Deutscher Bundestag Drucksache 13/10893 13. Wahlperiode 29. 05. 98

Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Ausschuß)

zu dem Überprüfungsverfahren des Abgeordneten Dr. gemäß § 44 b Abs. 2 Abgeordnetengesetz

(Überprüfung auf eine Tätigkeit eine politische Verantwortung für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik)

Gliederung

Seite 1. Feststellung des Prüfungsergebnisses 3

2. Rechtsgrundlagen des Überprüfungsverfahrens 3 2.1 § 44 b des Abgeordnetengesetzes 3 2.2 Richtlinien 3 2.3 Absprache zur Durchführung der Richtlinien gemäß § 44 b AbgG 3 2.4 Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 4

3. Ablauf des Überprüfungsverfahrens 4 3.1 12. Wahlperiode 4 3.2 13. Wahlperiode 5

4. Grundlagen der Überprüfung des Abg. Dr. Gysi 6 4.1 Zum Quellenwert der Unterlagen des MfS 6 4.2 Recherchen des Bundesbeauftragten mit Bezug auf Dr. Gysi 7

5. Staatliche Kontrolle der politischen Opposition in der DDR 9 5.1 Bekämpfung der politischen Opposi tion durch das MfS 9 5.2 Zur Rolle der Staatsanwaltschaft in MfS-Verfahren 10 5.3 Einfluß der SED 10

6. Einzelfälle der Zusammenarbeit Dr. Gysis mit dem MfS 11 6.1 Rudolf Bahro 11 6.1.1 Die Übernahme der anwaltlichen Vertretung 11 6.1.2 Das Testament Rudolf Bahros 12 6.1.3 Notizen Rudolf Bahros im Zusammenhang mit der Veröffentlichung eines Briefes im „Spiegel" 13 Drucksache 13/10893 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode

Seite

6.1.4 Bestellter Brief 16

6.1.5 Haftbedingungen Rudolf Bahros/Vorschläge gegen den „Veröffentli rieb" -chungst17

6.1.6 Anruf aus West- 20

6.1.7 Zusammenfassung 20

6.2 20

6.2.1 Die Übernahme der anwaltlichen Vertretung 20

6.2.2 Die Eingabe an das MdI vom 20. August 1979 21

6.2.3 Die Eingabe an den Generalstaats anwalt der DDR vom 16. Oktober 1979 22

6.2.4 Der 70. Geburtstag Robert Havemanns 24

6.2.5 Der 35. Jahrestag der Befreiung des Zuchthauses Brandenburg 26

6.2.6 Das Holzhaus auf dem Grundstück von Robert Havemann 26

6.2.7 Die weitere „Bearbeitung" von Robert Havemann 29

6.2.8 Der Tod Robert Havemanns 31

6.2.9 Namenslisten 32

6.2.10 Zusammenfassung 32

6.3 Jutta Braband und Thomas Klein 32

6.4 Franz Dötterl 32

6.5 Annedore „Katja" Havemann 33

6.6 Frank-Wolf Matthies 35

6.7 Bettina Wegner 35

6.8 Gerd und Ulrike Poppe 36

6.9 Thomas Eckert 38

6.10 Bärbel Bohley 38

6.11 Der Empfang im Ermlerhaus 40

6.12 Reinhard Lampe 41

7. Erfassungsverhältnisse Dr. Gysis beim MfS 42 7.1 Erfassung in einem OPK-Vorgang der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) 42 7.2 Erfassung in einem Sicherungsvorgang der BV Berlin 43 7.2.1 Formale Erfassung bei der Abt. XX/1 BV Berlin 43 7.2.2 Tatsächliche Zusammenarbeit mit der HA XX/OG 43 7.3 Erfassung durch die HA XX/OG, der späteren HA XX/9 45 7.3.1 Erfassung im IM-Vorlauf „Gregor" 45 7.3.2 Erfassung in der OPK „Sputnik" 47

8. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse 49

Stellungnahme des Abgeordneten Dr. Gregor Gysi vom 29. Mai 1998 zur Feststel- lung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung vom 8. Mai 1998 im Rahmen des gegen Um durchgeführten Überprüfungsverfahrens gemäß § 44 b Abgeordnetengesetz 51 Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode Drucksache 13/10893

1. Feststellung des Prüfungsergebnisses

Der Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Ge- ten Dr. Gregor Gysi für das Ministerium für Staatssi- schäftsordnung (1. Ausschuß) hat in seiner 87. Sit- cherheit der ehemaligen Deutschen Demokratischen zung am 8. Mai 1998 im Überprüfungsverfahren ge- Republik als mäß § 44 b Abs. 2 Abgeordnetengesetz mit der in Nummer 1 der Richtlinien des Überprüfungsverfah- erwiesen rens vorgesehenen Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder eine inoffizielle Tätigkeit des Abgeordne festgestellt.

2. Rechtsgrundlagen des Überprüfungsverfahrens

2.1 § 44h des Abgeordnetengesetzes Die Richtlinien regeln auf der Grundlage des § 44 b AbgG das Verfahren zur Feststellung einer Tätigkeit Die Überprüfung von Mitgliedern des Deutschen oder Verantwortung für das Ministe rium für Staatssi- Bundestages auf eine hauptamtliche oder inoffizielle cherheit/Amt für Na tionale Sicherheit der ehemali- Tätigkeit oder politische Verantwortung für den gen Deutschen Demokratischen Republik. So wird in Staatssicherheitsdienst der ehemaligen Deutschen Nummer 1 Abs. 1 der Richtlinien die Zuständigkeit Demokratischen Republik hat ihre Rechtsgrundlage des 1. Ausschusses für Überprüfungen nach § 44 b in § 44 b des Abgeordnetengesetzes (AbgG). Die Vor- AbgG geregelt. Nach Nummer 1 Abs. 4 der Richtli- schrift wurde durch das Vierzehnte Gesetz zur Ände- nien trifft der 1. Ausschuß Entscheidungen zur Fest- rung des Abgeordnetengesetzes vom 20. Januar stellung des Prüfungsergebnisses mit einer Mehrheit 1992 (BGBl. I S. 67) in das Abgeordnetengesetz ein- von zwei Dritteln seiner Mitglieder. gefügt. Sie sieht im Grundsatz eine freiwillige Über- Auf Grundlage der Nummer 2 der Richtlinien ersucht prüfung auf Antrag eines Mitglieds des Deutschen der Präsident des Bundestages den Bundesbeauf- - Bundestages vor (§ 44 b Abs. 1 AbgG). Ohne Zustim- tragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdien- mung des Mitglieds findet die Überprüfung statt, stes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Re- wenn der Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und publik (Bundesbeauftragter, BStU) um Mitteilung Geschäftsordnung (1. Ausschuß) das Vorliegen von von Erkenntnissen aus seinen Unterlagen über ein konkreten Anhaltspunkten für den Verdacht einer Mitglied des Bundestages und um Akteneinsicht, solchen Tätigkeit oder Verantwortung festgestellt hat falls das betroffene Mitglied es verlangt oder fa lls der (§ 44b Abs. 2 AbgG). Der 1. Ausschuß führt auch das 1. Ausschuß konkrete Anhaltspunkte des Verdachts Verfahren durch (§ 44 b Abs. 3 AbgG). einer Tätigkeit oder politischen Verantwortung eines Mitglieds des Bundestages für das MfS/AfNS fest- stellt. Der 1. Ausschuß trifft aufgrund der Mitteilun- gen des Bundesbeauftragten und sonstigen ihm zu- 2.2 Richtlinien geleiteten oder von ihm beigezogenen Unterlagen die Feststellung, ob eine hauptamtliche oder inoffi- Das Verfahren zur Feststellung einer Tätigkeit oder zielle Mitarbeit oder eine politische Verantwortung Verantwortung für das Ministe rium für Staatssicher- für das MfS/AfNS als erwiesen anzusehen ist (Num- heit/Amt für Nationale Sicherheit der ehemaligen mer 3). In den Nummern 4 und 5 der Richtlinien wer- Deutschen Demokratischen Republik (MfS/AfNS) den im wesentlichen die Beteiligung des betroffenen legt der Deutsche Bundestag in Richtlinien fest Mitglieds am Verfahren und die Veröffentlichung der (§ 44 b Abs. 4 AbgG). Dementsprechend hat der Feststellung des 1. Ausschusses ggf. mit einer Erklä- 12. Deutsche Bundestag zusammen mit der Einfü- rung des betroffenen Mitgliedes geregelt. gung des § 44 b in das Abgeordnetengesetz „Richt- linien zur Überprüfung auf eine Tätigkeit oder politi- sche Verantwortung für das Ministerium für Staats- 2.3 Absprache zur Durchführung der Richtlinien sicherheit/Amt für Nationale Sicherheit" verabschie- gemäß § 44 b AbgG det (BGBl. I 1992 S. 76; vgl. auch Drucksache 12/1324 und 12/1737). Der 13. Deutsche Bundestag hat Weitere Einzelheiten des Überprüfungsverfahrens die Übernahme der Richtlinien in seiner konstituier- hat der 1. Ausschuß am 30. April 1992 in einer „Ab- enden Sitzung am 10. November 1994 beschlossen sprache zur Durchführung der Richtlinien gemäß (BT PlProt. 13/1, S. 7 ff.). § 44 b AbgG" festgelegt (Amtliche Mitteilung des

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Deutschen Bundestages vom 22. Mai 1992; Drucksa- 2.4 Entscheidung des che 12/4613, S. 8 f.). Die Absprache wurde durch Be- Bundesverfassungsgerichts schluß des 1. Ausschusses vom 19. Januar 1995 auch für die 13. Wahlperiode übernommen (Amtliche Mit- In einem Organstreitverfahren hat der Abg. Dr. Gysi teilung des Deutschen Bundestages vom 7. Februar mit seinen am 10. April 1995 beim Bundesverfas- 1995). Bei der Absprache handelt es sich um Verfah- sungsgericht eingegangenen Anträgen die Feststel- rensgrundsätze des 1. Ausschusses zur Durchfüh- lung begehrt, daß die Durchführung eines Überprü- rung der Überprüfungsverfahren im Rahmen der Re- fungsverfahrens gemäß § 44 b Abs. 2 AbgG ein- gelungen des § 44 b AbgG und der Richtlinien. schließlich der dazu erlassenen Richtlinien und Ab- Neben der Festlegung der Einzelfallüberprüfung sprachen seine Rechte als Abgeordneter aus Artikel durch Berichterstattergruppen (Nummer 1), Fragen 38 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt. der Anhörung des Betroffenen (Nummer 2), der Akten- aufbewahrung und -einsicht (Nummer 4), der Öffent- Durch einstimmigen Beschluß des Zweiten Senats lichkeit (Nummer 5) werden in Nummer 6 der Abspra- (2 BvE 1/95) hat das Bundesverfassungsgericht am 21. Mai 1996 entschieden, daß das in § 44 b Abs. 2 che die nachfolgend aufgeführten Festellungskrite- AbgG geregelte Verfahren zur Überprüfung von rien für den Ausschuß festgelegt. Darin heißt es: Bundestagsabgeordneten auf eine Tätigkeit oder „Feststellungskriterien für den Ausschuß sind insbe- politische Verantwortung für den Staatssicherheits- sondere: dienst der ehemaligen DDR mit Artikel 38 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar ist und gegen den Abg. Dr. Gysi - hauptamtliche Tätigkeit für das MfS/AfNS (vgl. ein entsprechendes Verfahren durchgeführt werden § 6 Abs. 4 Nr. 1 StUG); darf. Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich - inoffizielle Tätigkeit (vgl. § 6 Abs. 4 Nr. 2 StUG), gebilligt, daß der Deutsche Bundestag als Folge des wenn Übergangs von der Diktatur zur Demokratie in den neuen Ländern ein Verfahren einführen durfte, durch - eine unterzeichnete Verpflichtungserklärung das Abgeordnete unter bestimmten Voraussetzungen vorliegt oder auf ihre frühere Tätigkeit oder Verantwortung für - nachweislich Berichte oder Angaben über Per- das MfS/AfNS überprüft werden. Im einzelnen führt sonen geliefert wurden oder der Senat aus, daß ein solches Verfahren von Verfas- - Zuwendungen, Vergünstigungen, Auszeich- sungs wegen Sicherungen zum Schutz des Abgeord- nungen oder Vergleichbares nachweislich da- netenstatus hinsichtlich der Beteiligungsrechte des für entgegengenommen wurden oder betroffenen Abgeordneten, der Verfahrensgestaltung und der abschließenden Verfahrensfeststellung ent- - sonstige Unterlagen vorliegen, die schlüssiges halten muß. Handeln für das MfS/AfNS belegen. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsge- - politische Verantwortung für das MfS/AfNS oder richts wird das- vom Bundestag festgelegte und seine Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen, durch Richtlinien und Absprachen näher ausgestal- - das Vorliegen einer unterzeichneten Verpflich- tete Verfahren - auch soweit es auf die Beweismittel tungserklärung, wobei jedoch wegen fehlender des Zeugen- und Sachverständigenbeweises ver- Unterlagen eine Mitarbeit nicht bewe rtet werden zichtet und sich auf eine Überprüfung anhand von kann, ein Tätigwerden nicht vorliegt oder nicht Urkunden und Angaben des Betroffenen be- nachweisbar ist, schränkt - diesen verfassungsrechtlichen Anforde- rungen gerecht. Das Gericht weist jedoch darauf - eine nachgewiesene Eintragung in die IM-Kartei, hin, daß der 1. Ausschuß von der Verstrickung des wobei Verdachtsmomente jedoch offensichtlich Abgeordneten eine so sichere Überzeugung gewin- auf manipulierten Daten zu ungunsten des Betrof- nen muß, daß auch angesichts der beschränkten Be- fenen basieren, weismöglichkeiten vernünftige Zweifel an der Rich- - eine Tätigkeit oder politische Verantwortung für tigkeit der Feststellung ausgeschlossen sind. Ande- das MfS/AfNS, wobei jedoch Einzelpersonen renfalls steht es dem Ausschuß offen, in den Grün- nachweislich weder mittelbar noch unmittelbar den die Beweislage darzustellen. Mutmaßungen belastet oder benachteiligt worden sind. " sind dem Ausschuß verwehrt.

3. Ablauf des Überprüfungsverfahrens

3.1 12. Wahlperiode schen Republik vorgenommen. Die Überprüfung er- folgte auf Grundlage des § 44 b Abs. 1 AbgG, nach Erstmals hat der 1. Ausschuß in der 12. Wahlperiode dem der Abg. Dr. Gysi im Januar 1992 einen Über- eine Überprüfung des Abg. Dr. Gysi auf eine mögli- prüfungsantrag bei der Präsidentin des Deutschen che Tätigkeit oder politische Verantwortung für das Bundestages gestellt hatte. Obwohl schon in der Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale 12. Wahlperiode ein erheblicher Verdacht bestand, Sicherheit der ehemaligen Deutschen Demokrati daß der Abg. Dr. Gysi inoffiziell mit dem MfS zusam-

Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode Drucksache 13/10893 mengearbeitet hat und Angaben über seine Man- mig zurückgewiesen und die Rechtmäßigkeit des danten und deren Strafverfahren an die Staatssi- Überprüfungsverfahrens gemäß § 44 b Abs. 2 AbgG cherheit geliefert hat, kam der 1. Ausschuß mit dem festgestellt hatte. ihm zum damaligen Zeitpunkt vorliegenden MfS- Dokumenten zu dem Ergebnis, eine inoffizielle Tä- Da der Bundesbeauftragte zwischenzeitlich bis dahin tigkeit Dr. Gysis für das MfS sei nicht mit letzter nicht bekannte Unterlagen mit Bezug auf Dr. Gysi Sicherheit zu erweisen. Da der Abg. Dr. Gysi darauf- aufgefunden und dem 1. Ausschuß zugeleitet hatte, hin gegen den Berichtsentwurf des 1. Ausschusses beschloß der 1. Ausschuß im November 1996, den ein Organstreitverfahren beim Bundesverfassungs- Bundesbeauftragten zu bitten, eine umfassende Re- gericht angestrengt hatte, unterblieb die Veröffent- cherche nach weiteren Unterlagen durchzuführen. lichung des Berichts, so daß das Überprüfungsver- Mit Datum vom 13. März 1997 legte der Bundesbe- fahren in der 12. Wahlperiode nicht formell abge- auftragte zusammen mit neu aufgefundenen Unterla- schlossen wurde. gen einen Ergänzenden Bericht zu seiner Gutachter- lichen Stellungnahme vom 26. Mai 1995 vor. Der Abg. Dr. Gysi nahm mit Schreiben vom 17. April 1997 zum Ergänzenden Bericht des Bundesbeauf- 3.2 13. Wahlperiode tragten Stellung und überreichte dem 1. Ausschuß umfangreiche Anlagen. Der Ergänzende Bericht wur- In der 13. Wahlperiode beschloß der 1. Ausschuß in de aufgrund eines Beschlusses des 1. Ausschusses seiner 4. Sitzung am 9. Februar 1995 gemäß § 44 b vom 24. April 1997 gemeinsam mit der Stellungnah- Abs. 2 AbgG ein Überprüfungsverfahren gegen den me des Abg. Dr. Gysi der Öffentlichkeit zugänglich Abg. Dr. Gysi ohne dessen Zustimmung durchzufüh- gemacht. ren. Der Ausschuß hatte zuvor festgestellt, daß in be- Mit seinen Schreiben vom 27. Mai 1997 und vom zug auf den Abg. Dr. Gysi konkrete Anhaltspunkte 3. Juni 1997 legte der Bundesbeauftragte dem 1. Aus- für den Verdacht einer Tätigkeit für den Staatssicher- schuß weitere Unterlagen mit Bezug auf Dr. Gysi vor, heitsdienst der ehemaligen DDR vorliegen. Grund- zu denen der Abg. Dr. Gysi mit Schreiben vom 6. Juni lage für die Einleitung des Überprüfungsverfahrens 1997 Stellung nahm. Unter dem 9. Juni 1997 ergänzte waren zum einen die bereits aus der 12. Wahlperiode der Bundesbeauftragte seinen Ergänzenden Bericht vorliegenden Erkenntnisse. Zum anderen hatte der zur Gutachterlichen Stellungnahme mit einer bei- Bundesbeauftragte mit Schreiben vom 17. Oktober spielhaften Darstellung einzelner Fallgruppen (Bei- und 3. November 1994 weitere Unterlagen mit Bezug spiele zum Ergänzenden Bericht). Hierzu nahm der auf Dr. Gysi aus den Beständen des Ministe riums für Abg. Dr. Gysi mit Schreiben vom 17. Juni 1997 Stel- Staatssicherheit der ehemaligen DDR übersandt, die lung. zusätzliche Anhaltspunkte einer Tätigkeit Dr. Gysis für das Ministerium für Staatssicherheit enthielten. Im Rahmen des Überprüfungsverfahrens gegen den Aufgrund des Beschlusses des 1. Ausschusses vom Abg. Dr. Gysi lagen dem 1. Ausschuß neben den be- 9. Februar 1995 ersuchte die Präsidentin des Deut- reits genannten- Stellungnahmen weitere Stellung- schen Bundestages den Bundesbeauftragten mit nahmen des Bundesbeauftragten vor. Hierbei han- Schreiben vom 8. März 1995, eventuell vorhandene delt es sich um die Schreiben des Bundesbeauftrag- weitere Unterlagen mit Bezug auf Dr. Gysi zu über- ten vom 21. Juni 1995, 29. Juni 1995, 1. Februar 1996, senden und ein Gutachten zu den vorliegenden Er- 5. März 1997, 18. Juni 1997 und vom 16. Februar kenntnissen auszuarbeiten. Diesem Ersuchen hat der 1998. Mitglieder des 1. Ausschusses nahmen im Lau- Bundesbeauftragte mit der Übersendung einer „Gut- fe des Verfahrens beim Bundesbeauftragten Einsicht achterlichen Stellungnahme zu in der Behörde des in die Originale der dem 1. Ausschuß in Kopie zuge- Bundesbeauftragten aufgefundenen Unterlagen, die leiteten Unterlagen aus den Beständen des Ministe- mit Dr. Gregor Gysi im Zusammenhang stehen" vom riums für Staatssicherheit der ehemaligen DDR. Der 26. Mai 1995 entsprochen. Der Bundesbeauftragte Bundesbeauftragte und seine Mitarbeiter erläuterten legte gleichzeitig eine Zusammenstellung sämtlicher dem 1. Ausschuß in vier Sitzungen - am 18. Mai bis dahin in seiner Behörde aufgefundener Unterla- 1995, 22. Juni 1995, 7. November 1996 und am gen zu Dr. Gysi vor. In seiner Sitzung vom 2. Juni 12. Juni 1997 - die vorgelegten Unterlagen und die 1995 beschloß der 1. Ausschuß, die Gutachterliche dazu abgegebenen Stellungnahmen mündlich. Stellungnahme der Öffentlichkeit zugänglich zu ma- Dem Abg. Dr. Gysi wurden in jedem Stadium des chen. Mit Datum vom 9. August 1995 legte der Abg. Überprüfungsverfahrens die zu seiner Person über- Dr. Gysi eine Stellungnahme zur Gutachterlichen mittelten Unterlagen und Stellungnahmen des Bun- Stellungnahme des Bundesbeauftragten vom 26. Mai desbeauftragten zugänglich gemacht. Er erhielt Ge- 1995 vor. legenheit, sich hierzu zu äußern und machte - neben Im Hinblick auf das vom Abg. Dr. Gysi im April 1995 den bereits aufgeführten Schreiben - mit seinen teil- beim Bundesverfassungsgericht angestrengte Or- weise mit Anlagen versehenen Schreiben vom ganstreitverfahren gegen das Überprüfungsverfah- 25. November 1994, 9. Februar 1996, 26. Februar ren gemäß § 44 b Abs. 2 AbgG ruhte das Verfahren in 1996, 8. November 1996, 13. Juni 1997, 25. Juni 1997, der Folgezeit bis zur Entscheidung des Bundesver- 8. September 1997, 12. September 1997 und 19. März fassungsgerichts im wesentlichen. Der 1. Ausschuß 1998 hiervon Gebrauch. Der Abgeordnete Dr. Gysi setzte das Überprüfungsverfahren fo rt, nachdem das hat dem 1. Ausschuß zudem - teils in Auszügen - Bundesverfassungsgericht die Organklage des Abg. einige Gerichtsurteile bzw. Beschlüsse von Zivilge- Dr. Gysi durch Beschluß vom 21. Mai 1996 einstim richten, Verwaltungsgerichten und der Staatsanwalt-

Drucksache 13/10893 Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode schaft beim Landgericht Hamburg überreicht, in de- ordneten Dr. Gregor Gysi für das Ministerium für nen der Vorwurf einer Zusammenarbeit Dr. Gysis mit Staatssicherheit der ehemaligen Deutschen Demo- dem MfS eine Rolle spielte. Die Erklärungen und kratischen Republik erwiesen ist. Der Vorsitzende Stellungnahmen des Abg. Dr. Gysi wurden in das des 1. Ausschusses unterrichtete gemäß Ziff. 4 der Überprüfungsverfahren eingeführt und sind vom Richtlinien für das Überprüfungsverfahren die Präsi- 1. Ausschuß bei der Entscheidungsfindung berück- dentin des Bundestages und Abg. Dr. Gysi als Betrof- sichtigt worden. fenen sowie in seiner Eigenschaft als Vorsitzenden der Gruppe der PDS von dieser beabsichtigten Fest- Am 11. und 12. Juni 1997 hörte der 1. Ausschuß den stellung. Abg. Dr. Gysi an. Der Abg. Dr. Gysi erhielt Gelegen- heit, zum Sachverhalt Stellung zu nehmen und auf Der Abgeordnete Dr. Gysi erhob am 25. März 1998 Fragen von Ausschußmitgliedern zu antworten. vor dem Bundesverfassungsgericht eine Organklage In seiner 79. Sitzung am 24. März 1998 traf der gegen die vorläufige Feststellung des 1. Ausschusses wegen Verletzung des Artikel 38 GG und beantragte 1. Ausschuß seine vorläufigen Feststellungen zu dem gleichzeitig eine einstweilige Anordnung. Mit Be- Überprüfungsverfahren. Hierzu lagen ihm unter- schluß vom 1. April 1998 hat das Bundesverfassungs- schiedliche Entwürfe vor. Die Berichterstatterin Ulla gericht die Organklage des Abgeordneten Dr. Gysi Jelpke sah in den vorliegenden Unterlagen keinen einstimmig in der Hauptsache als teilweise unzuläs- Nachweis für eine inoffizielle Zusammenarbeit Dr. sig und im übrigen als unbegründet verworfen und Gysis mit dem MfS. In ihrem Entwurf vom 27. Okto- gleichzeitig seine Anträge auf Erlaß einer einstweili- ber 1997 hatte sie deshalb vorgeschlagen, eine gen Anordnung für erledigt erklärt. hauptamtliche oder inoffizielle Mitarbeit oder politi- sche Verantwortung Gregor Gysis für das MfS als Am 21. April 1998 hörte der 1. Ausschuß den Abg. nicht erwiesen festzustellen. Der 1. Ausschuß lehnte Dr. Gysi nochmals an und erörterte mit ihm die in der den Vorschlag der Abgeordneten Ulla Jelpke gegen Sitzung vom 24. März 1998 getroffene vorläufige die Stimme der Gruppe der PDS ab. Feststellung einer inoffiziellen Tätigkeit für das Mini- Auch der Berichterstatter Jörg van Essen war zu dem sterium für Staatssicherheit der ehemaligen DDR. Ergebnis gelangt, eine inoffizielle Tätigkeit oder poli- tische Verantwortung Dr. Gysis für das MfS sei nicht Auf der Grundlage der vom Bundesbeauftragten zu- erwiesen. Einen entsprechenden Entscheidungsvor- geleiteten Dokumente und Stellungnahmen, dem Er- schlag enthielt sein Berichtsentwurf vom 16. März gebnis der mündlichen Anhörungen des Abg. Dr. 1998. Der 1. Ausschuß lehnte auch diesen Vorschlag Gysi und der von ihm abgegebenen schriftlichen gegen die Stimme der Fraktion der F.D.P. und bei Stellungnahmen und Erklärungen sowie beigezoge- Enthaltung der Gruppe der PDS ab. ner Unterlagen stellte der 1. Ausschuß in seiner 87. Sitzung am 8. Mai 1998 mit einer Mehrheit von Er traf vielmehr in der Sitzung am 24. März 1998 ge- zwei Dritteln seiner Mitglieder eine inoffizielle Tätig- gen die Stimmen der F.D.P und der PDS mit den keit des Abg. Dr. Gysi für das Ministerium für Staats- Stimmen seiner übrigen 15 Mitglieder vorläufig die sicherheit der- ehemaligen Deutschen Demokrati- Feststellung, daß eine inoffizielle Tätigkeit des Abge schen Republik als erwiesen fest.

