Zur Geologie des Grünten im Allgäu. Von

ARNOLD HEIM (Zürich).

(Als Manuskript eingegangen ani 10. Dezember 1018.)

Inhalt. Einleitung 458 Tektonik 473 Stratigraphie 460 Bemerkungen überWildflysch und Kreideprofil Breitachklamm • • 460 exotische Blöcke 473 Valangien und . Ha.uterivien • • 461 Das Ostende d•Vora.rlbergerketten 474 Barrémien 461 Der Grünten 475 Unteres Aptien (Bedoulien) 462 Querprofil . 475 Oberes Apti en (Gargasien) • 463 Südwestende 479 Albien 466 Nordostende 479 Cenoman-Turon 469 Die Kreide-Eogenzone des Hütten- Senon 469 berges 480 Eocän 471 Bemerkungen über das Molasse Faziesstellung des Grünten 472 -Vorland 481 Der Molasse-Kontakt am Alpenrand 483 Rückblick 485

Einleitung. Der Grünten bei ist ein Knotenpunkt in der Erkenntnis des helvetischen Nordsaumes der Ostalpen. Bis zum Quertal der reichen die Vorarlberger Kreideketten, um bei unter Flysch und ostalpines Deckengebirge einzutauchen. Nichts spricht soweit dagegen, dass sie als östliche Fortsetzung von Säntis und Chur- firsten ebenso einer gewaltigen Schubmasse angehören. Auch die Molasse-Nagelfluh setzt mit gleichem Charakter vom Rigi und Speer her über den Rhein. Auf der Ostseite der Il1er aber sind die Verhältnisse anders. Zwölf [Çilo\meter nördlich der untertauchenden Vorarlbergerkreide, wo Flysch und - Molassenagelfluh weiterstreichen sollten, erhebt sich jäh aus dem Talboden der Iller der Kreideberg Grünten bis zu 1738,6 m Höhe 1). Statt überschoben auf subalpinem Flysch und Molasse zu

`) Die beste Übersicht gewährt die alte geol. Karte 1 : 380 000 von S tud er und Eschen. II• Aufl. Jahrg. 64. Arn. Heim. Zur Geologie des Grünten im Allgäu. 459 liegen, stösst er mit fast vertikaler Schichtlage an nordfallende Molasse. Begreiflich, dass diejenigen Geologen, die den Kreidesaum des Allgäu studiert haben, ohne die Schweizeralpen zu kennen, sich der Deckenlehre gegenüber ablehnend verhalten ! Ein schmaler Streifen von i/2 bis 1 km ist alles, was östlich des Grünten von dein gewal- tigen helvetischen Kreidegebirge übrig bleibt. Zugleich ist die auf der Westseite der I1ler 7 km breite subalpine Flyschzone im Profil durch den Grüntengipfel gänzlich ausgekeilt. Gümbel l), dem wir die grundlegenden, für seine Zeit hervor- ragenden Untersuchungen Bayerns und im Besondern des Grünten verdanken, hat schon 1856 die Erklärung in einer gewaltigen, alles sonst bekannte übersteigenden Transversalverschiebung gesucht: „Der Grünten ist demnach die durch eine gewaltige Gebirgsverrückung nach Norden vorgeschobene Fortsetzung der Kreidebildung .Vorarl- bergs und der westlichen Illerberge." Später verneint er wieder diese Auffassung. A. Rothpletz hingegen (Alpenforschungen II, 1905. pag. 2) meint: „... Selbst die so auffallende Querverschiebung auf der West- seite des Grünten suchte Escher in Frage zu stellen. Solches Über- , sehen ist für Escher und seine Schule charakteristisch geworden"! Seit Gümbel sind keine zusammenhängende Beobachtungen im Grüntengebiet mehr ausgeführt worden.) Nach der Erkenntnis der Schubdecken in der Schweiz blieben daher brennende Fragen bestehen: Ist der Grünten entgegen Gümbel auf die Molasse überschoben? Ist er wirklich die transversal verschobene Fortsetzung der Vorarlberger- ketten? Diese Erscheinungen sollten insbesondere durch genaue stratigraphische Aufzeichnungen aufgeklärt werden können; denn im Falle der Transversalverschiebung müsste der Grünten dem Ostende der Vorarlbergerketten faziell genau entsprechen. Meine Beobachtungen wurden Mitte Oktober 1917 begonnen, aber wegen frühen Schneefalls unterbrochen; doch gelang es, wäh- rend zwei herrlichen Tagen von Mitte Oktober von 1918 noch den oberen Teil des Grünten kennen zu lernen. Im Ganzen sind hier gegen 10 Beobachtungstage verarbeitet — viel zu wenig zu einer vollständigen Bearbeitung, die auch nicht angestrebt werden konnte. Herrn Oberbergrat Dr. O. M. Reis in München bin ich für münd- liche Mitteilungen, sowie die überaus freundliche Überlassung einer 1) K. W. Gü mb e l, Der Grünten, eine geognostische Skizze, München 1856. Geognostische Beschreibung des bayrischen Alpengebirges, München 1861. Geologische Karte von Bayern, Blatt Sonthofen, 1 : 100 000. 2) Vergl. C. L e b l i n g, Ergebnisse neuerer Spezialforschungen in den deutschen Alpen. Geol. Rundschau, Bd. HI, Heft 7, 1912. 460 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellseh. in Zürich. 1919 geologischen Manuskript-Kartenskizze 1 : 25 000 vom Grünten (östlicher Teil) zu besonderem Dank verpflichtet. Dadurch wurde viel Zeit ge- wonnen. Die Bestimmung der Ammoniten der mittleren Kreide ist dem besten Kenner, Herrn Prof. Dr. VDT. Ki li an in Grenoble-zu verdaHken.

Stratigraphie. Zum Vergleich mit dem Grünten gehen wir jeweilen vom Ost- ende der Vorarlbergerketten bei Oberstdorf aus. Kreideprofil der Breitach-Klamm bei der Walserschanze 4 km SW Oberstdorf (Fig, 1).

Fig. l. art -50S Stratigraphisches Profil der Breitach-Klamm bei der Walserschanze.

ü 1`

-o Barrémien 1. Unterer Schrattenkalk mit Mergellagen, ca. 30 m sichtbar. Bedoulien 2. 25 m oberer Schrattenkalk, Echinodermenkalk; messerscharfe Grenze gegen, Gargasien 3. 20 m Glaukonitsandstein, körnig, massig, _• Brisisandstein. Über- gang in 4a. 0,3 m schwarzgrüner, schlierig mergeliger Glaukonitsandstein, = Durschlägischichten (9). Übergang in 417) l,5 m massiger feinkörniger Quarzitsandstein mit Glaukonitkörnchen ; . glasiger Bruch; fast kalkfrei, = Niederischichten. Scharfe Grenze Albien gegen 5. 0,7 m Glaukonitkalk mit Schlieren von dichtem Kalk; zahlreiche kleine Mollusken, = Twirrensch. Übergang in 6. , 0,6- in Phosphoritknollenbank I), Lochwaldsch. Übergang inner- lialb 5 m in ) Nicht Hornstein, wie in Lebling u. A.!

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7. 0,3 m Seewergestein mit Pyrit und feinen Glaukonitkörnchen, = Überturrilitensch. (?) Übergang in Cenoman I 8. 3,0 m Unterer Seewerkalk, hellgrau, typisch. Scharfe Grenze gegen I9. 17,0 m Fleckenschiefer voller Algenabdrücke, grünlich, dünnschie- ferig, mit .Kalkknöllchen und kleinen Pyritfossilien. Scharfe Grenze gegen • Toron- 10. ca. 8,0m Oberer Seewerkalk, weisslich, bankig, voller Globigerinen, Senon l Discorbina canaliculala etc. Scharfe Grenze gegen 11. ca. 200 m Graue Schiefermergel = Leistmergel, typisch. Über- gang innerhalb 10-30 ln in 12. Wildflysch, mächtig.

Valangien und Hauterivien. Entgegen L e b l i n g fehlt am Grünten jede Spur. von Valangien ; selbst Hauterivien war nirgends in den Gewölbekernen aus DrHsberg- schichten zu finden. Dagegen kommen diese im Kern des nach Osten S untertauchenden Geisberggewölbes, 3 km W Oberstdorf, „Im Winkel" zum Vor- schein, wo Haniels schöne neue geo- logische Karte der Allgäuer und Lech- \\ m taler Alpen 1:25 000 1 ) Gault nnd Schrat- e c tenkalk verzeichnet, sowie im Waldab- hang westlich gegenüber: • C • ` ^^ 1. Valangienkalk, nur der oberste Teil ^^ 7 2.19\ \\ ca. 10 ni aufgeschlossen; feinkörnig- späthiger, grauer Oolith, zu oberst 0-1 , m konglomeratartige Bank mit Fig. 2. Kalkknollen von Ei- bis Kopfgrösse in krümeliger Kalkgrundmasse. Glatte, messerscharfe Grenze gegen: 2. Kieselkalk: a) untere 6 m in Bänken von 0,5 bis 3 dm, b) gröber bankig, ca. 30 m, c) Kalkgrünsand, d) wie b, im ganzen ca. 60 m. Beim Schwefelbad Tiefenbach taucht dieser Kieselkalk als Ge- wölbekern unter die Drusbergschichten ; Kontakt mit diesen nicht aufgeschlossen. Barrémien. Diese Stufe ist wie in den oberen helvetischen Decken der Schweiz als Drusbergschichten und unterer Schrattenkalk ausgebil- det. Den Schrattenkalk schlechtweg als Apt zu bezeichnen ist un- richtig.

