zuspitzung richteten sich die Anfeindungen in den Jahrzehnten nach 1900 nicht mehr allgemein gegen einen als unorganisch und zersetzend empfundenen technischen Fort- schritt, sondern die Zerstörung der „heimatlichen Landschaft“ wurde zunehmend als Aus- druck einer allgemeinen Degenerierung gedeutet. Damit wurden Industrialisierung und Technisierung ideologisch rehabilitiert, während die negativen Folgen der Moderne zuse- hends mit dem Einfluss des Jüdischen identifiziert wurden. Der Biologe und Naturschützer Walther Schoenichen, der 1932 aus Überzeugung der NSDAP beigetreten war, wetterte etwa gegen die sog. „Reklamekrankheit“, die er auf eine „Infektion mit jüdischem Gift“ zurück- führte. Als „eifernder völkischer Pädagoge“ (Peter Bierl) wollte er „Urdeutschland“ vor „un- deutschen, zersetzenden Einflüsse[n]“ retten und betrachtete die Naturverbundenheit als Merkmal der deutschen „Rasse“, die vom „rassehygienischen Niedergang“ bedroht wäre.174 Auch Paul Schultze-Naumburg, der gemeinsam mit Rudorff den Bund Heimatschutz 1904 begründete und dessen erster Vorsitzender bis 1913 war, stand in einem Naheverhältnis zu den Blut-und-Boden-Ideologen Walther Darré und Hans F. K. Günther. Schultze-Naumburg führte die Natur- und Heimatzerstörung „letztlich auf erbbiologische Ursachen“ zurück. Die „Mehrung der Minderwertigen“ gehe demnach kohärent mit einer immer häßlicher und trüber werdenden Umwelt.175

171 Vgl. Neau (2013), 222. 172 Haeckel verband die Darwin՚sche Evolutionslehre mit dem Pantheismus Goethes zum sog. Monismus. Davon ausgehend vertrat er sozialdarwinistische Positionen, propagierte etwa 1873 „die Todesstrafe für un- verbesserliche Verbrecher und Taugenichtse“, was er als „Ausrottung des wuchernden Unkrauts“ bezeich- nete. „Rassenhygienische“ Maßnahmen, wie die künstliche Selektion, wertete er als „direkt wohltuend“. Denn „sorgfältiges Ausjäten des Unkrauts“ würde mehr „Licht, Luft und Bodenraum für die edlen Nutzpflan- zen“ bringen, was die Menschheit von dem „entarteten Auswurfe“ befreie, der „seine verderblichen Eigen- schaften [überträgt]“. Vgl. Geden, 14f. Siehe auch: Bierl (2014), 30. 173 Vgl. Ackermann (2013), 180f. Siehe auch: Merlio (2013), 70f. 174 Vgl. Bierl (2014), 39. 175 Vgl. Geden, 23f. - 45 -

3.1.2 Zur Lebensreformbewegung

Ein weiterer historischer Strang der Grünen Bewegung führt zur sog. Lebensreformbewe- gung, die auch Ende des 19. Jh. entstand und bis ins sog. „Dritte Reich“ fortwirkte. Wie der Heimatschutz verstand auch sie sich als kulturelle Widerstandsbewegung gegen liberalistische Zersetzung und materialistische Verflachung mit Rekurs auf Körperlichkeit, Sinnlichkeit und Spiritualität.176 Als alternative Gegenbewegung war sie Ausdruck eines Unbehagens an der Moderne, Reak- tion auf die verstörende Verstädterung und Technisierung, die sich als Sehnsucht nach Natür- lichkeit und gesunder Lebensführung äußerte, etwa in Form der Forderung nach Natur- und Tierschutz oder Vegetarismus.177 Die vielfältigen Reformvorschläge und Heilserwartungen hängen demnach ursächlich mit einer allgemeinen und umfassenden Krisenstimmung zusam- men, die auch in populären Untergangsszenarien zutage trat.178 Der Oberbegriff Lebensreform stand dabei für eine Vielzahl an Bestrebungen, z.B. für die Abstinenzbewegung, die hauptsächlich den Konsum von Alkohol und Zigaretten ablehnte, den AnhängerInnen der Bodenreform, für Gymnastik- und Sportinitiativen, Impfgegnertum, Kleidungsreform, Nacktkultur (FKK), Siedlungsbewegung, Vegetarismus oder Vivisektions- gegnerschaft, aber auch für esoterisch-spirituelle Trends wie Theosophie oder Anthropo- sophie. Diesem Milieu entsprang auch die Freiwirtschaftslehre Silvio Gesells, auf die sich noch heute Tauschkreise und Regionalwährungsinitiativen beziehen.179 Obwohl zwischen den verschiedenen Initiativen eine Vielzahl an Widersprüchen existierten, lag der gemeinsame Ansatz in der Vorstellung einer Einheit von Körper und Geist, die mit dem Wunsch nach Reinigung, Gesundung und Erleuchtung einher gehen konnte.180 Als „Kohlrabi-Apostel“ verspottet, wollte man das eigene Leben so natürlich wie möglich ge- stalten und als lebendiges Vorbild einer kommenden Gesellschaft dienen. Besonders die technologischen Modernisierungsschübe innerhalb des immer hektischer werdenden Groß- stadtgetriebes mit den als künstlich erlebten Begleiterscheinungen, wie Saloneinrichtungen, Stehkragen- und Schnürtaillen-Mode, das „Monokel- und Spazierstöckchengehabe“ oder auch

176 Vgl. Müller (1995), 146. 177 Vgl. Vondung (2013), 246. 178 Vgl. Ackermann (2013), 162. 179 Vgl. Bierl (2014), 5f. 180 Die ganze Bandbreite der Reformbewegungen zeigt sich etwa in der sog. „Gartenstadt“ Hellerau, in der ver- schiedenste Teilbestrebungen praktiziert wurden, womit sie zum regelrechten Schaufenster der Lebensre- formbewegung avancierte. Das Spektrum reichte von der „‘Rhythmik‘ […] bis zur Leib, Geist und Moral förderlichen ‚Durchgrünung‘ der Lebensumstände“, inklusive der völkischen Variante, „die sich vornehmlich an die auswärtige Landbevölkerung wandte“. Die Gartenstadt sollte zur Harmonisierung und ethischen Stär- kung der zivilisationskranken urbanen Bevölkerung beitragen, Park- und Gartenanlagen dienten etwa zur Milderung der „rohen Gesinnung“. Vgl. Cluet (2013), 31f und 12-15. - 46 -

die Verwendung französischer Fremdwörter galten als gezwungen und unnatürlich. Diesen urbanen Verhaltensweisen des gehobenen Bürgertums stellte man das Ideal betonter Schlicht- heit entgegen.181 Die moderne Großstadt galt ihnen als urbaner Moloch, der von Verpestung ergriffen sei, als Ort der physischen und moralischen „Entartung“, als „Mythos Babylon“. Sie galt als Sinnbild für den herrschenden Zeitgeist, kulturpessimistisch interpretiert als Wendung ins materialistisch Gottlose. Die BewohnerInnen würden hier von den Reizen der Metropole verdorben, die bestehende soziale Ordnung, die Familie und Ehe, unterminiert. Dieser Vorstellung entstammt der Gedanke, Enklaven naturgemäßer Daseinsformen auf dem Lande zu bilden, woraus sich die Landkommunenbewegung entwickelte.182 Diese Kommunen propa- gierten eine geistige Revolution, im Zentrum stand die Bewusstseinserweiterung bzw. -verän- derung in stark esoterischer Gewandung, wodurch zusehends völkisches und rassistisches Gedankengut einzusickern vermochten. Ressentiments richteten sich vor allem gegen die fortschreitende Technisierung und Industria- lisierung, die als „Graue Internationale“ die Schönheit der deutschen Landschaft gefährde. Deshalb sollte die Natur vor Verhunzung und Verschmutzung gerettet werden, man plädierte etwa für den Erhalt der Reinheit der Natur.183 Die Industriegesellschaft wurde dabei prinzi- piell als verdorben und rationalistisch abgelehnt. Dagegen proklamierte man einen Intuitionis- mus und die Idee der Natürlichkeit, richtete sich gegen universalistische Lehren wie das Christentum und entdeckte das Erbe der Germanen, die als naturverbunden, rein, spirituell und verwurzelt idealisiert wurden. Einen ersten Höhepunkt erreichte die Bewegung kurz vor dem Ersten Weltkrieg. Im Oktober 1913 fand der „Erste Freideutsche Jugendtag“ auf dem Hohen Meißner statt, bei dem die Idee umfassender Gesundheit, verbunden mit einer „Lebensreform aufs Einfache und Echte hin“, im Mittelpunkt stand.184 Hier versammelten

181 Vgl. Merlio (2013), 65 und Neau (2013), 221f. 182 Diese Kommunen hatten den Anspruch als Vorbild für eine kommende Gesellschaft zu dienen und wollten als „Inseln der Freiheit“ emanzipatorische Impulse aussenden. Die bekanntesten Kolonien waren jene beim Monte Verità in Ascona (Tessin) und die Obstbau-Kolonie Eden in Oranienburg bei . Nach 1900 gerieten diese Siedlungen jedoch zunehmend ins Fahrwasser völkischer Bestrebungen. Licht, Luft und Sonne avancierten etwa zu „Hilfsmittel der arischen Rasse gegen die semitischen ‚Dunkelmänner‘“ und in der Siedlung Eden bezeichnete man die nackte Sonnenanbetung als „arisches Lichtkleid“. Auch eigene völkische Kommunen entstanden wie die Freiland-Siedlung Donnershag (1919), wo ein „Mutter Erde“-Kult und Vege- tarismus praktiziert wurden. Im Mittelpunkt stand „ein geschlossenes deutschgläubiges Gemeindeleben auf der Grundlage der arischen Rasse“ inklusive „bewusste Sippenpflege und rassische Auslese“. Aufgenommen wurde nur, wer „von jüdischem und farbigem Einschlag“ frei war. Bereits 1914 hatte Willibald Hentschel seine „rassische Zuchtkolonie“ Mittgart gegründet, um die „bedrohte arische Rasse“ mittels „Rassenhygiene“ und Polygamie zu erhalten. Diese völkischen Lebensreformer(innen) proklamierten eine „rassische Wieder- geburt […] durch eine germanisch-religiöse Reform und eine allseitige germanische Lebenserneuerung“. Vgl. Neau (2013), 216f; vgl. Morris-Keitel (2013), 228; vgl. Puschner (2013), 252f. 183 Vgl. Hermand (2013), 54. 184 Vgl. Cluet (2013), 11. - 47 -

sich mehrere tausend VertreterInnen von Lebensreform und Jugendbewegung und forderten tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen mit ökologischer Zielsetzung.185

3.1.3 Der Nationalsozialismus als Kulmination des Antimodernismus

Nach 1918 geriet die Lebensreformbewegung immer stärker ins ideologische Fahrwasser völ- kischer wie präfaschistischer Strömungen.186 Ein führender Vertreter dieser Verknüpfung des Siedlungsgedankens mit der völkisch-religiösen Ideologie war Willibald Hentschel, der die Artamanen-Bewegung begründete. Dahinter stand die Idee eines „arischen“ Wehrbauerntums, das einen Schutzwall gegen die slawische Bedrohung aus dem Osten errichten sollte. Im Zentrum stand das Ziel einer völligen Abkehr von der westlichen Zivilisation und den Groß- städten, für die Völkischen die Ursache der diagnostizierten „Entartung“. Für den Biologen Hentschel konnten nur „naturgemäßes Landleben, gesteuerte Zuchtauswahl und arteigene Spiritualität“ dieser Entwicklung entgegenwirken. Der deutsche Mensch sollte mit der Erde wiederverwurzelt werden und zur „arteigenen“ Bestimmung bäuerlichen Lebens zurück- kehren, nach Vorbild einer imaginierten germanischen „Bauernrasse“.187 Mit Rudolf Heß und Heinrich Himmler entstammten auch prominente Nationalsozialisten diesem Spektrum, vor allem die SS nahm dabei auf die Artamanen Bezug.188 Die Idee vom „Bauerntum als Lebensquell der nordischen Rasse“, zur Schaffung eines „Neuadels aus Blut und Boden“, wurde in den Jahren 1929/30 vor allem vom späteren „Reichsbauernführer“ Walther Darré propagiert.189 Er popularisierte Oswald Spenglers Propagandaformel „Blut und Boden“, die in der NS-Ideologie für die Einheit von „Rasse“ und „eigenem Boden“ stand. Darré, selbst bis 1942 Leiter des NS-Rasse- und Siedlungshauptamtes (RuSHA), verabscheute die Verstädterung und betrachtete das Bauerntum als „Blutsquell“ des deutschen Volkes. Das von ihm angestrebte „Adelsbauerntum“ sollte zur tragenden Elite des NS-Staates werden und die Germanisierung Osteuropas ermöglichen.190 Auch die Idee der „Rassenhygiene“ war schon durch die Vorstellung eines natürlichen Da- seinskampfes, der mit eugenischen Visionen kombiniert wurde, zur Zeit der Jahrhundert-

185 Der Lebensphilosoph Ludwig Klages (1872-1956) trat hier als einer der zentralen Leitfiguren in Erscheinung. Einflussreich war sein Aufsatz „Mensch und Natur“, wo er gegen Industrialisierung, technologischen Fort- schrittskult, materialistisches Profitdenken und Konsumverhalten wetterte, für ihn Ausformungen einer „Herrschaft des Kapitalismus“. Klages gehörte zum Schwabinger Kreis des elitären, antidemokratischen Dichters Stefan George und stand selbst im Zentrum einer Renaissance des germanischen Heidentums. Materialismus und Kapitalismus, assoziiert mit Zinssystem und Wucher, waren bei Klages Ausdruck eines spezifisch jüdischen Geistes, was auch dem antisemitischen Antikapitalismus des Nationalsozialismus ent- sprach, zu dem er aber auf Distanz blieb. Vgl. Gugenberger (1987), 46; vgl. Bierl (2005), 58. 186 Vgl. Hermand (2013), 59. 187 Vgl. Geden, 25. 188 Vgl. Gugenberger (1987), 46f und 106. 189 Vgl. Hermand (2013), 60. 190 Vgl. Ditfurth (2011), 141. - 48 -

wende vorgedacht. In lebensreformerischen Kreisen wurde etwa der medizinische Fortschritt verdammt, insbesondere die Impfpraxis, weil damit die natürlichen Prinzipien des Lebens manipuliert würden. Silvio Gesell, Säulenheiliger von ZinskritikerInnen und Tauschkreisen, beklagte etwa, dass der medizinische Fortschritt das Überleben nicht-existenzfähiger Men- schen ermögliche, womit es zu einer Schädigung der biologischen Substanz des Volkes komme. Das Programm der Eugenik wollte diesbezüglich die erbbiologisch „wertvolleren“ Individuen zur Erhöhung ihrer Geburtenrate animieren, während „Minderwertige“ mittels Sterilisation oder Internierung an der Weitergabe ihres Erbmaterials gehindert werden sollten.191 Die Heimatschutzbewegung erhoffte sich von der nationalsozialistischen Machtergreifung wiederum ein Verständnis für ihre Anliegen. Diese Erwartungen wurden mit dem sog. „Heimatschutzgesetz“ und besonders mit dem „Reichsnaturschutzgesetz“ (RNG) vom 26. Juni 1935 schließlich auch erfüllt. Diese Verknüpfung von rückwärtsgewandter Zivilisations- kritik mit der NS-Ideologie zeigte sich besonders in der Dämonisierung der modernen Groß- stadt, der ein idealisiertes Bauerntum entgegengesetzt wurde. Der Fokus der Kritik lag hier je- doch nicht mehr auf der industriellen und technologischen Modernisierung, die von der NS- Führung eifrig forciert wurde, sondern wandte sich gegen einen ausgemachten westlich- dekadenten Lebensstil.192 Ein Beispiel dafür ist Schultze-Naumburgs im Jahr 1928 erschiene- nes Buch „Kunst und Rasse“, wo er die modernistisch-expressionistische Malerei als eindeu- tig „entartet“ diffamierte, wofür er von den Nazis mit Ehrungen geradezu überschüttet werden sollte.193 Schon vorher hatte er vor den körperlichen und geistigen Verfallsfolgen der moder- nen Lebensweise gewarnt, die er als dekadent, greisenhaft und pervers wertete.194 Aufgrund der um sich greifenden Verstädterung, für Schultze-Naumburg die „wahre Hölle“, träumte er von der „Verbauerung des deutschen Volkes“, da sonst „alles Gesunde, Natürliche notwendig verkümmere“. Diese Großstadtfeindschaft zeigt sich auch beim NS-Ideologen Alfred Rosen- berg, der vom „Volkstod“ in den großen Städten sprach, „in denen es nur Unorganisches gebe und ein rassisch missgestaltetes Proletariat sein Unwesen treibe“.195 Die Heimatschutzbewegung zeigte sich generell anfällig gegenüber dem Nationalsozialismus, besonders aufgrund ihrer starken nationalistischen Tendenz und bestehenden antimodernisti- schen Ressentiments, die vielfach mit antisemitischen und antidemokratischen Tendenzen

191 Vgl. Bierl (2014), 29f und 36. 192 Vgl. Hermand (2013), 61. 193 Schultze-Naumburg partizipierte später in Rosenbergs „Kampfbund für deutsche Kultur“ und zählte 1933 zu den Initiatoren der nationalsozialistischen Bücherverbrennungen. Vgl. Bierl (2014). 194 Vgl. Ackermann (2013), 175. 195 Vgl. Hermand (2013), 60f. - 49 -

einhergingen.196 Programmatisch zeigte sich diese Kontinuität an den Tätigkeiten des „Reichslandschaftsanwalts“ Alwin Seifert, der die Weisung ausgab, entlang der sog. Reichsautobahnen einheimische Blumen und Sträucher anzupflanzen, damit der deutsche Landschaftscharakter gewahrt bleibe.197 Auch der Schutz bestimmter Wildtiere und Pflanzen, die als Teil der germanischen Urheimat galten, wurde praktiziert, z.B. in der Schaffung von Reservaten für vom Verschwinden gefährdete Tierarten.198 Kritik an der rücksichtslosen technologisch-industriellen Aufrüstung Nazideutschlands wurde dagegen nicht formuliert, stattdessen zogen sich die Heimatschützer(innen) auf ein ästhetisches Naturverständnis zu- rück, in dem es hauptsächlich um die landschaftliche Schönheit ging.199 Nach 1945 war der Naturschutzgedanke durch dieses Naheverhältnis zwischen Heimatschutz- bewegung und Nationalsozialismus diskreditiert. In Reaktion darauf verwies man in der Fol- gezeit gern auf den vermeintlich unpolitischen Charakter des Naturschutzes, blieb den zentra- len Ideologiebausteinen aber weiterhin treu.200 In Anbetracht des als rücksichtslos wahrge- nommenen Wirtschaftswachstums der fünfziger Jahre avancierte die NS-Zeit bei manchen NaturschützerInnen sogar zum positiven Gegenbild, unter besonderem Hinweis auf das RNG. Resümierend kann gesagt werden, dass das Naturverständnis des Nationalsozialismus auf Positionen der Lebensreform- und Heimatschutzbewegung aufbaute, vor allem in Hinblick auf deren antimodernistisches Selbstverständnis. Selbst Praktiken wie die Naturheilkunde oder die biologisch-dynamische Landwirtschaft stießen auf das Wohlwollen manch hoher NS- Funktionäre.201

196 Vgl. Uekötter (2012), 33ff. 197 Alwin Seifert (1890-1972), in seinen Jugendjahren im Wandervogel und bereits vor 1914 im völkischen Spektrum aktiv, war 1920-1923 Mitglied der rechtsextremen Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) und nahm in der Folgezeit Kontakt zu Heinrich Himmler und seiner SS auf. Seifert sympathisierte mit der biologisch-dynamischen Landwirtschaft, die auf die Anthroposophie Rudolf Steiners zurückgeht, und war involviert in die Heilkräuterplantage im KZ Dachau. Ab 1934 begrünte er als enger Mitarbeiter Fritz Todts, der für das Straßenwesen zuständig war, die Autobahnen mit prononciert deutschen Gewächsen. Die osteuro- päischen „Steppenlandschaften“ sollten laut Seifert mittels Feldhecken „eingedeutscht“ werden. Die „artge- rechte“ Landschaft stand demnach im Zentrum seiner grünen Aktivitäten. Vgl. Kopke (2012), 185-188, 200- 2002. Siehe auch: Bierl (2014), 38. 198 Vgl. Hermand (2013), 59f. 199 Vgl. Trepl (2012), 26f. 200 Vgl. Geden, 27 und Melchert, 40f. 201 Vgl. Geden, 26f. Siehe auch: Gugenberger (1987), 26f und Kopke (2012), 191-193. - 50 -

3.2 Von der Bewegung zur Formierung „grüner“ Parteien

Gerade durch die Ökologiebewegung der 1970er Jahre erlebten die kulturkritischen Strömun- gen des Fin de Siècle eine Renaissance, was sich am Wiederaufgreifen anthroposophischer, freiwirtschaftlicher oder naturspiritueller Ideen zeigte. In der öko-alternativen Szene zwar fest verankert, wurden jene Ansätze innerhalb der sich herausbildenden grünen Parteien jedoch nicht hegemonial. Das Bündnis der konservativen Eliten mit dem Nationalsozialismus machte in der unmittel- baren Nachkriegszeit ein direktes Anknüpfen an die von Heimatschutz und Lebensreform re- präsentierten antiindustriell-vormodernen Positionen noch unmöglich. Darüber hinaus erin- nerten die Leitbegriffe Volk und Gemeinschaft, sowie die Idee einer Harmonie von Mensch und Natur zu sehr an die nationalsozialistische Rhetorik. Erst mit der gegenkulturellen Hippiebewegung, die von den USA ihren Ausgang nahm, erfolgte eine Wiederentdeckung ökologischer wie esoterisch-naturreligiöser Themen. Im Zentrum stand der drohende Ökozid, ausgemacht als Folge einer destruktiven technologisch-industriellen Entwicklung.202 Die Öko- logiefrage und damit verbundene Fortschrittsskepsis konnten in den siebziger Jahren schließ- lich durch die sich neu orientierende, postmaterialistische und sich zunehmend von der marxistischen Orthodoxie entfernende Linke thematisch besetzt werden.203 Die Erinnerung an die Lebensreformbewegung, die „im Boden deutscher Sonderwege“ wurzelte, wurde somit von einer Ökologiebewegung abgelöst, die durchaus modernen, westlichen Ursprungs war. Es war der weltweite Protest der späten Sechziger, der die formie- rende Partei der Grünen stärker prägen sollte als „Spurenreste aus spätwilhelminischer Boheme, Wandervogel und Bündischer Jugend“. Ohne Zweifel gab es Parallelen, wie einen gemeinsamen Bewegungsanspruch und die damit verbundenen antiinstitutionellen Affekte, das Verlangen nach Ganzheitlichkeit, Gemeinschaftlichkeit und Harmonie mit der Natur. Auch die in schrillen Tönen erwarteten ökologischen Untergangsszenarien, die missionarisch und hysterisch in dauerappellativen Botschaften in den Siebzigern verkündet wurden, erinner- ten an die moralisierenden Abgesänge auf die Moderne eines Ludwig Klages.204 Während aber dem Naturschutz in den Nachkriegsjahren noch der Mief des Konservativen und der Blut-und-Boden-Ideologie anhaftete, markierte das Jahr 1970 diesbezüglich einen Wende- punkt. Herüberschwappend aus den USA erschienen Umweltschutz und Ökologie plötzlich hochaktuell, standen in globalen Zusammenhängen und fungierten als integratives Thema.

202 Vgl. Gugenberger (1987), 29. 203 Vgl. Dudek (1984), 92. 204 Vgl. Walter (2009), 240-242. - 51 -

3.2.1 Die grünen siebziger Jahre

Der Beginn der siebziger Jahre vermittelte den Eindruck einer Übergangsphase. Das inter- nationale Währungssystem von Bretton Woods zerfiel, es folgten die Ölkrisen von 1973 und 1979, begleitet von niedrigen Wachstumsraten, Konjunkturschwankungen und steigenden Arbeitslosenzahlen.205 Einen wichtigen Impuls setzte die Studie „The Limits to Growth“ (Grenzen des Wachstum), die 1972 von Dennis L. Meadows für den Club of Rome verfasst wurde und in alarmistischer Weise die Folgen von Überbevölkerung und Naturausbeutung be- handelte.206 Diese pessimistische Zukunftsdiagnose bestärkte die Vorstellung, dass Ressour- cen beschränkt sein könnten und den Entwicklungsmöglichkeiten des Menschen absolute Grenzen gesetzt wären.207 Charakteristisch für die sich formierende Umweltbewegung war ein neuer Blick auf den Heimatplaneten Erde, der sich im sog. „Blue Marble“-Foto symbolisch ausdrückte, aufge- nommen von der Besatzung der Apollo 17 im Dezember 1972. Dieses Bild avancierte zum Symbol für die Verletzlichkeit und Zerbrechlichkeit des Planeten, und veranschaulichte gleichzeitig seine Isoliertheit im Weltraum, womit die Verlassenheit im All erstmals fass- und greifbar wurde.208 Mit dem geflügelten Wort „Raumschiff Erde“ rückte die Erkenntnis von der Endlichkeit und Begrenztheit des Lebens in den Mittelpunkt der Ökologiediskussion.209 Als Ouvertüre der von den USA ausgehenden Umweltbewegung gilt das 1962 von Rachel Carsons verfasste Buch „Silent Spring“210. Dessen entscheidende Leistung lag in der Über- tragung der vorherrschenden Ängste vor Atomwaffen auf die mit Pestiziden identifizierten Risiken für Mensch und Umwelt. Darin schildert die an Krebs erkrankte amerikanische Biologin die negativen Auswirkungen von Schädlingsbekämpfungsmitteln, die zu einem Ver- stummen der Natur im Frühling führe. Das ständige Ausgesetzt-Sein von Giften könnte dem- nach dazu führen, dass auch der Mensch selbst an der Spitze der Nahrungskette zum Opfer seiner eigenen Existenzweise werden könnte.211 Die Angst vor der Atombombe und nuklearer Verstrahlung bildeten auch den Konnex von Umwelt-, Antiatom- und Friedensbewegung. Die mehrmonatige Besetzung des Baugeländes in Wyhl im Februar 1975 war ein Markstein der

205 Vgl. Mende, 5. 206 Siehe hierzu: Dennis L. Meadows u.a., Die Grenzen des Wachstums, Stuttgart 1972. 207 Der Topos von den Grenzen des Wachstums bildete den Hintergrund für die Forderungen nach Geburtenkon- trollen, Umweltschutz und sparsamen Rohstoffkreisläufen. Der Planet erschien als Insel, auf dem einseitiges Wirtschaften und kurzsichtige Ressourcennutzung zum Verlust der Existenzbedingungen führen könnten. Vgl. Radiokolleg am 15.02.2012. Siehe auch: Schattauer (1988), 19. 208 Für den Historiker Joachim Radkau offenbart sich dadurch die Paradoxie der Raumfahrt, deren Erfolg den Fokus zurück auf die Erde lenkte. Erst der Blick von außen hätte verdeutlicht, wie klein und verletzlich der „Blaue Planet“ war, womit es zum Wendepunkt im Umweltverständnis gekommen wäre. 209 Vgl. Radiokolleg am 14.02.2012. 210 Siehe hierzu: Rachel Carson, Der stumme Frühling, München 1963. 211 Vgl. Radiokolleg am 13.02.2012. - 52 -

bundesdeutschen Anti-AKW-Bewegung, die in Österreich mit der Verhinderung von Zwentendorf im November 1978 ihren Höhepunkt feierte. Gerade bei diesem Thema gelang es der ökologischen Rechten über ihr eigenes schmales Segment hinaus Wirkmächtigkeit zu erzielen, wobei ihre Ablehnung der Atomtechnologie in einem antitechnisch-biologistischen Deutungsrahmen mit verschwörungstheoretischen Tendenzen stand.212 Getragen war die „Grüne Bewegung“ von der Idee einer ganz anderen Welt, die eine Alterna- tive zum kapitalistischen Geist und zur herrschenden Gesellschaftsordnung vor Augen hatte. Diese Sehnsucht drückte sich in einer neuen Hinwendung zu Spiritualität und Esoterik aus, wobei rechtsökologische und linksalternative Ansätze Hand in Hand gingen, womit die Um- weltbewegung auch für rechtsextreme Gruppierungen attraktiv wurde.

3.2.2 Zur Pluralität der Grünen Bewegung

Merkmal des grün-alternativen Milieus war die Heterogenität, die von diversen Bürger- initiativen (BIs) und Naturschutzorganisationen bis zu ProponentInnen der 68er-Bewegung und Angehörigen der zumeist trotzkistischen oder maoistischen K-Gruppen reichte. Auch die Beteiligung konservativ orientierter Honoratioren aus dem Bereich Biologie oder Medizin, alternativ lebende AussteigerInnen oder esoterisch veranlagte NaturmystikerInnen prägten das Bild der Grünen.213 Daraus ergaben sich divergente Zielvorstellungen und ideologische Akzentuierungen, sodass die diagnostizierte Umweltkrise auf unterschiedliche Ursachen zurückgeführt wurde. Je nach weltanschaulichem Kontext erschien sie als Festhalten an falschen geistig-kulturellen Leit- linien oder formulierte sich als Kritik am kapitalistischen System.214 Diese bunte ideologische Vielfalt zeigte sich auch an den populären Leitfiguren der Bewegung, die von Konrad Lorenz und dem CDU-Politiker Herbert Gruhl bis zu Gandhi, Rudi Dutschke oder Che Guevara reichte. Retrospektiv erscheint damit die Grüne Bewegung breiter, pluralistischer, aber auch widersprüchlicher als die sich später etablierenden Grünen im Parlament, die sich nach einer Phase der Flurbereinigung zu einem konstanten politischen Faktor entwickelten. Innerhalb der Bewegung und im Zeitabschnitt der parteipolitischen Formierungsphase sind zwei Pole auszumachen, die sich trotz vielerlei Überschneidungen und der insgesamt diffusen Heterogenität, antagonistisch gegenüberstanden. Die politische Selbstverortung der Grünen blieb damit zu Beginn ungeklärt, wollte man doch alle grünen Strömungen unter einen Hut bringen. Die Parole, „nicht rechts, nicht links, sondern vorne“, macht dieses Dilemma offen-

212 Vgl. Schulze (2012b), 72. 213 Vgl. Puntscher-Riekmann, 409. 214 Vgl. Rösch-Wehinger, 68. - 53 -

kundig und zeigt, dass der kleinste gemeinsame Nenner allein in der Opposition zu den eta- blierten Parteien und dem industriekapitalistischen System bestand.215 Gleichzeitig wurden in eklektizistischer Weise unterschiedliche ideologische Versatzstücke zu einer neuen Weltan- schauung vermengt, sodass rückwärtsgewandte und biologistische Tendenzen in einer Art postmodernen Beliebigkeit neben liberalen wie linken Ansätzen existierten.216 Diese Situation bestand bei den bundesdeutschen Grünen in der Parteigründungsphase 1979/80 und in Öster- reich im Zuge grüner Einigungsversuche, in der Zeitspanne zwischen Hainburg und der Nationalratswahl 1986. Gerade in der Formierungsphase war der spätere politische Charakter der österreichischen und bundesdeutschen Grünen somit nicht angelegt, auch wenn dies retrospektiv in Form grüner Geschichtsmythen gerne so dargestellt wird. Die Dominanz konservativer und rechtsöko- logischer Gruppierungen innerhalb der sog. Europa-Grünen in der BRD (1979), als auch die Stärke der Vereinten Grünen Alexander Tollmanns gegenüber den Alternativen Listen in Österreich (1982/83), verdeutlicht, dass zumindest zu Beginn die Entstehung erfolgreicher grüner Parteien unter rechten ideologischen Vorzeichen stand. Im Rückblick wird diese Schlagseite der Grünen Bewegung gerne ausgeblendet. In den siebziger Jahren betrachtete man sich dagegen noch als Bewegung aller gegen Technokratie und „Fortschrittswahn“ ge- richteten Kräfte, die durch Überwindung der scheinbar überkommenen ideologischen Gräben gebündelt werden sollten. Das wachsende Krisenbewusstsein hatte in den Siebzigern für eine Annäherung zwischen rechten ZivilisationskritikerInnen, enttäuscht vom wirtschaftsliberalen und technikaffinen Kurs der christlich-sozialen Parteien, und der undogmatischen Linken geführt, die dem tradi- tionellen Fortschrittsoptimismus zunehmend skeptisch gegenüberstand.217 Statt Klassenkampf wurden die Selbstbestimmung und die Ablehnung einer durch Industrie und Konsum gepräg- ten Gesellschaft zum zentralen Anliegen dieser „Neuen Linken“.218 Diese Frontverschiebung

215 Angesichts der ökologischen Krisen und der daraus resultierenden drohenden Vernichtung des Lebens auf der Erde wurde die politische Einordnung im traditionellen Koordinatensystem, das zwischen rechts und links unterschied, als kontraproduktiv zurückgewiesen. Stattdessen gehe es nur um die Frage „Überleben oder Untergang“, so etwa propagiert von der Leitfigur der frühen Grünen, Herbert Gruhl. Vgl. Geden, 11. 216 Vgl. Puntscher-Riekmann, 407. 217 Die Maxime Fortschritt, assoziiert mit Modernisierung und Technisierung, gehörte historisch zum Selbstver- ständnis der „progressiven“ politischen Linken, während das Festhalten am Status Quo bzw. Forderung einer Rückkehr zu einem idealisierten Gesellschaftsbild der Vormoderne als rechts eingeordnet wurde. Für die traditionelle Linke galt der Naturschutz daher als genuin bürgerlich-reaktionäres Anliegen, was den zwie- spältigen Umgang mit dem Thema Umweltschutz erklärt, der erst Mitte der 1970er als Gegenstand entdeckt wurde. Auch der Protest gegen die Atomkraft erschien ihnen in dieser Hinsicht als Ausdruck kleinbürger- licher Ängste vor dem technologischen Fortschritt. Vgl. Mende, 305. Siehe auch: Volmer, 49 und Bierl (2014), 6. 218 Diese Abwendung von den Zwängen des kapitalistischen, normierenden Systems äußert sich im Praktizieren eines alternativen Lebensstils, geprägt von den Leitmotiven der Selbsterfahrung und des Experimentierens. - 54 -

führte dazu, dass in ökologischen Fragen und beim Thema Atomkraft Wertkonservative und Linksalternative plötzlich auf der gleichen Seite standen.219 Gleichzeitig verband die Ver- heißung „Wirtschaftswachstum“ die Interessen von UnternehmerInnen mit jenen der Gewerk- schaften und der Sozialdemokratie, die sich davon wirtschaftliche Prosperität, Wohlstand und Vollbeschäftigung erwarteten. In Österreich waren mit Zwentendorf und Hainburg beide mar- kanten Ereignisse, die als Sternstunden der Grünen gelten, von diesem Interessensgegensatz gekennzeichnet. Innerhalb der Grünen Bewegung büßte das anfangs dominante rechtsökologische Spektrum seine Vormachtstellung durch die Partizipation linksalternativer Gruppierungen bis Ende der 1970er Jahre weitgehend ein.220 Der ökologischen Rechten war es hauptsächlich um die An- prangerung eines als „geistlos“ charakterisierten Materialismus gegangen, der die „wahren“ Werte verschütte. Die grundlegenden sozio-ökonomischen Prinzipien wie Lohnarbeit oder Besitzverhältnisse wurden jedoch nicht in Frage gestellt. Für die Linke stellte sich die Um- weltkrise dagegen als Systemfrage dar, da im Kapitalismus die Ursache für die rücksichtslose Ressourcenausbeutung und Umweltzerstörung gesehen wurde. Den Wertkonservativen ging es dagegen um den falschen Zeitgeist, der durch individuelle Mäßigung und eine proklamierte „Schonwirtschaft“ korrigiert werden sollte. Im Zuge des Parteibildungsprozesses der Grünen kam es sowohl in der BRD als auch in Österreich zum Konflikt zwischen dem wertkonservativen bzw. rechtsökologischen Spektrum einerseits und dem liberalen und linksalternativen auf der anderen Seite. Diese Auseinander- setzung war gleichbedeutend mit der Frage, was grüne Politik eigentlich bedeutet, d.h. es ging um die Deutungs- und Definitionsmacht im grün-alternativen Diskurs. Dies äußerte sich schließlich in einem klassischen Rechts-Links-Gegensatz, ausgetragen zwischen den Verfech- tern einer Systemveränderung und den bürgerlich-konservativen „Nur-Ökologen“.

Charakteristisch war das Leben in Wohngemeinschaften oder Kommunen, selbstorganisierte Jugendzentren, Kulturinitiativen, Zeitungsprojekte oder selbstverwaltete Betriebe. Vgl. Straubinger, 1f. 219 Die Kursänderung des Konservatismus erfolgte im Zuge des Endes der NS-Herrschaft, die mit der Diskredi- tierung des rechten Antimodernismus einherging. Sichtbarstes Zeichen war die von Adenauer eingeleitete Westintegration und Fokussierung auf Wissenschaft, Technik und Wirtschaftsaufschwung. Diese Fixierung auf ökonomische Prosperität stand jedoch im Widerspruch zum Motiv der Konservierung des Status Quo, das den Gedanken vom Erhalt der Natur und, christlich gewendet, Bewahrung der Schöpfung miteinschloss. Der Sozialdemokrat Erhard Eppler unterschied deshalb zwischen „Strukturkonservatismus“ und „Wertkonser- vatismus“. Ersterem wurden die christ-demokratischen Parteien wie CDU oder ÖVP zugeschlagen, die sich nach 1945 auf Wirtschaft und Technologie fixiert zeigten. Dem Wertkonservatismus gehe es dagegen um die Bewahrung von Leben, Natur und Moral, in Opposition zu einem als konsumistisch und oberflächlich wahr- genommenen Zeitgeist. Vgl. Kleinert (1992b), 455. 220 Vgl. Geden, 29. - 55 -

3.3 Die Grünen in der Bundesrepublik Deutschland

„In der Anfangsphase war völlig offen, ob die Grünen ein eher emanzipatorisches, linkes Projekt würden, oder ein sehr konservatives, fast ein Blut-und-Boden Projekt.“221 Das ist zu- mindest der Eindruck Ludger Volmers, der als Mitbegründer der SPV Die Grünen im Jahr 1979 ein „Parteigänger der ersten Stunde“ war und sich selbst dem gemäßigt linken Flügel zu- rechnete. Die entstehenden Grünen stellten demnach ein äußerst heterogenes Spektrum dar, das sich „bis dato meist in entgegengesetzten politischen Lagern wiedergefunden“ hätte.222

3.3.1 Die Ausgangssituation am Ende der 1970er Jahre

Die bundesdeutsche Grünbewegung kennzeichnete in den späten Siebzigern ein Dualismus, der sich aus zwei unterschiedlichen Traditionssträngen speiste. Einerseits existierte eine alternativ-urbane Szene, die mehrere Emanzipationsbestrebungen bündelte und als Bunte oder Alternative Liste in Erscheinung trat. Als linksalternative Basisgruppen dominierten sie das urbane Milieu, besonders in Berlin, Hamburg und München.223 Die Anliegen reichten von der Entdiskriminierung von Homosexualität, MieterInnen- und Stadtteilinitiativen, feministischen Forderungen bis hin zu radikaldemokratischen Positionen. Gleichzeitig fungierten sie auch als Betätigungsfeld maoistischer und trotzkistischer Kader, die der zerfallenden K-Gruppenszene entstammten. Dieses linksalternative Milieu stand somit in der Tradition der „Außerparlamen- tarischen Opposition“ (APO) der späten sechziger Jahre.224 Die sich als originär „grün“ verstehenden Organisationen hatten dagegen einen konservativen bis rechtsökologischen Charakter mit vielfältigen Anschlussflächen zur extremen Rechten und traten meist als Honoratioreninitiativen in Erscheinung. Die Grüne Liste Umweltschutz (GLU), die als älteste regionale Umweltpartei gilt, besaß etwa ein konservatives Profil und verstand sich in erster Linie als grüne „Ein-Punkt-Initiative“.225 Ähnliche „Grüne Listen“, wie jene aus Schleswig-Holstein oder Hamburg, waren jedoch klar dem rechtsökologischen Spek- trum zuzuordnen und pflegten besondere Aversionen gegenüber der politischen Linken. Welt- anschauliche Deutungsmacht im bürgerlich-konservativen Segment besaßen wiederum Grup- pierungen, die in der Tradition der antimodernistischen Lebensreformbewegung standen. Eine zentrale Rolle nahmen hier etwa der Weltbund zum Schutze des Lebens (WSL) oder die Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher (AUD) ein, die in ihrer Zivilisationskritik stark

221 Zitat von Ludger Volmer auf Spiegel TV, „Geschichte der Grünen (1): Von der Ökosekte zur Regierungs- partei“. http://www.spiegel.de/video/geschichte-der-gruenen-1-von-der-oekosekte-zur-regierungspartei- video-1040908.html (22.04.2014). 222 Vgl. Mende, 6. 223 Vgl. Rammstedt (1980), 16. 224 Vgl. Kleinert (1992a), 24f. 225 Vgl. Ebd., 21. - 56 -

von den Ideen der sog. „Konservativen Revolution“ der 1920er Jahre geprägt waren. Daran konnte insbesondere Herbert Gruhls Grüne Aktion Zukunft (GAZ) anschließen, die im Herbst 1978 als Sammlung enttäuschter Konservativer entstand war.226 Ein wichtiger Impuls für die Parteigründung der Grünen war die Erfahrung im Repressions- jahr 1977, wo es zur Eskalation zwischen der sich radikalisierenden Anti-Atombewegung und dem staatlichen Gewaltmonopol gekommen war. 1979/80 fanden schließlich die bis dahin größten Proteste in Deutschland statt. In Bonn versammelten sich z.B. hunderttausend Kern- kraftgegnerInnen und die Orte Wyhl, Brokdorf oder Gorleben avancierten zu Symbolen des Widerstands.227 Gleichzeitig kam es innerhalb der Anti-AKW-Szene zunehmend zu Kon- flikten mit rechten LebensschützerInnen, denen es vordringlich um den Erhalt der Erbgesund- heit des deutschen Volkes ging. Laut der ehemaligen Grünpolitikerin Jutta Ditfurth hätte dieses Milieu jedoch nur eine randständige Rolle gespielt.228 Aber dennoch wäre noch Mitte der siebziger Jahre völlig offen gewesen, in welche ideologische Richtung der grüne Protest gehe, bis sich am Ende die systemkritische Perspektive durchsetzen konnte.229

3.3.1.1 Die Grüne Liste Umweltschutz (GLU)

Als Keimzelle der späteren Partei Die Grünen gilt die im Mai 1977 in Niedersachsen ge- gründete Umweltschutzpartei (USP), später umbenannt in Grüne Liste Umweltschutz (GLU). Nach den Landtagswahlen im Juni 1978, wo die GLU bereits 3,9% der Wählerstimmen er- reichen konnte, kam es zur Annäherung zur bundesweit agierenden Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher (AUD), eine unbedeutende Kleinpartei, der jedoch eine wichtige integrative Funktion bei der Bildung der Grünen zukommen sollte.230 Die USP selbst entwickelte sich aus einer Bürgerinitiative, die sich gegen das geplante AKW Grohnde formiert hatte. Dieser Regionalpartei wollte sich auch eine Gruppe um den Freiwirt- schaftler Georg Otto anschließen, der noch 1969 für die rechtsextreme Freisoziale Union (FSU) kandidiert hatte, Mitglied des Weltbundes zum Schutze des Lebens (WSL) war und 1977 aus der SPD ausgeschlossen wurde. Otto propagierte einen „Dritten Weg“ zwischen „westlichem Privat- und östlichem Staatskapitalismus“ und glaubte eine Synthese von Liberalismus und Sozialismus gefunden zu haben. Dies stieß auf den Widerstand des USP- Parteigründers Carl Beddermann, worauf Otto im September 1977 eine Wählervereinigung mit der Bezeichnung Grüne Liste Umweltschutz (GLU) gründete. Das Adjektiv „grün“ stand

226 Vgl. Volmer, 57. 227 Vgl. Ditfurth (2011), 100. 228 Vgl. Ditfurth (2000), 60. 229 Vgl. Ditfurth (2000), 58f. 230 Vgl. Hallensleben (1984), 157f. - 57 -

in diesem Zusammenhang nicht nur für die Natur, sondern soll auch als Anspielung auf die „Freiwirtschaftliche Bewegung“ gedacht gewesen sein, welche die Lehren von Silvio Gesell lancierte.231 Im November fusionierten schließlich beide niedersächsischen Umweltparteien zur Grünen Liste Umweltschutz mit dem Programm der USP und dem Parteinamen von Ottos Gruppierung.232 Mit ihrem bürgerlich-ökologischen Zuschnitt stand sie der linksalternativen Szene tendenziell ablehnend gegenüber, worin sich ein Vorbehalt äußerte, der sich wie ein roter Faden durch die Einigungsphase der Grünen ziehen sollte.233 Im Juni՚78 kam es in Hamburg zur Konkurrenzsituation zwischen einer GLU-Hamburg und der Bunten Liste Wehrt Euch (BuLi), die der GLU eine Zusammenarbeit mit Rechtsextremen vorwarf. Konkret handelte es sich um die Beteiligung der Solidaristischen Volksbewegung (SVB) um Lothar Penz, die zum Spektrum der Neuen Rechte gehörte.234 Umgekehrt lehnte die GLU die Zusammenarbeit mit dem in der BuLi einflussreichen maoistisch orientierten Kom- munistischen Bund (KB) ab. Die BuLi selbst war jedoch radikaldemokratisch orientiert, ver- einigte Frauen- und Homosexuellengruppen, Wehrdienstverweigerer, MieterInneninitiativen, AtomgegnerInnen und UmweltschützerInnen. Nach der gescheiterten Kommunalwahl, bei der die Polarität der grünen Wahlbewegung klar zutage getreten war, kam es schließlich unter linksalternativer Führung zur Fusion als Grün-Alternative Liste Hamburg (GAL).235 In diesem schwelenden grün-alternativen Konflikt positionierte sich besonders die Grüne Liste Schleswig-Holstein (GLSH) mit ihrem bekanntesten Repräsentanten, dem Ökobauern Baldur Springmann,236 gegen die politische Linke. Im Mai 1978 gegründet, verwehrte man in

231 Vgl. Hüllen, 85-87. 232 Die Basis der GLU-Niedersachsen reichte vom rechtskonservativen bis zum sozialdemokratischen Segment, wobei man sich vor allem zum militanten und linken Anti-AKW-Spektrum abgrenzte. Herkömmliche polit- ideologische Zuordnungen wurden abgelehnt, verstand man sich doch als „Alternative zu den bestehenden Wirtschaftssystemen“. Im Mittelpunkt des grünen Selbstverständnisses stand der Leitgedanke des sog. „Lebensschutzes“. Politisches Ziel bildete die parlamentarische Partizipation. Vgl. Stöss (1980a), 259 und Volmer, 62. 233 Vgl. Kleinert(1992b), 14-17. Siehe auch: Stöss (1980a), 263f. 234 Im linksalternativen Spektrum bestand vor allem die Sorge, dass es zur Besetzung des Ökologie-Themas durch die extreme Rechte kommen könnte. Nachdem Gespräche über eine gemeinsame grün-alternative Kandidatur aufgrund der geforderten Abgrenzung zum Rechtsextremismus gescheitert waren, formierte sich unter der Ägide des GLU-Vorsitzenden Beddermann die rechtslastige GLU-Hamburg. 235 Vgl. Hallensleben, 159f; vgl. Stöss (1980a), 261f; vgl. Peters (1980a), 8. 236 Baldur Springmann (1912-2003) stand für den Typus des grau gewordenen deutschen Lebensreformers und Wandervogels. Sein Umweltengagement speiste sich aus einem völkisch-naturalistischen Weltbild, u.a. wurde er auch als „Germanenmystiker“ beschrieben. Als Jugendlicher betätigte er sich in bündischen Organisationen, war Mitglied des „Stahlhelm“ und der paramilitärischen „Schwarzen Reichswehr“. 1933 Jugendleiter im Reichsnährstand und Angehöriger der SA, bewarb sich später auch um Aufnahme in die SS. Als NS-Führungsoffizier referierte er über ein künftiges deutsches „Bauernreich“. Ab 1954 führte er eine Art Ökolandwirtschaft und betätigte sich ab den sechziger Jahren politisch bei AUD und WSL. Springmann inserierte in der Bauernschaft des Altnazis und Auschwitz-Leugners Thies Christophersen, den er im Mai 1977 als „aufrechten Menschen“ verteidigte, publizierte in neu-rechten Zeitschriften wie oder Wir selbst und veröffentlichte sein Buch „Partner Erde“ Anfang der 1980er im rechtsextremen Arndt-Verlag. - 58 -

einer Art Radikalenbeschluss allen Mitgliedern „dogmatischer rechter oder linker Gruppen“ die Beteiligung an der GLSH, was sich jedoch in erster Linie gegen den Kommunistischen Bund (KB) richtete, der von Hamburg aus auf die grünalternative Szene Norddeutschlands ausstrahlte.237 Springmann avancierte in der Folgezeit wiederum zu einer der prominentesten Leitfiguren in der Formierungsphase der Grünen und galt, gemeinsam mit Herbert Gruhl als führender Vertreter der ökologischen Rechten mit zahlreichen Kontakten und ideologischen Schnittpunkten zur rechtsextremen Szene.

3.3.1.2 Die Grüne Aktion Zukunft (GAZ)

Vom Bundestagsabgeordneten Herbert Gruhl238 einen Tag nach seinem Austritt aus der CDU im Juli 1978 gegründet, entwickelte sich die Grüne Aktion Zukunft (GAZ) zum Sammel- becken der antimodernistisch-konservativen Rechten innerhalb der grünen Wahlbewegung. Sie positionierte sich vor allem gegen die Partizipation linksalternativer Kräfte und lehnte deren „radikaldemokratische Experimente“ ab.239 Zwar als Partei konzipiert, entsprach die GAZ eher einem Honoratiorenclub, der auf Gruhl als zentrale politische Leitfigur zugeschnitten war.240 Durch seinen Bestseller „Ein Planet wird geplündert“ wurde Herbert Gruhl 1975 einer der einflussreichsten Stichwortgeber der bundes- deutschen Umweltbewegung. Darin deutete er die sich mehrenden Krisenphänomene als Kennzeichen eines stattfindenden Überlebenskampfs der Menschheit, untermalt mit einem kulturpessimistischen, apokalyptischen Grundton. Gruhls autoritärer Führungsanspruch, seine Ideen einer einzurichtenden Überlebensdiktatur und die mangelnde Verankerung der GAZ in

Noch kurz vor seinem Tod tauchte er am Pressefest des NPD-Organs Deutsche Stimme auf. Vgl. Walter, 237- 240 und Mende, Gründungsgrünen, 244-249; vgl. Oeser (1980), 444f, 459f, 462f. 237 Vgl. Hallensleben, 159. Siehe auch: Stöss (1980a), 265. 238 Herbert Gruhl (1921-1993) gilt als radikalster Vertreter einer konservativen Kulturkritik innerhalb der frühen Grünen, predigte eine Ethik des Verzichts und forderte die Abkehr vom anthropozentrischen Weltbild. Später schwenkte er offen auf eine rassistische und fremdenfeindliche Linie ein, indem er etwa einen „Einwande- rungsstopp“ aus ökologischer Notwendigkeit forderte und eine „Durchmischung“ unterschiedlicher Kulturen ablehnte. In seinem Buch „Himmelfahrt ins Nichts“ (1992) äußerte er die offene Vernichtungsphantasie, in welcher er die Atombombe als Erlösung für die „Dritte Welt“ beschrieb, da hier aufgrund der Überbevölke- rung akuter Platzmangel herrsche. Gruhl saß seit 1969 für die CDU im Bundestag, wo er sich als Umwelt- schützer gegen die „blinde Ideologie des Wachstums“ wandte, die zur „Selbstausrottung“ führe. Außerdem war er von 1975-77 Vorsitzender des Bundes für Umweltschutz und Naturschutz Deutschland (BUND). Am 11. Juli 1978 verließ er die CDU und gründete die GAZ, war 1979/80 Mitbegründer der Grünen und ab 1981 langjähriger Parteivorsitzender der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP). 1989 verließ er die Partei auf- grund ihrer Abgrenzung zur rechtsextremen Szene und gründete die Unabhängigen Ökologen Deutschlands (UÖD). Darüber hinaus publizierte er in den neu-rechten Magazinen Mut, Wir selbst und in der NPD-nahen Nation Europa. Für die Autorin und ehemalige Grüne Jutta Ditfurth ist Gruhl das Paradebeispiel eines „Öko- faschisten“. Vgl. Mende, 72-78 und 302f; vgl. Ditfurth (1997), 233-238 und 247. Siehe auch: Schulze (2012b), 63-65; Gugenberger (1987), 163-165; Geden, 52f und 57f. 239 Vgl. Hallensleben, 158. 240 Vgl. Ebd., 161. - 59 -

den Basisinitiativen, da sie „von oben herab“ initiiert worden war, sorgten jedoch für Vor- behalte und Ablehnung innerhalb der grünalternativen Szene.241 Als Bastion der ökologischen Rechten zog die Partei diejenigen an, die keine demokratischen oder sozio-ökonomischen Veränderungen anstrebten, einem autoritären Führungsstil zu- neigten und eine Verbesserung der Lebensumstände durch eine Ethik des Verzichts erreichen wollten.242 Nach Gründung der Partei Die Grünen sammelte sich dieses Spektrum als Gegen- gewicht zur linken Hegemonie in der Arbeitsgemeinschaft ökologische Politik (AGÖP). In Folge der endgültigen Niederlage im innergrünen Machtkampf und anschließenden Auszug der rechtsökologischen Fraktion formierte sich diese als Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) im Herbst 1981 neu.243 Im Frühjahr 1989 kam es aufgrund der Frage des Verhältnisses zur rechtsextremen Szene schließlich zu einer neuerlichen Spaltung, bei der Gruhl und seine Getreuen die ÖDP verließen und daraufhin die weit rechts stehenden Unabhängigen Ökologen (UÖD) gründeten. Dabei handelte es sich um eine Vereinigung, die in erster Linie als ideologischer Stichwortgeber für das rechtsökologische Milieu fungierte und das Spek- trum von ÖDP, WSL bis hin zu den Republikanern und der Neuen Rechten beeinflusste.244 Der von Gruhl und seiner GAZ repräsentierte „Wertkonservatismus“ bestand in einer „rück- wärts gewandte[n] Idealisierung vermeintlich harmonischer Gesellschaftsmodelle, die es gegen die Tendenzen der Moderne wiederherzustellen gelte“245. Als „wahre“ Konservative trat man gegen den ökologischen Raubbau und den Imperativ vom Wirtschaftswachstum auf, verdammte den vorgeblichen Kult des materiellen Wohlstands und wähnte sich am Vorabend einer globalen Apokalypse. Ressentiments richteten sich aber nicht nur gegen die herrschende Ökonomie, sondern gegen die Moderne in ihrer Gesamtheit. Damit verbarg sich hinter dem Begriff Wertkonservatismus ein Antimodernismus, den ein manifest kulturpessimistisch- antihumanistisches Weltbild kennzeichnete.246 Die gesunde und intakte Familie wurde als Voraussetzung für ein gesundes Staatswesen erklärt, so festgehalten im „Grünen Manifest“ der GAZ, das unter Mitwirkung von Christa Meves entstand. Ditfurth zufolge war sie eine der einflussreichsten AbtreibungsgegnerInnen und BiologistInnen der rechtsextremen Szene, referierte etwa in der rassistisch-eugenischen Gesellschaft für biologische Anthropologie,

241 Vgl. Kleinert (1992a), 26. 242 Vgl. Mende, 83 und Kleinert (1992b), 21. 243 Vgl. Volmer, 59. 244 Vgl. Geden, 87-92. 245 Hüllen, 152. 246 Vgl. Volmer, 57f. - 60 -

Eugenik und Verhaltensforschung, die auch Neonazis wie oder Rolf Kosiek Auftrittsmöglichkeiten einräumte.247

3.3.1.3 Die Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher (AUD)

Die Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher (AUD) war eine 1965 gegründete Kleinst- partei, die dem sog. „nationalneutralistischen“ Lager zuzurechnen war und als eine der Grün- dungsgruppierungen 1979/80 geschlossen in der Partei Die Grünen aufging.248 Im Laufe dieses Wegs von weit rechts zur Integrationspartei im grünen Parteigründungsprozess hatte sich die AUD als erstaunlich pragmatisch und wandlungsfähig gezeigt. Dominante Führungs- figur war August Haußleiter, der 1980 in Saarbrücken zu einem von drei gleichberechtigten Vorsitzenden der Grünen gewählt wurde, aber kurz danach aufgrund seiner rechtslastigen Vergangenheit zu Fall kam.249 Haußleiter blieb jedoch im grünen Landesverband Bayern aktiv und zog 1986 sogar in den Landtag ein. Die AUD war Nachfolgerin der Deutschen Gemeinschaft (DG), die in den 1950er Jahren innerhalb der rechtsextremen Szene zur Minderheit des national-neutralistischen Spektrums zählte. Dessen Ziel bestand in der Wiedererrichtung eines blockfrei-neutralen „Deutschen Reiches“ unter Einschluss der ehemaligen Ostgebiete, was durch Verhandlungen mit der UdSSR erreicht werden sollte. Proklamiert wurde ein „Deutscher Sozialismus“ im Sinne des nationalsozialistischen Strasser-Flügels. Mit der Gründung der Nationaldemokratischen Partei (NPD) im November 1964 war es auch zur Neukonsolidierung des national-neutralis- tischen Lagers gekommen, woraus schließlich die Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher (AUD) hervorging.250 Noch im Jahr der Gründung verhandelte die AUD aus wahl- taktischen Gründen mit der NPD über ein gemeinsames Wahlbündnis für die Bundestags-

247 Vgl. Ditfurth (1997), 248f. 248 Vgl. Mende, 94f. 249 August Haußleiter (1905-1989) gilt als einer der wichtigen Gründungsfiguren der bundesdeutschen Grünen. In den 1920er Jahren deklarierte er sich als „deutscher Sozialist“ im Sinne des nationalsozialistischen Strasser-Flügels. 1923 nahm er als 18jähriger am Hitler-Putsch teil und wurde danach Mitglied der national- liberalen Deutschen Volkspartei (DVP). Als Redakteur des Fränkischen Kuriers überwarf er sich 1939 mit Gauleiter und Stürmer-Herausgeber Julius Streicher und wurde daraufhin zum Kriegsdienst eingezogen. Nach 1945 stellvertretender CSU-Vorsitzender, trat er 1949 aus nationalistischen Gründen gegen Westinte- gration und für die deutsche Wiedervereinigung ein. 1949/50 begründete er die Deutsche Gemeinschaft (DG), die außenpolitisch national-neutralistisch, gesellschaftlich eine „organische Gemeinschaftsordnung“ als „Dritten Weg“ vertrat. Die DG kooperierte mit revisionistischen und rechtsextremen Gruppierungen, Haußleiter selbst lehnte die Nürnberger Prozesse und die Entnazifizierung ab. Mit der DG-Nachfolgepartei AUD (1965) beteiligte er sich an der Einigung der Grünen und wurde 1979/80 einer von drei Vorsitzenden, bevor er im Juni 1980 aufgrund der Diskussion über das verfasste Kriegstagebuch „An der Mittleren Ost- front“ (1941) zurücktreten musste. Auch danach blieb er Herausgeber der Wochenzeitung Die Grünen und in der bayrischen Landesgruppe aktiv. Vgl. Mende, 94-99. Siehe auch: Volmer, 61 und Bierl (2014), 54. 250 Die AUD war das Ergebnis des Zusammenschlusses von drei national-neutralistischen Gruppen, der Deutschen Gemeinschaft (DG), der Deutschen Freiheitspartei (DFP), eine Abspaltung der NATO-freund- lichen Deutschen Reichspartei (DRP) des späteren NPD-Vorsitzenden Adolf von Thadden, und der Vereini- gung Deutsche Nationalversammlung (VDNV). Vgl. Stöss (1980a), 196f. Siehe auch: Hüllen, 141f. - 61 -

wahlen des Jahres 1965. Innerhalb des „nationalen Lagers“ betrachtete man sich aber als Gegenspielerin der NPD, ging es der AUD doch weniger um einen antikommunistischen Kampf gegen die politische Linke als um eine geeinte völkische Opposition bzw. deutsche Volksbewegung jenseits von rechts und links.251 In der Ablehnung von Westintegration, kapitalistischem Materialismus und amerikanischer Außenpolitik traf man sich mit der außerparlamentarischen Linken (APO). Die Appelle gegen die atomare Bewaffnung brachten die AUD wiederum in Einklang mit der Friedensbewegung, auch wenn es ihr in erster Linie um das Überleben des eigenen Volkes ging, das vom Atom- krieg zwischen Ost und West bedroht gesehen wurde. Bereits im Jahr 1973 hatte man auch die Hinwendung zum Thema Ökologie vollzogen, die man „mit den alten nationalrevolutio- nären Zielprojektionen eines ‚Dritten Weges‘ […] zwischen Industriekapitalismus und Kommunismus verwoben“ hatte.252 Gefordert wurden etwa eine dezentrale Verwaltung, mehr Autonomierechte und die Fokussierung auf kleine Wirtschafts- und Verwaltungseinheiten, Positionen, die auch von der Neuen Rechten aufgegriffen wurden.253 Im Unterschied zur „Alten Rechten“ betrachtete sich dieses Spektrum des „Neuen Nationalis- mus“ nicht als Widerpart von APO und formierender Alternativ- und Ökologiebewegung, sondern interpretierte diese Entwicklung als entstehende Volksbewegung jenseits der als anti- quiert abgelehnten politischen Zuordnungen. Die APO erschien dabei als Opposition zum herrschenden polit-ökonomischen System und strahlte deshalb auch eine besondere Attrak- tivität für die AUD aus. Mit programmatischen Zugeständnissen wie einem ausdrücklichen Verzicht auf Wiederbewaffnung und eine deutsche Großmachtrolle, sowie der Forderung nach einer plebiszitären Demokratie, versuchte man sich der APO anzudienen. Darüber hinaus modifizierte man den eigenen völkischen Sozialismus rhetorisch, um ihn dem sozialis- tisch-revolutionären Habitus der Linken anzupassen.254 Umweltschutzforderungen waren von Beginn an Teil des politischen Programms der AUD, mit ihrer Popularisierung in den siebziger Jahren versuchte man sich als originäre Öko-Partei darzustellen, um gleichzeitig die Gründung konkurrierender grüner Parteien zu verhindern.255 Die noch richtungslos auftretende Umweltbewegung, die hauptsächlich in Form von sog. Ein- Punkt-Initiativen in Erscheinung trat, wurde als ideales Agitationsfeld erkannt, als deren

251 Analog zur Neuen Rechten lehnte die DG/AUD die Gesellschaftssysteme der USA und UdSSR ab und warf den Supermächten eine imperialistische und wirtschaftskolonialistische Politik vor. Statt westlichem oder östlichem Materialismus sollte ein „dritter Weg“ einer organisch-harmonischen Ordnung verwirklicht werden. Vgl. Stöss (1980a), 201-203. 252 Vgl. Walter, 239. Siehe auch: Dudek (1983), 34f. 253 Vgl. Peters (1980a), 11. 254 Vgl. Hüllen, 143f. Siehe auch: Volmer, Grünen, 60. 255 Vgl. Hallensleben, 158. - 62 -

parteipolitischer Arm sich die AUD zu entwickeln hoffte. Im Jahr 1971 nahm man an den Protesten gegen die Atomkraftwerke Wyhl und Kalkar teil, verabschiedete im März 1973 ein „Manifest des Lebensschutzes“ und erklärte sich zur „erste[n] Umweltschutzpartei Deutsch- lands“.256 Für den Politikwissenschaftler und Parteibiographen Richard Stöss ist die AUD damit kein Produkt der Bewegung, sondern hätte sich mit Beginn der 1970er aus taktischen Gründen dem ökologischen Diskurs angepasst, wobei sie erstaunlich pragmatisch agiert hätte.257 Ein besonderes Naheverhältnis bestand dabei zum Weltbund zum Schutze des Lebens (WSL), der ab 1974 von Werner Georg Haverbeck angeführt wurde. Viele Mitglieder enga- gierten sich in beiden Organisationen, auch die WSL-Spitze um Haverbeck trat regelmäßig im Zusammenhang mit der AUD in Erscheinung.258 Der Lebensschutz-Gedanke verband sich hier mit einer volksgemeinschaftlich orientierten Parteien- und Staatskritik, womit ein organisch konzipierter Antikapitalismus als Antwort auf die moderne Krisengesellschaft formuliert wurde.259 Kontakte bestanden seit Ende der sechziger Jahre auch zur anthroposophischen Szene, v.a. zum sog. Achberger Kreis und zum Künstler Joseph Beuys, der 1973 die Freie Internationale Universität begründete. Beuys kandidierte 1976 sogar für die AUD bei den Bundestags- wahlen. Auch prominente Grüne wie Petra Kelly, Hartmut Gründler, Robert Jungk oder Paul Blau wirkten ab Mitte der 1970er Jahre an Veranstaltungen der AUD mit.260 Dennoch gelang es ihr nicht, sich als politischer Arm der Grünen Bewegung zu etablieren, trotz der sich immer häufiger artikulierenden Umweltinitiativen. Im Oktober՚78 kandidierte die AUD etwa ge- meinsam mit ExponentInnen der GAZ bei den bayrischen Landtagswahlen mit dem Namens- zusatz Die Grünen, kam jedoch nicht über zwei Prozent der Wählerstimmen hinaus.261 Dieses Scheitern führte zur Neupositionierung von Haußleiter und seiner AUD, die sich auf- grund der zunehmenden Polarisierung der grünen Wahlbewegung zusehends als Integrations- faktor zwischen dem konservativ-rechtsökologischen und dem linksalternativen Spektrum verstand.262 Die AUD, die sich selbst jenseits von rechts und links wähnte, sah in dieser Polarisierung die Chance, als Vermittlerin aufzutreten und die Ökologie-Bewegung program- matisch und politisch zu koordinieren. Das Zustandekommen der Parteigründung 1979/80 war

256 Vgl. Mende, 114f. 257 Vgl. Stöss (1980a), 275. 258 Vgl. Mende, Gründungsgrünen, 103. Siehe auch: Volmer, Grünen, 60. 259 Vgl. Hüllen, 144. 260 Vgl. Mende, 116f. 261 Vgl. Hallensleben, 162 und Stöss (1980a), 271f. 262 Gegen die Öffnung nach links kämpfte v.a. der wertkonservative Flügel um Gruhl und Springmann an. Mit Gründung der Grünen im Frühjahr 1980 war die Integration der Linken abgeschlossen, gewerkschaftliche Forderungen wie die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich oder das Eintreten für Minderheiten wurden Teil des Programms. Diese Entwicklung bildete den Hintergrund für den Auszug der ökologischen Rechten. Vgl. Bierl (2014), 53. - 63 -

damit wesentlich auf das Agieren Haußleiters zurückzuführen, dessen Handeln primär von einem machtpolitisch-taktischen Kalkül bestimmt gewesen sein dürfte.263

3.3.2 Der Parteibildungsprozess

Ende der 1970er Jahre setzte sich innerhalb der grünen Wahlbewegung die Erkenntnis durch, dass nur ein Zusammenschluss aller grünen Strömungen eine realistische Chance auf eine er- folgreiche bundesweite Kandidatur biete. Im Juli 1977 fand sich ein heterogenes Ensemble auf einem Kongress in Kassel ein, wo die Idee einer bundesweiten Umweltpartei erstmals breit diskutiert wurde. Das Spektrum reichte von der anthroposophischen Szene über Expo- nentInnen des WSL bis zu Rudi Dutschke, Aushängeschild der deutschen 68er-Bewegung. In der Folgezeit avancierte vor allem das Zentrum des Lebensschutzes, das in Vlotho, zur organisatorischen Drehscheibe des Projekts einer grünen Einheitspartei. -Wetzel, die selbst zur Führungsspitze des WSL-BRD zählte, plädierte 1978 etwa für eine möglichst breite Koalition, von sozialistischen Gruppen bis ins äußerste rechte Seg- ment. Daraus entwickelte sich schließlich ein Wahlbündnis mit bürgerlich-konservativem Charakter für die Europawahlen 1979, das als Sonstige Politische Vereinigung Die Grünen (SPV Die Grünen) kandidierte und mit 3,2% einen Achtungserfolg erzielen konnte.264 In der Folgezeit versuchte man mit restriktiven Mitteln, die Partizipation des linksalternativen Milieus an der geplanten grünen Parteigründung zu begrenzen. Eine mögliche Konkurrenz durch eine Bunte und Alternative Gegengründung galt es jedoch zu verhindern, sodass eine vorsichtige Öffnung der Europa-Grünen einsetzte. Im Laufe des folgenden Jahres setzten sich im Zuge der Gründung der Bundespartei Die Grünen dann zunehmend linksorientierte, eman- zipatorische Strömungen durch. Deren Politikverständnis ließ sich nicht auf ein „Primat der Ökologie“ reduzieren und auch rechte Positionen stießen zunehmend auf Widerspruch. Bereits im Saarbrücker Programm zeigte sich diese linke Handschrift, die eine Entfremdung des rechtsökologischen Flügels nach sich zog. Besonders feministische, friedenspolitische und soziale Anliegen rückten nun in den Fokus, was zum Auszug der ökologischen Rechten führte, der bis Ende 1981 abgeschlossen war.265 Nur in den südlichen Bundesländern über- dauerte das konservative Grünsegment, das in Anbetracht des Fehlens einer starken links- alternativen Gegenströmung relativ unbehelligt Strukturen aufbauen konnte. Hier dominierten

263 Vgl. Hüllen, 235; vgl. Mende, 94; vgl. Stöss (1980a), 265 und 282. 264 Vgl. Bierl (2014), 52f. 265 Vgl. Hallensleben, 156f und Geden, 84. - 64 -

weiterhin Restbestände von GAZ und AUD, in Baden-Württemberg auch der anthropo- sophisch orientierte Achberger Kreis.266

3.3.2.1 Die Europa-Grünen

Die Kandidatur der SPV Die Grünen bei den Europawahlen im Juni 1979 war der Probe- galopp zur geplanten Parteigründung und bevorstehenden Bundestagswahl in der BRD. Das Wahlbündnis repräsentierte vorwiegend das bürgerlich-konservative Grünspektrum, die Bunten und Alternativen hatten sich an der Plattform aus ideologischen Gründen und aus Skepsis gegenüber der politischen Europaidee nicht beteiligt.267 Das Projekt einer grünen Einheitspartei wurde wesentlich vom Umfeld von AUD und WSL vorangetrieben und ab Jänner 1978 konkretisiert. Bereits einige Monate zuvor hatte sich der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU), der bundesdeutsche Dachverband der Umweltinitiativen, für die Kandidatur einer grünen Plattform bei den Europawahlen ausge- sprochen. Im September՚78 fand unter maßgeblicher Federführung des WSL-Präsidenten Haverbeck in Vlotho ein erstes Treffen statt. Ihm gelang es, sein Collegium Humanum (CH) zu einem Zentrum der formierenden Grünen zu machen. Dabei beteiligten sich August Hauß- leiter als Sprecher der AUD, Herbert Gruhl (GAZ), die Anthroposophen Joseph Beuys und Wilfried Heidt, der als Chefideologe des Achberger Kreises galt, sowie Georg Otto, Propa- gandist von Gesells Freiwirtschaftslehre und Vertreter der GLU. Dieser Kreis unterhielt trotz der unübersehbaren rechten Schlagseite regen Austausch mit Rudi Dutschke, der sich in Kon- frontation mit der linkssozialistischen Sektenszene neu orientierte.268 Auch VertreterInnen der Bunten und Alternativen nahmen als BeobachterInnen an den insgesamt drei Koordinations- treffen zwischen dem Herbst՚78 und Februar՚79 in Vlotho teil. Im Frühjahr gelang schließlich die Realisierung der Wahlplattform, bei der sich allerdings weder das linksalternative Spektrum noch die überparteilichen Verbände BBU und WSL be- teiligten. Getragen wurde die Kandidatur hauptsächlich von GAZ, AUD, GLU, dem Achberger Kreis und der GLSH, aus deren Reihen Baldur Springmann stammte. Herbert Gruhl, August Haußleiter und Helmut Neddermeyer (GLU) bildeten das Vorsitzendentrio dieser SPV Die Grünen. Zu den bekanntesten KandidatInnen zählten Petra Kelly, die der Frauen- und Antiatomkraftbewegung entstammte, Gruhl und Springmann, Joseph Beuys, der ČSSR-Dissident Milan Horáček, der Widerstandskämpfer Heinz Brandt und die Schriftsteller

266 Vgl. Kleinert (1992b), 26. 267 Vgl. Kleinert (1992a), 27. 268 Vgl. Fogt (1987), 142. - 65 -

Heinrich Böll und Carl Amery. Rudi Dutschke warb für die Europa-Grünen mittels bundes- weiter Wahlkampftournee. Die Plattform verstand sich als Bündnis von UmweltschützerInnen, Wertkonservativen und Alternativen, in bewusster Abgrenzung zu sog. linkssektiererischen Einflüssen. Integraler politischer Knotenpunkt bildete das Thema Ökologie in all seinen Variationen und Interpreta- tionen, was sowohl Versatzstücke einer konservativen Zivilisationskritik als auch diverse „Dritte Weg“-Ideen beinhaltete. Der Politikwissenschaftler Rudolf van Hüllen charakterisierte dies folgendermaßen: „Die Kombination aus der ‚neuen Leitwissenschaft‘ Ökologie als Schlüsselprinzip der Politik, als neues ‚Paradigma‘, mit Überresten des ‚deutschen Sonder- bewusstseins‘, vermochte zunächst eine erstaunliche ideologische Zustimmungsfähigkeit zu mobilisieren.“269 Bereits in der Präambel des Europa-Programms war übrigens von „vier Säulen“ die Rede, was später zum Selbstverständnis der Partei werden sollte. Als Leitfigur dieser ersten Grünen avancierte Petra Kelly, die mit ihrer Betroffenheitsrhetorik und ihrem Moralismus stilbildend wurde.270 Mit dem Wahlergebnis von 3,2% und beinahe 900.000 Stimmen gelang der SPV Die Grünen im Juni 1979 schließlich ein Achtungserfolg, der zum Fundament für die ein halbes Jahr später folgende Parteigründung werden sollte. Die Bunten und Alternativen hatten diese Entwicklung dagegen mit äußerster Besorgnis beob- achtet, schien sich doch durch diese bundesweite Kandidatur eine grüne Blockbildung abzu- zeichnen.271 Es stellte sich die Frage, ob man an der neuen Partei mit konservativem Profil partizipieren oder stattdessen eine eigene linksalternative Gegengründung einleiten sollte.272 Dies ähnelt in verblüffender Weise jener Situation in Österreich des Spätherbstes 1982, als die Formierung der Vereinten Grünen und ihre Ankündigung zur Nationalratskandidatur eine Reaktion der tendenziell links ausgerichteten alternativen Wahlbewegung notwendig machte. In der BRD erfolgte schließlich die Entscheidung zum Einstieg ins Parteiprojekt Die Grünen, womit die Mitgliederzahl bis zum Dezember՚79 von 2.500 auf 10.000 Personen anstieg.273 Grundlage bildete die Entwicklung innerhalb der Europa-Grünen, die im November eine Um- gründung der Wahlplattform in eine Wahlpartei beschlossen hatten, die im Jänner 1980 er- folgen sollte. Dadurch konnten die lukrierten Finanzmittel der Europawahl behalten und das Gros der bunt-alternativen Gruppierungen aus der Partei rausgehalten werden. Als der Ver- such von Springmann jedoch misslang, einen Unvereinbarkeitsbeschluss für Doppelmitglied- schaften zu erwirken, der sich aufgrund der formulierten Ausnahmen dezidiert gegen die

269 Hüllen, 253. 270 Vgl. Volmer, 91-93 und Kleinert (1992b), 22f. 271 Vgl. Mende, 283f und Stöss (1980a), 276-278. 272 Vgl. Volmer, 91. 273 Vgl. Ditfurth (2000), 67ff und 84. - 66 -

Linke richtete, war die Öffnung der Europa-Grünen eingeleitet. Besonders Rudolf Bahro274 hatte sich in einer halbstündigen Rede bei dieser Versammlung in Offenbach vehement für ein Zusammengehen von Rot und Grün ausgesprochen. Der Hauptgrund für die Öffnung dürfte jedoch an der 5%-Klausel gelegen sein, die zum Einzug in den Bundestag übersprungen werden musste, sodass der Verzicht auf das Wählerpotential der Bunten als unklug erschien. Die Diskussion um die sog. Doppelmitgliedschaften blieb bis zur vollzogenen Parteigründung jedoch das beherrschende Thema, bei der sich seltsame Koalitionen einstellten.275 Während sich der völkisch bewegte Ökobauer Springmann gemeinsam mit Rudi Dutschke, dem Wort- führer der 68er, für eine Abgrenzung zur linkssozialistischen Szene einsetzte, plädierten Bahro und der deutschnationale August Haußleiter für eine Integration aller linken Kräfte.276

3.3.2.2 Parteigründung und Auszug der ökologischen Rechten

Am 12. und 13. Jänner 1980 fand in der Stadthalle in Karlsruhe der Gründungskongress der Bundespartei Die Grünen statt. Im Mittelpunkt stand das Finden eines Kompromisses „zwischen Grünen hüben und Bunten, Alternativen und Roten drüben“. Nicht zufällig lautete das Motto: „Von Gruhl bis Dutschke“.277 Zu Beginn schlug das Pendel noch stark nach rechts, als die Gründungsversammlung mit ein- deutiger Mehrheit den 254 Delegierten bunter und alternativer Gruppen, die nicht als Mit- glieder der SPV Die Grünen aufschienen, das Stimmrecht verweigerte und als Parteigäste von der Diskussion ausschloss. Gleichzeitig proklamierte der baden-württembergische Landesvor- sitzende Hasenclever in seiner Eröffnungsrede, die Grünen wären „keine Melonenpartei – außen grün und innen rot“. Hauptdiskussionspunkte bildeten die Satzung, vor allem die Formulierung der Präambel, und ein gegen die Linke eingebrachter Unvereinbarkeits-