4. Grundlagen der Überprüfung des Abg. Dr. Gysi

4.1 Zum Quellenwert der Unterlagen des MfS cherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demo- kratischen Republik, BF informiert 3/1994, S. 4). Auch im Zusammenhang mit dem Überprüfungsver- fahren gemäß § 44 b Abs. 2 AbgG gegen den Abg. Dr. Allgemein läßt sich aufgrund vorliegender Studien Gysi stellt sich die allgemeine Frage nach dem Quel- zum Quellenwert der MfS-Unterlagen festhalten, daß lenwert und dem Wahrheitsgehalt der MfS-Unter- das MfS bei der Informationsgewinnung und in der lagen. Die Diskussion um den Wahrheitsgehalt der internen Kommunikation bemüht war, verfälschende MfS-Unterlagen wird häufig von unterschiedlichen Faktoren möglichst auszuschalten, um die Effizienz Seiten mit einem hohen Maß an emotionalem Enga- seiner Tätigkeit nicht zu gefährden. Das MfS führte gement und persönlicher Be troffenheit geführt. Dabei insofern eine permanente Bewe rtung, Kontrolle und zeigt sich, daß ehemalige Opfer der Staatssicherheit Überprüfung seiner eigenen Informationserhebung und des SED-Regimes überwiegend den Wert der durch (siehe Engelmann, a.a.O., S. 8 f. m.w.N.). Die- MfS-Akten betonen, während einige ehemalige ser Befund ergibt sich insbesondere aus dienstlichen hauptamtliche und inoffizielle Mitarbeiter der Staats- Festlegungen des MfS zur opera tiven Arbeit. Bei- sicherheit die Zuverlässigkeit des Aktenbestandes spielhaft läßt sich hierfür die Richtlinie 1/79 für die des MfS in Zweifel ziehen (siehe Roger Engelmann, Arbeit mit Inoffiziellen Mitarbeitern (IM) und Gesell- Zu Struktur, Charakter und Bedeutung der Unter- schaftlichen Mitarbeitern für Sicherheit (GMS) vom lagen des Ministeriums für Staatssicherheit, in: Der 8. Dezember 1979 anführen (abgedruckt in: Helmut Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssi Müller-Enbergs (Hrsg.), Inoffizielle Mitarbeiter des

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Ministeriums für Staatssicherheit, Richtlinien und durchgeführt wird, können allgemeine Aussagen Durchführungsbestimmungen, Berlin, 1996, S. 305 ff.). zum Quellenwert der MfS-Dokumente durchaus bei In der Richtlinie heißt es etwa unter Nr. 1.1. zur „Ge- der Interpretation berücksichtigt werden, ohne daß winnung operativ bedeutsamer Informationen", daß bereits hieraus eine abschließende Bewe rtung erfol- das Hauptanliegen der Arbeit mit den IM die ziel- gen kann. In erster Linie sind die zum konkreten Fa ll gerichtete konspirative Gewinnung von Informatio- vorliegenden MfS-Unterlagen zu interpretieren, zu nen „mit hoher Qualität und Aussagekraft zur Be- gewichten und auszuwerten. Nach Auffassung des kämpfung aller subversiven Angriffe des Feindes zu 1. Ausschusses kann jedoch aufgrund der dargestell- sein" hat. Auch das Wörterbuch der Staatssicher- ten Richtlinien und Vorgaben des MfS für die opera- heit') führt in diesem Zusammenhang aus, daß zur tive Arbeit die grundsätzliche Zuverlässigkeit der Gewährleistung einer hohen Qualität, der IM objek- vom Bundesbeauftragten vorgelegten MfS-Unterla- tiv und vollständig zu berichten hat. Der IM-führen- gen angenommen werden. Dabei ist sich der 1. Aus- de Mitarbeiter muß bei der Berichterstattung durch schuß bewußt, daß auch beim MfS - wie in allen Ap- den IM „Widersprüche, Unklarheiten und Lücken paraten - Abweichungen und Verstöße gegen dienst- erkennen, beseitigen bzw. durch erneute Auftrags- liche Bestimmungen, die Einfluß auf die Qualität der erteilung und Instruierung überwinden". Den Wahr- Informationserhebung haben konnten, vorgekom- heitsgehalt der Informationen hat er durch gezielte men sind. Derartige Regelverstösse dürften sich aller- Fragen zu überprüfen. Mündliche Berichte eines IM dings aufgrund der straffen militärischen Struktur hat der IM-führende Mitarbeiter zu dokumentieren des MfS in Grenzen gehalten haben. Hinzu kam, daß und objektiv und unverfälscht wiederzugeben. Die die jeweiligen Leiter einen relativ überschaubaren Berichte der IM sind rationell abzufassen (siehe Sieg- Kreis von Unterstellten anleiteten und kontrollierten. fried Suckut (Hrsg.), Das Wörterbuch der Staats- Auf höherer Ebene bestanden außerdem Kontroll- sicherheit [Stichwort: Inoffizieller Mitarbeiter; Be- gruppen, die über die Einhaltung der dienstlichen richterstattung]) . Bestimmungen und sonstiger Vorgaben wachten (vgl. Engelmann, a.a.O., S. 11 f.; ders., Zum Quellen- Das MfS hat nach Darstellung des Bundesbeauftrag- wert der Unterlagen des Ministe riums für Staatssi- ten bei der inoffiziellen Zusammenarbeit Besonder- cherheit, in: Klaus-Dietmar Henke, Roger Engel- heiten, die sich beispielsweise aus der beruflichen mann (Hrsg.), Aktenlage, Die Bedeutung der Unter- Tätigkeit der betreffenden Person oder aus ihrem be- lagen des Staatssicherheitsdienstes für die Zeitge- ruflichen Umfeld ergeben, beachtet. Das MfS ging schichtsforschung, Berlin, 1995, S. 23 ff.). etwa bei der Gewinnung von inoffiziellen Mitarbei- tern im Bereich der „Bekämpfung der politischen Un- Unter Berücksichtigung dieser Einschätzung und un- tergrundtätigkeit" flexibel vor und nutzte den Spiel- ter Zugrundelegung der rechtlichen Vorgaben des raum, den die Richtlinien boten voll aus. Hiernach Überprüfungsverfahrens gemäß § 44 b Abs. 2 AbgG hat Minister Mielke bereits im Jahre 1955 verfügt, hatte der 1. Ausschuß jede einzelne MfS-Unterlage, daß entscheidend „nicht die Verpflichtung, sondern die der Bundesbeauftragte vorgelegt hat, nach ihrem die positive Mitarbeit des Kandidaten" sei (Direktive spezifischen Gehalt zu interpretieren, zu gewichten - Nr. 48/55, GVS 3334/55, zit. BStU, Schreiben vom und zu bewerten. Nur diese exakte Analyse der auf- 29. Juni 1995, S. 5). Dieses Prinzip sei bis zur Auf- gefundenen Unterlagen erlaubt im konkreten Einzel lösung des MfS beibehalten worden, wobei die Richt- fall aufschlußreiche Aussagen über den Inhalt und linien des MfS hierfür entsprechende Spielräume ge- den Grad der Intensität einer möglichen inoffiziellen boten hätten. Im MfS seien derartige Besonderheiten Zusammenarbeit von Dr. Gysi mit dem MfS. üblich gewesen, so daß es im Rahmen jeder aktiven Erfassung möglich gewesen sei, die be treffende Per- son für das MfS inoffiziell zu nutzen (BStU, Schreiben vom 29. Juni 1995). Ungeachtet dieser Besonderheit 4.2 Recherchen des Bundesbeauftragten ist auch hier davon auszugehen, daß die qualitativen mit Bezug auf Dr. Gysi Anforderungen an die Berichterstattung einzuhalten waren. Wesentliche Grundlage der Überprüfung des Abg. Dr. Gysi auf eine Tätigkeit für den Staatssicherheits- Der 1. Ausschuß sieht, daß zum Quellenwert und dienst der ehemaligen DDR sind die dem 1. Ausschuß zum Wahrheitsgehalt der umfangreichen und diffe- vom Bundesbeauftragten übermittelten Unterlagen renzierten Aktenbestände des MfS insgesamt nur a ll aus den Beständen des MfS. 2) In seiner Gutachterli- -gemeine Aussagen getroffen werden können. Anläß- chen Stellungnahme vom 26. Mai 1995 und in seinem lich eines konkreten Überprüfungsverfahrens, wie es gegen den Abg. Dr. Gysi gemäß § 44 b Abs. 2 AbgG 2) Der Bundesbeauftrage hat nach § 37 des Gesetzes über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen 1) Das „Wörterbuch der politisch-operativen Arbeit" des MfS Deutschen Demokratischen Republik (-Unterlagen-Ge- war eine von Erich Mielke persönlich autorisierte Definitio- setz -StUG) vom 20. Dezember 1991 (BGBl. I S. 2272) die Auf- nensammlung, die in der zweiten Auflage 1985 an der „Juri- gabe der Erfassung, Bewe rtung, Ordnung, Erschließung, stischen Hochschule" des Ministeriums für Staatssicherheit Verwahrung und Verwaltung der Unterlagen des Staatssi- in Potsdam-Eiche entstanden und erschienen war. Die Ab- cherheitsdienstes der ehemaligen DDR. Ihm obliegt die Ertei- teilung Bildung und Forschung des Bundesbeauftragten lung von Auskünften, Mitteilungen aus Unterlagen, Gewäh- hat Anfang 1993 zunächst einen Faksimile-Nachdruck der rung von Einsicht in Unterlagen sowie die Herausgabe von 94. Ausfertigung des Wörterbuchs publiziert; siehe im einzel- Unterlagen. Der Bundesbeauftragte erteilt Auskünfte entwe- nen Siegfried Suckut (Hrsg.) Das Wörterbuch der Staats- der auf ein entsprechendes Ersuchen der im Einzelfall zu- sicherheit. Definitionen zur „politisch-operativen Arbeit", ständigen Stelle hin oder von Amts wegen (§§ 19, 27, 28 Berlin, 1996, S. 7 f. StUG).

Drucksache 13/10893 Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode

Ergänzenden Bericht zur Gutachterlichen Stellung- Fundstellen mit Bezug zu Dr. Gysi zunächst unter- nahme vom 13. März 1997 hat er seine Vorgehenswei- schiedslos aufgegriffen und bei den Recherchen be- se bei der Durchsuchung der MfS-Unterlagen nach rücksichtigt worden (BStU, Ergänzender Bericht zur Dokumenten mit Bezug auf Dr. Gysi dargelegt. Gutachterlichen Stellungnahme, S. 5).

Der Bundesbeauftragte hat dem 1. Ausschuß nach einer in erster Linie von ihm vorgenommenen Zäh- Nach Mitteilung des Bundesbeauftragten wurden lung insgesamt 301 Unterlagen mit Bezug auf Dr. die bereits bekannten MfS-Unterlagen aus Bestän- Gysi aus den Beständen des MfS übermittelt. Diese den, in denen an anderer Stelle Bezüge zu Dr. Gysi Unterlagen gliedern sich teilweise wiederum in festgestellt worden waren, von Anfang bis Ende nach Einzeldokumente. Zahlreiche Unterlagen wurden als weiteren Hinweisen durchgesehen. Dieser Teil der Ausfertigungen, Kopien oder Durchschläge eines Recherche umfaßte Akten zu rund 50 Personen mit Originaltextes aus den MfS-Unterlagen entnom- etwa 800 Aktenbänden, die mehr als 200 000 Seiten men,3) so daß dem 1. Ausschuß oft mehrere Exem- enthalten. Zweitens wurden sämtliche erst grob plare eines Dokuments zur Verfügung stehen. Ein- erschlossenen Unterlagen der HA XX/OG bzw. zelne Dokumente, die in mehreren Versionen vor- HA XX/9 auf Hinweise zu Dr. Gysi und den für ihn liegen, enthalten oftmals unterschiedliche hand- vorgesehenen Decknamen „Gregor", „Notar" und schriftliche Anmerkungen und Verfügungen. Der „Sputnik" mit einem Bestand von 1740 Signaturen 1. Ausschuß kann daher die besondere Bedeutung, und über 260 000 Seiten durchgesehen. Danach wur- die die ggf. mehreren Fundorte eines Dokuments de der bis zu diesem Zeitpunkt erst grob erschlos- haben, in die Gesamtbewertung einbeziehen. sene Aktenbestand der Auswertungs- und Kontroll- gruppe (AKG) der HA XX, in der alle für die gesamte Hinsichtlich seiner Vorgehensweise bei der Recher- HA XX wichtigen Informationen verarbeitet worden che nach Unterlagen mit Bezug auf Dr. Gysi führt der sind, unter Zuhilfenahme von Findhilfsmitteln, die Bundesbeauftragte in seiner Gutachterlichen Stel- der Bundesbeauftragte erstellt hat, gesichtet und lungnahme vom 26. Mai 1995 aus, daß seine Stel- ausgewertet. Mit Hilfe der Archivkartei des Bundes- lungnahme auf der Analyse der zu Dr. Gysi vom MfS beauftragten und der Hinweise aus dem Elektroni- angelegten IM-Vorlaufakte „Gregor", Archiv-Nr. schen Personenregister (EPR) sind in diesem Bestand AIM/9564/86, von aufgefundenen Fragmenten der etwa 30 relevante Signaturen aufgefunden und aus- OPK „Sputnik", Reg.-Nr. XV/4628/86, von soge- gewertet worden. Im Verlauf seiner Recherche hat nannten Einsatzdokumenten der HA XX/OG bzw. der Bundesbeauftragte auch in den Beständen der HA XX/9 zur „Bearbeitung" des politischen Unter- Abteilung 4 der HA XX recherchiert, die für die Be- grundes der DDR sowie auf der Analyse von Akten- kämpfung der Kirchen und Religionsgemeinschaften stücken aus operativen Vorgängen zu verschiedenen in der DDR und damit von Erscheinungsformen der oppositionellen Personen beruht (BStU, Gutachter- sogenannten politischen Untergrundtätigkeit zustän- liche Stellungnahme, S. 5). In seinem Ergänzenden dig gewesen ist. Außerdem fand eine Recherche im Bericht zur Gutachterlichen Stellungnahme vom Bestand der Abteilung 5 der HA XX sta tt, weil sich 13. März 1997 legt der Bundesbeauftragte dar, daß deren vorgangs-- und personenbezogene Arbeit im bereits zum Zeitpunkt der Erstellung der Gutacher- und nach dem „Operationsgebiet" gegen soge- lichen Stellungnahme vom 26. Mai 1995 Art und nannte Inspiratoren und Organisatoren der politi- Menge der mit Bezug auf Dr. Gysi vorliegenden MfS schen Untergrundtätigkeit unter ehemaligen DDR Unterlagen grundlegende Aussagen zum Charakter Bürgern in der Bundesrepublik Deutschland und Ber- der Zusammenarbeit mit dem MfS ermöglicht hätten. lin (West) sowie unter Anhängern alternativer Grup- Die Gutachterliche Stellungnahme habe alle bis da- pierungen und Organisationen gerichtet hat. In die- hin Dr. Gysi zuzuordnenden Unterlagen zur Kenntnis sen Beständen wurde mit Hilfe von Findhilfsmitteln genommen. Die Unterlagen seien dem 1. Ausschuß des BStU recherchiert und 35 relev ante Signaturen in Kopie insgesamt zur Verfügung gestellt worden, ausgewertet. Der Bundesbeauftragte hat weiterhin um die in den Akteninhalten und der Aktenführung mit seinen Findhilfsmitteln in den Beständen der deutlich werdenden Beziehungen zwischen Dr. Gysi HA XX in deren unter „Allgemein" erschlossenen und dem MfS darstellen und verständlich machen zu Unterlagen,4) die sich auf rund 1700 Signaturen be- können. Im Dokumentenanhang zur Gutachterlichen laufen, entsprechend der Erschließungskartei des Stellungnahme seien deshalb auch Unterlagen gelie- Bundesbeauftragten personenbezogene Recherchen fert worden, die allenfalls mittelbar für die Beurtei- zu zahlreichen anderen Personen durchgeführt und lung einer Zusammenarbeit Dr. Gysis mit dem MfS Finanzunterlagen ausgewertet. Außerdem ging er in relevant seien. Wie der Bundesbeauftragte weiter den Unterlagen der HA IX allen durch andere Re- darstellt, hat er aufgrund der Bi tte des 1. Ausschusses cherchen bekannten Personenhinweisen nach. Auch vom November 1996 eine systema tische Suche in in den Beständen der für die Postkontrolle zuständi- allen einschlägigen Aktenbeständen ohne Beschrän- gen Abteilung M und der für die Telefonkontrolle zu- kung auf in Findhilfsmitteln enhaltenen konkreten ständigen Abteilung 26 sind die einschlägigen Si- Hinweisen durchgeführt. Mit vertretbarem Aufwand gnaturen ausgewertet worden. Da Dr. Gysi zur Stän- sollten möglichst alle Aktenstücke mit Bezug zu digen Vertretung der Bundesrepublik Deutschl and in Dr. Gysi aufgefunden werden. Hierzu seien alle der DDR und westlichen Journalisten Verbindungen

3) Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 b StUG gelten auch Kopien, Abschriften 4) Unter der HA XX/Allgemein sind Unterlagen archiviert, die und sonstige Duplikate von Akten, Dateien,Schriftstücken keiner bestimmten Abteilung der HA XX zuzuordnen waren, etc. als Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes i.S. des BStU, Ergänzender Bericht zur Gutachterlichen Stellungnah- Stasi-Unterlagen-Gesetzes. me, S. 6 mit Fußnote 12.

Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode Drucksache 13/10893 unterhalten hat, erfolgte zudem eine Recherche in den aufgenommen worden. Eine Vorauswahl bei der Be- Beständen der zuständigen HA II, wobei 20 einschlägi- rücksichtigung von Unterlagen habe es nicht gege- ge Signaturen aufgefunden und durchgesehen worden ben (BStU, Ergänzender Bericht zur Gutachterlichen sind. Weiter wurde zur Anschrift Frankfu rter Allee 84 Stellungnahme, S. 7). recherchiert, wo Dr. Gysis Kanzlei ihren Sitz hatte. Schließlich erfolgte eine Auswertung von relevanten Im Nachgang zum Ergänzenden Bericht zur Gutach- Unterlagen, die aus den vom MfS zur Vernichtung vor- terlichen Stellungnahme vom 13. März 1997 über- gesehenen Beständen bisher rekonstruie rt werden sandte der Bundesbeauftragte, zuletzt mit Schreiben konnten (siehe insgesamt BStU, Ergänzender Bericht vom 3. Juni 1997, dem 1. Ausschuß weitere Dokumente zur Gutachterlichen Stellungnahme, S. 6). mit Bezug zu Dr. Gysi, die anläßlich einer anderweitig veranlaßten Recherche in den Beständen der HA XX/7 Erläuternd hat der Bundesbeauftragte erklärt, daß (Kunst, Kultur, Massenmedien) aufgefunden worden seine Recherche zur Erstellung des Ergänzenden Be- waren. Letztmals bat der 1. Ausschuß den Bundes- richts zur Gutachterlichen Stellungnahme systema- beauftragten mit Schreiben vom 5. Februar 1998 eine tisch erfolgte und auf Vollständigkeit ausgerichtet Recherche zu Dokumenten aus der Zeit der Erfassung war. Alle Unterlagen, die irgendeinen Bezug zu Dr. Gysis in der OPK „Sputnik" durchzuführen, die zu Dr. Gysi aufwiesen, seien in die Gesamtbetrachtung keinen neuen Hinweisen führte.