1) C. A. H a n i e l , Geolog. Führer durch die Allgäuer Alpen südlich von Oberst- dorf. München- 1914. 462 Vierteljahrsschrift cl. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1919

Vorarlbergerketten. Die Drusbergschichten sind schön auf- geschlossen am Weg und Bach beim Schwefelbad Tiefenbach : Knol- lige, graue, inwendig dunkle Kalkbänke mit bräunlichen Schiefer- mergellagen, 150-200 m ; darüber ca. 80 m Schrattenkalk. Grünten. Die Drusbergschichten bilden den Kern der beiden Gewölbe in einer Mächtigkeit von 200 m oder mehr; sie gehen all- mählich unter Wechsellagerung in den Schrattenkalk über. Schöne Aufschlüsse bieten Zweifelgernalp und oberster Teil des Giggltobel östl. Uebelhorn, wo etwa 50 m vom Schrattenkalk entfernt eine Bank voH verkieselten, bis 15 cm grossen Schalen von Exogyra aquila (sog. E. Couloni grosse flache Form) erfüllt ist (Fig. 12). Die Mäch- tigkeit des Schrattenkalkes ist sehr wechselnd und Himmt anschei- nend durch Vermergelung nach ,E und SE ab : NE Schanze 100-150 (doppelt?), Burgberghorn ca. 80, Uebelhorn ca. 60, Giggl-Stein bis 20 bis 5 m.

Unteres Aptien (Bedoulien). Wie in der Schweiz ist das untere Aptien im oberen Schratten- kalk vertreten, dieser aber nicht überall vorhanden. Vorarlbergerketten. Breitach-Klamm siehe pag. 460. Weitere 3 km NE än der Breitachstrasse ist folgendes Profil gut aufge- schlossen: 1. Oberer Schrattenkalk 15 + s m, grau, im oberen Teil späthig, mit einzelnen Orbitolinen. Übergang in 2. 0,4 m dito mit glaukonitischen Schlieren. a) 2-4 cm weicher, hellgrüner Mergelschiefer, b) 20 cm körniges Schrattengestein mit dichten Flecken, Glaukonit- körnchen und einzelnen Phosphoritknollen, c) 5-15 cm knollige Bank mit Brocken von dichtem Kalk, Phosphoritknollen und pyritreichen Grünsandnestern, darin :Cere- bratula sp. und ein grünlichrveisser dichler I{alksteinkern von Parahoplites Deshayesi var. consobrinoides Sinz. Gvariété à côtes inégales"), Leitfossil des Bedoulien! Diskontinuität gegen 3. 0,5 m Gla.ukonitsandstein mit oben tiefgrüner mergeliger Lage, nach SW rasch auskeilend (Gamserschichten ?). 4. 21 m Brisisandstein, massiger Glaukonitsandstein. Nr. 1-2 = Bedoulien, 3-4 = oberes Gargasien; das untere Gargasien fehlt. Grünten: Schon Güm bel hat gefunden, dass die „hangendste Schicht des Schrattenkalkes" westlich vom Grüntenhaus von Orbi- tolinen erfüllt ist und dem Aptien der Schweizeralpen entspricht. Dieser Horizont ist längs der Nordwand in Form einer bräunlich an- gewitterten Echinodermenbreccie von 5-10 m vorhanden (NE Schanze und nördlich unter dem Uebelhorn, Fig. 9), die gegen den unteren hellen Schrattenkalk mit seinen Requienien scharf begrenzt ist. Am

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Uebelhorn und am SE-Abhang des Grünten fehlt jedoch dieser Ho- rizont, indem auf den Requienienkalk direkt das Gargasien folgt.

Oberes Aptien (Gargasien). Die gesamten Bildungen zwischen Schratten- und Seewerkalk wurden bisher schlechtweg als Gault zusammengefasst und die Fos- silien aus den verschiedensten Horizonten zusammengeworfen (vergl. z. B. Haniel 1. c. 1914, pag. 17). Auch ist dieser ,;Gault" am Grünten nicht nur 30-40 mächtig, wie Gümbel angibt, noch ruht Sandstein direkt auf Schrattenkalk, sondern umfasst eine 100 m mächtige Schicht- reihe vorn untern Gargasien (dem klassischen Aptien Südfrankreichs) bis zum obersten Albien, die in sechs verschiedene Ammonitenzonen zerlegbar ist. Da sich die einzelnen Horizonte /teilweise direkt mit

SW Übelhorn 1738.6 NE Hochwarte •

Fig. 3. Profilskizze längs des synklinalen Gipfelgrates des Grünten. 1 : 5000. I) = Drusbergschichten; U = Schrattenkalk; l-4 = Gargasien; F = Fossilfundstelle, s. Text; G = Gault, Albién; S = Seewerkalk, r = rote Lagen; darüber Senonmergel.

denen der Churfirsten vergleichen lassen, benützen wir auch die neueH schweizerischen Schichtnamen. l) Vorarlbergerketten. In den Falten von der Walserschanz bis zum Hirschsprung ist das Gargasien durch seinen obersten Horizont, den typischen Bri,sisandstein (massiger, kalkhaltiger Glaukonitsand- stein) von rund 20 in vertreten, der mit scharfer Diskontinuität, so- weit beobachtet ohne Luiterezug-Fossilschicht, auf dem Schrattenkalk liegt, nach oben aber raschen Übergang zum untern Albien zeigt. Dies ist der „Riffsandstein" Gümbels. Von Echinodermenfazies (Brisibreccie) war nirgends eine Spur zu finden. Grünten. Vergeblich suchte ich am Grünten nach einem nicken-

) Vergl. Arnold Heim, Churfirsten-Mattstock-Gruppe, Beiträge z. geol. Karte d. Schweiz, n. F. Lfg. XX, L. Teil 1910, II. Teil 1913. 464 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Züric. 1919 losen Aufschluss. Vielleicht bietet einen solchen das Giggltobel, das sich von oben her als unzugänglich erwies. Am Gipfelgrat zwischen Uebelhorn und Hochwarte liesse sich durch Schürfung folgendes Profil (Fig. 3) genauer ergänzen. Über dem kompakten, grobbankigen Re- quienkalk folgt am Uebelhorn mit messerscharfer Grenze: 1. a) 3,5-m grünsandiger Mergel wechselnd mit Lagen von feinkörnigem grauem Kalk, der Glaukonit in Körnchen und Schlieren enthält. Übergang allmählich in b) 2— 4 m kompakter Kalk ähnlich Schrattenkalk, jedoch inwendig dunkler, etwas bräunlicher angewittert und Glaukonitkörnchen enthaltend; bildet den höchsten Gipfel. Übergang in c) 0,2-0:3 m Fossilhank; glaukonitreicher Kalk mit Phosphorit- kn ollen, mit Parahoplites Deshayesi var. subfissicostatus Sinz., Hoplites (Dufrenoya) furcatus Sow. sp. (= Dufrenoyi dOrb.), Douvilléiceras Martini dOrb. var. orientalis Jacob (3 Exemplare), Douvilléiceras Martini dOrb var. occidentalis Jacob (l junges Exemplar), Phylloceras subalpinem dOrb. (1 grosses Ex.), Macroscaphites sp., ferner Nautilus sp., massenhaft kleine Belem- niten, Plicatula sp. (? placunea), Terebratula sp. und häufig Inoceramus concentricus Park. Übergang (?) in 2. 10 nl (?) dunkle glaukonitische Mergel, wohl Luiteremergel. 3. 30-40 m (?) Gamserschichten, grünsandige, schlierig-knollige Mergel mit Glaukonitsandstein, schlecht àufgeschlossen. 4. 40 m (?) Brisisandstein. Die oben erwähnte Faun: 1. c wurde gesammelt auf dem Weglein 30 m SW des höchsten Gipfels. Ihre stratigraphische Lage entspricht genau dem Fossilhorizont am Luiterezug, während die paläontologische UHtersuchung durch Herrn Prof. Kilian auf etwas höheres Alter hinweist, nämlich auf die Zone des Hoplites furcatus unteres Gargasien, Zone IIa Jacobs. Luiteremergel und Gamserschichten gehören nach den Befunden in der Ostschweiz zum oberen Gargasien, Zone II b ; der Brisisandstein zur Clansayes-Zone III. Diese drei zu- sammen haben am Uebelhorn eine Mächtigkeit von rund 100 m. Da- mit ist nachgewiesen, dass hier das Aptien s. str. nicht im Schratten- kalk, sondern im bisher sog. Gault vertreten ist, der zu mehr als 9/io dem Aptien angehört. I{ür die Basisschichten No. 1 a—c des unteren Gargasien am höchsten Grüntengipfel, von denen nach ihrer Fauna bisher in den helvetischen Alpen noch kein Analogon bekannt ist, schlage ich die Bezeichnung Grüntenschichten vor. Sie sind den sog. „Gibbsi- schichten" im Liegenden der Luiterezug-Fossilschicht des Engelberger- tales gleichzustellen, die bereits von Jacob 1907 zum Gargasien ge- stellt wurden.)