274 Rudolf Bahro (1935-1997) gehörte zu den prominentesten Persönlichkeiten der Grünen der ersten Jahre. Auf- grund seines Buches Die Alternative (1977) war Bahro, selbst Mitglied der SED und Funktionär der DDR- Industrie, verhaftet und anschließend in die BRD abgeschoben worden. Er beteiligte sich 1979/80 an der Gründung der Grünen und wurde anfangs dem linken Fundi-Flügel zugerechnet. Bahro wandte sich in Folge zusehends spirituell-esoterischem Gedankengut zu, wobei er auf Ideen der Lebensreform zurückgriff. Nach dem Auszug der ökologischen Rechten (1980/81) avancierte Bahro zum Hauptvertreter der antimodernisti- schen Industriekritik und entdeckte durch sein Engagement in der Friedensbewegung die „deutsche Frage“ für sich. 1985 verließ er die Grünen und wandte sich der New Age-Szene zu, wo er in Folge von den posi- tiven Seiten der Nazibewegung sprach, die er als Vorläufer der grünen „Ökopax“-Bewegung interpretierte. Im Wendejahr 1990 schwärmte Bahro für einen „grünen Adolf“ und veranstaltete gemeinsam mit dem Rechtsextremisten Alfred Mechtersheimer Seminare über „Volks- und Nationalcharaktere“. Vgl. Bierl, (2014), 60-62 und Schulze (2012b), 67-69. Siehe auch: Volmer, 115f; Wölk (1991), 142; Gugenberger (1987), 165; Ditfurth (2000), 82. 275 Die Forderung bürgerlich-konservativer Grüner nach einem Verbot von Doppelmitgliedschaften richtete sich implizit gegen die organisierte Linke und zielte nicht auf ideologische Unvereinbarkeiten ab. Auch Teile der sog. „undogmatischen“ Linken, die bereits andernorts in Konflikt mit „dogmatischen“ K-Gruppen gekom- men waren, lehnten deren Beteiligung ab. Vgl. Volmer, 94-96. Siehe auch: Ditfurth (2000), 78. 276 Vgl. Kleinert (1992b), 25 und 28f; vgl. Hüllen, 199f. Siehe auch: Klein (2003), 40f. 277 Vgl. Bieber (2011), 146. - 67 -

beschluss, der mit knapper Mehrheit beschlossen wurde. Auch Bahros Versuch, sich als Ver- binder von Links und Rechts zu inszenieren, indem er „Grün“ zum historischen Kompromiss und Bindeglied zwischen den zwei gegensätzlichen politischen Polen erklärte, nutzte vorerst nichts.278 Erst mit der benötigten Zwei-Drittel-Mehrheit für die Umgründung der SPV Die Grünen in die neue grüne Bundespartei, womit die Mitnahme der Wahlkampfkostenrückerstattung ver- knüpft war, schlug die Stunde der Linken. Als Zugeständnis für ihre Zustimmung forderten sie eine Aufweichung der Unvereinbarkeitsbestimmung. Statt einer zentralen Regelung sollten die grünen Landesverbände autonom über die Frage der Mitgliedschaft entscheiden dürfen. In der allgemeinen Hektik und aufgrund des Drucks, die Gründung doch noch in Karlsruhe zu vollziehen, führten schließlich zur Annahme der Forderung. Mit dieser Lösung schien vorerst auch die Parteirechte um Gruhl leben zu können. Mindestens drei Landes- verbände, Nordrhein-Westfalen, Berlin und Hamburg, ließen aber schon zu diesem Zeitpunkt erkennen, dass sie eine Öffnung gegenüber der linkssozialistischen Szene anstrebten. Deshalb wurde bereits von damaligen BeobachterInnen der „totale Verlust einer grünen Identität“ beklagt, sodass in Karlsruhe lediglich eine „sozialistische Partei mit ökologischem Anstrich entstanden“ sei.279 Die Verabschiedung eines Programms und die Wahl eines regulären Vor- stands wurden dagegen auf einen späteren Zeitpunkt verschoben, dennoch votierten neunzig Prozent der Delegierten schlussendlich für die Gründung der Partei Die Grünen.280 Mit Karlsruhe war der Abgrenzungskurs der ökologischen Rechten endgültig fehlgeschlagen, was auch dem taktischen Geschick der Linken zuzuschreiben war, die den Zeitdruck und das heterogene Publikum zu ihrem Vorteil zu nutzen wusste. Besonders der rasante Mitglieder- zuwachs in den Monaten vor Karlsruhe, der die Herausbildung einer moderaten Mittelgruppe bewirkte, ließ die rechte Einigungsstrategie scheitern. Diese wurde zum Zünglein an der Waage und war aufgrund ihres ambivalenten Abstimmungsverhaltens für eine Reihe zu- fälliger Mehrheitsbildungen und widersprüchlicher Beschlüsse verantwortlich.281 Gescheitert war auch das Bestreben der Rechten, eine konventionelle, autoritäre Partei mit hierarchischer Struktur zu schaffen. Inhaltlich konnte lediglich eine Verpflichtung aufs Grundgesetz durch- gesetzt werden, bei Themen wie Frauenrechte oder Homosexualität stand sie dagegen auf ver- lorenem Posten.282 Im Laufe der nächsten Monate vollzog die gerade erst gegründete Partei eine konsequente Linkswendung, Folge einer verstärkt einsetzenden Beitrittswelle jüngerer,

278 Vgl. Kleinert (1992b), 31f; vgl. Hüllen, 240f. 279 Vgl. Bieber, 147f. 280 Vgl. Stöss (1980a), 281; vgl. Volmer, 97. 281 Vgl. Kleinert (1992b), 34. 282 Vgl. Kleinert (1992a), 28; vgl. Hüllen, 243. - 68 -

linksorientierter AktivistInnen. Die Parteirechte kam dadurch zunehmend unter Druck und formierte sich als Arbeitsgemeinschaft ökologische Politik bei den Grünen (AGÖP) neu, der sich besonders Baldur Springmann verschrieb. Die klare politische Abgrenzung trug jedoch nur zur Festigung der eigenen Minderheitenposition bei, womit sich aus rechter Perspektive der Alptraum von der Melonenpartei zu erfüllen schien.283 Der nächste Schlag erfolgte schließlich im März in Saarbrücken bei der Programmdiskussion, wo die Gegensätze besonders im Bereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik aufeinander prallten, wie auch bei den Themen Abrüstung oder beim Selbstbestimmungsrecht der Frau, das mit der Frage des Schwangerschaftsabbruchs in engem Konnex stand. Die Forderung nach einer kompromisslosen Abschaffung des Abtreibungsparagraphen stellte eine einzige Provokation für die Parteirechte dar. Selbst in den Debatten zur Ökonomie setzten sich links- gewerkschaftliche Positionen durch. Auch das Eintreten für Menschenrechte und umfassende Demokratisierung widersprach konservativ-autoritären Positionen, deren RepräsentantInnen es allein um die sog. Gattungsfrage ging, soziale oder feministische Anliegen sollten dagegen ausgeklammert bleiben. Das schließlich verabschiedete Kompromisspapier beinhaltete teil- weise widersprüchliche Aussagen, besaß jedoch einen deutlich systemkritischen Zungen- schlag. Einigkeit herrschte dagegen über die vier programmatischen Prinzipien grüner Politik, identifiziert mit den Attributen ökologisch, sozial, basisdemokratisch und gewaltfrei, deren Reihenfolge nicht zufällig gewählt war.284 Aus Enttäuschung über das verabschiedete Pro- gramm mit linksgerichteten Konturen verzichteten sowohl Herbert Gruhl als auch Baldur Springmann auf eine Kandidatur zu den Vorstandswahlen. Das erste Sprechertrio bestand schließlich aus August Haußleiter, Petra Kelly und Norbert Mann. Besonders der AUD-Vor- sitzende agierte in dieser Phase als Integrationsfigur innerhalb der stark auseinanderdriftenden Gruppen.285 Mit der dritten Bundesversammlung im Juni 1980 in Dortmund endete die Gründungsphase der Partei Die Grünen. Markiert wird dieser Abschluss durch die endgültige Niederlage der ökologischen Rechten, die sich in der Folgezeit aus dem grünen Parteiprojekt zurückzog, was einer Abgrenzung nach rechts gleichkam. Symbolisch manifestiert sich diese Trennung in der

283 Vgl. Kleinert (1992b), 49f. 284 Das Eintreten für Ökologie bildete den unstrittigen, kleinsten gemeinsamen Nenner. Mit dem Grundwert „sozial“ konnte sich eine auf Gleichheit und Gerechtigkeit hin orientierte Maxime durchsetzen, die im Sinne eines „nationalen Sozialismus“ aber auch von ExponentInnen der AUD und des WSL gutgeheißen wurde. Mit dem Wert „basisdemokratisch“ setzte sich die antiautoritäre Linke flankiert vom anthroposophischen Spektrum gegenüber den Kaderansprüchen der eingemeindeten K-Gruppen und den autoritär-hierarchischen Modellen des rechten Lagers durch. Die Forderung nach Gewaltfreiheit erhielt in Anbetracht der Eskalation des sog. „Deutschen Herbstes“ von allen Seiten Zustimmung. Statt eines/r Vorsitzenden gab es drei gleich- berechtigte SprecherInnen, eine Frauenquote, die Autonomie kommunaler Verbände und darüber hinaus sollten alle Sitzungen öffentlich stattfinden. Vgl. Klein (2003), 72f. Siehe auch: Ditfurth (2000), 70. 285 Vgl. Klein (2003), 40f; vgl. Volmer, 98-103. Siehe auch: Kleinert, (1992b ), 50f. - 69 -

Abstimmungsniederlage Gruhls, der nach dem Rückzug Haußleiters als dritter Parteisprecher kandidierte. Gruhls Nichtwahl stellte eine öffentliche Demütigung für die Parteirechte dar und bildete den Anlass für die Reetablierung der GAZ bzw. Gründung der ÖDP ein Jahr später.286 Auch auf kommunaler Ebene setzte ein Trennungsprozess ein. In Schleswig-Holstein kam es etwa zur Austrittswelle einer Vielzahl von Angehörigen der von Springmann dominierten Grünen Liste Schleswig-Holstein (GLSH).287 In Dortmund versuchte der Rechtsaußenflügel seine letzte Gegenoffensive, es ging um eine Revision des Saarbrücker-Programms, das für eine links-oppositionelle Grundausrichtung stand. Ausgangspunkt bildete die Frage des Bekenntnisses der Grünen zum Antifaschismus, das die Parteirechte mit einer damit verbundenen Ächtung des DDR-Systems verbunden sehen wollte. Angeheizt durch eine offene Spaltungsdrohung lenkte die Versammlung ein und revidierte den mehrheitlich akzeptierten antifaschistischen Antrag, der durch eine Ver- urteilung aller totalitären Herrschaftsformen ersetzt wurde.288 Doch auch weitere Zugeständ- nisse bei den Themen Abtreibung und soziale Randgruppen konnten die Parteirechte nicht befriedigen. Gleichzeitig stolperte Parteisprecher Haußleiter über die öffentliche Enthüllung seiner politischen Vergangenheit und trat daraufhin zurück. Nachdem sich Gruhl als sein Nachfolger nicht hatte durchsetzen können, war der Bruch vollzogen. Bis zur Bundestagswahl im Oktober 1980 trat der Großteil der rechtsorientierten Mitglieder aus, was einer Art grüne Flurbereinigung nahe kam.289 In der rechtsökologischen Szene wurde diese Entwicklung als gelungener Versuch „geschulte[r] Kader aus den linksextremen ‚K-Gruppen‘“ gedeutet, die die „bürgerlichen Umweltschützer“ entmachtet und aus der Partei gedrängt hätten.290

286 Vgl. Klein (2003), 54f und Kleinert (1992a), 29f. Siehe auch: Kleinert (1992b), 55f. 287 Die Spaltung der Grünen erfolgte an einer Sollbruchstelle. Programmatisch, ideologisch und habituell war die Spannweite vom lodengrünen Lebensschützer zur radikalen Feministin und zum dogmatischen Kommu- nisten nicht aufrechtzuerhalten. Vgl. Klein (2003), 214. Siehe auch: Hüllen, 312. 288 Die Debatte zur Totalitarismus- und Faschismustheorie prägte die achtziger Jahre und beschränkte sich dabei nicht auf die akademische Sphäre. Im politischen Diskurs wurde daraus zunehmend ein ideologisches Bekenntnis. Der Graben verlief hier zwischen der antifaschistisch-kapitalismuskritischen Linken und dem bürgerlich-liberalen wie konservativen Spektrum. 289 Das anthroposophische und freiwirtschaftliche Spektrum wie Teile der AUD, die ideologisch und historisch zum rechtsökologischen Spektrum zählten, verblieben jedoch bei den mehrheitlich linksalternativ- orientierten Grünen. Intern weitgehend einflusslos wurden sie meist als politische Skurrilitäten wahrgenom- men. Vgl. Hüllen, 308-312; vgl. Volmer, 104f. Siehe auch: Ditfurth (2000), 71-73. 290 Siehe hierzu: Strelow (2006), 99. - 70 -

3.4 Die österreichischen Grünen

Die Entwicklung der Grünen Bewegung in Österreich steht in engem Zusammenhang mit dem Widerstand gegen das Atomkraftwerk Zwentendorf, der im November 1978 mit dem Sieg bei der Volksabstimmung seinen Höhepunkt und Abschluss fand. Die nächsten zehn Jahre können als Formierungs- und Konsolidierungszeit des grünalternativen Milieus charak- terisiert werden, die mit dem Einzug der Wahlpartei Die Grüne Alternative ins Parlament (1986) und Trennung vom systemoppositionellen linken Flügel wie auch vom rechtskonser- vativen Spektrum endete.

3.4.1 Die 1. Parteibildungsphase 1978-1983

3.4.1.1 Die Anti-AKW-Bewegung als grüne Mobilisierungsphase

Wie auch in der BRD war die erste Phase der aufkommenden Umweltbewegung von konservativ-rechtsökologischen Gruppierungen bestimmt. Der Protest gegen die Atomtechno- logie setzte bereits Ende der sechziger Jahre ein und wurde in erster Linie von einer kleinen Gruppe von LebensschützerInnen und ExpertInnen aus dem Bereich der Biologie und Medizin getragen, etwa von Bernd Lötsch, Peter Weish oder Konrad Lorenz.291 Erst im Laufe der 1970er Jahre verbreitete sich die Protestbewegung zu einer breiten Koalition mit heterogenem Charakter, was zu einer Zusammenarbeit von ganz rechts bis weit links führte, oft beschrieben als klassische „Volksfront“. Diese Koalition reichte von der Kirche bis zur Initiative Gewerkschafter gegen Atomenergie und bis Mitte der 1970er war vor allem die öko- logische Rechte überdurchschnittlich präsent. Dass die Front der AKW-GegnerInnen quer zu den gängigen politischen Lagern verlief, beweist auch der Umstand, dass die Spannweite der prominenten ProtagonistInnen vom späteren Chefredakteur der sozialdemokratischen Arbeiter-Zeitung, Paul Blau, über konservative BiologInnen wie Peter Weish bis zum FPÖ- rechtsaußen Otto Scrinzi292 reichte.293 Im Mittelpunkt der frühen Anti-AKW-Bewegung stand die Sorge um Gesundheit, die man durch eine mögliche radioaktive Verstrahlung als gefährdet ansah. Im Jahr 1969 erschien ein Memorandum der niederösterreichischen Ärztekammer, wo vor den gesundheitlichen Folgen

291 Vgl. Haiden, 18; vgl. Lötsch, (2008), 12; vgl. Weish (2008), 26f; vgl. Brandstätter, 156; vgl. Vanek, 78. 292 Otto Scrinzi (1918-2012), Primararzt und hochrangiger FPÖ-Funktionär, vor 1945 SA-Sturmführer und NSDAP-Mitglied, Abgeordneter des Verbands der Unabhängigen (VDU) im Kärntner Landtag, von 1966- 1979 FPÖ-Nationalrat. Scrinzi lehnte wie die ökologische Rechte die Atomtechnologie aus „erbbiolo- gischen“ Gründen ab und wurde aufgrund einiger umweltpolitisch motivierter Initiativen im Nationalrat von- seiten der FPÖ zum Grünen stilisiert. Vgl. DÖW (1996), 350f und Engels (1984), 65 und 70. 293 Vgl. Schleich (2008), 28 und 135. - 71 -

gewarnt wurde, und auch für den rechtsökologischen Weltbund zum Schutze des Lebens (WSL) und den Bund für Volksgesundheit (BfV) stand diese Thematik im Mittelpunkt.294 Deren Hauptsorge bildete die Angst vor genetischen Erbschäden, die in alarmistischer Weise durch Plakate mit körperlichen Missbildungen, z.B. Fotos von Kindern mit Wasserköpfen, dramatisiert wurde. In der Bildsprache der LebensschützerInnen erschien diese Bedrohung eingebettet in die Diagnose einer sich vollziehenden Degeneration der modernisierten Menschheit, analog zu den kulturpessimistischen Thesen von Konrad Lorenz. Salonfähig wurden diese Positionen der Eugenik auch deshalb, da von medizinischer Seite in apokalypti- schem Tonfall vor tödlichen Erkrankungen wie Leukämie und Lungenkrebs, sowie vor Erb- schäden gewarnt wurde. An diese Debatte konnte die ökologische Rechte mit ihrem Bedro- hungsszenario nahtlos anschließen.295 Der konservative Charakter dieser frühen Initiativen gegen Atomkraft drückte sich wiederum im geradezu volkstümlich-lokalpatriotischen Auftreten aus. Im Zentrum dieser Veranstaltun- gen standen zumeist Honoratioren, begleitet von Blasmusik und kirchlichen Zeremonien. Manche Gruppierungen titulierten ihren Widerstand gegen die Errichtung von AKWs und Atommülllager gar als Abwehrkampf, als Verteidigung der geliebten Heimat gegen die volks- fernen Interessen einer abgehobenen Zentralregierung.296 Erst ab Mitte der 1970er Jahre waren vermehrt rote Transparente und sozialistische Symbole Teil der Kundgebungen, was bei manchen Bürgerlichen zu Verunsicherungen und Animositäten führte.297 Umgekehrt standen die meist jüngeren und linksorientierten AktivistInnen der vorherrschenden Bild- sprache und den biologistischen Ängsten um die deutsche Erbmasse befremdet gegenüber.298 Auslöser für die Hinwendung linksorientierter AktivistInnen zum Thema Atomkraft war nicht zuletzt die Publikation „Der Atomstaat“ vom Zukunftsforscher Robert Jungk, der eine

294 Ein weiteres Memorandum folgte am 20. Jänner 1975 vom Vorstand der Ärztekammer aus Oberösterreich, wo vor der Errichtung eines AKWs in St. Pantaleon gewarnt wurde. Im Mittelpunkt stand die „biologische Schädigung durch ionisierende Strahlung“, die neben Erkrankungen wie Krebs oder Leukämie auch zu Erb- schäden führe. Zum Wohle der Volksgesundheit sollte deshalb von einer Errichtung abgesehen werden. Siehe hierzu: Oberösterreichisches Ärztememorandum 1975, in: Halbrainer (2008), 66. Siehe auch: Brandstätter, 158f und Huber (1991), 17. 295 Vgl. Weish (2008), 40ff. 296 Beispielgebend sind hier die Entwicklungen in Vorarlberg und Oberösterreich, wo der WSL zum Kristalli- sationspunkt des Widerstands avancierte. Im Ländle, wo sich der Protest seit Mitte der Sechziger gegen das grenznahe AKW Rüthi richtete, unterstützt von den Vorarlberger Nachrichten Franz Ortners. 1971 konnten gar 20.000 Menschen zu einer Anti-Rüthi-Kundgebung mobilisiert werden. In Oberösterreich richtete sich der Protest gegen die geplanten Standorte St. Pantaleon und Bogenhofen, wo sich außer dem WSL auch der Naturschutzbund, der rechtsökologische Bund für Volksgesundheit und rechtsextreme Verein Dichterstein Offenhausen (VDO) engagierten, medial flankiert von der Kronen Zeitung und den Oberösterreichischen Nachrichten. Gerade in Oberösterreich zeigen sich enge organisatorische und personelle Verflechtungen zwischen dem bürgerlich-konservativen Naturschutz- und Lebensschutzsegment und dem rechtsextremen Spektrum. Vgl. Huber (1991), 36f und Vanek, 23. 297 Vgl. Witzany (2008), 53ff und Wobisch (2008), 148ff. 298 Vgl. Mittler (2008), 69. - 72 -

mögliche Gefährdung der Demokratie durch einen despotisch-repressiven Kontrollstaat als Folge staatlicher Atomindustrie thematisierte.299 Die Bedrohung ging damit von einer autori- tären, alles kontrollierenden Staatsmacht aus, die nur so die Kontrolle über die zivile und militärische Nutzung der Atomtechnologie sicherstellen konnte, während bei der öko- logischen Rechten allgemeine Vorbehalte gegenüber Technik, verbunden mit antiameri- kanischen Ressentiments, und die Sorge um die Volksgesundheit im Mittelpunkt standen.300 Im Zuge des steigenden Widerstands gegen die Inbetriebnahme des AKW Zwentendorf, wo- rauf die Kreisky-Regierung mit einer bundesweiten Informationskampagne reagierte, kam es zur Kooperation zwischen linken und konservativen Kräften in der Umweltbewegung, deren gemeinsamer Nenner in der Ablehnung der Atomkraft bestand. So kam es im Mai 1976 zur Gründung der Initiative Österreichischer Atomkraftwerksgegner (IÖAG) als eine gemeinsame Plattform der ansonst konträren politischen Lager.301 Der Biologe Peter Weish bezeichnet dies im Rückblick als Überwindung der „künstlich vertieften Gräben zwischen ‚links‘ und ‚konservativ‘, die durch die Basisbewegung im gemeinsamen Vorgehen gegen die atomare Bedrohung“ ermöglicht wurde.302 Die unterschiedlichen Kontextualisierungen und Akzentuierungen traten hinter ein vorder- gründiges Ziel zurück und wurden erst im Zuge der Diskussion einer weiterführenden poli- tischen Strategie zum Konfliktfall.303 Weltanschauliche Differenzen wurden anfangs konse- quent ausgeblendet, sodass selbst zu ProtagonistInnen des rechtsökologischen WSL keine Berührungsängste bestanden.304 Eine solche Strategie des Burgfriedens zeigte sich auch später in Hainburg oder im Rahmen der Friedensbewegung, wo ideologische Auffassungsunter- schiede hintangestellt wurden, um für ein primäres Anliegen einzutreten bzw. gegen einen gemeinsamen Widersacher aufzutreten.305 Die IÖAG als Dachverband der AtomkraftgegnerInnen hatte sich aufgrund des äußeren Drucks der Regierungskampagne konsolidiert, aufbauend auf einen Minimalkonsens. Im Spätherbst 1977 kommt es schließlich zum Bruch, da der bürgerliche Flügel die revolutionäre Zielsetzung der links-sozialistischen Gruppierungen ablehnte. Den konservativen AKW- GegnerInnen ging es dagegen um die Thematisierung von politischer Willkür und die Ab-

299 Vgl. Pruckner (2005), 13 und Klein (2003), 49. 300 Die allumfassende Vorstellung von Gesundheit im rechtsökologischen Denken schloss sowohl die Idee einer gesunden Umwelt, als auch jene vom gesunden Körper und Geist, sowie den Schutz des intakten und damit gesunden Volkskörpers mit ein. Diese Positionen wurden in Österreich zwischen 1960 und 1980 hauptsächlich von WSL und BfV bzw. dessen Organ Gesundes Leben vertreten. 301 Vgl. Vanek, 23f; vgl. Weish (2008), 48f. Siehe auch: Witzany (2008), 53 und Pruckner, 13. 302 Vgl. Weish (2008), 43. 303 Vgl. Brandstätter, 163f. Siehe auch: Mende, 366. 304 Vgl. Weish (2008), 48f. Siehe auch: Brandstätter, 174. 305 Auch in der globalisierungskritischen Szene sind ähnliche Bündnisse zu beobachten, wenn bei Anti-USA- Kundgebungen etwa Linke mit Rechtsextremen gemeinsam demonstrieren. - 73 -

lehnung der staatlich forcierten Atomindustrie, was mittels Verhandlungen korrigiert werden sollte.306 Nachdem es innerhalb der IÖAG zum Bruch gekommen war, verabschiedete sich die Aktivistenbasis des bürgerlich-konservativen Spektrums und gründete kurz vor der Volksab- stimmung am 30. August 1978 die Arbeitsgemeinschaft Nein zu Zwentendorf mit dem Organ Neue Argumente. Zum führenden Repräsentanten dieser ARGE Nein avancierte der Geologie- professor Alexander Tollmann.307 Diese Gruppe verstand sich als Dachorganisation von Bürgerinitiativen und AktivistInnen, die sich nach links abgrenzen wollten.308 Neben rechts- ökologischen Gruppierungen fand sich bei der ARGE auch der Großteil der Szene-Promi- nenz, etwa die SP-nahe Journalistin Freda Meissner-Blau, Zukunftsforscher Robert Jungk, der Biologe Bernd Lötsch, ÖVP-Wien Stadtrat Jörg Mauthe und Elisabeth Schmitz, Bundes- leiterin der ÖVP-nahen Katastrophenhilfe Österreichischer Frauen (KÖF) und Gattin des ehemaligen Finanzministers Wolfgang Schmitz. Mit Paul Blau und der Initiative Gewerk- schafter gegen Atomkraftwerke fand sich hier auch das sozialdemokratische Spektrum ein. Selbst die eigentlich linkssozialistische Gewerkschaftliche Einheit (GE) beteiligte sich bei der mit prominenten Aushängeschildern gespickten ARGE Nein.309 Aus dieser Ecke ertönten nach der erfolgreichen Volksabstimmung vom 5. November 1978, wo sich mit 50,47% die AKW- GegnerInnen hauchdünn durchgesetzt hatten, auch Überlegungen zu einer grünen Partei- gründung, bestärkt durch die Konsolidierung der Partei Die Grünen in der BRD (1979/80).310 Welche Bedeutung und welchen Stellenwert die gewonnene Volksabstimmung für die Grüne Bewegung besaß zeigt, sich auch im Umstand der Mythisierung Zwentendorfs als „Zeit- wendendorf“ oder Stunde Null der österreichischen Grünparteien. Besonders von den sog. „Alternativen“ wurde der 5. November sakralisiert, indem etwa wichtige Versammlungen oder Parteigründungen, wie jene der Alternativen Liste Graz (ALG) im Jahr 1981 oder jene der ALÖ ein Jahr später, auf diesen Jahrestag gelegt wurden.311 Die nun folgende Spaltung in zwei Gruppen wurde charakteristisch für die weitere Entwick- lung der Grünen in Österreich. Sie sollte sich in der Etablierung eines basisorientierten, radikaldemokratischen und linksorientierten Alternativspektrums, deren parteipolitischen

306 Vgl. Brandstätter, 165. 307 Vgl. Pfaffenwimmer (2008), 232 und 241. 308 Der IÖAG ging es dagegen um eine Ausweitung des Protests und dessen Politisierung im Sinne einer ange- strebten fundamentalen Systemänderung. Vgl. Lindtner, 41. 309 Vgl. Schleich, 156. 310 Auch auf diesem Gebiet offenbarte sich ein grünalternativer Antagonismus, denn während die Rechte das konventionelle Projekt einer Honoratiorenpartei verfolgte, hierarchisch gegliedert und von gesellschaftlich anerkannten Autoritäten angeführt, vertrat das alternative Spektrum die Idee einer Parteigründung von unten. Diese sollte als dezentrale „Graswurzelbewegung“ (grass-roots movement) verwirklicht werden, ein Selbst- verständnis, das auf eine antiautoritär, anarchistisch-inspirierte Tradition verweist. Vgl. Puntscher-Riekmann, 418f und vgl. Schattauer (1988), 40-43. 311 Vgl. Huber (1991), 40. - 74 -

Ableger die Alternativen Listen (AL) bildeten, und eines „wertkonservativen“ Teils mit rechtsökologischen Tendenzen und starker Fokussierung auf prominente Führungsfiguren und Medienpräsenz organisatorisch fortsetzen.312 Als Sprachrohr des bürgerlichen Grünsegments verstanden sich die Vereinten Grünen (VGÖ), die sich 1982 unter der Ägide Tollmanns formierten.313 Die Herausbildung von zwei Polen des grünalternativen Spektrums war damit bereits am Ende der 1970er Jahre vorgezeichnet, was symptomatisch für die grüne Wahl- bewegung werden sollte und erst mit dem Niedergang der VGÖ Mitte der 1990er Jahre endgültig überwunden wurde.314

3.4.1.2 Die obskure Grünparteien-Szene am Vorabend der NR-Wahl 1983

Im Windschatten des Zwentendorf-Erfolgs und der Etablierung der bundesdeutschen Grünen im Frühjahr 1980 witterten auch diverse politische Glücksritter und PolitabenteurerInnen ihre Chance, vom grünen Trend zu profitieren.315 In kürzester Zeit tauchte eine Vielzahl von Grün- parteien mit selbsternannten Leitfiguren an der Spitze auf, denen es meist mehr um die eigene Bedeutsamkeit als um originär politische Zielsetzungen ging. Diese obskuren Führerfiguren wiesen konservative und auch wenig verhüllte faschistoide Einstellungen auf und kooperier- ten bereitwillig mit Personengruppen der rechtsextremen Szene.316 Meist handelte es sich dabei um Ein-Personen-Parteien, denen es in erster Linie um die Sicherung der Parteibezeichnung „grün“ ging, wobei jede für sich die Führung der Umwelt- und Ökologiebewegung beanspruchte. Dabei fusionierten und spalteten sie sich in abenteuer- licher Weise, begleitet von einem medialen Brimborium, ein Politzirkus, der von 1981 bis kurz vor den NR-Wahlen՚83 andauerte.317 Der Großteil dieses Spektrums wurde schließlich von Tollmanns Vereinten Grünen absorbiert, der Rest verschwand von der Bildfläche. Als Prototyp dieses Obskurantentums gilt ein gewisser Johann Wallner, der Ende Jänner 1981 eine Partei mit der Bezeichnung „Die Grünen“ anmeldete, die jedoch nur im formaljuri- dischen Sinne des Parteiengesetzes von 1975 existierte und deren Benennung allein dem

312 Bereits die ARGE Nein setzte vornehmlich auf medientaugliche Prominente und öffentliche Autoritäten, die als moralische Instanz und Richtschnur für die etablierte Politik dienen sollten. Dieses politische Selbstver- ständnis wurde stilbildend, als Attitüde charakteristisch für Tollmanns VGÖ und in Nuancen auch in der 1986 gegründeten Grünen Alternative vorhanden. Besonders bei Meissner-Blau war ein missionarisches Sendungsbewusstsein erkennbar, die mit Hainburg medial als grüne Lichtgestalt in Szene gesetzt wurde. 313 Vgl. Lindtner, 91. 314 Vgl. Schandl, vierte Kraft. Siehe: http://www.streifzuege.org/2008/die-vierte-kraft (30.09.2008). 315 Vgl. Mitschka-Kogoj, 27 und Schandl, vierte Kraft. 316 Vgl. Schandl (1988), 181 und Christian (1983), 55-57. 317 In dieser Phase setzte sich das medial vermittelte Stereotyp von den streitenden Grünen durch, was sich auf- grund der regelmäßig wiederkehrenden Richtungs- und Machtkämpfe bei VGÖ, ALÖ und Grünen Alterna- tive später noch verstärken sollte. Bestätigt wurde dieses Bild der grünen Zerstrittenheit auch durch die Kandidaturen mehrerer (pseudo)grüner Listen bei Kommunalwahlen. Die VGÖ kandidierten noch 1994 bei den NR-Wahlen gegen die Grüne Alternative. - 75 -

Projekt Bedeutung verlieh.318 Als selbstgekürter Parteiobmann begab sich Wallner in Folge auf die Suche nach Aushängeschildern und Geldgebern, versuchte etwa Otto von Habsburg, Franz Olah oder die FPÖ-Politikerin Helene Partik-Pablé für seine Partei zu gewinnen, für Wallner gar die „Traumspitzenkandidatin“.319 Per Kleininserat in Tageszeitungen forderte der Umweltbewegte dazu auf, sich ihm anzuschließen, und ersuchte Kardinal König gar um eine Art Unbedenklichkeitserklärung für seine Partei und den Umweltminister um die Finan- zierung seiner Partei. Gleichzeitig wollte Wallner seine Grünen „von parasitären Elementen“ freigehalten wissen. Die Satzung enthielt darüber hinaus das Bekenntnis zur „kulturelle[n] Zugehörigkeit zu den Völkern deutscher Zunge“ und „zum Schutzmachtgedanken Österreichs über Südtirol“. Nichtsdestotrotz verortete Wallner seine Grünen mit dem Parteiorgan Grüne Zukunft „etwas links von der Mitte“.320 Als seine Kandidatur 1981 bei den steirischen Landtagswahlen misslang, fusionierte Wallner im Dezember mit den selbstberufenen grünen Leitfiguren Friedrich Fronz321, der seit 1980 eine Liga für Umweltschutz in Klosterneuburg anführte, und Elisabeth Schmitz, die sich als Zwentendorf-Aktivistin einen Namen gemacht hatte und danach unter die ParteistifterInnen gegangen war. Die Troika vereinigte sich im Rahmen der sog. „Zwentendorfer Koalitionsge- spräche“, medial als „Einigungsparteitag der Grünen“ aufgewertet, zur Partei Die Grünen – Neue Mitte mit Fronz als Bundesparteiobmann und dem Neonazi Raimund Bachmann als Organisationsleiter.322 Das Bündnis hielt jedoch nicht allzu lange, sodass sich Wallner ab Herbst 1982 mit dem Gründer der Organisation Umweltschutzbewegung (USB) Friedrich Weiss323, Universitätsdirektor der Boku Wien und ehemaliger Wehrmachtsoffizier, zusam-

318 Aufgrund dieser Gesetzeslage kam es seit Ende der siebziger Jahre zu einer Vielzahl grüner Parteigründun- gen mit meist obskurem aber auch rechtsextremem Charakter. Meist ging es darum eine bestimmte Benen- nung zu besetzen um damit bei Wahlen zu reüssieren. Bis zum September 1991 trugen von insgesamt 363 in Österreich gemeldeten Parteien ganze 140 die Bezeichnung grün oder alternativ im Parteinamen. Vgl. Lindtner, 41f. 319 Siehe hierzu: Kotanko, 16. 320 Vgl. Christian (1983), 77. 321 Friedrich Otto Fronz-Frundsberg, auch Begründer der Partei Die Grünen Österreichs – Partei der Unzufrie- denen, Gemeinderat in Klosterneuburg und Großmeister eines „Pro Concordatia-Ordens“, der im September 1961 in den USA behördlich angemeldet worden war und sich um „Völkerverständigung“ bemühte. Fronz trat in den frühen 1980ern als einer der skurrilen grünen Führungsfiguren auf, medial thematisiert wurde jedoch hauptsächlich seine in den sechziger Jahren ausgeübte Tätigkeit als Erotikfilm-Produzent. Im Juni 1982 lud Fronz zum „Klosterneuburger Treffen“, woran sich insgesamt 32 Personen beteiligten, um eine mögliche grüne Kandidatur in die Wege zu leiten. Viele TeilnehmerInnen entstammten der rechtsextremen Szene, wie der „Volkssozialist“ Alfred Warton oder die Neonazis Alfred Bayer (Grüne Front) und Robert H. Drechsler (Volksunion/Grüne Plattform). Gemeinsam mit Ludwig Steindl und mit Beteiligung des Rechts- extremisten Alfred Warton initiierte Fronz schließlich eine Grüne Mitte Österreichs (GMÖ), die bei den Grazer Gemeinderatswahlen in Konkurrenz zur ALG kandidierte. Siehe hierzu: Spiegel, 117. 322 Vgl. Huber (1991), 54f. 323 Friedrich Weiss, bekannt unter dem Autorennamen Fritz Wöss, veröffentlichte seit Ende der 1950er Jahre Kriegsgeschichten mit Titeln wie „Deutsche an der Front“ oder „Hunde, wollt ihr ewig leben“. 1965 engagierte er sich in einer Union für direkte Demokratie, 1969 in einer Interessensgemeinschaft für direkte Demokratie. Das Konzept „Direkte Demokratie“ hätte er erstmals im Kessel von Stalingrad kennengelernt, - 76 -

menschloss. Zu Bekanntheit gelangte Weiss als Autor schwülstiger Epen vom „unbekannten Landser“, wobei ihm seine Kriegserlebnisse als Vorlage dienten. Mit dabei war auch ein gewisser Franz-Josef Cardes324, der die gleiche Bartpracht wie der gleichnamige vorletzte österreichische Kaiser pflegte und nun ebenso der Wahlgemeinschaft der Grünen Österreichs angehörte. Noch im November՚82 wurde Johann Wallner aufgrund interner Animositäten aus seiner Partei ausgeschlossen, zeigte sich jedoch laut interner Berichte davon unbeeindruckt und erklärte sich schließlich eigenhändig zum grünen „Landesobmann der Steiermark“.325 Wallners anvisierte Kandidatur zu den Nationalratswahlen scheiterte allerdings an den als ungültig gewerteten Unterstützungserklärungen, die er nachweislich aus dem Telefonbuch ab- geschrieben hatte.326 Eine weitere schillernde Figur dieser Szene war Elisabeth Schmitz, die sich als aktive Kämpferin gegen Zwentendorf profilieren konnte und Mitte 1981 das Grüne Forum (GFÖ) begründete. Ihre Handlungen waren zumeist von der Überzeugung eigener Bedeutsamkeit bestimmt. 1976 wollte sie etwa als KÖF-Repräsentantin in die Bundesparteileitung der ÖVP kooptiert werden und gründete nach Nichtfolgeleistung ihres Verlangens eine eigene Frauen- partei. Zu relativer Bekanntheit gelangte sich durch ihr Engagement bei der ARGE Nein zu Zwentendorf. 1980 stieß sie schließlich ihre MitstreiterInnen vor den Kopf, als sie im Allein- gang und ohne Rücksprache ein eigenes „Umbau-Volksbegehren“ initiierte, mit dem Ziel, Zwentendorf in ein herkömmliches kalorisches Kraftwerk umzurüsten. Ein Vorschlag, der schon im Juli՚78 innerhalb der AKW-GegnerInnen überwiegend auf Ablehnung gestoßen war. Als Parteiobfrau der GFÖ kooperierte sie, wie auch Wallner, Fronz oder Weiss, mit Figuren der rechtsextremen Szene, u.a. mit Alfred Warton, einem ehemaligen Funktionär der Nationaldemokratischen Partei (NDP)327 und „Generalsekretär“ der Volkssozialistischen

wo er als deutscher Verbindungsoffizier rumänische Hilfstruppen befehligte. Generell veranschaulichte Weiss seine Positionen gern anhand seiner Erfahrungen als Kriegsteilnehmer. Nachdem er Anfang er 1970er mit dem Plastikblumenhändler Häusler die USB gegründet hatte, beteiligte er sich ab dem Herbst 1982 an grünen Parteigründungen. Im Dezember՚82 verglich er die vorherrschende Situation mit jener in Stalingrad und rief die Anwesenden dazu auf, ihn als Führer einer Wahlgemeinschaft für Demokratieerneuerung und Umweltschutz (WDU) anzuerkennen, der sich alle grünen und alternativen Parteien anschließen sollten, die er zum „Endsieg“ führen wollte. Siehe hierzu: Kotanko, Auf Kopfjagd, 16. Siehe auch: Huber (1991), 42f und Schattauer (1988), 91f. 324 „Khalifa“ Franz-Josef Cardes, nach eigener Darstellung Hypnotiseur in München und Biobauer in der Steier- mark, wäre eine Zeit lang Einsiedler an der ägyptisch-sudanesischen Grenze gewesen und betrachtete sich als Freund des iranischen Revolutionsführers Ruhollah Chomeinis. Im Spätherbst 1982 schloss er sich mit Wallner und Weiss zusammen und fungierte als Schriftführer dieses Parteiprojekts. Siehe hierzu: Spiegel vom 17. Jänner 1983, 117. 325 Siehe hierzu: Cardes, 4f. 326 Vgl. Huber (1991), 54. Siehe auch: Christian (1983), 78 und Mitschka-Kogoj, 33. 327 Im Jahr 1967 von Norbert Burger gegründet, war die NDP das parteipolitische Sammelbecken der extremen Rechten in Österreich und galt laut DÖW „bis in die erste Hälfte der achtziger Jahre [als] führende Kraft des österreichischen Neonazismus“. Den größten Erfolg feierte die NDP mit der Kandidatur Norbert Burgers bei - 77 -

Arbeiterpartei (VAP). Bereits 1978 hatte Warton, wie auch andere Mitglieder seiner VAP, bei der Wiener Gemeinderatswahl auf der Liste der Wahlgemeinschaft für Bürgerinitiativen und Umweltschutz (WBU) von Fritz Weiss und Otto Häusler kandidiert. 1981 machte ihn Schmitz zum stellvertretenden Parteiobmann ihres Grünen Forums. Auch Mitglieder einer sog. Körperschaft der Kirchenfreien Österreichs, abermals eine rechtsextreme Organisation, waren im GFÖ vertreten.328 Weitere einschlägige Kooperationspartner waren Raimund Bach- mann und Fritz Roschall, Exponenten der oberösterreichischen Rechtsaußen-Szene, die als Mitglieder des Schmitz’schen „Aktionskomitees“ geführt wurden und später den Aufbau der Vereinten Grünen in Oberösterreich vorantreiben sollten. Auch zum bekannten neonazis- tischen Publizisten und Parteigründer Robert Drechsler pflegte Schmitz zumindest bis zum Sommer՚82 ein freundschaftliches Verhältnis und nahm etwa als Ehrengast an einer Ver- sammlung von Drechslers Volksunion/Grüne Plattform teil.329 Als die Aussichtslosigkeit ihrer eigenen Kandidatur immer augenscheinlicher wurde, forderte Schmitz Ende Jänner 1983 alle Grüngruppierungen, inklusive der ALÖ und Tollmanns VGÖ, dazu auf, sich für einen Tag als Wahlpartei zusammenzutun, um den Einzug ins Parlament zu realisieren.330

3.4.1.3 Die VGÖ als Sammelbecken des bürgerlich-rechten Grünspektrums

Die Vereinten Grünen Österreichs (VGÖ) galten bis zur Nationalratswahl 1983 als erfolgver- sprechendste bundesweit agierende Grünpartei. Sie repräsentierten im Gegensatz zur tendenziell linken Alternativen Liste (ALÖ) das bürgerlich-konservative Spektrum. Die Band- breite reichte vom zivilisationskritischen Konservatismus bis zur lebensreformerischen Rechten, wobei es sich bei den medienwirksamen RepräsentantInnen meist um bekannte Persönlichkeiten handelte.331 Anders als bei der Herausbildung der ALÖ handelte es sich hier um eine Parteigründung von oben, die auf Medienöffentlichkeit und Personenkult setzte, während auf die kontinuierliche Basisarbeit und damit verbundene Erweiterung der Mit-

den Bundespräsidentschaftswahlen 1980, wo 3,2% erreicht werden konnten. 1988 wurde sie vom Verfassungsgerichtshof als neonazistisch eingestuft und danach aufgelöst. Vgl. DÖW (1996), 168-174. 328 Vgl. Schleich, 154 und Brandstätter, 171. 329 Siehe hierzu: Votzi, Griff ins Grüne, Profil vom 1. Juni 1982, 19. 330 Siehe hierzu: Ö1-Mittagsjournal am 24. Jänner 1983. Zum Verhältnis von Elisabeth Schmitz zur VGÖ siehe: Schattauer, (1988), 96-98 und Pruckner, 22. 331 Die VGÖ erscheinen in vielerlei Hinsicht als Gegenstück zur bundesdeutschen ÖDP, gerade in der Abgren- zung zu den linksalternativen „Gesellschaftsveränderern“ und in der Betonung des „Primats der Ökologie“, womit die Absolutierung des aus der Ökologie entnommenen Deutungsrahmens auf die Gesellschaft gemeint war. Auch im Aufstieg und Niedergang dieser rechten Grünparteien zeigen sich viele Parallelen gerade im Verhältnis zum rechtsextremen Spektrum, das von Infiltration, versuchten Abgrenzungen und Kooperationen geprägt war. Beiden Parteien gelang es unter ähnlichen Voraussetzungen auch nicht sich gegenüber einer schließlich linksliberal gerierenden grünen Parlamentspartei zu behaupten. Siehe hierzu: Strelow (2006), 110. - 78 -

gliederzahl nicht wertgelegt wurde. Stattdessen präsentierte man sich als klassische Wahl- partei konventionellen Zuschnitts und beanspruchte das Image der reinen Umweltpartei.332 Die VGÖ stehen am Ende diverser grüner Parteigründungsversuche, das Spektrum der grünen Glücksritter wurde von ihnen fast vollkommen absorbiert. Außerdem steht die VGÖ für den „Versuch, das biologistische Zirkelwesen der ökologischen Rechten in einer bundesweiten Organisation aufzuheben“333, womit sich hier die Tradition der antimodernistisch-rechtsöko- logischen Gegenbewegung des Fin de Siècle fortsetzte. Charakterisiert wird sie allerdings als Projekt honorativer Persönlichkeiten, die sich als AtomkraftgegnerInnen einen Namen ge- macht hatten und auf der politischen Bühne ihr Glück versuchen wollten.334 Die Initiative zur Parteigründung war von Alois Englander ausgegangen, einem ehemaligen Honorarkonsul von Honduras und Proponent der ARGE Nein, der ab Sommer՚81 als Ausgangspunkt für eine grüne Nationalratskandidatur eine Prominentenplattform zu erstellen versuchte.335 Am 9. März 1982 wurden die Vereinten Grünen als Partei angemeldet und der Alexander Toll- mann336 im Sommer desselben Jahres als Vorsitzender vorgestellt, wobei die konstituierende Bundesversammlung erst im Februar 1983 stattfand, nur zwei Monate vor der entscheidenden Nationalratswahl.337 Unter Tollmann präsentierten sich die VGÖ als Partei von Moral und Anstand, als selbsternannte Saubermänner, die die verkommene Politik wieder auf den richtigen Pfad zurückführen wollten. Dabei inszenierte sich der Parteivorsitzende als eine Art grüner Heilsbringer, der die seit den siebziger Jahren verfallende Moral durch seine Autorität wiederherzustellen gedachte, ein stark missionarisch-elitärer Anspruch, womit Tollmann auch

332 Vgl. Gronner (1984), 85. 333 Schattauer (1993), 14. 334 Vgl. Schattauer (1988), 4 und Huber (1991), I. 335 Angesprochen wurden etwa Konrad Lorenz, Otto Koenig, Bernd Lötsch, Friedensreich Hundertwasser oder Alexander Tollmann, der schließlich einwilligte. Hundertwasser und Lorenz, der bereits Ehrenpräsident der ARGE Nein war, wollten sich parteipolitisch nicht festlegen, standen der VGÖ jedoch nahe und unterstützen deren Initiativen. Im Februar 1982 nahm Lorenz den Vorsitz des Ehrenpräsidiums der VGÖ an. Der Ver- haltensforscher und Nobelpreisträger galt schon zuvor als Identifikations- und Galionsfigur des bürgerlich- konservativen Grünspektrums, das ihn als geistige Autorität feierte. Vgl. Huber (1991), 59 und 66. Siehe auch: Christian (1983), 80f; Schattauer (1988), 189f. 336 Alexander Tollmann (1928-2007), Geologe und Universitätsprofessor, beschäftigte sich ab 1977 energisch mit Atomtechnologie und warnte davor, dass das AKW-Zwentendorf auf einer Erdbebenlinie stünde. Ein Jahr später Obmann der ARGE Nein, avancierte Tollmann zu einer der Galionsfiguren der Anti-AKW-Bewe- gung und führte die Organisation als ARGE Ja zur Umwelt mit Vereinsorgan Neue Argumente von 1980 bis 1997 als Obmann weiter. 1984 zog er sich auf Schloss Albrechtsberg im Waldviertel zurück, wo er sich der Publikation parawissenschaftlicher Schriften widmete. Ab 1995 wandte er sich vermehrt esoterisch-okkulten Themen zu und prophezeite mit Hinweis auf Nostradamus für den August 1999 eine weltweite Katastrophe. In seiner Zeitschrift Neue Argumente warb er ab Mitte der 1990er für den antisemitischen Verschwörungs- theoretiker Jan van Helsing und vermutete die Freimaurer und jüdische „Hochfinanz-Hintermänner“ hinter allerlei „Widerwärtigkeiten“. Vgl. Pruckner,15 und Gugenberger (2002), 210. 337 Bei dieser ersten ordentlichen Bundesversammlung der VGÖ am 19. Februar 1983 wurde Tollmann zum Bundesvorsitzenden, der Schauspieler und Exponent der Salzburger Bürgerliste (BL) Herbert Fux zum 2. Vorsitzenden, der Oberösterreicher Josef Buchner und Steirer Josef Korber zu Stellvertretern gewählt. Als Fritz Roschall zum Programmreferenten vorgeschlagen wurde, kam es aufgrund dessen rechtsextremer Ver- flechtungen erstmals zu innerparteilichen Verwerfungen. Vgl. Huber (1991), 108. - 79 -

seine autoritäre und undemokratische Parteiführung zu rechtfertigen versuchte.338 Besonders in der Frage einer möglichen Wahlplattform mit der Alternativen Liste für die NR-Wahl՚83 oder in Angelegenheit von Aufnahme und Ausschluss von Parteimitgliedern wollte Tollmann keine demokratische Meinungsbildung riskieren, die seinen eigenen Interessen hätte wider- sprechen können.339 Mit den Schwerpunkten Umweltschutz und Bürgerrechte trat man mit bürgerlich-biederen Habitus als Protestpartei gegen das politische Establishment auf. Charakteristisch war das durchgängig einfache, moralisierende Weltbild, verbunden mit dem naiven Glauben, dass einzelne als moralische Instanzen anerkannte Persönlichkeiten wie Tollmann oder Konrad Lorenz durch ihr Wirken im Parlament und in der Öffentlichkeit eine gesellschaftliche Trend- wende herbeiführen könnten. Konkrete ökonomische oder soziale Änderungen wurden jedoch nicht angestrebt, stattdessen eine äußerst unscharfe „Korrektur der Missstände“ proklamiert, was sich auch in der Fülle geäußerter Gemeinplätze und Schlagworte ausdrückte.340 Ange- prangert wurde eine diagnostizierte „Parteipackelei“, die Verheimlichung politischer Skan- dale, der „Machtmissbrauch durch die Parteifunktionäre“, „mangelnde Kontrolle der Steuer- ausgaben“ und die „überwuchernde Korruption“.341 Die undifferenzierte Verteufelung des politischen Establishments, dem antagonistisch die Vorstellung eines fleißig-arbeitssamen, anständig-einfachen Volkes entgegengestellt wurde, war Vorbote eines aufkommenden populistischen Stils, der in den kommenden Jahren von Jörg Haider perfektioniert werden sollte. Die gleichzeitige Klage über die verfallende Moral, die mit der Liberalisierung und Demokratisierung der siebziger Jahre assoziiert wurde, verweist auf Denkschemata des traditionellen, kulturpessimistisch-antimodernistischen Konservatismus.342

338 Tollmann wurde attestiert, von einem Sendungsbewusstsein erfüllt gewesen zu sein, indem er etwa voller Pathos die drohende Apokalypse verkündete und sich selbst als berufenen Heilsbringer vorstellte. Manche frühen WegbegleiterInnen wie Alois Englander fühlten sich bei seinen Brandreden gar an erinnert, wenn Tollmann etwa mit Tränen in den Augen den bevorstehenden Untergang verkündete. Umgekehrt witterte er überall Verschwörungen gegen sich und seine Partei, an denen er sogar die Groß- mächte beteiligt wähnte. Vgl. Huber (1991), 124. 339 Vgl. Haiden, 73-76 und Schattauer (1988), 193f. Siehe auch: Straubinger, 17; Liao, 62. 340 Vgl. Huber (1991), 74 und 77f. 341 „Die Politik“ und deren zugeschriebene Privilegien avancierten in dieser Perspektive zum Grundübel, verant- wortlich gemacht für die „Vernichtung unserer Lebensgrundlagen, Verschwendungswirtschaft, gigantische Staatsverschuldung“, während sich gleichzeitig „Gesetzeschaos, Bürokratie, Korruption und Machtmiss- brauch […] in unserem Staat“ wie „Gift“ ausbreiteten und „die moralischen Fundamente unserer Gesell- schaft“ zerstörten. Die VGÖ präsentierten sich dann als Sprachrohr des „einfachen“ Volkes, das durch eine korrumpierte, politische Kaste beherrscht würde. Das zeigt sich auch anhand der Wahlkampfslogans: „Steuerstopp statt Steuerverschwendung“, „Jugend muss wieder Ideale haben“, „Höhere Moral durch bessere Vorbilder“ oder „Umweltschutz vor Profitinteressen“. Besonders die moralisierende Kritik am ökonomischen Wachstumsparadigma und an der „Profitgier“ der Wirtschaftsmagnaten verweist auf Grundcharakteristika des regressiven Antikapitalismus. Vgl. Huber (1991), 126-129. 342 Vgl. Huber (1991), 66-70. - 80 -

Unterstützung fand die Parteigründung insbesondere im rechten Grünspektrum und in Teilen der rechtsextremen Szene. Besonders das ober- und niederösterreichische Lebensschutz- Spektrum, dessen bekannteste Vertreter der Weltbund zum Schutze des Lebens (WSL) und der Bund für Volksgesundheit (BfV) mit der Zeitschrift Gesundes Leben waren, klinkten sich von Beginn an bei den Vereinten Grünen ein.343 Auch Fritz Roschall und seine Arbeitsgruppe der Grünen Oberösterreichs unterstützten das Projekt, begleitet vom Applaus der faschistoiden Publikationen Forum 21344 und Die Umwelt, die der NDP nahestand, sowie der rechtsöko- logischen Kleinstgruppe Plangemeinschaft Schöneborn345. Während sich Tollmann und seine VGÖ von Beginn an scharf vom linksalternativen Spektrum abgrenzten, hatte man vor den ExponentInnen der Rechtsaußen-Szene wenig Berührungsängste, manche Landesverbände, wie jener in Oberösterreich, wurden sogar unter deren Federführung aufgebaut. Mit Raimund Bachmann346 und Fritz Roschall347 waren zwei prominente Rechtsextreme führend an der

343 Vgl. Huber (1991), 62, 87. 344 Das Forum 21, herausgegeben von Alois Dorner, widmete sich neben Umwelt- und Bürgerrechtsthemen v.a. der Hetze gegen aktionistische Kunst. Auch Beiträge rechtsextremer Organisationen fanden sich hier, wie jener der Deutschen Bürgerinitiative e.V., die „Gegen Profitgier und Willkür, für Ehrfurcht vor Natur und Volkstum!“ aufrief. Dorner kandidierte 1978 und 1983 für die WBU/VGÖ, hatte über seinen Mitarbeiter Karl Nowak auch Verbindung zum WSL. Des Weiteren stand Dorner in Kontakt zur Bürgerinitiative gegen Religionsverhöhnung, öffentliche Perversität und Steuergeldverschwendung des rechtsextremen Herwig Nachtmann. Im Juni 1983 wurde von der Wiener Landesversammlung erwogen, die Blätter der Vereinten Grünen Österreichs dem Forum 21 beizulegen. Vgl. Huber (1991), 16 und 143f; vgl. Gugenberger (2002), 210f. 345 Die Plangemeinschaft Schöneborn, die sich später als Öko-Schutzgemeinschaft ‚Schöneborn‘ im Bund für Aufbauende Lebensgestaltung nannte, war eine völlig unbedeutende Kleingruppe, die hauptsächlich in Graz agierte und sich umwelt- und gesundheitspolitischen Fragen widmete. Vgl. Huber (1991), 144. 346 Raimund Bachmann (*1941) war Mitglied der neonazistischen Kameradschaft Babenberg (1980 behördlich aufgelöst) und Landesschatzmeister von Burgers NDP. Bachmann engagierte sich fallweise im oberöster- reichischen Naturschutzbund, im WSL und als Atomkraftgegner. Im Herbst 1982 avancierte er zum „Partei- manager“ der VGÖ. Gemeinsam mit Tollmann und Englander organisierte Bachmann den Aufbau der Partei- organisation und kandidierte bei der konstituierenden Versammlung des oberösterreichischen Landes- verbands im Februar 1983 gegen Josef Buchner um den Landesvorsitz. Nachdem Englander Bachmanns politischen Hintergrund in Erfahrung gebracht hatte, war dessen Parteikarriere in der VGÖ beendet. Ab Mitte der Achtziger betätigte er sich in der rechtsextremen Szene Deutschlands, v.a. im Umfeld des Collegium Humanums. Im April 1990 war er Schlussredner des Revisionistenkongresses „Wahrheit macht frei“ im Münchner Löwenbräukeller, am 23. März 1991 trat er als Redner beim internationalen Holocaustleugner- Treffen (Leuchter-Kongress) in München und bei der Weihnachtsfeier des Auschwitzleugners und Hitler- Verehrers Gerd Honsik auf. Im Jahr 2000 wurde Bachmann Vorsitzender der Gruppe Gemeinschaft Deutscher Osten (GDO) und ist seit 1999 Besitzer des Schlosses Noschkowitz, deren Räumlichkeiten er neo- nazistischen Organisationen zur Verfügung stellt. 347 Friedrich Roschall (1913-1993) machte sich v.a. als Propagandist des Anschlusses Südtirols an Österreich und als Naturschützer einen Namen, war Träger von Verdienstzeichen des Naturschutzbundes und Landes Oberösterreich. In den 1930er Jahren war er Angehöriger des sog. Spannkreises, der die Idee eines „Dritten Weges“ und „organischen Staates“ propagierte. Ab Mai 1938 war Roschall in der Gauverwaltung Nieder- donau im Amt für Wohnungs- und Siedlungswesen tätig, bis er 1940 zum Kriegsdienst eingezogen wurde. Im Februar 1949 Gründungsmitglied des Verbands der Unabhängigen (VdU) bzw. Wahlpartei der Unabhängigen (WdU), für die er bis 1955 als Abgeordneter im Landtag saß. Danach langjähriger Präsident des NS-apologetischen Vereins Dichterstein Offenhausen (VDO), 1974-1986 Obmann-Stellvertreter des Naturschutzbundes (NB-OÖ) und Funktionär des WSL, 1983 Eintritt in Alexander Tollmanns VGÖ. Außer- dem Mitbegründer und Schriftleiter der rechtsextremen Zeitschrift Fanale der Zeit (1969), die 1983 mit Hermann Soykas Blatt Gesundes Leben fusionierte. Darüber hinaus sowohl an den Protestbewegungen in - 81 -

Konsolidierung der Landesorganisation beteiligt, Roschall wurde gar als Kontaktperson der VGÖ geführt und fungierte als erster stellvertretender Landesobmann.348 Bereits im Sommer 1982 hatten Roschall und Bachmann eine „Grüne Sommertagung“ in der Obersteiermark organisiert und schlossen sich wenig später schließlich den Vereinten Grünen an, ebenso wie der Großteil der ökologischen Rechten. Markus Huber, der die Entstehung der VGÖ im Jahr 1991 akribisch aufgearbeitet hat, fasst das wie folgt zusammen: „Konservative, Reaktionäre oder gar Rechtsextreme waren willkommen, zumal Tollmann sie aus dem Atom- abwehrkampf kannte. Eher ‚Alternative‘ wurden hingegen als Unterwanderer betrachtet und ausgegrenzt.“349 Selbst AkteurInnen, deren rechtsextreme Gesinnung bekannt war, fanden eine betont freundliche Aufnahme in Tollmanns Partei, bei gleichzeitiger Aversion gegen alles, was ihm alternativ und links schien.350 Als der Aufnahmeausschuss der Wiener Landes- partei zwei Personen die Mitgliedschaft verweigerte, es handelte sich um Personen mit rechts- extremem Hintergrund, warf Tollmann den Ausschussmitgliedern vor, ständig seine Freunde aus der VGÖ hinauszukomplementieren. Daraufhin gab er als Parteiobmann bekannt, in Zu- kunft allein über die Aufnahme neuer Mitglieder zu entscheiden.351 Auch in Niederösterreich war von Anfang an die ökologische Rechte dominierend und Toll- mann loyal ergeben, während sich eine innerparteiliche Opposition nur in Wien herausbilden konnte, deren Landesverband intern bald als linkslastig galt.352 Nachdem man sich in Ober- österreich aufgrund der medialen Berichterstattung vorsorglich von allzu rechtslastigen FunktionärInnen getrennt hatte, avancierte in der Folgezeit der niederösterreichische Landes- verband zum Zentrum der Parteirechten.353 Besonders Hermann Soyka354, unter dessen Feder-

Zwentendorf als auch in Hainburg beteiligt. Vgl. Reinhard Müller, Fritz Roschall. http://agso.uni-graz.at/- sozio/biografien/r/roschall_fritz.htm (30.05.2013). 348 Vgl. Vanek, 21. 349 Huber (1991), 94. 350 Vgl. Ebd., 145. 351 Die Wienerin Helga Unzeitig, die sich besonders vehement gegen die Beteiligung von gewehrt hatte, unter anderem war sie mitverantwortlich für die Verhinderung der Wahl von Fritz Roschall als Programm- referenten, wurde durch ihre kompromisslose Haltung zur Zielscheibe Tollmanns. Nach dessen Ankündi- gung, in Zukunft allein über Parteiaufnahme und -ausschluss zu entscheiden, trat Unzeitig aus der VGÖ aus. Tollmann gegenüber begründete sie ihren Schritt folgendermaßen: „Da Sie die Beschlüsse des Aufnahmeaus- schusses, Neonazi [sic!] jeder Art die Mitgliedschaft zur VGÖ zu verweigern, nicht akzeptieren wollen, lege ich mein Mandat als Mitglied des Aufnahmeausschusses zurück. Ich kann mich nicht mit einem ‚elitären‘ Denken identifizieren, das Akademikern, die heute noch dem NS-Gedankengut anhängen, einen Persilschein ausstellt, um sie dann an wählbarer Stelle auf der NR-Kandidatenliste einzusetzen.“ Vgl. Huber (1991), 146f. 352 Vgl. Schandl (1996), 144f. 353 In Oberösterreich waren es vor allem die Querverbindungen zum Verein Dichterstein Offenhausen, die noch vor den NR-Wahlen im April՚83 zur Absetzung mehrerer FunktionärInnen führten, z.B. von Fritz Roschall. Dennoch blieb auch nach den NR-Wahlen und dem Abgang Tollmanns die enge Verzahnung mit dem rechts- ökologischen Spektrum bestehen. Der WSL-Präsident und Roschall-Vertraute Fritz Witzany wurde etwa hinter Josef Buchner zum starken Mann in Oberösterreich. 354 Hermann Soyka (*1941) war einer der zentralen Figuren der lebensreformerischen Rechten innerhalb der VGÖ. Weltanschaulich prägte ihn sein Vater Richard Soyka, der eugenisch-biologistischen Positionen nachhing und als Anhänger der völkischen Sekte der „Gotterkenntnis“ Mathilde Ludendorffs galt. Nach - 82 -

führung im Herbst 1982 der Aufbau des Landesverbands erfolgte, und die zur Führungsriege zählenden Inge Rauscher und Ilse Hans, die später zur Haider-FPÖ wechselte und selbst dort der äußersten Rechten zugerechnet wurde, bestimmten bis 1986 die Ausrichtung in Nieder- österreich.355 Hier bestanden rege Kontakte zum nationalen Flügel der FPÖ, während Hermann Soyka, bei der Gründungsversammlung der VG-NÖ zum Landesvorsitzenden ge- wählt, der völkisch-spirituellen Sekte der sog. „Ludendorffer“ nahestand. Auch Soykas Nach- folgerin Inge Rauscher356 und die FunktionärInnen Leopold Makovsky sowie Ilse Hans357, die schließlich dazu aufrief, politische Kampagnen der seit 1986 „reformierten“ FPÖ zu unter- stützen, waren GarantInnen dieses Rechtsaußen-Kurses.358 Eine rechtsökologische Stoßrichtung existierte auch in Vorarlberg, wo die Gründung des Landesverbands von Mitgliedern des WSL erfolgt war. Besonders Manfred Rünzler359, WSL- Geschäftsführer und Landessekretär, agierte als Spiritus rector der Vorarlberger Sektion, deren Landesobmann Max Schöringhumer360 wiederum dezidiert rechtsradikale Positionen

dessen Tod leitete H.S. gemeinsam mit Schwager Stefan Micko den Bund für Volksgesundheit (BfV) und dessen Organ Gesundes Leben. Ende der Siebziger war H.S. im Zwentendorf-Widerstand verstärkt aktiv, am Beginn des bürgerlich-grünen Parteibildungsprozesses aber nur interessierter Beobachter. Im Frühjahr 1982 nahm er an Gesprächen von Schmitz, Wallner und Fronz teil und stieß Anfang 1983 schließlich zu den Vereinten Grünen. Tollmann kannte er bereits aus der Zusammenarbeit in der ARGE Nein, den späteren VGÖ-Generalsekretär Pelikan wiederum von der Grünen Plattform Österreich (FPÖ), wo H.S. sogar im Redaktionsteam der Grünen Thesen saß. Bereits in den 1970er Jahren dürften Kontakte zum rechtsextremen Deutschen Kulturwerk Europäischen Geistes (DKEG) bestanden haben. Im Mai 1983 nahm H.S. am berüch- tigten Offenhausener Dichtersteintreffen teil. Seit Ende 1984 kam H.S. jedoch aufgrund der Herausgeberschaft von Gesundes Leben zunehmend unter Druck und legte daraufhin im März 1986 die Obmannschaft im BfV zurück. Vgl. Huber (1991), 97-99 und Schattauer (1988), 6. 355 Vgl. Schandl, vierte Kraft. 356 Inge Rauscher (*1949), gelernte Englisch-Übersetzerin, war ab 1981/82 Mitglied der Initiative Lebenswertes Tullnerfeld und seit Februar 1983 bei den VGÖ aktiv. Hier fungierte sie als Obfrau des NÖ-Landesverbands und auch stv. Bundesvorsitzende, ab 1985 Gemeinderätin der selbst gegründeten Grünen Bürgerliste Zeiselmauer. 1988 begründete sie die Initiative Heimat & Umwelt (IHU), die ab 1991 das Organ Wegwarte herausgab, das hauptsächlich im Namen der „nationalen Selbstbestimmung“ gegen die Europäische Union agitiert. Rauscher stand auch Tollmanns ARGE Ja und der rechtsextremen AFP nahe. Vgl. Huber (1991), 101. 357 Ilse Hans (*1957), wie Hermann Soyka schon in Tollmanns ARGE Nein aktiv, wurde 1983 Landespartei- sekretärin der VG-NÖ und später eine der stv. Bundesvorsitzenden bis sie zur Haider-FPÖ wechselte, für die sie schließlich in den niederösterreichischen Landtag einzog (1988-1992). Hans einschlägige Kontakte reichten bis zur AFP, wo sie als Referentin wirkte, und zur Österreichischen Landsmannschaft (ÖLM), wo sie u.a. für das Verbandsorgan Eckartbote publizierte. Außerdem war Hans Präsidentin des Forums für ein humanes und demokratisches Strafrecht und zur Erhaltung der Menschenrechte“ (FSM), das in Haft befindliche militante Neonazis unterstützte. Vgl. Huber (1991), 103 und DÖW (1994), 491. Siehe auch: Schandl (1996), 143; 358 Hingewiesen werden soll noch auf Othmar Eigenthaler, stv. VG-Landessekretär und WSL-Funktionär, der das Nachwort einer Günther Schwab-Zitatensammlung verfasste, auf Elfrune Wendelberger, in der Zeit- schrift Profil als „deutsch-nationale Frau des Ex-SSlers Wendelberger“ beschrieben und auf Bernhard Zoder, der den materiellen Wohlstand als Ursache des „biologischen“ Verfalls deutete und das grün-alternative Bündnis der Liste Meissner-Blau als kommunistisch ablehnte. Vgl. Huber (1991), 102 und 147. 359 Rünzler wurde im Protokoll der WSL-Jahreshauptversammlung im Oktober 1980 in Linz als Geschäftsführer der österreichischen Sektion des Weltbundes zum Schutze des Lebens ausgewiesen. Vgl. Schattauer (1988), 199. 360 Max Schöringhumer, bis 1981 in der FPÖ-Lustenau aktiv, zog 1984 gemeinsam mit Rünzler in den Landtag ein. Möglich wurde dies durch eine gemeinsame Wahlplattform mit der AL, die zu spät die starke Rechts- - 83 -

nachgesagt wurden. Bereits in der Zeit bis zu den NR-Wahlen’83 wurde hier der liberale Flügel um die Tollmann-kritische Waltraud Rinderer, die aus der Friedens- und Anti-AKW- Bewegung stammte, kalt gestellt.361 Die Kärntner Landesorganisation, vom Historiker Gerhard Schattauer zum „allerrechtesten VGÖ-Flügel“ gezählt, war dagegen nicht Resultat biologistisch-lebensreformerischer Zirkel, sondern aufgrund regionalspezifischer Gegebenheiten deutschnational geprägt.362 Die Kärntner-VG agitierte gegen „Ausländer“, „unverständliche Literatur, Malerei und primitive Kunst“, echauffierte sich über die „Aushöhlung der Sicherheitsstandards“ und „Untergrabung der Moral bei unserer Jugend“. Eine enge Verbindung bestand zur Kärntner Landsmannschaft und zum Abwehrkämpferbund (KAB), mit denen man eine minderheitenfeindliche, antislo- wenische Haltung teilte. Durch den Aufstieg Jörg Haiders wurde dieses Segment jedoch zu- nehmend von der FPÖ aufgesogen.363 In keinem anderen Bundesland standen sich VGÖ und Alternative Liste daher so diametral gegenüber, verstanden sich doch letztere auch als Soli- daritätsbewegung gegenüber der angefeindeten slowenischen Minderheit. Während die „Alternativen“ zum Großteil aus der Friedens- und Dritte Welt-Bewegung kamen, entstammte die Mitgliederbasis der VGÖ dem Bürgerinitiativ- und Naturschutzspektrum. Mitarbeitsange- bote von ProtagonistInnen der Friedensbewegung wurden von den VG-Kärnten mit dem Hin- weis abgelehnt, dass es sich hierbei doch nur um „Links-Ideologen und Fanatiker“ handle.364 Umgekehrt bestand seit der Landtagswahl im September՚84 ein Bündnis zwischen der AL und der eigentlich konservativen, slowenischen Kärntner Einheitsliste (KEL), das schließlich von der Grünen Alternative fortgesetzt wurde. Hierin dürfte der Hauptgrund liegen, warum die Kärntner VGÖ im Jahr 1986 aus der Bundeslinie ausscherte und bei den NR-Wahlen als Kärntner Grüne gegen die Grüne Alternative kandidierte.365 Trotz dieser engen Verflechtung mit dem Spektrum der äußersten Rechten bemühten sich die Vereinten Grünen von Anfang an um eine formale Abgrenzung zu sog. „extremistischen“ Gruppierungen, worunter sowohl linke als auch neonazistische subsummiert wurden. Hier distanzierte man sich etwa von der Volksunion/Grüne Plattform des bekannten Neonazis Robert Drechsler und später von Alfred Bayers Die Grünen Österreichs (DGÖ), obwohl in

orientierung der VGÖ realisierte. Im Dezember 1985 wurde Schöringhumer aufgrund seiner nicht abge- sprochenen Alleingänge aus dem grünen Landtagsklub ausgeschlossen. 361 Vgl. Rösch-Wehinger, 138-142. Siehe auch: Huber (1991), 104f; Schattauer (1988), 286; Schattauer (1993), 14. 362 Vgl. Schattauer (1988), 199. 363 Im südlichsten Bundesland tobte in den 1980ern gerade durch die Aktivitäten des Kärntner Heimatdienstes (KHD) und aufgrund Jörg Haiders nationalistischer Mobilisierung eine emotional und erbittert geführte Aus- einandersetzung um die slowenische Minderheit. Vgl. Sommer (1985), 70. Siehe auch: Schattauer (1993), 89. 364 Vgl. Huber (1991), 96. 365 Vgl. Schaller (1992a), 113f und Schiedel (1994), 133f. Siehe auch: Haiden, 60. - 84 -

der Praxis nur nach links eine klare Abgrenzung erfolgte.366 Gleichzeitig herrschte bei Tollmann vor allem die Paranoia einer drohenden linken Unterwanderung vor, sodass bereits die gedankliche Nähe zu AL-Positionen genügte um als linksextremistisch zu gelten.367 Weltanschaulich bestand eine geistige Nähe zum grünen Glücksrittertum, auch wenn Toll- mann deren Initiativen aufgrund des offensichtlichen Dilettantismus՚ nicht weiter beachtete. Andererseits arrangierte er sich mit Otto Häuslers368 WBU, die er aufgrund der Spannungen zur Wiener VG-Sektion für die Gemeinderatswahl wiederbelebte.369 Die WBU mit ihrem Organ Die Grünen bildete seit 1977 den parteipolitischen Arm der sog. österreichischen Umweltschutzbewegung (USB), die 1973 von Häusler und Fritz Weiss ins Leben gerufen und als „dienstälteste Umweltschutzvereinigung“ angepriesen wurde.370 Die USB setzte als erste Organisation ausschließlich auf das Thema Umweltschutz und betrachtete sich als Ausdruck der sich formierenden Ökologiebewegung. Organisatorisch trat sie v.a. bei Widerstand gegen die Verbauung des Wiener Sternwarteparks in Erscheinung.371 Die WBU war wiederum die erste Wahlpartei des grünalternativen Milieus, der es gelang, überregional zu kandidieren und formale Hürden zu überwinden. Nach zwei enttäuschenden Kommunalwahlen 1978/79 ero- dierte die Partei und wurde erst von Tollmann aus machtpolitischem Kalkül im Frühjahr 1983 wiederbelebt, womit er der erstarkenden innerparteilichen Opposition den Boden entziehen wollte.372

366 Vgl. Schattauer (1988), 198; vgl. Haiden, 73; vgl. Gronner (1984), 83. 367 Diese Paranoia dürfte auch mit der Warnung Herbert Gruhls zusammenhängen, der Tollmann eine Unter- minierung seiner Partei durch das linksalternative Spektrum prophezeite. Damit wirkten die Erfahrungen der ökologischen Rechten in der BRD auf die Entwicklung in Österreich zurück. Die VGÖ weigerten sich z.B. bis zu ihrem Ende beharrlich in einer grünen Einheitspartei aufzugehen. Vgl. Huber (1991), 79. 368 Häusler, beruflich Kunstblumenhändler in Wien, war Mitbegründer, Bundesgeschäftsführer und ab 1979 schließlich Bundesvorsitzender der USB, zuvor u.a. Mitglied der FPÖ. Häuslers politisches Selbstverständnis und Aktionen erscheinen äußerst fragwürdig und unseriös. Bei der Kampagne gegen die Verbauung des Wiener Sternwarteparks setzte er nach eigenem Bekunden auf Übertreibungen und „erfundene Meldungen […] um das Klima anzuheizen“. Die ganze Auseinandersetzung deutete er als „eine rein manipulierte Geschichte, [die] aber ein Meilenstein für die ‚Direkte Demokratie‘“ gewesen sei, der er sich verschrieben hätte. Für Markus Huber der Beweis, „dass die Geschichte organisierten Umweltengagements in Österreich nicht unwesentlich auch eine Geschichte obskurer Persönlichkeiten, bedenklicher Einstellungen und zweifel- hafter Taktiken ist“. Vgl. Huber (1991), 43f. 369 Vgl. Schattauer (1988), 190f. Die Wiener GR-Wahl fand 1983 zeitgleich mit den Nationalratswahlen statt. 370 Die USB steht innerhalb der österreichischen Ökologiebewegung für den ersten ernsthaften Versuch der Eta- blierung einer bundesweit agierenden Organisation, wobei man im Unterschied zum WSL auf konkrete Um- weltanliegen setzte. In der Selbstdarstellung stilisierte sich die USB als Repräsentantin der Umweltbewe- gung. Bereits Ende der 1970er bestanden Kontakte nach Deutschland. August Haußleiter (AUD) besuchte etwa 1977 den Bundestag der USB in Wien und Otto Häusler nahm im März 1980 am Programmparteitag der Grünen teil. Im Jahr 1977 gründete die USB eine Wahlgemeinschaft für Bürgerinitiativen und Umwelt- schutz (WBU), die als politischer Arm der sich unabhängig und überparteilich gerierenden USB fungieren sollte. Vgl. Huber (1991), 52. 371 Die Volksbefragung zum Sternwartepark in Wien-Währing am 26. Mai 1973 gilt als eine der ersten grünen Manifestationen in der Bundeshauptstadt. Getragen wurde die erfolgreiche Kampagne durch die Kronen Zeitung. Vgl. Pruckner, 11. 372 Vgl. Schandl (1996), 125f; vgl. Huber, (1991), 93f. Siehe auch: Liao, 59; Christian (1983), 77. - 85 -

Wie die diversen Ein-Personen-Parteien der obskuren Grün-Szene und späteren Vereinten Grünen galt auch die WBU als autoritär geführt und hatte keine Scheu vor Kooperationen mit dem rechtsextremen Spektrum.373 Sie erschien ab 1978 mit ihrer reaktionär-kleinbürgerlichen Basis als idealer Nährboden für das Einsickern einschlägiger Kreise.374 Als die WBU-Jugend die Forderung erhob, Personen mit rechtsextremer Gesinnung aus der Partei auszuschließen, wurde dies von der Parteileitung als Eingriff in die Privatsphäre zurückgewiesen. Als ent- scheidend für die Mitgliedschaft wurde allein die Akzeptanz des Parteiprogramms erklärt.375 Bei den Vereinten Grünen war diesbezüglich ein ähnlicher Umgang zu beobachten. Diesen gelang es allerdings, bis zu den NR-Wahlen՚83 einige Prominente als Parteiaushängeschilder zu gewinnen, etwa den Schauspieler Herbert Fux, Wolfgang Pelikan376, Landesvorsitzender der FPÖ-Burgenland, der Profil-Journalist und Wirtschaftsexperte Franz Günther Hanke und Josef Buchner377, der sich in Steyregg bei Linz einen Namen als Umweltaktivist gemacht hatte.378 Bei den Nationalratswahlen am 24. April 1983 erlebten Tollmann und seine VGÖ schließlich ihr Waterloo, konnte doch mit den erreichten 1,93% selbst das gesteckte Minimalziel des Parlamentseinzugs nicht erreicht werden.379 Die Ursache für das für die ProtagonistInnen niederschmetternde Ergebnis lag mitunter an der katastrophalen Darbietung, die die Partei wenige Wochen vor den Wahlen ablieferte. Höhepunkt bildete der im Ö1-Mittagsjournal aus- getragene offene Schlagabtausch zwischen Parteivorsitzendem Tollmann und Herbert Fux am 24. März 1983, der das Bild heilloser Zerstrittenheit und innerparteilicher Konfusion ver-

373 Vgl. Schattauer (1988), 91-94. Siehe auch: Pruckner, 11. 374 Als reine Umweltpartei verstand sich die WBU als Ein-Punkt-Initiative. Besonders die Themen Minder- heitenschutz, Frauenrechte und Solidarität mit der Dritten Welt wurden von Häusler als vorgeblich linke Agenda abgelehnt. Vgl. Huber (1991), 45. 375 Vgl. Huber (1991), 46. 376 Wolfgang Pelikan (*1947) begann seine politische Karriere beim Ring Freiheitlicher Jugend (RFJ) und war ab 1975 Landesobmann der burgenländischen FPÖ. Außerdem agierte er als Vorsitzender der Grünen Platt- form Österreichs, einem losen Zusammenschluss ökologisch interessierter FPÖ-Mitglieder. Aufgrund der aussichtslosen Reihung bei den NR-Wahlen’83 wechselte Pelikan wenige Wochen vor den Wahlen unter medialem Brimborium zur VGÖ. Nach dem gescheiterten Parlamentseinzug avancierte Pelikan zum General- sekretär und bestimmte gemeinsam mit Josef Buchner bis in die 1990er Jahre den Kurs der VGÖ. Vgl. Huber (1991), 112f. 377 Josef Buchner (*1942), ursprünglich SPÖ-Mitglied, begründete 1979 die Steyregger Bürgerinitiative für Umweltschutz (SBU) als Reaktion auf die zunehmende Luftbelastung. Die SBU kooperierte dabei sowohl mit dem WSL als auch mit dem Naturschutzbund. Bei den Gemeinderatswahlen 1979 erreichte die SBU auf Anhieb 18% und Buchner wurde aufgrund eines Bündnisses mit der ÖVP zum Vizebürgermeister. Gegen Ende 1982 partizipierte er bei den VGÖ und wurde im Februar՚83 oberösterreichischer Landesvorsitzender. Nach dem Abgang Tollmanns übernahm Buchner Mitte 1983 die Partei und führte sie die nächsten zehn Jahre an. 1986 zog er als Kandidat der Grünen Alternative in den Nationalrat ein und wurde nach längeren Auseinandersetzungen im Dezember 1987 schließlich aus dem grünen Nationalratsklub ausgeschlossen. Vgl. Vanek, Oberösterreich, 39-41 und 59. Siehe auch: Huber (1991), 50 und 94f; Pruckner, 19. 378 Vgl. Liao, 62 und Christian (1983), 84. 379 Besonders der Einzug der bundesdeutschen Grünen in den Bonner Bundestag im März 1983, die mit 8,25% ein beachtliches Ergebnis erreichten, hatte die Phantasien von Tollmann beflügelt. - 86 -

mittelte.380 In den folgenden Wochen häuften sich die Aus- und Rücktritte, etwa jene des Wiener Wahlkampfleiters Günter Ofner oder des Journalisten Franz G. Hanke, der schließlich sogar eine Wahlempfehlung für die Alternative Liste abgab. Zuletzt trat sogar Parteigründer Alois Englander mittels offenen Brief aus der Partei aus, verfasst in der Grazer Dezentrale, der organisatorischen Drehscheibe der ALÖ.381 Nach dem Debakel bei der NR-Wahl übernahm Josef Buchner die Vereinten Grünen und baute Oberösterreich zur innerparteilichen Hochburg aus. In den kommenden Jahren spielte hauptsächlich das Verhältnis zur ALÖ die Hauptrolle, das zwischen Gegnerschaft und punktueller Zusammenarbeit schwankte. Die VGÖ beteiligten sich schließlich auch am grün- alternativen Einigungsprozess 1985/86, der in Folge der Hainburg-Bewegung einsetzte und in der Gründung der Partei Die Grüne Alternative endete.