5. Staatliche Kontrolle der politischen Opposition in der DDR

5.1 Bekämpfung der politischen Opposition struktur des Ministeriums für Staatssicherheit 1989, durch das MfS Hauptabteilung XX, S. 107 ff.). In der Hauptabtei- lung XX waren alle Aktivitäten des MfS konzentriert, die auf die Bekämpfung des „politischen Untergrun- Das Ministerium für Staatssicherheit war ein zentra- des " in der DDR gerichtet waren. Sie war damit maß- les Instrument bei der Bekämpfung der politischen geblich für die Überwachung und Unterdrückung Opposition in der DDR. Im Statut des MfS von 1969 politisch Andersdenkender, d.h. Oppositioneller zu- wurden insofern als Hauptaufgaben des Ministe- ständig (vgl. BStU, Gutachterliche Stellungnahme, riums u.a. die Zerschlagung und „feind- S. 9). Nach Darstellung des Berichts der Enquete- licher Agenturen", die Aufdeckung „geheimer sub- kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Fol- versiver Pläne und Absichten" sowie das Aufdecken gen der SED-Diktatur in Deutschland" wurde die und Vorbeugen von Straftaten gegen die DDR ange- besondere Bedeutung der HA XX auch dadurch er- geben. Das MfS war organisatorisch so gegliedert, kennbar, daß sie nach der Dienstanweisung Mielkes daß es alle wesentlichen gesellschaftlichen und staat- Nr. 2/85 „zur vorbeugenden ' Verhinderung, Auf- lichen Bereiche der DDR kontrollieren und überwa- deckung und Bekämpfung politischer Untergrund- chen konnte; es bildete die gesellschaftliche Struktur tätigkeit" ermächtigt wurde, gegenüber anderen der DDR nach und konnte so jeden gesellschaftlichen operativen Diensteinheiten - unter anderem auch Bereich „operativ erfassen" und „politisch-operativ" der für strafprozessuale Maßnahmen zuständigen sichern. Hierfür bestand eine MfS-interne Aufgaben- HA IX, dem sogenannten „Untersuchungsorgan" teilung, aus der sich gegliederte Verantwortungsbe- des MfS - die Federführung bei der Bekämpfung reiche ergeben haben, in denen sich die Tätigkeit politischer Untergrundtätigkeit wahrzunehmen (a.a.O., der einzelnen operativen Diensteinheiten vollzog. Drucksache 12/7820). Die Tätigkeit der HA XX er- Hinsichtlich seiner Arbeitsweise war das MfS ein schöpfte sich dabei nicht nur in der Beschaffung von streng konspirativ arbeitender und militärisch orga- Informationen, sondern umfaßte auch die Einleitung nisierter Apparat. von Operativen Personenkontrollen, das Anlegen von Operativen Vorgängen oder auch „Maßnahmen Die Hauptabteilung XX, aus der der wesentliche Teil der Zersetzung". der dem 1. Ausschuß zugeleiteten MfS-Unterlagen zu Dr. Gysi stammt, läßt sich als das eigentliche Zen- Innerhalb der HA XX kam der Abteilung 9 eine be- trum der Staatssicherheit charakterisieren (vgl. Be- sondere Bedeutung zu. Die HA XX/9, die für die richt der Enquete-Kommission „Aufarbeitung von „operative Bearbeitung" der Opposition, der Träger Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutsch- „politischer Untergrundarbeit" und „politisch-ideolo- land", Drucksache 12/7820). Sie war zuständig für gischer Diversion" zuständig war (Bericht der Enque- die Gebiete „Staatsapparat, Volksbildung, Gesund- tekommission, Drucksache 12/7820), entwickelte sich heitswesen, Justiz, Parteien (ohne SED), Massen- aus der HA XX/OG (Operativgruppe). Die HA XX/ organisationen, Spo rt, Kunst, Kultur, Kirchen, politi- OG wurde ursprünglich zur operativen Bearbeitung scher Untergrund" (BStU, Gutachterliche Stellung- und Kontrolle von Einzelpersonen (z.B. Robe rt Have- nahme, S. 5, FN 4; siehe hierzu auch: Der Bundesbe- mann), die wegen ihrer oppositionellen Haltung auf- auftragte für die Unterlagen des Staatssicherheits- gefallen waren, geschaffen (BStU, Gutacherliche dienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Stellungnahme, S. 5). Ziel der Tätigkeit der HA XX/ Republik, Dokumente (Nr. 2/93), Die Organisations- OG bzw. HA XX/9 war die Zerschlagung der politi-

Drucksache 13/10893 Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode schen Opposition (siehe hierzu Jürgen Fuchs, „Ich ha- Wilhelm Fricke, Das MfS als Instrument der SED be eine Botschaft, die heißt: keine Sicherheit", Artikel am Beispiel politischer Strafprozesse, in: Siegf ried in: Frankfurter Rundschau vom 23. April 1997). Hierzu Suckut, Walter Süß (Hrsg.), Staatspartei und Staats- nutzte das MfS vor allem die Zersetzung. Das Wörter- sicherheit, Berlin 1997, S. 199 ff. (203 ff.)). Hierzu buch der Staatssicherheit führt zum Stichwort „Zer- stellt der 1. Ausschuß jedoch klar, daß das Unter- setzung, operative" aus: „operative Methode des MfS suchungsorgan des MfS nicht als rechtsstaatliches zur wirksamen Bekämpfung subversiver Tätigkeit, Strafverfolgungsorgan angesehen werden kann. insbesondere in der Vorgangsbearbeitung. Mit der Z. wird durch verschiedene politisch-operative Aktivitä- ten Einfluß auf feindlich-negative Personen, insbeson- dere auf ihre feindlich-negativen Einstellungen und 5.2 Zur Rolle der Staatsanwaltschaft Überzeugungen in der Weise genommen, daß diese in MfS-Verfahren erschüttert oder allmählich verändert werden bzw. Widersprüche sowie Differenzen zwischen feindlich Nach der Strafprozeßordnung der DDR war grund- negativen Kräften hervorgerufen, ausgenutzt oder sätzlich der Staatsanwalt Herr des Ermittlungsverfah- verstärkt werden. Ziel der Z. ist die Zersplitterung, rens in all seinen Phasen. In Ermittlungsverfahren, Lähmung, Desorganisierung und Isolierung feindlich- die vom Untersuchungsorgan des MfS - den soge- negativer Kräfte, um dadurch feindlich-negative nannten MfS-Verfahren - bet rieben wurden, wirkte Handrungen einschließlich deren Auswirkungen vor- er jedoch während der Untersuchung mehr in der beugend zu verhindern, wesentlich einzuschränken Rolle eines Statisten mit. Ebenso wie der Haftrichter oder gänzlich zu unterbinden bzw. eine differenzie rte hatte er vor allem die Einhaltung bestimmter formal- politisch-ideologische Rückgewinnung zu ermögli- juristischer Verfahrensfragen zu bestätigen (Clemens chen. Z. sind sowohl unmittelbarer Bestandteil der Be- Vollnhals, Der Schein der Normalität, in: Siegf ried arbeitung Operativer Vorgänge als auch vorbeugen- Suckut, Walter Süß (Hrsg.), Staatspartei und Staats- der Aktivitäten außerhalb der Vorgangsbearbeitung sicherheit, Berlin 1997, S. 213 ff.). zur Verhinderung feindlicher Zusammenschlüsse. Die Einleitung eines förmlichen Ermittlungsverfah- Hauptkräfte zur Durchsetzung der Z. sind die IM. Die rens durch das Untersuchungsorgan des MfS war Z. setzt opera tiv bedeutsame Informationen und Be- dem Staatsanwalt anzuzeigen. Wurde die beschul- weise über geplante, vorbereitete und durchgeführte digte Person verhaftet, mußte sie spätestens am feindliche Aktivitäten sowie entsprechende Anknüp- nächsten Tag einem Haftrichter vorgeführt werden. fungspunkte für die wirksame Einleitung von Z.-Maß- Ebenso mußte die Überschreitung bestimmter Bear- nahmen voraus. Die Z. hat auf der gründlichen Ana- beitungsfristen dem Staatsanwalt angezeigt werden. lyse des operativen Sachverhalts zu erfolgen. Die Die Entscheidung, ob ein Ermittlungsverfahren mit Durchführung der Z. ist einheitlich und straff zu leiten, oder ohne Haft überhaupt eingeleitet wurde, traf je- ihre Ergebnisse sind zu dokumentieren. Die politische doch nicht der Staatsanwalt, sondern der Leiter der Brisanz der Z. stellt hohe Anforderungen hinsichtlich Hauptabteilung IX des MfS nach entsprechender - der Wahrung der Konspiration. " „politisch-operativer" Prüfung. In MfS-Verfahren hatte der Staatsanwalt keinen Einfluß auf Untersu- Als Rechtsanwalt und Strafverteidiger von Oppositio- chungsplanung und Vernehmung. Der Staatsanwalt nellen in Strafprozessen konnte Dr. Gysi mit der erhielt keine volle Akteneinsicht. Alle Untersu- HA XX des MfS nur inoffiziell zusammenarbeiten chungsdokumente, die Aufschluß über spezifische (BStU, Ergänzender Bericht zur Gutachterlichen Stel- Mittel und Methoden des MfS gaben, waren in einer lungnahme, S. 23). Eine offizielle Zusammenarbeit gesonderten Handakte des MfS-Untersuchungsfüh- war allenfalls mit dem Untersuchungsorgan des MfS, rers zusammenzufassen. In einer „Orientierung zur der Hauptabteilung IX, möglich. Die Hauptabtei- Durchsetzung der strafprozessualen Regelungen" lung IX war gemäß § 88 der Strafprozeßordnung der aus dem Jahre 1984 heißt es dazu, daß die Unterla- DDR offizielles Untersuchungsorgan in strafrecht- gen „kontrollfähig" zu gestalten seien, so daß dem lichen Ermittlungsverfahren. Sie war für sogenannte Staatsanwalt auf Anforderung „die Dokumentation „Staatsverbrechen" und „politisch-operativ bedeut- aller beweiserheblichen und der Aufklärung der same Straftaten gegen die staatliche Ordnung" zu- möglichen Straftat dienenden offiziellen Informatio- ständig (siehe hierzu: Der Bundesbeauftragte für die nen zur Einsichtnahme gegeben werden können. Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehe- Dabei ist die unbedingte Einhaltung der Konspiration maligen Deutschen Demokratischen Republik, Do- und Geheimhaltung von opera tiven Mitteln, Metho- kumente (Nr. 2/93), Die Organisationsstruktur des den und Kräften zu sichern. " (Orientierung zur Ministeriums für Staatssicherheit 1989, Hauptabtei- Durchsetzung der strafprozessualen Regelungen des lung IX, S. 73 ff.). Die Untersuchungstätigkeit der Prüfungsstadiums gemäß §§ 92 ff. StPO in der Unter- HA IX des MfS hatte einen Doppelcharakter. Einer- suchungsarbeit des MfS vom 1. 12. 1984, zit. nach: seits war sie durch die gleichen Merkmale charakte- Vollnhals, a.a.O.). risiert wie die politisch-operative Arbeit des MfS und konnte die Nutzung aller der Staatssicherheit zur Verfügung stehenden geheimdienstlichen Mittel be- inhalten. Andererseits war die Untersuchungstätig- 5.3 Einfluß der SED keit der HA IX des MfS eine von der Strafprozeßord- nung der DDR geregelte offizielle Tätigkeit, für die Das Ministerium für Staatssicherheit verstand sich die hiernach geltenden formalen Regelungen galten als „Schild und Schwert" und damit als zentrales (siehe hierzu Roger Engelmann, a.a.O., S. 19 f.; Karl Herrschaftsinstrument der SED. Dabei wurde die Tä-

Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode Drucksache 13/10893 tigkeit des Ministeriums für Staatssicherheit nach Apparat der SED erfolgte nach Mitteilung des Bun- Darstellung des Bundesbeauftragten allerdings nicht desbeauftragten stets auf offiziellem Wege. Zwischen direkt durch den SED-Apparat gesteuert. Hiernach dem MfS und dem ZK-Apparat der SED durfte es in- hat die SED zwar vom MfS verlangt, die innere Lage soweit keine inoffizielle Zusammenarbeit geben. In- der DDR unter allen Bedingungen stabil zu halten. formationen, die vom ZK-Apparat zum MfS gelang- Eine Steuerung der konkreten operativen Tätigkeit ten und sich auf Personen bezogen, ließen deshalb des MfS aufgrund von Weisungen oder Befehlen sei- zumindest aufgrund von Inhalt oder Form der Infor- tens der SED gab es aber nicht. Seitens der SED sind mation ihre Herkunft aus dem ZK der SED erkennen. allenfalls Zielvorstellungen vorgegeben worden, bei Der Bundesbeauftragte hat mitgeteilt, daß ihm eine deren Ausführung das MfS freie Hand hatte. Das andere Verfahrensweise nicht bekannt sei (BStU, Zusammenwirken zwischen dem MfS und dem ZK Stellungnahme vom 18. Juni 1997).

6. Einzelfälle der Zusammenarbeit Dr. Gysis mit dem MfS

6.1 Rudolf Bahro Sohn G., Gregor, zu unserem Organ direkten Kontakt aufnehmen möchte. Er hat die Verteidigung von R. Bahro übernommen und möchte die Verteidigung 6.1.1 Die Übernahme der anwaltlichen Vertretung in Abstimmung mit der Position der Staatsanwalt- Im Jahre 1977 übernahm Dr. Gysi die anwaltliche schaft durchführen. Leider sei bisher keine entspre- Vertretung des am 23. August 1977 verhafteten Op- chende ,Hintergrundverständigung' möglich gewe- positionellen Rudolf Bahro. Dieser wurde am 1. Au- sen." Diesen Vermerk leitete die HVA, ausweislich gust 1978 „durch die abschließende Entscheidung der aufgetragenen Paraphen, an die HA XX/OG wei- des Obersten Gerichtes der DDR" zu acht Jahren ter. Der „Stellvertreter" der HVA führte in einem Freiheitsentzug verurteilt (Dok. Nr. 146). Den Kon- Schreiben an den Leiter der HA XX, Generalmajor takt zu Rudolf Bahro hatte die Schwester Dr. Gysis Kienberg, vom 24. Februar 1978 (Dok. Nr. 144) dazu vermittelt (Dok. Nr. 143; Anhörungsprotokoll, S. 13). ergänzend aus: „Der Information über die Tochter des Gen. Klaus Gysi wird zugestimmt. Die in unse- Am 9. November 1977 fand ausweislich eines der rem Vermerk vom 16. 2. 1978 enthaltenen Angaben HA IX zuzuordnenden Vermerks gleichen Datums basieren auf einer persönlichen Mitteilung des Gen. (Dok. Nr. 141 (142)) der erste „Sprecher" zwischen Klaus Gysi, die er uns auf operativem Weg zukom- Rudolf Bahro und Rechtsanwalt Dr. Gysi statt. In die- men ließ. " sem Vermerk wird u.a. ausgeführt: „Im Anschluß an den Sprecher betonte der Rechtsanwalt gegenüber Abg. Dr. Gysi trägt- vor, er habe die Verteidigung Ru- dem Unterzeichner, daß er die Verteidigung BAH dolf Bahros ohne vorherige Information seines Vaters ROS nur ungern übernommen habe, (...)." Weiterhin übernommen. Mit Bezug auf den Vermerk der HVA werden die folgenden Äußerungen Dr. Gysis doku- vom 16. Februar 1978 gehe er davon aus, daß sein mentiert: „Er persönlich, so führte er weiter aus, halte Vater als offizieller Vertreter der DDR einen Wunsch Leute wie BAHRO für unverbesserliche Feinde des zum Schutze seiner eigenen Person an die HVA des Sozialismus, die man besser rechtzeitig versuchen MfS übermittelt habe. Unter den gesellschaftlichen solle, in die BRD abzuschieben, da eine ideologische Bedingungen der DDR sei es ein nicht selbstver- Umerziehung unmöglich sei. In diesem Zusammen- ständlicher Widerspruch gewesen, daß sein Vater hang bot er sich an, BAHRO gegebenenfalls, so eine hochrangige Funktion eingenommen habe, ,staatlicherseits' ein Interesse daran bestünde, den während er [Dr. Gysi] einen der bekanntesten Oppo- Gedanken einer Übersiedlung in die BRD nahezule- sitionellen der DDR verteidigt habe (Schreiben vom gen, um ,unnötigen Ärger nach der Haftentlassung 17. April 1997; Anhörungsprotokoll, S. 21). Zu seiner in die DDR' zu ersparen. Des weiteren gab er der Entlastung verweist der Abg. Dr. Gysi auch auf den Hoffnung Ausdruck, daß eine gerichtliche Hauptver- in seiner IM-Vorlauf-Akte enthaltenen Sachstands- handlung, falls eine solche stattfindet, nur ,in ganz bericht der HVAJXI vom 17. Februar 1978 (Dok. kleinem Rahmen' durchgeführt wird und nicht aus Nr. 115). In diesem Sachstandsbericht erklärt ein ,falschem Demokratieverständnis' ein größerer Pro- MfS-Mitarbeiter für die Hauptabteilung XX/1, „daß zeß stattfindet. " Gysi für eine Rechtsanwaltsanalyse im DDR-Maßstab genutzt worden sei. Gen. M [.] brachte gleichzeitig Aus der zu Dr. Gysi angelegten IM-Vorlauf-Akte zum Ausdruck, daß sie an einer inoffiziellen Zusam- „Gregor" liegt ein Vermerk der Hauptverwaltung menarbeit mit Gysi nicht interessie rt seien, da er Aufklärung/Abteilung III (HVA/III) des MfS vom ihnen dafür ungeeignet erscheint." 16. Februar 1978 (Dok. Nr. 114) vor, der eine als „ver- traulich" bezeichnete Mitteilung des damaligen Bot- Nach Auffassung des 1. Ausschusses dokumentiert schafters der DDR in Italien und Vaters von Dr. Gre- der Vermerk der HA IX vom 9. November 1977 be- gor Gysi, Klaus Gysi, enthält. Nachdem, zunächst reits die ablehnende Haltung Dr. Gysis gegenüber ausführlich über die Heiratsabsichten der Tochter Rudolf Bahro. Ausweislich dieses Vermerks hat sich Klaus Gysis berichtet wird, wird mit Bezug auf Dr. Dr. Gysi schon im November 1977 angeboten, Rudolf Gysi ausgeführt: „Gen. G. gab zu verstehen, daß sein Bahro den Gedanken an eine Übersiedlung in den

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Westen nahezulegen und befürwortete eine Durch- Mit Datum vom 2. Oktober 1978 liegt eine „Informa- führung der gerichtlichen Hauptverhandlung gegen tion über ein geführtes Gespräch mit Rechtsanwalt Rudolf Bahro „im kleinen Rahmen". Zugunsten von Dr. Gysi" der „Hauptabteilung XX" (Dok. Nr. 149) Dr. Gysi geht der 1. Ausschuß jedoch davon aus, daß vor. In der „Information" wird folgendes ausgeführt: die Kontaktaufnahme Dr. Gysis zur HA XX des MfS „Am 28. 9. 1978 wurde in der Wohnung von Rechts- in dem hier fraglichen Zeitraum noch nicht zustande anwalt Dr. Gysi auf dessen Wunsch ein weiteres Ge- kam. Die vorliegenden Dokumente ergeben insoweit spräch geführt. Nachdem Dr. Gysi anfangs persönli- kein eindeutiges Bild. Das im Vermerk der HVA/III che Dinge mitteilte, informierte er anschließend über vom 16. Februar 1978 (Dok. Nr. 114) dokumentierte folgende Probleme: Nach der Überführung seines Herantreten des Vaters von Gregor Gysi an das MfS Mandanten Bahro in die Strafvollzugsanstalt Bautzen und der daraus folgende interne Schriftwechsel im II führte er mit ihm bisher ein Gespräch und erhielt MfS lassen keine eindeutigen Schlußfolgerungen zu. am 5. 8. 1978 einen B rief von Bahro. Wichtigste Er- Entgegen dem Vortrag des Abg. Dr. Gysi spricht je- gebnisse des Gesprächs waren: (...) Bahro hatte die doch der Sachstandsbericht der HVA/XI vom 17. Fe- Absicht, ein Testament zu erarbeiten, um die ihm zu- bruar 1978 nicht gegen eine Zusammenarbeit Dr. stehenden 200 000,00 Mark von der Europäischen Gysis mit der HA XX des MfS im Zusammenhang Verlagsanstalt seiner Familie zukommen zu lassen. mit Rudolf Bahro. Die hierin enthaltene Erklärung Die daraufhin gestellte Frage von Gen. Gysi, ob er eines Mitarbeiters der für die „operative Sicherung" denn selbstmörderische Absichten hätte, verneinte er der Rechtsanwälte zuständigen HA XX/1 des MfS, entschieden und erwiderte, daß 8 Jahre Haft eine an einer inoffiziellen Zusammenarbeit mit Gysi nicht lange Zeit wären und er ja nicht wisse, ob er diese interessiert zu sein, ist nach Überzeugung des 1. Aus- überlebe. Bahro würde es lediglich darum gehen, schusses ausschließlich im Zusammenhang mit der daß er in den Besitz der Gelder von der EVA kommt, Nutzung Dr. Gysis „für eine Rechtsanwaltsanalyse wobei er nach Einschätzung von Gen. Gysi auch mit im DDR-Maßstab" zu sehen und schließt eine ander- einer Transferierung in die DDR bei einem Umrech- weitige Nutzung Dr. Gysis durch andere Dienstein- nungswert von 1:1 einverstanden wäre. Nach Ein- heiten der HA XX des MfS nicht aus. schätzung des G. konnte er Bahro überzeugen, daß dieser Abstand von dem Testament nimmt. G. er- klärte sich bereit, entsprechend den politischen und gesellschaftlichen Interessen entweder Bahro weiter- 6.1.2 Das Testament Rudolf Bahros hin zu beeinflussen, um die notwendigen Schritte bei Während seiner Haft entwickelte Rudolf Bahro den der EVA zur Transferierung der Gelder in die DDR Wunsch, ein Testament zu erstellen. Er besprach die- einzuleiten bzw. ihn von diesem Gedanken abzubrin- ses mit Rechtsanwalt Dr. Gysi. In einem Vermerk der gen. HA IX/2 vom 17. Juli 1978 (Dok. Nr. 145) wird dazu unter anderem ausgeführt: „Ausgehend von dem Abg. Dr. Gysi erklärt, Rudolf Bahro habe, wie sich Ansinnen Bahros, ein Testament zu fertigen, unter- aus dem Vermerk der HA IX vom 4. September 1978 breitete ihm Rechtsanwalt Dr. Gysi, das Testament in ergebe, das Testament in seinem Beisein geschrieben Form eines Briefes abzufassen. Den B rief soll er an und ihm in die Handakte übergeben. Er habe das ihn richten. " Testament dann außerhalb der Handakten mehrere Jahre aufbewahrt und es Rudolf Bahro nach dessen Nachdem Rudolf Bahro am 1. August 1978 durch die Haftentlassung zurückgegeben. Abg. Dr. Gysi ver- abschließende Entscheidung des Obersten Gerichtes mutet, daß sein am 9. August 1978 mit Rudolf Bahro der DDR zu 8 Jahren Freiheitsentzug verurteilt wur- unter vier Augen in der Untersuchungshaftanstalt de, besuchte Dr. Gysi Rudolf Bahro am 9. August geführte Gespräch abgehört worden sei. Die Ver- 1978 in der Haft. Ein Mitarbeiter der Hauptabteilung wendung des Wortes „Inoffiziell" im Vermerk der IX/2 vermerkt unter dem 4. September 1978 über HA IX/2 vom 4. September 1978 (Dok. Nr. 147 [148]) diesen Besuch (Dok. Nr. 147 [148]): „Inoffiziell wurde erkläre er damit, daß die HA IX als Untersuchungsor- bekannt, daß Bahro am 9. August 1978 während gan formell keine Gespräche zwischen Verteidiger des Sprechers mit seinem Rechtsanwalt Dr. GYSI 2 und Mandanten abhören durfte und deshalb dera rt schriftliche Aufzeichnungen fertigte. Im einzelnen erlangte Informationen als inoffiziell bezeichnen handelt es sich um ein Testament, in dem BAHRO mußte. verfügt, daß alle im Falle seines Ablebens während des Strafvollzuges sein Vermögen zu gleichen Teilen Abg. Dr. Gysi bestreitet mit Bezug auf die „Informa- auf [...] Personen aufgeteilt wird. Genannt werden tion" der HA XX vom 2. Oktober 1978 (Dok. Nr. 149), dabei [... es folgen die Namen von vier der Erben, die am 28. September 1978 in seiner Wohnung ein Ge- in Dok. Nr. 147 geschwärzt sind]. Um wen es sich bei spräch mit Angehörigen der HA XX des MfS über der [...] Person handelt, geht aus dem Gespräch nicht Rudolf Bahro geführt zu haben. Er habe über das hervor. Zwischen BAHRO und Dr. GYSI wurde mehr- Testament Rudolf Bahros lediglich mit einem Mitar- mals versichert, daß beide niemand von dem Testa- beiter der Abteilung Staat und Recht des ZK der SED ment informieren wollen. Es wurde von Dr. GYSI ent- gesprochen, von dem er hiernach gefragt worden sei. gegengenommen und er erklärte, es sicher aufzube- In diesem Gespräch habe er lediglich mitgeteilt, daß wahren. Das Testament soll nach der Haftentlassung er Rudolf Bahro von der Abfassung eines Testaments von BAHRO hinfällig sein. Weiterhin fertigte BAHRO habe abbringen können und auf die fehlende Suizid- auf Drängen von Dr. GYSI ein Schreiben, in dem er absicht Rudolf Bahros hingewiesen. Aufgrund der erklärt, daß Dr. GYSI bevollmächtigt ist, auf eine Ent- Absprache mit Rudolf Bahro, niemanden über das lassung von BAHRO in die BRD hinzuarbeiten" [...]." Testament zu informieren, habe er der Abteilung

