Oberstdorf Und Das Österreichische Kleinwalsertal Verbindet Viel Mehr Als Der Trennende Grenzkamm Zwischen Ihnen

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Oberstdorf Und Das Österreichische Kleinwalsertal Verbindet Viel Mehr Als Der Trennende Grenzkamm Zwischen Ihnen DAV Panorama 3/2008 Nämmes Bsondrigs Oberstdorf und das österreichische Kleinwalsertal verbindet viel mehr als der trennende Grenzkamm zwischen ihnen. Eine feine Rundtour durch diese Allgäuer Bilderbuchlandschaft führt auch in ihre spannende Geschichte. Von Gaby Funk teigt man an einem heißen klamm und jenseits des Grenzkamms Klettersteig über die Schafalpköpfe Sommertag, halb betäubt auf der Oberstdorfer Seite seine stillere mit der Fortsetzung des Kammes bis vom süßen Duft der Rho- Schwester, das Stillach- und Rappen- zum Geißhorn. Das mächtige Wid- dodendren, vom Söllereck alptal. Zusammen wirken die beiden dersteinmassiv am Ende des Bärgunt- über den steilen Panorama- Täler wie die Fassung eines Ringes, tals wäre aus Bergdohlenperspektive weg zum Fellhorngipfel auf und be- die die mächtigen, dazwischen aufra- dann die Lötstelle dieser Fassung, der Sobachtet dabei die luftakrobatischen genden Bergmassive umschließt wie Verbindungspunkt, an dem sich der Kunststücke der Bergdohlen, wünscht einen hochkarätigen Diamanten: den Kreis schließt. man sich, auch eine zu sein. Mit den luftigen Graskamm vom Söllereck Aufwinden und Luftströmungen spie- übers Fellhorn zum Warmatsgund- lend, hätte man dann schon beim An- kopf (Kanzelwand) – eine attraktive Politik hautnah flug ab Oberstdorf, dem hochalpi- Tour, vor allem im Bergfrühling. Den Was von hoch oben so homogen nen touristischen Zentrum der Allgä- gezackten Felsgrat, der von der Kan- ausschaut, war politisch und wirt- uer Alpen, den Überblick über dieses zelwand über Schüsser und Hammer- schaftlich Jahrhunderte lang ein herrliche Wanderrevier im deutsch- spitze bis zum Fiderepass zieht und ei- schwieriger Fall, da das Kleinwalser- österreichischen Grenzbereich. Aus der ne sehr lohnende, abwechslungsreiche tal zum österreichischen Vorarlberg Dohlenschau könnte man zwei tie- Überschreitung für erfahrene Berg- gehört, aber nur über die Straße von fe, grüne Furchen erkennen, umsäumt steiger bietet. Und zuletzt den lang ge- Oberstdorf zugänglich ist. Vor ihrem von hohen Bergen: das Kleinwalsertal zogenen Grat vom Alpgundkopf mit Bau war das Tal im Winter oft wo- oberhalb der spektakulären Breitach- dem 2007 sanierten Mindelheimer chenlang isoliert. Kein Wunder also, 50 DAV Panorama 3/2008 Oberstdorf und Kleinwalsertal | Unterwegs Weite grüne Wanderwelt: der Hohe Ifen über dem Etwas Gottesacker-Karstplateau Besonderes dass die Walser seit ihrer Einwande- ten es die Walser dagegen in Kriegs- trag so lange außer Kraft, bis Deutsch- rung und dauerhaften Besiedlung im zeiten: Als der Erste Weltkrieg aus- land an der Seite Österreich-Ungarns 13. Jahrhundert auf eine sehr wechsel- brach und die österreichischen Bürger in den Krieg eintrat. Und in Kriegs- hafte Geschichte zurückblicken, in der mobilisiert wurden, machte das Deut- zeiten mussten die Walser immer bei- das Tal mal zu diesem, mal zu jenem sche Reich die Grenze an der Walser- de Länder beliefern: 1917 gingen zwei adeligen oder kirchlichen Herrn ge- schanze dicht und setzte den