Bericht Dinosauriergrabung 2016 in

Beginn der Grabung, 24.10.2016 Vorgeschichte 1915 hatten Ferdinand Schalch (Schalch & Peyer, 1919) und 1942 Bernhard Peyer (Peyer 1943) ober- halb von Hallau Fossiliengrabungen an der Trias- Jura-Grenze durchgeführt, die von der Naturfor- schenden Gesellschaft (NGSH) unter- stützt wurden. Dabei kamen im „Rhät-Bonebed“ des obersten Keupers („Rhät“-Tone nach Hofmann, 1981) neben vielen kleinen Knochen und Zähnen von Fischen und Reptilien winzige Zähnchen von Säugetieren zum Vorschein, die auch heute noch zu den weltweit ältesten Säugetieren gehören (Pey- er, 1956; Clemens, 1980). Einige wenige grössere Knochenfragmente wurden dem grossen Dinosauri- er Gresslyosaurus zugeordnet, der schon 1856 aus etwa gleichaltrigen Schichten von Niederschönthal (Kanton Baselland) beschrieben worden war. Nach Lokalität der Grabung Santierge bei Schleitheim (Quelle: www.gis.sh.ch) 1 Fragment eines ursprünglich etwa 50 cm langen Oberarmknochens (Humerus), früher der Dinosauriergat- tung Gresslyosaurus zugeordnet. Der um 1980 von Bruno Sternegg (Opfertshofen) im Acker von Santierge in drei Teilen gefundene Knochen ist im Museum Schleitheimertal ausgestellt. (Foto:Paläontologisches Institut und Museum Zürich)

Absprache mit B. Peyer suchte der in lenmergels“ entstanden und vermutlich mindestens wohnhafte Fossiliensammler Emil Schutz (1916– 210 Millionen Jahre alt sein. 1974) von 1952–1958 intensiv und sehr erfolgreich Im November 2015 studierte der Münchner Dino- nach weiteren Vorkommen des „Rhät-Bonebeds“ im saurier-Spezialist Prof. Dr. Oliver Rauhut (Bayerische . 1954 grub er in „St. Jergen“ (heute San- Staatssammlung für Paläontologie und Geologie) tierge) östlich von Schleitheim einige sehr grosse mit der Studentin Femke Holwerda das in der Zür- Knochen aus, die er 1955 an die Universität Zürich cher Sammlung vorhandene Gresslyosaurus- bzw. sandte. Dort wurden sie präpariert, als Gresslyosau- Plateosaurus-Material aus Hallau und Schleitheim. rus bestimmt und ab 1992 im Paläontologischen Sie kamen zur Überzeugung, dass es sich bei den Museum der Universität Zürich ausgestellt. Knochen um die Reste einer neuen Dinosaurier- Galton (1986) stellte diese Knochen zu Plateosau- art handelt, die sich durch Knochenmerkmale und rus engelhardti, einem prosauropoden Dinosaurier, grössere Dimensionen von Plateosaurus und Gress- der in Süddeutschland und in der Nordschweiz (v.a. lyosaurus unterscheide. Frick) auch durch zusammenhängende Skelette bekannt ist. Bei palynostratigraphischen Untersu- Bei anschliessenden Nachforschungen durch Dr. H. chungen des Trias/Jura-Profils von Hallau durch Furrer (ehemaliger Kurator des Paläontologischen Achilles & Schlatter (1986) konnte das Rhät (die Museums Zürich) im Museum zu Allerheiligen (mit oberste Stufe der Trias, vor etwa 201–208 Millionen Urs Weibel), im Ortsmuseum Neunkirch (Martin Jahren) nicht nachgewiesen werden. Wahrscheinlich Wäckerlin) und Museum Schleitheimertal (Willi ist also die als „Rhät-Bonebed“ bezeichnete Fund- Bächtold) zeigte sich, dass noch weitere, bisher schicht nicht rhätischen Alters, sondern dürfte durch unbeschriebene Dinosaurierknochen vorliegen; Umlagerung älterer Schichten des norischen „Knol- insbesondere aus der Fundstelle Santierge östlich