I) Ch. Jacob, Etudes pal. et strat. sur la partie moyenne des terrains crétacés etc., Grenoble 1907 pag. 237. — A r n. Heim, Zones pal. et lith. du Crétacique moyen etc., B. S. G. F. 1909, pag. 103, Fig. 1.

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Am Nordabhang des Grünten (II in Fig. 9) sind die Brisischichten 30--40 m mächtig und Gamserschichten angedeutet. Gute Aufschlüsse fehlen. In den Bachfurchen von Oberschwanda]p auf der SE-Seite des Grünten (IV) sind die Grüntenschichten anscheinend 10-20 In mächtig. Die Gargasschichten setzen sich von dort kontinuierlich nach NE fort bis über den Giggl-Stein hinaus, auf dessen Südseite der Brisi- sandstein mächtige Felswände bildet (Fig. 9, 10). Wertach. 8 km ENE des Grünten ist die helvetische Kreide von der Wertach quer durchschnitten. Leider sind die Aufschlüsse sehr mangelhaft, und die Tektonik ist nicht so einfach, wie sie Giimbel darstellt. Die besten Aufschlüsse des Gault bietet der Fels- abhang östlich der Schlaghof-Hütte am südlichen Ausgang der bluse. Drei oder viermal liegt dort auf 300 m Breite die mittlere Kreide

Wertach. Werlachkluse Fig. 4. Repetierte Pakete der mittleren Kreide am Südausgang der Wertach-Fluse. Gargasien { 1 = Gamserschichten, 3 = Durschlägi-Fossilschicht, unteres Alhien, G 2 = Brisisandstein, 4 = Seewerkalk, J 5 = Leistmergel, Senon l 6 = bläulich feinsandige Mergel.

bei vertikaler Schichtlage repetiert hintereinander! (Fig. 4.) Vor allem springt der Brisisandstein in die Augen, dessen oberer Teil quar- zitisch und blaugrau angewittert ist. In der zweitsüdlichen Schuppe trifft man nach einer 10 m breiten Schuttunterbrechung: a) 4.0-60 m grobbanl.igen, dunkeln Kieselkalk und Sandkalk, den ich zuerst für Hauterivien hielt. b) 1 in knollig-flaserige Bank vom Typus Gamserschichten. c) ca. 12 m massiger Glaukonitsandstein. d) ca. 15 m massiger blaugrauer Quarzitsandstein in meterdicken ineinander verzahnten Bänken. Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 64. 1919. 30 466 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1919

a—b entsprechen wohl den Gamserschichten, c—d dem Brisi- saHdstein. Die südlichste Schuppe beginnt mit etwa 10 m massigem Glau- konitsandstein (Brisi?), dann folgen über 50 m „Kieselkalk" bis zu einer Schuttrinne mit Sandsteinblöcken voller Fährten und mergeligem Grünsand (+ in Figur 4). Das Profil endigt mit Brisisandstein 15 m, Albien-Fossilbank und Seewerkalk. Die nordwestliche der drei Schuppen setzt mit den gleichen Stufen über die Wertach, und an der Strasse NW vom Steinhauerhüttchen ist auch die untere Grenze aufgeschlossen : Unter dem Kieselkalk (Pflastersteinbruch) 2-3 m grünschwarzer Glaukonitmergelschiefer, der mit scharfer, etwas rauher Grenze anf 5 m späthigem Schratten- kalk aufliegt. Die Grüntenschichten scheinen zu fehlen. Ein Rückblick ergibt, dass der Brisisandstein die konstan- teste, überall verbandene Schichtabteilung der ganzen mitt- leren Kreide ist. Ich fand ihn noch 20 km östlich des Grünten von Rehbichel bis Ruine Eisenberg, wo der Schrattenkalk wieder wenig- stens 80 m mächtig ist. Die Gamserschichten fehlen mit Ausnahme von Rudimenten den Vorarlbergerketten bei Oberstdorf, sind dagegen mächtig vom G rünten bis zur Wertach, erinnernd an Werdenberg am Rhein und an die Illschlucht bei Feldkirch.

Albien. Der Gault im engeren Sinne ist sehr reduziert, aber trotzdem wohl gegliedert. Vorarlbergerketten. Bei der Walserschanze lässt sich der bloss 3 m mächtige Gault in vier Abteilungen zerlegen (Fig. 5 und pag. 460). In der nächst nördlichen Kette an der Breitach W Jauchen folgen auf Brisisandstein (Fig. 5) : 4. 1,5 m knorrig-mergeliger Grünsand, oben fast schwarz, voller Knöllehen Inocerainus concentricus (= Durschlâgisch.?) Nur im N-Schenkel sichtbar. 5. 4,5 ni Glaukonitkalk mit Phosphoritknollen. Desmoceras sp., = Twirrensch. ; Übergang in 6. 0,6 m Phosporitknollenbank, gegen 5 durch 5 cm Grinlsandmergel abge- trennt. Steinkerne schlecht erhalten; Lochwaldschicht. Übergang in 7. l,3m massiger Grünsandkalk mit dichten Kalknestern (Inflatuszone). Übergang allmählich in 8. 0,3 m Seewerkalk mit einzelnen Glaukonitkörnchen, darüber grauer See- werkalk. Im folgenden Gewölbe ist an der gleichen Breitachstrasse 1,5 km Jahrg. 64. Arn. Heim. Zur Geologie des Grünten im Allgäu. 467 weiter NE in einem Steinbruch der Kontakt Gargasien-Albien voll- kommen aufgeschlossen (Fig. 5, Wasach): 3. Brisisandstein. Übergang 1 dm in 4a. 0,4 m schwarzgrüner Glaukonitsandkalk voller bis 4 mm grober weisser und rosafarbiger Quarzkörner, = Durschlägisch. Übergang in 4b. l,4 m feinkörniger grünsandiger Kalk, massig. 4c. 1 in mit tiefgrünen Mergellagen, zu oberst Bank voller Phosphoritknollen (Flubrigsch.). 5. 5 m massiger Glaukonitkalk, durch 15 cm Mergellage mit Kalkbank von 4c scharf abgetrennt. Massenhaft kleine Belemniten und Innoceramus concentrieus; Twirrensch.

Fig. 5. Profile des Albien. N Nummern wie im Text III—VH = Ammonitenzonen Jacobs. S

Brisi

Wasach W. Jauchen Walserschanz

Grünten . Vorarlbergerketten an der Breitach

Am gleichen Gehänge sind längs der Strasse zum Wasach-Sana- torium die mergeligen fossilreichen Grünsande des unteren Albien (Nr. 4) in breiten Flächen angeschnitten. Sie lieferten u. a.: Douvilléiceras mnamillatum Schloth. und Hoplites (Leymeriella) Revili Jac. (Zone IV). Auch die Knollenschichten finden wir hier zum erstenmal mit ihren typischen Kalkknollen, wenigstens 4 m mächtig. Grünten. Am Grat östlich des GrüHtenhauses ist das Albien auf 2-4 in knorrig-flaseriger Grünsandgesteine des unteren Albien reduziert, das mit dem Brisisandstein innerhalb 2 dm verbunden ist (Fig. 5). Am Grat bei der Hochwarte sind diese Schichten 5-8 m mächtig und durch grobe Sandkörner ausgezeichnet. Darüber folgt eine massige Glaukonitkalkbank voller Steinkerne, besonders Inoce- rannus concentricus. Die Aufschlüsse sind mangelhaft. 468 Vierteljahrsschrlft d. Naturf. Gesellsch. in Züric. 1919

