KLEINE RENNSPORTWAGEN IM ITALIEN DER NACHKRIEGSZEIT 6. TEIL

Macchine all´ arrabbiata FIAT - ABARTH - ASA - BANDINI - BOTTEGA - CISITALIA - COLLI - ERMINI - GIANNINI - GILCO - MORETTI - - OSCA - SIATA - SIGHINOLFI - STANGA - STANGUELLINI - TARASCHI - TESTADORO - VOLPINI

al dente zubereitet von Hans Jachim 6. Abteilung: Enrico Nardi: der Meistertuner und seine Lenkräder

Wir Alpenländler Motor, 5-Gang-Getriebe, innenliegende Pasta bei Nardis verzehrt haben. Nardi kennen die Marke Bremsen hinten, Frontantrieb! Bereits folgt Ferrari auch, als sich dieser von Alfa Nardi zumeis nur als damals weicht Nardi von den meisten an- trennt und den “Auto Avio 815” entwi- Hersteller von deren Italienern ab, indem er auf aus- ckelt. Nardi testet den “815” auf zig- sportlichen Holz- ländische Triebwerke zurückgreift und tausenden Testkilometern quer durch die lenkrädern. Enrico sehr eigenwillige Konzepte anwendet. In Emilia und sitzt am Beifahrersitz eines der Nardi (1907-1966) Bauweise und Details - so etwa der beiden Auto Avio, die 1940 am Gran Pre- war aber wesentlich Vorderradaufhängung - weist der mio di Brescia - wir wissen schon: dem mehr: charakteris- Chichibio gewisse Ähnlichkeiten mit den -Ersatz auf dem Dreieckskurs tisch für den kleinen “Morgan”-Threewheelern auf, wenngleich Brescia-Cremona-Mantua - teilnehmen ehrgeizigen Mann mit der Jockeystatur es sich hier um ein vierrädriges Gefährt aber beide ausfallen. Die Freundschaft mit war seine Vielseitigkeit, in der er bekan- handelt. Der Wagen war sehr erfolgreich Ferrari ging so weit, dass gelegentlich auf nteren Vorbildern wie Porsche ähnelt, bei Bergrennen und tauchte auch in Öster- dem späteren “Nardi-Danese” unter dem seine aus einer übertriebenen Selbstein- reich beim Gaisbergrennen 1932 mit ND auch das “Cavallino Rampante” ange- schätzung stammende Unabhängigkeit Fahrer Giulio Aymini auf, wo er viel bracht war, bewiesen durch Fotos dieser und Non-Konformität - er führte alle Un- bestaunt und in der AAZ mit einem Test- Epoche! ternehmungen ohne bedeutende Geldge- bericht geehrt wurde. 1946 trennt sich aber Nardi von Ferrari, ber durch - und sein Eigensinn. Für let- Ab 1935 sucht Nardi sein Heil als Test- nicht ohne vorher noch in der Kriegszeit ztere Eigenschaft flog er als Schüler in fahrer beim Alfa-Team von Enzo Ferrari sein Ingenieurstudium zu beenden. Der einem einzigen Jahr aus acht verschiede- in Modena und ist der Erste, der den von “Ingegnere”, wie er jetzt von Freunden nen Schulen. Seine Story in aller Kürze: Ferrari entwickelten legendären “158”, genannt wird, macht sich selbständig. 1932 verdingt sich Jung-Nardi bei Vincen- den Alfetta - Rennwagen fährt. Er freun- Noch heute diskutieren die Fachleute, ob zo in und bastelt mit seinem det sich mit Ferrari an, mit dem ihn einige Nardi damals einen dritten “815”, wo- Freund Augusto Monaco seinen ersten Charaktereigenschaften verbinden - was möglich unter seinem eigenen Namen Rennwagen, den “Chichibio” zusammen. nicht unbedingt als Kompliment zu verste- gebaut hat, Ferrari hatte dies stets vehe- Immerhin: 65 PS aus einem 998 ccm JAP- hen ist. Enzo soll öfter Sonntags seine ment dementiert, vielleicht hatte er damit