2 Grabung 2016 Nach mehreren Monaten Vorbereitungs- und Pla- nungsarbeiten durch H. Furrer und I. Stössel began- nen die Feldarbeiten plangemäss und in Absprache mit dem Grundeigentümer und der Gemeinde Schleitheim am Montag, 24. Oktober 2016. Mit Unterstützung eines Raupenbaggers der Firma Jakob Pletscher AG wurde entlang der Westgrenze der GB 1127 Parzelle GB Schleitheim 1118 ein rund 15 m langer und 3 m breiter und aufgrund der Hanglage im Sei- tenriss keilförmiger Graben (Baggerschlitz) geöffnet. Die nahezu horizontal liegende „Zielschicht“ („Rhät- Bonebed“) konnte dabei nach anfänglichen Schwie- GB 1118 rigkeiten lokalisiert werden. Im Südteil des Grabens liegt die Schicht oberflächennah und erwies sich als stark verwittert und durch alte Hangrutschbe- wegungen gestört. Daher wurde der Graben weiter nach Norden in den Hang hinein vorgetrieben, wo die Fundschicht auf rund 2.5 m Tiefe liegt. Mit dem Bagger wurde der Graben auf der ganzen Fläche bis knapp über der Fundschicht ausgeräumt. Trotz der Ungefähres Ausmass des Grabens hier grösseren Tiefe konnten die hangenden (d.h. (Quelle: www.gis.sh.ch) überlagernden) Schichten des Unteren Juras (Psi- von Schleitheim. Es zeigte, sich, dass auch Dr. Rudolf lonotenbank) nicht wie erhofft ebenfalls freigelegt Schlatter, der frühere Konservator des Museums werden. Diese scheinen hier bereits wegerodiert Allerheiligen, 1982 an der von Emil Schutz doku- und durch Hangschutt ersetzt worden zu sein. mentierten Fundstelle grosse Wirbel und andere Ursprünglich war eine seitliche Aufweitung des Gra- Knochenbruchstücke geborgen hatte, die zum Teil in Schleitheim ausgestellt sind.

Dr. H. Furrer und die Naturforschende Gesellschaft Schaffhausen initiierten daher bei der alten Fund- stelle Santierge eine Probegrabung. Dabei sollten mit stratigraphischen und sedimentologischen Untersuchungen auch das Alter, die Verbreitung und Entstehung des Bonebeds geklärt und die Begleit- fauna aus weiteren Reptilien und Fischen studiert werden. Da sich die frühere Fundstelle von E. Schutz und R. Schlatter (auf GB Schleitheim Nr. 1127) heute in einem Naturschutzgebiet befinden, wurde die Lokalität der Grabung etwas weiter östlich in der Nachbarparzelle (GB Schleitheim Nr. 1118) ange- Erster Knochenfund der Grabung 2016 setzt. 3 systematisch durchgegraben und auf Fossilien ab- gesucht. Es wurden rund 100 fossile Knochen und Knochenbruchstücke geborgen. Die Dinosaurierkno- chen dürften aufgrund der Grösse und morpholo- gischen Merkmale zu den Tieren gehört haben, die gemäss Analysen von Prof. O. Rauhut einer neuen Art zuzuordnen sind. Es gilt aber, die detaillierten Auswertungen abzuwarten, bevor konkretere Aussa- gen dazu gemacht werden können.

Neben Dinosaurierknochen fanden sich auch Kno- chen kleinerer Reptilien und Knochen von Fischen (Lungenfischen) sowie vereinzelte noch zu bestim- mende Zähnchen. Relativ häufig waren kohlige Reste von unbestimmbaren Pflanzen. Neben dem Knochenmaterial wurden auch systematisch Materi- alproben genommen (total ca. 250 kg). Diese sollen zu einem späteren Zeitpunkt geschlämmt und auf Kleinstfossilien sowie auf fossile Pollen durchsucht werden. Dadurch soll einerseits die Begleitfauna und damit das Ablagerungsmilieu besser charakterisiert werden, andererseits könnten Pollen (sofern erhal- ten und bestimmbar) eine präzisere Altersdatierung ermöglichen.

Bereits heute lassen sich aufgrund der Ausprägung Bergung eines Knochens durch den Präparator Urs Oberli. der angetroffenen Schichten (Lithologie) sowie der Geometrie der Gesteinskörper gewisse Rückschlüsse bens im Bereich der Zielschicht vorgesehen. Wegen auf das Ablagerungsmilieu ziehen. Karbonatische der grösseren Tiefe und des dadurch stark zuneh- Knollen (Caliche) deuten auf Bodenbildungsprozesse menden Arbeitsaufwandes wurde jedoch darauf unter ariden (wüstenähnlichen) Klimabedingungen. verzichtet. Harte linsenförmige Bänke von Feinkonglomeraten mit kalkig-dolomitischen und mergeligen Kompo- Bereits am Nachmittag des ersten Grabungstages nenten stellen Füllungen von Entwässerungskanälen konnte ein erster grösserer Dinosaurierknochen in einer flachen, mehrheitlich tonigen Küstenebene geborgen werden. Damit bestätigte sich, dass die dar. Diese Linsen bilden zwei durch eine tonige Zwi- früher auf der Nachbarparzelle (GB Schleitheim Nr. schenschicht getrennte Schichtkomplexe auf. 1127) gefundenen Dinosaurierknochen tatsächlich Einige dieser Linsen wurden aufgesägt und ebenfalls aus der vermuteten Fundschicht stammen, und dass beprobt. in dieser Fundschicht Dinosaurierknochen mit einer gewissen Häufigkeit vertreten sind. Vom 24. bis 29. Das Knochenmaterial liegt teilweise in diesen harten Oktober wurde auf der 2.50 x 8.00 m messenden Feinkonglomeraten, teilweise in deren Umgebung Grundfläche des Grabens die gesamte Fundschicht bzw. in der erwähnten Zwischenschicht; in einem 4 Frisch freigelegter Knochen in der tonigen Zwischenschicht.