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Staat und Recht im ZK der SED das Vorhandensein eines ihm zustehenden Honorars in Höhe von eines Testaments verschwiegen und sich an die Ru- 200 000,- Mark von der Europäischen Verlagsanstalt dolf Bahro gegebene Zusage gehalten. Das Testa- kommen wollte. Diese Informationen besaßen schon ment sei außerdem eine höchstpersönliche Angele- für sich ungeachtet des tatsächlichen Vorhanden- genheit Rudolf Bahros gewesen. Die Darlegungen seins eines Testaments - einen eigenständigen Wert mit Bezug auf ein Testament Rudolf Bahros in der In- für die HA XX des MfS. formation der HA XX vom 2. Oktober 1978 erkläre er Nach Überzeugung des 1. Ausschusses steht somit sich damit, daß das ZK der SED die HA XX des MfS fest, daß Dr. Gysi im Zusammenhang mit der Er- über das mit ihm geführte Gespräch unterrichtet richtung eines Testaments durch Rudolf Bahro am habe und die Information auf dieser Grundlage ange- 28. September 1978 im Sinne der Feststellungskrite- fertigt worden sei. rien des 1. Ausschusses inoffiziell Berichte und Anga- Nach Auffassung des 1. Ausschusses beruhen die in ben über Rudolf Bahro an die HA XX des MfS gelie dem Vermerk der HA IX/2 vom 4. September 1978 fert hat. enthaltenen Informationen über das zwischen Dr. Gysi und Rudolf Bahro am 9. August 1978 geführte 6.1.3 Notizen Rudolf Bahros im Zusammenhang mit Gespräch nicht auf einer inoffiziellen Informa tion der Veröffentlichung eines B riefes im „Spiegel" durch Dr. Gysi. Möglich erscheint dem 1. Ausschuß, daß der Vermerk auf einer Abhörmaßnahme - wie es Ende Oktober 1978 wurde im Nachrichtenmagazin der Abg. Dr. Gysi annimmt - oder einer inoffiziellen „Der Spiegel" ein Brief Rudolf Bahros aus der Haft Mitteilung eines Zelleninformanten beruht. ' veröffentlicht. Die Umstände der Herausschleusung des Briefes aus der Haft waren den staatlichen Stel- Demgegenüber ist der 1. Ausschuß davon überzeugt, . len der DDR offenbar unbekannt. Unter dem 31. Ok- daß Dr. Gysi am 28. September 1978 auf eigenen tober 1978 hat die HA IX/2 dazu einen „Pl an zur Auf- Wunsch ein Gespräch mit Mitarbeitern der HA XX klärung der Hintergründe und Zusammenhänge der des MfS in seiner Wohnung geführt und Einzelheiten Veröffentlichung eines angeblichen Briefes des Straf- seines Gesprächs mit Rudolf Bahro vom. 9. August gefangenen BAHRO im Nachrichtenmagazin ,Der 1978 der HA XX des MfS mitgeteilt hat. Dieses wird Spiegel"' entwickelt (Dok. Nr. 150 (151, 152, 153, durch eine „Information" der HA XX vom 2. Oktober 154)). Im Zusammenhang mit den darin vorgesehe- 1978 belegt. Ausweislich dieser Information hat Dr. nen „Maßnahmen zur Aufklärung des Zustandekom- Gysi detaillierte Informationen über Rudolf Bahro an mens der vom Nachrichtenmagazin ,Der Spiegel' vor- die HA XX weitergegeben und eigene Einschätzun- genommenen Veröffentlichung" wird festgehalten: gen über das künftig zu erwartende Verhalten Rudolf „Besuchs und Briefkontakt während der Untersu- Bahros abgegeben. Er hat sich bereit erklärt, Rudolf chungshaft hatte BAHRO zu seiner geschiedenen Bahro entsprechend den politischen und gesell- Ehefrau Dr. Gundula BAHRO und Rechtsanwalt Dr. schaftlichen Interessen weiterhin zu beeinflussen. Gysi. Durch die HA XX/OG sind die vorhandenen Die Einlassung des Abg. Dr. Gysi, daß die Informa- operativen Möglichkeiten zu nutzen, um zu prüfen, tion der HA XX vom 2. Oktober 1978 in Wirklichkeit inwieweit diese- Personen mit der Veröffentlichung auf einer Mitteilung der Abteilung Recht und Staat des BAHRO-Briefes im Zusammenhang stehen. " des ZK der SED über ein Gespräch mit ihm beruhe, vermag der 1. Ausschuß nicht zu folgen. Wie bereits In einem von Major Lohr unterzeichneten „Bericht" unter Ziffer 5.3. dargelegt worden ist, gab es zwi- der „Hauptabteilung XX/OG " vom 7. Dezember schen dem MfS und der SED, respektive dem ZK- 1978 (Dok. Nr. 1 (158, 161)) „über ein geführtes Ge- Apparat, keine inoffizielle Zusammenarbeit. Das Zu- spräch mit Rechtsanwalt Dr. Gysi" wird über eine Be- sammenwirken zwischen MfS und SED erfolgte sprechung Dr. Gysis mit Rudolf Bahro mitgeteilt: grundsätzlich auf offiziellem Wege. Offizielle Infor „Am 6. 12. 1978 wurde mit Gen. Gysi in seiner Woh- mationen des ZK der SED an das MfS sind nicht ver- nung ein weiteres Gespräch geführt. Er berichtete schleiert und auch nicht als inoffizielle Informationen über die am 2. 12. 1978 erfolgte Aussprache mit deklariert worden. Die Information der HA XX vom Bahro in der Haftanstalt Bautzen, deren Inhalt er im 2. Oktober 1978 (Dok. Nr. 149) weist jedoch keinen Extrakt auf Tonband sprach (Tonbandabschrift siehe Hinweis auf, nach dem die Informa tion der HA XX Anlage). In Ergänzung zu diesem Bericht teilte er fol- von der Abteilung Staat und Recht im ZK der SED gendes mit: (...). Die während des Gesprächs von herrührt. Bahro auf den Zettel des Gen. Gysi aufgeschriebenen Notizen - ,Ich habe eine Meldung nach drüben lan- Unerheblich ist nach Auffassung des 1. Ausschusses, ciert, die eine Berichtigung der ADN-Nachricht über daß Gregor Gysi der HA XX am 28. September 1978 meine Verurteilung darstellt' und ,ich hoffe, das fi ausweislich der vorliegenden Informa tion nicht mit- nanzielle Problem für die Kinder gelöst zu haben teilte, daß Rudolf Bahro ihm bereits ein Testament - brauche also für den Unterhalt der Kinder im Straf- überreicht hatte. Hier geht der 1. Ausschuß davon vollzug durch körperliche Arbeit - nicht zu sorgen [']; aus, daß sich Dr. Gysi insoweit an die entsprechende beziehen sich nach Einschätzung von G. auf Absprache mit Rudolf Bahro gehalten hat. Allerdings hat Dr. Gysi die HA XX über die Überlegungen • den aus der Haft geschmuggelten B rief von Bahro Rudolf Bahros im Zusammenhang mit der Errichtung (,Spiegel' Nr. 44/78, ,Brief aus der Haft'), eines Testaments unterrichtet und auch auf die feh- • die Einbeziehung eines Häftlings in die finanziel- lenden Selbstmordabsichten Rudolf Bahros hinge- len Angelegenheiten betreffs der durch die ,Euro- wiesen. Weiterhin hat Dr. Gysi der HA XX mitgeteilt, päische Verlagsanstalt' Köln für Bahro hinterleg- daß Rudolf Bahro für seine Familie in den Besitz ten Gelder, in dem er einen Häftling beauftragt

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hat oder beauftragen wird, durch Vollmacht von merk verfügt Staatsanwalt Dr. Gläßner unter Punkt 3: ihm in den Besitz dieser Summe oder eines Teils „Durchschlag an U-Organ zur Vorbereitung der er- zu kommen und an die Familie des Bahro zu über- forderlichen Abstimmung. " geben. " Abg. Dr. Gysi trägt vor, daß Rudolf Bahro ihm wäh- Abschließend wird im Bericht vom 7. Dezember 1978 rend seines Besuchs in der Haftanstalt am 2. Dezem- ausgeführt: „Alle anderen Forderungen Bahros wird ber 1978 zwei Mitteilungen in seine Handakte hin- er mit uns abstimmen, bevor er diesbezügliche eingeschrieben habe. Hierüber habe er am 6. Dezem- Schritte einleitet. Als Verhandlungspartner schlug er ber 1978 einen Mitarbeiter der Abteilung Staat und Staatsanwalt Gläßner vor. Gen. Gysi beabsichtigt, im Recht des ZK der SED - allerdings nicht wörtlich - in- Februar oder März 1979 Bahro erneut aufzusuchen. formiert. In der Anhörung am 21. April 1998 erläu- Es wird vorgeschlagen, das weitere Vorgehen von terte der Abg. Dr. Gysi, daß die Schilderungen von Rechtsanwalt Gysi mit der Hauptabteilung IX/2 zu Gesprächseindrücken von ihm stammten, da er in beraten. " Gesprächen mit Herrn Gefroi von der Abteilung Staat und Recht im ZK der SED seine persönlichen Als Anlage zum Bericht vom 7. Dezember 1978 liegt Gesprächseindrücke geschildert habe und mögli- eine Tonbandabschrift gleichen Datums vor (Dok. cherweise auch gesagt habe, daß „er das Gefühl Nr. 2 (159, 160)). Die Tonbandabschrift enthält im hatte" oder, daß „er der Meinung sei" . Den Bericht Kopf die Angabe „Hauptabteilung XX", trägt die der HA XX/OG vom 7. Dezember 1978 erkläre er sich Quellenbezeichnung „IM-Vorl. ,Gregor' " sowie den damit, daß die Abteilung Staat und Recht im ZK der Vermerk „entgegengenommen: Major Lohr am 6. 12. SED das MfS unterrichtet habe und daraufhin der 1978". In der Tonbandabschrift wird über das Ge- Bericht gefertigt worden sei. Abg. Dr. Gysi erläuterte spräch zwischen Rudolf Bahro und Dr. Gysi am 2. De- in der Anhörung vom 21. April 1998, daß der Mitar- zember 1978 unter anderem folgendes ausgeführt: beiter des ZK der SED über Gespräche mit ihm um- „Aus Furcht, daß das Gespräch abgehört werden fangreiche Vermerke gefertigt habe, die an seinen könnte, notierte er auf meinem Zettel, daß er bereits Vorgesetzten gegangen seien und von do rt zur Abtei- eine Meldung nach drüben lanciert habe, die eine lung Sicherheit .des ZK der SED. Die Abteilung Si- ur- Berichtigung der ADN-Nachricht über seine Ver cherheit im ZK der SED habe wohl wiederum, das teilung darstellen würde. " In der Tonbandabschrift MfS unterrichtet. Der Bericht der HA XX beruhe in- finden sich abschließend auch folgende Ausführun- sofern nicht auf einem Gespräch, welches er nach gen: „Letztlich möchte ich noch darauf hinweisen, 'Darstellung des Berichts am 6. Dezember 1978 mit hinter- daß er während des Gesprächs einige Male dem MfS-Offizier Lohr geführt haben soll. Den MfS einander anfing, mich zu duzen. Ich bin darauf nicht Offizier Lohr habe er lediglich im Jahre 1980 als eingegangen und habe ihn weiterhin mit ,Sie' ange- „Staatsanwalt Lohse" kennengelernt. Der angebli- sprochen. Letztlich ist er dann auch mir gegenüber che Staatsanwalt habe sich einige Male einen Termin wieder zum ,Sie' übergegangen. Ich hatte ihn auf das unter dem Vorwand bei ihm verschafft, ihn für eine Ungehörige des ,Du' nicht hingewiesen, um keinen Untersuchung- über den Schaden bzw. den Nutzen Mißklang in die Atmosphäre hineinzubringen. Mir von Verfahren gegen Oppositionelle zu gewinnen. schien es zu genügen, daß ich darauf nicht eingehe. " Danach habe sich der angebliche Staatsanwalt Nach dem vorliegenden Wortprotokoll vom 2. De- „Lohse" nicht mehr bei ihm gemeldet. Erst nach der zember 1978 (Dok. Nr. 155 (156, 157)) über das Ge- Wende habe er erfahren, daß der Staatsanwalt spräch zwischen Rudolf Bahro und Dr. Gysi redete „Lohse" in Wirklichkeit der MfS-Offizier Lohr gewe- Dr. Gysi Bahro durchgehend mit „Sie" an, während sen sei. Rudolf Bahro am Anfang und Ende des Gesprächs das „Sie" gebrauchte, zwischenzeitlich aber die Abg. Dr. Gysi führt weiter aus, daß Rudolf Bahro, in direkte Anrede unterließ, jedoch nicht das „Du" ver- Abweichung zur Darstellung im Bericht der HA XX/ wandte. In diesem Wortprotokoll (Dok. Nr. 155 (156, OG vom 7. Dezember 1978, tatsächlich in seine 157)) wird außerdem an einer Stelle des Protokolls Handakte hineingeschrieben habe: „Ich habe das, eine „längere Pause, Papiergeraschel" vermerkt, an was zur Richtigstellung der ADN-Meldung nötig, einer anderen „B schreibt etwas auf". Diese Feststel- wahrscheinlich drüben." und „Ich hoffe, das Finan- lung wird später noch zweimal wiederholt. zielle für Gundula bald geklärt zu haben, so daß ich wegen Geld nicht viel arbeiten müßte." Der Abg. Dr. Am 17. Januar 1979 suchte Dr. Gysi den Staatsanwalt Gysi hat dem 1. Ausschuß während der Anhörung Dr. Gläßner auf und trug diesem die weiteren Anlie- am 12. Juni 1997 in Kopie zwei handschriftliche Noti- gen Rudolf Bahros vor. In einem dazu von Staatsan- zen überreicht, von denen er angibt, es h andele sich walt Dr. Gläßner erstellten Vermerk gleichen Datums um diejenigen, die ihm Rudolf Bahro seinerzeit in die (Dok. Nr. 162) heißt es dazu: „Am 17. 1. 1979 erschien Handakte geschrieben habe. Abg. Dr. Gysi meint, Herr RA Dr. Gysi und trug die nachfolgenden Be- daß der MfS-Offizier Lohr als Verfasser des Berichts schwerden des Strafgefangenen Bahro vor, die ihm vom 7. Dezember 1978 einen Informanten gehabt ha- anläßlich eines Besuchs des Bahro im Dezember vor- ben müsse, der sich die Notizen Rudolf Bahros zwar getragen wurden. (...)" Mit Bezug auf den B rief Bah- kurz habe ansehen können, sie aber nicht wörtlich ros im „Spiegel" wird ausgeführt: „In dem mit Dr. abschreiben konnte. Ergänzend erläutert der Abg. Gysi geführten Gespräch erhielt ich noch folgende Dr. Gysi, daß Rudolf Bahro zum Zeitpunkt des Ge- Informationen: Bahro habe erklärt, daß der in der sprächs am 2. Dezember 1978 noch nicht gewußt Westpresse 'veröffentlichte B rief - Richtigstellung habe, ob der Kassiber den „Spiegel" erreicht habe. über ADN-Meldung - von ihm sei. " In seinem Ver- Er habe Bahro zu verstehen gegeben, daß die Veröf-

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fentlichung bereits stattgefunden habe. Rudolf Bahro schusses die inoffizielle Zusammenarbeit Dr. Gysis habe das Interesse gehabt, nach Beendigung des mit der HA XX des MfS. Aufgrund des entsprechen- Strafvollzugs die DDR zu verlassen und in die Bun- den Verweises im Bericht der HA XX/OG vom 7. De- desrepublik überzusiedeln sowie diesen Wunsch als zember 1978 sind der Bericht und die Tonbandab- wirklich von ihm ausgehend zu bestätigen. Mit der schrift miteinander verknüpft. Die Tonbandabschrift Bestätigung des Kassibers sei klar gewesen, daß die- trägt die Quellenangabe „IM-Vorl. Gregor". Sie wur- ser Wunsch auf Bahros eigener Entscheidung beru- de in der Ich-Form abgefaßt und enthält eine detail- he, was eine positive Prüfung seines Ausreiseantra reiche und mit persönlichen Einschätzungen verse- ges erleichtert habe. Ähnliches gelte auch für die hene Schilderung des Gesprächs mit Rudolf Bahro. Notiz über die finanziellen Angelegenheiten Rudolf Der 1. Ausschuß hat keine vernünftigen Zweifel, daß Bahros. Mit dieser Notiz habe erreicht werden sollen, Dr. Gysi das zugrundeliegende Tonband selbst be- daß Rudolf Bahro von körperlicher Arbeit im Straf- sprochen hat und am 6. Dezember 1978 ausweislich vollzug freigestellt werde. Dies habe nur gelingen des Berichts vom 7. Dezember 1978 dem MfS-Offizier können, wenn den betreffenden ' Organen bekannt Lohr übergeben hat. Hierfür spricht auch, daß Dr. gewesen sei, daß keine offenen Unterhaltsfragen be Gysi in der Tonbandabschrift ausdrücklich die an- stünden. Abg. Dr. Gysi erklärt, er sei mit dem Kassi- geblich von Rudolf Bahro gewählte „Du-Anrede" ber Rudolf Bahros stets offen umgegangen. Wie sich während des Gesprächs bemängelte. In einem offi aus dem Vermerk des Staatsanwalts Dr. Gläßner ziellen Gespräch - etwa in der Abteilung Staat und (Dok. Nr. 162) ergebe, habe er diesen hierüber offi- Recht des ZK der SED - wäre dieser Hinweis unnö tig ziell informiert und nicht etwa heimlich die Staats- . gewesen. sicherheit. Aus dem Lageplan der HA IX/2 vom 31. Oktober 1978 (Dok. Nr. 150) ergebe sich demge Dem Vortrag des Abg. Dr. Gysi, daß er am 6. Dezem- genüber, daß das MfS auch ihn verdächtigt habe, den ber 1978 in einem Gespräch mit einem Mitarbeiter Brief Rudolf Bahros aus der Haftanstalt geschmuggelt der Abteilung Staat und Recht des ZK der SED Ein- zu haben, was dagegen spreche, daß er aus Sicht des zelheiten der Aussprache mit Rudolf Bahro vom MfS ein zuverlässiger Informant gewesen sei. 2. Dezember 1978 mitgeteilt habe und die HA XX/ OG vom ZK der SED informiert worden sei, kann der Der 1. Ausschuß ist auf Grundlage der vorliegenden 1. Ausschuß nicht folgen. Die dem 1. Ausschuß vor- Dokumente davon überzeugt, daß Gregor Gysi am liegenden Dokumente enthalten hierfür keine An- 6. Dezember 1978 die HA XX/OG des MfS inoffiziell haltspunkte. Gegen die Einlassung des Abg. Dr. Gysi über seine Aussprache mit Rudolf Bahro am 2. De- spricht auch die in sich schlüssige Darstellung des zember 1978 in der Haftanstalt Bautzen II und über Gesprächs zwischen Dr. Gysi und Rudolf Bahro im die von diesem während des Gesprächs gefertigten Bericht der HA XX vom 7. Dezember 1978 und der Notizen unterrichtet hat. Ausweislich des Berichts dazugehörigen Tonbandabschrift. Diese Darstellung der HA XX/OG vom 7. Dezember 1938, hat Dr. Gysi kann nur von Dr. Gysi als Gesprächspartner Rudolf bei einem am 6. Dezember 1978 in seiner Wohnung Bahros herrühren. Außerdem wäre die Anfertigung geführten Gespräch der HA XX/OG ausführlich Ein- eines Berichts und einer dazugehörigen Tonbandab- - zelheiten der Aussprache mit Rudolf Bahro mitgeteilt schrift über die Aussprache von Dr. Gysi mit Rudolf und den Inhalt im Extrakt auf Tonband gesprochen. Bahro unverständlich, wenn die Informationsüber- Dr. Gysi hat besonders vertrauliche Notizen Rudolf mittlung, wie der Abg. Dr. Gysi vorträgt, über das ZK Bahros (Brief an den „Spiegel", finanzielle Angele der SED erfolgt sein sollte. Der Abfassung eines genheiten) mitgeteilt, die Rudolf Bahro während des Treffberichtes durch die HA XX/OG und der gleich- Gesprächs in der Haftanstalt aufgeschrieben ha tte, zeitigen Aufnahme eines Tonbandes, in der eine Ge- damit sie nicht abgehört werden konnten. Das sprächsführung mit Dr. Gysi dargestellt wird, hätte es Abhörprotokoll vermerkt dementsprechend auch in einem solchen Fall nicht bedurft. Gerade die Ab- mehrfach „längere Pause, Papiergeraschel" und fassung einer Tonbandabschrift belegt nach Ansicht „B. schreibt etwas auf". Anläßlich des Gesprächs am des 1. Ausschusses, daß es der HA XX/OG auf eine 6. Dezember 1978 hat sich Dr. Gysi weiterhin bereit authentische Darstellung durch Dr. Gysi selbst an erklärt, alle anderen Forderungen Rudolf Bahros vor -kam. Weiterhin spricht gegen eine Informationsüber- Einleitung weiterer Schritte mit der HA XX/OG ab- mittlung über das ZK der SED an das MfS, daß - wie zustimmen. Er schlug als Verhandlungspartner den auch Dr. Gysi selbst ausführt - allein im ZK der SED Staatsanwalt Dr. Gläßner vor. Entsprechend dieser der Dienstweg über mehrere Hierachieebenen einzu- Absprache suchte Dr. Gysi ausweislich eines Ver- halten war. Angesichts der nur wenigen Tage zwi merks des Staatsanwalts Dr. Gläßner diesen tatsäch- schen dem Gespräch Gregor Gysis mit Rudolf Bahro lich am 17. Januar 1979 auf und besprach mit diesem und der Abfassung des Berichts der HA XX/OG die anderen Forderungen Rudolf Bahros. Die in dem überzeugt den 1. Ausschuß eine derartige Informati- Bericht der HA XX/OG vom 7. Dezember 1978 fest- onsübermittlung auch aus diesem Grunde nicht. Hin gehaltene Absprache wurde insoweit eingehalten. zu kommt, daß in dieser kurzen Zeit die Informa- Zudem kündigte Dr. Gysi der HA XX/OG frühzeitig tionen Dr. Gysis an das ZK der SED in einen Bericht seinen nächsten Besuch bei Rudolf Bahro für die Mo- der HA XX/OG und eine dazugehörige Tonbandab- nate Februar oder März 1979 an. schrift umgearbeitet werden mußten, was als kaum durchführbar erscheint. Insbesondere die dem Bericht der HA XX/OG vom 7. Dezember 1978 als Anlage beigefügte Tonbandab- Dieser Zusammenhang belegt nach Auffassung des schrift über die Aussprache zwischen Rudolf Bahro 1. Ausschusses auch, daß der MfS-Offizier Lohr Gre und Gregor Gysi belegt nach Auffassung des 1. Aus gor Gysi seit 1978 bekannt gewesen sein mußte.