42 AUSTRO CLASSIC 2/2004 Nardi-Danese mit BMW Boxer- motor, erfolgreich ab 1947 in der 750er Klasse.

Linke Seite: Le Mans 1955 - ein Bild mit verdeckter Tragik. Der Nardi “Bisiluro” wird von einem der drei teilnehmenden Mercedes 300SLR eingeholt, der dräuend die Luftbremse betätigt. Später wird der Bisil- uro in den Graben “geweht”, der 300 SLR von Levegh verunglückt und reißt über 80 Zuseher mit in den Tod! sogar Nardi “überzeugt”. Nardis Tätigkeit dieses Wehrmachtsmodell auch bei uns in den unterschiedlichen Charaktere Enrico ist eine Mischung aus Autohersteller und der Nachkriegszeit eine willkommene Nardi und Renato Danese. Nardi führt ab Ingenieurbüro. Einerseits verbessert er je- “Frisier-Basis” für Renneinsätze war, so 1950 allein die Firma “Nardi & Co” weit- den Motor und jedes Fahrzeug, das ihm etwa auch unter Patleich-“Christmann” in er, behält aber das “ND” im Firmenlogo gebracht wird. “Frisieren” hat man das Österreich. Die Frage, ob dabei Nardi oder “NARDI - ND - TORINO” bis zum heuti- damals genannt. Andererseits schraubt er Dusio oder wer immer den Gitterrohrrah- gen Tag bei. In seiner “Frisierstube” drän- mit seinem Partner Renato Danese die men im Automobilbau “erfunden” hat, gen sich die Kunden: Elio Zagato erhält “Nardi-Danese ND” Sport- und Rennwa- wollen wir fürs Erste nicht näher unter- einen von Nardi getunten Fiat 750, den er gen zusammen, unterstützt von seinem al- suchen. In den Monoposti finden dabei selbst karossiert und mit dem er zahlreiche ten Freund Augusto Monaco. Es wurden auch Kraftwerke von anderen Herstellern Klassensiege erringt. Die vier Lancia Au- zahlreiche Spider und Coupes mit Verwendung, so auch von Gilera. Die relia “B 20” für die MM 1951 Coupes Karosserien von Bertone, Alemanno und kleinen “Boxer” siegen bei zahlreichen werden von Nardi präpariert (sechs Rocco Motto auf Basis Alfa, Lancia und Rennen: Gino Valenzano erringt bei “Aos- Dell`Orto Vergaser!). Nach Augenzeugen- BMW hergestellt. Den größten Erfolg ta - San Bernardino” einen Klassensieg berichten “kamen damals einige Burschen haben aber Zweisitzer und Monoposti, mit mit 2 Minuten Vorsprung vor einem 750er von Lancia zu Nardi, um in seiner Motorradmotoren aus dem BMW R75- Stanguellini, der Nardi wird von den Werkstatt zu arbeiten: das war die Wehrmachtsmodell und Rohrrahmen. Sportkommissaren zerlegt, weil man das Rennabteilung von Lancia!” Bracco- Diesen Fahrzeugen gehört Nardis ganzes nicht glauben will. Aber es ist ein 750 er! Maglioli werden damit Zweite in der Herz. Die Leistung der R75 wurde dabei Das Team Nardi und Danese erreicht Gesamtwertung hinter dem um 145 PS von ursprünglich 26 PS auf etwa 48 einen Klassensieg bei der ersten “Coppa stärkeren Ferrari von Villoresi. Aber auch PS/6000 UMin angehoben, durchaus nicht Dolomiti” 1947. prominente Künstler wie Raf Vallone, ungewöhnlich, wenn man weiß, dass Trotzdem scheitert die “Ehe” der bei- (“troppa brillantina” - O-Ton des

Rechts: Sensation beim Gaisberg- rennen 1932 - Nardi-Monaco “Chichibio” mit Fahrer Giulio Aymini. (AAZ)

2/2004 AUSTRO CLASSIC 43 Nardi-Crosley 750, Le Mans 1954. Rechts u. unten: Nardi Bisiluro mit Giannini G2-750-Motor.