3.4.1.4 Die Wahlbewegung der „Alternativen“

Das Spektrum der Alternativen Listen bildete den zweiten Pol der grünalternativen Wahl- bewegung ab 1978. Es handelte sich dabei um ein völlig anderes Milieu als jenes des bürgerlich-rechten Lagers. Ein Großteil dieser AktivistInnen war jung, urban und entstammte dem studentischen Umfeld, sodass die Schwerpunkte der Aktivitäten hauptsächlich in Graz und Wien lagen. Eine Divergenz zeigte sich auch in der politischen Zielsetzung und Praxis, sowie den damit verbundenen gesellschaftspolitischen Vorstellungen.382 Das offenbarte sich auch in der gegenseitigen Einschätzung der grünen Konkurrenz, erschien die VGÖ den Alternativen doch als spießig, reaktionär und weit rechts, während die ALÖ vonseiten der bürgerlichen Grünen als linksextreme Chaostruppe diskreditiert wurde.383 Eine Alternative zu den herrschenden Verhältnissen zu formulieren, bildete die Leitidee dieses Spektrums. Als „ökologische Widerstandsbewegung“ vertrat man eine grundsätzliche Gesellschaftskritik, die über einen punktuellen Natur- und Umweltschutz hinausging.384 Von

380 Hintergrund bildete ein Bericht der Zeitschrift Basta, herausgegeben von den Brüdern Helmut und Wolfgang Fellner, die in einer Art Revolverjournalismus offenen Rufmord an Fux begingen, indem sie ein weitgehend erfundenes Interview mit dem Schauspieler über dessen Sexualleben veröffentlichten. Daraufhin forderte Tollmann Fux via Rundschreiben dazu auf, als Kandidat zurückzutreten bzw. kündigte an, ihn von der Kandidatenliste zu streichen, ohne vorher Rücksprache mit den Parteigremien gehalten zu haben. Vgl. Pruckner, 23. 381 Vgl. Markus Huber (1991), 114-118. Siehe auch: Haiden, 61f. 382 Gemeinsamkeiten zeigten sich allerdings in der populistischen Protestattitüde gegenüber den sog. „Altpartei- en“ und „verkrusteten Strukturen“ bzw. in der Ablehnung des politischen Establishments, was sich in der Geißelung des „Berufspolitikertums“, Proporzes oder vorgeblichen „Politikerprivilegien“ äußerte. Hier brachen sich erstmals populistische Züge Bann, die schließlich von Jörg Haider perfektioniert wurden, der sich als Tabubrecher und Politrebell zu inszenieren verstand. Neben dem populären Umweltschutzgedanken bildete dieses Protestbedürfnis das stärkste Wahlmotiv für VGÖ und ALÖ, das ab 1986 Jörg Haiders politischen Aufstieg ermöglichte. Vgl. Kukacka (1985), 155; vgl. Dachs (1985), 111. 383 Vgl. Lindtner, 45. 384 Siehe hierzu: Programmatisches Manifest der Alternativen Liste Österreich, 2. - 87 -

allen entstandenen grünen Gruppierungen standen diese Alternativen Listen den sog. Neuen Sozialen Bewegungen damit am nächsten. Das gilt in besonderen Maßen für die Friedens- und Frauenbewegung, als deren politisches Werkzeug man sich betrachtete.385 Keimzelle und Motor zur Gründung einer alternativen Wahlpartei war die Grazer Szene, aus der am 5. November 1981 die Alternative Liste Graz (ALG) hervorging, die im Jänner 1983 bei den GR-Wahlen kandidierte und sensationelle 7% erreichte. Bereits unmittelbar nach Zwentendorf war es am 11. und 12. November 1978 in Graz auf Einladung der Gruppe Erklärung von Graz386 zum ersten „Gesamtösterreichischen Alternativentreffen“ gekom- men.387 In der Folgezeit entwickelte sich besonders die Grazer „Dezentrale für Alternativen“ zum Dreh- und Angelpunkt der alternativen Szene mit bundesweiter Ausstrahlung.388 Mit den vier Grundprinzipien „ökologisch – basisdemokratisch – solidarisch – gewaltfrei“ positio- nierte sich die ALG im Sinne der bundesdeutschen Grünen. Sie stellte umweltpolitische For- derungen nach „Abbau des Patriarchats und anderer Herrschaftsverhältnisse“, nach „solida- rischer“ Arbeit, die nach den Bedürfnissen der Menschen organisiert werden sollte, und forderte ein gewaltfreies Zusammenlebens.389 Die Mitgliederbasis umfasste AktivistInnen der NSB, v.a. der Dritte-Welt-, Antiatom-, Frauen- und Friedensbewegung390, reichte vom links- katholischen Segment bis hin zu Angehörigen ehemaliger kommunistischer Sekten. Auf- fallend war der zumeist bildungsbürgerliche Hintergrund bei einem nur geringen Anteil an ArbeiterInnen und PensionistInnen.391 In der Folgezeit wurde diese Grazer Szene zur treibenden Kraft des Aufbaus einer alternativen Bundespartei. Erich Kitzmüller, Wirtschaftsphilosoph und später als Parteiideologe gehandelt, verfasste dafür bereits Ende 1981 ein erstes programmatisches Papier. Die darin vertretene

385 Daraus entwickelte sich die Idee vom „Spielbein“ und „Standbein“. Letzteres meinte die Verankerung in außerparlamentarischen Initiativen und Gruppen, die sozusagen das Fundament der alternativen Partei bilden sollte, während mit Spielbein die Aktivitäten in den demokratischen Gremien wie Gemeinderat, Landtag oder Parlament gemeint war. Vgl. Dachs, Handbuch, 265 und Merli (1984), 298. 386 Bei der Erklärung von Graz für solidarische Entwicklung (EvG), 1973 gegründet und bis 1977 unter dem Namen Aktion kritischer Konsum aktiv, handelt es sich um eine heute noch bestehende Selbstbesteuerungs- gruppe, deren Mitglieder 1-10% ihres Einkommens für Entwicklungshilfeprojekte entrichten bzw. Kaffee- produkte aus Guatemala oder Jutetaschen aus Bangladesch weiterverkaufen. Vgl. Mitschka-Kogoj, 27. Siehe auch: Haiden, 38. 387 Vgl. Merli (1984), 297; vgl. Pelinka (1984), 152f. 388 Vgl. Mitschka-Kogoj, 26-29; vgl. Lindtner, 37-39. Siehe auch: Liao, 58; Haiden, 40f. 389 Mit der starken Anlehnung an das „Saarbrücker Programm“ der BRD-Grünen sollte die spätere ALÖ zur österreichischen Schwesterpartei avancieren, auch im Politikstil und der sozialen Zusammensetzung der AktivistInnen. Vonseiten der deutschen Grünen wurde die ALÖ umgekehrt als einzig äquivalente Grün- gruppierung Österreichs akzeptiert, während man zu den anderen aufgrund ihres „völkischen und nationalen bis reaktionären Charakters“ auf Distanz ging. Vgl. Rösch-Wehinger, 125. 390 Die Friedensbewegung erhielt mit dem NATO-Doppelbeschluss vom Dezember 1979 und dem Einmarsch der UdSSR in Afghanistan einen neuen Schwung, dessen Höhepunkt im ersten Drittel der 1980er Jahre erreicht wurde. Am 15. Mai 1982 fand in Wien eine der größten Demonstrationen mit 70.000 TeilnehmerInnen statt. Vgl. Pelinka (1983), 43. 391 Vgl. Mitschka-Kogoj, 11ff. - 88 -

Theorie der „Dualwirtschaft“392 provozierte jedoch heftigen Widerspruch des prononciert linken Spektrums innerhalb der alternativen Wahlbewegung, das darin eine antiemanzipato- rische Stoßrichtung erkannte. Repräsentiert wurde diese Linke durch die AL-Wien (ALW), neben dem Grazer Milieu die zweite Hochburg und Hauptströmung der Alternativen, deren ProtagonistInnen einem bundesweiten Kandidaturprojekt eher reserviert gegenüberstanden.393 Die Ursprünge der ALW liegen in der Kommunalpolitischen Initiative (KI)394, die im Septem- ber 1980 entstanden war. Deren AktivistInnen entstammten großteils dem universitären Milieu und dem Spektrum der K-Gruppen, wie z.B. der Gruppe Revolutionärer Marxisten (GRM). Nach Ansicht des Historikers Gerhard Schattauer, der selbst dem linken AL-Flügel zugehörte, hätte es sich um ein „Sammelsurium diverser linker, linksalternativer, basisdemo- kratischer, links-sozialdemokratischer, marxistischer, anarchistischer, feministischer Zirkel, Gruppen und Personen“395 gehandelt. Äußerer Anlass zur Parteigründung bildete der Wahl- erfolg der AL-Berlin am 10. Mai 1981, worauf sich im Jänner des folgenden Jahres die Alter- native Liste Wien in Anlehnung daran als wahlwerbende Gruppe gründete.396 Die ALW betrachtete sich als breite emanzipatorische Bewegung mit einer deutlich linken Akzentuierung. Im Fokus stand der Kapitalismus und seine Auswirkungen, die in der Zer- störung von Umwelt und Natur gesehen wurden, verbunden mit der sozialen Frage, anti- faschistischem Selbstverständnis und der Solidarisierung mit Emanzipationsbestrebungen, etwa im Bereich von Feminismus oder Homosexuellenbewegung.397 Im Unterschied zur Grazer Richtung, die das politische Koordinatensystem von links und rechts als antiquiert ab- lehnte und selbst alternativ-praktisch und theoriefern agierte, verorteten sich die WienerInnen klar links und antikapitalistisch. Für Kontroversen zwischen den zwei Richtungen sorgten darüber hinaus die Gewaltfrage, das Thema Schwangerschaftsabbruch oder die Parlamentaris- muskritik,398 vor allem aber die Frage, wie die Schaffung einer bundesweiten Alternativpartei

392 Dieses Konzept geht auf den Sozialphilosophen André Gorz zurück, der zwischen dem formellen und infor- mellen Bereich von Wirtschaft und Arbeit unterschied. Dessen AnhängerInnen forderten die Zurückdrängung des profit- und gelderwerbsorientierten Wirtschaftens zugunsten einer Alternativökonomie, die nicht auf Lohnarbeit basieren sollte. Siehe hierzu: http://www.wirtschaftslexikon.co/d/dualwirtschaft/dualwirt- schaft.htm (10.12.2014). 393 Vgl. Haiden, 65. 394 Die Kommunalpolitische Initiative (KI) entstammte dem Forum Alternativ, das eine konstruktive Synthese von Theorie und Praxis grün-alternativer Anliegen zum Ziel hatte. AktivistInnen des Forums gründeten z.B. im Wiener Prater ein Öko-Dorf mit Motto „Utopien werden nur durch Verwirklichung konkret“, das sich nach ökologischen, biologischen und sozialen Kriterien richtete. Im Mittelpunkt standen die Themen Erzie- hung, Entwicklungshilfe und Befreiungsbewegungen. Vgl. Haiden, 49f. Siehe auch: Hofbauer (1988), 43. 395 Vgl. Schattauer (1993),11. 396 Vgl. Gronner (1984), 81 und 86f; vgl. Pruckner,24f. Siehe auch: Liao, 59. 397 Vgl. Gronner (1984), 95. 398 Der Feminismus war zwar auch bei den GrazerInnen Teil des Selbstverständnisses, besaß aber bei weitem nicht denselben Stellenwert wie bei den Linken. Besonders die Grazer Leitfiguren Peter Pritz und Erich Kitz- müller hatten Vorbehalte gegenüber „schrillen Emanzen“ und diversen Frauenprogrammvorschlägen. Auch - 89 -

vonstattengehen sollte. Während die GrazerInnen hauptsächlich die Etablierung einer Wahl- partei für die kommenden NR-Wahlen anstrebten, ging es der Wiener Strömung mehr um die Bündelung und Verstärkung von Bewegungsanliegen.399 Die Gründung einer Bundesorgani- sation sollte nicht aufgrund des äußeren Drucks einer nahenden Wahl von einer kleinen Gruppe oktroyiert werden, sondern in Form der sog. Graswurzelbewegung von unten nach oben erfolgen.400 Außerdem wertete man das Grazer Programmpapier als „keine Infrage- stellung des herrschenden Systems […], sondern allenfalls [als] eine Kritik an den Praktiken gegenwärtiger Politik“401. Damit war das Spektrum der Alternativen Listen durch einen bipolaren Dualismus gekenn- zeichnet. Einerseits die subversiv-kapitalismuskritische Wiener Linke mit zum Teil klassen- kämpferischen Zügen, in der sich auch RadikalfeministInnen und Aktivisten von Schwulen- gruppen engagierten, andererseits die Grazer Strömung, dich sich als Ausdruck der Ökologie-, Antiatomkraft- und Friedensbewegung verstand, linkskatholisch geprägt, und konventionelle ideologische Zuordnungen als überholt betrachtete.402 Vom 5. bis 7. November 1982 fand schließlich in Graz der Gründungskongress der Alterna- tiven Liste Österreichs (ALÖ) statt. Massiv dazu beigetragen hatten die Konstituierung der Vereinten Grünen einige Monate zuvor und das Auftreten der diversen grünen Kleinst- parteien, denen man das grünalternative Feld nicht überlassen wollte. Wie auch in der BRD war die Initiative zur Installierung einer bundesweiten grünen Wahlpartei somit von rechts ausgegangen, während alternative Gruppierungen seit 1978 hauptsächlich kommunal agierten. Dass es überhaupt zur Konstituierung der ALÖ kam, war ein Verdienst der GrazerInnen, die auf eine NR-Wahlkandidatur drängten.403 Trotz der starken Anlehnung an das „Saarbrücker Programm“ der BRD-Grünen vertrat die ALÖ keinen radikal systemverändernden Kurs, sondern eine moderate reformistische Position. Eine radikale Attitüde fand sich allein aufseiten der ALW bzw. dem von ihr getragenen Linksaußen-Flügel der Bundespartei. Im Programm der späteren Grünen Alternative, die programmatisch an die ALÖ anschloss und sie beerbte, verschwand die systemüberwindende Komponente dann völlig.404

die Stellung marxistischer Prinzipien und die Gewaltfrage bildeten eine Wasserscheide zwischen den zwei Lagern. Vgl. Schattauer (1988), 360. 399 Vgl. Schattauer (1988), 450f und Straubinger, 16. 400 Vgl. Schattauer (1993), 11 und Haiden, 80f. 401 Ebd., 84f. 402 Vgl. Lindtner, 43f und Lind (1988), 18. Siehe auch: Christian (1983), 78f. 403 Vgl. Haiden, 63-65; vgl. Schandl (1996), 129f. Siehe auch: Gronner (1984), 87; Schattauer (1993), 10. 404 Damit fand bei den österreichischen Grünen nicht die Entwicklung hin zur Fundamentalopposition statt, wie sie für die bundesdeutschen Grünen bis Ende der 1980er charakteristisch war. Erstere avancierten mit Einzug in den Nationalrat 1986 zu Vorzeige-ParlamentarierInnen, die Missbräuche und Erstarrungen der repräsentativen Demokratie kritisierten. Der praktizierte Aktionismus wäre damit weniger Indiz für eine Systemopposition, als ein „gezielt eingesetztes Mittel, die Präsenz in den Medien sicherzustellen“. Statt als - 90 -

Schon beim ALÖ-Gründungskongress gelang es dem Grazer Flügel einen Passus durchzu- bringen, der befürchtete Wiener Ausritte in der Zusammenstellung der Kandidatinnen- und Kandidatenliste für die NR-Wahl verhindern sollte. Etwaigen „Extremisten“, Homosexuellen oder „schrillen“ Feministinnen sollte damit ein Listenplatz auf wählbarer Stelle verwehrt bleiben.405 Als die ALW bei den Wiener Gemeinderatswahlen, die zeitgleich mit der NR-Wahl stattfand, mit dem bekennenden homosexuellen Spitzenkandidaten Rudi Katzer antrat, selbst Proponent der Grazer Strömung, sorgte dies für einen innerparteilichen Eklat. Besondere Entrüstung lösten die großflächig aufgestellten Plakate aus, die den Spitzenkandidaten mit geschminktem Gesicht zeigten, hinterlegt mit dem Slogan: „Gloria. Popolitik ist mehr. Alternative Liste“ – für die GrazerInnen ein unverhohlener Affront, da sie dies als Torpedierung des ALÖ- Wahlkampfs interpretierten. Besonders Programmphilosoph Erich Kitzmüller ereiferte sich darüber und wertete das als Angriff der „Reste roter Sekten“, die „Minderheiten in den Vordergrund“ zu schieben trachteten, wie etwa „aktive Homosexuelle und schrille Femi- nistinnen“.406 Das entsprach im Übrigen der Grazer Grundhaltung, wurden doch sog. „Rand- gruppenthemen“ als wahltaktisch unklug, linke Akzentuierungen gar als überholt betrachtet. Innerhalb der ALÖ, die von der moderaten Grazer Strömung dominiert wurde, avancierte die Wiener Linke damit zur innerparteilichen Opposition.407 Auch im Verhältnis zum bürgerlich-rechten Grünspektrum offenbarten sich Unterschiede, versuchte doch die ALÖ aus pragmatischen Gründen im Vorfeld der NR-Wahl’83 eine Wahl- plattform mit den Vereinten Grünen zu erwirken, während der Wiener Flügel diesem Vor- haben grundsätzlich negativ gegenüberstand. Schließlich scheiterte die grün-alternative Kandidatur am entschiedenen Widerstand Tollmanns, der die Alternativen in Form eines Dik- tats zum Verzicht aller wesentlichen Programmpunkte aufforderte.408 Besonders echauffierte sich der VGÖ-Vorsitzende über die „linksextreme“ Wiener Gruppe, die nach seiner Meinung „Homosexuelle, Exhibitionisten, und radikale Feministinnen als Nationalratskandidaten

„extremistisch“ wurden die österreichischen Grünen daher als ein „Aufbegehren der Mitte“ wahrgenommen. Vgl. Lindtner,21f. 405 Vgl. Schandl (1996), 135-139. 406 Vgl. Schattauer (1988), 182f. Siehe auch: Gronner (1984), 94. 407 Vgl. Haiden, 52f. Siehe auch: Schattauer (1993), 10; Gronner (1984), 93f. 408 Im November/Dezember 1982 loteten VertreterInnen der ALÖ die etwaige Bündnisbereitschaft der VGÖ für eine gemeinsame Nationalratswahlkandidatur aus. Tollmann teilte den Alternativen dabei mit, dass Verhand- lungen nur dann eine Chance auf Erfolg hätten, wenn die ALÖ auf eine Reihe zentraler Vorstellungen ver- zichte. Genannt wurden „Imperatives Mandat, Rotationsprinzip, Selbstverwaltung der Betriebe, die ‚betonung bis bevorzugung von randgruppen (homosexuelle, lesbische, etc.) und bevorzugung nationaler minderheiten‘, fünfzig-zu-fünfzig-Prinzip zur Aufteilung politischer Funktionen zwischen den Geschlechtern und schließlich die Forderung nach einem ‚Basisgehalt‘“. Vgl. Huber (1991), 83f. - 91 -

präsentiert“. „Abgesehen von der Ökologie“ bestünden demnach „grundverschiedene An- sichten“ im gesellschaftspolitischen Bereich.409 Auch in der Folgezeit gingen die Initiativen in Richtung allgemeine grüne Sammlungspartei unter Einschluss des rechten Grünspektrums vom Grazer Flügel aus, der sich fern der tradi- tionellen Rechts-links-Zuordnung wähnte.410 Unmittelbar nach den verlorenen NR-Wahlen äußerte sich etwa Peter Pritz, Spiritus rector der ALG, abfällig über das erhaltene Stigma einer „linken Scenen-Randgruppenpartei“, für das er besonders die WienerInnen verantwort- lich machte. In Zukunft sollten bei der drohenden Kandidatur „zwei etwa gleich starker grüner Gruppen“ daher „alle Möglichkeiten einer Kooperation ausgelotet“ werden.411 Auch der Grazer AL-Programmatiker Kitzmüller war der Ansicht: „Für mehr als eine grün-alter- native Partei ist kein Platz.“412 Zwar gehörte es zum Selbstverständnis der ALÖ, nicht mit Rechtsextremen zu paktieren und rassistischen wie nationalistischen Tendenzen entgegenzutreten, aber die Thematik Anti- faschismus spielte im Vergleich zu Umweltschutz oder demokratiepolitischen Fragen doch eine untergeordnete Rolle. Exemplarisch zeigt sich dies im Statut der ALG, in dem man sich undifferenziert gegen „faschistische[s] und totalitäre[s] Gedankengut“ aussprach, was von der Parteilinken süffisant als „Totalitarismusparagraph“ verunglimpft wurde, interpretiert als Aus- druck eines maoistischen und kleinbürgerlichen Habitus՚.413 Eine grundlegende Auseinander- setzung mit den Bedingungen und Formen rechtsextremer wie faschistischer Ideologie unter- blieb, ganz im Gegensatz zum Wiener Flügel, wo bereits in der Anfangszeit der ALW anti- faschistische Arbeitsgruppen existierten.414 Auch später kam aus dieser Richtung die schärfste Kritik an rechten Tendenzen der Grünen Bewegung, etwa bzgl. des politischen Bündnisses und Charakters der Hainburg-Bewegung, wo vor allem die Ikonisierung von Konrad Lorenz abgelehnt wurde.415

409 Vgl. Haiden, 57f und Schattauer (1988), 185f. Nicht zu unterschätzen sind außerdem die Erfahrungen der „Wertkonservativen“ mit dem linksalternativen Spektrum in der BRD, die schlussendlich die Marginalisie- rung und Isolierung des rechten Grünflügels nach sich zog. Hierbei ist auf die Kontakte zwischen Tollmann und Herbert Gruhl hinzuweisen, der vor einer Fusionierung mit den Linken warnte. Am 15. April trat Gruhl als Repräsentant der ÖDP sogar auf einer VGÖ-Wahlkampfveranstaltung auf. Vgl. Huber (1991), 120. 410 Dieses Selbstverständnis übertrug sich später auch auf die Grüne Alternative. Noch 1991, fünf Jahre nach dem Einzug ins Parlament, hielt etwa Klubobmann Johannes Voggenhuber die Zuschreibungen „links und rechts und allen Graden dazwischen“ für eine „Einteilung nach den Kategorien des 19. Jh. Jahrhunderts“. Vgl. Lindtner, 137. 411 Vgl. Mitschka-Kogoj, 44f. 412 Vgl. Haiden, 91f. 413 Vgl. Mitschka-Kogoj, 60. 414 Gespräch mit Willi Lasek, einem ehemaligen Aktivisten der ALW, heute Mitarbeiter im Dokumentations- archiv des österreichischen Widerstandes (DÖW). 415 Bereits im Manifest zu den NR-Wahlen’83 distanzierte sich die ALW von „jenen ‚grünen‘ Gruppierungen […] die Ausländerfeindlichkeit propagieren oder […] gegen Abtreibungsmöglichkeiten und ‚entartete‘ Kunst auftreten“. Siehe hierzu: Alternative Liste Wien, Manifest der Alternativen Liste Wien. - 92 -

Bis zum Spätherbst 1984 spitzte sich der Strömungskonflikt weiter zu und wurde erst durch die Sogwirkung von Hainburg überlagert, die nach Zwentendorf zur zweiten großen Mobi- lisierung des grünalternativen Lagers führte.416 Den endgültigen Schlusspunkt im Macht- kampf zwischen den systemoppositionellen Linksalternativen und dem moderaten grünalter- nativen Flügel setzte schließlich die Wiener Landesversammlung am 4. Oktober 1986. Die hier erfolgte Nichtwahl der Frontfrau Freda Meissner-Blau als Wiener Spitzenkandidatin gab schließlich den Vorwand für die Eliminierung des Linksaußen-Flügels der kurz zuvor gegrün- deten Wahlpartei Die Grüne Alternative.417

416 Vgl. Haiden, 95 und 108; vgl. Schattauer (1993), 20f. Siehe auch: Lindtner, 46; Vanek, 56. 417 Vgl. Schandl (1996), 208-214. Siehe auch: Dolezal (1997), 489. - 93 -

3.4.2 Die 2. Parteibildungsphase 1983-1987

3.4.2.1 Kooperation & Konfrontation zwischen AL und VGÖ

Es lässt sich nur darüber spekulieren, was geschehen wäre, wenn es den Vereinten Grünen Österreichs – Liste Tollmann 1983 gelungen wäre, in den Nationalrat einzuziehen. Eine Eta- blierung im Parlament, wie es nach 1986 der Partei Die Grüne Alternative gelang, hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Dominanz des konservativ-rechtsökologischen Lagers innerhalb des grünalternativen Spektrums geführt mit folgenreichen Auswirkungen für das österreichi- sche Parteiensystem und der ideologischen Kontextualisierung der Themen Umweltschutz und Ökologie. Der nicht geglückte Parlamentseinzug von ALÖ und VGÖ bei den NR-Wahlen՚83 führte dagegen zu Ernüchterung und einem unmittelbar darauf einsetzenden Erosions- und Zerfalls- prozess dieser Grünparteien. Franz Schandl charakterisiert diese Entwicklung folgender- maßen: „Drohten die VGÖ aufgrund ihrer internen Konflikte zu explodieren: theatralische Abgänge, Abspaltungen und Ausschlüsse prägten einige Jahre das Bild, so schickten sich die Alternativen Listen an zu implodieren, was meint: sich auflösende Landes- und Ortsgruppen und viele leise Abgänge standen auf der Tagesordnung.“418 Vor allem die Grazer AL- Strömung erlebte diese Zeit als Niedergang, die erst durch die Entwicklung in Hainburg einem neuen Enthusiasmus wich, wo allerdings die zwei grünen „Altparteien“ keine zentrale Rolle mehr einnahmen. Nach der Wahlniederlage beider Listen im April 1983 kam es vorerst zur zaghaften Annähe- rung der beiden Lager, wurde doch in der separaten Kandidatur eine der Mitursachen für das Scheitern ausgemacht, was gleichzeitig als Ende des ersten grünalternativen Parteigründungs- prozesses betrachtet wird.419 Die Zeit bis zur NR-Wahl’86 war geprägt von einem Wechsel- spiel an Allianzen und Konkurrenzkandidaturen der beiden Parteien.420 Größter Erfolg bildete die gemeinsame Kandidatur in Vorarlberg, wo das Wahlbündnis AL/VGÖ im Oktober 1984 sensationelle 13% erreichte. Gerade hier traten in Folge aber auch die Gegensätze am stärksten zutage, verbunden mit grundlegenden Verwerfungen, die exemplarisch für das Verhältnis der zwei Grünspektren stehen. Noch bei der Landtagswahl 1994 sollte der VGÖ-

418 Schandl, vierte Kraft. 419 Vgl. Schattauer (1993), 15. 420 Vgl. Lindtner,47; vgl. Jordan, Die Grüne Alternative: Woher sie kommt. - 94 -

Nachfolger Die Grünen Vorarlbergs (DGV) gegen die Grüne Alternative (GAV) kandi- dieren.421 Schon im gemeinsamen Wahlkampf՚84 war es aufgrund des Bündnisses und taktischer Über- legungen zu einer Rückstellung originärer AL-Positionen gekommen, was sich etwa in der völligen Negierung feministischer Positionen äußerte. Ironischerweise führte gerade der er- folgreiche Wahlkampf und Einzug in den Landtag zum finalen Fiasko der Alternativen, vor allem, weil die beiden AL-Mandatare Sigfrid Peter und Kaspanaze Simma422 im Gegensatz zur Basis katholisch-konservative Standpunkte vertraten, die eher denjenigen der Vereinten Grünen ähnelten.423 Damit trat bei der AL eine fundamentale Diskrepanz zwischen politi- schem Anspruch und Wirklichkeit ein, etwa indem die Forderung nach Abtreibung auf Krankenschein von Peter und Simma, in Eintracht mit den VG-Mandataren, unverblümt abge- lehnt wurde.424 Besonders die rege AL-Frauengruppe machte daraufhin ihre schwerste Krise durch, denn neben der Besetzung aller vier grünen Mandate durch Männer, wog besonders die programmatische Aussparung feministischer Forderungen schwer, komplementiert durch sonderbare Aussagen des AL-Spitzenkandidaten Simma.425 Die zweite erfolgreiche Wahlplattform der zwei Grünparteien gelang im Sommer 1986 in der Steiermark und fungierte eine Art Generalprobe für die NR-Kandidatur der Grünen Alternative. Ähnlich wie in Vorarlberg kam es auch hier kurz nach dem gelungenen Wahl- bündnis zum Bruch, hauptsächlich verursacht durch den VG-Steiermark Vorsitzenden Josef Korber426, der später vom damaligen AL-Konterpart Andreas Wabl als „wildgewordener

421 Vgl. Grüne Bildungswerkstatt, Vorarlberg, 6f. Zur unterschiedlichen Herkunft und Mitgliederbasis siehe: Schattauer (1993), 18. Zum Konflikt zwischen den Vorarlberger Grüngruppierungen siehe: Rösch-Wehinger, 9 und 106-109; Schattauer (1988), 285 422 Kaspanaze Simma, eigentlich Kaspar Ignaz Simma (*1954), war das Gesicht der Kandidatur und wurde von den Medien als regional verwurzelter, bäuerlich-naturverbundener Grüner popularisiert. Simma war ehemali- ger Bauernbündler und bekannte sich zur katholischen Soziallehre. Gemeinsam mit dem Religionslehrer Sigfrid Peter und den WSL-Kandidaten Manfred Rünzler und Max Schöringhumer zog er 1984 in den Land- tag ein. Vgl. Schattauer (1988), 292 und Rösch-Wehinger, 143. Siehe auch: Haiden, 46f. 423 Schon zwei Tage nach der Wahl äußerte Simma gegenüber dem ORF-Journalisten Elmar Oberhauser, dass die AL-Bekenntnisse zum Schwangerschaftsabbruch, Freigabe bestimmter Drogen oder Abschaffung des Bundesheeres keine zentrale Rolle spielen würden. Andererseits legte der Neoabgeordnete Wert auf seine regionale Verwurzelung, indem er etwa bedauerte, sich politisch nicht in Mundart äußern zu können. Außerdem verwies er auf seine katholischen Überzeugungen und trat für eine „liebevolle“ Politik ein. Siehe hierzu: Ö1-Mittagsjournal am 22. Oktober 1984. 424 Vgl. Rösch-Wehinger, 144-146. 425 In einem Interview sprach Simma etwa davon, dass ihn besonders jene Frauen imponierten, die den Ge- schlechtsverkehr allein als Zeugungsakt verstünden, „sexuelle Konsumtrottelei“ sei dagegen abzulehnen. Vgl. Schattauer (1988), 290f. 426 Josef Korber (*1943), Zivilingenieur mit Schwerpunkt Wasserwirtschaft, war bereits 1975 mit einer Heimat- liste in den Gemeinderat von Weinitzen bei Graz eingezogen und tauchte Anfang der 1980er Jahre im Umfeld der ALG auf, wo er nach Schilderung damals Aktiver als „intriganter Aufwiegler“ in Erscheinung getreten wäre. Ende 1982 schloss er sich Tollmanns VGÖ an und wurde steirischer Landesvorsitzender. Im Unterschied zu anderen Landesgruppen handelte es sich hier um eine unbedeutende Kleingruppe, die - 95 -

Kleinbürger“ charakterisiert werden sollte. Besonders Wabl forcierte 1986 jedoch die Ko- operation mit den steirischen Vereinten Grünen427, was er später als „größten politischen Fehler“ bezeichnen sollte.428 Mit 3,73% zog man am 21. September 1986 in den steirischen Landtag ein und erreichte zwei Mandate, besetzt von Gundi Kammlander (AL) und Josef Korber.429 Bereits wenig später zerbrach das Bündnis irreparabel, wofür in erster Linie die Destruktivität Korbers verantwortlich gemacht wurde. Den kurzwährenden Bündnissen in Vorarlberg oder der Steiermark standen in anderen Bundesländern intensive Rivalitäten oder unüberbrückbare ideologische Gegensätze gegen- über. Besonders in Niederösterreich und Kärnten vertraten AL und VGÖ geradezu diametrale Standpunkte. Wie in Kärnten spaltete auch im Burgenland die Volksgruppenfrage die zwei Grünparteien. Gerade die VG-Kärnten zeichneten sich etwa durch einen rabiaten Deutsch- nationalismus aus, während sich die AL mit besonderem Nachdruck für die ethnischen Minderheiten einsetzte. Im Burgenland drückte sich dieses Selbstverständnis etwa im offiziell dreisprachigen Parteinamen aus und in Kärnten bestand seit 1983/84 ein Bündnis mit der slowenischen Einheitsliste (KEL).430 Diese solidarische Haltung gegenüber den österreichischen Minderheiten setzte sich im Programm der Grünen Alternative fort, die mit dem „Zehnten Bundesland“ eine innerparteiliche Vertretung der allochthonen und autoch- thonen Bevölkerungsgruppen schuf.431 Mit Karel Smolle zog im Herbst 1986 auch ein Ver- treter der Kärntner SlowenInnen auf der Liste Meissner-Blaus ins Parlament ein. Der schärfste ideologische Gegensatz bestand jedoch in Niederösterreich, dessen AL- Landesverband ab Mitte 1983 zunehmend in Richtung der Wiener AL-Linken einschwenkte, während die zu dieser Zeit von Inge Rauscher geführten Vereinten Grünen auch innerhalb der eigenen Partei zum Rechtsaußenflügel zählten.432 Besonders die Absicht der AL-NÖ, bei den

hauptsächlich von Korber als Einzelkämpfer repräsentiert wurde, so jedenfalls der Eindruck damaliger AL- ProtagonistInnen. Vgl. Schandl (1996), 259 und 292. 427 In der Steiermark fristeten die VGÖ aufgrund einer allmächtigen AL ein Schattendasein. Besonders in Graz dominierte die ALG die grünalternative Szene, sodass sich VG-Grüppchen allein in manchen Kleinstädten wie Zeltweg, Köflach, Judenburg oder Fürstenfeld etablieren konnten. Des Weiteren verhinderte Korbers autoritäres und bisweilen paranoides Gebaren, das sich keine tragfähigen Strukturen und eine größere Mitgliederbasis entwickeln konnten. Im Unterschied zu anderen VG-Landesorganisationen sind aber keine auffälligen Verbindungen ins rechtsextreme Lager bekannt, lediglich zu Beginn hätten „teils militante ‚Deutschnationale‘ (v.a. aus der Obersteiermark)“ und die rechtsökologische Plangemeinschaft Schöneborn versucht anzudocken. Vgl. Huber (1991), 104 und 144. 428 Vgl. Schandl (1996), 164; vgl. Schattauer (1993), 98-100. 429 Vgl. Dachs, Medien, 57. 430 Zu Spannungen führte der Umstand, dass die KEL eine weitgehend christlich-bäuerliche Wählerbasis besaß, die den grünalternativen Forderungen mit Skepsis gegenüberstand und daher bei Wahlen schwerer mobili- sierbar war. Nach 1986 avancierten daher der SP-nahe Zentralverband und die burgenländischen KroatInnen zu Bündnispartnern der Grünen Alternative. Vgl. Schaller (1992a), 112f; vgl. Schaller (1992b), 51; vgl. Schandl (1996), 226f. Siehe auch: Christian (1996), 244. 431 Vgl. Marko (1992), 399; vgl. Dachs, Handbuch, 265. 432 Vgl. Schandl, vierte Kraft. - 96 -

Arbeiterkammerwahlen 1984 gemeinsam mit der sozialistischen Gewerkschaftlichen Einheit (GE) zu kandidieren, provozierte die Rauscher-Truppe, die mit antikommunistischen Stigmata reagierte.433 Umgekehrt brachte die AL-NÖ im Februar 1986 mit einem Offenen Brief die Affäre um den VG-Spitzenfunktionär Hermann Soyka und dessen Zeitschrift Gesundes Leben mit ins Rollen.434 Dieser grün-alternative Gegensatz hielt sich bis in die späten 1980er Jahre und fand erst mit dem Niedergang der VGÖ ein Ende. Kurzum lässt sich resümieren, dass die verwirklichten Kooperationen zwischen Vereinten Grünen und Alternativer Liste in der Zeit 1983-1986 ausschließlich dem Umstand geschuldet waren, als Wahlplattform die Chancen bei Kommunalwahlen und damit auf eine parlamenta- rische Beteiligung zu erhöhen. Kamen solche Allianzen wie in Vorarlberg oder der Steier- mark zustande, wurden sie bald von heftigen Auseinandersetzungen und persönlichen Ani- mositäten erschüttert, die in Folge zum Bruch der gemeinsamen Plattform führten. Den End- punkt bildete der Ausschluss von VGÖ-Obmann Buchner aus dem grünen Nationalratsklub am Jahresende 1987, was gleichzeitig die Konsolidierung einer linksliberal orientierten grünen Partei als vierte Kraft des österreichischen Parteienspektrums bedeutete.435

3.4.2.2 Hainburg und die Folgen

Die Widerstandsbewegung gegen den Bau eines Wasserkraftwerks in den Donau-Auen bei Hainburg zur Jahreswende 1984/85 gilt gemeinhin als Wendepunkt der Grünen Wahlbewe- gung, laut Parteichronisten Gerhard Jordan der entscheidende „Anstoß zur grünen Eini- gung“.436 Durch die Beteiligung und Mobilisierung breiter Bevölkerungsschichten, begleitet durch intensive mediale Berichterstattung und Kampagnisierung, erhielt das grünalternative Spektrum einen neuen Impuls, der schließlich zum Ausgangspunkt für die Schaffung der Wahlpartei Die Grüne Alternative wurde. Schon im Jahr 1982 fällte die Donaukraftwerks-Gesellschaft (DoKW) den Beschluss, bei Hainburg ein Kraftwerk zu errichten, was die Zerstörung von 800 Hektar Aulandschaft mit- einschloss. Mit der überraschend klaren Niederlage der zwei Grünparteien bei der NR-Wahl im April des folgenden Jahres schien sich der grüne Widerstand auf eine überschaubare Gruppe zu reduzieren, eine Einschätzung, die sich für Elektrizitätswirtschaft, Gewerkschaft

433 Vgl. Schattauer (1988), 275f. 434 In einem Brief an die AL-NÖ empörte sich Leopold Makovsky, der Soyka als Landesvorsitzender ablösen sollte, über die „Hetzkampagne“ und rief zum „Verzicht auf jedweden Extremismus und Radikalismus“ auf, wozu auch „[r]adikaler Antifaschismus“ zu zählen sei, den er mit „radikale[m] Komunismus [sic!]“ und „Rechtsextremismus“ gleichsetzte. Siehe hierzu: Brief von Makovsky vom 4. März 1986. 435 Vgl. Vanek, 59. 436 Vgl. Jordan (2011), 4. Siehe auch: Dachs, Handbuch, 266. - 97 -

und Bundesregierung als fataler Trugschluss erweisen sollte.437 Ab Mitte 1984 rückte die Thematik zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit und wurde vor allem von den Zeitungen Kurier und schließlich von der Kronen Zeitung angeheizt. Bereits ein Jahr zuvor hatte der World Wildlife Fund (WWF) die Kampagne „Rettet die Auen“ gestartet und für Aufmerksamkeit gesorgt,438 später kam der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH)439 eine gewichtige Rolle zu, während sich die zwei grünalternativen Kleinparteien nicht profilieren konnten.440 Sowohl VGÖ als auch AL waren von der Stärke der Mobilisierung völlig über- rascht worden und standen von Beginn an im Abseits.441 In Hainburg traten somit neue Akteure auf das grüne Politikfeld, „[d]urch deren Engagement […] die grüne Bewegung offener und breiter, und von einer bipolaren zu einer heterogenen Bewegung [wurde]“442. Besonders vonseiten der InitiatorInnen des Konrad-Lorenz-Volksbegehrens (KL-VB) wurde später betont, dass die Bewegung weit über den Anhängerkreis der grünen Kleinparteien hinausgegangen sei.443 Erster Höhepunkt der Protestbewegung bildete die sog. „Pressekonferenz der Tiere“, so beti- telt vonseiten der Medien in Anspielung auf Erich Kästners „Konferenz der Tiere“, die am 7. Mai 1984 im Presseclub Concordia in Wien über die Bühne ging. Gedacht war sie als Start- punkt der Kampagne für das Volksbegehren, das sich gegen den Bau des Donaukraftwerks in der Aulandschaft richtete. Hier veranschaulichte sich erstmals der Charakter der Bewegung, die von einer medialen Dramaturgie begleitet und von der Kunst- und Politprominenz unter- schiedlicher Fasson repräsentiert wurde.444 In diesem Auftritt äußerte sich nicht nur ein stark elitärer Zug, sondern auch die Kompatibilität dieses grünen Themas mit sämtlichen Weltan- schauungspositionen. Der Bogen der UnterstützerInnen reichte von der FPÖ über das christlich-konservative Lager, vertreten durch den „grünen“ ÖVP-Flügel um Erhard Busek und Othmar Karas, bis zum Spektrum sozialdemokratischen Hintergrunds, repräsentiert von

437 Vgl. Ableitinger (1992), 194. Siehe auch: Gugenberger (1987), 267. 438 Mit Friends of Earth, Global 2000 oder dem Institut für Umweltwissenschaft von Bernd Lötsch beteiligten sich später weitere Umweltgruppierungen am Engagement gegen Hainburg. Vgl. Haiden, 132. 439 Die Aktionsgemeinschaft gegen das Kraftwerk Hainburg gründete sich im Sommer 1983. Diese Initiative wurde außer von BIs und Umweltgruppen hauptsächlich von der ÖH getragen, zu dieser Zeit dominiert von der ÖVP-nahen Studierendenfraktion Aktionsgemeinschaft (AG), die es verstand ihren Eigennamen geschickt in die Benennung der Plattform einzuweben. Diesen Studierenden sollte es auch gelingen, sich im Organisationsapparat des initiierten Konrad-Lorenz-Volksbegehrens (KL-VB) festzusetzen. Vgl. Schattauer (1993), 24. 440 Vgl. Pelinka (1986), 101. 441 Vgl. Haiden, 129. Siehe auch: Pelinka, Hainburg Jahrbuch 1985, 96f. 442 Lindtner, 93. 443 Vgl. Haiden, 143. 444 Bei dieser Pressekonferenz traten der Journalist Günther Nenning verkleidet als Rothirsch, ÖVP-Wien Stadt- rat Jörg Mauthe als Schwarzstorch, Hubert Gorbach als Blaukelchen, zu dieser Zeit Bundesobmann des Rings Freiheitlicher Jugend (RFJ), Universitätsdozent Bernd Lötsch als Purpurreiher und Freda Meissner-Blau als Laufkäfer in Erscheinung. - 98 -

Josef Cap, Freda Meissner-Blau445 oder dem damals SP-nahen Gewerkschafter Günther Nenning446. Besonders Letzterer prägte im Verbund mit der Kronen Zeitung von Hans Dichand die Protestbewegung, deren Kampagnen sich hauptsächlich gegen Regierung und Gewerkschaft richteten. In der Folgezeit überstrahlten Nenning als „Drahtzieher mit Charisma“ und Meissner-Blau, die durch Hainburg zur grünen Galionsfigur avancierte, medial die Ereignisse, was mit einer zunehmenden Personifizierung zusammenhing.447 In Hainburg versammelten sich auf der einen Seite hauptsächlich „Studenten, Anrainer und Naturfreunde“, denen ArbeiterInnen gegenüberstanden, die um ihre Arbeitsplätze fürchteten. Für die Politikwissenschaftlerin Sonja Puntscher-Riekmann eröffnete sich damit der „Konflikt zwischen Umweltschutz und Arbeitswelt“.448 Aufgrund dieses Szenarios besaß die Aus- einandersetzung auch eine antisozialdemokratische und antigewerkschaftliche Komponente, die besonders vonseiten rechtskonservativer Kreise und der Krone artikuliert wurde. Eine Stoßrichtung, die dem linken AL-Flügel missfiel, wie auch die Kumpanei der Umwelt- schützerInnen mit dem Boulevard verstörend wirkte.449 Dazu kam die sich artikulierende ressentimentgeladene Parteienfeindlichkeit, während eine tiefergehende Systemkritik aus- blieb.450 Hauptmotivation der AuschützerInnen bildete der klassische Naturschutzgedanke, der mit einer Ästhetisierung der Aulandschaft einherging. Nicht die Ablehnung der Wasserkraft an sich stand im Fokus des Widerstands, wie es etwa die Atomtechnologie in Zwentendorf gewe- sen war, sondern das Motiv von der „Rettung der Natur“ war hier Ausgangspunkt. Gefordert wurde etwa, dass die Au als „Naturdenkmal“ erhalten bleiben sollte, was durch die Schaffung

445 Freda Meissner-Blau (*1927), bereits im Mai՚68 mit den revoltierenden Studierenden in sympathi- sierend, war verheiratet mit dem Sozialdemokraten Paul Blau. Später engagierte sie sich gegen die Inbetrieb- nahme des AKW-Zwentendorf und gelangte als Club 2-Moderatorin zu Bekanntheit. Nach der Kandidatur bei der Bundespräsidentschaftswahl am 4. Mai 1986 war sie von 1986-1988 die erste Klubobfrau der Grünen Alternative im Parlament. Vgl. Gerlich (1995), 421f. Siehe auch: Pruckner, 35. 446 Günther Nenning (1921-2006) startete seine Karriere als Redakteur der SPÖ-Parteizeitung Neue Zeit und war ab 1960 Vorsitzender der Journalistengewerkschaft. Anfang der 1970er trat er als Mitinitiator eines Volksbe- gehrens zur „Abschaffung des Bundesheeres“ auf und avancierte zum linken Parade-Intellektuellen durch seine Moderationen der ORF-Produktion Club 2. Durch sein Engagement für die Hainburger Au verlor er seinen Platz im ORF und wurde 1985 „wegen parteischädigenden Verhaltens“ aus SPÖ und Gewerkschafts- bund (ÖGB) ausgeschlossen. Nach seinem Intermezzo als Einiger der Grünen (1986) wandte er sich der Kronen Zeitung zu, wo Nenning eine regierungskritische, umweltbewusste und nationalpopulistische Linie vertrat. In Folge positionierte er sich als Gegner der Europäischen Union und charakterisierte sich selbst als „Nationalösterreicher“ und „Kulturdeutschen“. Vgl. Pruckner, 29. 447 Vgl. Schattauer (1993), 27. 448 Vgl. Puntscher-Riekmann, 419. 449 Vgl. Hofbauer (1988), 55. 450 Vgl. Schattauer (1993), 51. Besonders die Wiener Linke stand der Hainburgbewegung deshalb kritisch gegenüber. Deren führender Protagonist Hannes Hofbauer schildert die damalige Situation folgendermaßen: „Der Mythos vom Bruder Baum blieb trotz romantischem Lagerleben suspekt. Zuviel Lorenz, zuviel Rot- Weiß-Rot und Nationalhymne machten die Sache zu einem Spießrutenlauf mit dem eigenen Gewissen.“ Hofbauer (1988), 54. - 99 -

eines Nationalparks gewährleistet werden sollte. Mit diesem Gedanken eines konservierenden Naturschutzes waren ästhetische Motive verknüpft. Dies drückt sich etwa in der pathetischen Formulierung von Günther Nenning und Jörg Mauthe aus, die die „Schönheit […] in ihre uralten Rechte wiedereingesetzt“ sehen wollten.451 Die Hainburg-Bewegung wandelte damit auf den Spuren des romantischen Landschafts- und Heimatschutzes.452 Die Sehnsucht nach einer unbeschädigten Natur und die Frustration über die Willkür der Mächtigen fungierten dabei als gemeinsamer Anknüpfungspunkt, woraus sich eine ähnlich politisch-bunte Allianz herausbildete, wie im Zuge des Anti-Zwentendorfprotests.453 Im Dezember 1984 eskalierte schließlich die Auseinandersetzung, ausgelöst durch den positiven Wasserrechts- und Rodungsbescheides am 5. Dezember. Die darauf stattfindende Sternwanderung mehrerer tausend Menschen nach Stopfenreuth mündete schließlich in einer Besetzung des Augebiets. Im Zuge eines Polizeieinsatzes am 19. Dezember kam es zur Eska- lation, wobei das brutale Vorgehen der Exekutive auf Seiten der AuschützerInnen zu hun- derten Verletzten führte. Daraufhin fanden sich etwa 40.000 empörte BürgerInnen zu einer Großkundgebung vor dem Regierungssitz ein, was den schrittweisen Rückzug der Regierung einleitete. Das Hainburg-Volksbegehren selbst, zwischen dem 4. und 11. März 1985 abge- halten, verlief mit der Beteiligung von nur 6,55% der Stimmberechtigten jedoch enttäuschend und wird, in der grünen Retrospektive als in keinem Verhältnis zur Stärke der Bewegung stehend, gewertet.454 Für die Historiker Schandl und Schattauer wäre dieser „Sieg in der Au“ jedoch „gleichbe- deutend mit der Niederlage der beiden ökologischen ‚Altparteien‘“ gewesen, die der „massiv vorangetriebene[n] Medien- und Prominentenkandidatur“ nichts entgegenzusetzen hatten. Die Initiative zur grünen Einigung lag nach Hainburg nämlich nicht mehr bei grünalternativen Basisgruppen, sondern wurde zentral von einem prominenten Personenkreis eingeleitet, der eng mit der Medienlandschaft verknüpft war. Nach Meinung der zwei Historiker hätte mit dem KL-VB „hauptsächlich der konservative Teil der Etablierten zur ausschlaggebenden poli- tischen Intervention in den Grünbereich an[gesetzt]“.455 Damit stelle Hainburg den Triumph

451 Vgl. Schattauer (1993),41. 452 Exemplarisch sei hier auf den „Schwur von Hainburg“ verwiesen, der am 30. Mai 1984 nächtlicherweise von einigen tausend AuschützerInnen auf der Hainburger Heimoburg geleistet wurde. In diesem wurden die be- drohten Tiere und Pflanzen zu Brüdern und Schwestern erklärt, die als Teil der Schöpfung verteidigt werden müssten. Der Schwur endete mit der Feststellung: „Die Zerstörung unserer Heimat muss beendet werden“. Vgl. Gugenberger (1987), 268f. Siehe auch: Schattauer (1993), 30. 453 Ähnlich wie in den Jahren 1977/78 reichte auch diesmal der Bogen von links bis weit nach rechts, auch wenn die rechtsextreme Szene keine Wirkmächtigkeit entfalten konnte. Gerüchten zufolge soll sich die Neonazigruppe um Gottfried Küssel an den Aubesetzungen beteiligt haben, der just zu dieser Zeit seine militante Volkstreue außerparlamentarische Opposition (VAPO) initiierte. 454 Vgl. Jordan, woher. 455 Vgl. Schandl (1996), 166. - 100 -

der „bürgerlichen Ökologie“ über die linken Ansätze der Alternativbewegung dar, was sich in einer emotionalen aber substanzlosen Gesellschaftskritik äußerte. Grüne Politik wäre hier schlichtweg auf das Thema Naturschutz reduziert worden, das sich darüber hinaus mit einem patriotischen Gestus vermengte.456 Besonders deutlich zeigte sich dieser Grundzug in der Benennung des Volksbegehrens nach dem greisen Nobelpreisträger und umstrittenen Ver- haltensforscher Konrad Lorenz. Mit ihm avancierte ein Mann zum Schirmherrn des Hainburgprotests, der sich erst wenige Jahre zuvor äußerst widerwillig von der französischen um distanziert hatte. Schon zum Zeitpunkt der Nobelpreisverleihung 1973 hatten seine früheren Verwicklungen in den Nationalsozialismus und sein kulturkritisches Machwerk „Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit“ für Aufsehen gesorgt, reformulierte er doch hier seine berüchtigte Degenerationsthese aus der NS-Zeit.457 Entsprechend verschnupft reagierte die AL-Linke über die erkorene grüne Leitfigur. Für den „Wiener“ Hannes Hofbauer hätte gar ein „Hauch von Rassenbiologie“ über dem Volksbegehren geweht, womit er auf die biologistisch-eugenischen Aussagen Lorenz՚ anspielte. Innerhalb der ALÖ bildete diese Posi- tion jedoch eine Minderheitenmeinung. Am Bundeskongress wurde sie als „sektiererisch“ zurückgewiesen und Hofbauer – nach eigener Darstellung – gar als „Verräter an der Sache des Umweltschutzes“ hingestellt.458 Eine von der ALW unter ungeklärten Umständen abge- gebene kritische Presseerklärung zum KL-VB wurde zum Politikum und führte zu einer weiteren Eskalationsstufe in der Auseinandersetzung zwischen dem Wiener und dem Grazer Flügel.459 Der greise Biologe Lorenz selbst trat in Hainburg nur medial in Erscheinung, war jedoch Träger einer bestimmten Signalwirkung, da Werk und Leben unübersehbare Stigmata einer biologistischen und sozialdarwinistischen Weltanschauung trugen. Damit musste das emanzi- patorische Potential des Volksbegehrens von vornherein infrage gestellt werden.460 Verstärkt wurde dieser Eindruck durch die romantisch-naturspirituelle Kontextualisierung der Protest- bewegung, in welcher der „Krieg in der Au“ zum geheiligten Anliegen avancierte, was beson-

456 Vgl. Schandl (1996), 174f. 457 Vgl. Gugenberger (1987), 268f. 458 Vgl. Hofbauer (1988), 53f. 459 Die Kontroverse innerhalb der ALÖ um das Verhältnis zum von Nenning und der Kronen Zeitung getragenen KL-VB muss als Teil des Machtkampfs zwischen Wiener und Grazer Strömung betrachtet werden, der sich bis Ende 1984 zuspitzte. Hintergrund bildete die künftige politische und ideologische Positionierung der Partei. Am AL-Bundeskongress wurde mehrheitlich ein Antrag angenommen, der eine überschwänglich-vor- behaltlose Identifikation mit der Volksbegehrensinitiative vertrat. Trotz dieses Mehrheitsbeschlusses gaben Wiener ProponentInnen eine eigene, kritischere Erklärung im Namen der ALW ab, die von der beschlossenen Position abwich und in Folge beinahe zur Parteispaltung führte. Vgl. Haiden, 107f. 460 Vgl. Schandl (1996), 170f und Schattauer (1993), 32. - 101 -

ders im „Schwur von Hainburg“ zu Tage trat.461 Als Spiritus rector dieses arrangierten Auf- stands in der Au wirkte Günther Nenning, der sich darin auszeichnete, Rituale, Mystik und Schwüre prägend in die Agitation und Propaganda einfließen zu lassen.462 Im Frühjahr 1984 verfasste er noch als Vorsitzender der Journalistengewerkschaft ein „Schönheitsmanifest“ gegen die Zerstörung der Natur. Den nach Schattauer „unreflektierten ästhetisch-mythischen Naturbegriff“ erweiterte er im Zuge der Hainburg-Bewegung um ein „neue[s] grüne[s] Öster- reichgefühl“, das am Ende der sich vollziehenden „demokratisch-ökologischen Bewegung“ stehen sollte.463 Im Bemühen um eine Art religiöse Absolution versuchte Nenning auch eine Audienz einer KL-VB-Delegation beim Papst einzufädeln, dem eine Stellungnahme zum Natur- und Umweltschutz abgerungen werden sollte.464 In der Folgezeit stieg Nenning zur schillerndsten Figur der Grünen Wahlbewegung auf. Mit seinen Medienkontakten und einer wöchentlichen Kolumne in der Zeitschrift Profil domi- nierte bald seine Sichtweise die öffentliche Wahrnehmung der grünalternativen Einigungsbe- strebungen. Dabei gefiel er sich besonders in der Rolle des Rechts-Links-Verbinders und Querdenkers, trat etwa für einen Diskurs zwischen den eigentlich konträr stehenden politi- schen Lagern ein und begriff sich selbst bald als „nationaler Linker“.465 Ab den frühen 1990er Jahren wandte er sich zusehends dem nationalkonservativen Milieu zu, trat etwa bei Veranstaltungen der FPÖ auf, publizierte in den einschlägigen Zeitschriften Aula oder Zur Zeit, pflegte rege Briefkontakte zur österreichischen Zentralgestalt der Neuen Rechten, Jürgen Hatzenbichler, oder beehrte Burschenschaften wie die Danubia und Olympia als prominenter Diskussionsteilnehmer.466 Im Jahr 1993 beklagte sich Nenning in der Kronen Zeitung schließlich über die „Meute der Haider-Hasser“, nachdem das fremdenfeindliche FPÖ- Volksbegehren „Österreich zuerst“, gemeinhin als „Anti-Ausländer-Volksbegehren“ bezeich-

461 Vgl. Haiden, 134f; vgl. Gugenberger (1987), 270. 462 Vgl. Schattauer (1993), 29. 463 Vgl. Schattauer (1993), 50. 464 Vgl. Schandl (1996), 174. 465 Nenning inszenierte sich vorgeblich ideologiefrei ab Ende der 1980er als Vorkämpfer gegen die von ihm ausgemachten Konventionen. Einerseits stärkte er dem Grün-Abgeordneten Andreas Wabl nach dessen gegen Waldheim gerichteter Hakenkreuzrede im Mai 1987 demonstrativ den Rücken, bezeichnete Österreich im Profil aufgrund der hysterischen Reaktion als „halbfaschistisch“ und „halbantisemitisch“ und dankte Wabl dafür „Flagge gezeigt“ zu haben. Gleichzeitig ermunterte er später den rechtsextremen Journalisten Jürgen Hatzenbichler dazu „nicht [das] Maul [zu] halten“, sei „Nazi werden“ doch die „extremste Form des Jugend- protestes gegen eine undemokratische Demokratie“. Anfang der 1990er Jahre näherte er sich dem Spektrum der Neuen Rechten an und veröffentlichte als „nationaler Linker“ in deren Publikationen , Nation Europa oder Mut. Siehe hierzu: Günther Nenning, Endlich die richtige falsche Tat, in: Profil vom 25.5.1987, zit. n.: Grüne Bildungswerkstatt, Hg., Die Republik im Fieber, Graz 1988, 170-174. Vgl. Perner (1994b), 84-86. 466 Vgl. Perner (1994a), 50, 66, 68. Siehe auch: Gärtner, 156. Besonders die Olympia, bereits 1961 aufgrund ihrer Verwicklung in den Südtirol-Terrorismus behördlich aufgelöst, gilt als Schnittstelle zum neo- nazistischen Spektrum und ist regelmäßige Bühne für einschlägige Personen wie den Holocaust-Leugner oder völkischen Liedermacher Frank Rennicke. - 102 -

net, von vielen Seiten Ablehnung erfahren hatte.467 Noch im Mai 2002 hielt Nenning übrigens am „Schulvereinstag“ der rechtsextremen Österreichischen Landsmannschaft (ÖLM) eine Festrede.468 Günther Nenning ist damit das Paradebeispiel eines ursprünglich überzeugten Sozialisten, dessen Weg über die Hinwendung zu spirituell-heimattümelnder Naturverklärung schließlich in das Umfeld der extremen Rechten führte.469 Seit den 1990ern rückte das „Nationale“ in den Mittelpunkt seines politischen Selbstverständnisses, kombiniert mit Ressentiments gegen die sog. „Überfremdung“ und eine vorgeblich zu liberale Migrationspolitik.470 Ein „Menschen- recht“ sei, so Nenning, „bei sich daheim zu sein, nicht überrollt zu werden, sondern das Seine behaupten zu dürfen“.471 „Heimat“ galt ihm seit dieser Zeit als „etwas ganz wunderbares“ und bezeichnete sie gar als einen „verlängerte[n] Körperteil“.472 In der neu-rechten Zeitschrift Mut agitierte er gegen die USA und ließ Sympathien für das neorassistische Konzept des „Ethno- pluralismus“ erkennen, das die Unvermischbarkeit von Völkern und Kulturen proklamiert. Im Jänner 1993 bezeichnete er bei einer Veranstaltung des FPÖ-Bildungswerkes zum Thema „Multikulturelle Gesellschaft oder Ethnopluralismus“, an der Jörg Haider, Andreas Mölzer und Kurt Krenn teilnahmen, gar „eine geordnete Rückführung“ von Flüchtlingen als sinnvoll, da diese ein „Recht auf Heimat“ besäßen.473

3.4.2.3 Die Grüne Alterative – Endergebnis der grünen Formierungsphase

Die Hainburg-Bewegung bildete den Auftakt zur Schlussetappe des grünalternativen Partei- bildungsprozesses, der mit dem Parlamentseinzug der Partei Die Grüne Alternative im No- vember 1986 seinen Abschluss fand. Für Anton Pelinka ist Hainburg die „entscheidende, nicht wegzudenkende Voraussetzung für die politische Integration des Grün-Alternativen Spektrums“. Hier stieg vor allem Freda Meissner-Blau „zur erfolgreichen Integrationsfigur“ des diffusen Protestspektrums auf und wurde zur grünen Hoffnungsträgerin ernannt.474

467 Vgl. Ditfurth (1997), 257; vgl. Ditfurth (2000), 183. 468 Vgl. DÖW, Neues von ganz rechts – Juni 2002. http://www.doew.at/erkennen/rechtsextremismus/neues-von- ganz-rechts/archiv/juni-2002/eckart-bote-leugnet-ns-verbrechen (15.07.2014). 469 Nur wenige Jahre nach der von ihm miteingefädelten grünen Einigung warf Nenning der Grünen Alternative 1992 am Höhepunkt der xenophoben FPÖ-Kampagne vor, sie möge doch „bitte wieder grün und nichts als grün“ sein, ohne „tagespolitische oder ideologische Fremdzusätze“. Siehe hierzu: Strelow, Verlorene, 164f. 470 Noch im Jahr 1979 hatte er nationalistische Bestrebungen als reaktionär zurückgewiesen. Nenning im eigenen Wortlaut: „Dass die nationale Einheit erforderlich sei für das endliche Gelingen des Sozialismus, ist von de(sse)n alten Hüten der älteste einer. Er wird aufgesetzt als Antwort auf die Preisfrage: Sozialismus ist so was Schönes, warum kommt er denn nicht?“, zit. n. Ästhetik und Kommunikation (1979), Heft 36, 125. 471 Junge Freiheit vom 25. Mai 1992, zit. n. Ditfurth (1997), 257. 472 Vgl. Perner (1994b), 77-80. 473 Vgl. Perner (1994b), 115f und Purtscheller (1993), 145-150. 474 Vgl. Pelinka (1989), 381. - 103 -

Bereits hinter dem KL-VB hatte die strategische Überlegung gesteckt, Voraussetzungen für eine breite Grünpartei zu schaffen und „die ganzen Querelen hinter sich [zu] lassen“, womit sie mehr war als eine punktuelle Initiative.475 Aus dieser Überlegung heraus bildete sich gegen Ende Oktober՚85 die Bürgerinitiative Parlament (BIP), die als eine Art Dachorganisa- tion der Grünen Wahlbewegung eine geeignete Kandidatinnen- und Kandidatenliste erstellen sollte.476 Diese Konzeption einer Personenliste stand jedoch in genauem Widerspruch zum radikaldemokratischen Verständnis des AL-Spektrums, das einen Parteiaufbau von unten nach oben verfolgte.477 Aufgrund des hohen Prominentenanteils und der starken Medienpräsenz lag die Initiative im grünen Sammlungsprozess aber bald aufseiten der BIP, zu der auch der Grazer AL-Flügel zusehends konvertierte. Gerade die GrazerInnen charakterisierte nämlich der Wunsch parla- mentarisch erfolgreich zu sein, wobei die Wahlniederlage von 1983 einem Trauma gleichkam. Durch die zunehmende Stärke der BIP, die dem Geist des KL-VB entstammte, gerieten die grünen Altparteien ALÖ und VGÖ zunehmend unter Zugzwang und büßten nach Hainburg zusehends an Relevanz ein.478 Der BIP fehlte im Gegenzug eine tragfähige Basis, hatte sie doch als exklusive Expertentruppe keinerlei institutionelle Verankerung im grünalternativen Milieu und funktionierte allein über ihre Medienpräsenz. Erst im Frühjahr 1986 und der danach einsetzenden „Hainburger Einigungsgespräche“, an der neben BIP, ALÖ und VGÖ479 auch zahlreiche grünalternative Kleinstgruppen mit Ausnahme des rechtsextremen Spektrums beteiligt waren, änderte sich das Bild.480

475 Vgl. Lindtner,199. 476 Der Impuls dazu ging vom Salzburger Stadtrat Johannes Voggenhuber (BL) aus, der einen Arbeitskreis Par- lament vor Augen hatte, der als „Überbrückungskandidatur […] integrative[r] Personen“ Fakten schaffen sollte. Diese Idee einer Honoratioreninitiative wurde schließlich von Nenning aufgegriffen und zur BIP weiterentwickelt. Die erste offizielle Zusammenkunft der BIP fand in Salzburg am 26. Oktober 1985 statt. Die Wahl des Staatsfeiertags verdeutlichte bereits den staatstragenden Charakter der Initiative, an der sich ein Personenkreis um Voggenhuber, Nenning, Erich Kitzmüller, Kaspanaze Simma, Freda Meissner-Blau und Andreas Wabl beteiligte. Vgl. Haiden, 151; vgl. Schattauer (1993),131. Siehe auch: Pruckner, 32 und Lind (1988), 13. 477 Vgl. Haiden, 146; vgl. Vanek, 73. Siehe auch: Schandl (1996), 183. 478 Vgl. Schandl, vierte Kraft. Bereits mit dem Magnetfeld Hainburg hatten Vereinte Grüne und die durch Flügelkämpfe gelähmte AL ihre Rolle als treibende Kraft der Grünen Wahlbewegung endgültig eingebüßt, die zusehends von der medialen Diskussion vorangetrieben wurde. Hier standen bald Einzelpersonen wie Günther Nenning, Johannes Voggenhuber oder besonders Freda Meissner-Blau im Zentrum der Aufmerk- samkeit. 479 Die Vereinten Grünen waren seit dem Spätherbst 1985 vornehmlich mit internen Auseinandersetzungen be- schäftigt. Für hitzige Debatten sorgte die Affäre Hermann Soyka, die einen der Konfliktpunkte zwischen dem Führungskreis um Parteiobmann Buchner und dem Wiener Landesverband darstellte. Ergebnis und Höhepunkt der Kontroverse bildete der Ausschluss der Wiener Sektion wegen Linksabweichung, endgültig vollzogen im Februar՚86. Die VGÖ arrangierten sich aber schließlich mit den WortführerInnen des grünen Kandidaturprojekts, die hauptsächlich den Reihen der BIP entstammten. Vgl. Lindtner, 51. 480 Vgl. Schandl (1996), 189-193. Siehe auch: Lindtner,145f. - 104 -

Mit der Kandidatur von Freda Meissner-Blau bei den Bundespräsidentschaftswahlen 1986, sie war erst kurz zuvor aus der SPÖ ausgetreten, wurde ein weiterer Schritt hin zum Ziel der parlamentarischen Partizipation getätigt.481 Besonders Kitzmüller, der AL-intern zu den härtesten Gegnern der Wiener Linken zählte, galt als Verfechter und Vertrauter Meissner- Blaus. Er hatte bereits anlässlich der Präsidentschaftswahlen 1980 versucht, sie als Kandidatin zu gewinnen, um danach auf ihre Installierung als grüne Galionsfigur hingearbeitet.482 Die Kandidatur Meissner-Blaus, die als Testballon für die kommende NR-Wahl galt, wurde überschattet von der Waldheimaffäre und dem Reaktorunfall von Tschernobyl, der sich wenige Tage vor dem ersten Wahlgang am 4. Mai ereignete. Das Ergebnis von 5,5% galt wie- derum als hoffnungsvoll, besonders in Vorarlberg und Wien konnten überdurchschnittliche Ergebnisse erreicht werden. Aufgrund des Platzes, den die intensive Debatte um Vergangen- heit und Aussagen Kurt Waldheims einnahm, bekam die grüne Kandidatin weniger Öffent- lichkeit als erwartet. Die Vorverlegung der NR-Wahl vom Frühjahr՚87 auf den 23. November 1986 im Zuge der Aufkündigung der sozialdemokratisch-freiheitlichen Koalition vonseiten der SPÖ brachte auch den grünalternativen Einigungsfahrplan durcheinander.483 Am 20. September 1986 er- folgte als direkte Reaktion darauf, ohne Debatte mit den beteiligten Akteuren, die Anmeldung der Wahlpartei Die Grüne Alternative – Liste Freda Meissner-Blau (GRÜNE). Die AL-Linke lehnte diese Vorgangsweise als autoritär ab, da sie daraus die Botschaft entnahm: „Mitmachen im Rahmen prinzipieller Unterwerfung oder Exodus“.484 Bei der Erstellung der Wiener Landesliste am 4. Oktober 1986 kam es schließlich zum Eklat und zur finalen Spaltung der grünalternativen Wahlbewegung. Auslöser war die Abstim- mungsniederlage Meissner-Blaus gegen die Kandidatin der Linken, Andrea Komlosy, bei der Wahl für den ersten Listenplatz.485 Daraufhin erlitt Meissner-Blau einen Kreislaufkollaps und weigerte sich in den folgenden Tagen, die Rechtmäßigkeit der Wahl anzuerkennen, die sie als

481 Vgl. Gerlich (1995), 421. 482 Vgl. Schattauer (1993), 182. Zur Rolle von Meissner-Blau siehe: Schattauer (1993), 97 und 183-187; Mitschka-Kogoj, 46. 483 Vgl. Lindtner,51. Am 15. September 1986 beendete Bundeskanzler Vranitzky die Koalition mit der FPÖ. Auslöser war die Wahl Jörg Haiders zum neuen freiheitlichen Parteiobmann eine Woche davor, der sich am Innsbrucker Parteitag gegen Norbert Steger durchsetzen konnte. Damit hatte der rechts-nationale Flügel triumphiert, der fortan den politischen Kurs der FPÖ bestimmen sollte. 484 Vgl. Schattauer (1993), 241. 485 Bei dieser „offenen“ Wiener Landesversammlung, an der ca. 400 Personen teilnahmen, unterlag Meissner- Blau gegen die Sozialwissenschaftlerin Andrea Komlosy mit 155:222 Stimmen. Auch Peter Pilz konnte sich bei der Wahl um Platz 2 nicht gegen die Feministin Erica Fischer durchsetzen. Meissner-Blau erklärte die Wahl daraufhin für ungültig, da „ein Wahlergebnis von 400 Leuten im Saal nicht repräsentativ angesichts der fast 260.000 Österreicher und Österreicherinnen [wäre], die sie bei der letzten Bundespräsidentenwahl gewählt hatten“. Eine Zusammenstellung der Pressemeldungen und der unterschiedlichen Standpunkte findet sich unter: Der 4. Oktober und seine Folgen, in: Grüner Klub, Hg., Allzu hohes Haus, Wien 1996, 117-122. - 105 -

„kommunistische[n] Putsch“ der „Linkslinken“ wertete und mit dem Innsbrucker Parteitag der FPÖ verglich, an dem Haider über Steger triumphiert hatte. Bestärkt wurde sie dabei durch die Berichterstattung der Presse. Der Kolumnist Hans Rauscher charakterisierte die Wiener Grünen im Kurier etwa als „leicht links von der albanischen KP stehen[d]“ und sah durch diese „Linkssektierer“ die „grüne Glaubwürdigkeit“ bedroht.486 Dagegen war das Gros der federführenden Personen im Kandidaturprojekt, allen voran Josef Buchner, Johannes Voggenhuber, Günther Nenning sowie die handelnden AkteurInnen in den Bundesländern von der Legitimität der Wahl überzeugt. Nachdem alle Lösungsversuche gescheitert waren, kam es schließlich zu Erstellung der sog. „Wiener Wohnzimmerliste“, zusammengestellt vom Vertrautenkreis Meissner-Blaus, wo sie selbst auf Platz 1 und dahinter Peter Pilz gereiht wurden.487 Meissner-Blau hatte damit in dieser Situation ihre unentbehrliche Rolle als bereits festste- hende Spitzenkandidatin ausgenützt, um die kritische linke Szene endgültig aus der grünalter- nativen Einigungskandidatur hinauszudrängen.488 Die Trennung von der Wiener Linken wurde daraufhin in antikommunistischer Manier als notwendiger Bruch mit linksextremisti- schen Elementen vermittelt und auch als solcher wahrgenommen, da man sich vernünftiger- weise von „Chaoten“ zu trennen habe.489 Vor vollendete Tatsachen gestellt entschloss sich die Wiener Linke unter Federführung von Andrea Komlosy und ihrem Lebensgefährten Hannes Hofbauer zu einer dezidierten linken Gegenkandidatur als Die Grünalternativen – Demokratische Liste (GAL-DL).490 Mit erreichten 6.005 Stimmen, was einem Anteil von 0,1% gleichkam, entsprach das Ergebnis einer totalen Wahlniederlage, während die Grüne Alternative 4,8% erreichen konnte und mit acht Mandaten in den Nationalrat einzog, worunter sich mit Spitzenkandidatin Meissner-Blau aber nur eine Frau befand.491 Mit der Liste Kärntner Grüne kandidierte, allerdings nur im südlichsten Bundesland, auch der stramm deutschnational ausgerichtete Kärntner VGÖ-Landesverband mit Monika Jesse an der Spitze gegen die Grüne Alternative, die man als zu liberal und minderheitenfreundlich ablehnte.492

486 Vgl. Schattauer (1993), 254-257 und 264f. Siehe auch: Schandl (1996), 209-213; Haiden, 167; Lind (1988), 29f. 487 Vgl. Schattauer (1993),254-258; vgl. Lind (1988), 31. 488 Vgl. Haiden, 183. Siehe auch: Puntscher-Riekmann, 423. 489 Peter Pilz sollte später bekennen, dass er schon seit Sommer 1986 der Meinung gewesen wäre, dass mit der AL-Linken, der „Hofbauer Partie“, eine Parlamentsarbeit unmöglich sei, wäre es doch schon „mit dem Fux und dem Buchner schwer genug“. Nenning dagegen solidarisierte sich mit den „Ausgestoßenen“ und ver- stellte sich damit die Möglichkeit auf einen vorteilhaften Listenplatz. In Vorarlberg war man über die Vor- gangsweise wiederum so empört, dass man Meissner-Blau vom ersten auf den zweiten Listenplatz verwies. Vgl. Haiden, 168. Siehe auch: Schattauer (1993), 266f und 273. 490 Vgl. Schattauer (1993),272 und Dolezal (1997), 489. 491 Vgl. Schandl (1996), 213-215 und Haiden, 169. 492 Vgl. Lindtner, 52f. - 106 -