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Nach Überzeugung des 1. Ausschusses läßt sich die . Konspiration und Verschleierung auch innerhalb des Behauptung Dr. Gysis, er habe lediglich im Jahre MfS keine Kenntnisse darüber, wer von der HA XX 1980 in einem anderen Zusammenhang einen Staats- als IM geführt wurde. Der Plan der HA IX vom anwalt Lohse getroffen, von dem er erst später erfah- 31. Oktober 1978 verdeutlicht jedoch die besondere ren haben will, daß es sich um Lohr h andelte, auf- Rolle der HA XX/OG im Verhältnis zu Rudolf Bahro. grund der aufgefundenen Dokumente nicht aufrecht In dem Plan war ausdrücklich vorgesehen, daß durch erhalten. Dieser Vortrag des Abg. Dr. Gysi muß als die HA XX/OG die vorhandenen operativen Mög- Schutzbehauptung gewertet werden. Dr. Gysi mußte lichkeiten zu nutzen sind. Eine aktive Rolle der aufgrund seiner Zugehörigkeit zum Rechtsanwalts- HA XX/OG im Verhältnis zu Rudolf Bahro ist damit kollegium Berlin wissen, daß der MfS-Offizier Lohr belegt. kein Mitarbeiter der DDR-Justiz oder des Untersu- Insgesamt kommt der 1. Ausschuß zu der Überzeu chungsorgans des MfS gewesen sein konnte. Offen gung, daß Dr. Gysi auch im Zusammenhang mit den muß allerdings bleiben, ob Dr. Gysi den MfS-Offizier Notizen Rudolf Bahros inoffiziell Berichte und Anga- Lohr unter seinem richtigen Namen oder als „Lohse" ben über diesen im Sinne der Feststellungskriterien gekannt hat. Auf letzteres deutet insbesondere ein des 1. Ausschusses die HA XX/OG des MfS gelie- als „WKW-Übersicht" bezeichnetes Dokument (Dok. an fert hat. Der Einwand des Abg. Dr. Gysi, daß er hier- Nr. 91) aus der IM-Vorlauf-Akte „Gregor" hin. Hier über am 17. Januar 1979 auch den Staatsanwalt Dr. taucht unter der Rubrik „Mitarbeiter, die den IM/ Gläßner informiert hatte, schließt dieses nicht aus, GMS persönlich kennen bzw. dem IM/GMS persön- da dieses Gespräch erst nach Abstimmung mit der lich bekannt sind" der Name „Lohr, Günter" auf. HA XX/OG des MfS am 6. Dezember 1978 erfolgte. Unter der Spalte „dem IM/GMS bekannt als" ist der Name „Lohse" vermerkt. Demgemäß geht der 1. Ausschuß davon aus, daß die 6.1.4 Bestellter Brief in einem Bericht und einer dazugehörigen Tonband- Mit Datum vom 19. Januar 1979 liegt ein vom MfS- abschrift aufgefundenen Informationen nur von einer Offizier Lohr unterzeichneter „Bericht" der „Haupt- einzigen Quelle stammen können und es sich nicht abteilung XX/OG" über „ein geführtes Gespräch mit uni eine gebündelte Informa tion aus verschiedenen Rechtsanwalt Dr. Gysi" (Dok. Nr. 16 (163, 164)) vor. Quellen (Einsatz mehrerer IM, Abhörmaßnahmen, Hierin wird u.a. ausgeführt: „Am 18. 1. 1979 wurde Postkontrolle, Beobachtung) oder eine Sammlung mit Gen. Gysi in seiner Wohnung ein weiteres Ge- daraus resultierender Erkenntnisse handelt. Dage- spräch geführt. Er informierte über ein Gespräch (...) gen spricht, daß die Tonbandabschrift den Inhalt der und einen Brief, welchen er von Rudolf Bahro erhielt. Gespräche Dr. Gysis mit Rudolf Bahro in allen Einzel- (...) Gen. Gysi informierte des weiteren über einen heiten wiedergibt und die in sich schlüssige Abfolge am 16. 1. 1979 von Rudolf Bahro erhaltenen B rief, in der Inhalte. Bestätigt wird dieses durch den engen dem B. um eine dringende Aussprache bittet. Bahro zeitlichen Zusammenhang der Informationsübermitt- schreibt, daß ‚plötzlich eingetretene, unerwartete lung an das MfS innerhalb weniger Tage nach dem Umstände' eine dringende Konsultierung erf order- Gespräch Dr. Gysis mit Rudolf Bahro. lich machen. Entsprechend- der letzten Vereinbarung wurden die von Bahro an Gen. Gysi gestellten Forde- Insofern sprechen auch die vom Abg. Dr. Gysi vorge- rungen betr. besserer Haftbedingungen an Staatsan- brachten Unterschiede zwischen der Wiedergabe der walt Gläßner weitergeleitet. Eine Antwort steht noch Notizen Rudolf Bahros im Bericht der HA XX/OG aus. Nach Abstimmung mit der HA IX wird Gen. vom 7. Dezember 1978 und den - nach Angaben des Gysi Bahro schriftlich mitteilen, daß er die Antwort Abg. Dr. Gysi - Originalnotizen Rudolf Bahros nicht des Staatsanwaltes abwartet und ein erneuter Besuch gegen eine inoffizielle Zusammenarbeit Dr. Gysis mit Ende Februar/Anfang März 1979, bedingt durch ei- der HA XX/OG. Die Ungenauigkeiten der Wiederga- nen 14tägigen Urlaub, stattfindet. " be der Notizen Rudolf Bahros im Bericht der HA XX/ OG vom 7. Dezember 1978 lassen sich zwar nicht ein Kurz danach hat Dr. Gysi unter dem Datum vom deutig erklären. Nach Auffassung des 1. Ausschusses 23. Januar 1979 in einem B rief an Rudolf Bahro ge- steht jedoch aufgrund des Berichts der HA XX/OG schrieben (Dok. Nr. 166): „(...) Ihre weiteren Proble- vom 7. Dezember 1978 fest, daß Dr. Gysi ausführlich me habe ich mit dem Staatsanwalt Dr. Gläßner beim über das Gespräch mit Rudolf Bahro und über die Generalstaatsanwalt der DDR besprochen. Eine Ent von diesem gefertigten Notizen berichtet hat. Dafür, scheidung wurde mir für den Monat Februar 1979 daß die abweichende Wiedergabe der Notizen Ru- zugesichert. (...) Am 3.2.79 begebe ich mich in einen dolf Bahros im Bericht der HA XX/OG - wie es der Urlaub. Am 20. 2. 1979 bin ich wieder zurück. Da- Abg. Dr. Gysi vorträgt - bei der Einsichtnahme in nach werde ich erneut mit dem Staatsanwalt spre- Vermerke Dr. Gysis durch einen Dritten entstanden chen und Sie aufsuchen. Wenn dennoch eine soforti- sind, finden sich keinerlei Hinweise. ge Rücksprache (zumindest unmittelbar nach dem Urlaub) erforderlich ist, bitte ich um Ihren raschen Die Erwähnung Dr. Gysis im Plan der HA IX/2 vom Bescheid." 31. Oktober 1978 (Dok. Nr. 150) zur Aufklärung der Zusammenhänge der Veröffentlichung des Bahro- Abg. Dr. Gysi bestreitet, daß der MfS-Offizier. Lohr, Briefes spricht nicht gegen eine Zusammenarbeit Dr. den er zum hier fraglichen Zeitpunkt nicht gekannt Gysis mit der HA XX/OG. Hierbei ist auch die von- habe, den Inhalt des Briefes vom 23. Januar 1979 an einander grundsätzlich unabhängige Stellung der Rudolf Bahro festgelegt habe. Der Bericht der HA Hauptabteilungen des MfS zu berücksichtigen. Zu- XX/OG vom 19. Januar 1979 könne auch so verstan- dem hatte die HA IX im Hinblick auf das Prinzip der den werden, daß Lohr über einen geplanten B rief in-

Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode Drucksache 13/10893 formiert worden sei. Abg. Dr. Gysi meint, daß die mit der HA XX/OG abgestimmt. Ausweislich des Verfügung des Staatsanwalts Dr. Gläßner vom 17. Ja- Vermerks des Staatsanwalts Dr. Gläßner vom 17. Ja- nuar 1979 (Dok. Nr. 162) ihn entlaste. Aus der Verfü- nuar 1979 hat Dr. Gysi zumindest an diesem Tage gung ergebe sich, daß er an diesem Tag ein Gespräch selbst mit der Staatsanwaltschaft ein Gespräch im mit dem Staatsanwalt Dr. Gläßner und nicht mit dem Zusammenhang mit den Haftbedingungen Rudolf MfS-Offizier Lohr geführt habe. Staatsanwalt Dr. Bahros geführt. Insoweit trifft auch die Einlassung Gläßner habe ihn darüber informiert, daß er mit sei- des Abg. Dr. Gysi nicht zu, daß ihn die Verfügung ner Entscheidung über die Beschwerden Rudolf Bah- des Staatsanwalts Dr. Gläßner vom 17. Januar 1979 ros „frühestens etwa Mitte Februar" rechnen könne. entlaste. Das Gespräch Dr. Gysis mit der HA XX/OG Gemäß Ziffer 3 seiner Verfügung habe Staatsanwalt fand ausweislich des Berichts auf Dok. Nr. 16 (163, Dr. Gläßner die „erforderliche Abstimmung" mit dem 164) und entgegen dem Vortrag des Abg. Dr. Gysi „U-Organ", d.h. der HA IX des MfS vornehmen wol- erst am 18. Januar 1979, also einen Tag nach dem len (Stellungnahme vom 17. Juni 1997). Gespräch mit Staatsanwalt Dr. Gläßner, statt.

Der 1. Ausschuß hat keine vernünftigen Zweifel, daß Zur Überzeugung des 1. Ausschusses steht auch im Dr. Gysi den Brief vom 23. Januar 1979 an Rudolf Zusammenhang mit dem B rief an Rudolf Bahros fest, Bahro so abgefaßt hat, wie er es zuvor mit Major Lohr daß Dr. Gysi Berichte und Angaben über Rudolf von der HA XX/OG abgesprochen hat. Dieses wird Bahro an die HA XX/OG des MfS geliefert hat. durch den Bericht der HA XX/OG vom 19. Januar 1979 dokumentiert. Ausweislich dieses Berichts hat Dr. Gysi anläßlich eines am 18. Januar 1979 in der 6.1.5 Haftbedingungen Rudolf Bahros/Vorschläge Wohnung Dr. Gysis durchgeführten Gesprächs die gegen den „Veröffentlichungstrieb" Beantwortung eines B ri efes von Rudolf Bahro mit der Im Zusammenhang mit den Ende des Jahres 1978/ HA XX/OG abgestimmt. In Übereinstimmung mit Anfang 1979 von Rudolf Bahro erhobenen Forderun- der Absprache führte Dr. Gysi im B rief vom 23. Janu- gen zur Verbesserung seiner Haftbedingungen liegt ar 1979 an Rudolf Bahro aus, daß hinsichtlich der mit Datum vom 21. Februar 1979 ein vom MfS-Offi- Haftbedingungen Rudolf Bahros eine Entscheidung zier Reuter unterzeichneter Bericht der Hauptabtei- des Staatsanwalts Dr. Gläßner abgewartet werden lung XX/OG „über ein Gespräch mit Rechtsanwalt sollte. Dr. Gysi teilte Rudolf Bahro zudem absprache- Dr. Gysi" vor (Dok. Nr. 17 (167,168)). In diesem Be- gemäß mit, daß er ihn nach Beendigung seines Ur- richt wird unter Punkt 2. ausgeführt: „Dr. Gysi beab- laubs besuchen wolle. sichtigt, Bahro am 3. 3. 79 in der Strafvollzugsanstalt Bautzen aufzusuchen. Er bat um Klärung, daß der Die Zusammenarbeit Dr. Gysis mit der HA XX/OG Termin realisiert werden kann sowie Entscheidung, wird nach Ansicht des 1. Ausschusses in diesem Zu- ob er das Gespräch mit Bahro ohne Aufsicht führen sammenhang besonders deutlich. Nachdem, laut Be- soll bzw. kann. Bahro erwartet bei diesem Gespräch richt der HA XX/OG vom 7. Dezember 1978 (Dok. Antworten auf seine Forderungen, die er beim letz- Nr. 1 (158, 161)), zwischen Dr. Gysi und der HA XX/ ten Gespräch mit- Gysi vorgetragen hatte. (Bereitstel- OG abgesprochen worden war, daß Dr. Gysi zu den lung eines Radios, einer Schreibmaschine usw.) Gen. Haftbedingungen Rudolf Bahros Verhandlungen mit Gysi ist gegenwärtig noch bemüht, eine Antwort dar- dem Staatsanwalt Dr. Gläßner aufnehmen sollte, auf bei der Staatsanwaltschaft einzuholen. Staatsan- suchte Dr. Gysi den Staatsanwalt ausweislich eines walt Gläßner hatte ihm erklärt, daß er einen anderen von diesem gefertigten Vermerks am 17. Januar 1978 Staatsanwalt (Krüger o.ä.) veranlaßt habe, sich mit tatsächlich auf und besprach mit diesem unter ande- Dr. Gysi in Verbindung zu setzen. " Weiter heißt es rem die Haftbedingungen Rudolf Bahros. Mit Datum unter Punkt 4. in dem Bericht: „Auf die Frage von Dr. vom 19. Januar 1979 liegt ein Bericht der HA XX/OG Gysi, wie er im Falle einer Anfrage von Bahro hin- über ein am 18. Januar 1978 mit Dr. Gysi geführtes sichtlich seiner neuesten Spiegelveröffentlichung Gespräch vor. In diesem Bericht wird unter Bezug- reagieren soll, wurde ihm empfohlen, Bahro gegen- nahme auf die Vereinbarung vom 7. Dezember 1978 über diese Veröffentlichung nicht zu bestätigen. Um berichtet, daß die Forderungen Rudolf Bahros zwi- sich von Bahro früher oder später nicht als Lügner schenzeitlich an den Staatsanwalt Dr. Gläßner wei- bezeichnen zu lassen, wird er bei einer direkten tergeleitet worden seien, was Dr. Gysi nach dem Ver- Anfrage sinngemäß antworten, daß in westlichen merk des Staatsanwalts Dr. Gläßner vom 17. Januar Medien viel veröffentlicht wird, wobei man nicht im- 1979 tatsächlich getan hat. Im Bericht vom 19. Januar mer klar unterscheiden könne, was davon frei erfun- 1,979 wird zudem dokumentiert, daß Dr. Gysi Rudolf dene Meldungen sind." Der Bericht endet u.a. mit Bahro schriftlich mitteilen sollte, daß Dr. Gysi die dem Vorschlag „über die HA IX -abzusichern, daß Antwort des Staatsanwalts zu den Hafterleicherun- der vorgesehene Besuchstermin realisie rt werden gen abwartet und Rudolf Bahro Ende Februar/An- kann und entschieden wird, ob das Gespräch des fang März 1979 besuchen sollte. Am 23. Januar 1979 Rechtsanwaltes mit Bahro mit oder ohne Aufsicht ge- schrieb Dr. Gysi dieses in einem B rief an Rudolf Bahro. führt werden soll" und „-bei der Generalstaatsan- Diese in sich schlüssige Abfolge von Absprachen waltschaft zu veranlassen, daß Rechtsanwalt Dr. Gysi und Tätigkeiten belegt nach Überzeugung des vor dem 3. 3. 79 die Antworten auf seine Anfrage 1. Ausschusses die inoffizielle Tätigkeit Dr. Gysis für erhält, die er Bahro übermitteln kann (...)". die HA XX/OG des MfS. Dr. Gysi hat Angaben und Berichte über Rudolf Bahro an den MfS-Offizier Lohr Am 10. März 1979 fand zwischen Gregor Gysi und von der HA XX/OG geliefert und sein Verhalten ge- Rudolf Bahro ein Gespräch in der Haftanstalt Baut genüber Rudolf Bahro und der Staatsanwaltschaft zen II unter Aufsicht statt. Das MfS erstellte hierüber

Drucksache 13/10893 Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode ein Wortprotokoll (Dok. Nr. 172 (174)), aus dem sich gegen das Gesetz erfolgen sollten. Wir haben es der folgende Hinweis Dr. Gysis ergibt (Seite 18): weder nötig, noch ist es gerechtfertigt, solche Ein- „Na [,] es ist nicht üblich, daß Strafgefangene ohne schränkungen vorzunehmen. (...). Letztlich bin ich Kontrolle sich außerhalb des Strafvollzugs schriftlich auch der Meinung, daß ihm eine Schreibmaschine äußern." Bahro antwortete darauf unter anderem, zur Verfügung gestellt werden sollte; dies erleichtert daß er sich durch eine verleumderische Zeitungsmel- eine Kontrolle seiner schriftlichen Aufzeichnungen dung zu diesem Schritt veranlaßt sah. Er könne sich und würde im übrigen auch rechtfertigen, weshalb nicht in dieser Frage „genauso freundlich und höflich ihm nur noch Schreibmaschinenpapier und keine und sozusagen hinnehmend verhalten" wie er es „in eigenen Stifte zur Verfügung gestellt werden kön- allen Sachen des Gefängnisregimes hier mache." In nen, so daß das Anfertigen von Kassibern wesentlich „irgendeiner Weise muß das natürlich richtig gestellt erschwert wäre. Andererseits wäre einem Wunsch werden." (Dok. Nr. 172 (174), Seite 19). Während des von ihm Rechnung getragen worden, so daß er sich Gesprächs fertigte ein anwesender MIS-Mitarbei- darüber nicht beschweren kann. Letztlich hätten ter unter anderem eine handsch riftliche Notiz (Dok. meine Bemühungen in diesen 3 Punkten auch mal Nr. 173), in der es heißt: „Gysi teilt ihm [Anm.: Rudolf einen Erfolg gezeigt, so daß dies nur der Stärkung Bahro] vorsichtig mit, daß B rief drüben veröffent- des Vertrauensverhältnisses zwischen uns dienen licht. " kann. Wenn ich hinsichtlich aller Wünsche, die er äußert, stets nur Mißerfolge erziele bzw. sich nur Ein- Kurze Zeit nach dem Gespräch Dr. Gysis mit Rudolf schränkungen für ihn danach ergeben, so werden Bahro liegt ein Bericht der „Hauptabteilung XX" Gespräche seinerseits mit mir für ihn immer sinnloser vom 15. März 1979 „über ein geführtes Gespräch mit werden. (...) 4. Zur Kassationsanregung müßte ich Rechtsanwalt Dr. Gysi" vor, nach dem am 13. März mir bis Mai 1979 für ihn einleuchtende Überlegun- 1979 „mit Rechtsanwalt Dr. Gysi in seiner Wohnung gen machen, die ihn an einer solchen Anregung hin- ein weiteres Gespräch geführt" wurde: „Er infor- dern. (...) Vor allen Dingen werde ich ihm keine juri- mierte über die am 10. 3. 1979 erfolgte Aussprache stischen Argumente liefern können, die ihn überzeu- mit Bahro in der Haftanstalt Bautzen II, deren Inhalt gen, wenn ich nicht mit ihm alleine reden kann. Nur er im Extrakt auf Tonband sprach (Anlage) (...)." dann könnte ich bestimmte zusätzliche Bemerkun- (Dok. Nr. 4 (175, 176, 177)). Die zugehörige Tonband- gen machen, die man sich überlegen müßte, die ihn abschrift vom 14. März 1979 (Dok. Nr. 3 (169, 170, möglicherweise an einem solchen Schritt hindern. 171) der „Hauptabteilung XX/OG" gibt als Que lle (...) Eine solche ,Rehabilitierung's-Welle' wäre selbst- „IM-Vorlauf ,Gregor' " an und enthält den Vermerk verständlich besser zu vermeiden. Wenn aber die An- „entgegengenommen Major Lohr, 13. 3. 1979". Zu- regung durch ihn nicht verhindert werden kann, nächst wird über ein Gespräch zwischen Dr. Gysi dann sollte vorab schon überlegt werden, ob ich ihn und dem Staatsanwalt Kunze am 9. März 1979 zu dazu bewegen soll, sie dann lieber durch mich ferti- Hafterleichterungen für Rudolf Bahro sowie zu der gen zu lassen oder ob er sie alleine fertigt oder ob wir von Dr. Gysi am 10. März 1979 vorgenommenen Aus- sie zusammen fertigen. Außerdem sollte von vornher- sprache mit Rudolf Bahro berichtet. Am Ende der in ein klar sein, wie und in welcher Frist darauf Be- Ich-Form gehaltenen zehnseitigen Tonbandabschrift scheid erfolgt. " werden u.a. folgende Überlegungen angestellt: „Zu den dargelegten Problemen gibt es meinerseits fol- Am 20. Juli 1979 führte Gregor Gysi erneut ein Ge- gende, kurze Überlegungen: 1. Ich bin nicht in der spräch mit Rudolf Bahro in der Haftanstalt Bautzen II, Lage, ihm ernsthafte Argumente zu nennen, die ihn über das ein Wortprotokoll vorliegt (Dok. Nr. 182). an seinem Veröffentlichungstrieb hindern, wenn ich Der wesentliche Gesprächsinhalt wird auch in einem nicht allein mit ihm sprechen kann. Meines Erach- von Major Lohr unterzeichneten „Bericht über ein tens gibt es auch neben einer sicherlich nicht mögli- geführtes Gespräch mit Rechtsanwalt Dr. Gysi" vom chen vollständigen Isolierung, die praktisch solche 17. September 1979 (Dok. Nr. 126) der „Hauptabtei- Korrespondenzen verhindert, nur 2 Wege, ihn an lung XX/OG" festgehalten. Hierin heißt es: „Die er- Veröffentlichungen zu hindern (...) 2. Ich bin der Mei- leichterten Haftbedingungen halten Bahro jedoch nung, daß es nicht auf Dauer haltbar ist, ihm be- nicht ab, einen schriftlichen Antrag auf Entlassung stimmte Vergünstigungen zu streichen, ohne die aus der Staatsbürgerschaft der DDR zu stellen. (...) eigentliche Begründung dafür zu nennen. Auf diese Im Ergebnis der Diskussion konnte Gen. Gysi Bahro Art und Weise muß er wirklich glauben, daß be- von diesem Schritt nicht abhalten, er erreichte ledig- stimmte Einschränkungen einzig und allein damit lich, daß Bahro nur für sich einen Antrag auf Entlas- zusammenhängen, daß er weitergehendere Forde- sung aus der Staatsbürgerschaft der DDR stellt. " rungen gestellt hat. (...) Dies bringt als Gefahr mit, daß er versuchen wird, mittels eines Kassibers sich In einem Dokument vom 20. September 1979 (Dok. nunmehr in der Westpresse über die Haftbedingun- Nr. 127) mit dem Titel „zu Rudolf Bahro und Robe rt gen zu beschweren. Da er in seinen bisherigen Veröf- Havemann" , aus dem sich der Verfasser nicht ent- fentlichungen stets betont hat, daß er korrekt behan- nehmen läßt, wird u.a. folgendes berichtet: „Streng delt wurde, ist die ,Glaubwürdigkeit' einer solchen vertraulich wurde zuverlässig durch GMS ,Gregor' Auskunft seitens Bahro besonders hoch. Wenn er da- bekannt, daß sich Bahro unter den derzeitigen Haft- gegen wüßte, womit die Einschränkungen zusam- bedingungen sehr wohl fühle. (...) Ihm würde, wie er menhängen, kann man besser auf ihn einwirken und beim letzten Besuch von ,Gregor' zum Ausdruck im übrigen würde er die Einschränkungen dann brachte, lediglich die Zeitung ,Unitad' vorenthalten, auch besser verstehen. (...) 3. Soweit es Einschrän- so daß er diesbezüglich über seinen Rechtsanwalt kungen gibt, bin ich der Meinung, daß sie niemals beim zuständigen Staatsanwalt Beschwerde einlegen

Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode Drucksache 13/10893

will." Als Verteiler werden in dieser Reihenfolge Im Nachgang zu diesem Besuch informierte Dr. Gysi „Gen. Generalmajor Mittig", „Gen. Generalmajor am 15. März 1979 ausweislich des Berichts gleichen Kienbaum", „Leiter HA IX", „Leiter HA XX/5 und Datums die HA XX/OG des MfS und sprach den In- „HA XX/OG" angegeben. halt des Gesprächs mit Rudolf Bahro im Extrakt auf Tonband. Die dazugehörige Tonbandabschrift gibt Abg. Dr. Gysi erklärt, er habe über die Haftbedin- als Quelle „IM-Vorl. ,Gregor' " an und ist in der „Ich gungen Rudolf Bahros nur mit den zuständigen Form" gehalten. Aufgrund der Verknüpfung mit dem Staatsanwälten Dr. Gläßner oder Dr. Kunze bzw. Bericht der HA XX/OG hat der 1. Ausschuß keine einem Mitarbeiter der Abteilung Recht und Staat im vernünftigen Zweifel, daß die Tonbandabschrift von ZK der SED Gespräche geführt. Dem MfS-Offizier Dr. Gysi stammt und der Deckname „Gregor" für Reuter sei er erst nach der Wende begegnet. Abg. Dr. Dr. Gysi verwendet wurde. In der Tonbandabschrift Gysi trägt vor, Rudolf Bahro habe ihn schon während stellte Dr. Gysi unter anderem Überlegungen gegen des Gesprächs am 2. Dezember 1978 gebeten, sich den „Veröffentlichungstrieb" seines Mandanten dafür einzusetzen, daß ihm eine Schreibmaschine, Rudolf Bahros an, die nach Auffassung des 1. Aus- ein Plattenspieler, bestimmte Zeitungen und andere schusses mittelbar weitere Veröffentlichungen Rudolf Sachen zur Verfügung gestellt werden. Nach Veröf- Bahros verhindern sollten. Hierbei handelt es sich fentlichung des zweiten Kassibers Rudolf Bahros im um Überlegungen Gregor Gysis, sein Vertrauensver „Spiegel" sei jedoch eine erhebliche Verschlechte- hältnis zu Rudolf Bahro zu verbessern und damit Ein rung der Haftbedingungen von Rudolf Bahro zu be- wirkungsmöglichkeiten auf diesen zu gewinnen. fürchten gewesen. Er habe deshalb im Interesse Bah- Dr. Gysi schlug bei seinen Überlegungen zwar keine ros Vorschläge unterbreitet, die einerseits dessen offenen Repressionen gegen Rudolf Bahro vor, er Wünschen entgegenkommen und andererseits die zeigte dem MfS - etwa durch bestimmte Hafterleich- Gefahr weiterer Kassiber verringern würden. Hierzu terungen - jedoch Möglichkeiten auf, Rudolf Bahro habe er in der Abteilung Staat und Recht im ZK der zu steuern, diesen von weiteren Aktivitäten in der SED angeregt, den Wünschen Rudolf Bahros entge- Öffentlichkeit abzuhalten und insgesamt ruhig zu genzukommen, um Rudolf Bahro von der Abfassung stellen. Insbesondere hieraus wird ersichtlich, daß so- weiterer Kassiber abzuhalten. Nach der Veröffentli- wohl die HA XX/OG als auch Dr. Gysi bemüht wa- chung des zweiten Kassibers habe er gute Chancen ren, den Anschein der Legalität bei ihrem Verhalten gesehen, einen Teil der Forderungen Rudolf Bahros gegenüber Rudolf Bahro, auch angesichts der zu er- durchzusetzen. Um etwas zu erreichen, habe er wartenden Reaktionen im Westen, aufrechtzuerhal- gleichzeitig auch im Interesse seiner Gesprächspart- ten. Beispielsweise wurden die Haftbedingungen ner argumentieren müssen. nach Absprache und Unterrichtung der HA XX/OG Der Abg. Dr. Gysi bezieht sich in diesem Zusammen- durch Dr. Gysi mit der zuständigen Staatsanwalt- hang auf einen MfS-Bericht über einen Beitrag in der schaft verhandelt und seiténs der HA XX/OG Ab- Zeitschrift „Stern" zum zweiten aus der Haft ge- stimmungen mit der HA IX als dem offiziellen Unter- schmuggelten B rief Rudolf Bahros und sieht hierin suchungsorgan des MfS vorgenommen. eine Entlastung (Schreiben vom 17. April 1997, An- - lage- 31). In dem Bericht heißt es: „Operativ interes- Im Zusammenhang mit Hafterleicherungen hat Gre- sant ist an diesem ,Artikel', daß darin Fakten verar- gor Gysi der HA XX auch am 17. September 1979 beitet werden, die nur einem kleinen Kreis von Per- über ein Gespräch mit Rudolf Bahro am 20. Juli 1979 sonen in der Haftanstalt Bautzen II, und dem in der Haftanstalt Bautzen II berichtet. Der hierzu Rechtsanwalt Dr. Gysi bekannt sind." Abg. Dr. Gysi vorliegende Bericht der HA XX/OG vom 17. Septem- meint, der in diesem Bericht geäußerte Verdacht ge- ber 1979, den der MfS-Offizier Lohr unterzeichnet gen ihn spreche gegen eine inoffizielle Zusammenar- hat, dokumentiert, daß Rudolf Bahro trotz erleichter- beit mit dem MfS. ter Haftbedingungen einen Ausreiseantrag stellen wollte und Dr. Gysi ihn hiervon nicht abhalten Nach Auffassung des 1. Ausschusses stimmte Dr. konnte. Auch das Dokument vom 20. September Gysi ausweislich des Berichts der HA XX/OG vom 1979, dem sich der Verfasser nicht entnehmen läßt, 21. Februar 1979 sein Verhalten für einen bevorste- spricht für eine inoffizielle Tätigkeit Dr. Gysis für die henden Besuch bei Rudolf Bahro mit der HA XX des HA XX/OG des MfS. Die hierin enthaltenen Informa- MfS ab. Er erkundigte sich, was er Bahro auf dessen tionen sind durch „GMS Gregor" streng vertraulich 'Forderungen zu Hafterleichterungen und hinsicht- bekannt geworden. lich einer Veröffentlichung im „Spiegel" mitteilen solle. Ihm wurde dabei empfohlen, Bahro gegenüber Nach Auffassung des 1. Ausschusses liegen keine diese Veröffentlichung nicht zu bestätigen. Zwar hat Anhaltspunkte dafür vor, daß die in diesem Zusam- sich Gregor Gysi ausweislich der handschriftlichen menhang vorliegenden Berichte und Tonbandab- Notizen eines MfS-Mitarbeiters während des Ge- schriften der HA XX/OG auf Gesprächen Dr. Gysis sprächs mit Rudolf Bahro am 10. März 1979 offenbar mit einem Mitarbeiter der Abteilung Staat und Recht daran nicht gehalten und Rudolf Bahro auf die Veröf- des ZK der SED beruhen. Der 1. Ausschuß geht zu- fentlichung hingewiesen. In diesem Punkt wurde dem ausweislich des Berichts vom 21. Februar 1979 ihm jedoch lediglich „empfohlen", die Spiegelveröf davon aus, daß Dr. Gysi den MfS-Offizier Reuter fentlichung nicht zu bestätigen. Der insoweit vorhan- nicht erst nach der Wende kennengelernt hat, son- dene Freiraum Dr. Gysis ändert jedoch nichts daran, dern bereits im Jahre 1979 kannte. Der vom Abg. Dr. daß er sein Verhalten hinsichtlich eines bevorste- Gysi angeführte MfS-Bericht über einen Stern-Arti- henden. Besuchs bei Rudolf Bahro insgesamt mit der kel entlastet diesen nach Auffassung des 1. Aus- HA XX/OG abgestimmt hat. schusses nicht, da Dr. Gysi in diesem MfS-Bericht

Drucksache 13/10893 Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode lediglich als zu dem Personenkreis gehörend be- halten ist, enthält Einzelheiten des Gesprächs zwi- zeichnet wird, denen die im Stern-Artikel verarbeite- schen Rudolf Bahro und Dr. Gysi, die nur von einem ten Fakten bekannt geworden sind. Gesprächsteilnehmer so auf ein Tonband gesprochen worden sein konnten. Dagegen spricht auch, daß die Im Ergebnis steht auch hier zur Überzeugung des Tonbandabschrift offenbar am 7. Dezember 1979 an 1. Ausschusses fest, daß Dr. Gysi im Zusammenhang -gefertigt (... ein zweiter, nicht angekündigter Anruf mit den Haftbedingungen Rudolf Bahros und der Rudolf Bahros am 7. Dezember 1979 wird noch er- Spiegelveröffentlichung inoffiziell Berichte und An- wähnt) und am gleichen Tage von Major Lohr entge- gaben über Rudolf Bahro an die HA XX/OG des MfS gengenommen wurde. Der Bericht der HA XX/OG geliefert hat. Insbesondere mit Bezug auf die Veröf- datiert vom 8. Dezember 1979. Dieser enge zeitliche fentlichungen Rudolf Bahros hat Dr. Gysi dem MfS Zusammenhang läßt es nach Ansicht des 1. Aus- auch eigene Überlegungen mitgeteilt, um weitere schusses als nicht plausibel erscheinen, daß die Veröffentlichungen Rudolf Bahros zu verhindern. HA XX/OG über den Umweg der Abteilung Staat und Recht des ZK der SED über das Telefongespräch informiert wurde. Zur Überzeugung des 1. Ausschusses steht somit fest, 6.1.6 Anruf aus West-Berlin daß Gregor Gysi die HA XX/OG im Sinne der Fest- Im Rahmen einer Amnestie wurde Rudolf Bahro im stellungskriterien des 1. Ausschusses inoffiziell über Jahre 1979 aus der Haft entlassen und siedelte kurz seine Telefongespräche mit Rudolf Bahro informiert danach in die Bundesrepublik Deutschl and über. hat. Aus dieser Zeit liegt eine Tonbandabschrift der Hauptabteilung XX/OG vom 8. Dezember 1979 6.1.7 Zusammenfassung (Dok. Nr. 194) vor. Die Tonbandabschrift, die als „In- formation über ein Telefongespräch mit Rudolf Bahro Zur Überzeugung des 1. Ausschusses steht fest, daß vom 6. 12. 1979" bezeichnet wird, gibt als Que lle Dr. Gysi zumindest seit September 1978 bis Ende „GMS ,Gregor'" an und wurde mit „gez. ,Gregor" 1979 personenbezogene Informationen über seinen unterzeichnet. Sie enthält den Vermerk: „entgegen- Mandanten Rudolf Bahro an die HA XX/OG des MfS genommen: Major Lohr, 7. 12. 1979". In der geliefert hat. Mit Bezug auf Gregor Gysi wurde in Tonbandabschrift wird unter anderem ausgeführt: diesem Zusammenhang der Deckname „Gregor" „R. Bahro rief mich aus Westberlin an und teilte mir verwandt. Wesentlicher Ansprechpartner für Dr. Gysi mit, daß gegen ihn im ZDF-Magazin eine Provokati- bei der HA XX/OG war nach den vorliegenden Do on gestartet worden sei, (...)." Weiter wird ausge- kumenten der MfS-Offizier Lohr. führt: „Bahro will mich im Rahmen meiner Sprech- stunde am 20. 12. 1979 wieder anrufen. Entgegen dieser Ankündigung rief Rudolf Bahro erneut am 7. 6.2 Robert Havemann 12. 1979 aus Westberlin in meinem Büro an. Er fragte, - ob ich ihm hinsichtlich der Provokation im ZDF-Ma- 6.2.1 Die Übernahme der anwaltlichen Vertretung gazin behilflich sein wolle. (...) Ich habe Herrn B. dar aufhin erklärt, daß ich zwar sein Interesse an der Klä- Robert Havemann wurde 1964 wegen seiner system- rung dieser Fragen verstünde, andererseits über- kritischen Außerungen aus der SED ausgeschlossen. haupt keine Möglichkeit sehen würde, die Beantwor- Danach war er - neben einem faktischen Berufsver- tung dieser Fragen zu ermöglichen (...)." bot - Überwachung, Hausarrest und weiteren Re- pressalien des MfS ausgesetzt. Als Havemann in den Abg. Dr. Gysi erklärt hierzu, er habe im Auftrag siebziger Jahren auch rechtlich angegriffen wurde, Rudolf Bahros einen Mitarbeiter der Abteilung Staat übernahm Götz Berger, der ehemalige Justitiar des und Recht im ZK der SED über den wesentlichen In- ZK der SED, seine Verteidigung. Zum 1. Dezember halt des Telefongesprächs informiert. Es sei unter an- 1976 wurde Berger wegen der Übernahme der Ver- derem darum gegangen, für Rudolf Bahro Nachweise teidigung Havemanns und seinem Eintreten für Wolf zu organisieren, daß er - entgegen einem Gerücht im Biermann aus dem Kollegium der Rechtsanwälte in Westen - keine Mitgefangenen denunzie rt habe. Berlin ausgeschlossen und verlor seine Zulassung als Abg. Dr. Gysi vermutet, daß es über seine Informa- Rechtsanwalt. tion an den Mitarbeiter der Abteilung Staat und Recht des ZK der SED wiederum eine Information an Nach Götz Berger übernahm im Juni 1979 Dr. Gysi das MfS gegeben habe. die anwaltliche Vertretung Robe rt Havemanns. Be- reits im Hinblick auf die Mandatsanbahnung hat der

Der 1. Ausschuß hat keine Zweifel, daß Dr. Gysi die Bundesbeauftragte dem Ausschuß eine Vielzahl von HA XX/OG des MfS über Telefonanrufe Rudolf Bah- Dokumenten vorgelegt. So ergibt sich aus einem Te- ros am 6. und 7. Dezember 1979 aus West-Berlin in- lefonabhörprotokoll vom 25. Juni 1979 (Dok. Nr. 178), formiert hat. Abg. Dr. Gysi hat in seiner Einlassung daß Gregor Gysi am 25. Juni 1979 mit Robe rt Have- eingeräumt, ein Telefongespräch mit Rudolf Bahro mann einen Besuch für den folgenden Mittwoch ver- geführt zu haben. Entgegen dem Vortrag des Abg. einbarte. Bei diesem Mittwoch handelte es sich um Dr. Gysi sieht der 1. Ausschuß jedoch keine Anhalts- den 27. Juni 1979. Einer „Operativen Information" punkte dafür, daß die Tonbandabschrift vom 8. De- der BV für Staatssicherheit Berlin vom 27. Juni 1979 zember 1979 auf einer Unterrichtung der Abteilung (Dok. Nr. 181) ist zu entnehmen: „Der IME [Inoffi- Staat und Recht im ZK der SED beruht. Die Tonband- zieller Mitarbeiter für einen besonderen Einsatz] abschrift der HA XX/OG, die in der „Ich-Form" ge ,Chef' teilte beim Treffen am 26.06.79 folgendes mit:

Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode Drucksache 13/10893

(...) Robert Havemann sagte zum IM, daß er am diesem Vermerk korrespondiert inhaltlich eine weite- 27.06.79 den Besuch des Rechtsanwalts Gysi erwarte, re Unterlage vom 20. September 1979 (Dok. Nr. 127). um sich mit diesem über die Berufungsmöglichkeit Sie besagt, daß die erhaltenen Informationen „s treng zu beraten (...)." vertraulich ... zuverlässig durch GMS ,Gregor' " be- kannt wurden. Wie bereits angesprochen, enthält Eine weitere Unterlage der Hauptabteilung XX/OG Dok. Nr. 127 der Sache nach dieselben Informationen vom 28. Juni 1979 (Dok. Nr. 20) trägt die Überschrift: wie der Bericht auf Dok. Nr. 126. Die inhaltliche „Auszug aus einem Bericht". Sodann heißt es: „Am Übereinstimmung der beiden Dokumente weist auf 27.6.1979 habe ich Prof. Havemann auf seinem ein Gespräch zwischen Gregor Gysi und dem Unter- Grundstück im Grünheide ge troffen. Er hat die Voll- zeichner des Berichts auf Dok. Nr. 126, dem MfS macht unterzeichnet und war mit meiner Vertretung Offizier Lohr, sowie eine Identität Gregor Gysis mit im Berufungsverfahren einverstanden. (...) Anschlie dem erwähnten „GMS ,Gregor "' hin. ßend dann bin ich zum Kreisgericht Fürstenwalde gefahren und habe in die Akten Einsicht genommen Abg. Dr. Gysi trägt dazu vor, auch in diesem Fall und bin dann noch einmal zu Prof. Havemann gefah- habe er das fragliche Gespräch nicht mit Major Lohr, ren, um mit ihm den Inhalt der Akteneinsicht zu be- sondern mit einem Mitarbeiter in der Abteilung Staat sprechen. (...)" In dem Dokument wird dann der wei- und Recht des ZK der SED geführt. tere Inhalt eines Gesprächs mit Robe rt Havemann detailliert wiedergegeben. Am Ende des Dokuments Er stützt diesen Vortrag mit dem Hinweis, daß es in befindet sich der Vermerk: „Wegen Quellengefähr- Dok. Nr. 126 heißt: „Havemann lud Gen. Gysi mit dung offiziell nicht auswertbar." seinem 7jährigen Sohn zu einem Besuch nach Grün- Ein Bericht über die Beobachtung des Grundstücks heide ein", während sein Sohn zum damaligen Zeit- von Robert Havemann (Dok. Nr. 181) dokumentiert punkt nicht sieben, sondern bereits acht Jahre, fast für den 27. Juni 1979 Gregor Gysis Anwesenheit neun Jahre alt gewesen sei. dort in der Zeit von 9.58 Uhr bis 11.38 Uhr und von Diese Argumentation überzeugt nicht, denn der Feh- 16.52 Uhr bis 19.45 Uhr. ler ist offensichtlich dem Schreiber des Berichts un- Der „Auszug aus einem Bericht" berichtet in Ich terlaufen. Man kann aus diesem Fehler keine Rück- Form und mit einer Vielzahl persönlicher Wertungen schlüsse hinsichtlich der Frage ziehen, ob das Ge- und Eindrücke versehen über den Kontakt zwischen spräch beim ZK oder beim MfS geführt wurde. Auch Robert Havemann und dem ihn vertretenden Anwalt. aus der Formulierung, wonach „Gen. Gysi (...) künf- Im Hinblick darauf, daß Gregor Gysi die anwaltliche tig alle im Zusammenhang mit Havemann" stehen- Vertretung Robe rt Havemanns im Juni 1979 über- den Aktivitäten, „mit dem ihm bekannten Mitarbei nommen hatte und in dessen Haus in Grünheide an- ter abstimmen wird", ist entgegen dem Vortrag des wesend war, steht außer Zweifel, daß Gregor Gysi Abg. Gysi nicht zu schließen, daß es sich bei diesem Ursprung dieser Information war. Dabei sind insbe- Mitarbeiter nicht um den Unterzeichner des Berich- sondere auch der Detailreichtum und die kurze zeit- tes, den operativ zuständigen Offizier Lohr, gehan- liche Nähe zum Gespräch bedeutsam; das Dokument delt hat. Der Text- entspricht hier einer MfS-üblichen der Hauptabteilung XX/OG ist bereits am Tage nach verklausulierenden Schreibweise. dem Gespräch gefertigt worden. Gegen eine Identität von „Gregor" und „Rechtsan- Der 1. Ausschuß verzichtet jedoch , darauf, seine die walt Gysi" spricht auch nicht, das als Informations Feststellungen tragende Überzeugung auf diesen quelle „GMS 'Gregor'" angegeben ist, Gregor Gysi Aspekt zu stützen, da zwar sehr starke Anhaltspunkte dann aber mit Klarnamen benannt wird. Auch dies für eine diesbezügliche Zusammenarbeit von Dr. Gysi entspricht der MfS- üblichen Praxis der internen Kon- mit dem MfS vorliegen, im Hinblick auf den durchge- spiration und Verschleierung. Dagegen spricht ein führten Quellenschutz sich andere Wege, wie die Detail eher für ein Gespräch Gregor Gysis mit dem Hauptabteilung XX/OG zu dieser Informa tion gekom- MfS. „Ihm wurde mitgeteilt, als Rechtsanwalt die Be- men ist, sich jedoch nicht ausschließen lassen. lange Havemanns weiterhin zu vertreten und nur in dieser Eigenschaft persönliche Besuche in Grünheide wahrzunehmen". Eine solche Anweisung macht vor 6.2.2 Die Eingabe an das Mdl vom 20. August 1979 allem Sinn als Weisung eines operativ zuständigen Of Im Rahmen des Mandatsverhältnisses richtete Gre- fiziers an den von ihm geführten IM. Allerdings läßt gor Gysi am 20. August 1979 eine Eingabe für Robe rt sich auch nicht ausschließen, daß ein ZK- Mitarbeiter an das Ministerium des Inneren (MdI - Havemann diese Anweisung Gregor Gysi gegeben hat. s. Dok. Nr. 21). Die Eingabe richtete sich gegen die Einbeziehung verschiedener Gegenstände im Ver- Bereits die Unterlage vom 20. September 1979 (Dok. lauf des Strafverfahrens gegen Havemann. Nr. 127) hält als Ergebnis dieser Weisung fest, daß Gregor Gysi der Einladung von Havemann keine Fol- Unter dem 17. September 1979 vermerkt ein Bericht ge geleistet hat. der HA XX/OG (Dok. Nr. 126), daß am 14. September 1979 „mit dem Genossen Gysi ein weiteres Gespräch Der 1. Ausschuß verzichtet zugunsten des Abg. Dr. geführt" wurde. Gegenstand dieses Gesprächs war Gysi darauf, seine die Feststellungen tragende Über- zunächst das Mandatsverhältnis Rudolf Bahro, er- zeugung auf diesen Aspekt zu stützen, obwohl sehr wähnt werden aber auch die Eingabe für Robe rt starke Anhaltspunkte für eine Zusammenarbeit von an Gregor Gysi ge- Havemann und eine von diesem Dr. Gysi mit dem MfS in diesem Zusammenhang richtete Einladung zu einem p rivaten Besuch. Mit sprechen.