Wesentlich anders ist der Gault im nördlichem Grüntenzug (II) entwickelt. Das Profil an der Schanze bei Burgberg hat schon Gü mbel erwähnt. Infolge von tektonischen Verkeilungen und Doppelung mit massenhaften Rutschflächen (Fig. 9) lässt sich dort aber nur der nörd- liche der beiden Steinbrüche stratigraphisch verwerten (Fig. 5): 3. 5,5 in glaukonitarmer Quarzsandstein mit schwarzen polierten Körnchen, knorrig, grobbankig (oberster Brisisandstein?). 4a. l,5 m grauer Kalk-Glaukonit-Sandstein mit einzelnen, bis 3 mm groben, weissen, eckigen Quarzkôrnchen, voller auffallender graphitgrauer Fährten von 1-2 cm Dicke und bis 3 dm Länge. Übergang 4b. 2 m dunkelgrüner, feinkörniger, massiger Glaukonitkalk. Übergang 4c. 2,2 m grobsandiger Glaukonitkalk mit Geröllchen bis zu 2 cm aus grobem Sandstein, voller schlecht erhaltener Fossilien, kleine Austern, Desmoceras. Übergang 5. 7,7 m abgebauter Pflasterstein: schwarzer, feinkörniger, schwach grün- sandiger, geschichteter Kalk mit fasrigem Bruch, lagenweise voller Phosphoritknöllchen ; Inoceramus concentricus häufig = Twirrensch. 6. 0,7 m Phosphorit-Knollenbank mit Belemniten und Ammoniten = Loch- waldsch. Übergang 1 dm in • 7. 2,0 m Knollenschichten, typisch, mit faustgrossen Kalkknollen. Scharfe Grenze bis Übergang 5 cm in 8a. 0,3 m Seewergestein, knorrig, mit häufigen Pyritknollen und Löchern, grünen Nestern und einzelnen Glaukonitkörnchen, = Turrilitensch.? Übergang in 8b. 20-25 m Seewerkalk, linsig-flaserig, grau bis gelblich und grünlich, mit grünen Tonhäuten. • In diesem Profil sind Durschlägi- und Flubrigschichten völlig versandet. Die Knollenschichten nehmen im gleichen Gaultzug nach ENE zn: 700 m von der Schanze entfernt 3-4 m, nördlich unter dem TJebelhorn 8-10 m. Wertach. In allen drei südlichen Schuppen genau die gleiche Ausbildung: direkt auf dem Brisisandstein mit raschem Übergang eine 0,8 m dicke, schwarze Phosphoritknollenbank erfüllt mit Fos- silien, nach Bestimmung durch Prof. W. Kilian: Hoplites (Leymeriella) tardefurcatus Leym sp. 1 gutes Bruchst. Hoplites (Leyme•iella) regularis Brug. sp. 4 kl. Bruchst., wovon 2 Exemplare „identiques à celles de Les Prés de Rencurel, Isère". Ferner sind häufig Desmoceras Beudanti Brong., Nautilus, Belem- niten, Waldheimia, Terebratula, Inoceramus concentricus. Diese Fauna lässt darüber keinen Zweifel, dass die Zone IV des Hoplites tar- defurcatus vorliegt und die Fossilbank den Durschlägischichten angehört. Umso merkwürdiger ist ihr zwar rascher Übergang in das Seewergestein vom Aussehen der Überturrilitenschicht (Fig. 4 und 5). An der Wertach ist somit der Unterschied von Gargasien und Albien der grösste, das Gargasien 100 mal mächtiger. Die ganze Jahrg.64.. Am. Heim. Zur Geologie des Grünten im Allgäu. 469

Ausbildung stimmt überraschend mit derjenigen der südlichen Ill- schlucht bei Feldkirch, d. h. der südlichsten Vorarlbergerkreide überein. 1)

Cenoman-Turon. Die Turrilitenschichten sind nicht entwickelt. Überall beginnt die Oberkreide mit 0,2-1 m Seewergestein, das sich jedoch vom hangenden Seewerkalk durch seine Glaukonitkörnchen unterscheidet und faziell den Überturrilitenschichten entspricht. Möglicherweise sind die Glaukonitkörnchen aber nur dem Gault entnommen oder die Turrilitenschichten verkalkt, worauf Gümbels Angabe von Turrilites Bergeri an der Schanze schliessen liesse. Vorarlbergerketten. Bei der Walserschanz, wie auch am untern Ausgang der Breitach-Klamm ist durch Zwischenlage grün- licher Fleckenschiefer von 17-25 m ein unterer Seewerkalk 3-5 m scharf von einem oberen (ca. 8 m) abgetrennt (Fig. 1). Ob es sich hier um eine Spaltung des Seewerkalkes nach S handelt, sollte durch weitere Studien ermittelt werden. Auf der Südseite des Burgberges liegen über Seewerkalk gewöhn- liche, gelbliche Seewerschiefer. Grünten. Seewerkalk anf der Nordseite ca. 20 bis 30 m, grau und grünlich ; beim Grüntenhaus 40-50 m mit zahlreichen rötlichen Lagen in der oberen Hälfte; darin Inoceramus Cuvieri (Gümbel); anscheinend ebenso auf der SE-Seite des Berges. Wertach. Seewerkalk anscheinend nur 5 m mächtig. Rehbichel. Unterer Seewerkalk grau und grünlich, voller Be lemniten (B. ultiinus?), 20 m; oberer mit roten Lagen 30-40 m.

Senon. Über Senon und Eocän des Grünten soll nur gesagt werden, was für den Zusammenhang notwendig ist, da von Herrn Oberbergrat Dr. Reis eine eingehendere Veröffentlichung darüber in Aussicht steht.

Vorarlbergerketten. Walserschanze. ca. 200 m typische Leistmergel, in Wild- flysch übergehend, der vielleicht teilweise ebenso cretacisch ist (Fig.1). Jauchen. Unzusammenhängende, dislozierte Aufschlüsse von a) Senongrünsandstein, am Burgbühl NW Oberstdorf grosser Stein- bruch 50° ESE fallend, ca. 30 m massig, intensiv grün, mit grossen

) D. Trümpy, Rhätikon, „Beiträge zur geol. Karte der Schweiz", Lief. XLVI, 1916, pag. 75. 470 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Züric. 1919

Glaukonitkörnern und glasigem Quarz; oben einige Meter Plattiger, weniger glaukonitreich; blutrote Verwitterung auf Rutschflächen. b) NE davon bei derStillachbrücke P.856 gelblich anwitternde Flecken- schiefer mit Kalkplättchen, übergehend in feinkörnige, glaukonithal- tige Schiefer, ähnlich Wangschiefer. c) Typische bräunliche Wang- schiefer bilden mit 10° ESE Fallen das Hügelchen SE der Eisen- bahnbrücke über die . Ob diese Horizonte und der Wild- flysch der Synklinale von Tiefenbach normal zu den untertauchenden Kreidegewölben gehören, liess sich nicht ergründen.

Fig. 6 Senon-Focän-Profll im BachW. P. 998 bei Burgberg.

Grünten. In der steilen Bachfurche 600 m SE der Kirche Burg- berg am SW-Fuss des Grünten findet man von unten (Fig. 6): 1. Untere Leistmergel, z. T. dunkler und bröckeliger als gewöhnlich. 2: 10-15 m Burgberggriinsandstein; massig, dunkelgrün, feinkörnig. 3. ca. 35 m graue, z. T. knollige Leistmergel, beidseitig scharf begrenzt. 4a. 3 m kalkiger Grünsandstein. 4h. 1 + x m rauhe, grünsandige Mergelschiefer. 15 m Schuttunterbrechung. 5. 8 + x m klingendharte, graue, feinkörnige Kalkbänke mit feinsandigen Mergellagen, scharf konkordant an Nummulitenkalk grenzend.

In den Bächen der Schwandalp auf der SE-Seite des Grünten steht das Senon vertikal in einer Breite von 500 m. Auf Seewerkalk folgeH nach kurzem Schuttunterbruch 1. ca. 50 m gelbliche Schiefermergel (Leibodenmergel?). 2. ca. 300-400 m Leistmergel mit einer dünnen glaukonitreichen Bank im mittleren Teil. Schuttunterbruch. 3. ca. 30 m harte, graue Kalkbänke von je l-8 dm, mit glimmersandigen Mergelzwischenlagen, oben knollig und voller Austern aus der Verwandtschaft der Gryphaea vesicularis, kleine Form. Scharfe Grenze gegen Nummulitenkalk (Fig. 9.) Jahrg. 64. Arn. Heim. Zur Geologie des Grünten im Allgäu. 471

Leistmergel und Senongrünsandstein sind auch auf der NW-Seite des Grünten vorhanden (Fig. 9). Es. ergibt sich aus diesen Profilen, dass der bekannte senone Burgberggrünsand als fazielle, sich gelegentlich repetie- rende Einlagerung in Leistmergel zu betrachten ist. Die Leist- mergel ihrerseits entsprechen wohl teilweise den Pattenauer- und Gerhardsreuterschichten (J. Böhm, H. Imkeller), während die 20 bis 30 m mächtigen obersten Kreideschichten mit ihren auffallenden Kalk- bänken und Schiefersandlagen, was Reis) schon 1895 erkannt hat, den Hachauerschichten gleichzustellen sind. Andererseits erinnern sie an die Austernbänke im Flysch der nördlichen Schweizeralpen, die von Rothpletz bei Brand ob Weesen entdeckt und als Senon ge- deutet wurden.2) Das Profil der Hirzenegg in der eingewickelten Flyschzone von EiHsiedeln, wo L. Rollier zuerst, eine senone Faunula und Arn. Heim darüber die Austernschichten entdeckt hat, stellt also vermut- lich eine dem Grüntensenon analoge normale Schichtfolge dar : Leistmergel, Austernbänke (Gryphaea gr. vesicularis), Nummulitenkalk. Unsere Austernschichten im Flysch sind somit aus dem südlichsten helvetischen Faziesgebiet herübergeschürfte Hachauerschichten in mehr mergeliger statt sandiger Fazies, und diese wiederum vertreten ver- mutlich den oberen Teil der Wangschichten im Ablagerungsgebiet südöstlich desjenigen der Wangschichten.

Eocän.