Mit Einzug der Liste Meissner-Blau in den Nationalrat etablierte sich erstmals seit dem Ausscheiden der KPÖ im Jahr 1959 eine vierte parlamentarische Kraft in Österreich.493 Die Konstituierung der Partei sollte jedoch erst in den nächsten Jahren erfolgen, gab es doch Ende November՚86 zwar eine Parlamentsfraktion, aber keinen Parteiapparat in Form von Gremien oder Landesorganisationen.494 Der Erfolg der Grünen Alternative schuf somit Tatsachen, womit die Grundsatzdebatten und wechselnden Allianzen innerhalb der grünalternativen Wahlbewegung ein abruptes Ende fanden. Auch Peter Pilz gab unumwunden zu, dass die grüne Einigung „nicht das Resultat eines Klärungsprozesses, sondern eines Wahltermins [war]“495. Dennoch fand im Vorfeld der Wahl eine Art politische Flurbereinigung statt, die sowohl zum Ausschluss der Wiener AL-Linken führte als auch eine Distanzierung zur ökologischen Rechten brachte, die spätestens nach dem Zerwürfnis mit Buchners VGÖ Ende 1987 endgültig vollzogen war. Auf der anderen Seite blieb auch in den Folgejahren der Groß- teil der linken ProtagonistInnen der Grünen Alternative fern.496 Freda Meissner-Blau legte schließlich frustriert „über Stil und Inhalt der Politik“ bereits zwei Jahre später, im Herbst 1988, ihr Mandat zurück, ebenso wie die Mandatare Walter Geyer und Herbert Fux. Mit Andreas Wabl wurde schließlich ein Exponent des Grazer AL-Flügels Meissner-Blaus Nachfolger als Klubobmann.497

493 Vgl. Epp (1989), 369. Grundsätzlich scheint das Jahr 1986 eine einschneidende Zäsur zu markieren, die von Gerhard Jordan als „Wende nach rechts“ gedeutet wird. Dabei verweist er auf den Amtsantritt Kardinal Groërs innerhalb der Katholischen Kirche, der Wahl von Kurt Waldheim als Bundespräsidenten und den Rechtsruck der FPÖ durch die Machtübernahme Jörg Haiders. Vgl. Jordan, woher. 494 Vgl. Lindtner, 102. 495 Pilz, Grün, 97. 496 Vgl. Schandl (1996), 214. Bereits die Überhöhung Meissner-Blaus im Vorfeld der NR-Wahlen und Fokussie- rung auf die grüne Prominenz bei der Erstellung der Kandidatenlisten wurde von der AL-Linken als Bruch mit dem radikaldemokratischen und alternativen Politikverständnis gewertet, da nun medienwirksame Persönlichkeiten und nicht das politische Programm im Vordergrund stand. Die Ereignisse des Oktober՚86 bildeten hierbei lediglich den Schlussakkord einer programmatischen Auseinandersetzung, die im Konflikt zwischen dem Grazer und Wiener AL-Flügel Jahre zuvor seinen Ausgang genommen hatte. 497 Vgl. Gerlich (1995), 423f. Siehe auch: Pelinka (1989), 380. - 107 -

3.4.2.4 Die politische Verortung der österreichischen Grünen

In ideologischer Hinsicht kann die Partei Die Grüne Alternative als Fortführung der AL- Positionen betrachtet werden. In der starken Fixierung auf die Medienöffentlichkeit und einen exklusiven Führungsstab mit unantastbarer Galionsfigur ähnelte sie in der Gründungszeit jedoch sehr den Vereinten Grünen unter Alexander Tollmann. Betrachtet man wiederum die erste NR-Abgeordnetenriege, so findet sich mit Andreas Wabl nur ein ausgewiesener Expo- nent der ALÖ neben zwei Vertretern der VGÖ, Fux und Buchner. Der Führungsstab der Grünen Alternative setzte sich wiederum aus Hainburg-Prominenten, AktivistInnen der erodierten Grünparteien und zahlreichen QuereinsteigerInnen zusammen, woraus sich synthetisch eine linksliberale Partei der politischen Mitte formte.498 Rückblickend betrachtet erscheinen die Vorläuferparteien VGÖ und ALÖ lediglich als Schlacken des grünalternativen Parteibildungsprozesses, der schließlich mit der Etablierung einer grünen Reformpartei, links der politischen Mitte stehend, abgeschlossen war.499 Dieses politische Profil zeigt sich etwa in Form der Forderungen nach Demokratisierung und starkem Parlamentarismus, in der Attitüde einer parlamentarischen Kontrollpartei oder in der Idealisierung der sog. „Zivilgesellschaft“. Von Beginn an begriff man sich als Menschen- rechtspartei mit Fokus auf diskriminierte Minderheiten und Frauenrechte, setzte sich für eine soziale Absicherung unabhängig von zu erbringender Arbeitsleistung ein und stellte den Um- weltschutz als Kernanliegen in den Vordergrund politischer Initiativen.500 Eine systemopposi- tionelle Stoßrichtung wie bei der bundesdeutschen Schwesterpartei war jedoch zu keiner Zeit vorhanden, die AL-Linke als Träger einer solchen Position wurde bereits vor den NR- Wahlen՚86 eliminiert.501 Politischer Pragmatismus überwog auch im Umgang mit den Vereinten Grünen, die im Gegensatz zur ALÖ ihr Eigenleben fortführen sollten.502 Zwar hatte man sich 1986 auf ein ge- meinsames Bündnis geeinigt, die Vorstellungen über dessen Charakter gingen jedoch weit auseinander. Während es sich für VGÖ-Obmann Buchner um eine reine Wahlplattform ohne

498 Vgl. Christian (1988), 515. 499 Vgl. Schattauer (1993), 293. 500 Vgl. Dachs, Handbuch, 271f. 501 Für den Publizisten Franz Schandl liegt der Grund in der überschaubaren radikal-linken Szene, die sich im Wesentlichen auf Wien beschränkte. Im Unterschied zur BRD hätte es in Österreich nämlich keine relevante 68er-Bewegung gegeben, die die Voraussetzung für das Spektrum der K-Gruppen bildete, deren Konkurs- masse Ende der 1970er die Basis des systemoppositionellen Flügels der bundesdeutschen Grünen darstellte. Vgl. Schandl (1988), 183. 502 Hierbei blieben die strukturellen und kontinuierlichen Verquickungen der VGÖ mit rechtsökologischen Organisationen und der rechtsextremen Szene unthematisiert, die zwar etappenweise abgeschwächt aber doch eine ständige Begleiterscheinung darstellten. Der Vorwurf der Rechtslastigkeit wurde vonseiten der Grünen Alternative meist dann vorgebracht, wenn sich Zerwürfnisse ankündigten oder eine Konkurrenzkandidatur durch die VGÖ drohte. - 108 -

tiefer gehende Integration handelte, war die Kandidatur für die restlichen Akteure der Start- schuss einer geeinten Grünpartei, in der die rechtskonservativen Tendenzen schrittweise marginalisiert werden sollten. Mit dieser drohenden Erosion vor Augen begann der Überlebenskampf der VGÖ, deren rechtes Kernsegment den grünalternativen Bundeskongress im Februar՚87 boykottierte und auf der organisatorischen Eigenständigkeit beharrte.503 Bereits im Vorfeld des Kongresses hatte Jörg Haider den Vereinten Grünen ein Angebot auf Zusammenarbeit unterbreitet, wo- rauf im selben Jahr die Spitze der VG-NÖ in Gestalt des Landesvorsitzenden Leopold Makovsky und der Parteisekretärin Ilse Hans zur FPÖ wechselten, letztere wurde 1988 sogar blaue Landtagsabgeordnete.504 Besonders Parteiobmann Sepp Buchner war aufgrund der Allianz mit den Grünalternativen Meissner-Blaus zunehmend innerparteilich in Bedrängnis geraten. Im Jänner 1987 war er etwa ohne Gegenkandidatur nur mit alarmierenden sechzig Prozent als Vorsitzender bestätigt worden.505 In Folge versuchte Buchner, der sich als Abge- ordneter der Grünen Alternative in einer Doppelrolle befand, sich mit seinen VGÖ als bürgerlich-grüner Gegenpart zu profilieren, was vonseiten der Medien dankbar aufgegriffen wurde.506 Darauf folgten im Herbst՚87 mehrere kommunalpolitische Gegenkandidaturen, unter anderem bei den Salzburger GR-Wahlen und Landtagswahlen im Burgenland. Das Fass zum Überlaufen brachte schließlich die VGÖ-Kandidatur in Wien am 8. November, die der Grünen Alternative vermutlich den Einzug ins Rathaus kostete. Am 1. Dezember 1987 er- folgte schließlich der Ausschluss Buchners aus dem Nationalratsklub.507 Begründet wurde der Ausschluss, neben „wiederholte[n] Gegenkandidaturen der VGÖ“, mit „schwerwiegende[n] politische[n] Differenzen“, „ständige[n] Diffamierungen“ und mit „rechtsnationale[m] Gedankengut innerhalb der VGÖ“.508 Noch bis Mitte der neunziger Jahre konnten jedoch die auf eine kleine Gruppe zusammenge- schmolzenen Vereinten Grünen die Parlaments-Grünen509 bei Wahlen herausfordern. Bei den NR-Wahlen՚90 erreichten sie mit 1,96% sogar ihr bestes Ergebnis, worauf Die Grünen einen erneuten Annäherungsversuch starteten. Im Spätsommer 1993 kam es schließlich zu Verhand-

503 Eine detailreiche Schilderung des 1. Bundeskongresses findet sich bei: Gerhard Fritz, Bürgerpflicht Unruhe, in: Grüne Bildungswerkstatt, Hg., Die Republik im Fieber, Graz 1988, 65-69. 504 Vgl. Schandl (1996), 230f. 505 Vgl. Ebd., 234f. 506 Vgl. Ebd., 249. 507 Vgl. Ebd., 249-254; vgl. Pelinka (1989), 383; vgl. Pruckner, 41f. Siehe auch: Grüne Bildungswerkstatt (1988), 360f. 508 Vgl. Epp (1989), 372 und Dachs, Handbuch, 268. Der Publizist Gerhard Schattauer interpretiert diese Ent- wicklung als Eliminierung der grünen „Rechten“ durch das „grüne Zentrum“, nachdem vor den Wahlen՚86 bereits die Parteilinke abgesprengt worden wäre. Vgl. Schattauer (1993), 290. 509 Am 23. Juni 1993 fand die Namensänderung auf Die Grünen – Die Grüne Alternative (GRÜNE) statt, womit die Kurzbezeichnung GRÜNE bei Wahlen gesichert wurde. - 109 -

lungen über eine gemeinsame NR-Kandidatur, deren Übereinkommen jedoch nach Be- kanntwerden des zuvor erfolgten Bündnisangebots Buchners an die FPÖ vonseiten des Bundesvorstands der Grünen für null und nichtig erklärt wurde.510 Bei den NR-Wahlen՚94 folgte mit 0,12% schließlich eine desaströse Niederlage der VGÖ,511 während die Grünen mit 7,31% und 13 Mandaten ihr bis dahin bestes Ergebnis bei bundesweiten Wahlen einfahren konnten.512

***

Gerade im Verhältnis zu den Vereinten Grünen zeigt sich auch eine gewisse Ambivalenz der Grünen im Umgang mit rechtsextremen Tendenzen. Weder die stetig wiederkehrenden Skan- dale um rassistische oder biologistische Äußerungen von VGÖ-FunktionärInnen, noch die vor allem zu Beginn vorhandenen Verbindungen ins Spektrum der extremen Rechten hielten davon ab, dass von 1983 an fortlaufend Bündnisbemühungen bestanden, zuerst vonseiten des Grazer AL-Flügels, danach bis 1993 seitens der Grünen Alternative. Gleichzeitig entwickelten sich die Grünen nach dem Rechtsruck der FPÖ zu deren entschie- densten parlamentarischen Gegenspielern mit Betonung auf Menschenrechte und Antidiskri- minierung.513 Auch die Zusammensetzung des ersten Nationalratsklubs veranschaulicht dies, fand sich hier doch mit Karl Smolle ein Vertreter der slowenischen Minderheit und mit Manfred Srb ein Abgeordneter, der die Situation von Menschen mit Behinderung themati- sierte. Darüber hinaus positionierte sich die Grüne Alternative in der öffentlichen Debatte betont antifaschistisch, was bis in die Gegenwart ein Charakteristikum der österreichischen Grünen bleiben sollte. Erster Höhepunkt bildete die von Andreas Wabl im März 1987

510 Der Bündnisvertrag zwischen den Grünen und der VGÖ, abgeschlossen am 17. Oktober 1993, beinhaltete zwei „parlamentssichere Listenplätze“ und die Zusicherung von Mitteln zur Aufrechterhaltung der VGÖ- Infrastruktur. Dafür sollte es innerhalb der nächsten vier Jahre zu einer Vereinigung der zwei Grünparteien kommen. Am 28. Oktober erklärte Jörg Haider, dass sich die VGÖ unmittelbar zuvor der FPÖ als „grüner Flügel“ angeboten hätten. Daraufhin kündigten die Grünen den Vertrag mit Buchner, der dadurch innerparteilich unter Druck geriet. Schließlich spalteten sich die VG-Landesverbände Wien und Niederösterreich ab und kandidierten bei den NR-Wahlen՚94 als Bürgerliche Grüne Österreichs (BGÖ). Siehe hierzu: Strelow (2006), 102f. 511 Am 19. Juni 1994 legte Josef Buchner sein Amt nieder. Als Parteiobmann folgte ihm der Fußballtrainer und Schauspieler Adi Pinter, der sich gegen Gerhard Pretzmann durchsetzten konnte. Nach dem Wahldebakel՚94 übernahm Pretzmann die Partei. Es folgten die Ernennung Alexander Tollmanns zum Ehrenvorsitzenden und eine scharfe Rechts-Orientierung. Im April 1998 änderte man den Parteinamen in Vereinte Grundsatztreue Ökologen (VGÖ). Vgl. Strelow (2006), 103f und Schiedel (1994), 138. 512 Für Franz Schandl endete damit die dritte Parteibildungsphase, assoziiert mit dem Kollabieren der „dezidiert bürgerlich-konservativen Grünkraft“, womit der linksliberalen Grünen Alternative der letzte grüne Gegen- spieler abhandengekommen war. Vgl. Schandl (1996), 248. 513 Vgl. Dachs, Handbuch, 271. Besonders ab 1989 hatten sich die Grünen endgültig als Gegenpol zu rechter, rückwärtsgewandter Politik etabliert, auch wenn sie keinesfalls als Linkspartei gelten können. Im Jahr 1993 unterstützten sie etwa das Lichtermeer gegen Fremdenfeindlichkeit, das sich aufgrund des von der FPÖ initiierten sog. „Anti-Ausländer-Volksbegehrens“ gebildet hatte. Vgl. Wurz (2004), 112. - 110 -

gehaltene „Hakenkreuz“-Rede, wo er die Rechtfertigung Kurt Waldheims attackierte, der sein Handeln zur Zeit des Nationalsozialismus mit dem Gebot zur „Pflichterfüllung“ verteidigt hatte. Diese Argumentation bezeichnete Wabl als „Schlag auf die Wunden aller Opfer der Vernichtungsmaschinerie der NS-Regierung“. Danach entrollte er die Hakenkreuzfahne, womit er zeigen wollte, „unter welcher Fahne unser Präsident seine Pflicht erfüllt hat“.514

514 Dieses Hissen der Hakenkreuz-Fahne im Parlament entfachte eine Welle der Empörung bei den anderen Parteien und vonseiten der Medien. Innerhalb des NR-Klubs unterstützten ihn allein Karl Smolle und Herbert Fux offensiv, während Meissner-Blau zu ihm auf Distanz ging. VGÖ-Obmann Buchner betrachtete Positio- nierungen zum Thema „Waldheim“ oder „Vergangenheitsbewältigung“ als grüne Themenverfehlung. Die Vereinten Grünen forderten gar, dass sich der NR-Klub von Wabl trennen müsse. Die Parlamentsrede von Andreas Wabl und die darauf einsetzenden Reaktionen finden sich auszugsweise in: Grüne Bildungs- werkstatt, Hg., Die Republik im Fieber, Graz 1988, 162-180. Siehe auch: Unter dieser Fahne. Enthüllung der Hakenkreuzfahne durch Andreas Wabl am 14. Mai 1987, in: Grüner Klub, Allzu hohes Haus, Wien 1996, 60f; Pruckner, 41 und Schandl (1996), 244f. - 111 -

4 Die braunen Verstrickungen der Grünen Bewegung in Österreich

In den meisten europäischen Staaten setzten sich ab den 1980er Jahren grüne Parteien links- liberalen bis radikal linken Zuschnitts durch, die sich neben ökologischen Belangen vor allem für Menschenrechte und eine Ausweitung demokratischer Rechte engagierten.515 Im Verhält- nis zum Rechtsextremismus und zu Personen mit NS-Vergangenheit gab es vonseiten der bundesdeutschen und österreichischen Grünen eine klare Haltung. Als etwa im Spätherbst 1986 die NS-Vergangenheit des Mediziners Karl Spitzy bekannt wurde, sein Name schien auf der Wiener NR-Wahlliste der Grünen Alternative auf, führte das zu sofortigen Konse- quenzen.516 In der Frühzeit der Ökologiebewegung in den 1970ern bestanden jedoch noch durchaus anti- modernistische Strömungen, die ideengeschichtlich im Fin de Siècle wurzelten und einer liberalen Gesellschaftsordnung oppositionell gegenüberstanden. Deren Kulturkritik war meist versetzt mit biologistischen Ideologemen und politischen Ansätzen, die eine enge geistige Nähe zu Denkmodellen der sog. Konservativen Revolution der 1920er Jahre aufwiesen. Mit dem Aufkommen der Umweltdiskussion in den frühen Siebzigern erlebten solche Gruppie- rungen eine Renaissance, gerade in Anbetracht der partiell antiindustriellen und kulturpessi- mistischen Stoßrichtung der Ökologiebewegung. Gleichzeitig vollzog sich auch eine Trans- formation im Spektrum der extremen Rechten, die sich verstärkt dem Thema Ökologie zuzu- wenden begann.517 Die bundesdeutsche Nationaldemokratische Partei (NPD) formulierte beispielsweise Mitte der Siebziger ein „Ökologisches Manifest“ und verfolgte nach der damaligen Ansicht des Historikers Jan Peters seit November 1978 „einen neuen grünbraunen, biopolitisch-‚ökolo- gischen‘ Kurs“.518 Auch der Rechtsextremismusexperte Peter Dudek konstatierte noch Mitte der achtziger Jahre, dass es bis auf wenige Ausnahmen „keine rechtsextreme Organisation [gibt], die nicht ökologische Positionen verträte und […] zur Inventur ihres ideologischen

515 Vgl. Liao, 166. 516 Karl Hermann Spitzy (1915-2013), Mitglied der Waffen-SS mit Rang „Obersturmbannführer“, war Mit- arbeiter in der Regierung Seyß-Inquart mit mutmaßlichen Kontakten zum SS-Ahnenerbe. Spitzy sprach sich im Zuge der Zwentendorf-Proteste als Mediziner gegen die Inbetriebnahme des AKWs aus. Im Jahr 1983 fand sich sein Name auf einer Liste prominenter UnterstützerInnen der VGÖ. Nachdem er von Tollmann medienwirksam präsentiert worden war, kandidierte Spitzy bei der NR-Wahl՚83 für die Vereinten Grünen. Im November՚86 tauchte Spitzy als Nummer 13 des Wiener Wahlvorschlags der Grünen Alternative auf. Vgl. Huber (1991), 81 und 147. Siehe auch: Kubalek (2010), 21 und 68. 517 Vgl. Vanek, 20. 518 Vgl. Peters (1980a), 4. - 112 -

Gemischtwarenladens nutzen würde“.519 Historisch betrachtet gehöre demnach ein „völkisch- naturalistisch eingefärbte[s] Verständnis von Natur- und Lebensschutz“ schon immer zum Arsenal rechtsextremer Politikangebote.520 Besonders im Rekurs auf vermeintlich biologische Gesetze der Natur, in der Kapitalismus-, Industrie- und Technikkritik, in der Idealisierung des Ländlichen und Bäuerlichen gegenüber der vorgeblich schädlichen Großstadt sowie im Motiv der schützenswerten Heimat existierten Anschlussmöglichkeiten.521 Wenig überraschend fanden sich auch in der ersten Prominentenriege der bundesdeutschen Grünen Personen rechtsökologischen Zuschnitts mit einschlägigen Szenekontakten. Baldur Springmann, der bei den Europawahlen 1979 auf Platz vier der SPV Die Grünen kandidierte, wies neben einer NS-Vergangenheit und einer bestehenden antikommunistischen Paranoia auch ein aktives Naheverhältnis zur rechtsextremen Szene auf. Im Jahr 1980 veröffentlichte er etwa sein Buch „Partner Erde“ im NS-apologetischen Arndt-Verlag oder verteidigte den Holocaust-Leugner Thies Christophersen (1918-1997) als „aufrechten Menschen“.522 Der sich als wertkonservativ verstehende Herbert Gruhl, grünes Aushängeschild der ersten Stunde, agi- tierte wiederum gegen die „notorischen Weltverbesserer“ von Links und publizierte nach Ausstieg bei den Grünen in den neu-rechten Zeitschriften Mut und Wir selbst, sowie in der NPD-nahestehenden Nation Europa.523 Darüber hinaus versuchte die sich Ende der 1960er herausbildende Neue Rechte und ihr Vor- denker Henning Eichberg innerhalb des grünalternativen Milieus zu reüssieren, wozu vor allem das Szeneblatt Wir selbst524 genutzt wurde.525 Exemplarisch für diese Strategie steht der Versuch Eichbergs, den Mitbegründer des SS-Ahnenerbes, Herman Wirth, als geistigen Ahn- herrn der Alternativbewegung zu stilisieren. Hauptanziehungspunkt für diese „nationalrevolu- tionäre“ Rechte bildete der Bewegungscharakter der Umweltinitiativen, die man um eine nationalistische und völkisch-spirituelle Stoßrichtung erweitern wollte. Erst Mitte der 1980er Jahre sahen sie ihr Unternehmen, die sich etablierenden bundesdeutschen Grünen personell zu

519 Vgl. Dudek (1984), 91. 520 Vgl. Dudek (1983), 27. 521 Vgl. Straubinger, 12. 522 Vgl. Oeser (1978), 95f; vgl. Oeser (1980), 444f. Siehe auch: Purtscheller (1993), 244. 523 Vgl. Geden, 52f; vgl. Ditfurth (1997), 247; vgl. Gugenberger (1987), 165. 524 Die „Zeitschrift für nationale Identität und internationale Solidarität“, 1979 von Mitgliedern der Jungen Nationaldemokraten (JN) gegründet, die sich zu dieser Zeit als Grüne Zelle Koblenz tarnten. Der Name „Wir selbst“ stellt eine Anspielung auf die irische „Sinn Fein“ dar, d.i. der parlamentarische Flügel der IRA. Neben Inhaber Siegfried Bublies trat v.a. Eichberg als regelmäßiger Autor auf, aber auch Rudolf Bahro, Joseph Beuys, Irenäus Eibl-Eibesfeldt, Hans Magnus Enzensberger, Herbert Gruhl, Baldur Springmann oder Günther Nenning gestalteten Beiträge. Die Schwerpunkte lagen auf den Themen „Nationale Identität“, Regionalismus, Befreiungsbewegungen und Ökologie. Das Magazin versuchte neu-rechte Ideologeme in der Ökologie- und Alternativszene zu popularisieren. Vgl. Morris (1991), 299 und Purtscheller (1993), 124. 525 Vgl. Peters (1980a), 8. - 113 -

infiltrieren und ideologisch zu beeinflussen, als endgültig gescheitert an.526 In Deutschland führte diese neu-rechte Strategie jedoch zu ernsthaften Irritationen, die den Landesverband Baden-Württemberg etwa dazu veranlasste, die Kommission „Rechtsextreme Unterwande- rung der Grünen und nahestehender Vereinigungen“ einzurichten, deren Zwischenbericht 1982 veröffentlicht wurde.527 In Österreich spielten neu-rechte Strömungen dagegen keine Rolle, nur vereinzelt traten Ex- ponentInnen am Rande der Zwentendorf- und Hainburg-Bewegung in Erscheinung.528 Die Ur- sache lag aber weniger an der politischen Immunität des österreichischen Grünspektrums als am Umstand, dass sich die rechtsextreme Szene hierzulande nicht von etablierten Deutungs- mustern und der NS-Sprache zu lösen wusste, was etwa Jürgen Hatzenbichler, als produk- tivster neu-rechter Autor, bitterlich beklagte.529 Dennoch sympathisierte auch hier die extreme Rechte mit den „Volksbewegungen“ von Zwentendorf und Hainburg, die man als Vehikel für die Verbreiterung der eigenen völkisch-antiliberalen Positionen ansah. Gerade das Auf- begehren gegen das politische Establishment mit einer „Wir-sind-das-Volk“-Attitüde und die Gegnerschaft zu Sozialdemokratie und Gewerkschaft wirkten auf rechtsextreme Gruppierun- gen anziehend. Darüber hinaus bot Hainburg aufgrund der naturspirituellen Grundstimmung auch Anschlussmöglichkeiten für völkisch-neuheidnische Strömungen. Die von Walter Ochensberger herausgegebene neonazistische Zeitschrift Sieg wusste etwa von einer Baum- pflanzung in der Au zu berichten, bei der germanische Riten vollzogen wurden.530 Bei der frühen Antiatombewegung der sechziger und frühen siebziger Jahre war wiederum die Ablehnung von lebensbedrohender Technologie und Industrie nicht selten mit biologistisch- eugenischen Einstellungen verknüpft. Hier wiesen das völkisch-lebensreformerische Spektrum und die Ökologiebewegung noch vielfältige Überschneidungen auf, die vor allem bei Gruppierungen des sog. „Lebensschutzes“ zu Tage traten. In Österreich wurde dieses Milieu vom Weltbund zum Schutze des Lebens (WSL) und vom Bund für Volksgesundheit mit der Zeitschrift Gesundes Leben repräsentiert. Die ideologische Spannbreite reichte bei diesen Organisationen vom klassisch kulturpessimistischen Konservatismus bis hin zu NS-affinen Positionen. Nicht nur semantisch erinnert hier der Kampf gegen den „Atomtod“ an das rechts- extreme Gespenst vom „Volkstod“, ging es doch in diesen Debatten der äußersten politischen

526 Vgl. Ditfurth (1997), 367. 527 Vgl. Dudek (1983), 27f. 528 Vgl. Purtscheller (1993), 176. 529 Vgl. Aftenberger (2007), 57. 530 Im völkischen Verständnis gehört der „Kult der Bäume“ zum festen Bestandteil des germanischen Charak- terzugs, sodass der Wald hier als national-kulturelles Heiligtum gesehen wird. Diese enge Verwobenheit mit der Natur wurde wiederum den vorgeblich naturfeindlichen „Slawen“ und „Romanen“ abgesprochen. Vgl. Gugenberger (1987), 55f. - 114 -

Rechten stets um das befürchtete Aussterben des völkischen Kollektivs. Im Szenejargon wird dies heute mit der als bedrohlich wahrgenommenen Zuwanderung und der sinkenden „eigenen“ Geburtenrate assoziiert. Erst mit dem Eintreten linksorientierter AktivistInnen änderte sich das Kräfteverhältnis und damit die ideologische Stoßrichtung der Anti-AKW- Bewegung, die Ende der Siebziger zum Ausgangspunkt der Grünen Wahlbewegung wurde.531 Wirkmächtigkeit konnten die historisch älteren, rechtsökologischen Ansätze hier nicht mehr entfalten, deren Einfluss auf das wertkonservative Grünspektrum beschränkt blieb.532 Heute findet sich diese Tradition hierzulande noch bei nahezu einflusslosen Organisationen, wie bei Inge Rauschers Initiative für Heimat und Umwelt (IHU) mit der Zeitschrift Wegwarte oder bei der von Tollmann viele Jahre lang geleiteten ARGE Ja zur Umwelt mit Periodikum Neue Argumente.533

4.1 Theoretische Vorbemerkungen

Gerade im Blick auf die ökologische Rechte zeigt sich, dass hier eine trennscharfe Unter- scheidung zwischen bloß wertkonservativen und eindeutig rechtsextremen Positionen kaum zu treffen ist, da die Übergänge meist fließend verlaufen. Wie ungenügend eine Klassifikation entlang der Extremismustheorie ausfällt, die zwischen einer freiheitlich-demokratischen Mitte und davon außerhalb verorteter rechter und linker Extreme unterscheidet, zeigt sich bei Betrachtung der Neuen Rechten, die vornehmlich auf prä- oder konkurrenzfaschistische Ideen zurückgreift, um eine offene NS-Apologetik zu vermeiden.534 Mit der vorherrschenden Extre- mismusdoktrin kann der Einfluss biologistischer, rassistischer oder sozialdarwinistischer Ideologeme auf die Grüne Bewegung nicht erfasst werden, da nur grüne Trittbrettfahrer neonazistischer Provenienz damit in den Fokus kämen. Im Anschluss an den Zeithistoriker Willibald I. Holzer erscheint deshalb die Einordnung des Rechtsextremismus als „extreme und übersteigerte Spielart des Konservativen“ als zutreffend, besonders in Hinblick auf die gemeinsamen ideologischen Eckpunkte. Holzer verweist vor allem auf ideengeschichtliche Entwicklungslinien, die besonders bei der Herausbildung der Faschismen in den 1920er Jahren zutage traten.535 Eine gemeinsame Frontstellung zeigt sich etwa gegenüber dem Liberalismus, der als Nivellierung althergebrachter Werte verabscheut

531 Vgl. Ditfurth (2011), 149. 532 Vgl. Puntscher-Riekmann, 415. 533 Einen großen thematischen Raum nimmt hier die Agitation gegen die EU und die USA ein, die aus natio- nalistischer Perspektive als Verkörperungen einer Fremdherrschaft betrachtet werden, womit verschwörungs- theoretische und geschichtsrevisionistische Motive einhergehen. Daran anknüpfend wird eine sich vollziehende „Überfremdung“ diagnostiziert, an deren Ende die multikulturelle Gesellschaft stehe. Vgl. Schiedel (1994), 137f. 534 Vgl. Holzer (1981), 18f. 535 Vgl. Ebd., 16. - 115 -

wird, und dem Egalitarismus, meist identifiziert als Sozialismus, Kommunismus oder Marxis- mus. Der Gedanke der Gleichheit wird, negativ gewendet als „Gleichmacherei“ denunziert, die moderne kapitalistische Gesellschaft und die darauf basierende Massenproduktion bzw. Massenkonsum gelten wiederum als Ausdruck von „Vermassung“, die zum Verlust von Kultur, Tradition und Differenz führten. Für den Politikwissenschaftler Iring Fetscher han- delte es sich hier um ein typisches Signum konservativen Denkens, wird doch die als unge- zügelt wahrgenommene kapitalistische Produktionsweise als Zerstörerin der als ursprünglich intakt verstandenen Umwelt und traditionellen Kultur betrachtet.536 Auf die scheinbare Zerstörung autonomer völkischer Lebensart rekurriert wiederum die Neue Rechte, die der diagnostizierten „Gleichmacherei“ ein „Recht auf Differenz“ entgegenstellt.537 Als gemeinsames Leitmotiv der Rechten fungiert eine idealisierte Vergangenheit, in Stellung gebracht gegen die als dekadent und im Verfall befindlich wahrgenommene Gegenwartsge- sellschaft. Besonders Kriminalität und Drogenkonsum, zeitgenössische Kunst und Kultur, Armut und Arbeitslosigkeit, sowie die unterschiedlichen Emanzipationsbestrebungen avan- cieren in dieser Perspektive zu Dekadenzphänomenen und zu Symptomen einer erkrankten Zivilisation.538 Die Idee vom ökologischen Gleichgewicht, verbunden mit dem Bestreben, das Gewachsene und Gewordene zu bewahren und zu festigen, fügt sich optimal in ein solches antimodernistisches Weltbild.539 Aus diesem Grund erscheint es auch wenig verwunderlich, dass die frühe Umweltbewegung noch von Vorstellungen der Naturromantik, Technikflucht und Fortschrittsfeindlichkeit geprägt war. Daran schloss der Versuch der extremen Rechten an, die Themen Umweltschutz und Ökologie mit biologistischem und rassistischem Gedankengut zu verbinden. Bespielhaft dafür steht die Behauptung, dass Zuwanderung nicht nur aus wirtschaftlichen und kulturellen Gründen abzulehnen sei, sondern auch aus ökologi- schen, da ansonsten Ressourcenverbrauch, Müllmenge oder Umweltverschmutzung ansteigen würden.540 Einen gemeinsamen ideologischen Eckpunkt bildet auch die Überhöhung der Familie, die bereits im Konservatismus idealisiert wird. Sie bekommt als biologische und kulturelle Grundgemeinschaft in der völkischen Anschauung noch eine zusätzliche Dimension und

536 Vgl. Fetscher (1983b), 20f. 537 Während im 19. Jh. und frühen 20. Jh. unter biologistischen Vorzeichen Typenunterscheidungen auf Grund- lage physiognomischer Merkmale entwickelt wurden um die Existenz verschiedener Menschenrassen zu be- weisen, versucht man seit den frühen Siebzigern mit Berufung auf Biologen wie Irenäus Eibl-Eibesfeldt und mithilfe des Konzepts vom „Ethnopluralismus“ abermals die Existenz einer einheitlichen Menschheit zu negieren. Mit Verweis auf den Nominalismus weist die Neue Rechte etwa die Existenz einer „universalen“ Menschheit zurück und bezeichnet sie als abstrakte Idee oder theoretisches Phantasma. Vgl. Lippels, 111. 538 Vgl. Holzer, 23-25. Siehe auch: Huber (1991), 138-140. 539 Vgl. Stöss (1980b), 45. 540 Vgl. Dudek (1984), 95. - 116 -

avanciert zur Lebenszelle von Volk und Staat, zum Mikrokosmos einer als organisch konzi- pierten „Volksgemeinschaft“.541 Die als homogen, harmonisch und sozial entworfene „Volks- gemeinschaft“ fungiert hier als Gegenmodell einer als kalt, entfremdet, künstlich und frag- mentiert wahrgenommenen Moderne. Gleichzeitig richtet sich der Gemeinschaftsgedanke gegen individuelle und gruppenbezogene Interessen, die als egoistisch und zersetzend ge- brandmarkt werden. Diese Feindschaft gegenüber Individualismus und Partikularinteressen zeigt sich am eindrücklichsten in Gestalt der völkischen Bewegung, die sich als Ausdruck des ganzen Volkes verstand. Die Parole vom Klassenkampf oder die Auseinandersetzungen der unterschiedlichen politischen Parteien werden von ihr als gemeinschaftsschädigend und klein- geistig verachtet. Diese Zurückweisung des politischen und gesellschaftlichen Pluralismus՚, sich meist artikulierend im Angriff auf Gewerkschaften, Parteiensystem und Interessensver- bänden, mündet schließlich in einem totalitären Führungsanspruch.542 Das Volksgemeinschaftsmodell beinhaltet darüber hinaus auch eine antikapitalistische Stoß- richtung mit dem Versprechen, Klassenkämpfe und die Fragmentierung der kapitalistischen Gesellschaft zu überwinden. Als Basis gilt die Idee einer harmonischen Betriebsgemeinschaft, wo sich (Lohn-)Arbeiterschaft und Geschäftsführung nicht mehr oppositionell gegenüber- stehen, sondern organisch zusammenwirken, symptomatisch für den austrofaschistischen Ständestaat und den Nationalsozialismus, wo dieses Modell als „Führer-Gefolgschaftsprinzip“ propagiert wurde.543 Der Kapitalismus wird hier nicht als Ausbeutungssystem abgelehnt, son- dern die Frontstellung zwischen Arbeiterschaft und (Betriebs-)Eigentümerschaft als asozial beklagt. Darüber hinaus wird in moralischer Hinsicht die selbstsüchtige Gier des „Kapitalis- ten“ angeprangert, der sich nur um den eigenen Profit und nicht um das Gemeinwohl kümmere. In den zwanziger Jahren entwickelten rechte Theoretiker wie Arthur Moeller van den Bruck daher Konzepte für einen „nationalen Sozialismus“, die später vom „linken“ nationalsozialistischen Strasser-Flügel aufgegriffen wurden.544 Durch die Anprangerung des Kapitalismus als Geld- und Zinsherrschaft war die antisemitische Konnotation hier schon mit- geliefert, wurde doch dem „Weltjudentum“ seit Etablierung der bürgerlichen Gesellschaft im 19. Jh. vorgeworfen, mithilfe des Finanzsystems die Welt zu beherrschen.

541 Vgl. Schwagerl, 107. 542 Vgl. Holzer, 26f. 543 Vgl. Bierl (2014), 36. 544 Vgl. Mende, 108f. - 117 -

4.2 Konrad Lorenz – Leitfigur der ökologischen Rechten

Als im Frühjahr 1984 die Kampagne für das Volksbegehren zum Erhalt der Donauauen anlief war es kein Zufall, dass ausgerechnet der Nobelpreisträger Konrad Lorenz (1903-1989) zum Namensgeber und Schutzpatron des Unterfangens auserwählt wurde. Am 13. Mai 1984 titelte die Kronen Zeitung, die sich als Motor des Protests in der Au in Szene setzte: „Konrad Lorenz gibt den Startschuss zum Volksbegehren!“ Der greise Wissenschaftler spielte in der Hainburg-Bewegung zwar keine aktive Rolle mehr, hatte als prominenter Naturschützer und Atomkraftgegner jedoch den Stellenwert einer grünen Ikone und galt als graue Eminenz der österreichischen Umweltbewegung.545 Bereits in den fünfziger Jahren hatte Lorenz begonnen, sich als lokaler Naturschützer zu enga- gieren und stand in engem Kontakt zu Hubert Weinzierl, der ab 1969 den bayrischen Bund Naturschutz leitete. In den siebziger Jahren setzte sich Lorenz, dessen Autorität durch den Nobelpreis signifikant angestiegen war, für den Schutz der Wachau ein und wetterte gegen den aus ökonomischen Gründen geplanten Ausbau der Donau. Gemeinsam mit seinen Schülern Irenäus Eibl-Eibesfeldt und Otto Koenig beteiligte er sich an der um Weinzierl 1972 entstandenen Gruppe Ökologie, die sich als Pendant des 1968 gegründeten Club of Rome ver- stand und eine Ökologisierung von Politik und Wirtschaft anstrebte. Am 20. Juli präsentierten sie im Münchner Hofbräuhaus schließlich ein Manifest, wo die Gefahren eines Bevölkerungs- kollapses als vordringlichstes Problem präsentiert wurden.546 Dieses „Ökologische Manifest“ formulierte eine grundsätzliche Kritik an einer fehlgeleiteten Gesellschaftsentwicklung, wofür hauptsächlich die ökonomische Wachstumsmaxime verantwortlich gemacht wurde. Schon ein Jahr später erklärte ihn die Wochenzeitung Die Furche zum „neuen Umweltpapst“ Österreichs.547 Auch die österreichische Antiatomkraftbewegung machte den 1973 ausgezeichneten Nobel- preisträger zu einer ihrer intellektuellen Leitfiguren. Lorenz engagierte sich in der Folgezeit bei der von Tollmann angeführten ARGE Nein und der Aktion Wissenschaftler gegen Atom- kraftwerke.548 Am Nationalfeiertag 1978, zehn Tage vor der Volksabstimmung über die Inbe- triebnahme des AKW-Zwentendorf, hielt Lorenz in Tulln eine Rede, bei der er die Atom- energiewirtschaft als Ausdruck eines mammonistischen Zeitgeistes verurteilte. Dabei sah sich der Biologe einer indoktrinierten Generation gegenüber, die von der Presse gesteuert und

545 Vgl. Taschwer (2009), 256-258. 546 Klaus Taschwer und Benedikt Föger zitieren den Wortlaut folgendermaßen: „Wer die Überbevölkerung wie- terhin fördert, bringt uns dem gemeinsamen Selbstmord näher. […] Massenvermehrung erzeugt Massenelend und oft genug Massenvernichtung!“ Vgl. Ebd., 246. 547 Vgl. Taschwer (2009), 244-46. Siehe auch: Bierl (2014), 30. 548 Vgl. Taschwer (2009), 246f. - 118 -

allein der „Lobby der reichen Leute“ gehorche, die mit ihrem Geld die „freiesten Zeitungen unter ihrem Daumen hat“, was demokratiebedrohende Ausmaße erreicht hätte. Im Konkreten warf er der Presse vor, dass sie Kritik an der Atomkraft sukzessive verzerre und der Öffentlichkeit Informationen vorenthalte, sodass die Großindustrie ungehindert ihre Interes- sen verfolgen könne. Seinen Widerstand gegen die Kernkraft rechtfertigte Lorenz mittels medizinischer Argumente, drohten doch ungeborenen Kindern durch Verstrahlung Erb- schäden und Missbildungen.549 In weltanschaulicher Hinsicht stand diese Ablehnung im Kon- text eines konservativen Antimodernismus, lehnte er doch die moderne Technologie und Zivilisation aufgrund ihrer Naturentfremdung zur Gänze ab.550 Als Kämpfer gegen die Zerstörung der Natur, besorgt um den Erhalt der Tier- und Pflanzen- welt, beteiligt an beiden schicksalsbehafteten Gründungsmythen der Grünen Bewegung in Österreich, avancierte Lorenz in der Öffentlichkeit zum „Vater der Grünen“, der sich für einen „Friedenspakt mit der Natur“ einsetze.551 Gleichzeitig stand er den formierenden Grün- parteien Anfang der Achtziger eher kritisch gegenüber, galt ihm die Ökologie doch als über- parteiliches Anliegen.552

4.2.1 Über die „Verhaustierung“ des modernen Zivilisationsmenschen

Eine der zentralen Ideen, die Lorenz՚ Wissenschaft wie Weltanschauung prägten, bildete die Domestikationshypothese, von der er auch Zeit seines Lebens nicht abrückte. Mit Berufung auf seine Tierbeobachtungen stellte Lorenz die Behauptung auf, dass Wildtiere durch den Prozess der Domestizierung ihre natürlichen Instinkte verlören. Da sich Haustierarten nicht mehr dem darwinistisch verbrämten „Kampf ums Dasein“ zu stellen hätten, da ihnen der Mensch sämtliche existenzielle Sorgen abnahm, würden sie immer träger, fetter, dümmer und unselbstständiger werden. Als Verhaltensforscher sprach Lorenz hier von einer „Vulgarisa- tion“ der Haustiere, die sich in einer plumperen Körperform und im Intelligenzverlust äußer- ten. Diese Veränderungen, die sich besonders im Verhalten manifestieren, würden sich über das Prinzip der Vererbung auf die nächsten Generationen übertragen, weshalb Lorenz die Domestikation als Fluch deutete, der die natürliche Lebensform „degeneriere“.553 Diese „Verhaustierung“ oder „Verhausschweinung“ ließe sich nun auch beim zivilisierten Kulturmenschen beobachten. Der moderne Großstadtmensch wird hier analog zu hochge- züchteten Haustieren gesetzt, was Lorenz etwa am „Mopskopf“ oder „Hängebauch“ festzu-

549 Siehe hierzu: Konrad Lorenz gegen die Atomenergie. 26.10.1978. 550 Vgl. Taschwer (2009), 223. 551 Siehe hierzu: Ö1-Salzburger Nachtstudio vom 26.02.2014. 552 Vgl. Taschwer (2009), 262f. 553 Vgl. Föger (2001), 102f. - 119 -

machen glaubte, die er als körperliche „Minusvarianten“ beschrieb.554 Als Ursache dieser als Degeneration gedeuteten Entwicklung machte Lorenz den Zivilisationsprozess aus, der einen „rassischen und moralischen Verfall“ zur Folge hätte, so bereits formuliert in einem Text im Jahr 1940.555 Als Symptome führte Lorenz hier etwa „Geburtenrückgang, Karzinom und Weltkapitalismus und unzählige andere volksfeindliche Kräfte“ an, für ihn Ausdruck eines kulturellen wie biologischen Niedergangs.556 Außerdem zeige sich der Verfall auch im Ver- lust von „arteigene[m] Empfinden für Schönheit und Hässlichkeit“, womit sich der Gesund- heitszustand eines Volkes auch anhand der vorherrschenden Ästhetik ermitteln ließe, da eine „erbgesunde“ Bevölkerung gesellschaftliche Verfallserscheinungen als abstoßend emp- fände.557 Besonders in diesem Punkt zeigten sich Übereinstimmungen mit der NS-Ideologie, die moderne Kunst und Musik als „entartet“ brandmarkte, wofür ihr das „gesunde Volks- empfinden“ genügte. Lorenz untermauerte diese Ressentiments vorgeblich wissenschaftlich, indem er die abstrakte Kunst zum Spiegelbild einer verkommenen Zivilisation erklärte, als eine Folge biologischer Degeneration.558 Die Auseinandersetzung mit den negativen Auswirkungen der Domestikationserscheinungen gehen auf das Jahr 1938 zurück, erstmals ausformuliert in seinem Artikel: „Über die Ausfalls- erscheinungen im Instinktverhalten von Haustieren und ihre sozialpsychologische Bedeu- tung“. Damit richtete sich Lorenz insbesondere gegen die Reflexlehre Iwan P. Pawlows, die er als „wertzerstörend“ denunzierte, da sie als Theorie „auslesefeindlich“ wirke. Bereits damals übertrug er seine Hypothese aus dem Fachbereich Biologie auf die Gesellschaft, in- dem er zahlreiche Parallelen zwischen dem Domestikationsprozess und dem Wirken der Zivilisation zu erkennen glaubte.559 Eindrücklich zeigt sich somit, wie nah bei Lorenz wissenschaftliche Erkenntnis, ideologische Vorannahmen und Überzeugungen beieinander liegen. Auch wenn Lorenz seine terminologische Ausdrucksweise nach Ende des National-

554 Die zunehmende Fettleibigkeit oder mangelnde Fitness von Menschen in den Industriegesellschaften, die komplexe sozio-ökonomische Hintergründe haben, werden von Lorenz und seinen AnhängerInnen zu einem Dekadenzphänomen simplifiziert. Dahinter steht das Schema einer Entgegensetzung von Natur und Zivilisation, das sich etwa darin ausdrückt, dass dem modernen Zivilisationsmenschen abgesprochen wird in der Wildnis noch überleben zu können. Damit geht meist eine Idealisierung der sog. „Naturvölker“ einher, die nicht vom modernen Menschen verdorben werden dürften und weiterhin abgeschottet und unberührt leben sollten. Siehe dazu exemplarisch die Aussagen der Biologin Barbara Schweder, Tochter des Lorenz- Epigonen Rupert Riedl, in der Ö1 Sendung „Salzburger Nachtstudio“ vom 26.02.2014. 555 Dieser Sichtweise liegt die Annahme zugrunde, dass das Leben in der modernen Gesellschaft, besonders in der Großstadt, die menschliche Leistungsfähigkeit reduziere und zu einem Verkümmern der vorgeblich natürlichen Fähigkeiten und Stärken führe. Dagegen wird die Vormoderne als Ausdruck einer ursprünglichen und gesunden Lebensweise romantisiert, die durch Verstädterung und Industrialisierung eine Pervertierung erfahren hätte. Vgl. Schulze (2012b), 30. 556 Vgl. Föger (2001), 101 und 116. 557 Vgl. Ebd., 106f. 558 Vgl. Schulze (2012b), 46f. 559 Vgl. Taschwer (2009), 89. - 120 -

sozialismus änderte, blieb er dennoch von der Idee der Verhaustierung besessen, die ihn zu ständig wiederkehrenden Warnungen vor dem drohenden Untergang menschlichen Lebens motivierte. Nicht unwesentlich dürfte hier auch der Einfluss seines Vaters gewesen sein, der als bekennender Eugeniker an der biologisch-kulturellen Verbesserung der Menschheit inter- essiert war.560 Damit besitzt Lorenz՚ Domestikationstheorie einen Doppelcharakter, sodass eine eindeutige Zuordnung dieser als politische oder wissenschaftliche Aussage nicht möglich ist. Föger und Taschwer verweisen dabei auf die „gut versteckten Übergänge zwischen tierpsychologischen Erkenntnissen, ideologischen Behauptungen und politischen Forderungen“. Sowohl die Fo- kussierung auf das biologisch Gesunde und Wertvolle als auch dessen Verknüpfung mit anti- modernistischen Ressentiments, verliehen den Lorenzschen Deutungen den Charakter einer nationalsozialistischen Legitimationsideologie, konnten damit doch das Ausmerzen „un- werten Lebens“ oder die Nürnberger Rassengesetze scheinbar wissenschaftlich fundiert werden.561 Nach dem Ende der NS-Herrschaft sprach Konrad Lorenz deshalb gerne vom Missbrauch der Biologie durch die Nazis, deren theoretische Aussagen politisch instrumentalisiert worden wären.562 Doch es war der Biologe Lorenz selbst, der 1940 eine „Ausmerzung ethisch Min- derwertiger“ forderte und im „Erkennen und Ausschalten […] mutationsbedingte[r] Faktoren […] die wichtigste Aufgabe des Rassenpflegers überhaupt“ erkannte. Denn ein immer neues „Auftreten von Menschen mit Ausfällen im arteigenen sozialen Verhalten [bedeutet] eine Schädigung für Volk und Rasse, die schwerer ist als die einer Durchmischung mit Fremdras- sigen“. Aus diesem Grund sei der „Wegfall der natürlichen Auslese“ durch eine „schärfere Ausmerzung ethisch Minderwertiger“ zu kompensieren, formuliert in seinem Text „Durch Domestikation verursachte Störungen des arteigenen Verhaltens“.563 Dass es sich dabei nicht um eine oberflächliche Anbiederung handelte, zeigt ein Auszug aus einem persönlichen Brief, von Lorenz etwa zur gleichen Zeit verfasst. Darin äußerte sich seine Überzeugung eines bio-

560 Vgl. Taschwer (2009), 92. 561 Vgl. Föger, 119. 562 Die Klage über den Missbrauch der Wissenschaft durch die Politik bildet eine beliebte Entlastungsstrategie von ForscherInnen, die sich bei aufkommender Kritik der Verantwortung gegenüber gesellschaftlichen Impli- kationen zu entziehen versuchen. Wissenschaftliche Erkenntnis wird dabei als wertneutral und damit politisch neutral verstanden, womit ihre gesellschaftlichen und historischen Konstitutionsbedingungen unterschlagen werden. Gerade die Herausbildung der als Wissenschaften verstandenen physiognomischen Lehren Eugenik, Phrenologie oder Rassenbiologie am Ende des 19. Jh. zeigt allerdings, wie sehr Disziplinen und die von ihnen aufgestellten Theorien Ausdruck herrschender Ordnungen und Konflikte sind. Bezogen auf den Nationalsozialismus bedeutet das, dass „[n]icht etwa Missbrauch oder Unwissenschaftlichkeit […] zu einer Verstrickung der Biologie in die nationalsozialistische ‚Rasse‘-Politik geführt [hat], sondern im Gegenteil die wissenschaftliche Anerkennung und Legitimation der ‚Rasse‘-Biologie als gute, reine und wertfreie Wissenschaft“. Vgl. Palm, 246. Siehe auch: Föger, 187; Gommel, 108-111. 563 Vgl. Föger, 22f. - 121 -

logischen Determinismus und seine Affinität zur Eugenik besonders deutlich: „Auch ein Lust- mörder ist, biologisch betrachtet, ein armer Irrer, der für seine Ausfallsmutationen persönlich nichts kann. Da er aber fürs Volksganze enorm schädlich ist, schlachtet man ihn mit Recht!“564 Für Föger und Taschwer ist damit erwiesen, dass Lorenz՚ „zentrale rassenpoli- tischen Aussagen eine wissenschaftliche Legitimation für die am 14. Juli 1933 beschlossenen NS-Gesetze ‚zur Verhinderung erbkranken Nachwuchses‘ und ‚gegen gefährliche Gewohn- heitsverbrecher‘ sowie des Gesetzes ‚zum Schutz der Erbgesundheit des deutschen Volkes‘“ darstellten. Ideologisch wurde damit etwa die sogenannte „T4-Aktion“ gerechtfertigt, in der Menschen mit psychischen oder physischen Beeinträchtigungen vom NS-Apparat systema- tisch ermordet wurden, von den Nazis euphemistisch als „Euthanasie“ bagatellisiert. Diese Vernichtungspraxis löste die bis dahin gebräuchlichen Sterilisationen unter Zwang ab.565

4.2.2 Der begeisterte Nationalsozialist

„Ich war als Deutschdenkender und Naturwissenschaftler selbstverständlich immer National- sozialist und aus weltanschaulichen Gründen erbitterter Feind des schwarzen Regimes […]. Ich habe unter Wissenschaftlern und vor allem Studenten eine wirklich erfolgreiche Werbe- tätigkeit entfaltet, schon lange vor dem Umbruch war es mir gelungen, sozialistischen Studenten die biologische Unmöglichkeit des Marxismus zu beweisen und sie zum National- sozialismus zu bekehren. […] Schließlich darf ich wohl sagen, dass meine ganze wissen- schaftliche Lebensarbeit, in der stammesgeschichtliche, rassenkundliche und sozialpsycho- logische Fragen im Vordergrund stehen, im Dienste nationalsozialistischen Denkens steht.“566 Mit diesen Worten begründete Konrad Lorenz seinen Antrag auf Mitgliedschaft in der NSDAP und bewies damit, dass sich seine weltanschaulichen, wissenschaftlichen und poli- tischen Überzeugungen überlagerten. Bereits am 26. März 1938, zwei Tage nach dem sog. „Anschluss“ Österreichs, schrieb Lorenz sichtlich berauscht einem Kollegen in Berlin: „Wir sind alle noch leicht besoffen von den Er- eignissen der letzten 14 Tage […] Sie können sich keine blasse Vorstellung davon machen, welche Begeisterung hier herrscht, in welcher Ausnahms- und Festesstimmung selbst so un- politische Menschen wie wir sind! […] Ich glaube, wir Österreicher sind die aufrichtigsten und überzeugtesten Nationalsozialisten überhaupt!“567 Laut Taschwer und Föger beruhte dieser Enthusiasmus vor allem auf dem biologistischen Weltbild, das Lorenz mit der NS-

564 Föger, 96f. 565 Vgl. Ebd., 110f. 566 Siehe hierzu: Personal-Fragebogen zum Antrag auf Mitgliedschaft in der NSDAP, gestellt von Konrad Lorenz am 28. Juni 1938, zit. n. Föger, 79. 567 Siehe hierzu: Brief an Erwin Stresemann am 26. März 1938, zit. n. Föger, 65. - 122 -

Ideologie verband, während die Biologie, insbesondere darwinistische Ansätze, im klerikalfa- schistischen Österreich einen schweren Stand hatte.568 Dadurch blieb ihm ein akademischer Erfolg verwehrt, sodass ihn auch mangelnde Karriereaussichten in Opposition zum „schwarzen Regime“ brachten. Lorenz trat in Folge aber weniger als fanatischer Nazi in Er- scheinung, sondern identifizierte sich vornehmlich mit den sozialdarwinistischen Positionen der NS-Ideologie.569 Darauf verweisen auch die Erinnerungen eines Studenten, dem zufolge es keine politische Agitation in Lorenz՚ Vorlesungen gegeben habe, sehr wohl jedoch ideologische Schlussfolgerungen, die er aus seinen wissenschaftlichen Arbeiten zog.570 Besonders deutlich zeigt sich diese Verbindung von Weltanschauung und wissenschaftlicher Überzeugung in der Ablehnung theoretischer Konzepte, welche die Rolle umweltbedingter Aspekte hervorhoben. In einem seiner insgesamt überschaubaren antisemitischen Ausfälle diffamierte er etwa die deutsche Humanpsychologie als „durchsetzt“ mit dem „Gedankengut der jüdisch-daherredenden und wortschwelgenden Judengrößen“ und bezeichnete dies als „eine[n] der wenigen Fälle“, wo er „das Schädlingstum der Juden uneingeschränkt anerkenne“. Diese würden „durch Vielreden Wissenschaft zu Quatsch“ machen, was „wirk- lich nur jüdische Humanpsychologen zustand [brächten]“.571 Auch seine Domestikations- hypothese, die eine „Entartung“ angeborener Verhaltensweisen bei Tier und Mensch behaup- tete, dürfte mit der verstärkten Hinwendung zum Nationalsozialismus in Zusammenhang ge- standen sein.572 Außerdem formulierte er gerade in den Jahren zwischen 1927 und 1937 die Grundbegriffe seines Faches Ethologie. Zuvor hatte Lorenz am Institut von Ferdinand Hoch- stetter Medizin studiert, das bereits seit der Jahrhundertwende als Hort für deutsch-nationale und völkische gesinnte Studenten galt und schon lange vor 1938 Knotenpunkt und Samm- lungsort der antisemitischen Schlägertrupps an der Wiener Universität war.573 Dass zwei von Lorenz՚ wichtigsten Bezugspersonen, sein Lehrer Hochstetter und sein Vater Adolf Lorenz,

568 Die Disziplin Biologie spielte in der NS-Ideologie eine zentrale Rolle, vor allem im Zusammenhang mit der Erbbiologie, mit der „Rassenhygiene“, die auf einem pseudowissenschaftlich-biologischen Fundament aufge- baut war. Dem SS-Amt für Bevölkerungspolitik und Erbgesundheitspflege galten die Erkenntnisse und Fest- stellungen der wissenschaftlichen Erbbiologie gar als Grundlage nationalsozialistischen Handelns. Lorenz habe dabei versucht sich in die Forschungen einzubringen und so der im Entstehen begriffenen Verhaltens- forschung auch politische Relevanz zu geben. Vgl. Föger, 66f. 569 Der „parade-nationalsozialistische Ideologe“ der Universität Wien, Eduard Pernkopf, Assistent und Nach- folger von Lorenz՚ Förderer Ferdinand Hochstetter, hätte ihm dagegen ein schlechtes ideologisches Zeugnis ausgestellt. Ihm zufolge sei Lorenz ausschließlich an seinen „Viechern“ interessiert gewesen und würde sich darüber hinaus nicht sehr für Politik begeistern. Dennoch attestiert ihm auch Pernkopf ein positives Verhält- nis zum Nationalsozialismus. Vgl. Ebd., 75f. 570 Vgl. Ebd., 93. 571 Vgl. Taschwer (2009), 82. 572 Vgl. Ebd., 86 und 71-76. 573 Vgl. Föger, 50. - 123 -

ebenfalls Anhänger der Nazis waren, komplettiert das Bild.574 Der Versuch, den Wissen- schaftler Konrad Lorenz vom Parteigänger der Nazis zu trennen und damit Lorenz՚ wissen- schaftliche Erkenntnisse als unabhängig von seinen politischen Überzeugungen zu erklären, unterschlägt somit die vorhandenen Wechselwirkungen zwischen Weltanschauung, getroffe- nen Vorannahmen und der Perspektive des Verhaltensforschers.575 Zum dunkelsten Kapitel gehört hier wohl seine Mitwirkung an einer „völker- und rassen- psychologischen Studie“ im Jahr 1942, die an „Posener deutsch-polnischen Mischlingen und Polen“ durchgeführt wurde und eine „wissenschaftliche Unterbauung der Rassenpolitik“ leisten sollte. Durchgeführt wurde diese Untersuchung vom „Völkerpsychologen“ Rudolf Hippius. Sie sollte zeigen, „dass Volkstum, Gesinnung und Charakter in ihrer gegenseitigen Verflochtenheit als seelische Wirklichkeit grundsätzlich erforschbare Gegebenheiten sind“.576 Die genaue Rolle, die Lorenz dabei zukam, ist heute nicht mehr rekonstruierbar.577 Dass es sich bei Lorenz՚ Mitwirkung um keine biographische Zufälligkeit handelte, beweist der Um- stand, dass der Biologe und Mediziner Mitglied des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP war, einer NS-Organisation, die über richtige und falsche Auslegungen der Rassenlehre ent- schied.578 Die Beteiligung an „rassenpsychologischen“ Untersuchungen sollte Lorenz bis an sein Lebensende verschweigen und wurde erst durch die Recherchen der Biologiehistorikerin Ute Deichmann Ende der 1980er Jahre publik.579 Nach dem Ende des Nationalsozialismus setzte Lorenz seine ethologischen Forschungsarbei- ten bruchlos fort und distanzierte sich lediglich von der gewählten Terminologie. Als im Zuge

574 Vgl. Taschwer (2009), 283. Besonders in den privaten Briefen vor 1945 traten Lorenz՚ rassistische Überzeu- gungen und seine deutschnationale Einstellung klar zutage. Im Dezember 1939 ärgert ihn etwa „rein rassenbiologisch, dass die zwei ersten und besten Germanenvölker der Welt sich gegenseitig schwer beschädigen, während die ganze nicht-weiße, schwarze, gelbe, jüdische und gescheckte Welt händereibend danebensteht und sich freut. […] Dass England greisenhaft und Deutschland biologisch jung und aufstrebend ist, steht außer allem Zweifel.“ Vgl. Föger, 95. 575 Exemplarisch zeigt sich diese Verquickung an Lorenz՚ Dogma vom evolutionären Prinzip der „Arterhaltung“, wonach die existentielle Zwecksetzung am Überleben der Gattung orientiert sei und nicht an jenem des Einzelwesens. Darin zeigt sich die starke Fokussierung auf das Kollektiv, die in Deutschland vor 1945 vorherrschend war, während die angelsächsische Soziobiologie zunehmend das Individuum in den Mittelpunkt rückte. Vgl. Taschwer (2009), 250. 576 Hippius՚ Studie stand in engem Zusammenhang mit den bevölkerungspolitischen Plänen Nazideutschlands nach dem erfolgreichen Überfall auf Polen im Herbst 1939, die eine „Aussiedlung“ der polnischen Bevöl- kerung aus dem sog. „Warthegau“ vorsah. Dazu wurden die BewohnerInnen nach „rassischen“ Kriterien in vier Gruppen unterteilt. Die jüdische Bevölkerung und „nicht assimilierbare Polen“ sollten deportiert werden, „Asoziale“, „erbbiologisch minderwertige“ oder „politisch stark belastete“ PolInnen dagegen sofort in Konzentrationslager kommen. Vgl. Föger, 150. 577 Vgl. Föger (2001), 148-154. Als Lorenz im April 1942 in der Region eintraf war die gezielte Verfolgung und Ermordung der polnischen Intelligenz bereits abgeschlossen, die Deportation und Vernichtung der ansässigen Juden und Jüdinnen zum Großteil vollzogen, während die Germanisierungspolitik voll im Gange war. Vgl. Taschwer (2009), 115. 578 Taschwer (2009), 98. Siehe auch: Föger, 142. 579 Ute Deichmann, Biologen unter Hitler. Vertreibung, Karrieren, Forschungsförderung, Frankfurt am Main 1992. Siehe auch: Taschwer (2009), 238. - 124 -

der Nobelpreisverleihung die Diskussion um seine Rolle zwischen 1938 und 1945 entbrannte, wies er jegliche Berührungspunkte mit dem NS-System zurück. In der Tageszeitung Kurier ließ er wissen: „Ich war nie politisch. Jeder, der mich in die Nähe der Nazi stellen will, ist eine Dreckschleuder.“ In persönlichen Briefen bezeichnete Lorenz die öffentliche Kritik an seiner Person gar als „Geifer-wischende Schriebe“ der „linksradikalen Zeitungen“. Als die in- kriminierten Passagen jener Zeit zur Sprache kamen, rückten Lorenz՚ treueste SchülerInnen zur Ehrenrettung aus. Wildbiologe Antal Festetics meinte, die Textstellen „aus dem Zusam- menhang gerissen und falsch kommentiert“ zu wissen, und unterstellte den KritikerInnen, dass sie damit den „größten Mahner und Humanisten unserer Zeit anschwärzen“ wollten. Als Motive nannte Festetics Neid und „Unzufriedenheit über die eigene Unfähigkeit“, weshalb sie sich „den ausländischen Dreckschleudern anschließen“ würden.580 Im Jahr 1973 war aber auch Lorenz՚ kulturkritisches Werk „Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit“ er- schienen, wo er vor „Übervölkerung“ und „genetischen Verfall“ warnte, die revoltierende Jugend gar mit krankmachenden Krebszellen verglich und sie zu gesellschaftlichen Parasiten erklärte, was Lorenz als „möglicherweise genetisch bedingt“ erklärte.581 Für Taschwer und Föger erinnert der Tonfall „stellenweise fatal an seine Arbeiten in der NS-Zeit“, außerdem hatte Lorenz neuerlich „erbliche Instinktausfälle“ beim Menschen in den Fokus genommen.582 Erst im Jahr 1981 entschuldigte sich Lorenz öffentlich in einem ORF-Fernsehinterview über die Wortwahl in seinen Publikationen vor 1945. Er habe sich lediglich in der Diktion dem Nationalsozialismus angepasst, sei jedoch weltanschaulich nie mit diesem d’accord gegangen. Seine Euphorie über den sog. „Anschluss“ verteidigte er damit, dass er die Hoffnung gehegt hätte, der Nationalsozialismus brächte „etwas Gutes […] in Bezug auf die Hochschätzung der biologischen Vollwertigkeit des Menschen, gegen Domestikation und so weiter“. Nie hätte er geahnt, „dass die Leute Mord meinten, wenn sie Ausmerzen oder wenn sie Selektion sagen“, dafür sei er schlichtweg zu „gutgläubig“ gewesen.583 Anzumerken ist, dass Lorenz՚ Gut- gläubigkeit in eine Zeit fällt, als die Nazis schon fünf Jahre in Deutschland wüteten. Die Nürnberger Gesetze waren verabschiedet, Konzentrationslager errichtet und SA, SS wie Gestapo bereits jahrelang auf der Jagd nach den politischen und „rassischen“ Feinden des Systems. Selbst die Novemberpogrome im Jahr 1938 dürften seiner Begeisterung keinen Ab- bruch getan haben, wenn Taschwer und Föger den Höhepunkt seines ideologischen Eifers mit der Jahreswende 1939/40 datieren.584

580 Vgl. Taschwer (2009), 233-236 und Föger, 26-34. 581 Vgl. Geden, 51; vgl. Föger, 198-200; vgl. Taschwer (2009), 218-220. 582 Vgl. Taschwer (2009), 218. 583 Siehe hierzu: Ö1-Salzburger Nachtstudio vom 26.02.2014. 584 Vgl. Taschwer (2009), 94. - 125 -

4.2.3 Weltanschauliche Kontinuitäten

Konrad Lorenz ist in vielerlei Hinsicht das Paradebeispiel für einen Vertreter rechtsöko- logischer Positionen. Bereits vor 1945 befand er sich nach Föger und Taschwer „im Fahr- wasser jener konservativ-faschistischen Kulturkritik, die damals prominente Intellektuelle wie Oswald Spengler und Werner Sombart vertraten“.585 Die moderne Zivilisation erscheint Lorenz als verkommen und degeneriert. Merklich steuere sie auf den drohenden Untergang zu, sichtbar im Großstadtleben, dem blinden Vertrauen in den technischen Fortschritt oder an tiefreichenden Umweltzerstörungen. Diese „Verwüstung des natürlichen Lebensraumes“ zer- störe jedoch „nicht nur die äußere Umwelt […], in der wir leben, sondern auch im Menschen selbst alle Ehrfurcht vor der Schönheit und Größe einer über ihm stehendem Schöpfung“.586 Diese Klage über die Todsünden wider die Natur äußert sich bei Lorenz jedoch nicht aus- schließlich in Form einer klassisch-konservativen Zivilisationskritik, sondern besitzt eine bio- logistische Stoßrichtung. In seinem 1973 erschienen Machwerk „Die acht Todsünden“ kriti- siert der Nobelpreisträger im Kapitel „Genetischer Verfall“ nicht nur ein falsches „Mitleid mit dem asozialen Ausfallsbehafteten“, sondern beklagt außerdem: „Man darf nicht einmal die Worte ‚minderwertig‘ und ‚vollwertig‘, auf Menschen angewendet, gebrauchen, ohne sofort verdächtigt zu werden, man plädiere für die Gaskammer.“587 Als Ausgangspunkt der von ihm diagnostizierten Fehlentwicklung gilt wiederum die USA, nach deren Vorbild es zu einem „drohenden moralischen und kulturellen Zusammenbruch“ käme, „der höchst wahrscheinlich die ganze westliche Welt mit in seinen Strudel reißen wird“588. Lorenz՚ „Acht Todsünden der zivilisierten Menschheit“ avancierten bald darauf zur Standard- literatur des rechten Grünspektrums, womit der Verhaltensforscher auch zur Rehabilitierung eines biologistischen Weltbildes im bürgerlich-konservativen Teil der Umweltbewegung bei- trug.589 Die intellektuelle Führungsrolle, die Lorenz in den frühen Siebzigern in der Ökologie- bewegung einzunehmen begann, wurde wiederum vonseiten der Neuen Rechten erfreut zur Kenntnis genommen. Gerade die öffentliche Anerkennung als exzellenter Wissenschaftler und Wahrnehmung als „ökologisches Gewissen der Nation“ machten ihn zum idealen Zug- pferd für eine Renaissance des Biologismus.590 Diese Anerkennung im rechtsextremen Spek- trum zeigte sich etwa in der Verleihung des sog. „Schillerpreises des Deutschen Volkes“,

585 Vgl. Föger, 118. 586 Siehe hierzu: Lorenz, (1993), 107. 587 Siehe hierzu: Ebd., 59. 588 Siehe hierzu: Ebd., 94. 589 Vgl. Huber (1991), 31. 590 Vgl. Schulze (2012b), 54-56. - 126 -

vergeben vom Deutschen Kulturwerk Europäischen Geistes (DKEG)591 am 21. Oktober 1973, also kurz vor dem Erhalt des Nobelpreises. Die Laudatio hielt Heinrich Härtle, früherer Sekre- tär des NS-Chefideologen Alfred Rosenberg. Aufgrund einer Erkrankung konnte Lorenz den Preis jedoch nicht persönlich in Empfang nehmen, ihn vertrat sein Schüler und Humanetho- loge Irenäus Eibl-Eibesfeldt.592 Besonders die beiden Biographen Klaus Taschwer und Benedikt Föger weisen auf Kontinui- täten in Lorenz՚ Denken über 1945 hinaus hin, der „inhaltlich von bestimmten Ideen“ nicht abrücken mochte. Vier Jahre nach Kriegsende polemisierte der Biologe etwa im Wiener Lite- rarischen Echo den künstlerischen „Schund“, was er mit dem Fortwirken des Domestikations- vorgangs in Verbindung brachte.593 Im Aufsatz „Psychologie und Stammesgeschichte“ (1954) meinte er wiederum, dass heute „weniger soziale bis asoziale Menschen weit erfolgreicher sind als die vollwertigen, auf deren Kosten sie letzten Endes leben“. Diese „[a]usfall- behaftete[n] Elemente“, die alle „Völker, Staaten und Kulturkreise [durchdringen]“, würden „Krebszellen in infiltrativem Wachstum“ entsprechen, die den biologischen Organismus zer- störten.594 Als degenerative Ausformung betrachtete Lorenz auch die 68er-Bewegung, der er vorwarf, die gesunde traditionelle Ordnung zu zerstören und einen „Stammeskrieg zwischen zwei nachfolgenden Generationen“ heraufzubeschwören. Das Plädoyer für eine „antiautori- täre Erziehung“ hielt er wiederum für ein „Verbrechen gegen die menschliche Natur und gegen die Vernunft“.595 In den Folgejahren kam es zur Annäherung zwischen Lorenz und der sich herausbildenden neorassistischen Neuen Rechten, die gern auf Erkenntnisse der Verhaltensforschung Bezug nahm.596 In Anbetracht der Nobelpreisverleihung veröffentlichte Alain de Benoist, Chefideo-

591 Das Deutsche Kulturwerk Europäischen Geistes (DKEG), gegründet 1950 in Deutschland und 1961/62 in Österreich galt als Sammelbecken ehemaliger NS-LiteratInnen. Nach der behördlichen Vereinsauflösung in Österreich (1976) als Deutsche Kulturgemeinschaft weitergeführt. Funktional gibt es hier Ähnlichkeiten zum oberösterreichischen Verein Dichterstein Offenhausen, der Anfang der Achtziger den VGÖ nahestand. Vgl. Purtscheller (1993), 307 und Lasek (1989), 327f. 592 Obwohl sich Lorenz nach Hinweisen auf den rechtsextremen Charakter der DKEG schließlich dazu ent- schloss sich zu distanzieren und den Preis wohltätig zu spenden, vermittelt die Vorgeschichte ein anderes Bild. Den Präsidenten des DKEG, Karl Günther Stempel, kannte Lorenz aus der Bayrischen Akademie der Wissenschaften der beide angehörten. In einem persönlichen Brief äußerte der designierte Nobelpreisträger, dass ihn ein „Gefühl einer fundamentalen Bundesgenossenschaft im geistigen Sinn“ mit Stempel verbinde und er sich freuen würde mit ihm über „wertphilosophische Fragen zu diskutieren“. Darüber hinaus war Stempel im Vorfeld an Lorenz herangetreten und hatte sich versichert, dass Lorenz den Preis ohne Vorbe- halte annehmen würde. Vgl. Föger, 25. Siehe auch: Taschwer (2009), 232f. 593 Vgl. Föger, 188f. 594 Vgl. Lippels, 100f. 595 Vgl. Taschwer (2009), 214-217 und 222. 596 Im Mittelpunkt der Affinität stand der biologische Determinismus, dem sich die Lorenzsche Ethologie gerne bediente, womit die Neue Rechte etwa den Gleichheitsgrundsatz der westlichen Demokratien in Frage stellte. Anhaltspunkte fanden sich auch bei Lorenz selbst, der die Annahme, dass alle Menschen gleich geboren seien, als „pseudodemokratische Doktrin“ diffamierte. Das Ziel der Neuen Rechten bildete wiederum die Idee - 127 -

loge der französischen Nouvelle Droite, eine ausführliche und wohlwollende Rezension über Lorenz՚ „Acht Todsünden“. Im August 1974 trafen sich de Benoist und Lorenz erstmals in Altenberg, wo der Wissenschaftler der Szenezeitschrift Nouvelle Ecole ein ausführliches Interview gab. Später sollte Lorenz deren Unterstützungskomitee angehören, wie auch der neu-rechte oder Auschwitz-Leugner David Irving. Erst nachdem Lorenz im Laufe des Jahres 1979 nachdrücklich auf den rechtsextremen Charakter der Zeitschrift hinge- wiesen wurde, distanzierte er sich zögerlich und ließ sich schließlich von der Liste der offiziellen UnterstützerInnen streichen.597 Darüber hinaus trat Lorenz publizistisch in den deutschen Zeitschriften Mut und Nation und Europa in Erscheinung und trat in der von Armin Mohler geleiteten Carl Friedrich von Siemens Stiftung auf.598 Diese Affinität des rechtsextremen Lagers zu Lorenz und dessen wissenschaftlichen Schluss- folgerungen zieht sich wie ein roter Faden durch seine Biographie. Im März 1939 hielt der Biologe etwa einen Vortrag im einflussreichen Deutschen Klub in Wien, der daraufhin vom Hitler-Verehrer Fritz Stüber im Neuen Wiener Tagblatt und vom Völkischen Beobachter bejubelt wurde.599 In späteren Jahren avancierte Lorenz zum Lieblingsschriftsteller Jörg Haiders, und Neonazi-Ikone Jürgen Rieger erklärte ihn zum Säulenheiligen seiner Gesell- schaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung (GfbAEV).600 Noch heute begeistert sich die extreme Rechte für ihn und versteht sein „wissenschaftlich-ideo- logische[s] Erbe“ als Bastion gegen Psychoanalyse und Frankfurter Schule, die in Anlehnung an Lorenz gern als 9. Todsünde angeprangert wird.601

4.2.4 Lorenz als Knotenpunkt rechter Traditionsstränge

In einer Umfrage, die am Ende des letzten Jahrhunderts in Österreich durchgeführt wurde, rangierte Konrad Lorenz an erster Stelle der wichtigsten WissenschaftlerInnen des Landes im 20. Jh., noch vor Sigmund Freud oder Ludwig Wittgenstein.602 Bis zu seinem Lebensende galt er als moralische Instanz, als Galionsfigur der Umweltbewegung und wird von seinen Anhän- gerInnen noch heute gern als „Philanthrop der Extraklasse“ beschrieben, der „Tiere und Menschen sehr geliebt“ habe.603

einer „Kulturrevolution von rechts“, die durch eine geistig-kulturelle Hegemonie auf den Universitäten und in den Medien herbeigeführt werden sollte. 597 Vgl. Taschwer (2009), 253-255. 598 Vgl. Purtscheller (1994b), 44. 599 Vgl. Föger, 112f. 600 Vgl. Purtscheller (1994b), 28. 601 Vgl. Schulze (2012b), 56f. 602 Siehe hierzu: Ö1-Radiokolleg vom 24.02.2014. 603 Siehe hierzu: ORF, Kreuz und Quer. Wie viel Tier steckt im Menschen? Ausgestrahlt am 25.02.2014. - 128 -

Für das österreichische Grünspektrum repräsentierte Lorenz den naturliebenden Warner und Mahner vor der drohenden technologischen Apokalypse und fortschreitenden Zerstörung des Lebensraumes. Der Biologe steht hier sinnbildlich für eine Art weltabgewandte Naturspiri- tualität und -bewegtheit, die sowohl im alternativ-esoterischen als auch rechtsökologischen Milieu Anklang fand.604 Im Dezember 1984 bezeichnete Lorenz in seinen Weihnachtsgrüßen an die AubesetzerInnen die drohenden Waldrodungen als „Verbrechen am heiligen Geist des Weltalls“, die „in letzter Konsequenz nichts anderes als die Ermordung der ganzen Mensch- heit“ bedeuten würden.605 Darüber hinaus steht Lorenz in der Traditionslinie rechtsökologischer Denker, nachfolgend Ernst Haeckel, der bereits im 19. Jh. von der Ausrottung aller unverbesserlichen Verbrecher träumte und als Ersatz für den „natürlichen“ Daseinskampf eugenische Maßnahmen forderte. Besonders drastisch zeigt sich diese Tendenz in der Periode des Nationalsozialismus, als Lorenz der sog. „Rassenhygiene“ das Wort redete.606 Solche Selektionsphantasien waren auch nach 1945 für das rechtsökologische Spektrum charakteristisch, so z.B. bei Günther Schwab und seinem Weltbund zum Schutze des Lebens oder beim neonazistischen Rassetheoretiker Jürgen Rieger. Auch in der tagesaktuellen Diskussion um Thilo Sarrazin, der die unverhältnis- mäßig hohe Fortpflanzungsrate der weniger „wertvollen“ Menschen beklagt, finden sich Motive einer solchen Eugenik, die ideengeschichtlich bis Thomas R. Malthus zurückreicht. Wie fließend hier der Übergang zur NS-Rassenideologie verläuft, zeigt der Umstand, dass Lorenz 1940 auch die Kreuzung von Arten als Degenerationsgrund benannte und auf den Menschen übertragen als „Rassenschande en gros“ denunzierte.607 Ein weiteres Lorenzsches Charakteristikum war sein Selbstverständnis als vorgeblich unpoli- tischer Forscher, dessen Wertaussagen allein auf einer wissenschaftlich-neutralen Grundlage beruhten. Gerade durch seine Tier-Mensch Analogien, die er als „Schablonen sozialen Ver- haltens“ gebrauchte, so formuliert vom Politikwissenschaftler Wolfgang Mantl, reduzierte Lorenz gesellschaftliche Entwicklungen in biologistischer Manier auf die Prinzipien Verer- bung, Evolution und Selektion.608 In Folge avancierten Lorenz und manche seiner Schüler wie Irenäus Eibl-Eibesfeldt zu Stichwortgebern rassistischer und sozialdarwinistischer Apolo-

604 Vgl. Ö1-Salzburger Nachtstudio vom 26.02.2014. 605 Vgl. Taschwer (2009), 261. 606 Vgl. Schulze (2012b), 50ff. 607 Vgl. Föger, 97. 608 So formuliert in den Lehrveranstaltungsunterlagen der Vorlesung „Politisches Denken Österreichs im 20. Jahrhundert“ von Wolfgang Mantl (Sommersemester 2008). - 129 -

getInnen, etwa mit der These, dass Aggression und Gewalt dem Zweck der Arterhaltung dienen.609 Weltanschaulich verband sich bei Lorenz ein konservativer Antimodernismus mit einem bio- logistischen Menschenbild, geprägt von der eugenischen Sorge um eine drohende Dege- neration der europäischen Bevölkerung. Innerhalb des rechten Spektrums der Ökologiebewe- gung nahm Lorenz՚ Kulturkritik damit eine Scharnierfunktion zwischen rückwärtsgewandtem Konservatismus und völkisch-rassistischen Strömungen ein, worunter auch die Neue Rechte zu subsummieren ist.