Zollver- Drittel aller Butter- und Käsereser- hörte, mal zu Deutschland, dann wie- ven des Tales nach Sonthofen und 235 der zu Österreich. Immer beliebt: der Mindel- Stück Schlachtvieh nach Bezau, 440 Funk Gaby Bodenberger, Jörg Fotos: Seit 1891 ist das Tal mit seinen heu- heimer Klettersteig Kubikmeter Heu gingen nach Feld- te rund 5000 Einwohnern ein Zoll- kirch und 20 Zentner nach München. ausschlussgebiet, also deutsches Wirt- Um die bergsportlichen Schön- schaftsgebiet mit deutschen Waren heiten dieses großartigen Wander- und Preisen auf österreichischem Bo- reviers zu erkunden, ist die hier vor- den. Durch den EU-Beitritt Öster- gestellte Runde ideal. Von den Gipfeln reichs verlor es 1995 seinen Sondersta- und Hängen über dem österreichischen tus, zu dem gehörte, dass die Walser Kleinwalsertal und dem deutschen Stil- Bürger ihre aus Österreich eingeführ- lach- und Rappenalptal bietet sie stets ten Waren in Deutschland verzol- hervorragende Sicht auf die Oberstdor- len mussten, während deutsche Güter fer beziehungsweise die Kleinwalser- zollfrei waren. Besonders schwer hat- taler Berge und weit darüber hinaus. 51 DAV Panorama 3/2008 Hoher Ifen Schichttorte für Berg-Feinschmecker Wer die Runde lieber in einzelnen Wer zum ersten Mal auf das Got- Tagesetappen vom Talstützpunkt ge- tesackerplateau kommt, wird die zu- nießt, kann auch den individuellen nächst öd wirkende, etwa fünf Qua- Reiz der Talorte erfahren. dratkilometer große Hochfläche mit ihrem zerrissenen, von Rillen, Fal- ten und Spalten zerfurchten und bei Blumige Gratpromenade Sonne grell glänzenden Schratten- Auftakt ist die Grenzkammwan- kalk sofort lieben. Auf den zweiten derung vom Söllereck übers Fell- Blick dann auch wegen der seltenen horn zur Kanzelwand. Bei dieser Pflanzen, die hier trotzig wachsen, Gratpromenade darf man sich vom wie Schweizer Mannschild, Zwerg- Zwei-Täler-und-Tausend-Gipfel- mannschild, wilder Schnittlauch, Blick nicht von der Sicht in die Nä- Steinbrech, Kohlröschen ... Mit et- he ablenken lassen, denn an diesen was Glück findet man 120 Millio- Flyschbergen sprießen Alpenblu- nen Jahre alte Relikte aus dem Te- men in einer Vielfalt, die vor allem thys-Urmeer als feine Einschlüsse das Fellhorn weithin berühmt ge- oder Abdrucke im Fels: versteinerte Aufbruch: am Söllerkopf gleich Wasserfraß: Karststruk- Wolkentreiben: Abend am Söller- oberhalb von Oberstdorf turen am Gottesacker eck mit Blick zum Hohen Ifen macht hat. Beim Blick vom Fellhorn- Korallen, Muscheln oder Algen. mit dem kleinen Hochmoor bei den gipfel nach Westen kann man die Und die Unterwelt des Gottesa- Oberen Gottesackerwänden eine der zweite Etappe studieren, das in der ckers besteht aus einem Labyrinth bezauberndsten Stellen des spektaku- Sonne schimmernde Gottesacker- von Dolinen, tiefen Spalten und lären Gebiets. plateau und den markanten Hohen dem Hölloch, einem riesigen, stark Ifen (2230 m). Unverwechselbar ist verzweigten Höhlensystem, das in- dieser Hohe Ifen, der von Weitem zwischen auf zehn Kilometer Länge Alp mit Urgeschichte aussieht wie der abgekippte Biskuit- und bis in 452 Meter Tiefe vermes- Kürzer ist der Aufstieg durchs Kü- deckel einer gigantischen Schicht- sen wurde. rental ab Wäldele, der auf 1540 Me- torte. Seriöse Geologiefans sprechen Auf der Anstiegsroute durchs ter Höhe direkt an