Das Eocän tritt in zwei verschiedenen Fazies auf: 1. Nordfazies. Bei Biehlerdorf 3) auf der linken Talseite und Agathazell am NW-Fuss des Grünten, 2-5 m typischer Assilinen grünsand (Lutétien), erfüllt mit Assilina exponens, Nummulina com- planata, Orthophragnnina discus var. laevicrassa und laevitenvis bis zu 40 mm Durchmesser, O. sella, Pecten, Spond ylas, Austern etc. Darüber folgt Mergelschiefer (Stadschiefer), wie im nördlichen helvetischen Faziesgebiet der Schweizeralpen. Das Liegende ist bei Agathazell Seewerschiefer. 2. Südfazies. Auf der Südseite des Grünten folgt auf den Austern- bänken des obersten Senon mit scharfer Grenze der vorwiegend hell-

) 0. M. Reis , Erläuterungen Karte Bergen-Teisendorf, Geogn. Jahresh. Mün- chen 1895. 2) Vergl. Churfirsten, Beiträge". n F. Lfg. XX, pag. 58, Fig. 18-19. 3) Vergl. A. Rösch, Der Kontakt zwischen cl. Flysch und der Molasse im Allgäu, mit geol. Karte 1 : 25000, Diss., München 1905. 472 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1919 graue, fossilreiche, klassische Nummuliten-Lithothamnienkalk des Lu- tétien vom Typus Einsiedeln-Flibach, 30-40 m (Fig. 6 und 9). Im untern Teil enthält er eine rote eisenreiche Einlagerung, die früher an vielen Stellen als Eisenerz abgebaut wurde (Gambel). Das Ge- stein ist organogen, erfüllt von Nurnmulina complanata var. minor, N. 111urchisoni, N. globulus (?), Assilina granulo.sa, Operculinen, Ortho- phragminen, Mollusken, Terebrateln etc. Darüber folgt zuerst schwärz- licher, fein glimmersandiger Mergel (Hohgantschiefer, Auversien?, 7 in Fig. 6), dann bei Winkel an der Starzlach mächtige, grünliche Fleckenmergel (Fig. 9), erinnernd an den Flibach, Niveau der Stad- schiefer (Nummulitenflysch Gümbel, Obereocäne Stockletten Reis).

Faziesstellung des Grünten. Leider fehlen noch alle präzisen Anhaltspunkte über die Vor- arlbergerketten, um daraus die Isopen ermitteln zu können. Wir wissen noch nicht, ob sie bis zur Iller dem Alpenstreichen parallel gehen. Am Grünten verändert sich die Schichtfolge im Querprofil rascher als in der Längsrichtung. Verglichen mit der Schweiz ergibt sich folgendes: 1. Das Ostende der Vorarlbergerketten bei Oberstdorf ent- spricht, der mittleren helvetischen Fazieszone (Säntis-S, Amden- Vierwaldstättersee). Nur Albien und Seewerkalk weichen durch ihre schwache Entwicklung, besonders im S, etwas ab. Das Albien ist, wie auch z. T. in der Schweiz, durch Unregelmässigkeiten ausge- zeichnet, aus denen sich nach den wenigen Daten noch keine Fazies Ordnung herauslesen lässt. 2. Der Grünten-Nordsaum (Agathazell), scheint gemischter Fazies zu sein, während Gipfel und Südabhang durchaus süd- östlichen Charakter tragen: Mächtige Drusbergschichten, dafür reduzierter Schrattenhalk, und mächtiges, voll entwickeltes Gargasien, analog der Drusbergdecke. Senon -und , Eocän gleichen sogar dem eingewickelten südlichsten helvetischen Faziesgebiet von Einsiedeln- Flibach. Auch die Preide der Wertachkluse hat südlich helve- tischen Typns. Vorausgesetzt, dass die Isopen und Fazieszonen von der Schweiz aus in gleicher Ordnnng ins Allgäu fortsetzen, würde hieraus folgen, dass der Grünten aus einer südlicheren Fazieszone stammt als die Kreide westlich Oberstdorf. Man darf sich daher fragen, ob der Grünten tektonisch etwa den . „Préalpes externes" der West- schweiz entspricht. Jahrg. 64. Arn. Heim. Zur Geologie des Grünten im Allgäu. 473 N s

Fig. 7. Stratigraphische Übersichtsprofile von Grünten und Vorarlberger- N ummulitenk. ketten. H achauersch. 1:10 000.

Ob.Leistm.

Unt.Leistm

- Lb, SeewerK. Albien ...i Brisis.

B arrémien

Hauter.. vaL 0

Grünten Tiefenbach Walserschanz Südabhang Vorarlbergerketten

Tektonik.

Bemerkungen über Wildflysch und exotische Blöcke. Die Bäche auf der SE-Seite der Strasse bei der Walserschanz und am Westende der südlicheren Vorarlbergerketten (wo Haniels Karte Seewerschichten und Moränen angibt) bieten ausgezeichnete Aufschlüsse der Grenzregion von Leistmergel und typischem Wild- flysch voller Blöcke, die sich allmählich in deH grauen Kreidemergeln einstellen, sodass man, wie bei Amden am Walensee, zunächst an einen stratigraphischen Übergang denken muss. Die Linsen und Blöcke sind teils sichtbar im anstehenden Mergel eingebettet, zum grössten Teil aber herauspräpariert und in einer ganzen Mustersammlung in den Bächen zu finden: grüne und graue. exotische Breccien mit gelben 474 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Züric. 1919

Dolomitfragmenten, Sandstein, Kalkstein, Konglomeratblock von 1 m3 mit faustgrossen Geröllen von gelbem und weissem Kalk, Sandstein und grünem Ölquarzit etc. Die Frage ist berechtigt, ob dieser Wild- flysch der Söllereck zur Vorarlberger-Kreide gehöre. Auf das Gegenteil deutet der in Haniels Karte richtig abge- grenzte Aufschluss am östlichen Trettachufer von Oberstdorf: typische „Couches rouges", verkehrt, 50-85° SSE fallend. a) 30-40 In mit bis 10 m dicken roten und rot-grün gefleckten Lagen; b) ca. 30 m grünlich; c) 0,5 m Übergangsschicht aus schwarzbraunem bröckeligem Mergel mit dolomitischen Kalkknollen von 1-2 cm und Kiesel- kalk, sowie einem halb faustgrossen grünen Ölquarzitgerölle. d) Wildflysch mit Bänken und Linsen von dichtem Kalk und Kieselkalk, mächtig.

Fig. 8. Exotische Blöcke im Wildflysch von Oberstdorf. a = verwitterter „Gneis" (Quarz-Muscovit-Chlorit). b = massiger Granit, weiss, aplitisch. c = metamorpbe Flyschkalklinsen mit sekundären Tonhäuten.

Also Wildflysch mit „Couches rouges" vom Typus Préalpes mé- dianes-Klippen-Falknis stratigraphisch verknüpft! Im Hangenden dieses eingewickelten Couche-rouge-Fetzens (Falknisdecke?) befinden sich die bekannten Gneiseinschlüsse am Kühberg, die Rothpletz mittelst Verwerfungen von der Unterlage der oberostalpinen Trias-Schubmasse herleitet. Es handelt sich aber (wie vermutlich auch am Bolgen) um exotische Blöcke, die mit dem oberostalpineH Deckenschub nichts zu tun haben. Der grösste, den ich sah, hat eine Länge von etwa 5 in (Fig. 8).

Das Ostende der Vorarlbergerketten. 1. In musterhafter Regelmässigkeit sinkt das Engenkopf-Ge- wölbe mit 20-25° im Schrattenkalk und bis 45° im Leistmergel Jahrg. 64. Arn. Heim. Zur Geologie des Grünten im Allgäu. 475

unter den mächtigen Flyschrücken der Söllereck.. Ihm vorgelagert folgt nördlich der Breitachklamm noch ein kleineres Nebengewölbe gleicher Fazies, dessen Südhälfte durch einen NE streichenden Bruch amputiert ist. 2. Das Geissberg-Gewölbe ist am Geissberg noch steil auf- gerichtet und eng zusammengepresst, weitet sich aber vor seinem Untertauchen am Burgberg. Axenfallen an der Breitach 15-25°. Durch eine tiefe Wildfiÿschmulde getrennt folgt 3. Das Ochsenberg-Gewölbe, auf dem das neue grossartige Sanatorium Wasach steht. Axenfallen an der Breitach 10-15°. Die komplizierte Doppelung der Schrattenwände im TrockentälchenWinkel- Hirschsprung bedarf genauerer Studien. 4. Das Schwarzenberg-Gewölbe mit dem Hirschsprung als glaziale Abflusskerbe des Trockentales auf einer kleinen Transversal- verschiebung durch den Schrattenkalk seines Nordschenkels. 5. Aus dem fahrenden Zug schien mir das Bord bei Maderhalm (bisher als Flysch kartiert) ein sanftes Gaultgewölbe zu bilden, dessen Hangendes die Oberkreide von Reichenbach auf der Ostseite des Il1er- tales wäre. Von einer transversalen Abscherung grossen Stils war auch nicht eine Andeutung zu finden.