609 Populärwissenschaftlich gewendet ist diese These zentraler Bestandteil seines Buches „Das sogenannte Böse“, das zum Bestseller wurde. Siehe hierzu: Konrad Lorenz, Das sogenannte Böse. Zur Naturgeschichte der Aggression, München 1983. - 130 -

4.3 Die Vereinten Grünen und die extreme Rechte

Bei den Vereinten Grünen, zu denen Konrad Lorenz ein Naheverhältnis pflegte, bestand seit ihrer Gründung im Jahr 1982 bis zu ihrem Niedergang Mitte der Neunziger eine anhaltende Liaison mit dem Spektrum der extremen Rechten. Dies äußerte sich in der Duldung rechts- extrem gesinnter FunktionärInnen als auch in der starken antikommunistischen, minderheiten- feindlichen, autoritären und allgemein rechtsökologischen Attitüde der Parteiführung. Den- noch wäre der Umkehrschluss, es handle sich aufgrund dieser Facetten gleichsam um eine rechtsextreme Partei, nicht zutreffend.610 Vielmehr herrschte eine Art Aufgeschlossenheit und Toleranz gegenüber rechtsextremer Ideologie und deren VertreterInnen vor. Die sich als bürgerlich-wertkonservativ darstellende Grünpartei bemühte sich aber zumindest in der Öffentlichkeit von allzu rabiaten Neonazis und NS-NostalgikerInnen Abstand zu nehmen. In der Anfangszeit scharte sich insbesondere die biologistische, lebensreformerische, öko- logische Rechte um Tollmanns VGÖ, repräsentiert durch ExponentInnen des Weltbundes zum Schutze des Lebens, in Niederösterreich durch Hermann Soyka, Schriftleiter der rechts- ökologischen Zeitschrift Gesundes Leben und Obmann des Bundes für Volksgesundheit. Diese Gruppierungen waren zuvor in der Grünszene vorwiegend durch ihr Engagement gegen Atomkraft in Erscheinung getreten, die sie aus medizinischen bzw. eugenischen Gründen ab- lehnten. Meist handelte es sich dabei um Personen höheren Alters mit Affinitäten zum Natio- nalsozialismus. Das ehemalige VGÖ-Mitglied Franz Franke konstatierte etwa, dass sich diese älteren Parteifunktionäre nie von der NS-Ideologie losgesagt hätten.611 Wie positiv die Kons- tituierung der Vereinten Grünen im rechtsextremen Lager aufgenommen wurde, veranschau- licht sich auch am Unterstützungsangebot des Salzburger NDP-Führers Fritz Rebhandl, der Tollmann im Vorfeld der NR-Wahlen՚83 mit der Bereitstellung von Unterstützungserklärun- gen aushelfen wollte.612 Wurden solche Verstrickungen mit bekannten Rechtsextremen jedoch öffentlich skandalisiert, erfolgte vonseiten der VGÖ-Spitze die immer gleiche Vorgehens- weise, die sich bis zum Niedergang der Partei nicht ändern sollte. Kritische Hinweise wurden zuallererst ignoriert oder als linke Verleumdungskampagne zurückgewiesen, und erst bei Zu- nahme des öffentlichen Drucks erfolgte eine Distanzierung von rechtsextremen Protago- nistInnen bzw. der Ausschluss inkriminierter FunktionärInnen. Ansonsten wurde vonseiten der VGÖ keine aktive Abgrenzungspolitik nach rechts betrieben, Mitglieder und selbst hohe

610 Vgl. Schandl (1996), 118. 611 Vgl. Lind (1988), 25. 612 Anfang April 1983 erschienen einige Artikel zu den von NDP-ExponentInnen gesammelten Unterstützungs- erklärungen für die VGÖ im Kurier, in der Volksstimme und im Salzburger Tagblatt. Zu den Aktivitäten Rebhandls siehe: DÖW (1996), 247f und 344f. - 131 -

ParteivertreterInnen mit rassistischen, biologistischen oder antisemitischen Anschauungen blieben unbehelligt, sofern sie ihre Einstellungen nicht in der Öffentlichkeit.

4.3.1 Der rechtsextreme Beitrag am Parteiaufbau

Schon die Anfang der 1970er Jahre gegründete konservative Österreichische Umweltschutz- bewegung (USB), die als erster organisatorischer Vorläufer der VGÖ gelten kann, wies Quer- verbindungen zum rechtsextremen Spektrum auf. Mitglieder der USB publizierten etwa in der Zeitschrift Die Umwelt, wo z.B. Feministinnen als „lesbische Flintenweiber, die kein Mann schwängern würde“, verunglimpft wurden. BefürworterInnen der Fristenlösung galten wiede- rum als „gesetzesbrechender Abschaum“.613 Außerdem fand auch die antisemitische Ritualmordlegende vom „Anderl von Rinn“ in der Umwelt Verbreitung. Im Vorfeld der NR- Wahlen՚90 unterstützte die Zeitschrift wiederum die Liste Nein zur Ausländerflut, die von den bekannten Rechtsextremisten Franz Radl, Gerd Honsik und Horst Jakob Rosenkranz geführt wurde.614 Auf der Kandidatenliste des USB-Ablegers Wahlgemeinschaft für Bürgerinitiativen und Umweltschutz fanden sich bei der Wiener GR-Wahl՚78 außerdem zahlreiche Exponenten der rechtsextremen Volkssozialistischen Arbeiterpartei (VAP). Bis Anfang der Achtziger hatten USB und WBU schlussendlich jegliche Relevanz eingebüßt und waren großteils in den Vereinten Grünen aufgegangen. Als Obmann der USB, die rein rechtlich noch bis in die späten neunziger Jahre existierte, fungierte zuletzt Gerhard Pretzmann, einer der prononcier- testen rechtsökologischen Apologeten der VGÖ.615 Nach der Konstituierung der Vereinten Grünen Mitte des Jahres 1982 avancierte besonders der oberösterreichische Landesverband zum Einflussgebiet der ökologischen Rechten, wo Angehörige des Weltbundes zum Schutze des Lebens und Naturschutzbundes am Aufbau der entstehenden Grünpartei beteiligt waren. Für Brisanz sorgten in erster Linie die personellen Verbindungslinien zum NS-nostalgischen Verein Dichterstein Offenhausen (VDO).616 Mit Fritz Roschall, Vorsitzender des VDO, sowie den BeirätInnen Editha Pöschko und Adolf Richter, bekleideten gleich drei ProponentInnen des rechtsextremen Vereins Funktionen im

613 Vgl. Gronner (1984), 84. 614 Vgl. Rösch-Wehinger, 127. 615 Gerhard Pretzmann, bis Juni 1984 Obmann des Wiener VG-Landesverbands, bewarb in dieser Zeit Veran- staltungen seiner biologistischen und rassistischen Arbeitsgemeinschaft Evolution, Menschheitszukunft und Sinnfragen (AGEMUS) parteiintern als Weiterbildungsangebote. Vgl. Protokoll Ao. Mitgliederversammlung der VGÖ-Wien vom 17.10.1983, TOP 5, 3. 616 Der Verein Dichterstein Offenhausen war laut DÖW ein „Kultur-Treffpunkt von Rechtsextremen aus Öster- reich und der BRD“, der vordergründig NS-LiteratenInnen feierte. Die Veranstaltungen des VDO bildeten ab 1963 einen Sammelpunkt für das deutschnationale, rechtsextreme und neonazistische Milieu. Im Jahr 1999 wurde der Verein behördlich aufgelöst. Die szeneinternen Kontakte des VDO reichten zur Arbeitsgemein- schaft für demokratische Politik (AFP), zur Österreichischen Landsmannschaft (ÖLM) oder zu Hermann Molterers Fanale der Zeit, deren Mitherausgeber wiederum Roschall war. Vgl. DÖW (1981), 213f und DÖW (1994), 219-225. Zur Geschichte des VDO siehe: Purtscheller (1993), 75-88. - 132 -

oberösterreichischen VG-Landesverband, Senatsrat Roschall war darüber hinaus auch WSL- Mitglied und stellvertretender Obmann des Naturschutzbundes.617 Als ideologische Charakte- ristika des VDO galten Volksgemeinschaftsideologie, „rassisch-biologisch“ geprägtes Weltbild und der Kampf gegen die sog. „Umerziehung“ nach 1945. Im Mai՚83 nahm auch der niederösterreichische VG-Landesvorsitzende Hermann Soyka am alljährlichen „Dichterstein- Treffen“ teil, im Mai 1986 wiederum Fritz Witzany, zu dieser Zeit Spitzenfunktionär der Vereinten Grünen und vermutlich Präsident des WSL-Österreich. Witzany kandidierte wie der Großteil der VGÖ ein halbes Jahr später auf der Liste der Grünen Alternative Meissner-Blaus und ist heute noch bei den oberösterreichischen Grünen aktiv.618 Bei der konstituierenden oberösterreichischen Landesversammlung am 12. Februar 1983 fiel die politische Richtungsentscheidung jedoch gegen einen offenen Rechtsaußenkurs. Fritz Roschall, der gemeinsam mit NDP-Exponent Raimund Bachmann bis zu diesem Zeitpunkt den Aufbau der oberösterreichischen Vereinten Grünen maßgeblich geprägt hatte, zog schließlich seine Kandidatur um den Landesvorsitz zugunsten Josef Buchners zurück. Als Buchners Gegenkandidat trat dagegen Bachmann auf, der nicht nur die Wahl verlor, sondern gemeinsam mit Roschall wenige Wochen später aus der Partei ausgeschlossen wurde, da sich ihr scharf-rechter Stallgeruch negativ auf die NR-Wahlchancen auszuwirken begann. Mit ihrem Abgang konnte sich Fritz Witzany in Oberösterreich als wichtigster Funktionär hinter Buchner etablieren, womit der Einfluss der ökologischen Rechten gesichert blieb.619 Noch kurz vor seinem Ausschluss kandidierte Roschall übrigens bei der ersten VGÖ-Bundesver- sammlung als Programmreferent, wo er nur äußerst knapp unterlag. Hier brachte er auch einen Antrag ein, den er in das Grundsatzprogramm aufgenommen sehen wollte und einen ersten Vorgeschmack auf Roschalls politische Vorstellungen lieferte. So sollten „Gastarbeiter […] nicht durch besondere Förderung der Assimilierung ihrer ‚arteigenen‘ Kultur und ihres Volkstums beraubt und so ihrem Heimatland schließlich ganz entzogen werden. Ihre Anzahl soll (schon mit Rücksicht auf Arbeitsplätze für eigene Staatsbürger) möglichst niedrig gehalten werden.“ Darüber hinaus hätte Roschall in vertraulichem Rahmen noch die Separie-

617 Vgl. Schattauer (1988), 198f. Siehe auch: Liao, 61f. 618 Friedrich Witzany (*1940), seit ca. 1972 Mitglied des WSL-Ö, 1976 in den Vorstand gewählt und aktiv im Umfeld von Tollmanns ARGE Nein. Witzany publizierte um 1980 vermehrt im Umfeld des VDO und der Zeitschrift Fanale der Zeit (Roschall/Molterer), seit den frühen 1980ern Präsident des WSL-Ö und zuvor Ob- mann des Naturschutzbundes Oberösterreich (1976-1983), wo er Alfred Tisserand beerbte. Als Witzanys Stellvertreter fungierte wiederum Fritz Roschall. Witzany stieß Ende 1982 zu Tollmanns VGÖ und wurde kurz danach Landesvorsitzender. Im Herbst 1986 kandierte er für die Grüne Alternative, 1990 wieder für die Vereinten Grünen. Nach dem Niedergang der VGÖ partizipierte Witzany schließlich bei den Grünen und wurde Mitbegründer der Ortsgruppe von St. Florian. Für seine Verdienste als Umweltschützer bekam Witzany den „Grünpreis“ der oberösterreichischen Grünen verliehen. Siehe hierzu: DÖW, Der WSL-Ö und sein Verhältnis zum Rechtsextremismus, 2009, 3. 619 Vgl. Huber (1991), 95; vgl. Vanek, 47f. Siehe auch: Schandl (1996), 143. - 133 -

rung der sog. GastarbeiterInnen in eigenen Wohnbezirken gefordert, um einer Kontaktauf- nahme mit den Einheimischen vorzubeugen, ausgenommen „[g]elegentliche Begegnungen, etwa in Form von Volkstanzabenden“.620 Roschall, der eine Zeitlang sogar als stellvertretender Landesvorsitzender der VGÖ fungierte, war vor allem aufgrund seiner führenden Rolle beim rechtsextremen Dichterstein Offen- hausen untragbar geworden. Darüber hinaus wurde ihm vorgeworfen, in Kontakt zum ein- schlägig bekannten deutschen Neonazi-Advokaten zu stehen und einen führenden Vertreter der verbotenen Aktion Neue Rechte (ANR) finanziell unterstützt zu haben. Außerdem deckte er den überzeugten Faschisten Raimund Bachmann, indem er partei- intern für ihn eine Unbedenklichkeitserklärung abgab. Der Ausschluss Roschalls blieb trotz- dem umstritten, galt er doch manchen ParteifunktionärInnen noch immer als integrer Umwelt- schützer. Besonders Parteiobmann Alexander Tollmann stellte sich hinter Roschall und gab sich „davon überzeugt, dass Roschall kein Rechtsextremist ist“: „[H]eimattreue Gesinnung und eine Betonung des Volkstums sind nichts, was meiner Ansicht nach der grünen Bewe- gung entgegenläuft“, so Tollmann. Auch der spätere und langjährige Parteivorsitzende Josef Buchner hielt „Dr. Roschall“ für einen „harmlosen Mann“ und begründete den Rauswurf damit, dass sich die Vereinten Grünen „keine Angriffsflächen leisten“ könnten.621 Welche zentrale Rolle die äußerste Rechte in den ersten Tagen der VGÖ spielte, beweist auch der Umstand, dass es Bachmann und Roschall im Sommer 1982 waren, die ein erstes größeres Kooperationstreffen in die Wege leiteten. An der von ihnen organisierten Sommertagung nahmen mit Tollmann, Buchner, Alois Englander und Herbert Fux nicht nur die spätere Parteiprominenz teil, sondern auch Zentralgestalten der rechtsökologischen Szene, darunter Hermann Soyka, Stefan Micko622, Manfred Rünzler, Adolf Richter623 und Adolf

620 Günter Ofner zit. n. Huber (1991), 109. 621 Vgl. Huber (1991), 147f. 622 Stefan Micko (1932-2011), verheiratet mit Liane Soyka und damit Schwager von Walther und Hermann Soyka, beteiligt am Bund für Volksgesundheit (BfV) und der Zeitschrift Gesundes Leben. Als Jugendlicher im Wandervogel und in der Jugendbewegung aktiv, engagierte er sich ab den 1960ern im Kampf gegen die Kernenergie. Er war Gründungsmitglied der ARGE Nein, für die er bis Mitte der 1990er Jahre aktiv blieb, wo er sich hauptsächlich um die Herausgabe der Zeitschrift Neue Argumente kümmerte. Als Vertrauter Tollmanns war Micko in der ersten Zeit VGÖ-Finanzreferent und kandidierte 1983 an 7. Stelle der Wiener NR-Liste. Von 1987 bis 2000 Obmann des nationalistischen Sprachpflegevereins Muttersprache, der die Verteidigung und Reinhaltung der deutschen Sprache zum Ziel hatte. Außerdem war er Mitglied der Österreichische Landsmannschaft (ÖLM) und hatte Kontakte zur AFP und zum Alpenländischen Kulturver- band Südmark (AKVS). Vgl. Huber (1991), 89 und DÖW (1981), 216. Eine Würdigung Stefan Mickos findet sich auf: NürnbergWiki, Stefan Micko. 30.01.2013. Gesehen am 30.05.2013. http://www.nuernbergwiki.de/- index.php/Stefan_Micko. 623 Adolf Richter war aktiv im VDO und Kontaktmann der rechtsextremen Körperschaft der Kirchenfreien Österreichs, die u.a. die Zeitschrift Neue Anthropologie der Neonazi-Kultfigur Jürgen Rieger vertrieb. Diese rassistisch-biologistische Zeitschrift beschäftigte sich hauptsächlich mit „Rassenhygiene“, „Vererbungslehre“ und „Bevölkerungspolitik“. Um 1980 dürften auch Kontakte zwischen Richter und dem DKEG sowie zu - 134 -

Ursprunger.624 Dass der Ausschluss Bachmanns und Roschalls zu keinem Abbruch der Bezie- hung zur rechtsextremen Szene führte, demonstriert der Umstand, dass im Spätsommer 1983 wiederum zwei VGÖ-Mitglieder ausgeschlossen wurden, da sie an einer „Art Geheimbund- sitzung einer NDP-nahen Gruppe in der Steiermark“ (Buchner), initiiert von Raimund Bach- mann, teilgenommen hätten. Parteivorsitzender Buchner rechtfertigte die Ausschlüsse damit, dass die VGÖ auf eine Distanzierung von „extremistischen“ Gruppen Wert legten.625

4.3.2 Der ambivalente Umgang mit der extremen Rechten

Die Annäherung und Abgrenzung zu eindeutig rechtsextremen Personen und Organisationen blieb unter Buchners Obmannschaft ein kontinuierliches Konfliktthema, der anders als sein Vorgänger Tollmann aus politischen und pragmatischen Gründen keine parteiinterne Hege- monie dieser Szene wollte. Gleichzeitig übte er sich im Umgang mit der ökologischen Rechten in einem Laissez-faire-Prinzip.626 Beklagt wurde diese Abgrenzung zum Spektrum der äußersten Rechten wiederum von der niederösterreichischen Landesvorsitzenden Inge Rauscher, die dies als zweifelhaften Umgang mit „unbequemen Mitgliedern“ kritisierte. Dabei verteidigte sie besonders den Briefträger und Heimatdichter Rupert Reiter, bei dem es sich um ein „sehr populäre[s] VGÖ-Mitglied“ handle.627 Reiter, ehemaliger Finanzreferent der VG-Salzburg und NR-Wahlkandidat, war im März՚84 bei den Salzburger Landtagswahlen als Spitzenkandidat der neonazistischen Die Grünen Österreichs von Alfred Bayer aufgetreten, worauf sein Parteiausschluss zur Diskus- sion stand. Das dürfte ihm aber schlussendlich nicht geschadet haben, denn bereits im Oktober՚87 schien er bei den Salzburger GR-Wahlen wieder als führender Repräsentant der Vereinten Grünen auf. Noch kurz davor hatte er im Zuge der Waldheimdebatte in einem Leserbrief über das „Weltjudentum“ geklagt und als „unbelehrbare[s] Volk“ bezeichnet, das in „[t]ausend Jahren nichts dazugelernt“ hätte und „[m]it Spekulationsgeldern aus dem Welt- handel und Waffengeschäften […] die Kriege Israels finanziert“.628 Dass die interne Auseinandersetzung über das Verhältnis zum Rechtsextremismus ein bren- nendes Dauerthema blieb, zeigen auch die Ausschussprotokolle des verhältnismäßig liberalen

Walter Ochensberger bestanden haben. Vgl. DÖW (1981), 193 und Huber (1991), 94. Siehe auch: Lasek (1994), 520f. 624 Vgl. Huber (1991), 64f und 78. 625 Siehe hierzu: Protokoll der Bundesausschuss-Sitzung vom 24.9.1983 in Graz, TOP 10, 7. 626 Wie zentral die Rolle Tollmanns bei der Integration der rechtsökologischen Szene war zeigt der Umstand, dass sich bei der Feier von Tollmanns 60. Geburtstag im Juni 1988 ein Großteil davon einfand, darunter die WSL-Exponenten Tisserand und Witzany, sowie der Familienverband Soyka. Vgl. Witzany (2008b), 65 und Huber (1991), 16. 627 Siehe hierzu: Brief von Inge Rauscher, Werte Mitglieder, liebe Freunde!, Klagenfurt am 24. Juni 1984. 628 Vgl. Huber (1991), 142f. Siehe auch: Brief von Inge Rauscher; Schandl (1996), 251. - 135 -

Wiener Landesverbandes. Nach mehreren Vorkommnissen, wo Mitglieder aufgrund ihrer NS- Vergangenheit oder durch Kontakte zum neonazistischen Spektrum von sich reden machten, beschloss man einen Passus, der „extrem rechts- oder linksgerichtete[n]“ Personen die Mit- gliedschaft verwehrte.629 Dass sich dieser Extremismusparagraph gerade mit Blick auf den rechtsökologischen Graubereich als völlig unbrauchbar erwies, zeigte sich etwa daran, dass mit Gerhard Pretzmann630 ein Anhänger der Rassenbiologie und Erbgesundheitslehre über Jahre hinweg zur Führungsspitze der Wiener-VGÖ zählte. Mit dem Niedergang der Partei konnte er sogar zum Bundesobmann aufsteigen. Pretzmann entstammte der Häusler Klein- partei WBU, publizierte in Zeitschriften des WSL und galt als enger und loyaler Vertrauter von Alexander Tollmann, der den Biologen und Lorenz-Schüler aus der gemeinsamen Studienzeit kannte.631 Im Herbst՚86 kandidierte auch Pretzmann wie das Gros der VGÖ- FunktionärInnen auf der Wahlliste der Grünen Alternative und blieb danach dem Buchner- Kurs treu. Ende der Achtziger propagierte er dann immer offener einen wissenschaftlich und ökologisch verbrämten xenophoben Rassismus. Im Spätsommer 1990 produzierte er etwa als Wiener Landesvorsitzender ein Flugblatt mit dem Wortlaut: „Keine Überfremdung! […] Unsere Einwohnerzahl soll stabil bleiben: Übervölkerung ist umweltfeindlich. Nur kontrol- lierte und sachlich gerechtfertigte Einbürgerungen!“ In der Zeitschrift Mensch und Umwelt er- klärte Pretzmann die Aufteilung der Menschheit in Rassen wiederum als wissenschaftliches Faktum und führte als Beweis folgende Alltagsbeobachtung an: „Man braucht nur durch die Kärntnerstrasse gehen und sieht Mongolide, Negride“, die doch „auf den ersten Blick als solche zu erkennen“ wären. Nach dem Debakel bei den NR-Wahlen՚94 wurde Pretzmann schließlich Parteiobmann, womit die später in Vereinte Grundsatztreue Ökologen umbenann- ten VGÖ einen scharfen politischen Rechtskurs einschlugen.632 Bereits bei der NR-Wahl՚83 war unter der Ägide Tollmanns die starke Präsenz des rechts- ökologischen Spektrums offensichtlich. Auf der Liste Niederösterreichs kandidierten etwa Inge Rauscher und Hermann Soyka, Stefan Micko und Gerhard Pretzmann in Wien, Adolf Ursprunger und Fritz Witzany in Oberösterreich, WSL-Spitzenfunktionär Manfred Rünzler und Max Schöringhumer in Vorarlberg, sowie auf der Kärntner Liste Monika Jesse und

629 Siehe hierzu: Protokoll der LA-Sitzung der VGÖ-Wien am 29. November 1984, TOP 2. 630 Gerhard Pretzmann (1929-2013), 1983 bis Juni 1984 bzw. 1987-1990 Obmann der Wiener-VGÖ, übernahm nach dem NR-Wahldebakel՚94 den Parteivorsitz. Der Biologe und Lorenz-Schüler war Angestellter im Naturhistorischen Museum und hielt auf der Wiener Volkshochschule regelmäßig Kurse ab. Mittels seiner Arbeitsgemeinschaft Evolution, Menschheitszukunft und Sinnfragen (AGEMUS) und deren Organ Mensch und Umwelt verbreitete er ein wissenschaftlich verbrämtes biologistisches und rassistisches Weltbild. Vgl. Schiedel (1994), 130f. 631 Vgl. Schattauer (1988), 198 und Huber (1991), 88 und 92. 632 Vgl. Schiedel (1994), 135f und Huber (1991), 146. - 136 -

Annemarie Lorbeer.633 Jesse führte bei den NR-Wahlen՚86 die explizit deutschnational- antislowenische VGÖ-Abspaltung Kärntner Grüne ins Feld, die mit der von Jörg Haider über- nommenen FPÖ eine Zusammenarbeit anstrebte.634 Besonders das fremdenfeindliche Volks- begehren „Österreich zuerst“, das 1992 von der FPÖ gestartet wurde, stieß hier auf viel Gegenliebe. Die KärntnerInnen agitierten vor allem gegen das Feindbild der multikulturellen Gesellschaft, deren Verwirklichung in den USA stattgefunden habe. Als Konsequenz einer dort diagnostizierten „Vermischung von Völkerschaften“ würde das Land nun nicht mit „seinen Negerproblemen […] fertig“ werden. Neben diesen weltanschaulichen Überein- stimmungen mit dem rechtsextremen Spektrum bestanden über Annemarie Lorbeer auch Kontakte zur neonazistischen Zeitschrift Sieg des Walter Ochensberger. Unterstrichen wurde dieses Naheverhältnis etwa durch die Aussage Lorbeers, die das Zustandekommen des Po- groms von Rostock-Lichtenhagen635 auf die „zigeunerhaften Lebensgewohnheiten der Asy- lanten“ zurückführte.636 Als äußerst rechtslastig galt auch die niederösterreichische Sektion, repräsentiert vor allem durch Inge Rauscher und Hermann Soyka, dessen Zeitschrift Gesundes Leben im rechtsöko- logischen Milieu einen gewissen Einfluss aufwies. Rauscher war im Juni 1983 gar zu einer der drei StellvertreterInnen Buchners gewählt worden, konnte den Kurs der VGÖ jedoch nicht wesentlich mitbeeinflussen.637 Dennoch sorgte die starke Präsenz der ökologischen Rechten dafür, dass die VGÖ ihren politischen Sonderweg fortsetzten. Als sich beispielsweise im Jänner՚84 eine Annäherung an die Alternative Liste abzeichnete, trat Inge Rauscher demons- trativ als stellvertretende Bundesvorsitzende zurück.638 In der parteiinternen Programm- diskussion wetterte sie gemeinsam mit dem Wiener Günter Marsoner gegen sozialpolitische Ansätze, die zu „Schmarotzertum“ und zum „Verlust individueller Kreativität“ führen würden.639

633 Siehe hierzu: BMI, Die Nationalratswahl vom 24. April 1983. Bearbeitet im Österreichischen Statistischen Zentralamt, Wien 1984. 634 Vgl. Schattauer (1993), 274. 635 In Rostock-Lichtenhagen fanden Ende August 1992 die massivsten fremdenfeindlich motivierten Angriffe der deutschen Nachkriegsgeschichte statt. Dabei wurde die Aufnahmestelle für AsylwerberInnen und ein Wohnheim von ehemaligen vietnamesischen VertragsarbeiterInnen in Brand gesteckt. Insgesamt waren mehrere tausend Personen darin involviert, die darüber hinaus den Einsatz von Polizei und Feuerwehr zu verhindern versuchten. 636 Vgl. Schiedel (1994), 131-133. 637 Auf der Salzburger Bundesversammlung am 25.6.1983 wurde Josef Buchner zum Vorsitzenden der VGÖ gewählt. Seine StellvertreterInnen wurden die Landesvorsitzenden aus Wien, Ina Wukovits, Niederösterreich, Inge Rauscher und Salzburg, Michael Beer. Zum Generalsekretär wurde Wolfgang Pelikan bestellt, dessen Stellvertreterin die Wienerin Eva Hauk wurde. Die Troika Buchner, Pelikan und Hauk sollte maßgeblich die Politik der VGÖ der nächsten Jahre prägen. Vgl. Schattauer (1988), 244f. 638 Zum Abgang Inge Rauschers als Stellvertreterin Buchners siehe: Protokoll der VGÖ-Bundesausschuss- Sitzung vom 20./21. Jänner 1984 in Villach, TOP 2, 3. 639 Vgl. Haiden, 126. Siehe auch: Schattauer (1988), 252. - 137 -

Als im Zuge der Hainburg-Ereignisse die gesamtgrüne Wahlbewegung eine neue Dynamik erreichte, war es wiederum der rechte Flügel, der selbst eine Annäherung an die realpolitisch und äußerst pragmatisch orientierte Bürgerinitiative Parlament (BIP) Günther Nennings ablehnte.640 Mit der sich abzeichnenden Kandidatur der Grünen Alternative unter Einschluss der VGÖ lockerten die Landesverbände Kärnten und Niederösterreich ihre Bindungen zur Bundespartei. Hermann Soyka rief etwa dezidiert dazu auf, nicht die Liste Meissner-Blau zu wählen, die Kärntner-VGÖ unter Monika Jesse wagte eine symbolische Gegenkandidatur und der niederösterreichische Landesvorsitzende und Soyka-Nachfolger Leopold Makovsky sowie die Landessekretärin Ilse Hans wechselten nach dem Parlamentseinzug der Grünen Alter- native zu den Freiheitlichen über.641 Erst nach dem Bruch Buchners mit der grünalternativen Parlamentspartei, der sich bereits im Frühjahr 1987 anzukündigen begann, kam es zur Reintegration des VGÖ-Rechtsaußenflügels. Mit Niedergang der Vereinten Grünen Mitte der Neunziger verlor die ökologische Rechte ihr parteipolitisches Werkzeug und nur wenige jener ProponentInnen fanden den Weg zu den linksliberal orientierten Grünen.

4.3.3 Politische Grabenkämpfe: Die Affäre Soyka & der Ausschluss der VGÖ-Wien

Am 9. November 1985 beschloss der Bundesausschuss der Vereinten Grünen die Auflösung der Wiener Landesgruppe, sämtliche Wiener Delegierten, darunter die Landesvorsitzende Ina Wukovits642, wurden mit sofortiger Wirkung suspendiert. Offiziell begründet wurde dieser Schritt mit dem schwelenden „Streit in Wien aus ideologischen und persönlichen Gründen“ und aufgrund einer angeblichen „Missachtung wichtiger Bundesbeschlüsse“.643 Diese innerparteiliche Eskalation lag an zwei Entwicklungen. Einerseits war es zwei Tage zuvor zu einem Abkommen zwischen der VG-Wien und der stark linkszentrierten Wiener Alternativen Liste (ALW) gekommen, wonach beide Organisationen eine engere Zusammen- arbeit und eine gemeinsame Wahlplattform anstrebten, während Buchner eine Annäherung an die grüne Prominentengruppe Bürgerinitiative Parlament einleiten wollte. Zum anderen nah- men die Wiener Vereinten Grünen als einzige Landesgruppe eine klare Abwehrstellung ge-

640 Vgl. Schattauer (1993), 189. Siehe auch: Schandl (1996), 195f. 641 Vgl. Schattauer (1993), 178. 642 Obwohl sie in den Protokollen und Zeitungsartikeln fast ausschließlich als Ina Wukovits angeführt wird, lautet ihr vollständiger Name Ingrid Kumbaracibasi-Wukovits. Sie war Juristin, kandidierte 1983 für Toll- manns VGÖ und 1986 für die Grüne Alternative Meissner-Blaus. 643 Die Auflösung des Wiener Landesverbands dürfte hauptsächlich von Obmann Buchner und Generalsekretär Pelikan initiiert worden sein mit Rückendeckung des rechten Flügels in Gestalt von Hermann Soyka, Fritz Witzany und Adolf Ursprunger. - 138 -

genüber rechtsextremen, faschistischen oder rassistischen Tendenzen ein, was zu kontinuier- lichen Parteiausschlüssen führte.644 Diese Abschottungspolitik gegenüber ProtagonistInnen mit einschlägig-rechtem Hintergrund wertete die Bundes-VGÖ als autoritär und ideologisch motiviert. Führenden Wiener FunktionärInnen wurde gar vorgeworfen, Linkspolitik zu betreiben und „antifaschistisch zu agitieren“. Stein des Anstoßes bildete ein Vorkommnis im Oktober՚85, bei dem der Wiener VG-Funktionär Günter Marsoner den ehemaligen NDP-Angehörigen und Parteiobmann der neonazistischen Die Grünen Österreichs (DGÖ) Alfred Bayer zu einem Gesprächskreis kon- servativer Grüngruppierungen geladen hatte. Diese Runde diente dazu, eventuelle Koopera- tionsmöglichkeiten innerhalb der grünalternativen Szene und zwischen den verschiedenen Gruppierungen auszuloten. Das Auftauchen des in der Szene bekannten Neonazis und seiner Lebensgefährtin Ingrid Hügel beim sog. „Schottenkellertreffen“ am 8. Oktober 1985 führte zum Eklat.645 Die anwesenden TeilnehmerInnen protestierten und distanzierten sich von Bayer, ein Vertreter der Jungen Volkspartei (JVP) verließ sogar demonstrativ die Dis- kussionsrunde. Marsoner selbst ließ keinerlei Vorbehalte gegenüber Bayer oder seiner Gesinnung erkennen und sprach dagegen sogar von inhaltlichen Übereinstimmungen. Im Lan- desausschuss der VG-Wien wurde diese nicht abgesprochene Kontaktaufnahme mit dem „hin- länglich als rechtsextrem und faschistisch bekannt[en]“ Bayer als offener Affront betrachtet, auch deshalb, da zeitgleich Verhandlungen mit der ALW stattfanden. Marsoner wurde schließlich durch Mehrheitsbeschluss von seiner Funktion vorläufig suspendiert.646 Ein knappes Monat später erfolgte die Suspendierung „alle[r] Mitglieder des Landesaus- schusses der VGÖ-Wien“ durch den Bundesausschuss, wobei ein Schiedsgerichtsverfahren gegen jene Mitglieder eingeleitet wurde, die sich am schärfsten gegen Kooperationen mit Per- sonen rechtsextremen Hintergrunds gewehrt hatten.647 Die VG-Wien verabschiedete daraufhin eine Resolution, in der „jedes nationalsozialistische und faschistische Gedankengut als dem

644 Exemplarisch hierfür sind auch die Absetzungen der zwei rechtslastigen Landesvorsitzenden Gerhard Pretz- mann und Kurt Huber. Ersterer war v.a. für seine biologistische und rassistische Weltanschauung bekannt und war bereits im Jahr 1980 im Rahmen der rechtsextremen Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik (AFP) aufgetreten. Huber wiederum galt als „Zinskritiker“ und verhinderte eine kritische Stellungnahme seitens der VGÖ infolge der Reder-Frischenschlager Affäre im Frühjahr 1985. Vgl. DÖW (1981), 175. 645 Als Initiator galt Otto Raubal, der dem rechten Flügel der ALÖ angehörte. Später wurde dieser „Raubal- Kreis“ informell als „Schottenkellertreffen“ fortgeführt. Als Ansprechperson der Wiener-VGÖ fungierte Günter Marsoner, der Bayer auf eigene Faust zur Gesprächsrunde eingeladen hatte. 646 Günter Marsoner, Vertreter der Bezirke 4 und 5, rechtfertigte sich gegenüber dem Landesausschuss schrift- lich damit, dass die „Schottenkellerrunde […] eine für ‚jedermann‘ zugängliche politische Diskussionsrunde [ist], zu der man folglich auch jedermann einladen kann“. Siehe hierzu: Protokoll der 11. LA-Sitzung der VGÖ-Wien am 10. Oktober 1985, TOP 4 u. Beilagen 1-4. 647 Dies betraf die Wiener VGÖ-Vorsitzende Ina Wukovits, das Ehepaar Erika und Rudolf Simané, Leo Horky und Fritz Volk. Der Vorwurf lautete: Gefährdung des „inneren Zusammenhalt[s] der VGÖ durch persönliche Angriffe gegen VGÖ Aktivisten“. Siehe hierzu: Protokoll der BA-Sitzung der VGÖ am 9. November 1985 in Salzburg, TOP 1 „Probleme mit dem LV Wien“, 1f. - 139 -

Wesen der Demokratie feindlich und daher vehement abzulehnen“ erklärt wurde. Deshalb sei „eine Bewegung, welche auf dieser Basis steht, selbstverständlich als antifaschistisch anzu- sehen“.648 Im Frühjahr 1986 formierte sich ein Teil des ausgeschlossenen Wiener Landesverbands unter der Ägide von Ina Wukovits als Vereinte Österreichische Grün-Alternative (VÖGA) neu und trat danach medial hauptsächlich mit scharfer Kritik an den rechtsextremen Verstrickungen der Buchner-Partei in Erscheinung.649 Einer der Hauptangriffspunkte richtete sich gegen den niederösterreichischen Landesvorsitzenden Hermann Soyka, der dem Bund für Volksgesund- heit (BfV) vorstand und als Herausgeber des Organs Gesundes Leben fungierte, das seit 1983 mit der Zeitschrift Fanale der Zeit von Fritz Roschall verschmolzen war.650 Höhepunkt dieser Kontroverse bildete die Verteilung des Flugblatts „Wie ‚braun‘ sind die Vereinten Grünen Österreichs“ beim VGÖ-Bundeskongress Ende Februar՚86, wo die extremsten Textpassagen der Zeitschrift als Faksimile abgebildet waren. Der ehemalige stv. Vorsitzende der VG-Wien, Franz Franke, galt für die Erstellung und den Inhalt des Flugblatts verantwortlich, was ihm eine Klage von Soyka wegen „Übler Nachrede“ einbringen sollte.651 Der Prozess fand schließlich Ende August 1986 statt, zu einem Zeitpunkt, an dem Soyka bereits parteiintern kalt gestellt war. Exemplarisch für die Ausrichtung des inkriminierten Blattes, dem es um „Information über körperliche, geistige und seelische Volksgesundheit“ ging, steht eine Passage des Autors Wil- helm Dessovic, der in einer Ausgabe des Jahres 1982 die Förderung der „Fortpflanzung Erb- gesunder“ forderte und in Diktion der „Rassenhygiene“ ausführte: „Ein mit einem Erbleiden Behafteter, der seine diesbezüglichen Anlagen um einer zu schließenden Ehe willen ver- schweigt, handelt unsittlich gegenüber dem so Betrogenen, gegenüber seiner Familie, seinem Volk, letztlich auch gegenüber der Menschheit. […] Wird der Mensch dank ärztlicher Kunst weitgehend der natürlichen Auslese entzogen, muss sie die Allgemeinheit auf anderem Wege in sanfter und dennoch wirksamer Weise ersetzen. Andernfalls wird auch ohne Atom- und

648 Siehe hierzu: Protokoll der Ao. LV der VGÖ-Wien am 4. Dezember 1985; vgl. Resolution der VGÖ-LV Wien, eingebracht von Niklas von Beringe. 649 Siehe hierzu: Geht die VGÖ jetzt auf grün-braunen Kurs?, in: Neue Arbeiter-Zeitung vom 27. Februar 1986. Nach Ansicht des Rechtsextremismusexperten Heribert Schiedel hätte es sich „ab 1987 nur mehr [um eine] unbedeutende ‚Familienzeitschrift‘ der Großsippen Soyka, Micko und Dessovic“ gehandelt. Vgl. Schiedel (1994), 137. 651 Die von Franke formulierte Passage: „Hermann S. pflegt mit diesem Blatt die Traditionen von anno nazimal und tritt für Rassenreinheit, Erbgesundheitspflege und gegen die Integration von Ausländern ein“ betrachtete Soyka als ehrenrührig und reichte Klage ein, der gerichtlich stattgegeben wurde. Alexander Pollak und Ruth Wodak veröffentlichten zu der ihrer Meinung nach äußerst fragwürdigen richterlichen Urteilsbegründung eine im Jahr 2001 erschienene diskurshistorische Untersuchung. Siehe hierzu: Pollak u. Wodak, Der ausge- bliebene Skandal. Diskurshistorische Untersuchung eines Wiener Gerichtsurteils, Wien 2001. Vgl. Pollak (2001), 9. Siehe auch: https://www.univie.ac.at/linguistics/forschung/wittgenstein/publications/Vortrag- jaeger.pdf (20.08.2013). - 140 -

sonstiger Verseuchung der Gesamtgesundheitszustand im Staate absinken und schließlich zum Untergang des Volkes führen.“652 Dass es sich dabei um keine Minderheitenposition han- delte zeigt allein der Umstand, dass Dessovic gemeinsam mit Stefan Micko und Hermann Soyka die Blattlinie von Gesundes Leben bestimmte. Anhand der Person Wilhelm Dessovic, der schon 1932 der NSDAP beigetreten war, zeigen sich auch die Verstrickungen der rechts- ökologischen Szene mit dem bürgerlich-konservativen Grünspektrum. Gemeinsam mit Pretz- mann saß er in der Redaktion des AGEMUS-Periodikums Mensch und Umwelt, agierte im Umfeld der revanchistischen Österreichischen Landsmannschaft (ÖLM), für deren Organ Eckartbote er einschlägige Beiträge verfasste. Gleichzeitig avancierte er im November՚87 zum VGÖ-Kandidaten bei den Wiener GR-Wahlen im Bezirk Hietzing. Ökologie stand für Dessovic in Verbindung mit der „Bewahrung unserer überlieferten ethnischen und ethischen Grundlagen“, wäre doch die „Moral […] Voraussetzung für das Gelingen des Umwelt- schutzes“. Darüber hinaus lehnte er in Diktion der Neuen Rechten das weltfremde „One- World“-Denken ab und betonte nach Art des neu-rechten „Ethnopluralismus“ die „Vielfalt nationaler Kulturen und Eigenarten“.653 Schon im Herbst 1984 war Hermann Soyka aufgrund seiner einschlägigen Verbindungen und der Herausgeberschaft von Gesundes Leben in innerparteiliche Erklärungsnot geraten. Im April des nächsten Jahres debattierte der Wiener Landesausschuss abermals über Soykas Gesundes Leben, da ein Exemplar mit Beiblättern aufgetaucht war, die eindeutig rechtsextre- men Charakter aufgewiesen hätten. Dem LA-Protokoll zufolge wurden daraufhin zwei Beleg- exemplare Bundesvorsitzenden Josef Buchner übergeben.654 Sonderlich beeindruckt schien dies den Parteichef jedoch nicht zu haben, denn in einem Rundschreiben vom 21. Oktober 1985 rief er die Parteimitglieder zum Abonnement des rechtsökologischen Blattes auf und be- schrieb es als „wahrscheinlich älteste, in lückenloser Folge erscheinende Zeitschrift Öster- reichs, die sich mit Fragen der Volksgesundheit, des Umwelt- und Lebensschutzes befasst“. Die Zeitschrift kennzeichne laut Buchner „eine betont konservative Werthaltung“, der es „um ein vorwärtsschauendes, aufbauendes Erhalten von sinnvollen überlieferten Werten“ ginge. Auch vergaß er dabei nicht die personellen Querverbindungen zu den Vereinten Grünen zu betonen, die aus dem „Hauptgestalter der Zeitschrift […] Hermann Soyka, Landesvorsitzen- der der VGÖ-Niederösterreich, Stefan Micko, seinerzeit Bundesfinanzreferent der VGÖ und

652 Siehe hierzu: Gesundes Leben (1982), Nr. 12, 17, zit. n.: Gerhard Jordan (1988), Die „Grüne Alternative“ und die Wahlen, in: Grüne Bildungswerkstatt, Hg., Die Republik im Fieber, Graz 1988, 355. 653 Vgl. Schiedel (1994), 135-137. 654 Siehe hierzu: Protokoll der 4. LA-Sitzung der VGÖ-Wien am 10. Juni 1985, TOP 1, 1. - 141 -

Wilhelm Dessovic“ bestünden.655 Nach dem Einzug ins Parlament auf der Liste der Grünen Alternative distanzierte sich Buchner von diesem Rundbrief, bezeichnete ihn gar als „schwere[n] politische[n] Fehler“ und rechtfertigte sich damit, dass er „in Unkenntnis der ‚Qualität‘ des Soyka-Blättchens ‚Gesundes Leben‘“ gewesen sei und lediglich „ein durch Soyka verfasstes Werbeschreiben unterschrieben [habe]“. Gerade mit Blick auf die inner- parteiliche Kontroverse, die sich zum Zeitpunkt des Rundbriefs schon ein Jahr lang hinzog, hatte Buchner über den Charakter des Blattes Bescheid wissen müssen.656 Hermann Soyka selbst war schon im Zuge der Flugblattaktion beim VGÖ-Bundeskongress zur politischen Hypothek für die Vereinten Grünen geworden. Ausgeweitet hatte sich die zu- erst innerparteiliche Affäre schließlich durch einen „Offenen Brief“ der AL-Niederösterreich, der von der Parteirechten als antifaschistische Einmischung zurückgewiesen wurde.657 Der nun auch medial zunehmend unter Druck kommende niederösterreichischen Landesvor- sitzende Soyka gelobte daraufhin die Herausgeberschaft von Gesundes Leben zurückzulegen, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass er ein „Opfer beschämender Intrigen von außen“ sei. Aber auch dieser Schritt kam zu spät. Im Frühsommer musste Soyka als Landesvorsitzender schließlich zurücktreten, als Nachfolger beerbte ihn Leopold Makovsky. Im Juni՚86 erfolgte dann seine endgültige Demontage, indem sich der VG-Bundesausschuss gegen eine Kandi- datur Soykas auf der Liste der grünalternativen Sammelpartei aussprach, was einem Partei- ausschluss gleichkommen musste.658 Im Rückblick erscheint Hermann Soyka als politisches Bauernopfer, das von Buchner er- bracht wurde, um die Beteiligung der VGÖ an der grünalternativen Kandidatur nicht zu gefährden. Umgekehrt genügte dieser symbolhafte Schritt den linksliberalen Einigungs- kräften, um von einer Beschäftigung mit den tiefergehenden Verknüpfungen zwischen VGÖ und rechtsextremer Szene absehen zu können.

4.3.4 Die VGÖ als rechter Gegenpart zur Grünen Alternative

Nachdem es im Laufe des Jahres 1987 zur zunehmenden Entfremdung zwischen den Vereinten Grünen, die nur noch als kleine Personengruppe von Buchner-Getreuen existierten, und der linksliberal-zentrierten Grünen Alternative gekommen war, sodass in diesem Verhält- nis eine klare Machtasymmetrie vorherrschte, versuchten erstere durch eine Schärfung ihres vorgeblich bürgerlichen Profils aus dem Schatten der Parlamentspartei zu treten.

655 Siehe hierzu: Brief von Josef Buchner, Liebes Mitglied der Vereinten Grünen, lieber Grün-Freund, Linz am 21. Oktober 1985. 656 Siehe hierzu: Buchner, Leserbrief, 6. 657 Siehe hierzu: Brief von Makovsky vom 4. März 1986. 658 Vgl. Schattauer (1993), 178 und Gugenberger (1987), 113f. - 142 -

Die VGÖ rückten nach der liberaleren Phase im Vorfeld der NR-Wahlen՚86 wieder deutlich nach rechts, lehnten etwa die betont slowenen- und minderheitenfreundliche Haltung der Grünen Alternative ab, verurteilten die Opernball-Demonstrationen und forderten eine Ablö- sung von Burgtheaterdirektor Peymann aufgrund der Entscheidung, Thomas Bernhards „rüde Österreichbeschimpfung“ aufzuführen.659 Eine Darbietung der Salzburger Festspiele wurde wiederum als Versuch bezeichnet, „Perversitäten und Abstrusitäten jeder Art auf die Bühne zu bringen“, Alfred Hrdlickas „Antifaschismusdenkmal“ wurde grundsätzlich abgelehnt und man ließ eine insgesamt deutlich positive Einstellung gegenüber Kurt Waldheim erkennen. Besonders die Kärntner Landesgruppe trat gegenüber den Parlamentsgrünen als rechter Stoßtrupp in Erscheinung, bezeichnete sie als „Partei mit grüner Deckfarbe“ und als „links- linke Partei zwischen Kommunismus und dem linken Rand der SPÖ“, diffamierte deren Ab- geordnete als „getarnte Kommunisten und sonstige Nivellierer, Eigentums- und Leistungs- feinde“. In Niederösterreich kokettierte der VG-Landesverband wiederum mit den Freiheit- lichen, unterstützte etwa ein FP-Volksbegehren, das sich „gegen die Parteibuchwirtschaft und Privilegien“ richtete.660 Es bestand zwar weiterhin ein gewisser Dualismus zwischen einem moderaten konservativen Flügel und einer Parteirechten mit offenen Anschlussflächen zum Rechtsextremismus, doch liberalere Kräfte fanden sich nach 1987 kaum noch innerhalb der Vereinten Grünen. Dem ehemaligen Bundesfinanzreferenten, Soyka-Vertrauten und sich als VGÖ-Vordenker gerie- renden Stefan Micko erschien Anfang der Neunziger selbst Parteichef Buchner als zu moderat, den er am liebsten gegen den Biologen Bernd Lötsch, die Kärntner Frontfrau des Deutschnationalismus Monika Jesse, den WSL-Präsidenten Fritz Witzany oder Bischof Krenn-Berater Friedrich Romig ausgetauscht hätte. Auch thematisch schlossen die Vereinten Grünen zur Haider-FPÖ auf, indem z.B. „Übersozialisierung“, „Überfremdung“ und „Überbe- völkerung“ als negative gesellschaftliche Erscheinungen diagnostiziert wurden, die sich u.a. schädlich auf die Umwelt auswirkten. In klassisch völkischer Manier beklagte man außerdem die rückläufige Kinderzahl „österreichischer“ Familien und dämonisierte die Zuwanderung, womit man einem nationalistischen Kampf der Wiegen und einer restriktiven Migrations- politik das Wort redete.661 Damit waren die im Jahr 1993 geführten Geheimverhandlungen über eine mögliche Kooperation zwischen Vereinten Grünen und FPÖ nicht ausschließlich

659 Vgl. Hanisch, 477f. 660 Der Politikwissenschaftler Anton Pelinka leitete daraus Ende der 1980er Jahre ab, dass zwischen den zwei Grünparteien ein klassischer Links-Rechts-Gegensatz bestehe, verweisend auf die thematisch eingenomme- nen Positionen zu Waldheim und Peymann, zur Frage antifaschistischer Gedenkkultur und der Frage einer slowenischen Identität in Österreich. Vgl. Pelinka (1989), 383f. 661 Vgl. Schiedel (1994), 131-134. - 143 -

pragmatischer Natur, denn erst nach ihrem Scheitern suchten die VGÖ auch das Gespräch mit der grünen Parlamentspartei.662

662 Vgl. Strelow (2006), 102f. - 144 -

4.4 Die rechtsökologische Lebensschutz-Szene in Österreich

Der Weltbund zum Schutze des Lebens (WSL) und der Bund für Volksgesundheit (BfV) waren die zwei prominentesten Organisationen der ökologischen Rechten in Österreich.663 Beide spielten zu Beginn der Antiatomkraft-Bewegung in den 1960er Jahren eine zentrale Rolle und beteiligten sich später an der Konstituierung der Vereinten Grünen (VGÖ). Besonders der bundesweit agierende WSL-Österreich wies eine enge Verzahnung mit Tollmanns Grünpartei auf, dem Parteibiographen Markus Huber zufolge hätten gar „[m]ehr als die Hälfte der Vor- standsmitglieder des WSL-Ö (von 1981) […] VGÖ Funktionen übernommen“, darunter Alfred Tisserand, Friedrich Witzany und Fritz Roschall in Oberösterreich, Manfred Rünzler, Geschäftsführer des WSL, und Karl Liepert, damaliger Präsident des WSL-Ö, in Vorarlberg, sowie Annemarie Lorbeer in Kärnten, die 1983 auch auf der Nationalratsliste der Vereinten Grünen aufschien.664 Dieses Milieu stand mit der Idee einer „natürlichen Lebensordnung“ in Tradition der älteren Lebensreformbewegung mit deutlichen völkischen, biologistischen und sozialdarwinistischen Akzenten und bildete bis Ende der 1980er Jahre das Bindeglied zwischen Ökologiebewegung und rechtsextremer Szene.665 Gerade der WSL wird hier im „Fließbereich zwischen Rechts- extremismus und (reaktionärem) Rechtskonservatismus“ (Schattauer) verortet und fungierte als Schnittpunkt von kulturpessimistischem Konservatismus und biologistischer Rechten, die sich im Protest gegen die Atomtechnologie einig waren. In Oberösterreich und Vorarlberg zählte die Organisation zu den wichtigsten Trägergruppen des Antiatom-Protests, lange bevor sich daraus eine Massenbewegung entwickeln konnte.666 Als wichtiger Bezugspunkt dieses rechtsökologischen Engagements fungierte die literarische Publikation „Der Tanz mit dem Teufel“ (1958) des Schriftstellers Günther Schwab, wo eine diagnostizierte Bedrohung des Lebens durch moderne Technologien als Teil eines teuflischen Plans dargestellt wurde. Schwab wurde damit nicht nur Stichwortgeber der ökologischen Rechten, sondern legte mit der Gründung seines Weltbundes zum Schutze des Lebens gleich- zeitig auch den Grundstein für dessen Institutionalisierung. Auf Schwab berief sich in der Folgezeit auch der Bund für Volksgesundheit, der Anfang der sechziger Jahre mit Aktivitäten gegen die Atomkraft auf sich aufmerksam machte und dadurch aus dem eigenen Nischen-

663 Das Lebensschutzkonzept der ökologischen Rechten traf sich dabei mit den Zielen christlicher Initiativen, die den Schwangerschaftsabbruch als Tötung ungeborenen Lebens ansahen. Während es dem christlich moti- vierten „Lebensschutz“ jedoch um die Bewahrung des Lebens schlechthin ging, bestand die Motivation des völkisch-rechtsökologischen Spektrums in der Erhaltung der Erbgesundheit, d.h. das Kranke und Schwache sollte nicht geschützt, sondern ausgemerzt werden. 664 Vgl. Huber (1991), 136. 665 Vgl. Geden, 28 und Rösch-Wehinger, 80. 666 Vgl. Schattauer (1988), 8. Siehe auch: Vanek, 21. - 145 -

dasein ausbrechen konnte. Noch bevor sich ein breiter Widerstand gegen das AKW- Zwentendorf formierte, setzten sich bereits Schwabs WSL und der BfV Mitte der 1970er gegen geplante Vorhaben in St. Pantaleon und Bogenhofen zur Wehr, womit sie den Charak- ter der frühen Anti-AKW-Bewegung prägten.667 Erst mit der Verbreiterung des Protests, die mit Beteiligung der Neuen Linken und der K-Gruppenszene einsetzte, verlor das Lebens- schutz-Spektrum an Dominanz und damit auch die Deutungshoheit. Das rechtsökologische Spektrum erscheint im Rückblick als historischer Übergang einer Grünen Bewegung, die noch in der Tradition des völkisch orientierten Teils der Lebensre- formbewegung verhaftet war, sichtbar in einem biologistischen Menschenbild und einer anti- modernistischen Weltanschauung, die sich im Laufe der 1970er Jahre aber zur global ausge- richteten Ökologiebewegung weiterentwickeln konnte. Das Wiederaufleben der lebensrefor- merischen Tradition ab 1960 stand wiederum in Zusammenhang mit der zunehmenden Skep- sis gegenüber den Leitmotiven der fünfziger Jahre, meist identifiziert mit blindem Technik- vertrauen, ökonomischem Wachstumswahn und vorherrschender Fortschrittsgläubigkeit. Damit stellte sich eine Kontinuität zur kulturellen Gegenbewegung des Fin de Siècle ein, deren Industriefeindlichkeit und romantische Naturspiritualität in der späteren Grünen Bewe- gung fortlebte, wenn auch mit divergierender politischer Kontextualisierung.

4.4.1 Der Bund für Volksgesundheit (BfV)

Anhand des BfV lässt sich zeigen, dass zwischen der Lebensreformbewegung und der späteren Ökologiebewegung nicht nur inhaltliche, sondern auch personelle Kontinuitäten be- standen. Gegründet wurde der Bund für Volksgesundheit im Jahr 1926 von Richard Soyka, der sich in den zwanziger und dreißiger Jahren beeinflusst von „Turnvater Jahn“ als Lebens- reformer im Sinne der „Volksgesundheitsbewegung“ engagierte, wobei er sich vor allem dem Kampf gegen den Alkoholismus verschrieb.668 Ab den frühen sechziger Jahren gehörte er ge- meinsam mit seinem Sohn Walther Soyka zu den Pionieren der österreichischen Antiatom- Bewegung, wobei sich letzterer als prominenter AKW-Gegner besonders in der BRD profi- lieren konnte. Der jüngere Hermann Soyka übernahm nach dem Tod des Vaters (1975) die Leitung des BfV und des Vereinsorgans Gesundes Leben, partizipierte im Februar՚83 schließ- lich bei den Vereinten Grünen Alexander Tollmanns, wo er den Aufbau des niederösterreichi-

667 Vgl. Huber (1991), 6-8. Siehe auch: Puntscher-Riekmann, 415. 668 Richard Soyka (1895-1975), unter anderem Vater von Walther und Hermann Soyka, setzte sich auch für eine Ernährungsreform, Kleiderreform und Lebensreform im Allgemeinen ein. Publizistisch betätigte er sich in diesen Jahren in der Deutschen Arbeiterpresse, der Deutsch-Österreichische Tageszeitung, der Bundesturn- zeitung und bei der Zeitschrift Jugendlicher Nationalsozialist, sowie bei diversen Reformzeitschriften. Um 1930/31 stellte er sich in Opposition zum „politischen Katholizismus“, trat aus der Katholischen Kirche aus und in die völkisch-religiöse Deutsche Gotterkenntnis von Erich und Mathilde Ludendorff ein. - 146 -

schen Landesverbands organisierte.669 Noch heute ist er als Obmannstellvertreter des BfV im Vereinsregister eingetragen. Obmann ist ein gewisser Gerwald Soyka, der wiederum im Kon- text der völkischen und antisemitischen Ludendorff-Bewegung auftaucht.670 Dieses Naheverhältnis des Soyka-Familienclans zur völkischen Sekte Bund für (Deutsche) Gotterkenntnis (Ludendorff) zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte des Bundes für Volksgesundheit. Die semantische Ähnlichkeit der Organisationsbezeichnungen dürfte so- mit kein Zufall sein. Vereinsgründer Richard Soyka bekannte sich um 1930 zu den Luden- dorffern und auch sein älterer Sohn Walther galt Zeit seines Lebens als Anhänger der völki- schen Sekte.671 Dasselbe ist auch für Hermann Soyka anzunehmen, dafür sprechen einerseits überlieferte Aussagen, die der Weltanschauung der Ludendorffer entsprechen, andererseits stand er zumindest bis September 2011 an der Spitze des Alpenländischen Heimat- und Kulturvereins, der das Konrad-Deubler-Heim im Salzburger Werfenweng betreibt.672 Das Heim wird seit 1964 von den Ludendorffern genutzt und fungiert als regelmäßiger Veranstal- tungsort für den Arbeitskreis für Lebenskunde (AfL), der die Jugend im Sinne der Religions- stifterin Mathilde Ludendorff erziehen möchte.673 Aufschluss über Hermann Soykas Weltbild geben zwei Stellungnahmen, die er anlässlich seines Engagements bei den Vereinten Grünen verfasste. Darin drückten sich Ressentiments gegen die Parteiendemokratie aus, die er im Sinne eines völkischen Gesellschaftsverständ- nisses ablehne, da Parteien nur einen Teil der Gesellschaft repräsentierten und nicht die ge- sellschaftliche Ganzheit als solche. Seinen Schritt zur parteipolitischen Beteiligung erklärte er Ende Februar՚83 damit, dass es ihm um das kurzfristige Ziel der Verhinderung des AKW- Zwentendorf ging, langfristig jedoch um das „Erreichen neuer Lebensformen, eines neuen […] gesellschaftlichen Systems, in dem die Menschen mit den Gesetzen der Natur in Ein- klang leben“. Nach innerparteilichen Angriffen auf ihn wurde Soyka im November՚84 in

669 Vgl. Haiden, 21 und Schattauer (1988), 33. 670 Siehe hierzu: Vereinsregisterauszug vom 20.07.2014. Artikel die ein Naheverhältnis zu den Ludendorffern suggerieren: Gideon Thalmann, Holocaust-Relativierung und Kindererziehung. 6.12.2011. Gesehen am 21. Juni 2014. http://www.publikative.org/2011/12/06/holocaust-relativierung-und-kindererziehung/; Gideon Thalmann, Völkische Ideologie im Ferienlager. 28.11.2011 Gesehen am 21. Juni 2014. http://www.bnr.de/- artikel/hintergrund/voelkische-ideologie-im-ferienlager. 671 Vgl. Mückstein, Zwentendorf. Gesehen am 23.06.2013. http://derbagger.org/artikel/auf_die_stra_en. 672 Konrad Deubler, nach dem das Domizil benannt wurde, gilt als Bauernphilosoph, der sich weltanschaulich stark an Ernst Haeckel orientierte. Gideon Thalmann zufolge steht der Trägerverein des Hauses, das auch regelmäßig von anderen völkischen Gruppierungen frequentiert wird, unter Beobachtung des Verfassungs- schutzes. Als Obmann dieses Alpenländischen Heimat- und Kulturvereins – Ferienheim Konrad-Deubler- Heim Werfenweng fungiert laut Verzeichnis der österreichischen Wirtschaftskammer Hermann Soyka. Siehe hierzu: http://firmen.wko.at/Web/SearchSimple.aspx (21 Juni 2014). Vgl. Thalmann, Gemeinnützige Völkische. Gesehen am 15.06.2014. http://www.bnr.de/artikel/aktuelle-meldungen/gemeinnuetzige-voel- kische (24.08.2011). 673 Vgl. Reiter (2012), 174f und Gugenberger (2002), 206. Siehe auch: Thalmann, Gemeinnützige. Die Selbstbeschreibung des AfL findet sich auf: http://arbeitskreislebenskunde.de/grundlageunsererarbeit.htm (14.06.2014). - 147 -

seiner Aussendung an VG-FunktionärInnen schließlich konkreter, wo er in Diktion der Neuen Rechten vor einem „weltumspannende[n] Netz der politischen Einflussnahme“ mit dem Ziel einer „einheitliche[n] Weltordnung“ warnte, der nur noch „die verschiedenen Völker und Volksstämme der Erde, also die ‚biologische Artenvielfalt‘ der menschlichen Erscheinungs- formen“ als „Haupthindernis“ entgegenstünden. Als dafür verantwortlich zeichnete er ge- heime Mächte, die hinter „den formalen politischen Machtstrukturen der Staaten und Re- gierungen“ stünden und die Strategie verfolgten, „Begriffe und Werte wie Volkstum, Überlie- ferung, Volkserhaltung, Nation, Brauchtum, Heimat, Verwurzelung“ auszuschalten. Ihr Ziel sei die „Eine-Welt-Ordnung“ und der dazugehörige „neue Mensch“, was sich ideologisch schon in den universellen Forderungen der Französischen Revolution ausdrückte. Obwohl es Soyka unterließ, den Vorwurf der jüdischen Weltverschwörung direkt zu erheben, deuten seine Verweise auf das verdeckte Treiben der „Bilderberger“ und „Freimaurerlogen“ darauf hin. In der Aussendung empfahl er zu guter Letzt die Lektüre diverser verschwörungstheore- tischer Machwerke, als auch die Zeitschrift Mensch und Maß, das Hausblatt des Bundes für Gotterkenntnis (Ludendorff). Zugleich distanzierte er sich jedoch vom Nationalsozialismus als „einem diktatorischen Regime“, womit er den Vorwurf des Neonazismus zu entkräften hoffte.674

4.4.1.1 In der Tradition der Lebensreformbewegung

Die Sorge um die „Volksgesundheit“ stand von Beginn an im Mittelpunkt der Vereinstätig- keiten mit dem Ziel, „alles zu fördern, was der Volksgesundheit nützt und alles zu bekämpfen, was ihr schadet“. Gesundheit wurde hierbei jedoch weiter gefasst als im „Fehlen von Krank- heit oder Gebrechen“ und sollte in einem umfassenderen Sinn verwirklicht werden. Als krankmachend erschienen die Lebensbedingungen der modernen Zivilisation, die eine unge- sunde Lebensführung zur Folge hätten. Mittels naturgemäßer Lebens- und Heilweise, gesun- der Volksernährung und Kleidung, gesunder Wohnformen und Erziehungsmethoden sollten

674 Für Markus Huber, der sich mit der Frühgeschichte der Vereinten Grünen auseinandersetzte, bildet Hermann Soyka das „herausragende Beispiel eines rechtsextremen Lebensschützers aus den Reihen der VGÖ“. Bei ihm verbänden sich Elemente eines konservativen Antimodernismus, wenn er etwa althergebrachte Werte „durch die technokratische, seelenlose, naturfeindliche und individualistische, nach dem Einzelinteresse (Egoismus) ausgerichtete Entwicklung“ bedroht sehe, mit dem Stereotyp der Weltverschwörung. Einerseits macht er damit die als „jüdisch“ konnotierte Moderne für die Umweltzerstörung und das Verschwinden einer vorgeblich natürlichen Arten- und Völkervielfalt verantwortlich, andererseits entspricht das Motiv des Kampfes gegen die „überstaatlichen Mächte“ demjenigen der Ludendorff-Bewegung. Vgl. Huber (1991), 100f. - 148 -

sowohl Individuen wie Völker in den Zustand „seelische[r] und geistige[r] Gesundheit“ gebracht werden.675 Als Leitmotiv fungierte die Idee eines „gesunde[n] Leben[s] im Einklang mit der Natur“, das im Verzicht auf Alkohol, Nikotin, übermäßigen Fleischkonsum und in der Anwendung von Naturheilverfahren bestehe. Dabei kooperierte man mit diversen Vereinen aus dem Bereich der Lebensreformbewegung, etwa mit der Waerland-Bewegung, dem österreichischen Kneipp-Bund oder dem Naturheilverein.676 Ganz im Sinne lebensreformerischer Tradition sympathisierte der BfV auch mit vegetarischer Ernährung etwa in Form der Rohkost, die einer natürlichen und gesunden Lebensführung entspräche und beschäftigte sich mit den Themen Umwelt- und Lebensschutz.677 Hauptbetätigungsfeld der ersten Jahre bildete der Kampf gegen den Alkoholismus, der als ge- sellschaftliches Übel und gefährlichster Feind der Volksgesundheit betrachtet wurde. Im August 1927 rief der BfV zur Unterstützung eines „Volksbegehren[s] zur Einschränkung des Alkoholmissbrauches, zum Schutz der Volksgesundheit und des Familienglücks“ auf.678 Wie auch Hermann Soyka im Rückblick selbst betont, ging es dabei weniger um das persönliche Glück und „Wohlbefinden des Einzelmenschen“, als um die schädlichen Auswirkungen auf die Volksgesundheit, was auf Denkmuster und Konzepte aus dem Bereich der Sozialhygiene und Eugenik verweist.679 Diese Sorge um die „gesundheitliche Substanz des deutschen Volkes“ gehört nach Jutta Ditfurth zu den fixen Topoi völkischer Ideologie, geht es doch darum, Krankmachendes zu bekämpfen, sowie Krankhaftes und Anormales zu beseitigen, um Gefahren für die Volks- bzw. Erbgesundheit abzuwehren.680 Auch mit der nächsten Schwerpunktsetzung bewegte sich der BfV auf dem Boden rechter Ge- sellschaftskritik. Ab Oktober 1931 begann man mit antikapitalistischer Attitüde gegen die

675 Siehe hierzu: Soyka (2007), 11. Bei dieser textlichen Quelle handelt es sich um eine Proseminararbeit von Hermann Soyka, die er im Jahr 2007 beim Historiker und Universitätslehrer Reinhard Farkas verfasste. Soyka studierte von 2005-2013 Geschichtswissenschaften in Graz und befasste sich in seiner Diplomarbeit mit der Thematik Jugend- und Lebensreformbewegung. Reinhard Farkas wiederum, bei dem Soyka mehrere Lehrveranstaltungen besuchte, kann ebenfalls als Vertreter des rechtsökologischen Spektrums charakterisiert werden. Sein 1992 vorgelegtes Werk „Grüne Wurzeln“ wertet der DÖW-Mitarbeiter Heribert Schiedel als eine „Apologie des bündischen, völkisch-mystischen Denkens in der Zwischenkriegszeit“. Darüber hinaus werden Farkas zahlreiche Kontakte zur rechtsextremen Szene nachgesagt, etwa zum deutschtümelnden Kulturverband Südmark (AKVS), zur Österreichischen Landsmannschaft (ÖLM) oder zur AFP. Bis heute bewegt sich Farkas im Umfeld des rechtslastigen Leopold Stocker Verlags, wettert gegen „(sub-)prole- tarische Einwandererschichten“ und „kriminelle Asylwerber“, die er als Folge einer „Neuen Weltordnung“ identifiziert. Beispielgebend ist sein Artikel in der Tageszeitung Die Presse: Siehe hierzu: Reinhard Farkas, Nationale Integration statt Religionskampf?, 11.05.2009. http://diepresse.com/home/meinung/gastkommen- tar/477984/Nationale-Integration-statt-Religionskampf. Vgl. Schiedel (1994), 138-140. 676 Siehe hierzu: Soyka (2007), 12. 677 Vgl. Ebd., 15. 678 Vgl. Ebd., 6. 679 Vgl. Ebd., 3f. 680 Vgl. Ditfurth (1997), 373. - 149 -

Geld- und Zinswirtschaft zu agitieren, die als sog. Mammonismus verteufelt wurde. Mit der Parole „Los vom Geldgedanken“ propagierte der BfV eine sog. „Rechenwirtschaft“, die als bargeldloser Tauschhandel im Sinne eines Austausches von Leistung und Gegenleistung auf Verrechnungsbasis nach Punkten funktionieren sollte. Dazu mischten sich Aufrufe zum Kauf nationaler Waren und zur Rückkehr zu einer einfachen Lebensweise am Lande. Im Februar 1934 berichtet das Vereinsorgan Volkskraft etwa anerkennend über die Siedlungsgenossen- schaft Deutsche Scholle, wo eine solche Tauschwirtschaft gelebt würde.681 Auffällige Parallelen zeigen sich hier zu Ideen des Lebensreformers und Sozialdarwinisten Silvio Gesell, der um 1900 seine „Freiwirtschaftslehre“ entwickelte, deren Konzeptionen bis heute in der Alternativszene fortwirken. Mit seinem Plädoyer für eine „Natürliche Wirt- schaftsordnung“ wandte er sich gegen angeblich „leistungslose Einkünfte aus Geldzins und Bodenrente“, die eine unnatürliche Auslese bewirkten. Eine von Zinsen und Bodenrente „be- freite“ Wirtschaft würde dagegen als Hebel zur Überwindung des Kapitalismus fungieren, weil dadurch annähernd gleiche Marktverhältnisse bestünden, die eine „Hochzucht“ der Menschheit in Gang setzen würden. Die Zinswirtschaft, die Gesell mit dem Kapitalismus identifizierte, hätte dagegen Unzucht, Sodomie, Verbrechen und Krieg zu verantworten. Da- rüber hinaus prangerte Gesell Großstadtleben, Alkohol- und Nikotinsucht als „Entartungser- scheinungen“ an und lehnte den medizinischen Fortschritt ab, da dieser den Ausleseapparat der Natur unterlaufe, womit sich die Qualität der „Rasse“ verschlechtern müsse.682

4.4.1.2 Das Verhältnis zur NS-Herrschaft

Der Bund für Volksgesundheit stand von Beginn in enger Beziehung zur Großfamilie Soyka, vor allem Richard Soyka dominierte bis zu seinem Tod (1975) die Organisation und war un- umstrittene Führungsfigur.683 Sein Verhältnis zur völkischen Bewegung und später zum Nationalsozialismus steht damit in engem Zusammenhang mit den Aktivitäten und dem Selbstverständnis des BfV, der auch nach 1945 seinen ideologischen Grundsätzen treu blieb. Richard Soyka, der schon in der Jugend- und Lebensreformbewegung aktiv war, trat am 1. Oktober 1937 in die NSDAP ein, der er nach eigenen Angaben bereits zwischen 1922 und 1925 angehört hatte. Nach Markus Huber hätte es sich bei ihm um keinen Mitläufer des NS-

681 Vgl. Soyka (2007), 8f. 682 Vgl. Bierl (2012), 119-123. Siehe auch: Geden, 152, 156 und Ditfurth (2011), 76. 683 Nach Darstellung seines Sohnes und Nachfolgers Hermann Soyka wäre der BfV von „Anfang an stark auf die Person […] Richard Soyka ausgerichtet“ gewesen. H.S. im Wortlaut: „Es gibt keine interne Vereinstätigkeit, Mitgliederversammlungen finden nur im unbedingt nötigen Mindestmaß statt, und auch die Größe des Vereinsvorstandes […] [entspricht] nur dem erforderlichen Minimum.“ Auch in Bezug auf die Vereinszeitschrift entschied „letztlich […] der Obmann und Schriftleiter allein über die Gestaltung […]. Somit erscheint der Verein in der Außenwirkung fast ausschließlich auf den Obmann fokussiert und bildet dessen in eine juridische Form gefasstes Sprachrohr“. Siehe hierzu: Soyka (2007), 15. - 150 -

Systems gehandelt, sondern um einen Anhänger aus Überzeugung.684 Bereits in den späten 1920er Jahren setzte er sich in seiner Zeitschrift Werbedienst für Volksgesundheit685 laut Eigenbekunden mit „volksgesundheitliche[n], rassenhygienische[n], völkisch-soziale[n] und volkswirtschaftlich-nationale[n] Fragen“ auseinander, das suggeriert zumindest die 1986 er- schienene Dokumentation von Franz Franke. Sowohl der Werbedienst als auch die publizis- tische Weiterführung Volkskraft dienten demnach der Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts.686 In partielle Opposition zum NS-Regime brachte ihn schließlich nicht die Verfolgungs- oder Vernichtungspraxis, sondern deren Fokus auf den technologischen Fortschritt und die Moder- nisierung, was Soyka aus einer rückwärtsgewandt-konservativen Perspektive rigide ablehnte. Der Erlass Hitlers, die deutsche Frakturschrift durch die lateinische Schreibschrift abzulösen, veranlasste ihn schließlich zu offenem Protest gegenüber der NS-Führung, was ihm sogar eine Gestapo-Einvernahme einbrachte. Am 20. Juni 1940 erklärte Obmann Richard Soyka den Verein Bund für Volksgesundheit schließlich für aufgelöst, nachdem es bereits seit Mitte der 1930er Jahre „keine nennenswerte Vereinstätigkeit“ mehr gegeben habe.687 Nach dem Ende der NS-Herrschaft gründete Soyka die Zeitschrift Gesundes Leben (1948), deren Schriftleiter er bis zu seinem Tod bleiben sollte. Auch seinen Verein belebte er wieder, nach seinem Umzug von Wien nach Oberösterreich in den dreißiger Jahren allerdings als Bund für Volksgesundheit Oberösterreich mit Sitz in Linz. Seit den frühen sechziger Jahren widmete er sich gemeinsam mit seinem ältesten Sohn Walther dem Kampf gegen die Atom- kraft. Als Verbündeter agierte wiederum der Salzburger Günther Schwab und dessen Welt- bund zum Schutze des Lebens.688 Gesundes Leben avancierte in der Folgezeit zu einem prominenten Sprachrohr der rechts- ökologischen Szene Österreichs und stand für die Fortführung einer ariosophisch geprägten Lebensreformtradition. Neben ExponentInnen der rechten Lebensschutzszene wie Fritz Roschall oder Fritz Witzany publizierten auch ludendorffsche Kreise in der Zeitschrift, was