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6.2.3 Die Eingabe an den Generalstaatsanwalt der mit den bereits in der „Konzeption" (Dok. Nr. 70 a) DDR vom 16. Oktober 1979 enthaltenen Vorschlägen. Die als „streng geheim" klassifizierte „Information" Unter dem . 16. Oktober 1979 schrieb Dr. Gysi eine der HA XX vom 9. November 1979 „über ein Ge- Eingabe für seinen Mandanten. Sie richtete sich an spräch des Rechtsanwaltes Genossen Dr. Gregor Gysi den Generalstaatsanwalt der DDR und beanstandete, mit Robert Havemann" deutet auf Dr. Gysi als Infor- daß Havemann von Angehörigen der Deutschen mationsquelle hin. Dafür spricht zunächst die Ver- Volkspolizei seit dem 14. Oktober 1979 am Verlassen wendung des Begriffs „vereinbarungsgemäß", der seines Grundstückes gehindert worden war (Dok. im gegebenen Zusammenhang nur eine Vereinba- Nr. 23). Ober die Bearbeitung dieser Eingabe wurde rung zwischen Dr. Gysi und der HA XX bedeuten - wenn auch nicht nach außen sichtbar - im MfS ent- kann. Die Erklärung, das Wort „ vereinbarungsge- schieden. Dort entwarf man zunächst einen „Vor- mäß" könnte sich auch darauf beziehen, daß laut schlag zur Beantwortung einer Eingabe von Rechts- Telefonabhörprotokoll vom 7. November 1979 (Dok. anwalt Dr. Gysi an den Generalstaatsanwalt der Nr. 188) Dr. Gysi seinen Besuch bei Robe rt Have DDR", der in einer der vom Bundesbeauftragten vor- mann telefonisch angemeldet hat, hält der 1. Aus- gelegten Ausfertigungen den handschriftlichen Ver schuß für fernliegend. Es findet sich kein Hinweis auf merk „einverstanden Mielke 29. Okt. " trägt (Dok. dieses Telefonat im Text. Nr. 133, s. a. Dok. Nr. 186). Diesem Vorschlag zufolge sollte die Eingabe dem Staatsanwalt des Kreises Für- Weiter gibt die Information Eindrücke wieder, wie sie stenwalde zur Bearbeitung übergeben werden. Die- nur der direkte Gesprächspartner von Havemann ge- ser sollte Gregor Gysi zu einem Gespräch einbestel- wonnen haben kann: len und ihm die Rechtmäßigkeit der ge troffenen Maßnahmen bestätigen. Die „Konzeption für die Be- „Gen. Gysi betonte hierbei, daß er die Ernsthaftig- antwortung der Eingabe Rechtsanwalt Dr. Gysi's an keit dieser Äußerung von Havemann nicht ein- den Generalstaatsanwalt der DDR" vom 30. Oktober schätzen kann", 1979 (Dok. Nr. 70) sieht dazu vor, daß der Kreisstaats- „Seine derzeitigen persönlichen Spannungen in anwalt des Kreises Fürstenwalde Herrn Gysi zu ei- der Ehe und Familie versuchte Havemann durch nem Gespräch über die Eingabe einlädt, gleichzei tig eine übertrieben wirkende Höflichkeit zu seiner ... wird die vom Kreisstaatsanwalt vorzutragende Recht- Ehefrau zu verschleiern" , fertigung der Maßnahmen gegen Havemann vorge- geben. Die „Konzeption" schließt mit dem Vorschlag, „Havemann verabschiedete den Rechtsanwalt lä- „Rechtsanwalt Dr. Gysi sollte in absehbarer Zeit chelnd ... " . Havemann erneut aufsuchen und mitteilen, daß er Für die Vermutung des Abg. Dr. Gysi , daß die Woh- sich sachkundig gemacht hat" und Havemann über nung von Havemann abgehört worden sei, ergibt die Bedeutung der Aussetzung der Vollstreckung des sich aus der Aktenlage keine Bestätigung. Es sind Urteils des Kreisgerichts Fürstenwalde und der damit zwar zahlreiche Mitschriften von Telefonaten gefun- verbundenen Auflagen unterrichten. Daneben wird den worden, aber- keine Abhörprotokolle aus der für den Fall, daß Havemann auf einer schriftlichen Wohnung überliefert. Auch läßt sich ein Lächeln Beantwortung besteht, vorgeschlagen „2. Ist eine nicht abhören. schriftliche Mitteil ung durch den Rechtsanwalt ... rechtlich und im Interesse der Sicherung der Position Der Abg. Dr. Gysi trägt auch in diesem Fa ll vor, nicht des Rechtsanwaltes nicht zu umgehen, wird Gen. mit dem MfS, sondern mit dem ZK der SED Kontakt Gysi einen entsprechenden Entwurf erarbeiten und gehabt zu haben. Daß in der Angelegenheit Robe rt zur Abstimmung übergeben. Der Staatsanwalt des Havemanns Gespräche Gregor Gysis mit dem ZK Kreises Fürstenwalde, Pilz, vermerkt schließlich, er stattgefunden haben, belegt ein Vermerk vom habe am 7. November 1979 die „vorgesehene Aus- 19. November 1979 (Dok. Nr. 111). Danach suchte sprache mit dem Rechtsanwalt Dr. Gysi" durchge- Gregor Gysi am 13. November 1979 einen Mitarbei- führt (Dok. Nr. 70b). Diesem sei „entsprechend der ter des Zentralkommitees auf und berichtete ihm vorliegenden Konzeption das Ergebnis der Überprü- über Gespräche mit Rudolf Bahro und Robe rt Have- fungen der Eingabe" mitgeteilt worden. Dies habe mann. Im Anschluß daran verfaßte Gregor Gysi über sich Dr. Gysi im wesentlichen wörtlich notiert. das Gespräch mit Robert Havemann am 7. November 1979 eine schriftliche Information an die Abteilung Im Anschluß an den Termin beim Kreisstaatsanwalt Staat und Recht des Zentralkommitees der SED, von suchte Gregor Gysi Robe rt Havemann auf und „über der Kopien sowohl vom unterschriebenen O riginal mittelte ihm die vorher vom Kreisstaatsanwalt Für- (Dok. Nr. 28 b (29, 110 b)), als auch von einer Ab- stenwalde erhaltene Antwort auf seine (...) Eingabe". schrift bzw. einem Konzept (Dok. Nr. 28 a (110 a, Dies geht aus einer „Information" der Hauptabtei- 112)) vorliegen. Ausweislich des Vermerks auf Dok. lung XX vom 9. November 1979 „über ein Gespräch Nr. 111 wurde zumindest letztere Ausführung vom des Rechtsanwaltes Genossen Dr. Gregor Gysi mit ZK an das MfS übermittelt. Dieses Schreiben an das Robert Havemann" (Dok. Nr. 26) hervor. Robert Ha- Zentralkommitee kann allerdings nicht der beschrie- vemann war mit der so übermittelten Antwort auf benen „Information" der Hauptabteilung XX (Dok. seine Eingabe nicht zufrieden. Er wollte, wenn schon Nr. 26) zugrundeliegen, weil diese bereits vom 9. No- nicht vom Staatsanwalt selbst, so doch zumindest vember 1979 datiert, während das Gespräch Gregor von seinem Rechtsanwalt eine schriftliche Mittei- Gysis mit dem Mitarbeiter des ZK erst am 13. Novem- lung. Die „Information" dokumentiert auch den wei- ber 1979 stattfand und Gysis Schreiben an das ZK teren Gesprächsverlauf recht ausführlich. Sie schließt der SED das Datum vom 18. November 1979 trägt.

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Die Zusammenschau der Dokumente zeigt, daß Gre- und Unterschrift versehenes Schreiben. Gegen den gor Gysi zumindest zwei Gespräche geführt hat. Vortrag, es habe sich um einen abgefangenen B rief Eines mit dem MfS, eines mit dem ZK der SED. Dies gehandelt, spricht allerdings, daß Oberst Coburger ergibt sich unter anderem aus den unterschiedlichen entscheiden sollte, „ob so verfahren werden soll bzw. Ansatzpunkten der Berichte. Dok. Nr. 26 berichtet welche Änderungsvorschläge es gibt" . Ein bereits ab- ausführlich über den Ablauf des Gesprächs zwischen geschickter B rief kann nicht mehr geändert werden. Dr. Gysi und Havemann am 7. November 1979 und Die Vorlage des abgefangenen B riefes mit dem o.a. schließt mit Vorschlägen für die weitere „Bearbei- Vermerktext wäre dann sinnlos. Zudem stand Oberst tung" Havemanns durch Gregor Gysi. Demgegen- Coburger ja auch die Möglichkeit offen, den B rief so über hält das Papier des ZK der SED nur fest, daß zu lassen, dann hätte der B rief ohne weiteres an Have Gregor Gysi dort am 13. November 1979 auch zu mann versandt werden können. Die äußere Form des Havemann ein Gespräch geführt hat. Details enthält Briefes allein entlastet Dr. Gysi daher nicht. Dabei ist dann erst der von Rechtsanwalt Dr. Gysi am 18. No- auch zu berücksichtigen, daß das MfS schließlich fest- vember 1979 für das ZK gefertigte und dem Schrei- gelegt hatte, daß Robe rt Havemann keine schriftliche ben beigefügte Vermerk. Dieser behandelt ausführ- Antwort auf seine Eingabe erhalten sollte. Unter dem lich die Ansicht Havemanns zu den NATO-Plänen 21. November 1979 erarbeitete die Hauptabteilung zur Stationierung von Mittelstreckenraketen in West- XX einen „Vorschlag zur Beantwortung einer Ein- europa. Gysi fragt das ZK, ob er eine entsprechende gabe von Robert Havemann" (Dok. Nr. 71), der u. a. Erklärung anregen und wie er sich dazu verhalten vorsieht, „Genossen Gysi zu veranlassen, Havemann soll. Beide Papiere haben also völlig verschiedene aufzusuchen, um 1. ihm die Antwort des Kreisstaats- Ansatzpunkte. anwaltes von Fürstenwalde nochmals mündlich in der Fassung des beigefügten Vermerks (Anlage) vorzu- Auch der Vortrag des Abg. Dr. Gysi, eine doppelte tragen; 2. Havemann bei hartnäckiger Forderung die- Kontaktaufnahme zu MfS und ZK der SED sei nicht sen Vermerk auszuhändigen, um ihm die Möglichkeit sinnhaft gewesen, vermag nicht zu überzeugen. Ge- zu geben, sich eine Abschrift zu fertigen; 3. Have rade im Hinblick auf den betreuten Mandanten mann ausdrücklich darauf aufmerksam zu machen, macht die Doppelgleisigkeit eines Vorgehens Sinn, daß er keinen Rechtsanspruch auf eine schriftliche da sie zum einen den offiziellen Kontakt zum ZK der Antwort hat (...)." SED dokumentiert und zum zweiten die Herkunft von Informationen kaschieren hilft. Der Kontakt mit Dem „Vorschlag" lag als Anlage ein „Vermerk - gez. dem ZK kann den Abg. Dr. Gysi daher schon im Hin- Dr. Gysi, Rechtsanwalt" bei (Dok. Nr. 72 (190)). Die- blick auf den Zeitablauf nicht entlasten. ser Vermerk ist in weiten Passagen identisch mit dem Schreiben Dr. Gysis vom 15. November 1979. Die „Information" vom 9. November 1979 (Dok. Nr. 26) endet, wie schon die „Konzeption" vom 30. Oktober 1979 (Dok. Nr. 70 a), mit drei Vorschlägen, Zunächst hat Abg. Dr. Gysi dazu mit einem Schrei- ben vom 23. September 1993 vorgetragen, er sei auf- von denen einer lautet: „Ist eine schriftliche Mittei- grund seines Bri lung durch den Rechtsanwalt in Beantwortung der - efes vom 18. November 1979 (vgl. Eingabe Havemanns rechtlich und im Interesse der Si- Dok. Nr. 28 a bzw. 28 b, (110 a, 112, 29. 110 b)) zur cherung der Position des Rechtsanwaltes nicht zu um- Abteilung Staat und Recht des ZK der SED bestellt gehen, wird Gen. Gysi einen entsprechenden Entwurf worden. Bei dieser Gelegenheit habe ihm ein Mitar- erarbeiten und zur Abstimmung übergeben." beiter dieser Abteilung den Vermerk vom 21. No- vember 1979 (Dok. Nr. 72 (190)) übergeben und ihn, Damit kann - es handelt sich schließlich um eine Gysi gefragt, ob er bereit sei, den Vermerk Robe rt streng geheime Information der HA XX - nur eine in- Havemann zu übergeben. Er habe den Mitarbeiter terne Abstimmung gemeint sein, sonst wäre die Stel- des ZK darauf hingewiesen, daß die Übergabe eines le, mit der abgestimmt werden soll, etwa das ZK, be- solchen Vermerks nicht nötig sei, da er Havemann nannt worden. bereits mündlich und schriftlich informiert habe. Der Mitarbeiter des ZK habe ihn dennoch gebeten, die Für eine Abstimmung mit dem MfS spricht ein B rief Übergabe des Vermerks zu prüfen. Entgegen dem Dr. Gysis vom 15. November 1979 an Robe rt Have Vermerk der Hauptabteilung XX vom 21. November mann (Dok. Nr. 27, vgl. auch Dok. Nr. 189), in dem er 1979 (Dok. Nr. 71) habe der Mitarbeiter des ZK aller- „noch einmal" über das Ergebnis der Aussprache mit dings größten Wert darauf gelegt, daß er, Gysi, den Kreisstaatsanwalt Pilz informiert. An einer der davon Vermerk Robert Havemann übergeben solle. In der aufgefundenen Kopien (Dok. Nr. 27) befindet sich an- Anhörung vom 11./12. Juni 1997 hat Abg. Dr. Gysi geheftet die Notiz: „Genosse Oberst Coburger/Anlie- demgegenüber vorgetragen, er habe im Zusammen- gend der Briefentwurf von Rechtsanwalt Dr. Gysi an hang mit einem aktuellen Gerichtsverfahren den Robert Havemann in Beantwortung seiner Eingabe. damaligen Mitarbeiter des ZK auf das Thema ange- Es wird uni kurzfristige Meinungsäußerung gebeten, sprochen, danach stelle sich der seinerzeitige Ablauf ob so verfahren werden soll bzw. welche Änderungs- folgendermaßen dar: Dieser habe ihm damals mitge- vorschläge es gibt. " Abg. Dr. Gysi bestreitet eine sol- teilt, daß nach dem Eingabengesetz der DDR das che Absprache und trägt vor, es handele sich nicht um staatliche Organ entscheide, an das die Eingabe ge- einen Entwurf, sondern um einen bereits abgesand- richtet ist, ob die Eingabe mündlich oder schriftlich ten Brief, den Robert Havemann allerdings nie erhal- beantwortet wird. Der Rechtsanwalt habe nicht das ten habe, der also abgefangen worden sei. Die äußere Recht, diese Entscheidung faktisch abzuändern. Dar- Form des Briefes spricht zunächst für diesen Vortrag, aus habe sich ergeben, daß der Mitarbeiter des ZK denn es handelt sich um ein mit Anwaltskopfbogen Kenntnis von dem Brief gehabt habe. Dieser habe

Drucksache 13/10893 Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode ihm, Gysi, dann einen Vermerk mit der Aussage Dr. Gysi seinerzeit Anweisungen von der HA XX des übergeben, das sei inhaltlich das, was der Kreis- MfS angenommen und dementsprechend gehandelt staatsanwalt gesagt habe. Das könne er, Gysi, auch hat. Ein Zusammenwirken mit dem MfS hält der Aus- Herrn Havemann sagen, aus dem Papier könne aber schuß insoweit für gegeben. keine Schriftform gemacht werden.

Dieser Vortrag des Abg. Dr. Gysi ist nicht schlüssig. Die weitgehende Ähnlichkeit des „Vermerks" mit dem eigenen, angeblich an Havemann abgeschick- 6.2.4 Der 70. Geburtstag Robe rt Havemanns ten Brief, hätte Dr. Gysi sofort auffallen müssen. Zu- Über die Vorbereitungen des MfS zum 70. Geburts- dem macht die Übergabe des Vermerks nur dann tag von Robert Havemann geben eine streng Sinn, wenn der Brief von Herrn Dr. Gysi Robe rt Ha- geheime „Information", gefertigt in 5 Exemplaren, vemann nicht erreicht hat. Dies hat Dr. Gysi in seiner „Über die gegenwärtigen Verhaltensweisen von Anhörung am 11./12. Juni 1997 auch selbst bestätigt Robert Havemann und seinem bevorstehenden Ge- (Anhörungsprotokoll S. 40). Der Mitarbeiter des ZK burtstag am 11.3.1980" vom 5. Februar 1980 (Dok. hätte somit selbst den Beweis geliefert, daß der Brief Nr. 196) und ein undatierter „Hinweis" (Dok. abgefangen worden ist. Dies ist in höchstem Maße Nr. 201), der im wesentlichen mit der „Information" unwahrscheinlich, da hierdurch das ZK mit der Ver- identisch ist, Auskunft. Die Dokumente geben Auf- antwortung für diese Maßnahme belastet worden schluß darüber, daß dem MfS Ansichten und Pläne wäre. Weiter hätte sich Dr. Gysi nach Lesen des Ver- Havemanns bekannt waren, und welche Maßnah- merks (Dok. Nr. 72 (190)) fragen müssen, weshalb men geplant waren, „um Provokationen, mögliche der Vermerk mit „gez. Dr. Gysi Rechtsanwalt" ab- Demonstrativhandlungen oder anderweitige Aktivi- schloß, obwohl er von dem Mitarbeiter des ZK täten im Sinne einer Aufwertung von Havemann aus- stammte und nicht übergeben werden sollte. Eine Er- zuschließen" . Havemann sollte „mit den spezifischen klärung hierfür versucht auch der vom Abg. Dr. Gysi Mitteln und Möglichkeiten des MfS" beeinflußt wer- zum Gegenstand seiner Anhörung am 21. April 1998 den, um die Anzahl der Besucher zum Geburtstag gemachte Schriftsatz seiner Rechtsanwälte vom 26. möglichst kleinzuhalten und insbesondere keine Kor- März 1998 im Verfahren 2 BvE 1/98 nicht. respondenten und andere Personen westlicher Län- der" einzuladen und zu empfangen. Dafür sollte ge- Eine weitere „Information" der Hauptabteilung XX prüft werden, „ob es zweckmäßig ist, daß Rechtsan- vom 5. Dezember 1979 (Dok. Nr. 193, s.a. Dok. Nr. walt Dr. Gysi bzw. Genosse (...) eine Aussprache mit 30) dokumentiert schließlich, wie die Angelegenheit Havemann (...) durchführt." zu einem Abschluß kam: Danach suchte nämlich „am 30.11. und 4.12.1979 (...) vereinbarungsgemäß Am Vorabend des Geburtstages, am 10. März 1980, Rechtsanwalt Dr. Gysi Robert Havemann (...) auf. Er suchte Dr. Gysi Robert Havemann auf. Am selben übermittelte Havemann nochmals mündlich die Ant- Abend um 22.45 Uhr rief laut einem „Lagefilm" der wort des Kreisstaatsanwaltes von Fürstenwalde über HA XX/OG vom 10. März 1980 (Dok. Nr. 200) IM seine Eingabe vom 16.10.1979 und machte Have- „Gregor" an, der wie es heißt, „in den Abendstunden mann aufmerksam, daß er keinen Rechtsanspruch auftragsgemäß bei Havemann weilte." auf eine schriftliche Antwort hat. Dr. Gysi erklärte ihm, daß er sich einen Vermerk über die sinngemäße IM „Gregor" berichtete: „Havemann hofft auf wenig Wiedergabe der vom Staatsanwalt erhaltenen Ant- Gäste, befürchtet aber viele. Er erwartet keine west- wort gemacht hat, die Havemann einsehen und sich lichen Presseleute. " Es wurde sodann besprochen, Notizen daraus machen kann. " Aus der Information wie Havemann sich verhalten würde, fa lls doch wel- geht hervor, daß dies sodann auch geschah. che auftauchen sollten, wobei Havemanns Ehefrau „für das Wegschicken" plädierte. Schließlich wird Damit wird deutlich, daß sich Gregor Gysi in diesem festgehalten: ,,,Gregor' hat entsprechend den In- Punkt exakt entsprechend des Vorschlags der Haupt- struktionen argumentiert und dabei die Meinung der abteilung XX vom 21. November 1979 (Dok. Nr. 71) Ehefrau von Havemann unterstützt. (...) Zum Schluß verhielt. Die Information vom 5. Dezember 1979 hat des Gesprächs war Havemann bereit, die Verhaltens- der Bundesbeauftragte (als Dokument Nr. 30 - offen- linie seiner Ehefrau gegenüber möglichen westlichen bar als Durchschlag von Nr. 193 und ohne Kopfteil) Pressevertretern zu akzeptieren. " erstmals mit der Gutachterlichen Stellungnahme vom 26. Mai 1995 vorgelegt. Eine „Information über den 70. Geburtstag von Ro- bert Havemann am 11. März 1980 (Dok. Nr. 202 (205, Diese Zusammenhänge zeigen, daß die Aussprache 206), s. a. Dok. Nr. 203, 204) der Hauptabteilung XX, mit dem Mitarbeiter der Abteilung Staat und Recht wieder streng geheim und in 5 Exemplaren gefertigt, des ZK der SED nicht in der vom Abg. Dr. Gysi unter enthält sodann u.a. folgenden Vermerk: „Seinem am dem 23. September 1993 vorgetragenen Weise statt- Vorabend erschienenen Rechtsanwalt erklärte er gefunden haben kann. Dabei berücksichtigt der Aus- (Havemann), daß nach seiner Kenntnis zahlreiche schuß, daß der Mitarbeiter des ZK, auf den sich der Gäste,- jedoch keine Vertreter von westlichen Presse Abg. Dr. Gysi bezieht, bereits in seinem vom Abg. Dr. und Publikationsorganen erscheinen werden. Da we- Gysi mit dessen Stellungnahme vom 26. Februar der er noch seine Gäste an einer Konfrontation mit 1996 vorgelegten B rief darauf verweist, daß seine Er- der Westpresse interessie rt wären, würde er diese bei innerung an diese Gespräche nach fast 15 Jahren Erscheinen abweisen oder ihnen ,Dinge erzählen, eingeschränkt sei. Zur Überzeugung des Ausschus- die diesen keinesfalls passen würden'. Seine anwe- ses ergibt sich für diesen Zusammenhang daher, daß sende Ehefrau (...) vertrat die Meinung, Westkorre-

Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode Drucksache 13/10893 spondenten in jedem Falle abzuweisen." Dr. Gysi fensichtlich um „mitgehörte Telefongespräche" han- wird in der „Information" (Dok. Nr. 202), wie in ande- delt. Er schreibt weiter: „Und das bezieht sich dann ren streng geheimen Dokumenten auch mit Klarna- auch auf die dritte Eintragung, aus der sich lediglich men genannt. ergibt, daß ich um 22.45 Uhr, nicht aber, mit wem ich telefoniert habe. In dem zum Gegenstand seiner An- Diese Dokumente zeigen, daß Dr. Gysi am Vorabend hörung am 21. April 1998 gemachten Schriftsatz sei- des Geburtstages Robe rt Havemann auftragsgemäß ner Rechtsanwälte vom 26. März 1998 im Verfahren aufgesucht hat, um etwas über den geplanten Ablauf 2 BvE 2/98 hat Dr. Gysi darüberhinaus vortragen las- des Geburtstages zu erfahren. Die erhaltenen Infor- sen, daß es nicht ausgeschlossen sei, daß das Telefon, mationen hätte Gregor Gysi dann noch in der Nacht von dem aus er telefonie rte, abgehört worden sei. der zuständigen MfS - Lagegruppe telefonisch über- mittelt. Allerdings wird im dritten Eintrag die anrufende Per- son als „IM ,Gregor'" und nicht mit Klarnamen Allgemein erläutert der Bundesbeauftragte, daß ein bezeichnet. Der Anrufer hat sich demnach also nicht Lagefilm des MfS ergebnisbezogen in zeitlicher Ab- als Dr. Gysi oder Rechtsanwalt Gysi, sondern als folge Informationen, Feststellungen, Hinweise und ,Gregor' gemeldet. Die von Dr. Gysi vorgetragenen Bemerkungen festhalte. Lagefilme hätten der Kon- Erklärungsmuster für diesen Sachverhalt vermögen trolle, Analyse und Entscheidungsfindung gedient. den 1. Ausschuß daher nicht zu überzeugen. " Mit ihrer Erstellung seien Lageoffiziere betraut ge- wesen, die regelmäßig über den Einsatz von Mitteln Auch der vom Abg. Dr. Gysi vorgelegte B rief von und Kräften informiert gewesen seien, um die einge- Wolfgang Harich (Anlage zum Schreiben vom 25. Ju henden Informationen richtig zuordnen zu können. ni 1997) führt zu keiner abweichenden Einschätzung. Nur durch diesen Hintergrund werde verständlich, daß sie einen Anrufer, der sich als „Gregor" melde, Wolfgang Harich schildert in diesem B rief, daß sich als IM identifizieren und den Rang der Information ein ZK- Mitarbeiter „Lohse" ihm [Harich] genähert hätten bestimmen können. habe. Von ihm hätte er auch eine Telefonnummer mit der ZK - Einwahl 202 erhalten, unter der der angebli- Abg. Dr. Gysi hat dazu vorgetragen, er sei vom ZK che Mitarbeiter zu erreichen wäre. Erst nach der der SED gebeten worden, Robe rt Havemann zu bit- Wiedervereinigung wäre ihm nun bekannt gewor- ten, auf Presseöffentlichkeit zu seinem 70. Geburts- den, daß der angebliche ZK-Mitarbeiter „Lohse" der tag zu verzichten. Dieser Bitte habe er entsprochen MfS-Offizier Lohr gewesen sei. und entsprechend dem Wunsch des Mitarbeiters des ZK noch am selben Abend beim ZK der SED zurück- Mit der gleichen Stellungnahme hat der Abg. Gysi gerufen. Dort sei er mit einem Diensthabenden ver- auch ein Schreiben des ehemaligen MfS-Offiziers bunden worden und habe ihn über das Ergebnis des Wolfgang Schmidt übermittelt, in dem dieser bestä- Gesprächs informiert. Abg. Dr. Gysi vermutet, dieser tigt, daß das MfS Hauptabteilung XX über zwei so- Anruf sei im ZK mitgeschnitten und von do rt an das genannte „ZK- Nummern" verfügte, also Nummern, MfS weitergeleitet worden. Damit steht zumindest bei denen die Anrufer- glaubten, mit dem ZK zu spre- auch nach dem Vortrag des Abg. Dr. Gysi fest, daß in chen, in Wirklichkeit aber mit dem MfS sprachen. diesem Fall Gregor Gysi die Person war, die im Lage- Beides kann den Abg. Gysi nicht entlasten. „Lohse" film auf Dok. Nr. 200 als „IM ,Gregor'" bezeichnet hatte sich nach Dr. Gysis Vortrag als Staatsanwalt, wird. nicht als ZK-Mitarbeiter vorgestellt, der Abg. Dr. Abgesehen davon vermag der 1. Ausschuß den Aus- Gysi hat auch zu keiner Zeit behauptet, von ihm eine führungen des Abg. Dr. Gysi nicht zu folgen. Es ist sogenannte ZK-Nummer erhalten zu haben. ein recht ungewöhnlicher Vorgang, nachts in einer Bei der Anhörung des 1. Ausschusses hat der Abg. Behörde anzurufen. Zudem war der Mitarbeiter des Dr. Gysi die Frage, von wem er die Telefonnummer ZK, mit dem Dr. Gysi eine Verabredung getroffen ha- erhalten habe, die er in der Nacht des 10. März 1980 ben will, ihn in der Angelegenheit Havemann zu- angerufen hat, nicht beantwortet. Er betonte aller- rückzurufen, - der Uhrzeit (22.45 Uhr) entsprechend - dings: „Herr Gefroi hat mir gesagt, wenn ich das Ge- nicht mehr an seinem Arbeitsplatz. Daß Dr. Gysi statt spräch geführt habe, ist er daran interessie rt, daß ich dessen in einer hochbrisanten Angelegenheit, im- ihn sofort anrufe ...". merhin handelte es sich bei Robe rt Havemann um einen „Staatsfeind" der DDR, einen zufällig anwe- Unterstellt man, daß der Abg. Dr. Gysi seinem Vor- senden „Diensthabenden" informiert haben wi ll, ist trag entsprechend von Herrn Gefroi die Nummer er- wenig glaubhaft. Sinn hätte eine solche Information halten hat, unter der er ihn zurückrufen sollte, kann nur gemacht, wenn sie einer Stelle übermittelt wor- es keine der sogenannten ZK- Nummern des MfS ge- den wäre, die auch die Kompetenz hat, anschließend wesen sein. Für eine inoffizielle Zusammenarbeit von zu handeln. Schließlich war der Geburtstag Have- Herrn Gefroi und dem MfS gibt es keinerlei Hin- manns am darauffolgenden Tag. Auch die weiteren weise. Ausführungen des Abg. Dr. Gysi in seiner „Stellung- nahme zum Ergänzenden Bericht des Bundesbeauf- Die stimmige Abfolge der nach diesen Dokumenten tragten für die Unterlagen der Staatssicherheitsdien- geplanten bzw. erfolgten Maßnahmen spricht hinge- ste der ehemaligen DDR vom 13. März 1997" sind gen für eine Zusammenarbeit Gregor Gysis mit dem nicht schlüssig. Er schließt aus der Tatsache, daß der MfS. Er nahm demnach die Instruktionen des MfS „Lagefilm" auch über Anrufe von Jürgen Fuchs und entgegen und setzte sie in Gesprächen mit Robe rt einer „männlichen Person" berichtet, daß es sich of Havemann um.