Der Grünten. Querprofil. Der Grünten besteht von NW nach SE aus folgenden tektonischen Abteilungen (wie in Fig. 9 und 11). I. Das Oberkreide-Eocängebiet von Agathazell am NW- Fuss des Grünten. Ein flüchtiger Streifzug ergab, dass nach den stratigraphischen Verhältnissen hier wenigstens zwei, wahrscheinlich 3-4 Faziesgebiete tektonisch gemischt sind. Der Hügel an der Strasse 300 m SE der Kapelle. Agathazell besteht aus einer steil stehenden Schuppe von Seewerschiefer (obere Seewerschichten, Toron) mit As- silinengrünsand und Stadschiefer auf ? Stadschiefer (Fig. 9). Leist- mergel und SenongrünsaHd, die in dieser Schuppe stratigraphisch fehlen, sind dagegen nördlich wie südlich davon vorhanden. Es kommt noch der erste Hügel im Tannenwald nördlich der Schanze hinzu, der aus 30-50 ni mächtigem, steil SSE fallendem, etwas mer- geligem, feinsandigem, grauem, ranhschieferigem Kalk besteht, erin- nernd an die Kreide des Hüttenberg-Rückens, vielleicht Äquivalent der Hachauer- oder Wangschichten (Fig. 9, x). II. Die Rippe der Schanze, den untern Teil des steilen NW-

SE ^W Grünten -Alp Gigglst. Fig. 9. Profilskizzen durch 1496 den Grünten GI ngtobe! b. 1 30000 M o/a sse 2at4 1. Drusbergsch. l ^ 11`il`II Barrémien ô^ fy.271„rr 2. Schrattenkalk 1J ti 3. Bedoulien i Aptien Übelhorn I 4. Gargasien J p 5 1738 --- 7 5. Albien i 6. Seewerkalk 1100 7. Amdenersch. mit 1100 m. Zwe■fel9ern-, Alp Grünsandbänken Senon B. Austernschichten 9. Nummulitenkalk 1 Lutétien KammerecKalp 9. Assilinengrüns. J 10. Stadschiefer Rossberg - in Molassemergel ü45 6.\ 71( Alp x feinsandiger Schieferkalk (obersenn?) 3 •—•—• Brüche und Überschiebungen iv I--V tektonische Zonen 3 : • ^/Y Siechen k. gezeichnet von Arn. Heim /vlo/asse 654 1572. Weg IIIu Sruhlw. ^^ 2/11 ^ 1 111 u1 Weg 7

8 g :Tr,.;,..t r Il, (f tz, ///c191111 3 45 6 • 7 100 (3 m. Idoo `^!lUT l 1 Weg 3 II II

23 III Ip lI 950 V

5

6 lo iv 7 Il^^^y 0 7 7 89 9 lo 700 m. Jahrg. 64. Am. Heim. Zur Geologie des Grünten im Allgäu. 477

Abhanges bildend. Obwohl keine Umbiegung zu finden war, handelt es sich wohl um ein eng gepresstes Gewölbe mit Schrattenlzalkkern, denn schon 600 m NE der Schanze liegt vertikaler, zerdrückter See- werkalk als NW-Schenkel am Schrattenkalk, und gegen die Iï,am- mereck hin wird dieser auch durch Gault ergänzt. Gleichzeitig richtet sich die Schichtlage von 60 ° .SE-Fallen bis zu 80 ° NW-Fallen auf (Fig. 9). III. Das Burgberghorn-Gewölbe, das nordwestliche der beiden Grünten-Gipfelgewölbe, erhebt sich bei Burgberg in runder, aufrechter Form mit 55° Steilheit aus dem Talboden zum Burgberghorn (=Kreuzel- spitz), auf dessen NE-Seite sich das Schrattengewölbe auf den Drus- bergkern öffnet (Fig. 10 und 11). Das Axensteigen setzt mit 30-40°

Burgberghorn 1497,7 400 3 5-40 °

Fig. 10. Längsprofil durch das Westende des Grünten- gewôlbes lH, 1 : 20 000. Nummern wie in Fig.9.

fort und das Gewölbe wird rückgestülpt, derart, dass am Siechenkopf der Südschenkel mit etwa 40° SW-Fallen (d. h. im Querprofil fast horizontal) den orographischen Grat überschreitet (Fig. 9). Fortan bleibt der Drusbergkern auf dem NW-Abhang. Er stösst direkt dis- kordant gegen den Seewerkalk des SE-Schenkels von II, sodass im Profil des Uebelhorns mehr als die Hälfte des Gewölbes III abge- schnitten ist (Fig. 9). IV. Das Stuhl wandgewölbe, das südöstliche der beidenGrünten- gipfelgewölbe, erhebt sich, etwas schmäler und zurückgezogener, ebenso erstaunlich rasch als aufrechtes Gewölbe. Der vertikale bis schwach rückwärts überkippte Südostschenkel erleidet bei der mittleren Schwand- alphütte anscheinend eine Transversalverschiebung l) und starke Ver- quetschung. Oberhalb der genannten Hütte ist der Brisisandstein mit 9l m Rutschbreccie am Schrattenkalk auf 4 m, der Seewerkalk auf 1 ni zusammengequetscht. Im oberen Giggltobel sind die Drus- bergschichten mit 50-70 ° NW-Fallen rückwärts geneigt (Fig. 12). 1) Bereits in der Manuskriptkarte des Herrn Dr. Reis richtig verzeichnet. 478 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsc. in Zürich. 1919

Zwischen den beiden Gewölben III und IV liegt .die zentral ge- legene Grünten mulde. Auch diese erhebt sich mit 40-50° nach NE, sodass trotz des gleichsinnig ansteigenden Gehänges oberhalb des Grüntenhauses der rote Seewerkalk als Muldenkern unter den Senonmergeln heraufsticht. Das enge Synklinaltälchen „Wust" wird dabei fast plötzlich zum Synklinalgrat. Es kann kein schöneres Bei-

Fig. 11. Tektonische Kartenskizze : 1 : 75 000. Molasse mit Nagelfluh grob punktiert; Senon-Eocän Hüttenberg und Agatllazell dicht horizontat schraffiert; Senon-Focän des Grünten und der Zone von Berghofen weit horizontal schraffiert; Wildflysch vertikal schraffiert; Seewerkalk--A.lbien—Gargasien leer, Schrattenkalk schwarz; Drusbergsch. D schief schraffiert; A = Alpenrand; - -r siehe,siehe Text. spiel eines solchen mit starkem Axengefälle geben, als der Gipfelgrat des Grünten zwischen Hochwarte und Uebelhorn (Fig. 3, 9). Das Axen- steigen beträgt bei der Hochwarte bis über 50°, am Uebelhorn (Schrattenkalk) noch 30° NE. Infolge plötzlicher Denudation sticht Jahrg. 64. Ani. Heim. Zur Geologie des Grünten im Allgäu. 479

nun die Mulde in die Luft hinaus, sodass sich die Drusbergkerne III und IV oberflächlich vereinigen (Fig. 11). V. Dem normalen SE-Schenkel mit mächtigem Senon folgt ein etwa 4 km breites, unübersichtliches hügelig-waldiges Gelände, das Gümbel als „Nummulitenschichten" kartiert hat, und das wir als Senon-Eocängebiet von Berghofen bezeichnen. Es erweist sich • als ein durch Brüche zerstückeltes, geschupptes und gefaltetes Rauf- werk aus Senon und Eocän verschiedener Stufen in der Fazies des SE-Schenkel IV am Grünten selbst, d. h. als dessen bangende Fort, setzung. Der Grünten ist also, weiter übersetzt, gleichsam der ältere Kreidekern zum Nummulitengebirge vom Typus Einsiedeln (pag. 472).

Südwestende. Zone I, II und V lassen nur Erosionsgrenzen erkennen. Dié Schichten an der Schanze behalten ihr W 10° S-Streichen. In scharfem

NW Griintenalp SE

Fig. 12. 1 : 7500.

Gegensatz hierzu tauchen die Gewölbe III ®IV, sowie die dazwischen liegende Grüntenmulde 40-60° steil unter den Talboden! Es sind dies für das helvetische Gebirge ganz ausserordentliche Axengefälle. Der Unterschied gegen II wird auch durch die Scherfläche und die Faziesdifferenz gekennzeichnet. Infolge des Untertauchens von Ge- wölbe IV schiebt sich das Senon-Eocängebiet IV—V am Burgberg 998 m vor dieses hinweg; Bach und Weg auf der N-Seite dieses Hügels entsprechen vermutlich einer E W-streichenden vertikalen Scherfläche (Fig. 11).

Nordostende. Nördlich vom Uebelhorn, am Kammereck, stösst der Seewerkalk von II mit bloss 12 m Schuttunterbrechung an Molasse. Die Zone I ist amputiert oder in der Tiefe zurückgeblieben (Fig. 9). Plötzlich endet nun aber auch der Schrattenkalk von II zwischen Gault; der südöstliche Seewerkalkzug von II hingegen setzt sich auf den Weide- 480 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Züric. 1919

bügeln am Weg vom Uebelhorn zur Grüntenalp linsenförmig fort bis gegenüber den Grüntenalphütten, mit teilweise starken Quetschungs- erscheinungen und ZerknitteruHg. Zwischen Seewerkalk und Molasse ist aber noch, etwa 200-300 m lang deutlich in der Bachfurche sichtbar, typischer Wildflysch eingeklemmt, der durch zahlreiche Blöcke ausgezeichnet ist: glaukonitreicher Ölquarzit bis über 1 m3, Breccien mit grünen Fragment en, brecciöses Konglomerat mit bis 4 cm grossen Geröllen und Dolomitfragmenten; Flyschsandstein, Kalk- stein etc. Diesem Wildflysch nördlich angelehnt ist an einer Stelle noch ein Streifen vertikaler gelblicher und dunkelgrauer Mergel- schiefer voller Calcitplättchen zu sehen (Fig. 12). Alle diese Klemm- stücke lassen starke mechanische Bearbeitung erkennen. Weiter unten ani Herzlesteinbach beim Gigglstein scheinen auch diese Linsen auszukeilen, wie bereits in Blatt Sonthofen in 1:100 000 angegeben ist. Es sind somit am Giggl- und Herzlestein völlig amputiert I, II, III, und von IV bleibt nur noch der Südost- schenkel übrig, dessen älteste Schichten an die Molasse stossen! (Fig. 9 und 11).