684 Vgl. Huber (1991), 7. 685 Die Zeitschrift Österreichischer Werbedienst für Volksgesundheit erschien von 1927-1932, zuvor hieß das BfV-Publikationsorgan Pressedienst für Volksgesundheit. Im Oktober 1932 umbenannt in Volkskraft, die schließlich im Frühjahr 1934 zum letzten Mal herausgegeben wurde. Ab 1948 galt die Zeitschrift Gesundes Leben – Monatsschrift für Volksgesundheit als Vereinsorgan und erschien seit 1983 gemeinsam mit der Publikation Fritz Roschalls und Hermann Molterers als Gesundes Leben – Fanale der Zeit, bis sie im Jahr 1990 eingestellt wurde. Siehe hierzu: Soyka (2007), 5 und 14. 686 Siehe hierzu: Franz Franke, Gesunde Leben/Fanale der Zeit, 2-5. 687 Dass der Grund der Auflösung im von der NS-Regierung eingeforderten „Führerprinzip“ liegen könnte, das seit 1939 in den Vereinsstatuten verankert werden musste, erscheint unplausibel. Richard Soyka hat den BfV von Beginn an autoritär geführt bei gleichzeitigem Fehlen eines demokratischen Korrektivs. Siehe hierzu: Soyka (2007), 10. 688 Vgl. Huber (1991), 6-8. - 151 -

sich auch nach der Vereinigung mit dem Linzer Blatt Fanale der Zeit Anfang der Achtziger nicht ändern sollte. Die Beiträge wiesen nun zwar durchaus eine größere Heterogenität auf, blieben laut Huber aber „im Rahmen weit rechten Denkens“.689 Nach Ansicht des ehemaligen VG-Wien Funktionärs Franz Franke hätten jene AutorInnen auch fast alle eine NS-Vergan- genheit aufgewiesen.690

4.4.1.3 Pioniere des Antiatom-Widerstands

Die große Stunde der rechtsökologischen Lebensschutz-Szene schlug schließlich im Wider- stand gegen den staatlich intendierten Bau von Atomkraftwerken. Abgesehen von der grund- sätzlich oppositionellen Haltung gegenüber jeglichem technischen Fortschritt galt insbeson- dere die Atomtechnologie aufgrund der latenten Gefahr radioaktiver Verstrahlung als lebens- bedrohend. Schon im April 1962 erschien in Gesundes Leben ein Artikel gegen die geplante Errichtung eines Forschungsreaktors im Wiener Prater. Ab Mitte der Sechziger avancierte der Wider- stand gegen die Atomkraft schlussendlich zum Kernanliegen der Vereinstätigkeit.691 Im Mai 1969 initiierten Richard Soyka und sein ältester Sohn Walther ein „Kernenergie-Volksbe- gehren gegen radioaktive Verseuchung durch Kernspaltungs-Kraftwerke“, dem jedoch wenig Verständnis entgegengebracht wurde, galt doch die Atomtechnologie in jener Zeit noch als zukunftsweisend. Unterstützt wurde das Volksbegehren unter anderem vom Weltbund zum Schutze des Lebens, von der Arbeitsgemeinschaft Verhütet den Krebs und dem Soyka-Blatt Gesundes Leben.692 Auch die ersten Aktionen gegen das AKW-Zwentendorf wurden von diesem Spektrum durch- geführt. Im Sommer 1970 fand, organisiert vom WSL-Funktionär Adolf Ursprunger, eine „Sternfahrt“ nach Tulln statt, an der auch NaturschützerInnen und WissenschaftlerInnen teil- nahmen.693 Aus dieser „Aktion für biologische Sicherheit“ sollte „unter der Beteiligung bedeutender Persönlichkeiten“ eine Gesellschaft für biologische Sicherheit hervorgehen, die ein „verfassungsmäßiges Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit“ erwirken

689 Vgl. Huber (1991), 97. 690 Vgl. Franz Franke, Gesundes Leben/Fanale der Zeit, Wien 1985, zit. n. Gratzer (1994), 254. 691 Vgl. Soyka (2007), 13f. 692 Als weitere Unterstützer fungierten das Aktionskomitee Gesunder Lebensraum Vorarlberg, Die Gemeinschaft – Bund für alkoholfreie Lebensgestaltung, der Erste österreichische Naturheilverein, die Gesellschaft für natürliche und praktische Lebensführung, die Österreichische Gesellschaft für Volksgesundheit, die Reform- jugend, die Gesellschaft für Volksgesundheit und die Waerlandbewegung. Insgesamt handelte es sich damit um einen Abriss des lebensreformerischen Spektrums in Österreich. Vgl. Huber (1991), 17f. Siehe auch: Schleich, 30. 693 Vgl. Pruckner, 14. - 152 -

sollte.694 Wenige Jahre später mobilisierte Richard Soykas Gesundes Leben gemeinsam mit dem oberösterreichischen Naturschutzbund, der von den WSL-Exponenten Tisserand, Roschall und Witzany geführt wurde, gegen das geplante AKW in St. Pantaleon. Am 30. Jänner 1974 ging daraus die Bürgerinitiative gegen Atomgefahren (BIAG) hervor, die nicht nur als erste Plattform des Anti-AKW-Protests gelten kann, sondern auch als Organisation der ökologischen Rechten.695 Als Richard Soyka ein Jahr später verstarb, wurde er posthum zu einem der Ahnherren des Zwentendorf-Protests erklärt, wie auch seine Frau Helma später von einschlägigen Kreisen als „Altmutter“ der österreichischen Anti-Atom-Bewegung bezeichnet werden sollte.696 Auch Walther Soyka, ältester Sohn der Soyka-Familie, konnte sich seit den frühen siebziger Jahren als AKW-Gegner profilieren und scheute dabei auch die Konfrontation mit der Staatsmacht nicht.697 Am 7. März 1972 tauchte er anlässlich der Bauverhandlungen in Zwentendorf auf und verlangte als Partei gehört zu werden, wobei er medienwirksam 902 Einspruchsvoll- machten von AnrainerInnen des geplanten AKWs präsentierte. Daraufhin wurde er durch die Staatspolizei aus dem Verhandlungssaal entfernt, denn nach dem drei Jahre zuvor verabschie- deten Strahlenschutzgesetz kam betroffenen BewohnerInnen keine Parteistellung zu.698 Noch im gleichen Jahr trat er eine Stelle als Lehrbeauftragter an der neu gegründeten Universität Bremen an und übersiedelte in die BRD, wo er mit dem bekannten Atomkraft-Gegner Hartmut Gründler zusammenarbeitete, der sich im November 1977 aus Empörung über die staatliche Atompolitik selbst in Brand steckte und dabei ums Leben kam.699 Sowohl in Österreich als auch in Deutschland erwarb sich Walther Soyka den Ruf eines ent- schiedenen Atomgegners und frühen Warners vor der Atomtechnologie, kooperierte in den frühen Siebzigern mit anerkannten Naturwissenschaftlern wie Peter Weish und soll 1972 gar den prominenten Zukunftsforscher Robert Jungk vom Unsinn der Atomkraft überzeugt haben.700 Der weltanschauliche Kontext von Soykas Antiatom-Engagements blieb jedoch suk- zessive ausgeblendet, der wie seine Familie Zeit seines Lebens der völkischen und antisemiti-

694 Siehe hierzu: Soyka (2007), 14. 695 Vgl. Haiden, 21f; vgl. Schattauer (1988), 6f; vgl. Brandstätter, 161. 696 Vgl. Huber (1991), 16. 697 Walther Soyka (1926-2006) zeichnete sich auch für die erste größere Anti-AKW-Protestveranstaltung verant- wortlich, die im Dezember 1967 unter Mitwirkung der Arbeitsgemeinschaft Verhütet den Krebs in der Wiener Stadthalle über die Bühne ging. Vgl. Schleich, 28. 698 Vgl. Brandstätter, Anti-AKW, 160. Zur Selbstdarstellung von Walther Soyka als „Anti-Atom-Pionier“ siehe: OTS-Meldung vom 13. August 2001, „Zwentendorf-Ausflug zum 75. Geburtstag des Anti-Atom Pioniers Walther Soyka“ oder „Vater der Volksabstimmung Zwentendorf feiert(e) 75. Geburtstag“. Gesehen am 19. Juni 2014. http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20010813_OTS0064/zwentendorf-ausflug-zum-75- geburtstag-des-anti-atom-pioniers-walther-soyka-oder-vater-der-volksabstimmung-zwentendorf-feierte-75- geburtstag. 699 Vgl. Oeser (1980), 453 und 477. 700 Vgl. Weish (2008), 28. - 153 -

schen Sekte der Ludendorffer anhing. Schon auf den Flugblättern der von Walther Soyka 1970 mitinitiierten „Sternfahrten“ nach Zwentendorf war diese Konnotation erkennbar. So fanden sich innerhalb der Atomsymbole eingezeichnete Davidsterne, in deren Mitte ein Totenkopf prangte, während dem Informationsmaterial wiederum Photographien israelischer Nuklear-Forschungseinrichtungen beigelegt waren.701 Selbst Soykas Hinweis vom März՚71, dass das AKW-Zwentendorf auf einer Erdbebenlinie liege, könnte im Kontext seiner Welt- anschauung stehen, wonach „überstaatliche Mächte“ beabsichtigten, den Weltuntergang her- beizuführen.702 Darüber hinaus bewegte sich Walther Soyka auch in der BRD im Spektrum der ökologischen Rechten, etwa im Umfeld des bundesdeutschen Weltbundes zum Schutze des Lebens, der schon Mitte der siebziger Jahre durch seine Verstrickungen mit dem rechtsextremen Lager auf sich aufmerksam machte.703 Gemeinsam mit dem Atomkraftgegner und Versandbuchhändler Roland Bohlinger betätigte sich Soyka Ende der 1970er Jahre am Institut für biologische Sicherheit, das den Ludendorffern nahestand. Diese Zusammenarbeit mit Bohlinger, der neo- nazistisches Schriftgut wie Thies Christophersens „Die Auschwitzlüge“ (1973) vertrieb, brachte Soyka schließlich den Vorwurf des Neonazismus ein. In einem Rechtfertigungs- schreiben im Juni 1977 bekannte sich Walther Soyka schließlich öffentlich zum Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff), dem auch Bohlinger angehörte, womit er den Faschismusvor- wurf zu entkräften hoffte. Aufgrund des zeitweisen Verbots der völkischen Sekte in der NS- Zeit verstanden sich nämlich auch die Ludendorffer als in Opposition zum Nationalsozialis- mus stehend, auch wenn zentrale ideologische Positionen geteilt wurden, unter anderem der Mythos von der jüdischen Weltverschwörung. Auch Schriften des NS-Rassentheoretikers Hans F. K. Günther wurden nach 1945 in Verlagen aus dem Umfeld der Ludendorffer wieder- aufgelegt.704 Darüber hinaus erhielten Soyka und Bohlinger demonstrative Rückendeckung durch führende Rechtsextremisten. Ein ihnen geltender Spendenaufruf wurde z.B. vom ehe- maligen bundesdeutschen WSL-Präsidenten und Eugeniker Max Otto Bruker und vom über- zeugten Nationalsozialisten Manfred Roeder705 unterzeichnet.706

701 Vgl. Ebd., 33 und 41. 702 Darauf verweist etwa der Autor Roland Mückstein in seinem Kommentar „Zwentendorf und der rechte Flügel der Grün-Bewegung“ vom 15. Jänner 2009. 703 Vgl. Feldmann, Haus; vgl. Thalmann, Heide. 704 Vgl. Huber (1991), 32-34. 705 Manfred Roeder (1929-2014) war in den siebziger Jahren einer der exponiertesten Vertreter der neonazisti- schen Szene Deutschlands. Im Mai՚78 ernannte er sich zum Nachfolger von Karl Dönitz, der 1945 von Hitler als „Reichspräsident“ eingesetzt worden war, und sprach der BRD als „Unrechtsstaat“ jegliche Legitimität ab. Mit dem Ziel der Wiederherstellung des Deutschen Reiches im Sinne Adolf Hitlers gelangte Roeder sogar auf die Liste der meistgesuchten TerroristInnen des deutschen Bundeskriminalamtes. Bereits Anfang der 1970er war er ein enger Mitarbeiter Thies Christophersen gewesen, verfasste etwa das Vorwort zu dessen Pamphlet „Die Auschwitzlüge“ und publizierte in Christophersens Zeitschrift Die Bauernschaft. Ende der - 154 -

4.4.1.4 Das Naheverhältnis zum Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff)

Verbindungen zwischen der völkischen Sekte der Ludendorffer und der Grünszene Öster- reichs bestanden organisatorisch und personell vor allem über die Großfamilie Soyka und ihren Bund für Volksgesundheit. Aus diesem Grund ist es nicht überraschend, dass ausge- rechnet im Umfeld der Vereinten Grünen (VGÖ) ludendorffsche Schriften auftauchten.707 Die völkischen Verwicklungen ziehen sich hier wie ein roter Faden durch die Familiengeschichte. Schon Richard Soyka gehörte dem im Jahr 1925 gegründeten völkischen Tannenbergbund an, der auf den Weltkriegsgeneral Erich Ludendorff eingeschworen war. Ziel des Bundes bildete die Herstellung eines großdeutschen, völkischen Staates, womit man programmatisch der nationalsozialistischen Sturmabteilung (SA) Ernst Röhms glich. Ab 1927 transformierte sich die Organisation aufgrund des Wirkens Mathilde Ludendorffs von einem paramilitärischen Wehrbund in eine sektenartige Weltanschauungsgemeinschaft, deren ideologischer Kern im paranoiden Glauben an „überstaatliche Mächte“ und in Mathildes „philosophischen Erkennt- nissen“ bestand.708 Mit diesen „überstaatlichen Mächten“, die als „Feinde der Völker“ be- trachtet wurden, identifizierte man insbesondere das Judentum, das sich des Kommunismus՚ und Sozialismus zur Ausweitung eigener Macht bediene. Ebenso galt der christliche Glaube als „Propagandalehre zur Herbeiführung der Juden- und Priesterherrschaft“.709 Dies muss als ideologischer Kontext der antiklerikalen Agitation Soykas berücksichtigt werden, der 1932 als Redner gegen die Gründung einer katholischen Universität in Salzburg auftrat.710 Bereits zwei Jahre zuvor führte das Verteilen von kirchenfeindlichen Texten des „völkischen Antikleri- kalen und Ludendorff-Anhängers Richard Soyka […] [zu] einem seitens der Staatsanwalt- schaft eingeleiteten Ehrenbeleidigungsverfahren“711 mit Verurteilung. Der Kreis schließt sich mit Gerwald Soyka, Jahrgang 1974 und aus Linz stammend, der zu- mindest bis 2011 dem ludendorffschen Arbeitskreis für Lebenskunde (AfL) angehörte, für den revisionistischen Kopp-Verlag als Produzent tätig ist und sich im März 2007 für die Auf-

Siebziger wandte sich Roeder dem Anti-AKW-Protest zu und rief 1977 zum „Sturm auf Brokdorf“ auf, wo er gemeinsam mit militanten Linken die Staatsmacht herausfordern wollte. Vgl. Peters (1980a), 3; vgl. Oeser (1978), 94. Siehe auch: Purtscheller (1993), 208; Oeser (1980), 435. 706 Vgl. Geden, 119 und Peters (1980a), 6. 707 Vgl. Gugenberger (2002), 203. 708 Vgl. Reiter (2012), 173. 709 Vgl. Ebd., 169. 710 Siehe hierzu: Studiengruppe Naturalismus, 1931. Ludendorffer wider die Gründung einer Katholischen Universität in Salzburg. 17. November 2012. Gesehen am 21.06.2014. http://studiengruppe.blogspot.co.at/- 2012/11/1931-ludendorffer-wider-die-grundung.html. 711 Farkas (1997), 266. - 155 -

zeichnung des Vortrags „Welche Rolle spielt die Freimaurerei?“ des ehemaligen FPÖ- Politikers Ewald Stadler verantwortlich zeichnete.712 Dass sich die Affinität der völkischen Sekte zum Thema Umwelt und Ökologie jedoch nicht auf einen skurrilen familiären Einzelfall reduzieren lässt, beweist der Umstand, dass Luden- dorffer auch in der BRD umweltpolitisch aktiv waren, sich auffällig oft in lebensrefor- merischen Kreisen tummelten und parteipolitisch u.a. bei der grünen Gründungspartei Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher (AUD) auftauchten. Bereits 1960 veröffent- lichte der Bund für Gotterkenntnis ein Buch mit dem programmatischen Titel „Atomtod droht uns allen! Gibt es einen Weg der Rettung?“.713 In der Folgezeit versuchte man in der Anti- AKW-Bewegung als treibende Kraft aufzutreten, wo man sich insbesondere gegen das Atom- mülllager in Gorleben (1977) engagierte. Eine zentrale Rolle kam hierfür dem ludendorff- schen Tarnverein Arbeitskreis für Lebenskunde zu, der im Jänner 1969 in Essen gegründet worden war und im Umfeld ökologischer Gruppierungen aktiv wurde, so soll er z.B. bei der Herausbildung betont „bürgerlicher“ Grün-Parteien in der BRD mitbeteiligt gewesen sein. Auch mit der rechtsökologischen Szene waren Ludendorffer gut vernetzt, besonders zum deutschen WSL und dem assoziierten Collegium Humanum (CH), zu dem man zahlreiche Kontakte pflegte. Bei Veranstaltungen zählte neben bekannten Altnazis und Rechtsextremen daher auch die langjährige WSL-Frontfrau und Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck- Wetzel zu den regelmäßigen Gästen.714 Bei bis heute stattfindenden ludendorffschen Tagungen steht neben der Brauchtumspflege, die meist im gemeinsamen Singen von Volksliedern und der Beschäftigung mit „Kultur aus deut- schen Landen“ besteht auch regelmäßig Gesellschaftspolitisches am Programm. Neben der Aufklärung über sog. „Geschichtslegenden“ finden etwa Vorträge zum Thema „Menschen- rassen“ oder zum Unsinn von „Gender Mainstreaming“ statt.715 Besonders die Auswahl und der Charakter der regelmäßig stattfindenden Zusammenkünfte stehen geradezu idealtypisch für ein völkisches Selbstverständnis mit Bezug auf ein als ewig gedachtes deutsches Volk und die heimatliche Natur. Bereits seit 1972 trifft man sich am Osterwochenende in der Lüneburger Heide, dem bekanntesten Naturschutzgebiet Deutsch- lands, hält darüber hinaus heidnische Weihnachts- und Sonnwendfeiern ab, kleidet sich bei

712 Vgl. Gideon Thalmann, Holocaust-Relativierung und Kindererziehung; vgl. Marian Schraube, Wahlkämpfer aus Österreich, Helfer aus Berlin. 7. Mai 2014. Gesehen am 19.06.2014. https://www.freitag.de/- autoren/marian-schraube/wahlkaempfer-aus-oesterreich-helfer-aus-berlin; vgl. Gideon Thalmann, Völkische Ideologie im Ferienlager. 28. November 2011. Gesehen am 19.06.2014. http://www.bnr.de/artikel/hinter- grund/voelkische-ideologie-im-ferienlager. 713 Vgl. Peters (1980a), 6; vgl. Thalmann, Heide. 714 Vgl. Feldmann, Haus. 715 Vgl. Feldmann, Ostern’14; vgl. Feldmann, Haus; vgl. Thalmann, Heide. - 156 -

solchen Anlässen trachtenähnlich und labt sich an urdeutschem Essen, womit man der genuin deutschen Tradition zu entsprechen versucht.716 Gleichzeitig finden solche Veranstaltungen unter größtmöglicher Geheimhaltung statt, was verbunden mit der Unbedingtheit der Lehre und dem Auserwähltheitsglauben der Religionsführerin Mathilde Ludendorff dem Bund für Gotterkenntnis zusehends Sektencharakter verlieh.717 Historisch entstammten die Ludendorffer der völkisch-okkulten Szene um 1900, deren be- kannteste Protagonisten der Rassenmystiker und Begründer der sog. Ariosophie Jörg Lanz von Liebenfels und der Esoteriker waren. Beeinflusst von Helena Petrovna Blavatsky, die im letzten Drittel des 19. Jh. ihre mystische Theosophie entwickelte und damit das geistige Fundament für Rudolf Steiners Anthroposophie schuf, kreierte Liebenfels mit dem Ordo Novi Templi eine arisch-christliche Rassenkultreligion, indem er christliche Ele- mente mit Axiomen der Rassenkunde und Eugenik verband.718 Die Ariosophie, die sich als neugermanisch-heidnische Religion verstand, die Überlegenheit der „arischen Rasse“ prokla- mierte und ihre Reinerhaltung forderte, bildete wiederum das Scharnier zwischen dem lebens- reformerischen Milieu und der völkischen Bewegung, was sich etwa in Siedlungsinitiativen wie der 1919 gegründeten „Freiland-Siedlung Donnershag“ ausdrückte.719 Der völkisch-spirituelle Bund für Deutsche Gotterkenntnis ging organisatorisch aus dem im Jahr 1930 gegründeten Deutschvolk hervor, einer Nebenorganisation des völkischen Front- kämpferverbands Tannenbergbund. Beitreten durften nur „Deutschblütige“, die sich nicht nur zu den Lehren der Ludendorffer bekennen mussten, sondern auch keiner anderen Glaubensge- meinschaft angehören durften. Leitfiguren waren Erich Ludendorff und seine zweite Ehefrau Mathilde von Kemnitz, die 1922 ihr Hauptwerk „Triumph des Unsterblichkeitswillens“ ver- öffentlichte. Sie zählte nach der Ludendorff-Studie von Gideon Thalmann und Felix Reiter neben dem NS-Ideologen Alfred Rosenberg und Stürmer-Herausgeber Julius Streicher zu den „aktivsten und wichtigsten antisemitischen Theoretikern“ der zwanziger und dreißiger Jahre.720 Ihr Mann, der berühmte und geachtete Weltkriegsgeneral Erich Ludendorff, hatte sich nach 1918 aus Erschütterung über die Novemberrevolution und die sozialistischen Auf- stände der völkischen Bewegung zugewandt und stand in den frühen zwanziger Jahre durch

716 Vgl. Reiter (2012), 171; vgl. Feldmann, Weihnachten; vgl. Feldmann, Haus. 717 Vgl. Amm, 128. 718 Vgl. Puschner (2013), 262; vgl. Bierl (2005), 184f. Siehe auch: Geden, 171f; Heller (2001), 71-74. 719 In dieser genossenschaftlichen Kommune sollte sich „ein geschlossenes deutschgläubiges Gemeindeleben auf der Grundlage der arischer Rasse“ entwickeln, praktiziert wurden sowohl Vegetarismus als auch ein „Mutter Erde“-Kult mit dem Zweck, „durch ein gesundes, vernünftiges Leben, durch bewusste Sippenpflege und rassische Auslese“ die „Wiedergeburt“ des deutschen Volkes einzuleiten. Vgl. Geden, 24f. 720 Vgl. Reiter (2012), 168. Als ideeller Ausgangspunkt der ludendorffschen Weltanschauung gilt die 1922 gegründete Edda-Gesellschaft um Rudolf John Gorsleben. Ihrem eigenen Auserwähltheitsanspruch folgend hätte sich Mathilde Ludendorff laut Darstellung Alfred Rosenbergs, auch den Nationalsozialisten als geistige Führerin angedient. Vgl. Gugenberger (1987), 112f. - 157 -

Vermittlung von Rudolf Heß in Kontakt mit Adolf Hitler. Nachdem ihr gemeinsamer Münchner Putschversuch gegen die Weimarer Republik im November 1923 kläglich ge- scheitert war, versuchte sich Erich Ludendorff, dem anders als Hitler aufgrund seines Feld- herrnnimbus eine Haftstrafe erspart geblieben war, zur neuen Leitfigur der völkischen Szene hochzuschwingen. Nachdem er sein politisches Unvermögen unter Beweis gestellt und sich in die politische Isolation katapultiert hatte, konnte Hitler nach seiner Haftentlassung im Mai 1924 die Führung übernehmen.721 Gerade aufgrund der ideologischen Nähe entwickelte sich in der Folgezeit ein Konkurrenzver- hältnis zwischen Ludendorffern und Nationalsozialisten, das nach der Machtergreifung Hitlers im Jahr 1933 in einem Organisationsverbot mündete, worauf nach 1945 der ludendorffsche Mythos von der Gegnerschaft zum NS-System gründete.722 In der politischen Agitation stand man den Nazis jedoch in nichts nach, vor allem in den Forderungen nach „Brechung der ‚jüdischen Zinsknechtschaft‘, Aufhebung des Staatsbürgerrechts für Juden, Verhinderung der ‚Rassenschande‘ und dem Kampf gegen Freimaurerei, Marxismus und Judentum“, wo man die NSDAP gar als zu zögerlich kritisierte. Auch wurde das Organisationsverbot nach der Aussöhnung Erich Ludendorffs mit Hitler am 30. März 1937 widerrufen, woraufhin der Bund für „Deutsche Gotterkenntnis (Ludendorff)“ gegründet und die Deutsche Gotterkenntnis als dritte Konfession im NS-Staat anerkannt wurde.723 Basisideologem dieser völkischen Religion ist die Vorstellung, dass der „artgerechte“ Gott- glaube auf der „Rasse“ basiert, also über das Blut vererbt und weitergegeben wird. Nur eine Rückkehr zum angestammten Glauben, so die ludendorffsche Grundüberzeugung, würde das Volk vor drohender „Entartung“ retten. Religion wird im ludendorffschen Sinn damit zum „Garant[en] für die sittliche, völkische und auch für die proklamierte rassische Erneuerung“. Durch eine Abkehr von den falschen und fremden Werten würde die völkische Eigenart wiederhergestellt werden, wäre doch die arteigene Religion angeboren und würde sich durch die „Reinheit der Rasse“ von selbst wieder einstellen.724 Als besonders schädlich für die

721 Vgl. Reiter (2012), 171f. 722 Die Gegnerschaft zum Nationalsozialismus war damit nicht ideologisch oder programmatisch bedingt, hier gebärdeten sich die Ludendorffer sogar noch radikaler, sondern lag im Führungsanspruch von Erich und Mat- hilde Ludendorff begründet. Besonders der ehemalige General wollte nicht einem „kleinen Gefreiten“ das Feld überlassen, auch wenn man in puncto Massenbasis den Nazis hoffnungslos unterlegen war. Um die NSDAP zu desavouieren verbreitete man z.B. Schmähschriften gegen Parteigrößen wie Ernst Röhm, dessen Homosexualität man zum Thema machte. Das nach 1933 erlassene Organisationsverbot galt übrigens nicht für die ludendorffsche Zeitschrift Am Heiligen Quell Deutscher Kraft und den hauseigenen Verlag. Vgl. Amm, 129. Siehe auch: Ditfurth (1997), 280. 723 Vgl. Reiter (2012), 173f. 724 Die „rassische“ Höherwertigkeit der „Arier“ offenbart sich in der Lehre Mathilde Ludendorffs wiederum nicht primär über ein biologistisches Konzept, sondern über die abgestufte Fähigkeit der Völker Gott zu er- kennen. Metaphorisch gesprochen stünden die „nordischen Völker“ auf einem Berghang ganz oben, wären sie doch im Besitz von „Lichtreligionen“ und könnten damit Gott besser erkennen, während die „semi- - 158 -

völkische Eigenart galten die Weltreligionen, vor allem das Christentum galt als „verjudete“ Religion des „absteigenden Lebens“, das der Rassenerneuerung im Wege stehe.725 Im Zentrum der ludendorffschen Welterklärung steht der Topos von der jüdischen Weltver- schwörung, meist umschrieben als Herrschaft „überstaatlicher Mächte“. Bei Mathilde Luden- dorff avanciert gar das gesamte Weltgeschehen seit Moses՚ Zeiten zu einer riesigen Ver- schwörung der Juden, die durch ihr Wirken hinter sämtlichen Zerstörungen im gesellschaft- lichen und ökologischen Bereich stünden.726 Für ihren Gemahl waren Juden und Jüdinnen wiederum durch ihre „Rasse“ und ihren Gott Jahwe dazu angehalten, alle Völker und die Natur zu hassen. Als Handlanger des „Weltjudentums“ galten Geheimbünde wie die Frei- maurer oder das Christentum, worin man ein jüdisches Herrschaftsinstrument erkannte.727 Schon am Ende der 1920er Jahre betrachteten sie die „überstaatlichen Mächte“ als größte Be- drohung für das Überleben des deutschen Volkes,728 ein Leitmotiv, das sich im Zuge des Antiatom-Protests als Warnung vor einer absichtsvoll herbeigeführten atomaren Apokalypse fortsetzte. Die Erhaltung des kulturellen und biologischen Volkstums bildete von Beginn an wesentlichs- tes Ziel des Bundes für Gotterkenntnis, was durch die Vermittlung von „Blutsbewusstsein und Rassestolz“ erreicht werden sollte. Als „Heiliges Gesetz“ wurde die „Reinheit der Rasse“ pro- klamiert, denn dies allein diene der Erhaltung der Volksseele, während die „Mischung mit Fremdblut“ eine „Volksvergiftung“ darstelle. Die „Gesundheitspflege der Rasse“ sei für die „Arterhaltung“ deshalb unumgänglich. Als Verursacher einer angestrebten Vermischung der Völker wurden wiederum die „überstaatlichen Mächte“ bemüht, die im Verborgenen einen „Kampf gegen das Leben der noch freien Völker“ führten, Ausdruck ihres „Streben[s] nach Weltherrschaft“.729 Die Historikerin Bettina Amm bezeichnet Mathilde Ludendorff deshalb als eine „gedankliche Wegbereiterin des Nationalsozialismus“, die nicht nur weltanschaulich, sondern auch in ihrem Glauben an Vorsehung und Auserwähltheit Adolf Hitler in nichts nachstand und in ihrem

tischen“ Völker mit ihren „Schachtreligionen“ unten im Tale nur einen geringen Kenntnisstand erreichen könnten. Vgl. Amm, 139f, 143, 145. 725 Vgl. Amm, 140 und 128. Siehe auch: Vondung (2013), 238. 726 Die ludendorffschen Verschwörungsphantasien gingen sogar soweit, dass man nach 1945 selbst hinter der NS-Herrschaft jüdische Machenschaften vermutete. Demnach wäre die NSDAP von jüdisch-amerikanischer Seite finanziert worden um einen Weltkrieg auszulösen, der zur Vernichtung des deutschen Volkes führen sollte. Die Gründung Israels und die globale Vormachtstellung der USA und UdSSR konnten wiederum als Bestätigung eines absichtsvollen jüdischen Plans gelesen werden. Vgl. Reiter (2012), 170f. 727 Vgl. Gugenberger (2002), 203. An seinem 70. Geburtstag im Jahr 1935 verkündete etwa Erich Ludendorff, „dass der Christenglaube [...] nicht dem Rasse-Erbgut unserer Rasse entspricht“ und warnte vor der Weltver- schwörung der „vier überstaatlichen Mächte: Weltjudentum, Weltkommunismus, Weltkatholizismus und Weltfreimaurertum“. Vgl. Reiter (2012), 169. 728 Vgl. Amm, 129; vgl. Feldmann, Ostern՚14. 729 Vgl. Amm, 127 und 144. - 159 -

Wahn an seine Seite gepasst hätte.730 Im Rahmen des Entnazifizierungsprozesses wurde sie schließlich als schuldig eingestuft, der Bund für Gotterkenntnis wurde von den Alliierten ver- boten. Sie selbst stritt allerdings bis zu ihrem Tod im Jahr 1966 jegliche Mitschuld an Welt- krieg oder Judenmord ab und begann schon ab den fünfziger Jahren wieder mit einer regen Publikationstätigkeit.731 Als erste ariosophische Gruppe nach Ende der NS-Herrschaft reorga- nisierten sich die Ludendorffer bereits um 1950 und gründeten den Verlag Hohe Warte mit dem Organ Mensch und Maß sowie die Nachfolgeorganisation Bund für Gotterkenntnis. Be- reits zehn Jahre später wurde der BfG allerdings nach zahlreichen Prozessen wegen national- sozialistischer Wiederbetätigung als verfassungsfeindlich eingestuft und daraufhin verboten, aber schon im Jahr 1976 aufgrund juristischer Verfahrensfehler wieder zugelassen. Der BfG bestand zu dieser Zeit aus ca. viertausend Mitgliedern.732

730 Vgl. Ebd., 129. 731 Vgl. Reiter (2012), 170f. 732 Vgl. Gugenberger (1987), 113. - 160 -

4.4.2 Der Weltbund zum Schutze des Lebens (WSL)

Der vom ehemaligen Förster und Schriftsteller Günther Schwab gegründete Weltbund zum Schutze des Lebens war nach 1945 die erste Organisation, die einen über den Naturschutz hin- ausreichenden ganzheitlich-ökologischen Ansatz verfolgte, weshalb sie sich auch gern als „älteste deutsche Umweltschutzorganisation“ darstellte. In diesem ganzheitlichen Verständnis wurde die Ursache für die auftretenden Krisenphänomene in der Konstitution der Moderne selbst gesehen. Als Wurzel allen gesellschaftlichen Übels wurden Technisierung und die moderne Lebensweise erkannt, als Ausweg erschien einzig die Reintegration des Menschen in den „natürlichen Kreislauf“.733 Im Mittelpunkt standen die Begriffe Natur, Gesundheit und Leben etwa im Postulat von der „Rückkehr zur lebensgesetzlichen Daseinsform“, der Forderung nach „biologisch voll- wertige[r] Ernährung“ oder einem „naturgesetzliche[n], vorbeugende[n] Gesundheits- dienst“.734 Gleichzeitig war die WSL-Programmatik von Beginn an geprägt von einem Be- kenntnis zu Volkstum und Heimat sowie der kulturpessimistischen Vorstellung vom Unter- gang des Abendlandes assoziiert mit einer prognostizierten „erbbiologischen“ Verschlechte- rung der weißen „Rasse“. Gewarnt wurde vor der bedrohlichen „Bevölkerungsexplosion“ im Trikont und einer stattfindenden „Überfremdung“ der Heimat seit 1945 durch die kulturelle und politische Hegemonie der USA und dem daraus resultierenden Multikulturalismus.735 Als Verein wollte man „für Erneuerung und Vertiefung des Lebens im Sinne der ewigen sittlichen Werte und der natürlichen Lebensordnung [wirken], gegen […] Profitgier, […] die Mächte der Unordnung, Entartung [sic!], Ausbeutung und des Untergangs“.736 Die Statuten für die Gründung eines Weltbundes zur Rettung des Lebens – Menschenschutz- verein (WRL) legte Günther Schwab im August 1958 bei der Sicherheitsdirektion Salzburg vor. Ein Jahr später wurde die Mitgliederliste eines Gründungsausschusses genannt, der acht Länder angehörten, worauf sich mit Josef Klaus auch der amtierende Salzburger Landes- hauptmann und spätere österreichische Bundeskanzler (ÖVP) fand, als prominenter Schirm- herr fungierte Konrad Lorenz.737 Am 25. September 1960 erfolgte schließlich in Salzburg die WRL-Gründungsversammlung, drei Jahre später die Umbenennung in Weltbund zum Schutze des Lebens (WSL) mit eigenen Sektionen in den Mitgliedsstaaten.738 Das Kokettieren mit bekannten Persönlichkeiten und der eigenen Internationalität und Bedeutsamkeit sollte zu

733 Vgl. Huber (1991), 12. 734 Siehe hierzu: Soyka (2012), 7. 735 Siehe hierzu: Analyse von Peter Bierl, Lebensschutz und Rassenhygiene: Zu den ideologischen Grundlagen des Weltbundes zum Schutz des Lebens (WSL), Bericht vom 1. August 2011, 12. 736 Vgl. Wölk (1991), 129 und Oeser (1980), 438f. 737 Vgl. Bierl (2014), 44f. 738 Siehe hierzu: Soyka (2012), 7. - 161 -

einem Markenzeichen des WSL avancieren. Nach späteren Angaben wäre man in knapp drei Dutzend Staaten vertreten gewesen und verwies auf einen „wissenschaftlichen Beirat von 400 Fachleuten aus 53 Ländern, darunter 40 Nobelpreisträger“.739 Der Großteil der Tätigkeiten des „Weltbundes“ dürfte sich jedoch auf die BRD und Österreich beschränkt haben, wo Günther Schwab noch bis in die achtziger Jahre als führender Repräsentant auftrat.740

4.4.2.1 Die Rolle des WSL in der Umweltbewegung

In Österreich bildete der WSL vor allem in den sechziger und siebziger Jahren den organisa- torischen Rahmen unterschiedlichster Umwelt- und „Lebensschutz“-Initiativen, die von Fragen der Verkehrs- und Energiepolitik bis zu Kampagnen für gesunde Ernährung reichten. Den Schwerpunkt bildete ab Ende der 1960er Jahre jedoch der Widerstand gegen die Er- richtung von Atomkraftwerken.741 Gemeinsam mit den Vorarlberger Nachrichten rief der WSL unter der Leitung Manfred Rünzlers etwa zu mehreren Massenkundgebungen zwischen 1971 und 1975 gegen das geplante AKW im schweizerischen Rüthi auf.742 Auch an den Pro- testen gegen die Standorte Stein/St. Pantaleon (1972/73) und Zwentendorf (1977/78) war man führend mitbeteiligt. Nach der gewonnenen Volksabstimmung rückte die bayrische Wieder- aufbereitungsanlage Wackersdorf in den Fokus, seit den neunziger Jahren schließlich das AKW Temelín in Tschechien.743 Als sich im Mai՚76 die österreichischen Zwentendorf- Gegner zur Plattform IÖAG zusammenschlossen, beteiligte sich auch der WSL an diesem bundesweiten Dachverband.744 Sowohl in Österreich als auch in Deutschland war der honorige Verband an der grünen Wahl- bewegung mitbeteiligt, federführend sogar an der Kandidatur der bundesdeutschen SPV Die Grünen bei den Europawahlen՚79. Anfang der achtziger Jahre spielte man bei der Konsti- tuierung von Alexander Tollmanns Vereinten Grünen Österreichs eine zentrale Rolle, deren Funktionärskorpus man in Oberösterreich und Vorarlberg nahezu allein stellte. Als im Jänner

739 Im „Wissenschaftlichen Rat“ des internationalen Verbands fanden sich mit Bernd Lötsch, Peter Weish, Alexander Tollmann, Konrad Lorenz, Robert Jungk oder Paul Blau führende Vertreter der österreichischen Umweltbewegung. Als ProtektorInnen des WSL-International wurden im Jahr 1983 wiederum die National- ratsabgeordneten Rupert Gmoser (SPÖ) und Stephan Koren (ÖVP) aufgeführt, sowie honorige Persönlichkei- ten wie Otto von Habsburg, Herzog Albrecht von Bayern oder der ehemalige Boxweltmeister Max Schmeling. Vgl. Huber (1991), 13. Siehe auch: Soyka (2012), 11f. 740 Siehe hierzu: Soyka (2012), 13. 741 Vgl. Huber (1991), 11. 742 Vgl. Haiden, 20f und 48f; vgl. Brandstätter, 160. Besonders die WSL-ExponentInnen Manfred Rünzler, Rudolf Riedmann und Maria Summer konnten sich hier profilieren und spielten in der Formierung der Vor- arlberger Vereinten Grünen eine zentrale Rolle. Im Oktober 1984 zog Rünzler, der über hervorragende Kon- takte zu den Vorarlberger Nachrichten und Chefredakteur Franz Ortner verfügte als „Grüner“ sogar in den Landtag ein. Vgl. Rösch-Wehinger, 84 und 89. Siehe auch: Schattauer (1993),87f. 743 Vgl. Pruckner,13. Siehe auch: Soyka (2012), 9. 744 Vgl. Schleich, 116. - 162 -

1984 Vorwürfe aufkamen, die auf rechtsextreme Tendenzen des WSL verwiesen, ergriff die Bundesspitze der Vereinten Grünen demonstrativ Partei und solidarisierte sich uneinge- schränkt mit der Lebensschutz-Organisation.745 Auch von staatlicher Seite bestanden gegenüber dem WSL kaum Vorbehalte, im Gegenteil, verfügte doch der Verband über gute Kontakte zu allen politischen Lagern. Günther Schwab erhielt als altgrüner „Salzburger Prophet“ sogar zahlreiche offizielle Würdigungen, unter anderem von den ÖVP-Landeshauptmännern Josef Krainer und Wilfried Haslauer sowie vom sozialdemokratischen Umweltminister Kurt Steyrer, der 1985/86 zum antifaschistischen Widerpart Kurt Waldheims aufgebaut werden sollte.746 Selbst Papst Johannes Paul II. hono- rierte im Jahr 1983 die Lebensschutz-Initiativen als Teil eines zutiefst religiösen Anliegens, welche die volle Unterstützung der Kirche verdienten.747 Ein Jahr später feierten Robert Jungk und der alternative Nobelpreisträger Leopold Kohr den achtzigsten Geburtstag Günther Schwabs, während der Chefredakteur der Vorarlberger Nachrichten, Franz Ortner, die Werte des WSL als geistige Orientierungshilfe für alle Grünen empfahl.748 Das Totengeläut des Weltbundes zum Schutze des Lebens setzte schließlich Ende der siebziger Jahre ein, als man in der Antiatombewegung spürbar an Einfluss verlor und als Organisation zunehmend ein Schattendasein fristete. Spätestens seit Mitte der neunziger Jahre befand sich der WSL in Österreich auch personell in Auflösung, was hauptsächlich an der Überalterung der Mitglieder und am fehlenden Nachwuchs lag.749

4.4.2.2 Zur Person Günther Schwab

Die zentrale Symbol- und Identifikationsfigur des Weltbundes zum Schutze des Lebens war bis zuletzt Vereinsgründer Günther Schwab, der 101jährig im April 2006 in Salzburg ver- starb. Zu Berühmtheit gelangte er als Autor des Romans „Der Förster vom Silberwald“, bei dessen Verfilmung er auch am Drehbuch mitarbeitete. Bereits in den fünfziger Jahren setzte sich Schwab in Vorträgen und Artikeln mit Fragen des „Lebensschutzes“ auseinander, ein Konzept, das den klassischen Naturschutzgedanken um das Thema Gesundheit erweiterte.

745 In einer Bundesausschusssitzung Ende Jänner՚84 verwehrte sich die VG-Führung dagegen, dass „WSL-Leute faschistisch orientiert seien“. Dagegen wurde die „große Rolle des WSL im Umweltschutz“ betont und Ob- mann Buchner beauftragt, „einen sehr positiven Brief an den WSL zu richten, der die Hochschätzung be- kannter Personen wie Schwab od. Witzany ausdrückt. Es dürfe auch nicht vergessen werden, dass gerade die VGÖ Vorarlberg gleichzeitig stark im WSL verankert sei“. Siehe hierzu: Protokoll der VGÖ-Bundesaus- schuss-Sitzung vom 20./21. Jänner 1984 in Villach, TOP 3, 4. 746 Vgl. Huber (1991), 12-14. 747 Vgl. Ditfurth (1997), 349. 748 Vgl. Gugenberger (1987), 166. 749 Siehe hierzu: Soyka (2012), 9 und 12. - 163 -

Öffentlich wahrgenommen wurden hauptsächlich seine Warnungen vor zunehmender Um- weltzerstörung, wofür Schwab zahlreiche Würdigungen erhielt.750 Bereits in den 1920er Jahren hatte Schwab als Heimatschützer agiert und stand hier ideell in der Tradition der sog. Lebensphilosophie, was sich in antirationalistischen Ressentiments und einem rigiden Kulturpessimismus äußerte. Auffällig ist auch sein abenteuerliches Leben jener Jahre, hielt er sich doch einige Zeit in Nordafrika, Frankreich, Polen oder dem Baltikum auf, wo er sich unter anderem als Holzhändler, Filmkomparse und Landvermesser betätigte.751 Ab den fünfziger Jahren widmete er sich verstärkt dem Thema „Natur- und Menschenschutz“, das er in seiner 1949 erstmals erschienenen Zeitschrift Der stille Weg behandelte, später offi- zielles Mitteilungsblatt des WSL. Schwab zufolge hätten die Menschen ihre Ehrfurcht vor der Natur verloren und strebten allein nach materiellem Wohlstand, verursacht von einem falschen Zeitgeist und der Entfremdung von ewiggültigen Werten.752 In mehreren Artikeln unter dem Titel „Weltweiter Kampf gegen die Katastrophe“ setzte sich Schwab mit dem Pro- blem der Abholzung der Wälder auseinander. In Büchern und Broschüren zum „Lebens- schutz“ äußerte er sich über die Gefahren der Atomkraft und warnte vor dem Insektengift DDT. Seine Sorge galt der „Verpestung der Atemluft“, „Verjauchung des Wassers“, „Zer- störung der Wälder“ und dem drohenden „Atomtod“. In gleicher Weise beklagte er die „Ver- nichtung des Bauerntums“ und die abnehmende „Arbeitsmoral“, polemisierte gegen eine um sich greifende „Massenvermehrung“ und die als „entartet“ empfundene Medizin. Schuld an diesem Zustand wäre der „zerstörerische Ungeist unserer Zeit“, hervorgerufen durch „Kräfte und Mächte, die dem Untergang dienen“.753 Dieses prognostizierte Katastrophenszenario bildete schließlich die Hauptthematik seines 1958 erschienen Romans „Der Tanz mit dem Teufel. Ein abenteuerliches Interview“, wo Schwab die von ihm als negativ wahrgenommenen Folgen der modernen Industriegesellschaft als Teil eines teuflischen Plans beschrieb. Der Teufel erscheint darin als Generaldirektor eines weltumspannenden Konzerns, der die Lebensgrundlagen auf der Erde schrittweise zu zer- stören beabsichtigt, was sich sowohl in Umweltverschmutzung, Waldsterben und Atom- energie, aber auch im zunehmenden Bewegungsmangel und sinkenden Gesundheitszustand der Bevölkerung ausdrücke. Der Roman kombiniert somit den Umweltschutzgedanken mit

750 Sein Renommee äußert sich in der Verleihung des Professorentitels, dem Erhalt zweier Ehrendoktorate, eines von der Wiener Universität für Bodenkultur, in der Auszeichnung durch Papst Paul VI, der Ehrenbürger- schaft der Stadt Salzburg, dem Goldenen Ehrenzeichen des Landes Salzburg oder dem im Jahr 1992 ver- liehenen „Österreichische[n] Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse“. Vgl. Schiedel (1994), 129 und Mende, Gründungsgrünen, 102. Siehe auch: Soyka (2012), 5 und 14. 751 Vgl. Frings (2009), 92. 752 Siehe hierzu: Soyka (2012), 4f. 753 Vgl. Huber (1991), 8f. - 164 -

apokalyptischen und zivilisationskritischen Motiven, indem die Moderne generell als Fehlent- wicklung gedeutet wird. Die Naturzerstörung erscheint hier nur als ein Symptom unter vielen, denn neben der ökonomischen Ausbeutung natürlicher Ressourcen trage insbesondere die Wohlstandsgesellschaft und ihr System der sozialen Absicherung, der medizinische Fort- schritt und die Technisierung zum Untergang der westlichen Zivilisation bei. Diese Ent- wicklung führt Schwab auf das Wirken von „Vernichtungskräften“ zurück, die der Mensch gegen die Schöpfung und damit gegen sich selbst aufgerufen hätte.754 Einige allzu deftige Passagen sparte er allerdings im zivilisationskritischen Bestseller aus, die jedoch ein Jahr später in der rechtsextremen Zeitschrift Europaruf des Grazers Theodor Soucek erschienen, der 1947 als Organisator einer „Werwolf-Gruppe“755 zum Tode verurteilt worden war und später begnadigt wurde. Schwab bezeichnet darin den ursprünglich bestehen- den „Urkrieg der Primitiven“ als „moralische Einrichtung mit dem Ziel der positiven Aus- lese“, der „im Dienste des Lebens und des guten Todes“ gestanden habe. Dieser Kampf „Mann gegen Mann mit Fäusten und Füßen, mit der lebendigen Kraft der Leiber“ hätte „sitt- lichen Wert“ besessen, den er allerdings einbüßte, als der erste Stein „aus dem Hinterhalt gegen den Feind [geschleudert]“ wurde. Ab diesem Zeitpunkt „tötete der Schwache den Starken, der Feige den Tapferen, der Schlechtere den Besseren“. Damit hätte der „Krieg […] seine auslesende Wirkung verloren“ und aufgehört „eine moralische Einrichtung zu sein“. „Vom Stein bis zur Atombombe“ war es für Schwab daher nur ein kleiner Schritt.756 Der später vielfach geehrte Lebensschützer entlarvt sich hier als überzeugter Sozialdarwinist, der von einem Daseinskampf schwärmt, bei dem der körperlich Stärkere den Schwächeren tötet, dem Unterlegenen somit jegliche Lebensberechtigung entzogen ist.757 Verbreitung fanden Schwabs Ideen hauptsächlich über den Salzburger Verein für Lebens- kunde, der als Herausgeber des WSL-Organs Der stille Weg bzw. ab 1966 der Schriftenreihe glücklicher leben fungierte. Hier trat man für „edles Menschentum, gesundes Bauern- und Volkstum“ ein, verdammte den „Profit- und Konsumgeist“ als Werk von „stumpfträgen Reaktionäre[n] und weltweiten Kapitalmächte[n]“, sah das Volk von den „Handlagern der Industrie beherrscht“, das zur „Masse“ von „Minderwertigen“ herabgesunken wäre, „deren

754 Vgl. Soyka (2012), 6f. 755 Solche „Werwolf“-Gruppen sollten nach der Vorstellung Heinrich Himmlers als Untergrundkämpfer gegen die alliierte Besatzung aktiv werden und gegen Kriegsende eine Art Partisanenkrieg entfachen. 756 Vgl. Geden, 55f; vgl. Schiedel (1994), 128f. 757 Vgl. Wölk (1991), 129f. In frappierender Weise gleicht diese eugenisch-sozialdarwinistische Argumentation gegen den modernen Krieg jener von Silvio Gesell, dem Begründer der Freiwirtschaftslehre. Auch Gesell lehnte am Vorabend des Ersten Weltkriegs die Kriegsführung strikt ab, da die „biologisch wertvollsten Männer […] an der Front getötet und die Minderwertigen zu Hause bleiben, überleben und sich fortpflan- zen“. Auch Gesell verherrlichte den Zweikampf im Naturzustand, wo noch das Recht des körperlich Stärke- ren gelte, der seine Eigenschaften an die Nachkommen weitervererbe. Vgl. Bierl (2012), 120f. - 165 -

Seelen entfremdet von der Natur und vergiftet [sind]“. Diese Menschen „leben in Termiten- bauten und sind reine Befehlsempfänger, sie verfaulen, deshalb muss aufgerufen werden wider den Ungeist, wider die Mächte der Unordnung, sie müssen ausgemerzt, ja ausgerottet werden“. Deshalb sei es an der Zeit, dem Materialismus und den „Konsumexzessen“ abzu- schwören und „Einkehr zu halten, umzudenken, […] heimzukehren zum Heil, eine gesunde Gesellschaft zu schaffen bzw. deren Gesundung herbeizuführen […]“. Die „Mächte der Un- ordnung“ müssten dagegen „ausgemerzt, ja ausgerottet werden“.758 Bei Günther Schwab und seinem Weltbund zum Schutze des Lebens vermengen sich somit traditionelle antimodernistische Ressentiments des Konservatismus, die sich vor allem gegen die „dekadente“ moderne Gesellschaft und ihre „widernatürlichen“ Lebensverhältnisse richten, mit einer antikapitalistischen Attitüde gegenüber personalisierten „Kapitalmächten“ und Degenerationsphantasien, in der die Verschlechterung des Erbguts der westlichen Bevöl- kerung im Zentrum steht. Das Anliegen, die wertvollen genetischen Erbanlagen vor negativen Umwelteinflüssen zu schützen, z.B. vor chemischen Substanzen oder radioaktiver Strahlung, bildete somit eines der wesentlichsten Ziele.759 Wie in seinem Hauptwerk „Der Tanz mit dem Teufel“ ausgeführt, war für Schwab die Verhinderung einer „natürlichen Auslese“ ursächlich für den diagnostizierten biologischen und gesellschaftlichen Niedergang, da aufgrund der modernen Medizin „keine Ausmerzung kränklicher Menschen [mehr] erfolgt“.760 Für den ehemaligen Wandervogel handelte es sich dabei um eine Sünde wider die Natur, die einem Vernichtungsurteil gleichkomme: „Eine Gesellschaft, welche die Auslese abschafft oder in ihr Gegenteil verkehrt, versündigt sich gegen das Leben. Das geistig und sozial Minderwertige dringt in alle Gesellschaftsschichten vor und gewinnt Boden und Einfluss.“761 Die „Schwachsinnigen“ würden sich aufgrund „negativer Auslese“ stärker vermehren als die „Begabten“, was ein Absinken der Kultur nach sich ziehe. Nach Schwab sei damit „das Niederträchtige, das Unschöne, Schlechte und Unwerte“ immer mächtiger geworden sei, was sich auch am „Geltungsverlust der weißen Rasse“ zeige. Der Niedergang der „europide[n] Großrasse“ äußere sich etwa in der Niederlage der USA gegen „das kleine tapfere und gesunde Volk der Vietnamesen“. Generell wären aber nicht die „Farbigen“ klüger geworden, sondern „der weiße Mann ist dümmer geworden“, was sich laut Schwab an den „Ver-

758 Vgl. Oeser (1980), 441f. In einem Vortrag bei der Hauptversammlung des internationalen Dachverbands im September՚65 in Salzburg sprach Schwab davon, dass die moderne Menschheit gegen göttliche Naturgesetze verstoße und davon sofort ablassen müsse, ansonsten drohten „Krankheit, Elend, Not, Schmerzen und Er- löschen der Menschheit in Siechtum, Hunger und Degeneration“. Die Natur sei nämlich darauf ausgelegt mit „unbarmherzigste[r] Grausamkeit gegen die Abtrünnigen“ vorzugehen. Vgl. Bierl (August 2011), 3. 759 Vgl. Bierl (2014), 45. 760 Vgl. Bierl, (August 2011), 4. 761 Günther Schwab zit. n. Markus Huber (1991), 9. - 166 -

fallserscheinungen der langmähnigen Heuler, Hippies, Gammler und Randalierer“ zeige. Als Gegenmaßnahme empfahl der langjährige Forstwirt „eine vorbeugende […] Eugenik, eine Erbhygiene“, die hauptsächlich mit der richtigen „Gattenwahl“ gelinge.762 Aspekte eines sozialdarwinistischen Rassismus՚ zeigen sich beim WSL-Gründer vor allem mit Bezug auf die diagnostizierte „Bevölkerungsexplosion“ in den „primitiven Ländern“, die er schon um 1970 als „Hauptsorge der Menschheit“ benannte. Noch im Jahr 1994 verlangte Schwab drakonische Maßnahmen, um die Geburtenziffer zu verringern.763 Gleichzeitig be- klagte er anlässlich seines 90. Geburtstags in der rechtsextremen Zeitschrift Eckartbote (ÖLM), dass der „lendenlahme europäische Mann“ dem „farbigen Mohammedaner“ in puncto Zeugungskraft nichts entgegenzusetzen habe. Verantwortlich dafür sei der heutige Zeitgeist, der Abtreibung und Schwangerschaftsverhütung fördere, sodass „100 Millionen Menschen der weißen Rasse“ fehlen, während zur gleichen Zeit „100 Millionen, […] in der Dritten Welt dazu kommen“. Im selben Interview bezeichnete er es außerdem als „Ehre und Auszeich- nung“, als Literat von der Öffentlichkeit nicht gewürdigt zu werden, wisse er doch, „aus welchen Sümpfen der heute wertende Zeitgeist kommt“.764 Diese Oppositionshaltung zur liberal orientierten und demokratisch organisierten Gesellschaft bei gleichzeitiger Affinität zum rechtsextremen Spektrum war wiederum mehr als eine biogra- phische Episode. Schon in den fünfziger Jahren war Schwab Leitungsmitglied der als „neo- faschistisch“ charakterisierten Sozialorganischen Ordnungsbewegung (SORBE)765 des Theo- dor Soucek, die bereits nach einem Jahr vom österreichischen Innenministerium 1958 ver- boten wurde. Bei der SORBE-Gründungsveranstaltung gab Schwab übrigens einige Passagen seines Hauptwerks „Der Tanz mit dem Teufel“ zum Besten.766 Im Jahr 1970 wurde Schwab wiederum Ehrenmitglied des Deutschen Kulturwerks Europäischen Geistes (DKEG), das sich als „volksbewusste und volkstreue Gemeinschaft“ das Ziel gesetzt hatte, deutsches Kulturgut zu fördern und wie keine zweite Organisation NS-belastete LiteratInnen und Schriftstel- lerInnen um sich sammelte.767 Eine tiefgreifende Verbindung bestand seit den frühen siebzi- ger Jahren vor allem zur Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltens- forschung (GfbAEV), bis 1972 Deutsche Gesellschaft für Erbgesundheitspflege (GfE) mit

762 Vgl. Bierl (2014), 45f. Siehe auch: Ditfurth (2011), 39f; Bierl (August 2011), 3f. 763 Vgl. Ebd., 3. 764 Siehe hierzu: Günther Schwab in „Der Eckartbote“ (1994), Nr. 8, 4ff, zit. n. DÖW, Der WSL-Ö und sein Verhältnis zum Rechtsextremismus, 2009, 1. 765 Die SORBE war der Versuch, den Nationalsozialismus nicht nur zu rehabilitieren, sondern ihn sogar wieder- zuerrichten. Nachdem Soucek 1947 als Organisator einer „Werwolf“-Gruppe“ verhaftet worden war, ver- fasste er in der Haftzeit das Buch „Wir rufen Europa“, wo er eine europäische Vereinigung auf „sozialorga- nischer Grundlage“ und eine außenpolitische Abkehr von den USA forderte. Vgl. Jens Mecklenburg, Hg., Handbuch Deutscher Rechtsextremismus, Berlin 1996, 174. Siehe auch: Bailer (1996), 98. 766 Vgl. Peters (1980a), 7 und Gugenberger (1987), 166. 767 Vgl. Huber (1991), 9f. - 167 -

ihrem Organ Neue Anthropologie, in deren „Wissenschaftlichem Beirat“ Günther Schwab von 1974 bis 1991 saß. Diese Gesellschaft propagierte einen „Biologischen Sozialismus“ auf der Basis einer „körperlichen, […] geistig-seelischen und erblichen Gesundheit“ mit dem Ziel „eines gesunden, gedeihlichen Volkslebens“, das sich den „ehernen Gesetzen der Natur“ fügen müsse.768 Ideologisch bezog sich die GfbAEV auf Werke des NS-Rassenideologen Hans F. K. Günther, als Vorsitzender agierte der deutsche Rechtsanwalt und bekennende Neonazi Jürgen Rieger, der wiederum Kontakte zum prominenten österreichischen Pendant Walter Ochensberger unterhielt.769 Noch deutlicher wird Schwabs enges Verhältnis zum Nazismus bei Betrachtung seiner Aktivi- täten während der NS-Zeit. Schon am 1. Oktober 1930 war er der NSDAP beigetreten (Mit- gliedsnummer 441909) und betätigte sich ab 1931/32 in der SA als Scharführer, Truppführer und Sturmführer. In seinem Tagebuch findet sich dazu ein Eintrag über den sog. „Blutigen Sonntag in Simmering“, wo Nazischergen ein Arbeiterheim in Simmering überfallen hatten.770 Aufgrund seiner Aktivitäten wurde Schwab im Oktober 1933 verhaftet und kurze Zeit inhaftiert. Dieser Gefängnisaufenthalt diente ihm ab März՚38 als Nachweis seiner natio- nalsozialistischen Überzeugungen.771 Ab Mitte der dreißiger Jahre begann er auch schriftstellerisch tätig zu werden, 1935 erschien etwa in der völkisch-national ausgerichteten Speidel’schen Verlagsbuchhandlung das Erst- lingswerk „Mensch ohne Volk“, vom Journalisten Peter Bierl als völkischer Kitschroman charakterisiert. Vier Jahre später wurde es im Franz-Eher-Verlag wiederaufgelegt, dem Zentralverlag der NSDAP, der auch Hitlers „Mein Kampf“ oder den Völkischen Beobachter publizierte. In seiner Dissertation verweist der Philologe Karl Frings auf ein von Schwab selbst verfasstes Autorenporträt von 1940, wo er sich brüstet, „in seinem ersten Roman geheime nationalsozialistische Propaganda betrieben zu haben“. Nach dem Krieg überarbei- tete Schwab sein Buch und publizierte es 1949 unter dem Titel „Abenteuer am Strom“.772 Am 31. Dezember 1938 stellte er den Antrag auf Aufnahme in die „Reichsschrifttums- kammer“ (RSK), die zuerst bestätigt und dann aufgrund des zu geringen Umfangs seiner schriftstellerischen Tätigkeit widerrufen wurde. Später sollte er diesen „Ausschluss“ bewusst

768 Vgl. Peters (1980a), 30. 769 Vgl. Geden, 105f und DÖW (2009), 2. 770 Vgl. Frings (2009), 92f. 771 Vgl. Ebd., 97f. 772 Vgl. Ebd., 90f, 94, 98f. Siehe auch: Bierl (August 2011), 2. Im Jahr des sog „Anschlusses“ (1938) verfasste Schwab die Einleitung zum Bildband „Österreich. Die deutsche Ostmark“, bei der nach Frings „der historische Teil […] durchsetzt mit biologistischem Vokabular [ist], das mehrfach auf die Rassentheorien seiner Zeit Bezug nimmt“. Hier klinge eine klare nationalsozialistische Haltung Schwabs durch, indem er Hitler als Messias der unterdrückten „Ostmark“ beschreibt, der die Freiheit bringt. - 168 -

so formulieren, als ob dieser aufgrund regimekritischer Äußerungen erfolgt wäre.773 Schon ein paar Monate zuvor hatte er sich freiwillig zur Wehrmacht gemeldet, wo er „trotz wiederholter dringlicher Vorsprachen“ nicht einberufen wurde. Stattdessen ersuchte Schwab nun das „Reichsforstamt um Vormerkung für den kolonialen Forstdienst“. Im November 1941 erfolgte schließlich seine militärische Einberufung, nach Kriegsende wurde Schwab als NSDAP-Mit- glied vom britischen Militär interniert, fand aber bereits zwei Jahre später eine Anstellung als Forstverwalter in der Nähe von Judenburg. Nachdem er sich wieder zunehmend als Schrift- steller zu betätigen begonnen hatte, quittierte er den Forstdienst und übersiedelte 1952 nach Salzburg.774 Nach der Zerschlagung des NS-Staates schwieg sich Schwab über seine braunen Aktivitäten und Mitgliedschaften aus.775 Auch in seinen autobiographischen Schriften der siebziger und achtziger Jahre tauchte dieser Lebensabschnitt nur stark geschönt auf, „Anzeichen einer selbstkritischen Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit“ finden sich nach Karl Frings keine, stattdessen klagte Schwab über manche Missgunst, die ihm ent- gegengebracht würde.776 Vielsagend ist dagegen eine Passage des sog. „Wegspruchs“, der sich in der ersten Ausgabe seiner Zeitschrift Der stille Weg (1949) fand und als Reaktion auf den Zusammenbruch Hitler-Deutschlands gelesen werden kann: „Aber wenn eine Welt ver- sinkt und dir alles zerbricht, steht inmitten des Chaos wie ein Turm der Rettung immer wieder – ein Mensch!“777

4.4.2.3 Braune Kontinuitäten im WSL-Ö

Günther Schwab, der bis zuletzt als überzeugter Rassist und Sozialdarwinist auftrat, fungierte nicht nur als Gründer des WSL, sondern prägte den Verband auch nachhaltig. Bis in die jüngste Vergangenheit wurde der ehemalige Forstwirt etwa vonseiten des österreichischen Verbandes als „Umweltpionier“ gefeiert und als Märtyrer dargestellt, der allein wegen seines Engagements gegen die Atomkraft „massiv bekämpft“ worden sei.778 Trotz massiver Kritik einer oberösterreichischen Anti-AKW-Gruppe, die auf die NS-Vergangenheit Schwabs und auf seine delikaten Aussagen verwies, führte dies zu keiner Distanzierung seitens des WSL-

773 Vgl. Frings (2009), 96. 774 Vgl. Ebd., 99f; vgl. Soyka (2012), 4. 775 Vgl. Frings (2009), 92f. 776 Vgl. Ebd., 100. 777 Zit. n. Soyka (2012), 4. 778 Siehe hierzu: Darstellung des österreichischen WSL-Präsidenten Fritz Witzany anlässlich Schwabs 100. Geburtstags im Herbst 2004. Vgl. DÖW (2009), 2. - 169 -

Österreich, der formell noch bis Dezember 2012 bestand.779 Besonders verfänglich wurde dieser Disput in Oberösterreich auch deshalb, da der führende Repräsentant des auf einen kleinen Restbestand zusammengeschmolzenen WSL der ehemalige VGÖ-Funktionär und mittlerweile Neo-Grüne Fritz Witzany ist. Somit rückte nämlich auch das Verhältnis der Grünen zum rechtsökologischen Milieu in den Fokus, die in dieser oberösterreichischen Kon- troverse seither eine äußerst unglückliche Figur machen, da sie sich fast kritiklos vor Witzany und seinen WSL-nahen Verein Atomstopp stellten.780 Bis zuletzt scheint es im Weltbund zum Schutze des Lebens zu keiner Abkehr von der Pro- grammatik gekommen zu sein, die Schwab in den fünfziger Jahren formuliert hatte und mit seinem Werk „Der Tanz mit dem Teufel“ popularisierte. Das zeigt sich noch in Formulierun- gen der Satzung aus dem Jahr 1982, die einen kulturpessimistischen Grundzug aufweisen und Vorstellungen der Eugenik und „Rassenhygiene“ beinhalten.781 Auch nach Meinung des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstandes (DÖW) wäre der WSL-Ö „für den Zeitraum zwischen 1960 und Mitte der 1980er Jahre im engeren Vorfeld des Rechtsextre- mismus zu verorten“ gewesen, danach hätte der Verein jedoch „keine wahrnehmbaren Aktivi- täten (auch publizistischer Natur) mehr gesetzt“.782 Das passt insofern, als der WSL-Ö seine Tätigkeiten erst in den sechziger Jahren aufnahm und ab den frühen Achtzigern als Organisa- tion jegliche Relevanz einbüßte. Das ist jedoch nicht gleichbedeutend mit der Annahme, dass ab Mitte der 1980er Jahre eine ideologische Neuorientierung stattgefunden hätte, auch wenn es zu dieser Zeit zum Bruch mit dem zunehmend offen neonazistisch auftretenden WSL-BRD kam. Gerade die Aktivitäten der WSL-ExponentInnen bei den Vereinten Grünen zeigen, dass dieses Naheverhältnis zur extremen Rechten weiterhin gegeben war. Schon in der Entstehungszeit erschien der Weltbund zum Schutze des Lebens als Organisation ehemaliger NationalsozialistInnen, die den Versuch unternahmen, „Lebensschutz und Um- weltschutz mit Rassismus und völkischer Ideologie“ zu verknüpfen, so die Diagnose von Jan

779 Siehe hierzu: Stellungnahme der Gruppe Antiatom-Szene, Verflechtung zwischen dem Weltbund zum Schutze des Lebens (WSL) und dem Verein „atomstopp-atomkraftfrei leben“ und die Rolle von Landesrat Rudolf Anschober (Grüne). 08.08.2011. Gesehen am 25.09.2014. http://new.antiatomszene.info/index.php/- mediathek/downloads?func=startdown&id=80. 780 Seit dem Jahr 2011 tobt in Oberösterreich öffentlich eine Auseinandersetzung zwischen sich als antifaschis- tisch gerierenden Anti-AKW-AktivistInnen und der grünen Landespartei. Zur Debatte siehe: Presseaussendung Antiatom Szene, Rechtsextreme Einflüsse dürfen in der Anti-Atom-Bewegung keinen Platz haben. 11.08.2011. Gesehen am 30.05.2013. http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20110811_- OTS0089/rechtsextreme-einfluesse-duerfen-in-der-anti-atom-bewegung-keinen-platz-haben; Peter Bierl, Kein Atom im Volkskörper. 25.08.2011. Gesehen am 30.05.2013. http://jungle-world.com/artikel/- 2011/34/43840.html; Stoppt die Rechten, WSL(II): Spaltung und faktisches Ende. 15.02.2012. Gesehen am 30.05.2013. http://www.stopptdierechten.at/2012/02/15/wslii-spaltung-und-faktisches-ende/; Alexandra Bader, Rudi Anschober und die Rechtsextremen. 03.09.2012. Gesehen am 30.05.2013. http://www.ceiberweiber.at/index.php?p=news&area=1&newsid=854. 781 Vgl. Bierl (August 2011), 12. 782 Siehe hierzu: DÖW (2009), 1, 3. - 170 -

Peters im Jahr 1980.783 Schon in den Anfangsjahren wäre es deshalb zu heftigen inneren Aus- einandersetzungen gekommen, in denen sich schließlich die antimodernistisch-biologistische Linie, vertreten durch Schwab, Hans Adalbert Schweigart, Helmut Mommsen oder Max Otto Bruker durchgesetzt hätte. Die österreichische Sektion wurde in den ersten Jahren übrigens vom WSL-Gründer Schwab höchstpersönlich geführt und bildete zu dieser Zeit die wichtigste Organisation des Lebensschutz-Spektrums.784 Erster Präsident der bundesdeutschen Sektion wurde wiederum Walter Gmelin, auch ehemaliger Nationalsozialist und Arzt in der „Euthana- sie“-Anstalt Grafeneck.785 Enge Kontakte bestanden auch zur Internationalen Gesellschaft für Nahrungs- und Vitalstoff-Forschung (IVG), die vom NSDAP- und SA-Mitglied Schweigart begründet worden war, der während des Krieges Ernährungspläne für die Wehrmacht ent- wickelte und nach 1945 in Kontakt zum Apartheidsregime in Südafrika stand. Nach Schweigart benannte der WSL gar eine Medaille, mit der etwa Konrad Lorenz (1979), Alexander Tollmann, Peter Weish oder Werner Georg Haverbeck (1982) geehrt wurden.786 Günther Schwab führte bis Mitte der 1970er Jahren den WSL-Österreich an und wechselte schließlich ins Präsidium des internationalen Dachverbands (1980). Ab 1982 übernahm Fritz Witzany die Präsidentschaft der österreichischen Sektion, zu dieser Zeit noch Obmann des oberösterreichischen Naturschutzbundes, wo er eng mit den WSL-Mitgliedern Alfred Tisserand und Fritz Roschall zusammenarbeitete. Der Linzer Arzt Tisserand,787 der sich in den siebziger Jahren als Atomkraftgegner einen Namen machen konnte, war bereits vier Jahre vor dem sog. „Anschluss“ der damals illegalen SA und NSDAP beigetreten und gehörte 1939/40 dem medizinischen Stab der Hermann-Göring-Werke an, deren Aufgabe in der Betreuung der ZwangsarbeiterInnen bestand. Als Vorgänger Witzanys leitete er von 1966 bis 1976 den Naturschutzbund. Noch in einem Beitrag aus dem Jahr 2008 feiert Witzany ihn apo- logetisch als „Nestor der Anti-Atom-Bewegung in Oberösterreich“ sowie als großen „Umweltpionier und Querdenker“. Als Arzt wäre es ihm nicht nur darum gegangen, „das

783 Vgl. Peters (1980a), 4. 784 Vgl. Huber (1991), 11. 785 Vgl. Wölk (1991), 131. Siehe auch: Bierl (2014), 46. 786 Vgl. Bierl (August 2011), 4; vgl. Huber (1991), 87. 787 Alfred Tisserand (1912-1989) gehörte ab Oktober 1939 zum medizinischen Stab der Hermann-Göring-Werke in Linz, wo er Mitarbeiter und Assistent des Oberarztes Ernst Kortschak war. Kortschak galt als besonders brutal, da er in seiner Arzt-Rolle die NS-Ideologie besonders radikal umzusetzen versuchte. Überlebende berichteten später von Misshandlungen durch die Ärzteschaft, wogegen eine ernstzunehmende Kranken- pflege kaum geleistet worden wäre. Tisserand war bereits 1934 der SA und NSDAP beigetreten und seit 1938 auch Mitglied des Ärztebunds. Ab 1940 wirkte er als Propagandaleiter im NSDAP-Amt für Volks- gesundheit, wo er „kein unwichtiger Mann“ gewesen sei, Ende März 1942 wurde er schließlich zum Militär- dienst eingezogen. Nach Ende des Krieges kurz in Haft besaß er ab 1947 bereits wieder eine eigene Praxis, die er bis 1986 führte. Vgl. Fallend (2001), 277-281 und 321. - 171 -

kranke, beschädigte Leben […] wieder herzustellen, sondern […] das gesunde zu erhalten, dass also Prophylaxe wichtiger sei als Therapie“.788 Ein weiterer Mitstreiter war Fritz Roschall789, mit dem Witzany eine langjährige Zusammen- arbeit in Naturschutzbund, WSL und VGÖ verband. Roschall war langjähriger Präsident des NS-affinen Vereins Dichterstein Offenhausen, der im Jahr 1998 wegen Verstoßes gegen das Verbotsgesetz behördlich aufgelöst wurde. Bereits in den dreißiger Jahren hatte sich Roschall im sog. Spannkreis betätigt, der die Idee eines „organischen Staates“ propagierte und sich gegen Marxismus und Liberalismus wandte. Ab Mai 1938 tat er Dienst in der Gauverwaltung „Niederdonau“ im Amt für Wohnungs- und Siedlungswesen, bis er zwei Jahre später zum Kriegsdienst eingezogen wurde. Nach dem Ende der NS-Herrschaft setzte Roschall seinen politischen Weg bruchlos fort, war im Februar 1949 Gründungsmitglied des Verbandes der Unabhängigen (VdU), der als Sammelbecken ehemaliger NationalsozialistInnen galt, und agi- tierte aus nationalistischen Motiven für den Anschluss Südtirols an Österreich. Gemeinsam mit Hermann Molterer begründete er 1969 die rechtsextreme Zeitschrift Fanale der Zeit, die schließlich Anfang der Achtziger mit Hermann Soykas Gesundes Leben fusionierte. Außer- dem trat Roschall als Referent bei Tagungen der Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik (AFP)790 auf, die bis heute sowohl Kontakte zur FPÖ als auch zum neonazistischen Spektrum pflegt.791 Als Fritz Roschall am 16. September 1993 verstarb, würdigte ihn Witzany via Nachruf als „ganzheitlich denkende[n] Mensch[en], der […] [f]ür seine Überzeugung […] überall mutig und energisch eingestanden“ wäre.792 Der langjährige Präsident des WSL-Ö, Fritz Witzany selbst, gilt heute als integrer Umwelt- schützer und Antiatom-Aktivist. Mit dem Niedergang der Vereinten Grünen in den neunziger Jahren wechselte er die Fronten und ist seitdem bei den Grünen aktiv. Er erhielt von der ober-

788 Siehe hierzu: Witzany (2008b), 65. 789 Friedrich Roschall (1913-1993), prominenter Vertreter des deutsch-nationalen Spektrums in Österreich, konnte sich in den siebziger Jahren als seriöser Atomkraft-Gegner und Naturschützer profilieren, beteiligte sich unter anderem auch am Hainburgprotest 1984. Für sein umweltpolitisches Engagement erhielt er Aus- zeichnungen von Naturschutzbund und Land Oberösterreich. Bis 1955 saß er für die Wahlpartei der Unab- hängigen (WdU) im oberösterreichischen Landtag, danach langjähriger Präsident des 1963 gegründeten NS- apologetischen VDO, von 1974 bis 1986 stellvertretender Obmann des Naturschutzbundes-OÖ, Funktionär beim WSL und 1983 Eintritt in Alexander Tollmanns VGÖ. Darüber hinaus „Schriftleiter“ der rechts- extremen Fanale der Zeit. 790 Die Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik, gegründet 1963, legte ihren Schwerpunkt auf ideologisch-kulturelle Arbeit und gilt als Drehscheibe der rechtsextremen Szene mit zahlreichen Verbindungen ins Ausland, im Jahr 1973 erfolgte etwa eine Veranstaltungsreihe mit Manfred Roeder. Im Periodikum Kommentare zum Zeitgeschehen fanden sich regelmäßig Beiträge mit neonazistischen und revisionistischen Inhalten. Kontakte zur rechtsökologischen Szene bestanden über die Personen Fritz Roschall, Hermann Molterer, Ilse Hans, Inge Rauscher, Gerhard Pretzmann oder Jürgen Rieger. Vgl. DÖW (1994), 112-122. 791 Vgl. Reinhard Müller, Fritz Roschall. 792 Siehe hierzu: Witzany, Nachruf Roschall. http://www.landesmuseum.at/pdf_frei_remote/nat-land_1993_5- 6_0128.pdf (22.07.2014). - 172 -

österreichischen Landespartei für seine Verdienste sogar den sog. „Grünpreis“.793 Witzany stieß in den frühen siebziger Jahren zum WSL, wurde 1976 in den Vorstand gewählt und sechs Jahre später schließlich Präsident der österreichischen Sektion. Um 1980 publizierte er mehrmals in der Zeitschrift Fanale der Zeit und trat Ende April 1986 sogar beim „Dichter- steintreffen“ des VDO auf, wo er in Vertretung von Fritz Roschall dessen Vortrag „Natur- und Umweltschutz als nationale Aufgabe“794 hielt. Die seit Sommer 2002 anhaltende Diskussion über die Rolle des WSL in der oberösterreichischen Anti-AKW-Bewegung, in deren Zuge auch die Aktivitäten Witzanys thematisiert wurden, dürften ihn schlussendlich zur Distanzierung vom Rechtsextremismus genötigt haben.795 In einem Schreiben an das DÖW vom 24. November 2009 bezeichnete er zumindest seinen Auftritt in Offenhausen als Fehler und Dummheit.796 In den siebziger und achtziger Jahren waren vonseiten des WSL jedoch keinerlei Berührungs- ängste mit dem rechtsextremen Spektrum erkennbar. So versuchte etwa der Wiener WSL- Landesleiter Klaus-Peter Herndl im Frühjahr 1977 im Rahmen der Anti-Zwentendorf-Bewe- gung in Verbund mit der neonazistischen Aktion Neue Rechte (ANR)797 eine Antikommunis- tische Atomgegnerfront zu errichten.798 In Vorarlberg existierten in dieser Zeit wiederum Querverbindungen zu Walter Ochensberger, der als einer der rabiatesten Neonazis Österreichs galt und in seinen Publikationen Rassismus, Weltverschwörungstheorien, offenen Antisemi- tismus und Holocaustleugnung propagierte.799 Schon in der ersten Nummer von Ochensbergers Zeitschrift Sieg, die 1978 erschien, tauchte ein Inserat des WSL zum Thema