Fundkomplex von total 25 - 35 cm Dicke. Wie in Rahmen einer Abnahme dem Grundeigentümer und einem solchen Milieu zu erwarten, wurden keine Landwirt wieder übergeben. zusammenhängende Skelettreste gefunden, die Knochen liegen unregelmässig verstreut in dieser Weiteres Vorgehen: Auswertung Ebene. Allerdings kann aufgrund der meist nur ge- Die Fossilfunde gehen nun zunächst in die Präpa- ringen oder gar fehlenden Abrundung der Knochen ration (Atelier Urs Oberli, St. Gallen) und werden auf nur sehr kurze Transportdistanzen geschlossen anschliessend der wissenschaftlichen Auswertung werden; die Tiere scheinen also durchaus in diesem zugeführt. Lebensraum gelebt zu haben bzw. gestorben zu sein. Die Auswertungen werden in wissenschaftlichen Die angetroffenen Verhältnisse wurden detailliert Fachzeitschriften publiziert werden. Die NGSH plant, aufgezeichnet und fotografisch dokumentiert, so im Rahmen ihrer Publikationsreihen die Ergebnisse dass die Dinosaurierfunde in den entsprechenden mit einer Zusammenfassung anschliessend auch für Kontext gestellt werden können. ein breiteres Publikum zu erschliessen.

Nachdem die gesamte durch den Baggerschacht Die wissenschaftlich bedeutsamen Funde sind und eröffnete Fläche systematisch durchsucht worden bleiben Eigentum des Kantons Schaffhausen. Sie war, konnte die Grabung plangemäss am 29. Okto- werden nach Abschluss der Auswertungen dem ber 2016 abgeschlossen werden. Der Baggerschacht Museum zu Allerheiligen zugeführt. wurde am 31. Oktober wiederum durch die Firma Jakob Pletscher AG verfüllt, die Grabungsstelle Medienecho wurde vereinbarungsgemäss mit Unterboden und Nachdem die Medien bereits im Vorfeld ausführlich schliesslich Oberboden wiederhergestellt und im auf die bevorstehende Grabung hingewiesen ha-

5 Schichtprofil der Region Schaffhausen nach F. Hofmann, 1981; Zielhorizont rot markiert. 6 ben (Regionaljournal Radio SRF, Südwest Rundfunk, Schaffhauser Nachrichten, 20Min, NZZ) wurden auch die eigentlichen Arbeiten eingehend doku- mentiert (Regionaljournal Radio SRF, Schaffhausern Nachrichten, Schaffhauser AZ, Klettgauer Bote, Tele Top, Radio Munot).

Grabungsteam An den Grabungsarbeiten waren die folgenden Per- sonen beteiligt: Dr. Heinz Furrer (Grabungsleiter, Wiss. Projektleiter) Urs Oberli (Präparator, St. Gallen) Tobias Reich (Doktorand, Universität Zürich) Silvan Schaub (Volontär) Dr. Rudolf Schlatter (ehemaliger Direktor Naturmu- seum Leipzig) Dr. Iwan Stössel (Projektleiter NGSH)

Dank Die Grabungsarbeiten wurden grosszügig unter- stützt durch einen Beitrag des kantonalen Lotte- riefonds, sowie durch zahlreiche Privatspenden der Mitglieder der Naturforschenden Gesellschaft Schaffhausen.

Die Gesellschaft dankt diesen Sponsoren für die grosszügige Unterstützung, aber auch dem ehren- amtlich arbeitenden Grabungsteam für den grossen Einsatz, auch unter nicht immer einfachen Wetter- verhältnissen. Ein besonderer Dank gebührt dabei natürlich dem Grabungsleiter Dr. H. Furrer.

Die Arbeiten hätten zudem ohne die Unterstützung des Grundstückeigentümers (F. Tenger) und der Ge- meindeverwaltung Schleitheim (insbes. E. Stamm), sowie der kompetenten Baggerarbeiten durch Herrn Pletscher nicht realisiert werden können.

Hauptsponsor:

Lotteriefonds des Kantons Schaffhausen

8. November 2016 / Iwan Stössel / Heinz Furrer 7