Die Kreide-Eogenzone des Hüttenberges. In der streichenden Verlängerung des Grünten erhebt sich auf der Westseite des Illertales ein sanfter Hügelrücken, von dem A. Rösch 1. c. 1905 an einigen winzigen Stellen Kreidegestein kar- tiert. Bei Bihlerdorf hat er darin Belemniten gefunden. Es sind graue, feinst glimmersandige (stellenweise plattige) Mergel. Ein ähnliches Gestein ist mir aus keinem tieferen helvetischen Kreidehorizont be- kannt als den Hachauerschichten. Zum gleichen Rücken gehören die Vorkommnisse von Assilinengrünsand und Stadschiefer von Bihlerdorf. Zur Erklärung hat Rösch als Hauptresultat angenommen, dass diese Kreide-Eocänvorkommnisse entweder durch Überschiebung oder Ver- werfung zwischeH die Molasse gelangt seien, und Rothpletz gibt eine geradezu humoristisch wirkende Konstruktion von Verwerfungs- spalten. Nach meiner Begehung besteht fast der ganze Weiderücken des Hüttenberges aus anstehenden Kreide- und Eocänschichten. Einige Pickelhiebe in den Rasen genügen zur Entblössung. Die mächtigen grauen Kreidemergel fallen vorwiegend 50-70° SE. Bei Punkt 1069 und östlich davon ist auch brecciöser Grünsand (Senon ?), Wildflysch, Seewerschiefer und Kreidefleckenmergel zu sehen. Die Grenze gegen die südöstlich darunter einfallende Molassenagelfluh verläuft durch den Graben unmittelbar nördlich der Kirche Bihlerdorf und 250-300 m Jahrg. 64. Arn. Heim. Zur Geologie des Grünten im Allgäu. 481 nördlich des Hüttenbergrückens. Der sogenannte Molassesandstein der Oberzollbrücke südlich der Kreide von Bihlerdorf und am Dorfweg zur Kirche Bihlerdorf nördlich derselben ist typischer Flysch: grauer, grobbankiger Glimmersandstein und Breccie mit gelben und grünen Fragmenten vom Typus der Niesenbreccie (Fig. 13). Gleicher brecciöser Glimmersandstein findet sich 3/4 km SE der Wertachkluse bei der Mühle, fast vertikal, E-streichend, und die pflanzenführenden Sandsteinbänke der Oberzollbrücke sah ich ununter- scheidbar an der Strasse von Zell nach Pfronten, ebenso auf der Süd- seite der helvetischen Kreide. Das Eocän des Hüttenberges liegt zwischen Kreide und Flysch- sandstein, sodass. der letztere als Obereocän oder Unteroligocän zu deuten ist.

WNW Hüttenbergrücken ESE Gunzesried 970 m 927 ln

Fig. 13. Profilskizze durch den Hüttenbergrücken. 1:12500 1 = Senon; 2 = Eocän, Assilinengrünsand und Stadschiefer; 3 = Flyschsandstein mit 3` = Flyschbreccie; 4 = Molasse-Nagelfluh, miocän.

Bemerkungen über das Molasse-Vorland. Das Molassegebiet ist noch mehr einer Neuaufnahme bedürftig als das Kreide- und Flyschgebiet. Hier haben die Aufnahmen Güm- bels teilweise gänzlich versagt. So ist auf Blatt Sonthofen 1:100000 dem Rande des Kreide- und Flyschgebietes entlang ein Streifen als „to = ältere Meeresmolasse" ganz verschiedener Bildungen (Kam- mereck, ) angegeben und schief, und quer über die Schichten hinweg abgegrenzt. Die Kalknagelfluh vom Steineberg ist als „ältere Süsswassermolasse", deren Schichtenköpfe auf 2,5 km Breite bei Blaichach sanft dem Flyschsandstein als „ältere Meeresmolasse" an- gegeben — alles unter dem Vorurteil, am Rande von Kreide und Flysch müsse älteste Molasse vorhanden sein. Durch die Stadt streicht eine enge, steil aufgeknickte Antiklinale mit marinem Muschelsandstein als Kern, vom Aussehen Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 64. 1919. 31. 482 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in ZüIich. 1919

der schweizerischen Cardienschichten des Burdigalien. Südlich (wie nördlich) davon und darüber folgt Sandstein der oberen Süsswasser- molasse 1), bei Neudorf mit einer 8-10 m mächtigen eingelagerten Kalkbank von 5-15° SE-Fall; Mächtigkeit wenigstens 400 m. Bei Hegge beginnt unter steiler werdendem SE-Fallen die Nagelfluhfazies in gewaltiger, viele Kilometer betragenden Mächtigkeit. Nur durch regionale sorgfältige Detailkartierung kann der weitere Zusammen- hang alpeneinwärts nnd die Frage festgestellt werden, ob die marine Molasse von Sulzberg 2l einer stratigraphischen oder tektoHischen Re- petition entspricht. Am Alpenrand gelangen wir in das Nagelfluhgebirge von Immen- stadt bis Blaichach mit Stuiben 1750 und Steineberg 1683, das völlig dem Speergebiet entspricht nnd meiner Ansicht nach trotz des Quercus furcinervus im Tobel, in dem die südliche Quelle des Steigbaches fliesst" (Rösch) miocän ist. Die Nagelfluhmolasse zwischen Immen- stadt und Bihlerdorf im Hangenden der PflanzeHfundstellen ist allein 2 km mächtig und vermutlich vindobonisch. Die allen Winden ausgesetzte Lage von entspricht auch einem tektonischen „Wirbel" (Fig. 11). Am Steigbach / 2 ,km S des Kirchhofes streicht die Nagelft h S 15 E, also senkrecht zum normalen Streichen und fällt 70° W. Weiter westlich biegt die Schichtlage innerhalb 2 km in die normale um, wie in Fig. 11 dargestellt ist. (Zwei Streichfallzeichen in Röschs Karte sind um 90--180° verkehrt). Auch am Hügel von Rauhenzell steht das Strei- chen senkrecht zu demjenigen 1,5-2 km nördlich davon. Grosse geradlinige Verwerfungen sind aber nicht vorhanden, und krumm- randige, lokale Vertikal-Einbrüche würden allein die Schichtverdre- hungen noch nicht erklären. Die auffallende, sanft bogenförmige Tal- sperre aus SE fallender Nagelfluh von Immenstadt-Buchwald zum Rottachberg beweist, dass dort nirgends ein grosser lllertalbruch durchgehen kann, noch der grosse Illergletscher die Schwelle oder auch nur ihre auffallende Rippung quer zum Strome niedergeschlif- fen hat. Einer total anderen Bildung nach Tektonik und Stratigraphie, von der kein Analogon im Westen bekannt ist, begegnen wir auf der Ostseite des Tales, dem Grünten vorgelagert : Eine sanfte, breite, trogförmige Synklinale mit etwa 5° Axengefälle nach NE, einem schmaleren, weil steileren (5-50°) NW-Schenkel und einem breiteren,

1) „Ältere Brackwassermolasse" von Blatt Sonthofen. z) Mitteilung der Herren Dr. Fraas u. Rechtsrat K el lenb er g er in Kempten, deren Führung in Kempten und nach der Ruine Eisenherg ich bestens verdanke. Jahrg. 64. Am. Heim. Zur Geologie des Grünten im Allgäu. 483 auf 1 km nur 5-10° fallenden SE-Schenkel. Wir nennen sie die Kammereckalp-Synklinale. In zusammenhängender Felswand, kon- form dem Ausgehenden, sticht diese Mulde nach SW in die Luft hinaus! Bei Wagneritz und Kranzeck fand Gümbel Cardium Heeri und Cor- bula gibba (Bayr. Alpen S. 733). Der Wannenrand der Kammereck- synklinale besteht darnach aus mariner Molasse. Die Kammereckwand besteht aus grauem bis gelblichem, fein- körnigem, mürbem Glimmersandstein mit Diagonalschichtung, zu oberst einem etwa 30 ni mächtigen Komplex, wechsellagernd mit gelblich anwitterndem bröckeligem Mergel. Dieser teilweise verrutschte Mergel reicht im Liegenden bis fast zum Talboden NE Wagneritz und hat bei seiner fast horizontalen Schichtlage eine Mächtigkeit von 200-300 m. Das Bangende der Kammereckwand ist auf beiden Schenkeln der Synklinale, besonders schön aber in den Bächen von Kranzegg und Reichen im NW-Schenkel aufgeschlossen: ausser Sand- stein und Mergel vor allem graue und rote, schwach verkittete Kalk- Quarznagelfluh (Schottergruben) mit Zwischenlagen grauer und roter Mergel und rötlicher bis weisslicher Kalke vom Typus „Obere Süs s -wassermolasse", wenigstens 400 m mächtig. Der grosse Kontrast der „sanften" Kammereckalpmolasse (Breiten- steinerberg) zum rauhen Nagelfluhgebirge westlich der Iller nach Stratigraphie, Tektonik und Morphologie führt zur Frage, ob die Kammereckmolasse der Speernagelfluh primär diskordant aufgelagert sei. Auf alle Fälle scheint mir Gümbels „ältere Meeresmolasse" mit ihrem Hangenden die jüngste zu sein. Es würde sich daher folgende Altersreihe ergeben : Mittelmiocän 1. Molasse-Nagelfluh des Stuiben und Rottachberg (Speer- nagelfluh), mehrere Kilometer. 2. Marine Molasse von Wagneritz-Kranzegg, vorwiegend Mergel, ca. 300 m. Obermiocän 3. Molasse von Reichen mit Nagelfluh, oberste Süss- wassermolasse, 400 m.