793 Vgl. Bierl, Kein Atom im Volkskörper (25.08.2011). Siehe auch: Pöschko, Repression. 794 Bereits im Jahr 1985 publizierte Roschall einen gleichlautenden Artikel in einem Sammelband von Andreas Mölzer, wo er etwa den Egoismus als Ausdruck einer „liberalistische[n] Grundideologie“ zur tieferen Ursache der Umwelt- und Heimatzerstörung erklärte. Siehe hierzu: Fritz Roschall, Natur- und Umweltschutz als nationale Aufgabe, in: Andreas Mölzer, Hg., Österreich und die deutsche Nation, Graz 1985, 425-436. 795 Siehe hierzu: Antiatom Szene, Verflechtung zwischen dem Weltbund zum Schutze des Lebens (WSL) und dem Verein „atomstopp-atomkraftfrei leben“ und die Rolle von Landesrat Rudolf Anschober (Grüne). 08.08.2011. Gesehen am 30.05.2013. http://new.antiatomszene.info/index.php/mediathek/downloads?- func=download&id=80&chk=b11c6686223a0518997e5cfd8e766021&no_html=1. 796 Siehe hierzu: DÖW (2009), 3. 797 In Österreich war die Aktion Neue Rechte vor allem für ihre Gewalttätigkeit berüchtigt, die bei den Hoch- schülerschaftswahlen 1977 ihren Höhepunkt fand, wo insgesamt zehn ANR-Überfälle stattfanden. Vgl. DÖW (1981), 151f. 798 Vgl. Huber (1991), 13; vgl. DÖW (2009), 1. 799 Walter Ochensberger (*1942) war Gründungsmitglied der NDP-Vorarlberg und Gründer des Bundes Volks- treuer Jugend, der 1975 behördlich aufgelöst wurde. Ochensberger galt seit den 1980ern als eine der Zentralgestalten der rechtsextremen und neonazistischen Szene Österreichs. Berüchtigt waren seine Publikationen Sieg, Halt und Gäck, in denen auch prominente Neonazis wie Gerd Honsik oder Franz Radl mitarbeiteten. Seine Kontakte reichten von Burgers NDP und der VAPO Gottfried Küssels bis in den bundesdeutschen Raum zur Wehrsportgruppe Hoffmann und zu Oktoberfest-Attentäter Gundolf Köhler. In den Achtzigern gründete er eine sog. Volkstreue Grüne Bewegung (VGB) mit der er auf den grünen Trend aufspringen wollte, die aber organisatorisch völlig bedeutungslos blieb. Im Jahr 1991 wurde er wegen NS- Wiederbetätigung schließlich zu einer unbedingten Haftstrafe verurteilt. Vgl. Purtscheller (1993), 261-263; vgl. DÖW (1996), 237-246. Siehe auch: DÖW (1981), 242; DÖW (1994), 341; Matzka, 404; Perner (1994b), 73. - 173 -

Atomkraft auf. Ein paar Jahre später fand sich in der Ausgabe 11/1984 ein Text der WSL- Aktivistin Maria Summer, der eine angeblich drohende ökologische Katastrophe zum Inhalt hatte. Auch in Ochensbergers AJ-Pressedienst (Nr. 7-8/1984) wurde zu dieser Zeit ein namentlich nicht gekennzeichneter Text des WSL abgedruckt. Eine Distanzierung seitens der WSL-Landesgruppe Vorarlberg bzw. Maria Summers sucht man vergeblich.800

4.4.2.4 Der WSL-BRD und der Neonazismus

Im Vergleich zur bundesdeutschen WSL-Sektion nahmen sich diese Verwicklungen der öster- reichischen aber harmlos aus. Schon Anfang der siebziger Jahre sorgte die enge Kooperation des deutschen Verbandes mit der Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung (GfbAEV) des Rassenhygienikers und Neonaziadvokaten Jürgen Rieger für interne Kontroversen, die zur Abspaltung und zum Austritt einer kleinen Gruppe führten.801 Präsident Max Otto Bruker verteidigte in dieser internen Kontroverse die Kooperation mit der GfbAEV, deren Beirat wiederum WSL-Gründer Schwab, Medizinalrat Walter Gmelin, erster Präsident des WSL-BRD, und Bruker selbst angehörten. Zu diesem erlesenen Kreis zählten auch der neu-rechte Intelligenzforscher Arthur Jensen, der die intellektuelle Minderwertigkeit der „Schwarzen“ postulierte,802 der aus der NPD stammende Rolf Kosiek, der unter dem Pseudonym „Rudolf Künast“ in antisemitischer Diktion gegen die Frankfurter Schule hetzt, und Alain de Benoist, Leitfigur der französischen Nouvelle Droite.803 Bereits der organisato- rische Vorläufer der GfbAEV, die im Jahr 1962 gegründete Deutsche Gesellschaft für Erbge- sundheitspflege (GfE), gehörte dem WSL korporativ an.804 Auch Bruker selbst, der die Präsi- dentschaft von 1971-74 und ein zweites Mal 1982 ausübte, war einer sozialdarwinistisch- eugenischen Weltanschauung verhaftet. Der heute noch als ökologischer Ernährungs- und Gesundheitspapst gehandelte Mediziner empfahl etwa Frauen drei Kinder, da in dieser Konstellation sich ein Kind immer einer Mehrheit von zweien gegenübersehe, was für den

800 Vgl. DÖW (2009), 2. 801 Ausgangspunkt dieser Auseinandersetzung war die Kritik an rechtsextremen Tendenzen des WSL-BRD, die vom Saarländischen Pfarrer und Landesvorsitzenden Günter Heipp im Jahr 1971 geäußert wurde. Dieser for- derte die Auflösung des WSL-Arbeitskreises Humangenetik, personell identisch mit Riegers GfbAEV. Nach- dem die Verbandsleitung um den Mediziner Max O. Bruker diese Einwände zurückgewiesen hatte und die Zusammenarbeit mit Rieger verteidigte, kam es 1973 zur Abspaltung des Saarländischen Landesverbands. Im Juli 1974 äußerte sich Heipp, dass der WSL „von Anfang an eine neofaschistische Tarnorganisation ge- wesen“ sei, was sich auch an Schwabs Publikationen zeige. „Entweder man akzeptierte […] Schwabs Ideen, dann konnte man drin bleiben; oder man opponierte, dann flog man raus.“ Vgl. Stöss (1980a), 244. Siehe auch: Ditfurth (2011), 45f und Geden, 117f. 802 Vgl. Purtscheller (1994b), 28. 803 Vgl. Wölk (1991), 131 und Geden, 107. Kosieks Verbindungen zum DKEG und VDO vervollständigen das Bild. 804 Vgl. Ditfurth (1997), 357f und Bierl (August 2011), 7. - 174 -

späteren Kampf ums Dasein eine gute Vorbereitung sei. Die Unfruchtbarkeit von Frauen führte er wiederum auf eine gesundheitsschädliche Lebensweise zurück, was Bruker „vom biologischen Standpunkt aus“ aber als überaus sinnvoll empfand. So würden nämlich Frauen, die keine gesunde Nachkommenschaft gewährleisten könnten, von der Fortpflanzung ausgeschlossen, was der Vorsitzende des Deutschen Naturheilbundes und Schriftleiter der Zeitschrift Der Naturarzt als vernünftige Vorkehrung der Natur ansah.805 Unter dem Vorsitz Brukers, der auch Burschenschafter und vor 1945 Mitglied von SA, Amt für Volksgesundheit und Anwärter für den Ärztebund (NSDÄB) war,806 kooperierte der WSL- BRD auch mit der Freisozialen Union (FSU), die als Partei die Lehren Silvio Gesells propa- gierte und zahlreiche Verbindungen in die rechtsextreme Szene aufwies, weshalb der FSU etwa im Jahr 1952 die Teilnahme an einer Kommunalwahl untersagt wurde. Noch im Jahr 1969, zwei Jahre vor Übernahme der deutschen WSL-Präsidentschaft, hatte Bruker auf der Liste der FSU für die Bundestagswahlen kandidiert.807 Außerdem tauchte er um 1980 im Umfeld einer kommunal agierenden NPD-Grüne Liste auf, unterzeichnete einen von der NPD-nahen Bürgerinitiative Ausländerstopp verfassten Aufruf und publizierte in rechts- extremen Verlagen und Zeitschriften.808 Schon der erste Präsident des bundesdeutschen WSL, der seit Juni 1960 existierte und als stärkste und einflussreichste Sektion des internationalen Verbandes galt, war mit Walter Gmelin ein Mediziner, der vor 1945 nicht nur Mitglied der NSDAP, sondern auch Kreisleiter des Rassenpolitischen Amtes gewesen war.809 In der NS-Zeit fungierte er als Arzt in der „Euthanasie“-Anstalt Grafeneck und bezeichnete noch im Jahr 1965 „Intelligenz [als] eine Sache der Erbmasse“. Gemeinsam mit Günther Schwab betätigte er sich im Umfeld von Riegers GfbAEV und deren Organ Neue Anthropologie.810 Wie Schwab lehnte auch Gmelin die moderne Kriegführung aufgrund der technologisch-militärischen Möglichkeiten aus „rassepolitischen“ Gründen ab, da der Tod der „Besten, Tapfersten und Gesündesten“ eine „Gegenauslese“ befürchten ließ.811 Auch sein Nachfolger Helmut Mommsen war Mediziner und Universitätsprofessor mit einschlägigem Hintergrund, Mitglied von NSDAP, SA und NSDÄB, der seinen politischen Werdegang auch nach 1945 unbeeindruckt fortsetzte. Als

805 Vgl. Bierl (2014), 46f. Siehe auch: Bierl (August 2011), 6. 806 Vgl. Melzer, 358 und 410. Siehe auch: Ditfurth (1997), 366. 807 Siehe hierzu: Bierl (August 2011), 6f. 808 Vgl. Geden, 118f und 107f. Siehe auch: Ditfurth (2011), 46; Ditfurth (1997), 362f. 809 Vgl. Bierl (2014), 46. 810 Vgl. Wölk (1991), 131. 811 Vgl. Geden, 106. - 175 -

Referent trat er z.B. im Rahmen von Thies Christophersens neonazistischer Bauernschaft auf oder kämpfte publizistisch gegen eine drohende „Rassenmischung“ in Südafrika.812 Als es im Jahr 1974 aufgrund der Kontroverse um das Verhältnis des WSL-BRD zum Rechts- extremismus zu einer Ablösung Max O. Brukers als Präsident kam, schien sich eine Trend- wende anzukündigen. Nun endete die enge Kooperation mit Riegers neonazistischer Gesell- schaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung, denn mit Werner Georg Haverbeck (1909-1999) übernahm jemand den bundesdeutschen Verband, dem eine Affinität zur politischen Linken nachgesagt wurde.813 Öffentliches Renommee genoss er auch aufgrund seiner Professur für „Angewandte Sozialforschung“ an der FH Bielefeld (1973-79) und seiner Beteiligung am Deutschen Rat für Umwelt- und Lebensschutz, der unter der Schirmherrschaft von Altbundespräsident Gustav Heinemann stand. Besonders Haverbecks Eintreten gegen den sog. „Radikalenerlass“ (1972) der bundesdeutschen Regierung und sein Engagement gegen die Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen ließen ihn als links erscheinen. Im Jahr 1965 saß er sogar im Kuratorium der Ostermarsch-Bewegung, zu der er über anthroposophische Kontakte gestoßen war, und unternahm „Versöhnungsreisen“ in die UdSSR, weshalb er für manch Konservativen gar zum „verkappte[n] Kommunist[en]“ avancierte. Selbst Robert Jungk, linker Friedensaktivist und Pionier der Umweltbewegung, pries Haverbecks Einsichten, die dieser in seinem 1978 erschienenen Werk „Die andere Schöpfung“ formuliert hatte. Die Übernahme der Führung des bundesdeutschen WSL im März 1974 durch Haverbeck wurde deshalb als Abkehr vom Rechtsaußen-Kurs wahrge- nommen.814 Mit der antiimperialistischen Linken und der Friedensbewegung verband ihn vor allem die Frontstellung zu den USA. Für Haverbecks war der „American Way of Life“ die Wurzel allen Übels, wie er am Kongress der AUD im Oktober՚73 in Kassel ausführte. Die zunehmende Umweltzerstörung deutete er als das Werk „wurzellose[r]“ amerikanischer KolonistInnen, die aufgrund fehlender Heimatgebundenheit den gesamten Planeten plünderten. Dieser „Amerika- nismus“ würde seit 1945 auch Deutschland beherrschen, für Haverbeck Ausdruck von „Über- fremdung“ und „Kolonisierung“. In gleicher Weise wie Haußleiters AUD setzte auch er auf einen „Nationalneutralismus“, mit dem die Spaltung Deutschlands überwunden werden sollte, vermengt mit einem vorgeblich antiimperialistischen Antiamerikanismus und völkisch fun-

812 Vgl. Ditfurth (1997), 366; vgl. Bierl (2014), 46. Siehe auch: Ditfurth (1997), 347f. 813 Diesen Machtwechsel interpretierte der Politikwissenschaftler Richard Stöss noch um 1980 als die Durch- setzung „gemäßigtere[r] Kräfte“ im WSL-BRD, „die es freilich nach wie vor ablehnen, sich vom National- sozialismus zu distanzieren“. Vgl. Stöss (1980a), 243f. Siehe auch: Ditfurth (1997), 364. 814 Vgl. Oeser (1980), 443f und Mende, 104f. - 176 -

dierten Antikapitalismus.815 Darüber hinaus erschien ihm einer antimodernistischen Perspektive folgend das Bauerntum der vorindustriellen Zeit als krisenfreier Ort menschlichen Zusammenlebens. Die zur Zivilisation verkommene Gesellschaft bezeichnete Haverbeck als „israelisch“, womit ein Antisemitismus genuin konservativen Ursprungs durchklingt.816 Gleichzeitig entlastete er den technischen Fortschritt vom jüdischen Geist und kehrte die übliche völkisch-antimodernistische Zivilisationskritik um, indem er ausgerechnet die Technikfeindlichkeit auf das Judentum zurückführte.817 Die in den siebziger Jahren einsetzende Ökologiebewegung identifizierte Haverbeck als wiedererstarkende Jugend- und Lebensreformbewegung, die vor dem Ersten Weltkrieg die „Heimkehr zu den Werten von Volkstum und Heimat“ vollzogen hätte.818 Umweltschutz war für ihn hier gleichbedeutend mit „Heimatschutz“, „Lebensschutz“ und „Völkerschutz“. Sein Ökologiekonzept beinhaltete somit den Schutz volklicher Eigenart, wovon die Forderung nach dem Verbot von Immigration und ethno-kultureller Vermischung abgeleitet wurde.819 Wie seine Vorgänger konnte auch Haverbeck auf eine schillernde Karriere im Nationalsozia- lismus verweisen, war etwa bereits im Jahr 1923 der NS-Jugendorganisation, der späteren Hitlerjugend (HJ), beigetreten, drei Jahre später Mitglied der NSDAP und danach Mitbe- gründer des NS-Studentenbundes (NSDStB) in Bonn, deren „Reichsleitung“ er angehörte. Außerdem betätigte er sich in Alfred Rosenbergs Kampfbund für deutsche Kultur (KfdK) und wurde 1931 HJ-Reichsschulungsleiter. In dieser Funktion verlangte er, dass die „national- sozialistische Weltanschauung […] den Jungens und Mädels ins Blut [zu hämmern]“ sei. Nachdem er sich mit HJ-Führer Baldur von Schirach überworfen und aus der HJ ausge- schlossen worden war, ernannte ihn Rudolf Heß im Juni 1933 zum Leiter der Reichsmittel- stelle für Volkstumsarbeit der NSDAP. Zwei Jahre später erhielt er ein Promotionsstipendium von „Reichsführer-SS“ Heinrich Himmler und wurde in die SS aufgenommen. Im Jahr 1937 promovierte er schließlich bei SS-Ahnenerbe Präsident Hermann Wirth,820 wurde jedoch ein

815 Vgl. Bierl (August 2011), 9f. 816 Vgl. Schulze (2012b), 72f. 817 Vgl. Bierl (August 2011), 9. Siehe auch: Oeser (1978), 100f. 818 Vgl. Mende, 110f. 819 Im März 1983 führte er aus: „Ökologie öffnete uns die Augen dafür, dass Völker nicht nur menschliche Komplexe darstellen, die durch Sprache, Verhaltensweise, Kultur und Geschichte zu einem Ganzen zusammengewachsen sind, sie sind auch in ihrem Werden und ihrer unverwechselbaren Eigenart geprägt durch den Boden, aus dem sie wuchsen, den Raum, der sie umfängt und daraus nicht nur erklärbar in ihrer unverwechselbaren Eigenart, sondern diesem auch verbunden.“ Haverbeck zit. n. Anton Maegerle, Außen grün – innen braun, in: Tribüne (1997), Heft 144, 68. 820 Hermann Wirth (1885-1981) agierte in diesen Jahren als Mentor Haverbecks. Noch kurz vor seinem Ableben im Jahr 1978 trat er in der Zentrale des WSL-BRD in Vlotho auf. Im Mai՚85 veranstaltete man dort ein „Hermann-Wirth-Symposium“, wo unter anderem Baldur Springmann ein Runenreferat mit praktischen Übungen abhielt. Wirth, selbst Rohköstler und Vegetarier, hatte schon im Jahr 1919 in den Niederlanden eine „nationalsozialistische Bewegung“ ins Leben gerufen und in den Folgejahren das Hakenkreuz als arteigenes - 177 -

Jahr später aufgrund von Streitigkeiten zwischen Wirth und Himmler aus der SS entlassen. Nach Kriegsausbruch meldete er sich als Freiwilliger, diente ab Februar 1940 im Auswärtigen Amt, wo er Rundfunkpropaganda in Dänemark und Südamerika betrieb, und kämpfte gegen Kriegsende in der Panzergrenadier-Division „Feldherrnhalle“ an der Ostfront.821 Nach 1945 betätigte sich der „Volkskundler“ als Pfarrer der anthroposophisch orientierten Christengemeinschaft, und agierte in dieser Funktion als Seelsorger in der Haftanstalt für Kriegsverbrecher in Landsberg. Mit Rudolf Steiners Anthroposophie war Haverbeck übrigens schon in den dreißiger Jahren in Kontakt gekommen, die fortan sein Denken mitbestimmen sollte. Im Jahr 1989 veröffentlichte Haverbeck die Biographie „Rudolf Steiner – Anwalt für Deutschland“, in der er Steiner zum Propheten einer geplanten Zertrümmerung Deutschlands erklärte und von einer vollzogenen alliierten „Umerziehung“ nach 1945 inklusive „Auschwitz-Lüge“ schrieb.822 Einflussreich in der rechtsökologischen Szene wurde die von ihm 1963 ins Leben gerufene Akademie für Umwelt- und Lebensschutz mit Bezeichnung Collegium Humanum (CH), die in den siebziger Jahren zum Machtzentrum des bundesdeutschen WSL avancierte und darüber hinaus zu einem der Knotenpunkte der sich formierenden Umweltbewegung wurde.823 Zwischen Jänner՚78 und Sommer 1979 fanden im CH auch die Vorbereitungen zur Gründung einer bundesweiten grünen Wahlpartei statt, an denen WSL-Präsident Werner G. Haverbeck und seine Frau Ursula Haverbeck-Wetzel federführend mitwirkten. Resultat dieser Verhand- lungen war die Wahlliste SPV Die Grünen, direkter Vorläufer der kurz darauf gegründeten deutschen Bundespartei Die Grünen. Haverbeck war sogar als Kandidat für die Europa- Wahlen՚79 im Gespräch, statt ihm fand sich mit Baldur Springmann aber schließlich eine an- dere Symbolfigur der ökologischen Rechten auf der Liste. Auch Springmann war ehemaliges NSDAP-Mitglied, SS-Bewerber und seit den sechziger Jahren bei WSL und AUD aktiv. Nach der Niederlage des sog. „wertkonservativen“ Flügels im parteiinternen Richtungsstreit verließ

Heilszeichen der Deutschen propagiert. Als Urgeschichtsforscher glaubte er an eine versunkene prähistorische „arisch-nordische“ Hochkultur, auf die eine Rückbesinnung erfolgen sollte, um die „rassische“ Wiedergeburt einzuleiten. Vgl. Gugenberger (1987), 117-127. Siehe auch: Bierl (August 2011), 8 und Ditfurth (1997), 281f. 821 Vgl. Bierl (August 2011), 7-9; vgl. Bierl (2014), 40 und 55; vgl. Mende, 104. Siehe auch: Ditfurth (1997), 345 und Ditfurth (2011), 136. 822 Haverbeck vertrat in dieser Biographie die Ansicht, dass sich „die führenden Kräfte beider Welt-Bürger- Kriegsparteien“ in der Zerstörung Deutschlands einig gewesen wären, die im Jahr 1919 begonnen und 1945 vollendet worden wäre. Ein von ihm als „altjüdisch“ charakterisiertes „Weltherrschaftsstreben der angelsächsischen Rasse“ habe den „Verzichtspolitiker“ Hitler 1939 zum Krieg genötigt. Vgl. Geden, 115f; vgl. Bierl, Lebensschutz, 9. Siehe auch: Ditfurth (1997), 346 und Wölk (1991), 132. 823 Vgl. Geden, 107f und 112; vgl. Bierl (2014), 17. Siehe auch: Wölk (1991), 134f. - 178 -

Haverbeck die Grünen, um danach eine Zeitlang im Ökologischen Beirat von Herbert Gruhls Ökologisch-Demokratischer Partei (ÖDP) mitzuwirken.824 Anfang der achtziger Jahre erfolgte schließlich die zweite große Kontroverse innerhalb des Weltbundes zum Schutze des Lebens, die 1985 schließlich zum Ausschluss der deutschen Sektion aus dem internationalen Dachverband führte. Abermals geriet dabei das Verhältnis zum Neonazismus in den Fokus, in dessen Fahrwasser der WSL-BRD unter Haverbecks Führung zusehends geraten war. Schon 1981 hatte seine Unterzeichnung des Heidelberger Manifests für Empörung gesorgt. Darin wurde jegliche weitere Zuwanderung als ökologische Belastung denunziert und ein neorassistischer Kulturalismus in wissenschaftlich verbrämter Form propagiert.825 Im Mai desselben Jahres weigerten sich Haverbeck und sein Stellvertreter Ernst-Otto Cohrs auf einer Bundesvorstandssitzung gar, sich vom Nationalsozialismus zu distanzieren. Schließlich wurden auch noch antisemitische Schriften entdeckt, die angeblich von Vizepräsident Cohrs im Collegium Humanum vertrieben wurden.826 Zwar ging es in der internen Auseinandersetzung vordergründig um das Verhältnis des WSL zum Nationalsozialismus, dahinter stand jedoch ein Machtkampf zwischen zwei Fraktionen, den schließlich die Gruppe Haverbeck 1982/83 für sich entscheiden konnte. Dies veranlasste WSL-Gründer Schwab, der gemeinsam mit Max O. Bruker und dem internationalen Verband in Opposition zum CH stand, zum Aufbau einer neuen deutschen WSL-Sektion aufzurufen. Im Jahr 1983 wurde schließlich Ursula Haverbeck-Wetzel Präsidentin des Verbandes. Unter ihrer Leitung geriet der WSL-BRD immer deutlicher ins Fahrwasser des Neonazismus, was im Jahr 1985 schließlich die Begründung für den Ausschluss aus dem WSL-international bildete.827 Das CH avancierte gleichzeitig zum einschlägigen Treffpunkt für die rechtsökologische bis neonazistische Szene. Schon 1984 traf sich hier das vom Neonazi-Führer Michael Kühnen geleitete Komitee zur Vorbereitung der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag Adolf Hitlers (KAH), ein Jahr später fand wiederum ein Symposium zu Ehren Hermann Wirths statt, des ehemaligen Leiters des SS-Ahnenerbes.828 Ursula Haverbeck-Wetzel hatte übrigens bereits im Jahr 1977 in den Lebensschutz-Informationen (LSI) die guten Seiten des Nationalsozialismus gewürdigt, die sie in Autarkiestreben, Geldordnung, „Mutterkult“, Streben nach Gesundheit,

824 Vgl. Bierl (August 2011), 10f; Hüllen, 162f. Siehe auch: Bierl (2014), 55; Ditfurth (1997), 346; Ditfurth (2000), 80. 825 Vgl. Geden, 112f und Gugenberger (1987), 220. Bereits im August 1980 war in der Verbandszeitschrift Lebensschutzinformationen (LSI) vom „Gastarbeiter als ökologisches Problem“ zu lesen. Die LSI erschienen seit 1969 als Organ des WSL-BRD und wurden inhaltlich vom Ehepaar Haverbeck und Ernst-Otto Cohrs bestimmt. Vgl. Morris (1991), 297. 826 Vgl. Bierl (2014), 63 und Wölk (1991), 134. Siehe auch: Ditfurth (1997), 349. 827 Vgl. Huber (1991), 16 und Bierl (August 2011), 11. Siehe auch: Ditfurth (2011), 39. 828 Vgl. Geden, 110f und Bierl (2014), 63f. - 179 -

Förderung des Bauerntums oder dem Prinzip „Gemeinnutz geht vor Eigennutz“ erkannte.829 Außerdem publizierte sie seit Ende der siebziger Jahre in Walter Ochensbergers Hetzblatt Sieg und erklärte sich aus „religiösen Gründen“ außerstande, sich von Adolf Hitler zu distan- zieren.830 Im Herbst 1989 folgte ihr Ernst-Otto Cohrs als Präsident nach, der sich in den frühen sechziger Jahren der Anthroposophie verschrieben hatte und als Versandhändler für biologisch-dynamischen Gartenbaubedarf in der Bauernschaft des Auschwitz-Leugners Christophersen inserierte. Außerdem verbreitete er antisemitische Verschwörungstheorien, relativierte NS-Verbrechen und arbeitete mit dem Vorarlberger Neonazi-Redakteur Ochens- berger zusammen.831 Im Jahr 2000 wurde der WSL-BRD schließlich aufgelöst und der vier Jahre später gegründete Nachfolgeverein Bauernhilfe ebenso wie das CH im Jahr 2008 behördlich verboten.832

829 Vgl. Oeser (1978), 96-99. Siehe auch: Oeser (1980), 445-448; Stöss (1979), 21f; Geden, 60. 830 Vgl. Stöss (1980a),244 und Geden, 108f. Siehe auch: Ditfurth (1997), 348. 831 Vgl. Bierl (2014), 63; vgl. Wölk (1991), 128 und 133f. Siehe auch: Geden, 109; Ditfurth (1997), 348; Peters (1980a), 7. 832 Vgl. Bierl (2014), 63f. Siehe auch: Bierl (August 2011), 12. - 180 -

4.5 Grün-Braune Trittbrettfahrer

Anders als das rechtsökologische Lebensschutz-Spektrum, das der zivilisationskritisch- antimodernistischen Tradition des Fin des Siècle entsprach, versuchten ab Ende der siebziger Jahre vermehrt Gruppierungen der rechtsextremen Szene aus primär opportunistischen Gründen in der grünen Wahlbewegung Fuß zu fassen. Diese Intervention der extremen Rechten erfolgte sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch in Österreich. In Deutschland handelte es sich um gezielte Unterwanderungsversuche, für die in erster Linie Gruppierungen der Neuen Rechten verantwortlich waren, die das Thema Umweltschutz mit ihrer „nationalrevolutionären“ Programmatik zu verbinden versuchten. Im Mittelpunkt stand das neorassistische Konzept des sog. „Ethnopluralismus“, das die Vermischung essen- tialistisch gedachter Völker und Kulturen anprangert, sowie die Idee vom „Befreiungsnationa- lismus“, der die „Befreiung“ der vom US-Imperialismus unterdrückten Völker inklusive Deutschlands proklamierte.833 Als Zentralgestalt dieser Bestrebungen trat der Publizist Henning Eichberg auf, der sich selbst als „Linksnationalist“ bezeichnete und in der Formie- rungsphase der grünen Wahlbewegung ideologisch einzuwirken versuchte.834 Im Jahr 1972 war er als Verfasser des Manifests der Aktion Neue Rechte (ANR) in Erscheinung getreten und fungierte zwei Jahre später als Mitbegründer der neu-rechten Nationalrevolutionären Auf- bauorganisation (NRAO). Dennoch gelang es Eichberg auch in grün-alternativen Zusammen- hängen aufzutreten, so hielt er etwa im Jahr 1983 einen Vortrag im Umfeld der Alternativen Liste Berlin.835 Bereits drei Jahre zuvor hatte er den Gründungskongress der Partei Die Grünen in seiner Zeitschrift Wir selbst enthusiastisch gefeiert und versucht sich Baden- Württemberg selbst einzubringen.836 Die Gründung von Wir selbst837, der „Zeitschrift für Nationale Identität“, ging im Dezem- ber՚79 wiederum auf Siegfried Bublies zurück, der als Herausgeber und leitender Redakteur auftrat. Bublies, zuvor Mitglied der NPD, war als Landesvorsitzender der rheinland- pfälzischen Jungen Nationaldemokraten (JN) für einen stärkeren „grünen Kurs“ eingetreten. Gemeinsam mit MitstreiterInnen aus der JN gründete er 1978 die Grüne Zelle Koblenz mit

833 Vgl. Schulz, 50; vgl. Aftenberger, 175f. Siehe auch: Barthel, 14; Moreau, 122f. 834 Eichberg (*1942) entstammte der Burschenschaft Danubia aus München, betätigte sich bereits im Mai՚68 in den rechtsextremen Blättern Nation Europa (ab 1990 als Nation und Europa geführt) und Mut, das den Jungen Nationaldemokratien (JN), dem Bund Heimattreuer Jugend (BHJ) und der Wiking-Jugend nahestand. 835 Vgl. Schulz, 52f; vgl. Gugenberger (1987), 168. Siehe auch: Perner (1994a), 51; Ditfurth (1997), 368. 836 Vgl. Peters (1980a), 33; vgl. Bierl (2014), 53. 837 Der Zeitschrifttitel war als Anspielung auf die irisch-republikanische Partei Sinn Féin gedacht. - 181 -

Organ Grüne Fahne, die auf den grünen Parteibildungsprozess Einfluss nehmen wollte.838 Im März՚79 fand etwa eine von Bublies organisierte Diskussionsveranstaltung statt, an der die lokalen Vertreter (alles Männer) der grünen Vorläuferparteien GAZ, GLU und AUD teilnah- men, außerdem auch Max O. Bruker als Vorsitzender einer ominösen WG Grüne Liste sowie der Landesvorsitzende der NPD-Rheinland-Pfalz.839 Aus der Grünen Zelle ging schließlich die Wahlpartei NPD-Grüne Liste hervor, die für den entstehenden Landesverband der Grünen eine Hypothek darstellte.840 Auch andernorts versuchten rechtsextreme Gruppierungen noch bis Mitte der achtziger Jahre bei den bundesdeutschen Grünen einzusickern. Im Jahr 1985 musste sogar der Grüne-Landes- verband Westberlin offiziell aufgelöst werden, da dieser vom neofaschistischen Witikobund und von den JN unterwandert worden war.841 Es handelte sich dabei um den grünen Kon- kurrenzverband der Alternativen Liste Berlin, die erst 1993 den Status einer regulären Landes- organisation erhielt.842 Einen nachhaltigen Einfluss auf die Entwicklung der Partei Die Grünen konnten rechtsextreme Gruppierungen jedoch nicht ausüben. Mit dem Auszug der ökologischen Rechten unter Führung Herbert Gruhls im Sommer 1980 bestand nämlich kein Nährboden mehr. Dennoch konnte noch 1986 AUD-Gründer August Haußleiter als Kandidat der Grünen in den bayrischen Landtag einziehen und der als Friedensforscher gehandelte Alfred Mechtersheimer erhielt ein Jahr später gar ein grünes Bundestagsmandat. Mechters- heimer publizierte in Wir selbst, begründete die rechtsextreme Deutschland-Bewegung (DB) und pflegte außerdem ein weitläufiges Netz an Kontakten in der neonazistischen Szene.843 In Österreich fanden solche Interventionsversuche rechtsextremer Gruppen, die meist dem Umfeld der Nationaldemokratischen Partei (NDP) entstammten, hauptsächlich in der Zeit- spanne zwischen 1978 und 1983 statt. Viel deutlicher als in der BRD handelte es sich dabei um „grün“ getarnte Rechtsextremist(inn)en, die aus taktischen Gründen auf den neuesten poli- tischen Modetrend aufspringen wollten. Anders als dem lebensreformerischen Spektrum gelang es diesen Akteuren jedoch nicht, sich erfolgreich in die grüne Parteibildungsphase ein- zuklinken, was vornehmlich ihr offen zur Schau gestellter neonazistischer Charakter verhin- derte. Selbst für die an rassistischen und biologistischen ApologetInnen nicht armen Vereinten

838 Seit einigen Jahren sind wieder Versuche der NPD und ihr nahe stehender Gruppen zu beobachten, die das Thema Umweltschutz ideologisch zu besetzen trachten. Exemplarisch dafür steht die seit 2007 erscheinende Zeitschrift Umwelt & Aktiv aus Bayern. 839 Vgl. Peters (1980a), 21f. Siehe auch: Peters (1980b), 43. 840 Vgl. Ditfurth (2000), 337 und Kleinert, Protest, 26. 841 Vgl. Ditfurth (2011), 99f. Siehe auch: Volmer, Grünen, 155; Gugenberger (1987), 165f. 842 Vgl. Mende, 31f. 843 Vgl. Ditfurth (2000), 191 und Bierl (2014), 61f. - 182 -

Grünen erschienen diese Gruppierungen der äußersten Rechten zu extrem, sodass sie als poli- tische Skurrilität eine Randerscheinung blieben.844

4.5.1 Die VolkssozialistInnen und die grüne Wahlbewegung

Mit dem Höhepunkt der österreichischen Anti-AKW-Bewegung im Jahr 1978 trat erstmals auch eine rechtsextreme Splittergruppe mit der Bezeichnung Volkssozialistische Arbeiter- partei (VAP) in Erscheinung. Die semantische Ähnlichkeit zur NSDAP ist hier kaum zu über- sehen. Ein Großteil der führenden FunktionärInnen entstammte zudem aus den Reihen der später wegen NS-Wiederbetätigung verbotenen Nationaldemokratischen Partei. Bis 1984 ver- suchten die VolkssozialistInnen bei diversen rechts-grünen Kleinstparteien und den Vereinten Grünen zu partizipieren und verschwanden danach jedoch von der Bildfläche. Schon Anfang der siebziger Jahre hatte sich in der BRD diese Strömung im Umfeld der Neuen Rechten herausgebildet und sich infolge vor allem der Umweltbewegung zuzuwenden begonnen. Im Herbst des Jahres 1978 unterstützten volkssozialistische Gruppierungen etwa den Wahlkampf der Grünen Liste Umweltschutz (GLU) in Hessen.845 Programmatisch beriefen sich die VolkssozialistInnen auf einen „nationalen Sozialismus“ im Sinne der Brüder Gregor und ,846 die oft als Vertreter eines linken NSDAP- Flügels beschrieben werden.847 Im Zentrum stand die Idee eines „Dritten Weges“ zwischen Sozialismus und Kapitalismus, der als sog. „Deutscher Sozialismus“ propagiert wurde. Dabei handelte es sich um einen rabiaten Antikapitalismus verbunden mit der Volksgemeinschafts- ideologie, ein Konzept, das ideengeschichtlich in der Tradition der sog. Konservativen Revo- lution wurzelte. Zum Leitmotiv gehörte die Forderung nach einer Überwindung des Klassen- kampfes sowie des politischen Rechts-Links-Gegensatzes, aufgelöst in einer als harmonisch und organisch gedachten „Volksgemeinschaft“. Diese als „nationalrevolutionär“ oder „volks- sozialistisch“ auftretenden Gruppen richteten sich mit antikapitalistischer Attitüde vor allem gegen Geldwirtschaft und Finanzkapitalismus, so wie sich bereits Otto Strassers „revolutio- närer Nationalsozialismus“ gegen „Wirtschaftsmonopole“ und „Eliten“ gerichtet hatte. Identi- fiziert wurden die kapitalistischen Mächte in letzter Konsequenz mit dem Judentum, sodass sich hinter der vermeintlichen Systemkritik der Glaube an eine „jüdische Weltherrschaft“ ver-

844 Vgl. Schattauer (1988), 9f. 845 Vgl. Peters (1980a), 3f. 846 Otto Strasser (1897-1974), selbst rabiater Antisemit, der die sozialistische Demagogie der NSDAP ernst nahm und umsetzen wollte, 1930 aber innerparteilich am Hitler-Flügel scheiterte und nach 1955 seine An- hängerInnen um die Partei Deutsch-Soziale Union (DSU) scharte. Die DSU gilt als eine der Vorläufer der Neuen Rechten in Deutschland. Vgl. Purtscheller (1993), 121. 847 Siehe hierzu: Reinhard Kühnl, Die nationalsozialistische Linke 1925–1930. Meisenheim am Glan 1966; Patrick Moreau, Nationalsozialismus von links. Die „Kampfgemeinschaft Revolutionärer National- sozialisten“ und die „Schwarze Front“ Otto Straßers 1930–1935, Stuttgart 1985. - 183 -

barg. In den sechziger Jahren war dieser Strang von der Neuen Rechten wiederaufgenommen und mit einer antiamerikanischen, vorgeblich antiimperialistischen, Stoßrichtung versehen worden. Damit versuchte man sich der APO und ihrer linken Systemkritik anzunähern und wandte sich im Laufe der siebziger Jahre dann schließlich der Ökologiebewegung zu.848 In Österreich trat man erstmals im Zuge der Anti-Zwentendorf-Bewegung in Erscheinung, etwa durch Flugblattaktionen im Rahmen größerer Protestveranstaltungen, wo man mit anti- imperialistischer Rhetorik zum „Volkskampf“ gegen die Regierung aufrief. Auffällig wurde hier ein gewisser Helmut Müller, der im Jahr 1977 eine Nationalrevolutionäre Aufbauorga- nisation (NRAO) gründete, ein Ableger der neu-rechten Gruppierung Sache des Volkes (SdV/NRAO) aus der BRD.849 Bedeutender war jedoch Alfred Warton und seine Volkssozialistische Arbeiterpartei (VAP) mit den Periodika Das Neue Wort und Der Volkssozialist, die ab dem Sommer՚78 mit zahl- reichen obskuren „grünen“ Kleinstparteien kooperierte. Warton selbst war 1969 aus der FPÖ ausgetreten und hatte bei den NR-Wahlen՚70 für die Nationaldemokratische Partei Norbert Burgers kandidiert, für die er bis Anfang der siebziger Jahre als „Schriftführer“ fungierte. Da- nach war er „Bundesparteiobmann“ einer Unabhängigen Rechtspartei, beteiligte sich an einer Volkssozialistischen Freiheitsbewegung (VFB) und trat als Gründer eines Verbandes der Umweltschützer (VdU) in Erscheinung. Während genannte Organisationen unter der Wahr- nehmungsschwelle blieben, gelang es Warton im Jahr 1978 als „Generalsekretär“ der Volks- sozialistischen Arbeiterpartei in die von Otto Häusler und Fritz Weiss geführte Wahlgemein- schaft für Bürgerinitiativen und Umweltschutz (WBU) einzubrechen, die als erste österreichi- sche Umweltschutzpartei überregional an Wahlen teilnahm.850 Bei den Wiener GR-Wahlen՚78 kandidierten gleich mehrere Angehörige der VAP auf der WBU-Liste, unter anderem „Bundesobmann“ Erich Richard Raidl851 und Alfred Warton als Spitzenkandidat im vierten Bezirk.852 Nach dem Intermezzo mit der WBU, die ab 1979 nicht mehr selbstständig auftrat und schließ- lich in Tollmanns VGÖ aufging, partizipierten die VolkssozialistInnen im Grünen Forum der konservativen AKW-Gegnerin Elisabeth Schmitz, vormals Präsidentin der ÖVP-nahen Katas-

848 Vgl. Mende, 108f; vgl. Holzer, 33; vgl. DÖW (1981), 109f. 849 Müller war zuvor Mitarbeiter des späteren VAP-Organs Das neue Wort gewesen und wurde Anfang der 1990er Jahre „Schriftleiter“ des ÖLM-Blattes Eckartbote. Die ÖLM stand wiederum mit der rechtsökolo- gischen Szene in regem Austausch. Vgl. DÖW (1981), 220f und Schiedel (1994), 142f. 850 Vgl. Schattauer (1988), 9 und DÖW (1981), 248f. 851 Auch Raidl stammte aus der NDP und war dort verantwortlicher Redakteur der seit Jänner՚76 erscheinenden Parteizeitung Klartext gewesen, danach Obmann einer Volksbewussten Arbeiterpartei. Ab Dezember՚80 schließlich Leiter des Wiener VAP-Landesverbands und im März՚83 proklamierter „1. Bundesführer der volkssozialistischen Freiheitsbewegung“ (VFB), die gemeinsam mit der Partei Grüne Österreichs von Fritz Fronz eine Wahlplattform für die NR-Wahlen՚83 zu bilden versuchte. Vgl. Schattauer (1988), 93. 852 Vgl. DÖW (1994), 343f und Huber (1991), 46. - 184 -

trophenhilfe österreichischer Frauen (KÖF). Diese Verflechtung ging sogar so weit, dass die Anschrift des Grünen Forums mit der VAP-Adresse identisch war und Alfred Warton, seit 1980 VAP-„Bundesobmann“, hinter Schmitz die Funktion des stellvertretenden Partei- obmanns innehatte. Nachdem dieser Sachverhalt durch Zeitungen öffentlich skandalisiert worden war, verließen die VolkssozialistInnen im Februar՚82 freiwillig das Grüne Forum, „um den Grünen keinen weiteren Schaden zuzufügen“.853 Noch bis zu den NR-Wahlen im Frühjahr 1983 versuchte Warton sein Glück im Umfeld der obskuren grünen Kleinstgruppenszene und tauchte im Sommer՚82 etwa bei einem Treffen in Klosterneuburg auf, wo Fritz Fronz zum „Führer“ einer Grünen Internationale erkoren wurde.854 Danach war er in die schon chronisch stattfindenden Streitigkeiten dieser Szene ver- wickelt, in deren Folge sich Fritz Weiss, Johann Wallner und Fronz als selbsternannte grüne Führungsfiguren bekämpften. Mit dem Scheitern ihrer NR-Wahlkandidaturen verschwanden diese ProtagonistInnen von der Bildfläche, während manche VolkssozialistInnen bei den Ver- einten Grünen Unterschlupf fanden, wo sie allerdings äußerst zurückhaltend agierten. Im Sommer՚84 misslang schließlich der Versuch, eine Zusammenarbeit mit dem Wiener VGÖ- Landesverband zu erwirken.855 Die Aktivitäten der VAP beschränkten sich in der Folgezeit auf die Herausgabe ihres Blattes Der Volkssozialist, ansonsten trat die Gruppe nicht mehr in Erscheinung. Ende des Jahres 1984 übernahm Gottfried Küssel eine Volkssozialistische Partei, die aber nur im formal juristischen Sinn existiert haben dürfte und nach Purtscheller als legalistische Absicherung für die Machenschaften des Auschwitzleugners Gerd Honsik diente.856 Alfred Warton selbst kandidierte noch bei den NR-Wahlen՚95 gemeinsam mit den ehemaligen VGÖ-Funktionären Gerhard Pretzmann und Adolf Ursprunger auf der Liste Bürgerinitiative Nein zur EU – Austritt Jetzt (Nein).857 Die VAP Alfred Wartons steht exemplarisch für den Versuch unbedeutender rechtsextremer Splittergruppen, die in der grünen Wahlbewegung die Chance witterten, ihre eigene Kleinheit und Einflusslosigkeit durch die Infiltration grüner Gruppierungen zu überwinden. Unter dem Deckmantel des Umweltschutzes versuchten sie ihre eigenen ideologischen Vorstellungen ökologisch modernisiert zu transportieren und damit eine größere Breitenwirkung zu erzielen. In der volkssozialistischen Publikation Das neue Wort widmete man sich dagegen der Ver-

853 Vgl. Huber (1991), 52-54. Siehe auch: DÖW (1981), 221f. 854 Vgl. Christian (1983), 77. 855 Der „Volkssozialist“ Mario Montanaro stellte im Landesausschuss der Wiener Vereinten Grünen einen dem- entsprechenden Antrag. Nachdem seine Kontakte ins rechtsextreme Milieu allerdings offenkundig wurden, waren seine Kooperationsbemühungen zum Scheitern verurteilt. Siehe hierzu: Einladung zur 3. LA-Sitzung der VGÖ-Wien am 24.7.1984. 856 Vgl. Purtscheller (1993), 329f. 857 Siehe hierzu: http://www.bmi.gv.at/cms/BMI_wahlen/nationalrat/files/NRW_Erg_Vorzugsstimme_1995.pdf Gesehen am 13.08.2014. - 185 -

breitung von Verschwörungstheorien, die meist das Treiben der Freimaurer, der „Schwarzen Internationale“ mit Sitz im Vatikan oder den Zionismus betrafen. Ab den späten achtziger Jahren avancierten vor allem ImmigrantInnen zum neuen Feindbild, die als „Einwanderungs- lawine“ die „soziale Ordnung unserer Heimat“ bedrohten. Der „Abbau der Fremdarbeiter und Ausländer“ wurde dabei zynisch als „Umweltentlastung“ beschrieben.858

4.5.2 Robert H. Drechsler und seine Volksunion/Grüne Plattform

Zu Bekanntheit gelangte Robert Heinrich Drechsler (*1924) als rechtsextremer „Südtirol- Publizist“, der um 1980 politisch auf den Grün-Zug aufzuspringen versuchte. Im Dezem- ber՚81 meldete er eine Partei mit Namen Volksunion/Wahlpartei der Unabhängigen/Grüne Plattform beim Innenministerium an, der aber bereits im September՚83 die Rechtspersön- lichkeit wieder aberkannt wurde. Sogar Tollmann und seine VGÖ, die ansonsten wenig Berührungsängste zum rechtsextremen Milieu aufwiesen, distanzierten sich von Drechsler, denn zu offenkundig war sein braunes Profil.859 Bis auf eine kurze Annäherung zu Elisabeth Schmitz und ihrem Grünen Forum blieb Drechsler im grün-alternativen Milieu Persona non grata. Der Kämpfer für ein „deutsches“ Südtirol und Kärnten war ehemaliges NDP-Mitglied und galt als prominente Figur der rechtsextremen Szene. Schon im Zweiten Weltkrieg hatte er sich als Freiwilliger zur Division Brandenburg gemeldet, die als Spezialeinheit der Wehrmacht hinter den alliierten Frontlinien militärische Operationen durchführte.860 Als ehemaliger Ka- merad des verurteilten Kriegsverbrechers Walter Reder verfasste er 1977 ein Buch über diesen, wo Drechsler den SS-Sturmbannführer als unschuldig bestraften Märtyrer darstellte.861 Außerdem war Drechsler Herausgeber der Zeitschrift Die Leuchtkugel, die für „saubere Volksherrschaft“, „gesunde Umwelt“ und „gesundes Volk“ eintrat. Bei der von ihm gegrün- deten Volksunion handelte es sich laut Eigendefinition wiederum um eine „Wahlplattform“ von „konservative[n], parteiunabhängige[n] grüne[n], Frauen und Männer[n] aus dem volkstreuen, dem freiheitlichen Lager“, der auch „Alternative und Bürgerinitiativen“ ange- hörten.862 In der Grundsatzerklärung dieser Partei finden sich das Bekenntnis zum (deutschen) Volkstum und die Stilisierung der „gesunden Familien als Keimzellen des Volksganzen“. Gefordert wird der „wirksame Schutz der Bürger vor Gewaltverbrechen“, sowie die „Reinhaltung der deutschen Muttersprache“. In den von Drechsler herausgegebenen Grünen

858 Vgl. DÖW (1994), 233f. 859 Vgl. Haiden, 73 und DÖW (1981), 230. 860 Vgl. DÖW (1981), 218f und 229f; vgl. DÖW (1994), 319-321. 861 Siehe hierzu: Robert H. Drechsler, Walter Reder. Der Gefangene von Gaeta, Wien 1977. 862 Vgl. Christian (1983), 78. Siehe auch: Spiegel, Lauter Exoten, 117. - 186 -

Informationen wurde weiters der „Abbau fremdländischer Arbeiter“ verlangt, sowie die Sub- ventionierung einer so betitelten „Fäkalienkunst“ zurückgewiesen. Als einzige originär „grüne“ Forderung findet sich hier die Ablehnung von Atomkraftwerken. Diese werden je- doch nur aufgrund des noch mangelhaften „gegenwärtigen Stand[s] der technischen Wissen- schaften“ abgelehnt. Drechsler strebte mit seiner Volksunion ein Bündnis von „Völkischen, Kameraden aus der FPÖ und anderswo, Konservativen und Grünen“ an. Bei Wahlen sollte sie als Protestpartei für die sog. DenkzettelwählerInnen fungieren, ein Konzept, das Jörg Haider mit der FPÖ wenige Jahre später perfektionieren sollte.863

4.5.3 Die Grünen Österreichs (DGÖ) des Alfred Bayer

Die erfolgreichste grüne Tarnpartei neonazistischer Provenienz waren Die Grünen Öster- reichs (DGÖ) des Alfred Bayer, die zwischen 1984 und 1988 bestand und bei diversen Wah- len verhältnismäßig erfolgreich teilnahm.864 Charakterisiert wurden die DGÖ als „[e]xtrem rechte Partei, die versucht[,] mittels ‚grüner‘ Politik in der Umweltschutzbewegung Fuß zu fassen“865. Noch zu Beginn des Jahres 1984 dürfte Bayer allerdings bei der Wiener Landesgruppe der Vereinten Grünen sein Glück versucht haben, wo er allerdings aufgrund seiner offen zur Schau gestellten NS-Affinität wieder „in hohem Bogen“ raus flog.866 Dass es aber innerhalb der VGÖ durchaus Sympathien für ihn gab, beweisen die Vorkommnisse vom Oktober՚85, als Bayer von einem Wiener VG-Funktionär explizit zu einem Gesprächskreis konservativ-grüner AkteurInnen eingeladen wurde, als auch die Stellungnahme der VGÖ-Funktionärin Inge Rauscher.867 Neben diesen Versuchen, Tuchfühlung zum bürgerlich-konservativen Grünspek- trum aufzunehmen, kandidierte Bayer ab dem Frühjahr 1984 in Form eines Etikettenschwin- dels als Die Grünen Österreichs bei diversen Kommunalwahlen, wobei er seine rechtsextre- men Positionen hinter grünen Parolen zu verbergen suchte. Schon zwei Jahre zuvor hatte Bayer eine Grüne Front – Wählerpartei der Umweltschützer und Unabhängigen mit Partei-

863 Vgl. Gronner (1984), 96. 864 Das DÖW gibt die Gründung mit 1982 an, tatsächlich dürfte Bayer seine „Grünen“ aber erst im Laufe des Jahres 1984 gegründet haben. Die bereits 1982 existierende Partei Die Grünen Österreichs war dagegen ein Produkt des umtriebigen „grünen“ Parteigründers Fritz Fronz. Vgl. DÖW (1996), 316. 865 Vgl. Lasek (1989), 328. 866 Siehe hierzu: Protokoll der 3. Ao. LA-Sitzung der VGÖ-Wien am 14. Oktober 1985, TOP 2 „Causa Marsoner“, 2. 867 Siehe hierzu: Protokoll der 11. LA-Sitzung der VGÖ-Wien am 10. Oktober 1985, TOP 4 u. Beilagen 1-4; Brief von Inge Rauscher, Werte Mitglieder, liebe Freunde!, Klagenfurt am 24. Juni 1984. - 187 -

organ Die grüne Front gegründet, die jedoch nur formal juristisch existierte und organisato- risch wie politisch nicht in Erscheinung getreten war.868 Mit der Polarisierung der grünen Wahlbewegung vor den NR-Wahlen՚83 zwischen den bür- gerlich-konservativen Vereinten Grünen und der linksalternativen ALÖ versuchte sich Bayer als dritte Grün-Kraft zu positionieren, wobei ihm vor allem die Unübersichtlichkeit der Szenerie grüner Gruppierungen und Listen zugutekam.869 Bei seiner ersten Kandidatur im März՚84 in Salzburg erreichte er sogar sensationelle 1,3% und vermasselte dadurch dem grünalternativen Bündnis GABL, einer Wahlplattform von Salzburger Bürgerliste (BL), AL und VGÖ, den Einzug in den Landtag. Dazu beigetragen hatte vor allem der Umstand, dass der politische Hintergrund der DGÖ noch großteils im Verborgenen geblieben war.870 Ein Jahr später waren Bayers Grüne bei den Wahlen in Leoben, Kapfenberg und Villach erfolg- reich, wo man sogar in den Gemeinderat einziehen konnte.871 Zwar wurde im Vorfeld der LT- Wahlen in Oberösterreich, die im Oktober՚85 stattfanden, der rechtsextreme Charakter der DGÖ via Zeitungsartikel entlarvt,872 dennoch gelang auch hier die Kandidatur als dritte Grün- partei hinter VGÖ und AL. Ironischerweise erreichten Die Grünen Österreichs ausgerechnet in Braunau am Inn mit 2,3% ihr bestes Ergebnis.873 Bei den LT-Wahlen in der Steiermark 1986 kandidierte Bayers DGÖ gar in Konkurrenz zu vier anderen Grünlisten und avancierte hinter dem Wahlbündnis VG-AL zur zweitstärksten „grünen“ Kraft.874 Zum politischen Verhängnis wurde Bayer schließlich die Kandidatur bei den österreichischen Hochschülerschaftswahlen. Im Mai 1985 zog man als Liste Grüne – Die Grünen Österreichs in den Hauptausschuss der Universität Wien ein. Das erreichte Mandat bekleidete Peter Müller, der sich als Tierversuchsgegner und Aktivist des World Wildlife Fund bezeichnete. Gegen die neuerliche Kandidatur zwei Jahre später legte dann allerdings der Verband Sozialistischer StudentInnen (VSStÖ) Beschwerde wegen nationalsozialistischer Wieder- betätigung ein, der vom Verfassungsgerichtshof am 15. Dezember 1988 schließlich stattge-

868 Vgl. Christian (1983), 77. 869 Vgl. Gerhard Jordan, Die „Grüne Alternative“ und die Wahlen, in: Grüne Bildungswerkstatt, Hg., Die Repu- blik im Fieber, Graz 1988, 348.. 870 Vgl. Dachs, Salzburg Jahrbuch 1984, 101. Siehe auch: Dachs, Salzburg 1992, 337. 871 Vgl. Mitschka-Kogoj, 46. 872 Schon am 16. März 1984 erschien in der Volksstimme, dem Zentralorgan der KPÖ, ein Artikel mit Titel „Braune ‚Grüne‘ kandidieren in Salzburg“, wo Bayers DGÖ im Fokus stand. Im August՚85 berichtete auch die Zeitschrift des KZ-Verbandes Der neue Mahnruf ausführlich über die braune Vergangenheit Bayers, ebenso wie die Illustrierte Basta ein paar Wochen später. 873 Vgl. Kukacka, Leistung Jahrbuch 1985, 42 und Schattauer (1993), 95. 874 Vgl. Mitschka-Kogoj, 47. Siehe auch: Grüne Akademie, Geschichte, 11. - 188 -

geben wurde. Die Hochschülerschaftswahlen des Jahres 1987 wurden nachträglich als un- gültig erklärt und mussten wiederholt werden.875 Bereits am 22. Mai 1986 hatte das Landesgericht Graz in einem Privatprozess festgestellt, „dass im heutigen Programm der ‚Grünen Österreichs‘, […] sämtliche Elemente der national- sozialistischen Ideologie vorhanden sind, die die wissenschaftliche Literatur als Kriterien auf- gestellt hat“.876 Außerdem verwies das Gericht auf Aussagen Alfred Bayers zu Themen wie Kriegsschuld und NS-Verbrechen, genetischer Verfall, Volksgemeinschaft und „Rassen- vermischung“. In Zusammenhang mit Bayers früheren neonazistischen Aktivitäten ergab dies ein eindeutiges Bild. Die „Vermischung“ der Völker lehnte er etwa mit Berufung auf Aus- sagen der Biologen Konrad Lorenz, Rupert Riedl und Irenäus Eibl-Eibesfeldt ab und erklärte die „Natur zur Richtschnur“ des Seins und Handelns. Davon leitete er wiederum die sozial- darwinistische Idee von der „Auslese der Tüchtigen“ ab, da ansonsten der biologische Verfall drohe. Außerdem propagierte Bayer einen völkischen Antikapitalismus, der sich vorder- gründig gegen multinationale Konzerne und den Finanzmarkt richtete, und hetzte in fremden- feindlicher Manier gegen einen diagnostizierten „Asylland-Wahn“, der zu „Überfremdung“ und „Umvolkung“ führe.877 Alfred Bayer war seit den frühen siebziger Jahren in den Kreisen der extremen Rechten rege aktiv, brachte es sogar zum „Bundesorganisationsleiter“ von Burgers NDP und war verant- wortlich für das Wiener Ressort der neonazistischen Zeitschrift Sieg. Gemeinsam mit Walter Ochensberger trat er 1975 als Organisator eines vom Bund Volkstreuer Jugend (BVJ) ge- planten Jugendkongresses in Erscheinung, dessen Abhaltung jedoch behördlich verboten wurde. Darüber hinaus war Bayer Angehöriger der Kameradschaft Babenberg, die bis zu ihrem Verbot im Jahr 1980 als die mit Abstand militanteste Gruppierung des österreichischen Neonazismus galt. Hier versammelte sich die Szene-Prominenz in Gestalt von Gerd Honsik oder Gottfried Küssel, der ab Mitte der 1980er Jahre als „Führer“ der militant-neonazistischen Volkstreuen Außerparlamentarischen Opposition (VAPO) auftrat. Nachdem die Kamerad- schaft Babenberg aufgelöst worden war, avancierte Honsiks Ausländer-Halt-Bewegung (AUS) mit Organ Halt zum Sammelbecken der Gruppierung.878 Im Jahr 1979 dürfte Bayers Hinwendung zum Thema Ökologie erfolgt sein, zumindest gründete er in diesem Zeitraum

875 Vgl. Lasek (1989), 328 und Purtscheller (1993), 340f. Siehe hierzu: Brief von Wolfgang Neugebauer, An die Staatsanwaltschaft Wien, Wien am 8. Juli 1992; Andreas Anzenberger, Braune Grüne. Der Uni-Ableger einer als neonazistisch erkannten Partei, wegen der die letzten Hochschülerschafts-Wahlen aufgehoben wurden, will auch diesmal antreten, in: Wochenpresse vom 28. April 1989, 32f. 876 Siehe hierzu: Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz in der Klage von Alfred Bayer gegen den Jour- nalisten Kurt Dieman, Graz am 22. Mai 1986, 19. 877 Vgl. DÖW (1996), 148f. 878 Vgl. Purtscheller (1993), 94, 229, 233 und Matzka, 403. - 189 -

seinen Verband der Umweltschützer – Aktion Grünes Leben und nahm an der Weihnachtsfeier der Volkssozialistischen Arbeiterpartei (VAP) teil, die ebenfalls im Umfeld dubioser grüner Kleinstparteien agierte.879 Schon in den siebziger und achtziger Jahren trat Bayer als rastloser Parteigründer in Er- scheinung und rief etwa eine Sozialpolitische Volkspartei, einen Österreichischen Heimat- bund oder 1981 eine Partei für Jugend und Volk ins Leben, in deren Publikationen die Jugend zu einem volksbewussten Leben angehalten wurde. Diese von ihm gegründeten Organisatio- nen blieben jedoch allesamt auf seine Person reduziert und waren mangels Mitgliederbasis völlig bedeutungslos.880 Nach seinen gescheiterten „grünen“ Ambitionen, eine Kandidatur bei den Hochschülerschaftswahlen՚89 wurde ihm verwehrt, kehrte Bayer ins semantisch ein- schlägige Fahrwasser zurück und gründete im Juli desselben Jahres, „beeindruckt von der neuesten rechten Politmode“ (Purtscheller), die Partei Die Republikaner (REP). Deren Partei- organ Republikaner feierte im Sommer 1992 frenetisch das Pogrom von Rostock- Lichtenhagen an Asylsuchenden als „Lebenszeichen deutscher Kraft und jugendlichen Wider- standes“ und deutete es als Reaktion auf „Überfremdung“ und als Schritt zur Befreiung des „Volk[s] von Fremden“.881

879 Vgl. DÖW (1981), 226f. 880 Vgl. Ebd., 205 und Purtscheller (1993), 340. 881 Vgl. Ebd., 342. Siehe auch: DÖW (1996), 316. - 190 -

5 Resümee

Bei näherem Hinblick erscheint die Grüne Bewegung bei weitem nicht so homogen und widerspruchslos, wie es sich bei Betrachtung der österreichischen und bundesdeutschen Grünen heute darstellt. Gerade im Verhältnis zur extremen Rechten verschwimmen die be- stehenden scharfen Konturen. Bis in die frühen 1980er Jahre war dieses Verhältnis nämlich noch nicht restlos geklärt, was sich exemplarisch am Gründungsparteitag der bundes- deutschen Grünen zeigt. Hier fand sich ein buntes Sammelsurium ökologischer Gruppie- rungen ein, dessen Bogen bis weit in die äußerste politische Rechte reichte. Besonders der von Werner G. Haverbeck geleitete WSL-BRD und das daran angeschlossene Collegium Humanum war zu Beginn ein Dreh- und Angelpunkt der formierenden deutschen Grünen. Dass sich die WSL-Führungsriege schon damals öffentlich weigerte, sich von Hitler oder vom Nationalsozialismus zu distanzieren, zeigt, wie verquer die Situation bei den grünen „Grün- dungsvätern“ noch war. Darüber hinaus spielte ausgerechnet die von August Haußleiter ge- führte AUD eine zentrale Rolle beim Zustandekommen der Grünen im Jahr 1980, eine Partei, die sich zu den Prinzipien der Volksgemeinschaftsideologie bekannte und weltanschaulich dem nationalsozialistischen Strasser-Flügel nahestand. In Österreich stellte sich die Situation dagegen gänzlich anders dar. Hier waren schon im Zuge des Zwentendorf-Protestes erste Bruchlinien innerhalb des grün-alternativen Milieus aufgebrochen. Das bürgerlich-konservative Spektrum formierte sich hier schließlich als Ver- einte Grüne unter der Führung des Geologen Alexander Tollmann, während die Alternativ- szene in Wien und Graz zur Parteigründung ansetzte. Daraus entwickelte sich bis zu den NR- Wahlen՚83 wiederum ein doppelter Dualismus der grünen Wahlbewegung. Einerseits standen sich Tollmanns-Grüne und die Alternativen unversöhnlich gegenüber, verfolgte doch Ersterer einen strikten Rechtskurs und kooperierte dabei bereitwillig mit der ökologischen Rechten, andererseits bestand innerhalb der ALÖ ein zunehmender Gegensatz zwischen Graz und Wien. Verglichen mit der bundesdeutschen Situation handelte es sich bei den WienerInnen eher um systemoppositionelle „Fundis“, die dem Parlamentarismus tendenziell kritisch gegen- überstanden und radikalere Politikansätze verfolgten, während die GrazerInnen als „Realos“ auf Pragmatismus und auf den Einzug in den Nationalrat setzten. Auch wenn die hegemoniale Grazer Strömung pragmatischer agierte, so bestand dennoch eine klare Abgrenzung zu natio- nalistischen, rassistischen oder antidemokratischen Positionen. Im Gegenteil: Die ALÖ posi- tionierte sich unter Grazer Führung bereits als sozialliberale Menschenrechtspartei, eine Haltung, die später die Grüne Alternative übernehmen sollte.

- 191 -

Rechtsextreme Tendenzen fanden sich dagegen von Beginn an bei den Vereinten Grünen von Alexander Tollmann. Wie stark hier wiederum völkische, biologistische, rassistische oder allgemein minderheitenfeindliche Positionen vertreten wurden, hing allerdings von den ein- zelnen VG-Landesverbänden ab. Eine liberalere Haltung nahm etwa die Wiener-VGÖ ein, die wegen der Nichtzulassung von rechtsextremen ProtagonistInnen schon vor den NR- Wahlen՚83 in Konflikt mit Parteiobmann Tollmann geriet. Dieser deutete die Abgrenzung der WienerInnen zum rechten Rand als persönlichen Akt gegen ihn und vermutete dahinter eine links-ideologische Motivation. Auch unter Tollmanns Nachfolger Josef Buchner änderte sich die Situation nicht, denn auch dieser setzte auf die Unterstützung des rechten VGÖ-Flügels. Im November 1985 wurde der Wiener Landesverband vonseiten der Parteispitze sogar auf- gelöst, wobei neben der Annäherung an die ALW vor allem der Ausschluss und die Suspen- dierung von Parteimitgliedern zum Anlass genommen wurde. Bei diesen aus der Wiener- VGÖ ausgeschlossenen Mitgliedern handelte es sich jedoch ausnahmslos um Personen, die durch eine rechtsextreme Gesinnung oder durch die Zusammenarbeit mit der einschlägigen Szene aufgefallen waren. Ein wesentlicher Grund für diesen drastischen Schritt der Bundes- spitze dürfte auch die innerparteiliche Kritik der WienerInnen am niederösterreichischen Landesvorsitzenden Hermann Soyka gewesen sein. Dieser fungierte als Obmann des Bundes für Volksgesundheit und war Herausgeber des Organs Gesundes Leben, wo sowohl biologis- tische, sozialdarwinistische als auch NS-apologetische Beiträge erschienen. Gemeinsam mit Günther Schwabs Weltbund zum Schutze des Lebens repräsentierte der BfV die rechtsökologische Szene in Österreich. Beide Organisationen wiesen darüber hinaus über ihre FunktionärInnen starke Verbindungen ins völkisch-faschistische Spektrum auf. Während der BfV-Gründer Richard Soyka etwa der völkischen und rabiat antisemitischen Sekte Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff) angehörte, handelte es sich bei Schwab um einen schon früh aktiven Nationalsozialisten und überzeugten „Rassenhygieniker“. Der WSL dominierte wie- derum die VGÖ-Landesverbände in Oberösterreich und Vorarlberg. Besonders die oberöster- reichischen Vereinten Grünen waren dabei anfangs von rechtsextremen ExponentInnen durch- setzt, wo vor allem Fritz Roschall als Präsident des einschlägigen Vereins Dichterstein Offen- hausen und der Auschwitz-Leugner Raimund Bachmann hervorzuheben sind. Beide mussten jedoch, nachdem sie den Landesverband aufgebaut hatten, aufgrund ihrer allzu offensicht- lichen braunen Verstrickungen die VGÖ verlassen, auch wenn Parteiobmann Tollmann Roschall weiterhin für einen integren Umweltschützer hielt. Zu einer wahren Hochburg des Deutschnationalismus entwickelte sich dagegen der Kärntner VG-Landesverband, der im Jahr 1986, schockiert über die gemeinsame grün-alternative Wahlplattform, eine eigenständige

- 192 -

Kandidatur als Kärntner Grüne wagte. Hintergrund dürfte vor allem die minderheitenfreund- liche Positionierung der Grünen Alternative gewesen sein, die mit der slowenischen Einheits- liste kooperierte und mit Karel Smolle einen ihrer Repräsentanten ins Parlament hievte. Nachdem das Bündnis zwischen VGÖ und Grüner Alternative gegen Ende des Jahres 1987 endgültig zerbrochen war, kam es zur Reunion mit der extremen Rechten. Diese blieb dann, in Gestalt von Gerhard Pretzmann, bis zum völligen Niedergang der Vereinten Grünen am Ende der 1990er Jahre bestimmend. In ihrer Bedeutung vernachlässigbar sind dagegen die verschie- denen neonazistischen „grünen“ Trittbrettfahrer(innen), deren erfolgreichster Exponent Alfred Bayer war. Er kandidierte bis Mitte der 1980er Jahre bei verschiedenen Kommunalwahlen, bis seine Die Grünen Österreichs wegen ihrer nationalsozialistischen Programmatik schließ- lich von jeglichen Wahlen ausgeschlossen wurden. Betrachtet man die Entwicklung der Grünen Bewegung mit ihren Wurzeln im Fin de Siècle, wo sich ein erster Protest gegen Industrialisierung, Verstädterung, Naturzerstörung, Techni- sierung und kapitalistische Produktionsweise artikulierte, so zeigt sich, dass diese Abwehr- haltung in unterschiedlichen weltanschaulichen Kontexten stehen kann und mit rechtsextre- men Positionen durchaus vereinbar ist. Bis in die 1970er Jahre war es sogar ausschließlich die ökologische Rechte, die den Naturschutzgedanken in kulturkritischer Attitüde propagierte und die Atomkraft als lebensbedrohend anprangerte. Zusammenfassend kann deshalb den Polito- logen Gideon Botsch und Christoph Kopke zugestimmt werden: „Ökologisches Denken ist nicht per se humanistisch, fortschrittlich oder links. In Verbindung mit Vorurteilen und Ressentiments, mit Rassismus und Antisemitismus lässt es sich vielmehr auch in rechtsextre- me Weltanschauungen integrieren. Dabei wird das ‚Volk‘ biologisiert und zu einer eigenstän- digen, schützenswerten Lebensform erklärt, das ‚Leben‘ selbst biologisch und pseudodarwi- nistisch auf die Komponente des ‚Überlebenskampfes‘ reduziert.“882

882 Botsch, 50f. - 193 -

6 Abkürzungsverzeichnis

AfL Arbeitskreis für Lebenskunde AFP Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik (Österreich) AGEMUS Arbeitsgemeinschaft Evolution, Menschheitszukunft und Sinnfragen (Österreich) AGÖP Arbeitsgemeinschaft ökologische Politik (BRD) AKVS Alpenländischer Kulturverband Südmark (Österreich) AKW Atomkraftwerk AL Alternative Liste ALG Alternative Liste Graz ALÖ Alternative Liste Österreichs ALW Alternative Liste Wien ANR Aktion Neue Rechte APO Außerparlamentarische Opposition ARGE Ja Arbeitsgemeinschaft Ja zur Umwelt, Nein zur Atomenergie (Österreich) ARGE Nein Arbeitsgemeinschaft Nein zu Zwentendorf (Österreich) AUD Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher BGÖ Bürgerliche Grüne Österreichs BfG Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff) BfV Bund für Volksgesundheit (Österreich) BI Bürgerinitiative BIAG Bürgerinitiative gegen Atomgefahren (Österreich) BIP Bürgerinitiative Parlament (Österreich) BL Salzburger Bürgerliste BuLi Bunte Liste (Wehrt Euch) (BRD) BUND Bund für Umweltschutz und Naturschutz Deutschland CH Collegium Humanum (BRD) DG Deutsche Gemeinschaft (BRD) DGÖ Die Grünen Österreichs DKEG Deutsches Kulturwerk Europäischen Geistes DÖW Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes EvG Erklärung von Graz für solidarische Entwicklung FSU Freisoziale Union (BRD) GAL-DL Die Grünalternativen – Demokratische Liste (Österreich) GAZ Grüne Aktion Zukunft (BRD) GE Gewerkschaftliche Einheit (Österreich) GfbAEV Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung (BRD) GfE Deutsche Gesellschaft für Erbgesundheitspflege (BRD) GFÖ Grünes Forum Österreich GLSH Grüne Liste Schleswig-Holstein - 194 -

GLU Grüne Liste Umweltschutz (BRD) GMÖ Grüne Mitte Österreichs bzw. Die Grünen – Neue Mitte GÖ Die Grünen Österreichs – Partei der Unzufriedenen GRAS Grünalternative Sammlung (Österreich) GRM Gruppe Revolutionärer Marxisten IHU Initiative Heimat & Umwelt (Österreich) IÖAG Initiative Österreichischer Atomkraftwerksgegner JN Junge Nationaldemokraten (BRD) KB Kommunistischer Bund KEL Kärntner Einheitsliste KI Kommunalpolitische Initiative (Österreich) KL-VB Konrad-Lorenz-Volksbegehren KÖF Katastrophenhilfe Österreichischer Frauen NB Naturschutzbund (Österreich) NDP Nationaldemokratische Partei (Österreich) NPD Nationaldemokratische Partei (BRD) NS Nationalsozialismus oder nationalsozialistisch NSB Neue Soziale Bewegungen ÖDP Ökologisch-Demokratische Partei (BRD) ÖH Österreichische Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft ÖLM Österreichische Landsmannschaft REP Die Republikaner (BRD) RNG Reichsnaturschutzgesetz SPV Sonstige Politische Vereinigung SVB Solidaristische Volksbewegung (BRD) UÖD Unabhängige Ökologen Deutschlands USB Österreichische Umweltschutzbewegung USP Umweltschutzpartei (BRD) VAP Volkssozialistische Arbeiterpartei (Österreich) VDO Verein Dichterstein Offenhausen (Österreich) VGÖ Vereinte Grüne Österreichs später Vereinte Grundsatztreue Ökologen VÖGA Vereinte Österreichische Grün-Alternative WBU Wahlgemeinschaft für Bürgerinitiativen und Umweltschutz (Österreich) WDU Wahlgemeinschaft für Demokratieerneuerung und Umweltschutz (Österreich) WSL Weltbund zum Schutze des Lebens WWF World Wildlife Fund

- 195 -

7 Literaturverzeichnis

7.1 Verwendete Literatur

Ableitinger, Alfred, Die innenpolitische Entwicklung, in: Wolfgang Mantl, Hg., Politik in Österreich. Die Zweite Republik: Bestand und Wandel, Wien, Köln und Graz 1992, 119-203. Ackermann, Astrid, Kleidung, Sexualität und politische Partizipation in der Lebensreformbewegung, in: Marc Cluet u. Catherine Repussard, Hg., „Lebensreform“. Die soziale Dynamik der politischen Ohnmacht, Tübingen 2013, 161-182. Aftenberger, Ines, Die Neue Rechte und der Neorassismus, Graz 2007. AG gegen Rassismus in den Lebenswissenschaften, Hg., Gemachte Differenz. Kontinuitäten biologischer „Rasse“-Konzepte, Münster 2009. Aly, Götz u. Susanne Heim, Vordenker der Vernichtung. Auschwitz und die deutschen Pläne für eine neue euro- päische Ordnung, Frankfurt am Main 2013. Amm, Bettina, Die Ludendorff-Bewegung im Nationalsozialismus. Annäherung und Abgrenzungsversuche, in: Uwe Puschner u. Clemens Vollnhals, Hg., Die völkisch-religiöse Bewegung im Nationalsozialismus. Eine Beziehungs- und Konfliktgeschichte, Göttingen 2012, 127-148. Bailer, Brigitte u. Wolfgang Neugebauer, Abriss der Entwicklung des Rechtsextremismus in Österreich, in: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, Hg., Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus, Wien 21996, 97-102. Barth, Claudia, Von der leitkulturellen Tauglichkeit der Esoterik. Irrationalismus – Esoterik – Antisemitismus, in: Studentischer Sprecherrat der Universität München, Hg., Alte Herren – Neue Rechte. Rechte Normalität in Hochschule und Wissenschaft, Aschaffenburg 2001, 55-71. Barthel, Michael u. Benjamin Jung, Völkischer Antikapitalismus? Eine Einführung in die Kapitalismuskritik von rechts, Münster 2013. Bergmann, Anna, Wissenschaftlicher Rassismus in der Geschichte der Rassenhygiene, Humangenetik und Gynäkologie, in: Studentischer Sprecherrat der Universität München, Hg., Alte Herren – Neue Rechte. Rechte Normalität in Hochschule und Wissenschaft, Aschaffenburg 2001, 73-98. Bierl, Peter, Grüne Braune. Umwelt-, Tier- und Heimatschutz von rechts, Münster 2014. Bierl, Peter, Ökofaschismus und Esoterik, in: Antifaschistisches Infoblatt 98 (2013), 10-13. Bierl, Peter, Schwundgeld, Freiwirtschaft und Rassenwahn. Kapitalismuskritik von rechts: Der Fall Silvio Gesell. Herausgegeben von Friedrich Burschel, Hamburg 2012. Bierl, Peter, Wurzelrassen, Erzengel und Volksgeister. Die Anthroposophie Rudolf Steiners und die Waldorfpädagogik, Hamburg 2005. Botsch, Gideon u. Christoph Kopke, Artenschutz für das Volk. Sozial-ökologische Problemlagen im rechtsextremen Denken, in: Politische Ökologie 131 (2012), 46-51. Brandstätter, Lidia, Michael Grosser u. Hannes Werthner, Die Anti-AKW-Bewegung in Österreich, in: Werner Katzmann u.a., Umdenken. Analysen grüner Politik in Österreich, Wien 1984, 156-177. Brückmann, Thomas, Franziska Maetzky u. Tino Plümecke, Rassifizierte Gene: Zur Aktualität biologischer „Rasse“-Konzepte in den neuen Lebenswissenschaften, in: AG gegen Rassismus in den

- 196 -

Lebenswissenschaften, Hg., Gemachte Differenz. Kontinuitäten biologischer „Rasse“-Konzepte, Münster 2009, 20-64. Christian, Reinhold, Die Grünen. Momentaufnahme einer Bewegung in Österreich, in: Österreichisches Jahrbuch für Politik 1982 (1983), 55-85. Christian, Reinhold u. Peter Ulram, Grün-Alternative Parteien in österreichischen Gemeinden, in: Österreichisches Jahrbuch für Politik 1987 (1988), 509-527. Christian, Reinhold, Die Entwicklung der Grünen, in: Österreichisches Jahrbuch für Politik 1995 (1996), 243- 260. Cluet, Marc u. Catherine Repussard, Hg., „Lebensreform“. Die soziale Dynamik der politischen Ohnmacht, Tübingen 2013. Dachs, Herbert, Grünalternative Parteien, in: Herbert Dachs et al., Politik in Österreich. Das Handbuch, Wien 2006, 389-401. Dachs, Herbert, Franz Fallend u. Elisabeth Wolfgruber, Hg., Länderpolitik. Politische Strukturen und Entscheidungsprozesse in den österreichischen Bundesländern, Wien 1997. Dachs, Herbert, Medien, Parteien, Verbände und Wahlen in den österreichischen Bundesländern. Ein Überblick, in: Herbert Dachs, Franz Fallend u. Elisabeth Wolfgruber, Hg., Länderpolitik. Politische Strukturen und Entscheidungsprozesse in den österreichischen Bundesländern, Wien 1997, 13-72. Dachs, Herbert, Peter Gerlich u. Wolfgang C. Müller, Hg., Die Politiker. Karrieren und Wirken bedeutender Repräsentanten der Zweiten Republik, Wien 1995. Dachs, Herbert et al., Hg., Handbuch des politischen Systems Österreichs, 2Wien 1992. Dachs, Herbert, Grünalternative Parteien, in: Ders. et al., Hg., Handbuch des politischen Systems Österreichs, 2Wien 1992, 263-274. Dachs, Herbert, Parteien und Wahlen in Salzburg, in: Österreichisches Jahrbuch für Politik Sonderband (1992), 289-344. Dachs, Herbert, Parteien und Wahlen in Vorarlberg, in: Österreichisches Jahrbuch für Politik Sonderband (1992), 493-532. Dachs, Herbert, Parteien und Wahlen in Österreichs Bundesländern. Eine Zusammenschau, in: Österreichisches Jahrbuch für Politik Sonderband (1992), 605-639. Dachs, Herbert, Die Salzburger Landtagswahl 1984, in: Österreichisches Jahrbuch für Politik 1984 (1985), 93- 112. Ditfurth, Jutta, Feuer in die Herzen. Gegen die Entwertung des Menschen, Hamburg 1997. Ditfurth, Jutta, Das waren die Grünen. Abschied von einer Hoffnung, München 2000. Ditfurth, Jutta, Entspannt in die Barbarei. Esoterik, (Öko-)Faschismus und Biozentrismus, Hamburg 42011 [1996]. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW), Hg., Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus, Wien 21996. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW), Hg., Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus, Wien 1994. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW), Hg., Rechtsextremismus in Österreich nach 1945. 5. überarbeitete und ergänzte Auflage, Wien 1981.