Pulloverträgers Nardi), Jean Gabin und mit seinem “TARF” mit 500 ccm Gilera- Statussymbol und zum “Tüpfelchen auf Ugo Tognazzi sind darunter, die ihre pri- Motor bei Rekordversuchen in Monthlery dem i” für sportliche Autos wurde. Diese vaten Flitzer “frisieren” lassen. erstmals für diese Klasse die 200 km/h- Art Lenkräder hat aber auch einen technis- Ein Versuch eines Formel-I Rennwa- Grenze überschritt. chen Vorteil, den man als Benützer eines gens mit einem 2-Liter-Aurelia-Motor er- Das letzte eigenständige Nardi-Modell moderneren Fahrzeugs nicht mehr weist sich 1952 als Fehlschlag. In der war dann 1955 der “Raggio Azzurro”, ein nachempfinden kann: durch die größere “Oberliga” entwickelte ND noch einen wunderschönes von Michelotti gezeich- Elastizität gegenüber heutigen Serien- 1500 Sport, basierend auf dem 8-Zylinder- netes Coupé, mit einem von pro- lenkrädern soll damit auch die Übertra- motor des Autoavia (Ferrari) von 1939. duzierten Aufbau. Das Fahrwerk basierte gung von Vibrationen der Vorderachse Dieses Fahrzeug nahm 1952, 53 und 54 an auf der , selbstverständlich gedämpft werden, ohne dass dabei der di- der MM teil. mit dem von Nardi bevorzugten Rohrrah- rekte Kontakt zur Lenkung verloren geht. 1954 geht es dann nochmals flott her: men. Enrico Nardi starb 1966 im 59. Leben- Nardi versucht sich in der 750 ccm-Klasse Um 1957 wurde schließlich die Auto- sjahr, die “Nardi-Italia s.p.a.” hält bis zum mit einem amerikanischen Crosley-Motor mobilproduktion eingestellt, Nardi heutigen Tag sein Erbe aufrecht. (nicht zu verwechseln mit dem britischen konzentrierte sich ausschließlich auf die “Crossley”) in Le Mans, scheidet aber mit Produktion von Lenkrädern, nachdem er technischem Defekt aus. 1955 will er es bereits 1951 mit der Herstellung von Weiterführende Informationen über Nardi: nochmals genau wissen und konstruiert handgefertigten Holzlenkrädern begonnen Franco Varisco: “NARDI - una storia di automobili e den “Bisiluro”, also einen “Doppel- hatte. Die ersten Abnehmer waren anfangs volanti”, L.d.A/Milano1987 ISBN: 88-7672-009-X “Ferrari-World” No. 5/1990: Varisco/Zucconi: rumpfwagen” mit 735 ccm Giannini-Mo- Pegaso, Maserati und fallweise Lancia, “Ferrari & Nardi; Una lunga amicizia” tor. Das extrem leichte futuristische vorerst nicht Ferrari, denn die seinerzeit- “Classic and Sportscar” , Nov.1993: Gefährt wird beim Überholen durch einen ige Trennung war für den Alten wie immer “Nardi: Wheelsman” schnelleren Konkurrenten buchstäblich so etwas wie Hochverrat. Aber schließlich “vom Winde verweht” und verlässt heilte die alte Wunde und Nardi nutzte nun solcherart die Piste, nicht ohne vorher die alte Freundschaft mit Ferrari: prak- seine schnellste Runde mit 148 km/h in tisch alle (!) Ferraris wurden ab 1958 mit Im nächsten Heft: den Rundenprotokollen zu deponieren. Nardi-Lenkrädern ausgeliefert und auch Taraschi und Giannini: Übrigens: Die Idee eines Doppelrumpfwa- andere Hersteller folgten, so dass ein der “Wolf der Abruzzen” und gens hatte bereits Piero Taruffi, der 1954 Nardi-Lenkrad in Kürze zu einem seine römischen Freunde.

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