Der Molassekontakt am Alpenrand.

Die schon vom Grünten herab schön sichtbare Synklinale der Nagelfluh auf der Südseite von Rindalpenhorn und Gündleskopf sticht nach W in die Luft hinaus, und die ganze südlich davon lie- gende, 21/2 km breite Balderschwangerkette mit der 70-80° steil, SSE fallenden Nagelfluh des Tennenmooskopfs 1628 in wird gegen E amputiert, sodass am westlichen Illertalrand bei 484 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1919

Seyfriedsberg nur noch der SSE fallende Nordschenkel der genannten Synklinale übrig bleibt.) So setzt sich aus der Schweiz her die diskordante Überlagerung der Flyschzone auf Molasse fort ! Bei Blaichach wird dieser Schenkel auf über 2 km Breite bei regelmässigem E 10-15° N-Streichen und 40-50 ° SSE-Fallen von der Iller durchschnitten. Aus dem tektonisch ertrunkenen und mit Kies aufgeschütteten, morastigen Talboden ohne epigenetischen Ab- fluss ragen noch vier kleine Zeugenhügel hervor. Der weitaus interes- santeste ist derjenige auf der Ostseite der Iller, 600 m SW der Kapelle von Agathazell, an dem rückläufige Terrassen angedeutet sind (Fig. 14). An seinem NW-Ende streicht die Molasse-Nagelfluh unverändert E 10° N bei 70° 8-Fallen, in der Mitte und am Südende aber E 10-20° S mit 45-55° 8-Fallen. Statt dem Grünten nach N auszuweichen, krümmt sich das Nagelfluhstreichen ihm sogar entgegen ! (Fig. 11, 14). Am Nordzipfel des gleichen Hügels neben der Strasse guckt aus dem s Weg +

14. Der Molassehügel im Talboden bei Agathazell. 1 : 3000.

Rasen ein Fels aus grauem, fein glimmersandigem Schieferkalk mit steilem SSW-Fallen, vom Aussehen der problematischen Kreide Hüt- tenberg-Waldhügel Agathazell. Sollte er sich als anstehend erweisen, so wäre er an den Molasseschichtköpfen vorbei und über diese hin- weg nach N vorgestossen. Auf alle Fälle sind wir von der Grünten- kreide im Streichen nur noch 500 m entfernt! Dass die Nagelfluh mit dem genannten Hügel entweder durch Querbruch oder miocäne Erosion endigt, beweist die um über 1 km vorgeschobene Grüntenzone I mit Kreide und Eocän, die nach Blatt Sonthofen bis Wagneritz reicht. Die Annahme einer Transversal- verschiebung von 2 km in der Molasse sollte die Rippe westlich RetteIiberg durchsetzen, was nicht • der Fall ist. Auch ist im ganzen subalpinen Molassegebirge, im Gegensatz zur überschobenen Kreide, kein einziger Fall einer Transversalverschiebung von auch nur an- nähernd solcher Dimension bekannt. Es bleibt nur noch die Annahme alter •Erosion der Nagelfluh vor der Überschiebung.

1) Vergl. I{arte von tud er und Escher, 1 : 380000! Arn. Heim. Zur Geologie des Grünten im Allgäu. 485

Östlich ob Wagneritz folgt ein Dreieck aus Gehängeschutt und Bergsturz. An seinem Ostwinkel stösst die fremdartige Molassemauer der Kammereck an Seewerkalk ab, von diesem lokal bis zur Verti- kalen hakenartig aufgekrümmt, bei Streichen E 15N (Fig. 9, 11). Auch 1 km weiter NE, bei der Grüntenalphütte, ist die an Wildflysch, See- werkalk oder Drusbergschichten stossende Molasse bis auf 70 und 80° N NW-Fallen aufgekrümmt. Man kann dort von S nach N folgende Abteilungen unterscheiden: 1. Sandstein ca. 50 m, 2. Mergel ca. 50 ni, 3. Sandstein ca. 50 m, 4. Graue Nagelfluh (Fig. 9). Die unteren dieser Molassestreifen verlaufen etwas schief zum Kreide-Molassekontakt und keilen nach E am Herzlesteinbach aus. Sicher fehlt schliesslich die ganze, etwa 300 m mächtige Kammereck-Mergelmolasse. So sehen wir, dass der Kontakt von Alpen und Molasse in doppeltem Sinne diskordant ist und keineswegs einer ge- radlinigen Verwerfung, noch überhaupt einer Verwerfung nach altem Muster entspricht, indem sowohl die Alpenfor- mationen und deren tektonische Zonen, als auch die Molasse gegenseitig wechselvoll amputiert sind. Am NE-Ende des Grünten ist die Lücke am grössten; das älteste der Kreide (Barrémien) stösst an die jüngste Molasse (Oberrniocän). Es ist dies die grösste bekannte Lücke am Alpennordrand über- haupt.

Rückblick. Die vergleichend stratigraphischen Beobachtungen haben ergeben, dass der Grünten infolge seiner Faziesdifferenz nicht die direkte transversal verschobene Fortsetzung der Vorarlber- gerketten bei Oberstdorf sein kann. Er hat eineH südlicheren Habitus. Auch die Faziesdifferenzen innerhalb des Grüntenprofiles (vergl. pag. 472), sowie die Verquetschungen mit Wildflysch auf der Grüntenalp schliessen seine Autochthonie aus. Man möchte vermuten, dass er samt der Zone von Berghofen nnd dem Flysch von der Süd- ostseite der Oberstdorfer Kreideketten herübergeschoben sei, gestossen durch die oberostalpine Decke, die nach dem Niederta.uchen der Vor- arlbergerketten östlich der Iller in mächtigem Bogen weit nach Norden vorgedrungen ist. Die Molasse, die plötzlich im Streichen vor dem Grünten endigt, ist offenbar ebenso nicht durch Transversalbruch ab- geschnitten. Ist der Grünten also in ein Loch der Speernagelfluh hinein vorgeschoben, ähnlich dem Goggeien 1), und setzt sich das Nagel-

) Arnold Heini , Brandung der Alpen, Vierteljahresschrift der Naturf. Ges. Zürich 1906. 486 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1919 fluhgebirge als Rumpf unter dem Grünten und der Kammereckmolasse fort? Endigt darum an der Iller die Nagelfluh als Gebirgskette? Tatsächlich ist die Molasse am Alpenrand in grossem Maßstab am- putiert, ohne dass deren Tektonik durch die helvetische Schubmasse wesentlich beeinflusst wird. Während die nördlichen Glieder des Grünten (I—II) transversal durch die westlich nebenlagernde Molasse abgeschnitten sind und nicht unter diese tauchen können, sinken die beiden Hauptgewölbe auf der freien Südostseite der Molasse abnorm steil unter ihre jüngere Hülle zur Tiefe. Die Amputation, die der Grünten von der Molasse- seite her aufweist, ist dort am stärksten, wo seine Gewölbe die grösste tektonische Höhe erreichen — eine Tatsache, die einzig in ihrer Art am Alpen-Nordrand dasteht. Auffallend ist ferner` östlich der I1ler die häufige Wiederkehr annähernd senkrecht aufgerichteter Schuppen (Grünten I, II, V; Wertach) und die Rückstülpung der Grüntengewölbe III—IV. Sie deuten auf eine letzte Phase der Aufrichtung nach der Überschiebung, durch „Unterschiebung" (Tiefenschub) und Stauung an der Molasse mit Ausweichen nach oben. Ist der Grünten auf ein . älteres Nagelfluhgebirge geschoben, so trifft das gleiche für die jüngere Karnmereckmolasse nicht zu. • Ist also diese letztere auf dem embryonalen Grünten abgelagert worden? Dagegen spricht u. a. die Quetschzone der Grüntenalp und das Fehlen jeglicher Basiskonglomerate aus helvetischer Kreide. Der tektonische Hakenwurf am Kreidekontakt beweist, dass • die Ka.mmereckrno- lasse Hoch vom Alpenschub, vermittelt durch den Grünten, ergriffen wurde. Genügt unseren Begriffen die Deutung, der Grünten sei in seiner letzten Stauungsphase als Berg gegen die höher als jetzt aufragende Kammereckmolasse vorgestossen worden, sodass zwei alte Erosionsflächen aneinander geschweisst wurden? So ist durch diese neuen Beobachtungen der tektonische Knotcn des Grünten noch nicht restlos gelöst. Nur systematische sorgfältigste Detailarbeit unter Kartierung in weitem Umfange, auch des Flysch- gebietes, in 1 : 25 000 oder grösser, mit genauesten stratigraphischen Aufzeichnungen, kann die schwebenden Fragen klären.