- 197 -

Dolezal, Martin, Innerparteiliche Demokratie bei den Wiener Grünen. Wahlen von Parteiämtern und Listenplätzen 1986 – 1996, in: Österreichisches Jahrbuch für Politik 1996 (1997), 477-500. Dudek, Peter, Konservatismus, Rechtsextremismus und die „Philosophie der Grünen“, in: Thomas Kluge, Hg., Grüne Politik. Der Stand einer Auseinandersetzung, Frankfurt am Main 1984, 90-108. Dudek, Peter, Nationalromantischer Populismus als Zivilisationskritik. Eine Antwort auf Henning Eichberg, in: Wolf Schäfer, Hg., Neue soziale Bewegungen: Konservativer Aufbruch im bunten Gewand? Arbeitspapiere einer Diskussionsrunde, Frankfurt am Main 1983, 27-36. Ebner, Timm, Staatsform – Bio-Macht – „Rasse“. Lebenswissenschaftliche Kontinuierungen vom deutschen Kolonialismus bis zum nationalsozialistischen „Volkskörper“, in: AG gegen Rassismus in den Lebenswissenschaften, Hg., Gemachte Differenz. Kontinuitäten biologischer „Rasse“-Konzepte, Münster 2009, 166-201. Epp, Helmut, Die Tätigkeit der Grünen im Parlament, in: Österreichisches Jahrbuch für Politik 1988 (1989), 369-377. Fallend, Karl, Zwangsarbeit – Sklavenarbeit in den Reichswerken Hermann Göring am Standort Linz. (Auto- )Biographische Einsichten, Wien, Köln u. Weimar 2001. Farkas, Reinhard, Johannes Ude und die Amtskirche. Chronologie und Analyse eines Konflikts, in: Mitteilungen des steirischen Landesarchivs 47 (1997), 253-276. Föger, Benedikt u. Klaus Taschwer, Die andere Seite des Spiegels. Konrad Lorenz und der Nationalsozialismus, Wien 2001. Fetscher, Iring, Der neue Biologismus, in: Martina Kirfel u. Walter Oswalt, Hg., Die Rückkehr der Führer. Modernisierter Rechtsradikalismus in Westeuropa, Wien u. Zürich 1989, 221-224. Fetscher, Iring, Hg., Neokonservative und „Neue Rechte“. Der Angriff gegen Sozialstaat und liberale Demokratie in den Vereinigten Staaten, Westeuropa und der Bundesrepublik, München 1983a. Fetscher, Iring, Der Neokonservatismus und seine Widersprüche, in: Ders., Hg., Neokonservative und „Neue Rechte“. Der Angriff gegen Sozialstaat und liberale Demokratie in den Vereinigten Staaten, Westeuropa und der Bundesrepublik, München 1983b, 11-34. Fischer, Gero u. Maria Wölfingseder, Hg., Biologismus, Rassismus, Nationalismus. Rechte Ideologien im Vormarsch, Wien 1995. Franke, Nils M., Gegen das Fremde, nicht nur im Garten. Die Neobiota-Diskussion als Einfallstor für Rechtsextreme, in: Politische Ökologie 131 (2012), 78-84. Frings, Karl, Marchfelderzählungen. Studien zur prosaepischen Darstellung einer Landschaft, unveröffentlichte phil. Diss., Universität Wien 2009. Frings, Karl, Wer ist Günther Schwab? Studien zu einem Autor, der bislang von der Literaturwissenschaft kaum wahrgenommen worden ist, unveröffentlichte phil. Diplomarbeit, Universität Wien 2003. Gärtner, Reinhold, Die „Aula“ und die Wissenschaft“, in: Wolfgang Purtscheller, Hg., Die Ordnung, die sie meinen. „Neue Rechte“ in Österreich, Wien 1994, 150-173. Geden, Oliver, Rechte Ökologie. Umweltschutz zwischen Emanzipation und Faschismus, Berlin 1996. Gerlich, Peter, Freda Meissner-Blau, in: Herbert Dachs, Peter Gerlich u. Wolfgang C. Müller, Hg., Die Politiker. Karrieren und Wirken bedeutender Repräsentanten der Zweiten Republik, Wien 1995, 420-425.

- 198 -

Gommel, Michael, Die Anderen sind unter uns – der Beitrag der zeitgenössischen Humanbiologie zu einer menschenfeindlichen Biopolitik, in: Annett Schulze u. Thorsten Schäfer, Hg., Zur Re-Biologisierung der Gesellschaft, Aschaffenburg 2012, 95-128. Gratzer, Christian, Die Kandidatenauswahl der FPÖ, GABL, VGÖ und des Liberalen Forums anlässlich der Niederösterreichischen Landtagswahl 1993, in: Österreichisches Jahrbuch für Politik 1993 (1994), 239- 255. Gugenberger, Eduard u. Roman Schweidlenka, Antisemitismus in der Ökologiebewegung, in: Heinz P. Wassermann, Hg., Antisemitismus in Österreich nach 1945. Ergebnisse, Positionen und Perspektiven der Forschung, Innsbruck u.a. 2002, 203-215. Gugenberger, Eduard u. Roman Schweidlenka, Mutter Erde. Magie und Politik. Zwischen Faschismus und neuer Gesellschaft, Wien 1987. Ha, Kien Nghi, „Bastarde“ als Problem der deutschen Eugenik und „Rassenhygiene“ im 20. Jahrhundert, in: AG gegen Rassismus in den Lebenswissenschaften, Hg., Gemachte Differenz. Kontinuitäten biologischer „Rasse“-Konzepte, Münster 2009, 202-239. Haiden, Susanne, Von der Grünen Bewegung zur Grün-Alternativen Partei. Die Geschichte des grün-alternativen Parteibildungsprozesses in Österreich bis zur Nationalratswahl 1986, unveröffentlichte phil. Diplomarbeit, Universität Klagenfurt 1989. Halbrainer, Heimo, Elke Murlasits u. Sigrid Schönfelder, Hg., Kein Kernkraftwerk in Zwentendorf! 30 Jahre danach, Weitra 2008. Hallensleben, Anna, Wie alles anfing… Zur Vorgeschichte der Partei Die Grünen, in: Thomas Kluge, Hg., Grüne Politik. Der Stand einer Auseinandersetzung, Frankfurt am Main 1984, 154-165. Hanisch, Ernst, Der lange Schatten des Staates. Österreichische Gesellschaftsgeschichte im 20. Jahrhundert, Wien 1994. Hauff, Volker, Hg., Bürgerinitiativen in der Gesellschaft. Politische Dimensionen und Reaktionen, Villingen 1980. Heinrich-Böll-Stiftung, Hg., Die Grünen in Europa. Ein Handbuch, Münster 2004. Heller, Friedrich Paul u. Anton Maegerle, Die Sprache des Hasses. Rechtsextremismus und völkische Esoterik – Jan van Helsing, …, Stuttgart 2001. Hermand, Jost, Die Lebensreformbewegung um 1900. Wegbereiter einer naturgemäßen Daseinsform oder Vorboten Hitlers?, in: Marc Cluet u. Catherine Repussard, Hg., „Lebensreform“. Die soziale Dynamik der politischen Ohnmacht, Tübingen 2013, 51-62. Hethey, Raimund u. Peter Kratz, In bester Gesellschaft. Antifa-Recherche zwischen Konservatismus und Neo- Faschismus, Göttingen 1991. Holzer, Willibald I., Zur wissenschaftlichen Propädeutik des politischen Begriffs Rechtsextremismus, in: Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW), Hg., Rechtsextremismus in Österreich nach 1945, Wien 51981, 13-50. Huber, Markus, Zur Geschichte der Vereinten Grünen Österreichs (VGÖ) bis zu den Nationalratswahlen im April 1983, unveröffentlichte phil. Diplomarbeit, Universität Wien 1991. Hüllen, Rudolf van, Ideologie und Machtkampf bei den Grünen. Untersuchung zur programmatischen und innerorganisatorischen Entwicklung einer deutschen „Bewegungspartei“, Bonn 1990.

- 199 -

Jordan, Gerhard, Die „Grüne Alternative“ und die Wahlen, in: Grüne Bildungswerkstatt, Hg., Die Republik im Fieber. Erste Diagnose. Ein Jahr Grün-Alternative im Parlament, Graz 1988, 338-348. Jordan, Gerhard, Grüne im Ausland, in: Grüne Bildungswerkstatt, Hg., Die Republik im Fieber. Erste Diagnose. Ein Jahr Grün-Alternative im Parlament, Graz 1988, 370-374. Katzmann, Werner u. a., Umdenken. Analysen grüner Politik in Österreich, Wien 1984. Kemper, Andreas u. Heike Weinbach, Klassismus. Eine Einführung, Münster 2009. Khol, Andreas u. Alfred Stirnemann, Hg., Österreichische Jahrbuch für Politik 1982-1996, München u. Wien 1983-1997. Kirfel, Martina u. Walter Oswalt, Hg., Die Rückkehr der Führer. Modernisierter Rechtsradikalismus in Westeuropa, Wien u. Zürich 1989. Klein, Markus u. Jürgen W. Falter, Der lange Weg der Grünen. Eine Partei zwischen Protest und Regierung, München 2003. Klein, Raimon, Biomilch vom braunen Hof. Landwirtschaft, in: Politische Ökologie 131 (2012), 60-64. Kleinert, Hubert, Aufstieg und Fall der Grünen. Analyse einer alternativen Partei, Bonn 1992a. Kleinert, Hubert, Vom Protest zur Regierungspartei. Die Geschichte der Grünen, Frankfurt am Main 1992b. Kluge, Thomas, Hg., Grüne Politik. Der Stand einer Auseinandersetzung, Frankfurt am Main 1984. Köser, Helmut, Bürgerinitiativen in der Regionalpolitik, in: Bernd Guggenberger u. Udo Kempf, Hg., Bürgerinitiativen und repräsentatives System, Opladen 1978, 278-297. Kubalek, Martin, „Das sicherste Kernkraftwerk der Welt – Gemeinschaftskernkraftwerk Tullnerfeld“, unveröffentlichte phil. Diplomarbeit, Universität Wien 2010. Kukacka, Helmut, Anpassung oder Abgrenzung?. Anmerkungen zur „Grün-Strategie“ der ÖVP, in: Österreichisches Jahrbuch für Politik 1984 (1985), 151-162. Lasek, Willi, Internationale Verbindungen und Zusammenhänge, in: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, Hg., Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus, Wien 1994, 515-529. Lasek, Willi u.a., Alphabetisches Verzeichnis radikal rechter Organisationen und Zeitschriften, in: Martina Kirfel u. Walter Oswalt, Hg., Die Rückkehr der Führer, Wien u. Zürich 1989, 322-349. Liao, Kuei-Hsiang, Die Beteiligungsformen der Grünen Parteien auf kommunaler Ebene. Deutschland, Österreich und die Schweiz im Vergleich, unveröffentlichte phil. Diss., Universität Marburg 2000. Lind, Karl, Hg., Nur kein Rhabarber! Auseinandersetzungen mit grüner Politik in Österreich, Wien 1988. Lindtner, Harald Christian, „Die vierte Fraktion“. Die Grüne Alternative als neue politische Partei in Österreich. Entstehung, Entwicklung und Darstellung der Grünen Parlamentspartei in Österreich, unveröffentlichte phil. Diplomarbeit, Universität Wien 1991. Lippels, Stephan, Soziobiologie…?, in: Studentischer Sprecherrat der Universität München, Hg., Alte Herren – Neue Rechte. Rechte Normalität in Hochschule und Wissenschaft, Aschaffenburg 2001, 99-126. Lloyd, Jürgen, Kurt Heiler u. Irmgard Pinn, Akademischer Faschismus. Mitteilungen über die Humboldt- Gesellschaft, in: Raimund Hethey u. Peter Kratz, In bester Gesellschaft, Göttingen 1991, 83-118. Mantl, Wolfgang, Hg., Politik in Österreich. Die Zweite Republik: Bestand und Wandel, Wien, Köln und Graz 1992. Marko, Joseph, Parteien und Wahlen in der Steiermark, in: Österreichisches Jahrbuch für Politik Sonderband (1992), 345-438.

- 200 -

Matzka, Manfred, Rechtsextremismus auch in Österreich?, in: Österreichisches Jahrbuch für Politik 1993 (1994), 401-411. Maurer, Margarete u. Otmar Höll, Hg., „Natur“ als Politikum, Wien 2003. Mecklenburg, Jens , Hg., Handbuch Deutscher Rechtsextremismus, Berlin 1996. Melchert, Johannes, Heimat in der Rechtsaußenposition. Die Entwicklung brauner Parteien und Institutionen nach 1945, in: Politische Ökologie 131 (2012), 39-45. Mende, Silke, „Nicht rechts, nicht links, sondern vorn“. Eine Geschichte der Gründungsgrünen, München 2011. Merli, Franz u. Meinrad Handstanger, Die Alternative Liste Graz als Erweiterung des kommunalpolitischen Systems, in: Österreichische Jahrbuch für Politik 1983 (1984), 295-318. Merlio, Gilbert, Die Reformbewegungen zwischen Progressismus und Konservatismus, in: Marc Cluet u. Catherine Repussard, Hg., „Lebensreform“, Tübingen 2013, 63-72. Mitschka-Kogoj, Edeltraud, Ein Modell grüner Politik. Die Alternative Liste Graz, unveröffentlichte phil. Diplomarbeit, Universität Wien 1990. Moreau, Patrick, Die neue Religion der Rasse. Der Biologismus und die kollektive Ethik der Neuen Rechten in Frankreich und Deutschland, in: Iring Fetscher, Hg., Neokonservative und „Neue Rechte“, München 1983, 117-162. Morris, Monika u. Raimund Hethey, Zeitschriftenglossar, in: Raimund Hethey u. Peter Kratz, In bester Gesellschaft, Göttingen 1991, 294-299. Morris-Keitel, Peter, Lebensreform, Naturschutz, Heimatschutz. Zum ökologischen Bewusstsein der bürgerlichen Jugendbewegung um 1900, in: Marc Cluet u. Catherine Repussard, Hg., „Lebensreform“, Tübingen 2013, 225-234. Mosse, George L., Die völkische Revolution. Über die geistigen Wurzeln des Nationalsozialismus, Frankfurt am Main 1991. Müller, Jost, Mythen der Rechten. Nation, Ethnie, Kultur, Berlin u. Amsterdam 1995. Neau, Patrice, Die deutsche Gartenstadtbewegung. Utopismus, Pragmatismus, zwiespältige Aspekte, in: Marc Cluet u. Catherine Repussard, Hg., „Lebensreform“. Die soziale Dynamik der politischen Ohnmacht, Tübingen 2013, 211-224. Oekom, Hg., Ökologie von rechts. Braune Umweltschützer auf Stimmenfang, München 2012 (Politische Ökologie 131). Oeser, Kurt, Reaktionäre Tendenzen bei Bürgerinitiativen und Umweltschutzverbänden, in: Volker Hauff, Hg., Bürgerinitiativen in der Gesellschaft. Politische Dimensionen und Reaktionen, Villingen 1980, 435-480. Oeser, Kurt, Politische Strömungen in der „Ökologie-Bewegung“, in: Rudolf Brun, Hg., Der grüne Protest. Herausforderung durch die Umweltparteien, Frankfurt am Main 1978, 92-104. Palm, Kerstin, Der „Rasse“-Begriff in der Biologie nach 1945, in: AG gegen Rassismus in den Lebenswissenschaften, Hg., Gemachte Differenz, Münster 2009, 240-255. Pelinka, Anton, „Natur“ als Verbot und/oder Immunisierung von Politik, in: Margarete Maurer u. Otmar Höll, Hg., „Natur“ als Politikum, Wien 2003, 195-202. Pelinka, Anton, Der Grüne Zwiespalt. Die Grün-Alternativen zwischen Vielfalt und Spannung, in: Österreichisches Jahrbuch für Politik 1988 (1989), 379-390. Pelinka, Anton, Die Grünen in Österreich. Anspruch und Wirklichkeit, in: Ali Gronner u. Erich Kitzmüller, Hg., Grüne Ausblicke. Beiträge zu einer Politik der Grünen, Wien 1988, 76-85.

- 201 -

Pelinka, Anton, Hainburg. Mehr als nur ein Kraftwerk, in: Österreichisches Jahrbuch für Politik 1985 (1986), 93- 107. Pelinka, Anton, Bürgerinitiativen und Ökologiebewegung in Österreich, in: Werner Katzmann u.a., Umdenken. Analysen grüner Politik in Österreich, Wien 1984, 149-155. Pelinka, Peter, Herausforderung und/oder Konkurrenz. Parteien und neue soziale Bewegungen in Österreich, in: Österreichisches Jahrbuch für Politik 1982 (1983), 43-54. Perner, Markus, Heribert Schiedel u. Klaus Zellhofer, Haiders Denkfabriken: Die Avantgarde der Völkischen“, in: Wolfgang Purtscheller, Hg., Die Ordnung, die sie meinen. „Neue Rechte“ in Österreich, Wien 1994a, 47-71. Perner, Markus u. Wolfgang Purtscheller, Die nationale Internationale“, in: Wolfgang Purtscheller, Hg., Die Ordnung, die sie meinen. „Neue Rechte“ in Österreich, Wien 1994b, 72-99. Pollak, Alexander, Richterliche Unbefangenheit auf dem Prüfstand (1), in: Informationen der Gesellschaft für politische Aufklärung 68 (2001), 8-11. Pruckner, Othmar, Eine kurze Geschichte der Grünen. Ereignisse, Persönlichkeiten, Jahreszahlen, Wien 2005. Puntscher-Riekmann, Sonja, Die Grüne Alternative, in: Wolfgang Mantl, Hg., Politik in Österreich. Die Zweite Republik: Bestand und Wandel, Wien, Köln und Graz 1992, 405-428. Purtscheller, Wolfgang, Hg., Die Rechte in Bewegung. Seilschaften und Vernetzungen der „Neuen Rechten“, Wien 1995. Purtscheller, Wolfgang, Hg., Die Ordnung, die sie meinen. „Neue Rechte“ in Österreich, Wien 1994a. Purtscheller, Wolfgang u. Heribert Schiedel, Theorien der „Neuen Rechten“, in: Wolfgang Purtscheller, Hg., Die Ordnung, die sie meinen. „Neue Rechte“ in Österreich, Wien 1994b, 15-46. Purtscheller, Wolfgang, Aufbruch der Völkischen. Das braune Netzwerk, Wien 1993. Puschner, Uwe, Arbeit „an einer rassischen Wiedergeburt unseres Volkes durch eine germanisch-religiöse Reform und eine allseitige germanische Lebenserneuerung“. Grundlagen, Entwürfe und Ausformungen völkischer Religion im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, in: Marc Cluet u. Catherine Repussard, Hg., „Lebensreform“, Tübingen 2013, 251-264. Rösch-Wehinger, Anna, Die Grünen in Vorarlberg. Von den sozialen Bewegungen zur Partei, Innsbruck 2009. Schandl, Franz u. Gerhard Schattauer, Die Grünen in Österreich. Entwicklung und Konsolidierung einer politischen Kraft, Wien 1996. Schandl, Franz, Die grüne Ideologie, in: Karl Lind, Hg., Nur kein Rhabarber! Auseinandersetzungen mit grüner Politik in Österreich, Wien 1988, 141-192. Schaller, Christian, Parteien und Wahlen in Kärnten, in: Österreichisches Jahrbuch für Politik Sonderband (1992a), 83-160. Schaller, Christian, Parteien und Wahlen im Burgenland, in: Österreichisches Jahrbuch für Politik Sonderband (1992b), 27-82. Schattauer, Gerhard, Die Grüne Einigung. Die Grünalternativen zwischen Organisation und Kandidatur. Zur Auseinandersetzung um den politischen Charakter der österreichischen Grünalternativen von der Hainburgbewegung bis zu den Nationalratswahlen 1986, unveröffentlichte phil. Diss., Universität Wien 1993. Schattauer, Gerhard, Zur Rolle der Alternativen Liste Österreich (ALÖ) im grünalternativen Parteibildungsprozess. Von der Vorgeschichte des ökologischen Protestes über die Neuen Sozialen

- 202 -

Bewegungen bis zum Absamer Bundeskongress der ALÖ im Februar 1985, unveröffentlichte phil. Diplomarbeit, Universität Wien 1988. Schiedel, Heribert, „Mutter Erde“ statt „Blut und Boden“: Die ökologisch-spirituelle Erneuerung des Faschismus“, in: Wolfgang Purtscheller, Hg., Die Ordnung, die sie meinen. „Neue Rechte“ in Österreich, Wien 1994, 124-149. Schleich, Margarete, Die Volksabstimmung über Zwentendorf. Warum Österreichs erstes Kernkraftwerk nicht in Betrieb gegangen ist, unveröffentlichte phil. Diplomarbeit, Universität Graz 2008. Schmidt, Anna, Auf die sanfte Tour. Frauen in der rechtsextremen Umweltszene, in: Politische Ökologie 131 (2012), 72-77. Schultz, Susanne, Bevölkerungspolitik. Hegemoniale Diskurse im Umfeld der Weltbevölkerungskonferenz, in: Gero Fischer u. Maria Wölfingseder, Hg., Biologismus, Rassismus, Nationalismus, Wien 1995, 134- 141. Schulze, Annett u. Thorsten Schäfer, Hg., Zur Re-Biologisierung der Gesellschaft. Menschenfeindliche Konstruktionen im Ökologischen und im Sozialen. Mit einem Vorwort von Alex Demirović, Aschaffen- burg 2012. Schulze, Annett u. Thorsten Schäfer, Einleitung, in: Annett Schulze u. Thorsten Schäfer, Hg., Zur Re- Biologisierung der Gesellschaft, Aschaffenburg 2012a, 7-22. Schulze, Annett u. Thorsten Schäfer, „Von gesunden Körpern und natürlicher Gesellschaft“. Normierungen in Wirtschaft, Politik und Wissenschaft, in: Dies., Hg., Zur Re-Biologisierung der Gesellschaft, Aschaffenburg 2012b, 23-94. Schwagerl, Hans Joachim, Rechtsextremes Denken. Merkmale und Methoden, Frankfurt am Main 1993. Schweidlenka, Roman, New Age und Faschismus, in: Martina Kirfel u. Walter Oswalt, Hg., Die Rückkehr der Führer. Modernisierter Rechtsradikalismus in Westeuropa, Wien u. Zürich 1989, 240-242. Sichler, Ralph, Ganzheitliche Naturerfahrung oder kreative Naturpolitik? Eine Kritik moderner Fluchtbewegungen ins verlorene Weltganze, in: Gero Fischer u. Maria Wölfingseder, Hg., Biologismus, Rassismus, Nationalismus, Wien 1995, 63-74. Sommer, Franz, Die Landtagswahl in Kärnten vom 30. September 1984, in: Österreichisches Jahrbuch für Politik 1984 (1985), 67-75. Speit, Andreas, „Umweltschutz ist nicht grün“. „U&A“ - das Ökomagazin der Rechten, in: Politische Ökologie 131 (2012), 65-71. Staud, Toralf, Braune Grüne. Wie Rechtsextremisten in der Ökoszene mitmischen, in: Heinrich-Böll-Stiftung, Hg., Braune Ökologen, Berlin 2012a, 14-17. Staud, Toralf, Gut getarnt auf Stimmenfang. Braune Grüne, in: Politische Ökologie 131 (2012b), 17-22. Stöss, Richard, Vom Nationalismus zum Umweltschutz. Die Deutsche Gemeinschaft/Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher im Parteiensystem der Bundesrepublik, Opladen 1980a. Stöss, Richard, Konservative Tendenzen in der Ökologiebewegung – einige Thesen, in: Jan Peters, Hg., Nationaler „Sozialismus“ von rechts, Berlin 1980b, 44-47. Stöss, Richard, Konservative Aspekte der Ökologie- bzw. Alternativbewegung, in: Ästhetik und Kommunikation. Beiträge zur politischen Erziehung (1979), Heft 36, 19-28. Straubinger, Johannes, Naturkatastrophe Mensch. Ende oder Wende, Salzburg 2009.

- 203 -

Studentischer Sprecherrat der Universität München, Hg., Alte Herren – Neue Rechte. Rechte Normalität in Hochschule und Wissenschaft, Aschaffenburg 2001. Taschwer, Klaus u. Benedikt Föger, Konrad Lorenz. Biographie, München 2009. Trepl, Ludwig, Original und Fälschung. Die Rolle der Natur im Konservatismus und im Nationalsozialismus, in: Politische Ökologie 131 (2012), 24-31. Uekötter, Frank, Wie grün waren die Nazis? Eine kurze Umweltgeschichte von 1933 bis 1945, in: Politische Ökologie 131 (2012), 32-38. Vanek, Marco, Von der Bewegung zur Partei. Die Entwicklungsgeschichte der Grünen in Oberösterreich, Schwanenstadt 2001. Volmer, Ludger, Die Grünen. Von der Protestbewegung zur etablierten Partei. Eine Bilanz, München 2009. Vondung, Klaus, Von der völkischen Religiosität zur politischen Religion des Nationalsozialismus. Kontinuität oder neue Qualität?, in: Marc Cluet u. Catherine Repussard, Hg., „Lebensreform“. Die soziale Dynamik der politischen Ohnmacht, Tübingen 2013, 237-250. Walter, Franz, Charismatiker und Effizienzen. Porträts aus 60 Jahren Bundesrepublik, Frankfurt am Main 2009. Wassermann, Heinz Peter, Hg., Antisemitismus in Österreich nach 1945. Ergebnisse, Positionen und Perspektiven der Forschung, Innsbruck u.a. 2002. Wohnout, Helmut, Rechtsextremismus, Rechtspopulismus und ihre Rückwirkungen auf das österreichische politische System. Eine Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Rolle der FPÖ, in: Österreichisches Jahrbuch für Politik 1993 (1994), 381-400. Wölfingseder, Maria, Biologismus – „Natur als Politik“. New-Age und Neue Rechte als Vorreiter einer (wieder) etablierten Ideologie, in: Gero Fischer u. Maria Wölfingseder, Hg., Biologismus, Rassismus, Nationalismus, Wien 1995, 22-36. Wölk, Volkmar, Neue Trends im ökofaschistischen Netzwerk. Am Beispiel der Anthroposophen, dem Weltbund zum Schutze des Lebens und der ÖDP, in: Raimund Hethey u. Peter Kratz, In bester Gesellschaft, Göttingen 1991, 119-140. Wurz, Lukas, Ein grüner Platz im Zwei-Parteien-Staat. In Österreich etablieren sich die Grünen weiter – Probleme inklusive, in: Heinrich-Böll-Stiftung, Hg., Die Grünen in Europa. Ein Handbuch, Münster 2004, 106-120. Zander, Helmut, Anthroposophische Rassentheorie. Der Geist auf dem Weg durch die Rassengeschichte, in: Stefanie v. Schnurbein u. Justus H. Ulbricht, Hg., Völkische Religion und Krisen der Moderne, Würzburg 2001, 292-341.

7.2 Weiterführende Literatur

Bierl, Peter, Feindbild Mensch. Ökofaschismus, Esoterik und Biozentrismus und ihre Verbindungslinien, in: Elterninitiative zur Hilfe gegen seelische Abhängigkeit und religiösen Extremismus u. ADK, Rassismus im neuen(?) Gewand, München 2012, 104-141. (http://www.sektenwatch.de/drupal/sites/default/files/- files/2012.pdf.) Bierl, Peter, Wurzelrassen, Erzengel und Volksgeister. Die Anthroposophie Rudolf Steiners und die Waldorfpädagogik, in: Elterninitiative zur Hilfe gegen seelische Abhängigkeit und religiösen Extremismus u. ADK, Rassismus im neuen(?) Gewand, München 2012, 142-167. (http://www.sekten- watch.de/drupal/sites/default/files/files/2012.pdf.) - 204 -

Christoph, Franz u. Christian Mürner, Der Gesundheits-Fetisch. Über Inhumanes in der Ökologiebewegung, Heidelberg 1990. Deichmann, Ute, Biologen unter Hitler. Vertreibung, Karrieren, Forschungsförderung, Frankfurt am Main 1992. Dülmen, Richard van, Hg., Erfindung des Menschen. Schöpfungsträume und Körperbilder. 1500-2000, Wien, Köln u. Weimar 1998. Engels, Jens Ivo, „Hohe Zeit“ und „dicker Strich“: Vergangenheitsdeutung und -bewahrung im westdeutschen Naturschutz nach dem Zweiten Weltkrieg, in: Joachim Radkau u. Frank Uekötter, Hg., Naturschutz und Nationalsozialismus, Frankfurt am Main u. New York 2003, 363-404. Galow-Bergemann, Lothar, Heuschrecken, Gier und Weltverschwörung. Regressiver Antikapitalismus und das antisemitische Ressentiment, in: Elterninitiative zur Hilfe gegen seelische Abhängigkeit und religiösen Extremismus u. ADK, Rassismus im neuen(?) Gewand, München 2012, 76-103. Gerhard, Gesine, Richard Walther Darré – Naturschützer oder „Rassenzüchter“, in: Joachim Radkau u. Frank Uekötter, Hg., Naturschutz und Nationalsozialismus, Frankfurt am Main u. New York 2003, 257-271. Gugenberger, Eduard u. Roman Schweidlenka, Die Fäden der Nornen. Zur Macht der Mythen in politischen Bewegungen, Wien 1993. Gugenberger, Eduard u. Roman Schweidlenka, Hg., Missbrauchte Sehnsüchte? Esoterische Wege zum Heil. Kritik und Alternativen, Wien 1992. Hanke, Christine, Wissenschaftliche Konstruktionen von „Rasse“ und „Geschlecht“ in der Anthropologie um 1900, in: AG gegen Rassismus in den Lebenswissenschaften, Hg., Gemachte Differenz, Münster 2009, 140-164. Heinrich-Böll-Stiftung, Hg., Braune Ökologen. Hintergründe und Strukturen am Beispiel Mecklenburg- Vorpommerns, Berlin 2012. (http://www.boell.de/sites/default/files/Braune-Oekologen.pdf.) Hermand, Jost, Krieg und Frieden im deutschen Wald, in: Klaus Garber u.a., Hg., Erfahrung und Deutung von Krieg und Frieden, München 2001, 827-834. Hermand, Jost, Hg., Mit den Bäumen sterben die Menschen. Zur Kulturgeschichte der Ökologie, Köln, Weimar u. Wien 1993. Hermand, Jost, „Erst die Bäume, dann wir!“ Proteste gegen das Abholzen der deutschen Wälder 1780-1950, in: Ders., Hg., Mit den Bäumen sterben die Menschen, Köln, Weimar u. Wien 1993, 1-23. Hermand, Jost, Nationalistische Phrase oder Ausdruck ökologischen Bewusstseins? Das „Heimatschutz“-Kon- zept um 1900, in: Hubert Orlowski, Hg., Heimat und Heimatliteratur in Vergangenheit und Gegenwart, Poznań 1993, 43-53. Hermand, Jost, Grüne Utopien in Deutschland. Zur Geschichte des ökologischen Bewusstseins, Frankfurt am Main 1991. Jahn, Thomas u. Peter Wehling, „Wir sind die nationalen Umweltschützer…“ Konturen einer Ökologie von rechts in der Bundesrepublik Deutschland, in: Soziale Welt 42 (1991), Heft 1, 473-488. Jahn, Thomas u. Peter Wehling, Ökologie von rechts. Nationalismus und Umweltschutz bei der Neuen Rechten und den „Republikanern“. Mit Beiträgen von Karola Brede, Alfred Krovoza, Hans-Gerd Jaschke und Konrad Schacht, Frankfurt am Main u. New York 1990. Kleinert, Hubert, Die Grünen in Deutschland, in: Heinrich-Böll-Stiftung, Hg., Die Grünen in Europa. Ein Handbuch, Münster 2004, 58-82.

- 205 -

Kluge, Thomas, Gesellschaft, Natur, Technik. Zur lebensphilosophischen und ökologischen Kritik von Technik und Gesellschaft, Opladen 1985. Knaut, Andreas, Zurück zur Natur! Die Wurzeln der Ökologiebewegung, veröffentlicht als: Supplement 1/1993 zum Jahrbuch für Naturschutz und Landschaftspflege. Linse, Ulrich, Das „natürliche“ Leben: Die Lebensreform, in: Richard van Dülmen, Hg., Erfindung des Menschen. Schöpfungsträume und Körperbilder. 1500-2000, Wien, Köln u. Weimar 1998, 435-456. Linse, Ulrich, Ökopax und Anarchie. Eine Geschichte der ökologischen Bewegungen in Deutschland, München 1986. Linse, Ulrich, Hg., Zurück, o Mensch, zur Mutter Erde. Landkommunen in Deutschland. 1890-1933, München 1983. Melzer, Jörg, Vollwerternährung. Diätetik, Naturheilkunde, Nationalsozialismus, sozialer Anspruch, Stuttgart 2003. Morris-Keitel, Helen G. u. Peter Morris-Keitel, Von der Utopie zur Ökophobie. Ökologisches Engagement in der deutschen Literatur seit 1972, in: Margarete Maurer u. Otmar Höll, Hg., „Natur“ als Politikum, Wien 2003, 507-521. Nüchter, Oliver, Denkfiguren völkisch autoritärer Ökologie. Im Vater- oder Mutterland, in: Heinrich-Böll- Stiftung, Hg., Braune Ökologen, Berlin 2012, 20-38. Nüchter, Oliver, Konzepte rechter Ökologie. Am Beispiel der Debatte über die Überbevölkerung, unveröffent- lichte phil. Diplomarbeit, Universität Frankfurt am Main 1998. Orlowski, Hubert, Hg., Heimat und Heimatliteratur in Vergangenheit und Gegenwart, Poznań 1993. Ott, Konrad, „Heimat“ – Argumente als Naturschutzbegründungen in Vergangenheit und Gegenwart, in: Bundesamt für Naturschutz, Hg., Heimat und Naturschutz, Bonn u. Bad Godesberg 2007, 43-65. Plasser, Fritz u. Franz Sommer, Eine „grüne“ Premiere. Analyse der Landtagswahlen 1984, in: Österreichisches Jahrbuch für Politik 1984 (1985), 55-65. Pollak, Alexander u. Ruth Wodak, Der ausgebliebene Skandal. Diskurshistorische Untersuchung eines Wiener Gerichtsurteils, Wien 2001. Radkau, Joachim u. Frank Uekötter, Hg., Naturschutz und Nationalsozialismus, Frankfurt am Main u. New York 2003. Rollins, William, „Bund Heimatschutz“. Zur Integration von Ästhetik und Ökologie, in: Jost Hermand, Hg., Mit den Bäumen sterben die Menschen, Köln, Weimar u. Wien 1993, 149-181. Schmoll, Friedemann, Die Verteidigung organischer Ordnungen: Naturschutz und Antisemitismus zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus, in: Joachim Radkau u. Frank Uekötter, Hg., Naturschutz und Nationalsozialismus, Frankfurt am Main u. New York 2003, 169-182. Schnurbein, Stefanie v. u. Justus H. Ulbricht, Hg., Völkische Religion und Krisen der Moderne. Entwürfe „arteigener“ Glaubenssysteme seit der Jahrhundertwende, Würzburg 2001. Schweidlenka, Roman, Deep Ecology. Der neue Trend zur spirituellen Ökologie, in: Ders. u. Eduard Gugenberger, Hg., Missbrauchte Sehnsüchte?, Wien 1992, 134-137. Sieferle, Rolf Dieter, Fortschrittsfeinde? Opposition gegen Technik und Industrie von der Romantik bis zur Gegenwart, München 1984. Speit, Andreas, Projekte und Positionen völkischer Ökologie, in: Heinrich-Böll-Stiftung, Hg., Braune Ökologen, Berlin 2012, 62-73.

- 206 -

Wölk, Volkmar, Natur und Mythos. Ökologiekonzeptionen der „Neuen“ Rechten im Spannungsfeld zwischen Blut und Boden und New Age, Duisburg 1992. Wüst, Jürgen, Konservatismus und Ökologiebewegung. Eine Untersuchung im Spannungsfeld von Partei, Bewegung und Ideologie am Beispiel der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP), Frankfurt am Main 1993. Zeller, Thomas, „Ganz Deutschland sein Garten“: Alwin Seifert und die Landschaft des Nationalsozialismus, in: Joachim Radkau u. Frank Uekötter, Hg., Naturschutz und Nationalsozialismus, Frankfurt am Main u. New York 2003, 273-307.

- 207 -

8 Quellenverzeichnis

8.1 Schriften

Amend, Christoph u. Patrik Schwarz, Hg., Die Grünen. Das Buch, Hamburg 2011. Buchner, Josef, Aktionen gegen die Umweltvergiftung in Linz, in: Werner Katzmann u.a., Umdenken. Analysen grüner Politik in Österreich, Wien 1984, 178-187. Brun, Rudolf, Hg., Der grüne Protest. Herausforderung durch die Umweltparteien, Frankfurt am Main 1978. Carson, Rachel, Silent Spring, Boston 1962. (deutsch: Der stumme Frühling. Aus dem Amerikanischen übertragen von Margaret Auer, München 1963.) Die Grünen Baden-Württemberg, Rechte Grüne? Zwischenbericht der Kommission „Rechtsextreme Unterwanderung der Grünen und nahestehender Vereinigungen“ der Grünen Baden-Württemberg, Stuttgart 1982. Ehrlich, Paul R., The Population Bomb, New York 1968. (deutsch: Die Bevölkerungsbombe, München 1971.) Engels, Sabine, Umweltpolitik der Freiheitlichen, in: Werner Katzmann u.a., Umdenken. Analysen grüner Politik in Österreich, Wien 1984, 57-71. Farkas, Reinhard, Grüne Wurzeln. Ökologische & spirituelle Reform in der Steiermark. Mit Beiträgen von Charlotte Anderle, Ingrid Habersack, Doris Pesendorfer und Harald Vetter, Fohnsdorf 1992. Fogt, Helmut, Die Grünen und die Neue Linke. Zum innerparteilichen Einfluss des organisierten Linksextremis- mus, in: Manfred Langner, Hg., Die Grünen auf dem Prüfstand. Analyse einer Partei. Mit einem Vorwort von Hans-Peter Schwarz, Bergisch Gladbach 1987, 129-208. Gronner, Ali, Eckpfeiler grüner Politik, in: Karl Lind, Hg., Nur kein Rhabarber! Auseinandersetzungen mit grüner Politik in Österreich, Wien 1988a, 61-77. Gronner, Ali u. Erich Kitzmüller, Hg., Grüne Ausblicke. Beiträge zu einer Politik der Grünen, Wien 1988b. Gronner, Ali, VGÖ und ALÖ. Grün-alternative Gruppierungen in Österreich, in: Werner Katzmann u.a., Umdenken. Analysen grüner Politik in Österreich, Wien 1984, 79-105. Grüne Akademie, Hg., Die ersten 20 Jahre. Eine kurze Geschichte der steirischen Grünen. Mit einem Vorwort von Karl Kaser und Betrachtungen zur Zukunft der steirischen Grünen von Ingrid Lechner-Sonnek, Graz 2005. Grüne Bildungswerkstatt, Hg., 20 Jahre Grünes Vorarlberg. Widerständig und ideenreich, Bregenz 2004. Grüne Bildungswerkstatt, Hg., Die Republik im Fieber. Erste Diagnose. Ein Jahr Grün-Alternative im Parlament, Graz 1988. Grüner Klub im Parlament 1986-1996, Hg., Allzu hohes Haus. Zehn Jahre Grüner Klub im Parlament. Materialien. Fotografien. Dokumente, Wien 1996. Gruhl, Herbert, Himmelfahrt ins Nichts. Der geplünderte Planet vor dem Ende, München 1992. Gruhl, Herbert, Der materielle Fortschritt und die Reduzierung der Menschlichkeit, in: Hans-Werner Lüdke u. Olaf Dinné, Die Grünen. Personen – Projekte – Programme, Stuttgart 1980, 22-35. Gruhl, Herbert, Die grüne Notwendigkeit, in: Rudolf Brun, Hg., Der grüne Protest. Herausforderung durch die Umweltparteien, Frankfurt am Main 1978, 117-125. Gruhl, Herbert, Ein Planet wird geplündert. Die Schreckensbilanz unserer Politik, Frankfurt am Main 1975.

- 208 -

Hofbauer, Hannes, Zwang und Bedürfnis, grün zu sein. Erlebnisse aus 10 Jahren, in: Karl Lind, Hg., Nur kein Rhabarber!, Wien 1988, 35-59. Huber, Joseph, Die verlorene Unschuld der Ökologie. Neue Technologien und superindustrielle Entwicklung. Aktualisierte Ausgabe, Frankfurt am Main 1986. Klug, Franz, Grünes Denken. Die Arbeit am Selbst, die Grundwerte und der philosophische Rahmen, Innsbruck 2000. Kommunistische Partei Österreichs, Hg., Grüne Alternative + Kommunisten, Wien 1983. Lind, Karl, Von der Mühsal der Ebenen und der Lust der Höhen. Die Geschichte einer Grünen Bewegung, Sammlung, (R)Einigung und des Einzugs ins Haus der Politik, in: Karl Lind, Hg., Nur kein Rhabarber!, Wien 1988, 9-33. Lorenz, Konrad, Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit, München 231993. Lorenz, Konrad, Das sogenannte Böse. Zur Naturgeschichte der Aggression, München 1983 [zuerst 1963]. Lötsch, Bernd, 30 Jahre danach. Wenn Zwentendorf heute in Betrieb wäre, in: Heimo Halbrainer, Elke Murlasits u. Sigrid Schönfelder, Hg., Kein Kernkraftwerk in Zwentendorf! 30 Jahre danach, Weitra 2008, 13-16. Lüdke, Hans-Werner u. Olaf Dinné, Die Grünen. Personen – Projekte – Programme, Stuttgart 1980. Maren-Grisebach, Manon, Philosophie der Grünen, München 1982. Meadows, Dennis L. u.a., The Limits to growth, New York 1972. (deutsch: Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit. Aus dem Amerikanischen von Hans-Dieter Heck, Stuttgart 1972.) Mittler, Christoph, Der Marsch 21.5.1977 – 30.5.1977 (Zu Fuß von Salzburg nach Zwentendorf), in: Heimo Halbrainer, Elke Murlasits u. Sigrid Schönfelder, Hg., Kein Kernkraftwerk in Zwentendorf! 30 Jahre danach, Weitra 2008, 69-71. Mölzer, Andreas, Hg., Österreich und die deutsche Nation, Graz 1985. Molny, Erika, Ein neues Babylon überleben, in: Ali Gronner u. Erich Kitzmüller, Hg., Grüne Ausblicke, Wien 1988, 67-75. N. N., Wir sind eben doch Deutsche. Gespräch über nationalrevolutionäre Perspektiven, in: Ästhetik und Kommunikation. Beiträge zur politischen Erziehung (1979), Heft 36, 125-130. Oberösterreichisches Ärztememorandum 1975, in: Heimo Halbrainer, Elke Murlasits u. Sigrid Schönfelder, Hg., Kein Kernkraftwerk in Zwentendorf! 30 Jahre danach, Weitra 2008, 66. Peters, Jan, Rechtsextremisten als Umweltschützer, Berlin 1980a. Peters, Jan, Hg., Nationaler „Sozialismus“ von rechts, Berlin 1980b. Pfaffenwimmer, Günther Franz, Der Vorsitzende erzählt über die IÖAG, in: Heimo Halbrainer, Elke Murlasits u. Sigrid Schönfelder, Hg., Kein Kernkraftwerk in Zwentendorf! 30 Jahre danach, Weitra 2008, 225-242. Pilz, Peter, Grün ist anders. Oder nicht, in: Ali Gronner u. Erich Kitzmüller, Hg., Grüne Ausblicke, Wien 1988, 96-111. Possert, Rainer, Tiroler Erinnerungen an den Marsch, in: Heimo Halbrainer, Elke Murlasits u. Sigrid Schönfelder, Hg., Kein Kernkraftwerk in Zwentendorf! 30 Jahre danach, Weitra 2008, 72-83. Probst, Stefan, Grüne Grundwerte. Überlegungen zu den ethischen Grundlagen grüner Politik, Wien 2012. Rammstedt, Otthein, Rot plus Braun gleich Grün?, in: Jan Peters, Rechtsextremisten als Umweltschützer, Berlin 1980, 14-17.

- 209 -

Roschall, Fritz, Natur- und Umweltschutz als nationale Aufgabe, in: Andreas Mölzer, Hg., Österreich und die deutsche Nation, Graz 1985, 425-436. Schulz, Hans-Christoph u. Dietrich Schulze-Marmeling, „Konservative Revolution“, in: Jan Peters, Hg., Nationaler „Sozialismus“ von rechts, Berlin 1980, 38-40. Schulz, Hans-Christoph u. Dietrich Schulze-Marmeling, Was will die „Neue Rechte“? Nationalrevolutionäre und Solidaristen in der grünen/alternativen „Szene“, in: Jan Peters, Hg., Nationaler „Sozialismus“ von rechts, Berlin 1980, 48-55. Schumacher, Ernst Friedrich, Small is Beautiful. (A Study of) Economics as if People Mattered, London 1973. (deutsch: Die Rückkehr zum menschlichen Maß. Alternativen für Wirtschaft und Politik. „Small is Beautiful“, Reinbek 1977). Schwab, Günther, Mensch ohne Volk, Leipzig 1935. Schwab, Günther, Der Tanz mit dem Teufel. Ein abenteuerliches Interview, Hannover 1958. Soyka, Hermann, Organisatorische und diskursive Vernetzung zwischen Gruppen und Personen. Der ‚Bund für Volksgesundheit‘. Proseminar-Arbeit zur Einführung in das Studium der Geschichte der Neuzeit, unveröffentlichte Proseminararbeit, Universität Graz, 2007. Soyka, Hermann, Der Weltbund zum Schutze des Lebens (WSL). Die Gründerpersönlichkeit Günther Schwab und die von ihm geschaffene Organisation, unveröffentlichte Seminararbeit, Universität Graz, 2012. Springmann, Baldur, Alma oder die Ordnung auf dem Lande, in: Hans-Werner Lüdke u. Olaf Dinné, Die Grünen, Stuttgart 1980, 146-151. Strelow, Heinz-Siegfried, Aufstieg und Niedergang konservativer Umweltparteien in Europa, in: Naturkonservativ heute. Jahrbuch der Herbert-Gruhl-Gesellschaft (2006), 98-112. Strelow, Heinz-Siegfried, Das verlorene Grün der Konservativen, in: Klaus Motschmann, Hg., Abschied vom Abendland? Die Moderne in der Krise, Graz u. Stuttgart 1997, 158-167. Voggenhuber, Johannes, Es ist keine kleine Zeit, in: Grüner Klub im Parlament 1986-1996, Hg., Allzu hohes Haus, Wien 1996, 6f. Wabl, Andreas, Die Welt wurde verändert, in: Grüner Klub im Parlament 1986-1996, Hg., Allzu hohes Haus, Wien 1996, 8f. Weish, Peter, Das verlorene Urvertrauen, in: Heimo Halbrainer, Elke Murlasits u. Sigrid Schönfelder, Hg., Kein Kernkraftwerk in Zwentendorf!, Weitra 2008, 17-51. Weish, Peter, Grüne Ideale und die Wirklichkeit in der Kommunikation, in: Ali Gronner u. Erich Kitzmüller, Hg., Grüne Ausblicke, Wien 1988, 196-206. Weisman, Alan, Countdown. Our Last, Best Hope for a Future on Earth?, New York 2013. (deutsch: Countdown. Hat die Erde eine Zukunft?, München 2013.) Witzany, Friedrich, Ein Kernkraftwerk für St. Pantaleon?, in: Heimo Halbrainer, Elke Murlasits u. Sigrid Schönfelder, Hg., Kein Kernkraftwerk in Zwentendorf!, Weitra 2008a, 52-61. Witzany, Friedrich, Ein Denkmal für Alfred Tisserand, in: Heimo Halbrainer, Elke Murlasits u. Sigrid Schönfelder, Hg., Kein Kernkraftwerk in Zwentendorf!, Weitra 2008b, 62-65. Wobisch, Eberhard, Waldviertler Widerstand gegen Atommülldeponie, in: Heimo Halbrainer, Elke Murlasits u. Sigrid Schönfelder, Hg., Kein Kernkraftwerk in Zwentendorf!, Weitra 2008, 147-161.

- 210 -

8.2 Dokumente

Alternative Liste Österreich, Programmatisches Manifest der Alternativen Liste Österreich (Nationalratswahlen 1983). Alternative Liste Wien, Manifest der Alternativen Liste Wien , in: Netzwerk (1983), Nr. 24. Analyse des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands (DÖW), Der WSL-Ö und sein Verhältnis zum Rechtsextremismus, erstellt im Jahr 2009. Analyse von Peter Bierl, Lebensschutz und Rassenhygiene: Zu den ideologischen Grundlagen des Weltbundes zum Schutz des Lebens (WSL), Bericht vom 1. August 2011. (http://temelin.com/wordpress/wp- content/uploads/2011/08/AnalyseWSL_02082011.pdf.) Arbeitsgemeinschaft, Hg., „Weissbuch Vlotho“, erstellt im Jahr 1983. Brief von Bernd Lötsch, An: Frau Mag. Orthner, Wien am 16. März 2001. Brief von Günter Ofner, Liebe Freunde!, Wien am 15. April 1983. Brief von Günter Ofner, Sehr geehrtes Bundesausschussmitglied!, Wien am 29. April 1983. Brief von Günter Ofner, An das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands, Wien am 17. Jänner 1994. Brief von Inge Rauscher, Werte Mitglieder, liebe Freunde!, Klagenfurt am 24. Juni 1984. Brief von Josef Buchner, Liebes Mitglied der Vereinten Grünen, lieber Grün-Freund, Linz am 21. Oktober 1985. Brief von Leopold Makovsky, An den Geschäftsführenden Ausschuss der ALNÖ, Mödling am 4. März 1986. Brief von Rudolf Simané, An die 2. ordentliche Bundesversammlung der Vereinten Grünen Österreichs, Wien am 28. Mai 1984. Brief von Wolfgang Neugebauer, An die Staatsanwaltschaft Wien, Wien am 8. Juli 1992. Landeszentrale für Umweltaufklärung Rheinland-Pfalz, Naturschutz gegen Rechtsextremismus. Eine Argumentationshilfe, verfasst von Nils. M. Franke, erstellt im Februar 2012. (http://www.umdenken.de/cweb/cgi-bin-noauth/cache/VAL_BLOB/5996/5996/- 1347/brosch%FCre%20downloadversion.pdf.) Notizen von Inge Rauscher zur Landesausschuss-Sitzung der VGÖ-Salzburg vom 20. Dezember 1983 im Hotel „Stieglbräu“, Salzburg. Organisationsstatut der Vereinten Grünen Österreichs (VGÖ), beschlossen von der 1. Ordentlichen Bundesversammlung der VGÖ am 26. 6. 1983 in Salzburg, abgeändert von der 2. Ordentlichen Bundesversammlung der VGÖ am 24. 6. 1984 in Klagenfurt sowie am 27. 1. 1985 in Wien. Protokoll der Bundesausschuss-Sitzung (VGÖ) vom 24. September 1983 in Graz. Protokoll der Bundesausschuss-Sitzung (VGÖ) vom 28. Oktober 1983 in Schloss Walchen. Protokoll der Bundesausschuss-Sitzung (VGÖ) vom 20./21. Jänner 1984 in Villach. Protokoll der Bundesausschuss-Sitzung (VGÖ) vom 17./18. März 1984 in Eidenberg. Protokoll der Klausurtagung des VGÖ-Bundesausschusses vom 30./31. August 1985 in Steyregg. Protokoll der Bundesausschuss-Sitzung (VGÖ) vom 9. November 1985 in Salzburg. Protokoll der 1. Versammlung der VGÖ-Landesorganisation Wien am 31. Mai 1983. Protokoll der 7. Versammlung der VGÖ-Landesorganisation Wien am 21. Juni 1983. Protokoll der 8. Versammlung der VGÖ-Landesorganisation Wien am 27. Juni 1983. Protokoll der Außerordentlichen Mitgliederversammlung der VGÖ-Landesgruppe Wien am 17. Oktober 1983 im Atlantis-Center, Mahlerstrasse 11, 1010 Wien. - 211 -

Protokoll der Vorstandssitzung der VGÖ-Landesorganisation Wien am 31. Oktober 1983. Protokoll der Vorstandssitzung der VGÖ-Landesorganisation Wien am 28. November 1983. Protokoll der 4. Landesausschusssitzung der VGÖ-Landesgruppe Wien am 7. August 1984. Protokoll der 11. Landesausschusssitzung der VGÖ-Landesgruppe Wien am 8. November 1984. Protokoll der 12. Landesausschusssitzung der VGÖ-Landesgruppe Wien am 29. November 1984. Protokoll der 16. Landesausschusssitzung der VGÖ-Landesgruppe Wien am 7. Februar 1985. Protokoll der 4. Landesausschusssitzung der VGÖ-Landesgruppe Wien am 10. Juni 1985. Protokoll der 6. Landesausschusssitzung der VGÖ-Landesgruppe Wien am 4. Juli 1985. Protokoll der 2. Außerordentlichen Landesausschusssitzung der VGÖ-Landesgruppe Wien am 2. September 1985. Protokoll der 11. Landesausschusssitzung der VGÖ-Landesgruppe Wien am 10. Oktober 1985. Protokoll der 3. Außerordentlichen Landesausschusssitzung der VGÖ-Landesgruppe Wien am 14. Oktober 1985. Protokoll der Außerordentlichen Landesversammlung der VGÖ-Wien am 4. Dezember 1985. Protokoll der Landesausschusssitzung der VGÖ-Landesgruppe Wien am 16. Dezember 1985. Protokoll der Landesausschusssitzung der VGÖ-Landesgruppe Wien am 2. Jänner 1986. Resolution der Vereinten Grünen Österreichs-Landesverband Wien, eingebracht von Niklas von Beringe in der Ao. Landesversammlung am 4. Dezember 1985. Thesenpapier des VGÖ-Arbeitskreises Wirtschaft und Soziales vom 18. Jänner 1984. Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz in der Klage von Alfred Bayer gegen den Journalisten Kurt Dieman, Graz am 22. Mai 1986. Urteil des Verfassungsgerichtshofs in der Beschwerdesache des VSStÖ gegen den Bescheid des BMWF, Wien am 15. Dezember 1988. Vereinte Grüne Österreichische Studenten (Grün-alternative Studentenliste) VGÖS, Auszüge der Protokolle von Zentralausschussitzungen 1985-87. Enthalten sind: Alle Anträge und Wortmeldungen der VGÖS.

- 212 -

8.3 Zeitungsartikel

Anschober, Rudolf, Brauner Lack. Wer steckt hinter „Die Grünen“: Ein oberösterreichischer Basta-Mitarbeiter enttarnt die neueste Grün-Gruppierung: Dahinter stecken die Nazis, in: Basta (1985), Nr. 10, 3. Anzenberger, Andreas, Braune Grüne. Der Uni-Ableger einer als neonazistisch erkannten Partei, wegen der die letzten Hochschülerschafts-Wahlen aufgehoben wurden, will auch diesmal antreten, in: Wochenpresse vom 28. April 1989, 32f. Bieber, Horst, „Hurra, die Grünen sind da!“ Aber die Geburtsstunde der neuen Partei birgt bereits den Keim der Spaltung in sich. Die Zeit vom 18. Jänner 1980, in: Christoph Amend u. Patrik Schwarz, Hg., Die Grünen. Das Buch, Hamburg 2011, 146-148. Borochov, Esther, „Grüne“ mit braunem Innenleben. Nazitarnpartei will bei der Kärntner Landtagswahl kandidieren, in: Volksstimme vom 7. September 1984, 4. Brügge, Peter, Konrad Lorenz. Von der Gans aufs Ganze, in: Spiegel vom 07. November 1988, 244-254. (http://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/spiegel/pdf/13530446.) Buchacher, Robert u. Josef Votzi, Basta für Tollmann. Seine bisherigen Mitstreiter nennen ihre Parteichef jetzt „Narr“ und „Amokläufer“, in: Profil vom 28. März 1983, 15-18. Buchner, Josef, Leserbrief. Anno nazimal, in: Profil vom 27. Juli 1987, 6. Cardes, Franz-Joseph, Zur Geschichte der Grünen in Österreich, in: Grüne Zukunft vom Dezember 1982/Jänner 1983, 4-6. Deutz, Monica u.a., Alternativ oder konservativ? Zur jüngeren Geschichte der Alternativbewegung, in: Ästhetik und Kommunikation. Beiträge zur politischen Erziehung (1979), Heft 36, 29-42. Dieman, Kurt, Ins Grüne, ins Grüne…, in: Kleine Zeitung vom 24. März 1985, 4. Dieman, Kurt, „Grün“ als Tarnfarbe, in: Neue Vorarlberger Tageszeitung vom 13. Oktober 1982, 18. Farkas, Reinhard, Nationale Integration statt Religionskampf?, in: Presse vom 11. Mai 2009. (http://diepresse.com/home/meinung/gastkommentar/477984/Nationale-Integration-statt- Religionskampf.) Fulgor, Fred, Ein Verein, der Tollmann gefällt… Einiges über den „Dichterstein Offenhausen“, in: Volksstimme vom 19. März 1983, 5. Geyer, Herbert, Dunkelbraun. Die Wochenpresse wühlte in den burgenländischen Fäkalien. Und stieß dabei auf zwei obskure Parteien, von denen eine sogar behauptet, grün zu sein, in: Wochenpresse vom 12. August 1988, 20f. Gronner, Ali, Von links außen bis zu den Braunen. Grüne in Österreich, in: Tribüne vom September 1982, 12f. Gugenberger, Eduard, Die rechten Fransen an der grünen Jacke. Warum stören nur die „Links-Linken?“, in: Neue Arbeiter-Zeitung vom 8. Oktober 1986, 26. Hochegger, Martin, Leserbrief. Betreffend der Kandidatur von „Die Grünen Österreichs“ (DGÖ), in: Profil vom 18. Jänner 1988, 78. Kinast, Alois u. Christof Parnreiter, Schrebergartenverein VGÖ. Ein Porträt der „Vereinten Grünen Österreichs“, in: MOZ [Grün-alternative Monatsmagazin] vom Jänner 1989, 20f. Kotanko, Christoph, Auf Kopfjagd. Bei den Grünen hat eine wahre Hetzjagd nach attraktiven Galionsfiguren eingesetzt. Jüngstes Opfer: Autor Fritz Wöss, in: Wochenpresse vom 20. Juli 1982, 16. Löffler, Sigrid, Die Grünen vor Wien. Umweltschützer als Einzelkämpfer: G’schichten vom Wahlkampf in Österreich, in: Die Zeit vom 15. April 1983, 73. (http://www.zeit.de/1983/16/die-gruenen-vor-wien.) - 213 -

Maegerle, Anton, Außen grün – innen braun. Ökologie von rechts, in: Tribüne vom 4. Quartal 1997, Heft 144, 66-72. Muzik, Peter u. Astrid Pail, Parteien: Es grünt so grün. ALÖ, BLÖ, VGÖ, VÖG, VÖGA, GRAS, GABL, AGL, PUM, BIP, AUS - ein grünes Chaos par excellence. Wie soll das weitergehen?, in: Trend (1986), Nr. 10, 67-72. N. N., VGÖ-Funktionär will kein „Brauner“ sein, in: Volksstimme vom 27. August 1986, 2. N. N., Sind in VGÖ Rechtsextreme im Vormarsch?, in: Volksstimme vom 27. Februar 1986, 3. N. N., Geht VGÖ jetzt auf grün-braunen Kurs?, in: Neue Arbeiter-Zeitung vom 26. Februar 1986, 6. N. N., Chaos bei den Vereinten Grünen. Wiener Gruppe durfte nicht zur Bundesversammlung – Fux: „Unbeschreiblicher Zirkus“, in: Salzburger Nachrichten vom 24. Februar 1986, 5. N. N., Faules NDP-Grün im Villacher Gemeinderat, Volksstimme vom 11. Dezember 1985, 7. N. N., Grüne drohen: Anfechtung. Buchners Wahlgruppe zwischen Alternativen und Ehemaligen, in: Volksstimme vom 17. September 1985, 2. N. N., Gespräch mit Dr. Bayer, in: Der Völkerfreund (1985), Nr. 3, 8. N. N., Tollmann-Fux versöhnt. Dafür Hanke im Gewitter. Grünes Versteckspiel in Linz vor Happy-End eines skurrilen Streits, in: Kurier vom 28. März 1983, 2. N. N., Tollmann: Keine Abgrenzung nach rechts. Heftige Auseinandersetzungen um Arbeitszeitverkürzung, in: Volksstimme vom 19. März 1983, 3. N. N., Lauter Exoten. Seltsame Namen, seltsame Menschen: Ein Ex-Hypnotiseur, ein Ex-Pornofilmer und eine "Nervensäge im Namen Gottes" führen Österreichs grüne Parteien an – 36 Stück, in: Spiegel vom 17. Jänner 1983, 116f. (http://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/spiegel/pdf/14021257.) Pilch, Günter, Der Vormarsch der grünen Eindringlinge. Sie lösen Allergien aus, verursachen Millionenschäden an Bauwerken und verdrängen heimische Arten: Noch nie waren die Probleme mit eingeschleppten Pflanzen so drastisch wie heuer, in: Kleine Zeitung vom 10. Mai 2013, 14f. Pöschko, Elvira, Repression gegen AtomgegnerInnen in Österreich. Während antifaschistische Anti-Atomkraft- AktivistInnen eingeschüchtert werden, verweigern Oberösterreichs Grüne eine Distanzierung vom ökofaschistischen „Weltbund zum Schutze des Lebens“ (WSL), in: Graswurzelrevolution (2011), Nr. 363, 7. (http://www.graswurzel.net/363/akw-a.shtml.) Schiemer, Alfred, Aus Grün mach Braun. Der neue Verein der Elisabeth Schmitz, in: Volksstimme vom 30. Oktober 1981, 5. Schmiederer, Ernst, „Braune Flecken“. Das Wiener Landesgericht bestätigte, dass die Gruppe „Grüne – Die Grünen Österreichs“ in Wahrheit braun ist, in: Profil am 24. Oktober 1988, 6. Taschwer, Klaus, Konrad Lorenz‘ bester Freund. Sie wurden exakt am gleichen Tag vor 110 Jahren geboren: Konrad Lorenz und Bernhard Hellmann. Die Geschichte einer großen Freundschaft – und ihres tragischen Endes, in: Der Standard vom 6. November 2013, 14. Thimm, Katja, Ruf nach dem Rassepfleger. Wie weit ging Konrad Lorenz‘ Sympathie für die Nazis? Neue Dokumente lassen den „Vater der Graugänse“ als begeisterten Anhänger des NS-Regimes erscheinen, in: Spiegel vom 08. Oktober 2001, 209. Tramontana, Reinhard, Frooonz! Selbst die blutigsten greenhorns hätten wohl nicht für möglich gehalten, wer für die Grünen wahrhaftig kandidieren soll, in: Profil vom 25. Jänner 1982, 60.

- 214 -

Voska, Helmut, „Am besten auflösen…“. Helmut Voska schlich sich unerlaubterweise bei den Grünen ein, in: Profil vom 21. März 1983, 26-30. Votzi, Josef, Griff ins Grüne, in: Profil vom 1. Juni 1982, 18f. Wallner, Johann, Mit unserer Grundsatzerklärung in den Wahlkampf 1983, in: Grüne Zukunft vom Oktober/November 1982, 1. Wegwarte. Mitteilungen der Initiative Heimat & Umwelt (2006), Nr. 3. Wegwarte. Mitteilungen der Initiative Heimat & Umwelt (2006), Nr. 6. Wimmer, Ernst, Konservative „Alternative“. Meissner-Blaus „Grüne Einigung“, in: Volksstimme vom 9. Oktober 1986, 2. Witzany, Friedrich, „HC Strache kann sich ins Fäustchen lachen“. Efgani Dönmez hat Hirn und Herz am jeweils richtigen Fleck, landläufig würde man sagen, er hat einen gesunden Hausverstand, in: Oberösterreichische Nachrichten vom 5. Februar 2014. Gesehen am 03.05.2014. (http://www.nachrichten.at/nachrichten/meinung/leserbriefe/HC-Strache-kann-sich-ins- Faeustchen- lachen;art11086,1298892.) Witzany, Friedrich, Nachruf auf Dr. Fritz Roschall, in: Natur & Land (1993), Nr. 79, 128. (http://www.landesmuseum.at/pdf_frei_remote/nat-land_1993_5-6_0128.pdf.)

- 215 -

8.4 Internetquellen

Ach, Manfred, Ariosophie. Die völkische und rassenreligiöse Szene als Grundlage für die Weltanschauung und die Politreligion des Nationalsozialismus, in: Elterninitiative zur Hilfe gegen seelische Abhängigkeit und religiösen Extremismus u. ADK, Rassismus im neuen(?) Gewand. Braune Esoterik, Verschwö- rungstheorien, Blut-, Boden- und Rassereligionen, München 2012, 3-27. http://www.sektenwatch.de/- drupal/sites/default/files/files/2012.pdf. Antiatom Szene, Bericht DÖW: Der WSL-Ö und sein Verhältnis zum Rechtsextremismus. 6.03.2011. Gesehen am 30.05.2013. http://new.antiatomszene.info/index.php/component/content/article/6-informationen/- 193-bericht-doew-der-wsl-oe-und-sein-verhaeltnis-zum-rechtsextremismus. Antifaschistisches Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin e.V., Heidelberger Kreis. 2005. Gesehen am 31.07.2014. http://www.apabiz.de/archiv/material/Profile/Heidelberger%20Kreis.htm. Arbeitskreis für Lebenskunde e.V., Homepage. Gesehen am 15.06.2014. http://arbeitskreislebenskunde.de. ARGE Ja zur Umwelt, nein zur Atomenergie, Homepage. Gesehen am 20.08.2014. http://www.arge-ja.at. Bierl, Peter, Kein Atom im Volkskörper. Die Anti-AKW-Bewegung in Österreich streitet derzeit heftig. Denn einige Gruppen und die Landesregierung pflegen einen unkritischen Umgang mit rechtsextremen Umweltschützern. 25.08.2011. Gesehen am 30.05.2013. http://jungle-world.com/artikel/2011/- 34/43840.html. Bierl, Peter u. Clemens Heni, Grün-braune Liebe zur Natur. Die NSDAP als „grüne Partei“ und die Lücken der Naturschutzforschung. 2008. Gesehen am 11.06.2013. http://www.kritiknetz.de/images/stories/texte/- Bierl_Heni_NSDAP_als_gruene_Partei.pdf. Blick nach Rechts, Völkischer Tierschützer. 17.04.2014. Gesehen am 15.06.2014. http://www.bnr.de/- artikel/aktuelle-meldungen/voelkischer-tierschuetzer. Brill, Werner, Kollektiver Wahn. Eugenik und Antisemitismus: deutsche Paranoia mit Kontinuität. 2001. Gesehen am 10.06.2013. http://www.wernerbrill.de/downloads/KollektiverWahn.pdf. Brill, Werner, Konrad Lorenz. Ein Beispiel für die Wissenschaft von der „Ausmerze“. o. J. Gesehen am 10.06.2013. http://www.wernerbrill.de/downloads/LorenzKonradAusmerze.pdf. Bundesministerium für Inneres (BM.I), Wahlen. Nationalratswahl vom 23. November 1986. o. J. Gesehen am 21.08.2014. http://www.bmi.gv.at/cms/BMI_wahlen/nationalrat/files/Geschichte/nationalratswahl_- 23111986.pdf. Bundesministerium für Inneres (BM.I), Wahlen. Nationalratswahl vom 24. April 1983. o. J. Gesehen am 21.08.2014. http://www.bmi.gv.at/cms/BMI_wahlen/nationalrat/files/Geschichte/nationalratswahl_- 2441983.pdf. Die Grünen Oberösterreich, Stellungnahme zu den heute verschickten Emails der „Antiatom Szene“, 4. März 2011. Gesehen am 30.05.2013. https://www.facebook.com/notes/die-gr%C3%BCnen- ober%C3%B6sterreich/stellungnahme-zu-den-heute-verschickten-emails-der-antiatom- szene/10150145990148278. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes. Juni 2002. Gesehen am 15.07.2014. http://www.doew.at/erkennen/rechtsextremismus/neues-von-ganz-rechts/archiv/juni-2002/eckart-bote- leugnet-ns-verbrechen.

- 216 -

Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, Neues von ganz rechts. Wechsel in FPÖ Niederösterreich, Mai 1998. Gesehen am 12.08.2014. http://doewweb01.doew.at/projekte/rechts/- chronik/1998_05/fpnoe.html. Elterninitiative zur Hilfe gegen seelische Abhängigkeiten und religiösen Extremismus e.V. u. Bayerische Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Kreise e.V. (ADK), Rassismus im neuen(?) Gewand. Braune Esoterik, Verschwörungstheorien, Blut-, Boden- und Rassereligionen, München 2012. http://www.sektenwatch.de/drupal/sites/default/files/files/2012.pdf. Feldmann, Julian, Völkische Ostern. 22.04.2014. Gesehen am 15.06.2014. http://www.bnr.de/- artikel/hintergrund/voelkische-ostern. Feldmann, Julian, Urdeutsche Weihnachten. 12.12.2013. Gesehen am 15.06.2014. http://www.bnr.de/- artikel/hintergrund/urdeutsche-weihnachten. Feldmann, Julian, Völkisches Treffen im „Deutschen Haus“. 03.04.2013. Gesehen am 15.06.2014. http://www.bnr.de/artikel/hintergrund/voelkisches-treffen-im-deutschen-haus. Jäger, Ludwig, Rechtsprechung und Vergangenheitspolitik. Notizen aus Anlass von Alexander Pollaks und Ruth Wodaks Buch „Der ausgebliebene Skandal“. 24.01.2002. Gesehen am 20.08.2013. https://www.univie.ac.at/linguistics/forschung/wittgenstein/publications/Vortrag-jaeger.pdf. Jordan, Gerhard, Chronik der Grünen Alternative. Die Grüne Alternative als Parlamentspartei (1986-2012). Dezember 2012. Gesehen am 09.06.2013. http://wien.gbw.at/wien/artikelansicht/beitrag/gruene- chronik-ab-1986. Jordan, Gerhard, Die Grüne Alternative: Woher sie kommt. Kurzer Abriss über die Vorgeschichte bis zum Einzug der Grünen in den österreichischen Nationalrat 1986. Sommer 2011. Gesehen am 09.06.2013. https://www.gruene.at/partei/chronik/ueberblick/vorgeschichte-der-gruenen.pdf. Lötsch, Bernd, Konrad Lorenz gegen die Atomenergie. 26.10.1978. Gesehen am 08.03.2013. http://www.youtube.com/watch?v=xM0b2XM8UAk Maegerle, Anton, Völkische Freizeitangebote. 09.06.2011. Gesehen am 15.06.2014. http://www.bnr.de/- content/v-lkische-freizeitangebote. Mückstein, Roland, Kommentare. Zwentendorf und der rechte Flügel der Grün-Bewegung. 15.01.2009. Gesehen am 23.06.2013. http://derbagger.org/artikel/auf_die_stra_en. Müller, Reinhard, Fritz Roschall. August 2012. Gesehen am 30.05.2013. http://agso.uni-graz.at/- sozio/biografien/r/roschall_fritz.htm. NürnbergWiki, Stefan Micko. 30.01.2013. Gesehen am 30.05.2013. http://www.nuernbergwiki.de/- index.php/Stefan_Micko. ORF, Liebe aus dem Internet. o.J. Gesehen am 15.06.2014. http://stmv1.orf.at/magazin/- immergutdrauf/tipps/stories/303742/. ORF, Kreuz und Quer. Wie viel Tier steckt im Menschen? Gänse, Gene und das Gute. 25.02.2014. Gesehen am 08.03.2014. http://tvthek.orf.at/program/Kreuz-Quer/4204899/kreuz-und-quer/7529677. Pichlhöfer, Harald, Der Führer der Graugänse. 09.10.2001. Gesehen am 06.03.2014. http://archive.today/XKXT. Prabel, Wolfgang, Die Ursuppe der Grünen. 05.10.2013. Gesehen am 19.04.2014. http://www.achgut.com/- dadgdx/index.php/dadgd/article/die_ursuppe_der_gruenen. Presseaussendung Antiatom Szene, Rechtsextreme Einflüsse dürfen in der Anti-Atom-Bewegung keinen Platz haben. Land OÖ muss die Diskriminierung von Kritikern umgehend beenden. 11.08.2011. Gesehen am

- 217 -

30.05.2013. http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20110811_OTS0089/rechtsextreme-einfluesse- duerfen-in-der-anti-atom-bewegung-keinen-platz-haben. Reiter, Felix u. Gideon Thalmann, Die Ludendorff Bewegung, in: Elterninitiative zur Hilfe gegen seelische Abhängigkeit und religiösen Extremismus u. ADK, Rassismus im neuen(?) Gewand, München 2012, 168-176. (http://www.sektenwatch.de/drupal/sites/default/files/files/2012.pdf.) Schandl, Franz, Die vierte Kraft. Zur Herausbildung der Grünen in Niederösterreich. 30.09.2008. Gesehen am 05.07.2014. http://www.streifzuege.org/2008/die-vierte-kraft. Schmidt, Volker, Irrwege eines Küken-Vaters. Konrad Lorenz begründete die klassische Verhaltensforschung an Tieren. 25 Jahre nach seinem Tod bleibt auch in Erinnerung, dass er die Rassentheorien der Nazis begrüßte. 27.02.2014. Gesehen am 06.03.2014. http://www.zeit.de/wissen/geschichte/2014-02/konrad- lorenz-naehe-nationalsozialismus. Spiegel TV, Geschichte der Grünen (1). Von der Ökosekte zur Regierungspartei. 12.01.2010. Gesehen am 22.04.2014. http://www.spiegel.de/video/geschichte-der-gruenen-1-von-der-oekosekte-zur-regierungs- partei-video-1040908.html. Stoppt die Rechten, WSL(II): Spaltung und faktisches Ende. 15.02.2012. Gesehen am 30.05.2013. http://www.stopptdierechten.at/2012/02/15/wslii-spaltung-und-faktisches-ende/. Stoppt die Rechten, Der Weltbund zum Schutze des Lebens (WSL) und seine Geschichte. 14.02.2012. Gesehen am 30.05.2013. http://www.stopptdierechten.at/2012/02/14/der-weltbund-zum-schutz-des-lebens-wsl- und-seine-geschichte/. Thalmann, Gideon, Alljährliches braunes Treiben in der Heide. 10.04.2012. Gesehen am 15.06.2014. http://www.bnr.de/artikel/hintergrund/alljaehrliches-braunes-treiben-in-der-heide. Thalmann, Gideon, Holocaust-Relativierung und Kindererziehung. 06.12.2011. Gesehen am 20.06.2014. http://www.publikative.org/2011/12/06/holocaust-relativierung-und-kindererziehung/. Thalmann, Gideon, Gemeinnützige Völkische. 24.08.2011. Gesehen am 15.06.2014. http://www.bnr.de/artikel/- aktuelle-meldungen/gemeinnuetzige-voelkische.

8.5 Radiosendungen

Adlbrecht, Sabrina, Gest., Radiokolleg – Der mit den Tieren redete… Konrad Lorenz – Pionier der Verhaltensforschung, Radio Ö1-Radiokolleg vom 24.2.-27.2.2014, Wien 2014, 60min. Nöstlinger, Elisabeth J., Gest., „Der Forscher, der mit den Tieren sprach.“ Zum 25. Todestag von Konrad Lorenz, Radio Ö1-Salzburger Nachtstudio vom 26.02.2014, Wien 2014, 60 min. Ö1-Mittagsjournale vom: 2. Oktober 1982, 24. Jänner 1983, 9. Februar 1983, 11. März 1983, 24. März 1983, 25. März 1983, 26. März 1983, 28. März 1983, 29. März 1983, 7. April 1983, 8. April 1983, 29. April 1983, 29. Februar 1984, 7. Mai 1984, 6. Oktober 1984, 20. Oktober 1984, 22. Oktober 1984, 23. Oktober 1984, 7. Juli 1986, 16. September 1986, 22. November 1986, 24. November 1986, 8. Jänner 1987, 4. März 1987, 10. November 1987, 17. November 1988. Scholz, Nikolaus, Gest., Der stumme Frühling. Das Zeitalter der Ökologiebewegung, Radio Ö1-Radiokolleg vom 13.02.-16.02.2012, Wien 2009, 92 min.

- 218 -