der Schneiderkü- von einer 1,6 Kilometer langen und Mahdtal passiert man den 80 Me- renalpe vorbeiführt, einer archäolo- 300 Meter breiten, schräg aufgestell- ter tiefen, senkrechten Eingangs- gisch bedeutenden Fundstätte. Der ten Tafel der Helvetischen Kreide. schacht des Höllochs und entdeckt in Hirschegg lebende Künstler Det- 52 DAV Panorama 3/2008 Oberstdorf und Kleinwalsertal | Unterwegs Kuhrevier: Über der gemüt- lichen Ifersguntalpe ragt die Gipfelplatte des Hohen Ifen in den Himmel. lef Willand hatte hier im Frühsom- wiesen werden, dass sich vom 7. Jahr- erstein-ähnlichen Material. Radiola- mer 1998 Steinwerkzeug entdeckt. Bei tausend vor Christus bis in die Bron- rit entstand aus den sternförmigen Ausgrabungen fand man schließlich ze- und Eisenzeit, etwa um Christi Skeletten von Radiolarien, einzel- mehr als 300 Pfeilspitzen, Klingen, Geburt, im Sommer regelmäßig Men- ligen Meerestierchen, die auf dem Bo- Bohrer und Schaber aus der Jungstein- schen über längere Zeit zum Jagen hier den des Urmeers versteinerten. Das zeit und die Reste einer Schutzunter- am Gottesackerplateau aufgehalten silikathaltige Sedimentgestein wur- kunft samt Feuerstätte aus der mittle- hatten. de wegen seiner Härte als „Eisen der ren Steinzeit (ca. 7000 vor Chr.). Fast alle Steinwerkzeuge, die man Steinzeit“ zu Werkzeugen und Waf- Detlef Willand hatte als „Jäger der dort fand, waren aus Radiolarit, einem fen verarbeitet. Am Bärenkopf und (3) Funk (2), Gaby Matthias Pinn Fotos: verborgenen Schätze“ in den Allgäu- damals in ganz Europa begehrten feu- am Großen Widderstein (2533 m) gibt er Alpen zwei erfolgreiche Vorgänger: es Radiolarit-Abbaustellen, steinzeit- Der Erste war der Oberstdorfer Chris- liche Bergwerke, in denen dieses wert- toph Graf Vojkffy, der in den 1930er- volle Material vermutlich mit Hacken Jahren in der Umgebung Oberstdorfs aus Hirschgeweih abgetragen wurde. Fundstellen aus der Jung- und Mittel- Das durch Erosion und Aus- steinzeit entdeckte. Der Zweite war schwemmung in die Täler gewanderte der damals in Riezlern lebende Wirt Gestein wurde im Bärgunt-, Gemstel- und Hobby-Archäologe Giuseppe Gu- und Wildental und im Tal der Breitach lisano, der zwischen 1992 und 1994 gefunden. In der „Bergschau“ des Wal- insgesamt 45 neue Fundstätten ent- serhauses in Hirschegg, Teil des mo- deckte, unter anderem im Mahdtal, im dernen, hochalpinen Informationssys- Bärgunt- und im Schwarzwassertal. tems von Oberstdorf und dem Klein- Dank Willands Entdeckung auf der walsertal mit drei Infozentren, mehre- Schneiderkürenalpe konnte nachge- ren Themenwegen und Infopunkten, Faltenwurf: Felsschichten am Ifen erzählen aus der Erdgeschichte 53 DAV Panorama 3/2008 Für Geübte: Der Anstieg zum Widderstein führt durch eine steile Geröllflanke. Widderstein Felsenburg mit Weitblick kann man Fundstücke davon sehen – torte zum Gipfelkreuz, wird man bei ein optimaler Einstieg, um sich mit den klarer Sicht bestimmt etwas länger ras- Besonderheiten dieses seltsamen Tales ten, um den Rundumblick zu genie- vertraut zu machen, das nur dem flüch- ßen: im Westen der Bregenzerwald, tigen Betrachter beschaulich und alltäg- die Schweizer Alpen und der Boden- lich scheinen mag. see, im Osten die scharf gezackte Sky- Hat man nach der Überquerung
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