Drucksache 13/10893 Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode

Zusammenfassend kommt der 1. Ausschuß auch büne", es „hier durchaus möglich" war, „die Instruk- beim Komplex „70. Geburtstag von Robe rt Have- tionen sowohl von den einen [MfS], als auch von den mann" zu der Überzeugung, daß Dr. Gysi vom MfS anderen [ZK] zu bekommen. " Instruktionen entgegennahm, weisungsgemäß aus- führte und über den Vollzug sofort berichtete, also Allerdings hält es der 1. Ausschuß für ausgeschlos- mit dem MfS zusammenarbeitete. sen, daß eine Information über ein Gespräch, daß Dr. Gysi am frühen Abend des 24. April 1980 mit Robe rt Havemann geführt hat, bereits am 26. April 1980 in 6.2.5 Der 35. Jahrestag der Befreiung des einer streng geheimen Information verarbeitet wor- Zuchthauses Brandenburg den sein kann, wenn es den Umweg über das ZK ge- nommen hätte. Der einzige bekannte Vermerk über Für den 26. April 1980 war eine Veranstaltung anläß- ein Gespräch von ZK-Mitarbeiter Gefroi und Dr. Gysi, lich des 35. Jahrestages der Befreiung des Zuchthau- der ans MfS gegeben wurde, ist fast eine Woche nach ses Brandenburg geplant. Robe rt Havemann hatte dem Gespräch gefertigt worden (Anhörungsprotokoll deshalb einen Brief an das Kommitee für Antifaschi- S. 49/50). stische Widerstandskämpfer geschrieben, in dem er seine feste Absicht bekundete, an dieser Veranstal- Auch geht aus dem „Plan zur Verhinderung von Pro- tung teilzunehmen (Dok. Nr. 216). vokationen ..." (Dok. Nr. 74) eindeutig hervor, daß nur das MfS, nicht das ZK für die operative Absiche- Aus einer streng geheimen „Information", gefertigt rung der Veranstaltung zuständig war. „Alle getrof- in 4 Exemplaren am 26. Ap ril 1980 (Dok. Nr. 216) und fenen Feststellungen sind an Major Lohr weiterzulei- einem Bewegungsablauf vom 18. April 1980 (Dok. ten" , „denn Major Lohr ist verantwortlich für die Nr. 209) geht hervor, daß Dr. Gysi mit seinem PKW Durchsetzung aller operativen Belange mit Have- (Kennzeichen IM 90-92) am 18. April 1980 Robe rt mann" . Von einer Parallelplanung von MfS und ZK, Havemann am nachmittag aufsuchte, um ihm eine wie sie vom Abg. Dr. Gysi vorgetragen wurde (Anhö- „interne Mitteilung" über die „Möglichkeit einer rungsprotokoll S. 68) gibt es weder im „Plan zur Ver- Teilnahme" zu überbringen. Robe rt Havemann hinderung von Provokationen" noch in der „Informa- „reagierte ... erfreut" (Dok. Nr. 216), bestand jedoch tion" einen Hinweis. Diese Behauptung wird auch auf einer schriftlichen Einladung. durch keinerlei Dokumente aus dem ZK gestützt.

In einem detaillierten „Plan zur Verhinderung von Die Zusammenschau der Dokumente ergibt hinge- Provokationen Robert Havemanns in Zusammen- gen deutlich, daß auch in diesem Fall mit dem GMS hang mit der Veranstaltung anläßlich des 35. Jahres- „Gregor" Dr. Gysi gemeint war und daß er gemäß tages der Befreiung des Zuchthauses Brandenburg der Planung und den Instruktionen des MfS han- am 26. April 1980" vom 24. April 1980 (Dok. Nr. 74) delte. Für eine Absprache mit dem ZK gibt es demge- ist vorgesehen, daß GMS „Gregor" am selben Tag genüber keine Hinweise. Robert Havemann in Grünheide aufsucht und ihm genaue Instruktionen gibt, wie er sich zu verhalten Der 1. Ausschuß kommt auch hinsichtlich des Kom- habe. plexes „35. Jahrestag- der Befreiung des Zuchthauses Brandenburg" zu der Überzeugung, daß ein Zusam- Aus mehreren Telefonabhörprotokollen (Dok. Nr. 211, menwirken von Gregor Gysi mit dem MfS im Sinne 213, 214, 215) geht hervor, daß sich Dr. Gysi tatsäch- der Feststellungskriterien vorliegt. lich am 24. April 1980 bei Robert Havemann aufhielt, „um ihm mitzuteilen, daß er mit seiner Ehefrau am 26.4.1980 gegen 9.00 Uhr zur Teilnahme an den Fei- 6.2.6 Das Holzhaus auf dem Grundstück erlichkeiten in Brandenburg mit seinen damaligen von Robert Havemann Kameraden zusammentreffen kann. " (Dok. Nr. 216) Im Jahr 1980 beauftragte Robe rt Havemann Gregor Das Protokoll eines abgehörten Telefonats der Ehe- Gysi mit der Wahrnehmung seiner Interessen bezüg- frau Havemanns vom selben Tag (Dok. Nr. 215) do- lich eines Holzhauses, das sich auf seinem Grund- kumentiert ebenfalls die Anwesenheit Dr. Gysis bei stück befand (vgl. Dok. Nr. 207 und 219). Die Eigen- Havemann. In Bezug auf die bevorstehende Veran- tumsverhältnisse an diesem Haus waren zwischen staltung heißt es do rt u. a. „Er (Gysi) hat ja nun auch Robert Havemann und seiner geschiedenen Ehefrau den Ablauf geschildert (...)". Karin streitig. Aus einem „Vorschlag zum Erwerb des Bei der Anhörung durch den 1. Ausschuß am 11./12. auf dem Grundstück von Havemann vorhandenen Juni 97 bestritt der Abg. Dr. Gysi auf Fragen nicht, an Holzhauses für operative Zwecke" der Hauptabtei- diesem Tag nicht die von Robert Havemann ge- lung XX vom 14. Januar 1980 (Dok. Nr. 73) sowie wünschte schriftliche Einladung, sondern Ansteck- einer „Information über den geplanten Verkauf des nadeln überbracht und die Instruktionen abgeliefert Holzhauses auf dem Grundstück von Robe rt Have- zu haben. Diese Einladung fand Frau Havemann mann" der Hauptabteilung XX vom 6. August 1980 später in den MfS-Akten ihres Mannes (Anhörungs- (Dok. Nr. 219) geht hervor, daß das MfS ein Interesse protokoll S. 67/68). daran hatte, „durch einen geeigneten IM dieses Objekt von Karin Havemann zu einem Preis von ca. Der Abg. Dr. Gysi behauptet auch in diesem Fall, le- 20 Tausend Mark (...) käuflich zu erwerben" (Dok. diglich Instruktionen vom ZK der SED bekommen zu Nr. 73). Die „endgültige Zielstellung" bestand „in haben. Er räumte im Rahmen der Anhörung aller- der Veräußerung des Holzhauses an einen bereits dings ein, daß aufgrund der Brisanz des Ereignisses operativ ausgewählten Käufer, um damit dauerhaft „ und Robert Havemann auf der Tri zu verhindern, daß Havemann dieses Objekt für die

Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode Drucksache 13/10893 zeitweilige oder ständige Unterbringung ihm gleich- frau den Zutritt zu gewähren. Allerdings kann die gesinnter oder genehmer Personen benutzen kann" geschiedene Ehefrau verlangen, daß sie selbst und (Dok. Nr. 219, S. 2). In dem Vorschlag vom 14. Januar selbstverständlich auch ein staatlicher Taxator die 1980 (Dok. Nr. 73) wird u.a. weiter ausgeführt: „Da Möglichkeit zum Betreten des Hauses erhalten. (...) zu erwarten ist, daß Havemann Rechtsanwalt Dr. Gy- Meines Erachtens dürfte er Kaufinteressenten den si zur Wahrnehmung seiner Interessen beauftragen Zutritt auch dann nicht verwehren, wenn seine ge- wird, besteht zugleich die Möglichkeit, über diesen schiedene Ehefrau dabei ist." auf Havemann in der vom MfS gewünschten Form einzuwirken. " Hier zeigt sich, daß das MfS davon In dem Abhörprotokoll eines zwischen Gregor Gysi ausging, über Dr. Gysi verfügen zu können. und Robert Havemann am 28. August 1980 geführten Telefonats (Dok. Nr. 138 (221)) heißt es u.a.: „Gysi will In der vom Abg. Dr. Gysi vorgelegten Broschüre der den Anwalt [Anm.: der geschiedenen Ehefrau Have- PDS „Gysi ./. Gauck" heißt es, Gregor Gysi sei nach- manns] anschreiben und darauf verweisen, daß es weislich erfolgreich dagegen angegangen, daß das fraglich sei, ob seine Mandantin überhaupt Eigen- MfS jemals einen Fuß in das Holzhaus habe setzen tümer des Hauses ist. Sollte sie es sein, dann nach da- können. Abg. Dr. Gysi meint, gerade aus diesem Bei- mals geltendem Recht von beweglichem Eigentum. spiel werde deutlich, daß er sich entgegen den Inter- Sie könnte sich das Haus abbauen und taxieren las- essen des MfS verhalten habe (Stellungnahme vom sen, wo sie will. (...) Gysi erklärt, daß sie ja auch Zeit 17. Juni 1997). Für seinen Vortrag beruft Dr. Gysi sich haben, weil ,die' etwas haben will. Sie könnten ja auch auch auf eine Formulierung in Dokument Nr. 207, wo die Zeit hinauszögern in bezug auf den Taxator. " es u.a. heißt: „Da er (Havemann) einen möglichen Abg. Dr. Gysi bestreitet auch in diesem Fall eine Zu- Rechtsstreit nicht ausschließt, hat er gleichfalls sei- sammenarbeit mit dem MfS. In seiner Stellungnahme nen Rechtsanwalt Gen. Dr. Gregor Gysi in Kenntnis vom 17. April 1997 trägt er hierzu vor, auf den ersten gesetzt und konsultiert. Sowohl ihm als auch IM ge- drei Seiten des Berichts (Dok. Nr. 5) spiegele sich eine genüber betonte er, (...)" und „Über Rechtsanwalt Information wider, die er an die Abteilung Staat und Gen. Dr. Gysi und vorhandener IM wird auf Have- Recht des ZK der SED gegeben habe. Mit der recht- mann Einfluß genommen (...)". Abg. Dr. Gysi weist lichen Einschätzung auf Seite 4 des Berichts habe er darauf hin, daß in beiden Fällen deutlich zwischen hingegen nichts zu tun. Seines Erachtens handele es ihm und inoffiziellen Mitarbeitern des MfS unter- sich um einen juristischen Hinweis aus dem ZK, aus schieden werde. Diese Formulierungen sprächen ge- dem MfS oder durch eine dritte Person. Das Telef on- gen eine Zusammenarbeit mit dem MfS. Nach An- abhörprotokoll auf Dok. Nr. 138 (221) widerlege, daß sicht des 1. Ausschusses ist demgegenüber jedoch der Bericht auf Dok. Nr. 5 von ihm stammen könne. der konkrete Hintergrund der Information vom Denn der Verfasser habe im Gegensatz zu ihm, Gysi, 19. März 1980 (Dok. Nr. 207) bei der Beurteilung ein- die Auffassung vertreten, daß Robe rt Havemann die zubeziehen. Es handelt sich um eine Information der Taxierung des Holzhauses auf seinem Grundstück HA XX, also eine Vorlage für die Leitung oder ande- gestatten müsse. Diese Interpretation ist indes nicht re Hauptabteilungen des MfS. In der Information zwingend; zum- einen müssen das Aufzeigen rechtli- wird u.a. mitgeteilt, daß Robe rt Havemann seinen cher Möglichkeiten und rechtsanwaltliches Handeln Rechtsanwalt Dr. Gysi eingeschaltet hat. Aufgrund nicht die gleiche Rechtsauffassung widerspiegeln. der internen Konspiration und Verschleierung des Zum anderen deutet die letzte Erklärung von Dr. Gysi MfS zum Schutze der IM mußte somit zwischen dem im Telefonat vom 28. August 1980 daraufhin, daß mit Klarnamen bezeichneten Dr. Gysi und IM sprach- auch er der Auffassung gewesen ist, letztlich sei eine lich getrennt werden, da eine andere Formulierung Taxierung auf dem Grundstück nicht zu vermeiden. eine dekonspirative Aufdeckung einer Quelle bedeu- Einen Nachweis, daß Dr. Gysi nicht die hinter dem tet haben könnte. Die Formulierung in Dok. Nr. 207 Bericht vom 23. Juli 1980 (Dok. Nr. 5) stehende ist daher nicht geeignet, Dr. Gysi zu entlasten. Quelle ,Gregor' ist, kann der Abg. Dr. Gysi hierdurch nicht erbringen. Der Sachverhalt weist insgesamt Weiterhin liegt dem 1. Ausschuß in diesem Zusam- stärker auf ein Zusammenwirken von Gregor Gysi menhang ein „Bericht über den Besuch des Rechts- und dem MfS hin, jedoch verzichtet der Ausschuß anwaltes Gysi bei Dr. Havemann am 21.7.1980 in den darauf, diesen Aspekt seiner die Feststellungen tra- Nachmittagsstunden" vor (Dok. Nr. 5). Dieses Doku- genden Überzeugung zugrunde zu legen. ment stammt ebenfalls von der Hauptabteilung XX, ist als „Abschrift vom Tonband" gekennzeichnet und Als Dokument Nr. 33 liegt dem 1. Ausschuß eine enthält den abschließenden Vermerk: „gez. ,Gre- Tonbandabschrift der Hauptabteilung XX/OG vom gor'". Der Bericht beschäftigt sich auf den ersten bei- 1. September 1980 vor. Sie trägt den Titel „Akten- den Seiten mit Publikationen Havemanns, während notiz über die Rücksprache mit Ul rich Havemann es auf Seite 3 dann unvermittelt heißt: „In Sachen und Rechtsanwalt Gysi am 25.8.1980 in den Abend- Holzhaus gab es am 21.7.80 ein neues Gespräch zwi- stunden im Büro des Rechtsanwaltes". Daraus geht schen Dr. Havemann und seinem Rechtsanwalt." hervor, daß Ulrich Havemann Gregor Gysi darüber Diese Seite ist, ebenso wie die beiden vorangegange- informierte, daß seine Mutter, Ka rin Havemann nicht nen, in der 3. Person gehalten und gibt den Ge- an ihren geschiedenen Ehemann verkaufen wollte. sprächsverlauf zu dem bezeichneten Thema wieder. Dok. Nr. 33 ist mit „Reuter" unterschrieben, trägt im Auf der vierten Seite wird dann in die Ich-Form ge- übrigen aber keinen Quellenvermerk. wechselt: „Meiner Meinung nach gibt es zur Zeit keine Möglichkeit, Havemann zu zwingen, den In dem Telefongespräch vom 28. August 1980 (vgl. Kaufinteressenten am Haus der geschiedenen Ehe Dok. Nr. 138 (221)) zwischen Havemann und Gregor

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Gysi wurde auch ein Besuch Gysis für denselben Tag mer hinweist und die Anwesenheit Gregor Gysis bei vereinbart, da dieser noch ein Schriftstück bei Have- Havemann an diesem Tag. Dabei ist auch zu sehen, mann abholen wollte. Daß diese Vereinbarung einge- daß Dr. Gysi wegen des Schreibens von Frau Have- halten wurde, bezeugt ein Beobachtungsbericht vom manns Rechtsanwalt Strodt in Sachen Holzhaus selben Tag (Dok. Nr. 222). Als Dokument Nr. 6 liegt überhaupt zu Havemann nach Grünheide gefahren dem 1. Ausschuß dazu eine weitere Tonbandabschrift ist. Der Hinweis des Abg. Dr. Gysi auf ein entspre- der Hauptabteilung XX/OG „über die Rücksprache chendes Gespräch beim ZK der SED vermag den mit Robert Havemann am 28.8.1980" vor. Als Quelle 1. Ausschuß nicht zu überzeugen. Das Tonband ist wird „IM-Vorlauf ,Gregor"' angegeben, das Doku- Major Lohr bereits einen Tag nach dem Gespräch, ment enthält außerdem den Vermerk „entgegenge- nämlich am 29. August 1980 von der Que lle „Gre- nommen: Major Lohr, 29.8.1980" . Das wiedergegebe- gor" übergeben worden (Dok. Nr. 6). Dies läßt sich ne Gespräch mit Robert Havemann hat zunächst po- schon zeitlich nicht mit dem Vortrag des Abg. Dr. litische Inhalte zum Thema, aber „schwerpunktmä- Gysi vereinbaren. Der Ausschuß stellt dabei nicht in ßig wurde über die zivilrechtliche Angelegenheit mit Frage, daß der Abg. Dr. Gysi möglicherweise zu dem Holzhaus auf seinem Grundstück gesprochen." einem späteren Zeitpunkt auch beim ZK der SED Gespräche über dieses Thema geführt hat. Aus einem Beobachtungsbericht (Dok. Nr. 222) des MfS ist zu schließen, daß sich Dr. Gysi am 28. August Der 1. Ausschuß ist der Auffassung, daß eine Zusam- 1980 bei Robert Havemann aufhielt. Seine Anwesen- menarbeit Dr. Gysis mit dem MfS insoweit feststeht. heit wird für die Zeit ab 20.45 Uhr ausgewiesen. Auch eine Tonbandabschrift der HA XX/9 vom Nach Einschätzung des Abg. Dr. Gysi liegen dem Do- 11. April 1981 (Dok. Nr. 9) enthält Hinweise, daß kument Nr. 6 verschiedene Quellen zugrunde. Zum Dr. Gysi das MfS über ein Gespräch mit seinem Man- Teil hätte er auch in diesem Fa ll mit dem zuständigen danten Robert Havemann am 10. April 1981 unter- Mitarbeiter der Abteilung Staat und Recht des ZK richtete. Demnach sollte Havemanns Rechtsanwalt in über die politischen Einschätzungen von Robe rt Verhandlungen mit dem Rechtsanwalt der geschie- Havemann gesprochen, was Havemann auch gewollt denen Frau Havemann bewirken, daß das Holzhaus habe. Offensichtlich habe das ZK wiederum die abgebaut und ihr dafür eine Entschädigung gezahlt Staatssicherheit informiert. Dies beziehe sich auch werde. Die Tonbandabschrift enthält eine genaue auf die Problematik mit dem Holzhaus, weil es ihm, Darstellung der geplanten rechtlichen Vorgehens- Gysi, immer darum gegangen sei, der Partei klarzu- weise. Vorher berichtet der Vermerk kurz über eine machen, daß sie nicht so weit gehen dürfte, die Rechtsauskunft durch Dr. Gysi an die Nachbarin der Staatssicherheit auf das Grundstück von Robe rt Havemanns, Frau Haeseler. Havemann zu setzen. Die Staatssicherheit habe aber Diese Darstellung in der Tonbandabschrift entspricht auch andere Quellen gehabt, die sich in diesem dem tatsächlichen Ablauf der Geschehnisse. Nach Dokument widerspiegelten. einem Beobachtungsbericht und einem Bewegungs- ablauf (Dok. Nr. 230 und 229) hielt sich Dr. Gysi am In seiner Anhörung am 11./12. Juni 1997 hat der - 10. April 1981 bei Robert Havemann in der Zeit von Abg. Dr. Gysi allerdings einräumen müssen, daß es 11.10 bis 12.28 Uhr auf. Im Rahmen von Dr. Gysis Be- klare Aufträge Havemanns für Gespräche mit dem such bei Havemann hielt sich von 12.03 Uhr bis 12.15 ZK der SED nicht gegeben hat. Anhaltspunkte für Uhr dessen Nachbarin, Frau Haeseler, do rt auf, um die These des Abg. Dr. Gysi, Dokument Nr. 6 beruhe eine, bereits am Tage vorher Katja Havemann telefo- auf den Mitteilungen verschiedener IM, finden sich nisch von Dr. Gysi zugesagte Rechtsauskunft zu er- ebenfalls nicht. Diktion, Darstellung und Detailreich halten (Dok. Nr. 40). Danach hielt sich Dr. Gysi noch tum der übermittelten Informationen weisen viel- etwa 10 Minuten bei Havemanns auf. Dies entspricht mehr auf den Gesprächspartner Havemanns als der Struktur der Tonbandabschrift, die zunächst ein Quelle hin. Von besonderer Bedeutung ist dabei, daß längeres politisches Gespräch wiedergibt, das Ge- „Schwerpunktmäßig (...) über die zivilrechtliche An- spräch mit Frau Haeseler und zuletzt kurz über das gelegenheit mit dem Holzhaus" gesprochen wurde. weitere Vorgehen in Sachen Holzhaus informiert. Thema und Inhalt dieses Abschnittes der Tonband- Bereits einen Tag nach dem Gespräch erhält der abschrift weisen bereits auf einen juristisch gebilde- MfS-Offizier Major Lohr das Tonband. ten Gesprächspartner hin, was auf Gregor Gysi hin- deutet. Der Gesprächspartner orientiert Havemann Auch in diesem Zusammenhang ist der 1. Ausschuß aber auch über das zwischen Dr. Gysi und Ul rich der Überzeugung, daß Gregor Gysi die Que lle der Havemann geführte Gespräch. Entscheidend ist mit „GMS Notar" gekennzeichneten Tonbandab- aber, daß „nicht er [Havemann] selbst, sondern sein schrift war und insoweit inoffiziell mit dem MfS zu- Gesprächspartner antworten wird." Auch dies weist sammengearbeitet hat. auf einen Anwalt hin; mit der Vertretung Robe rt Havemanns in diesem Zusammenhang war aus- Unter dem 7. Januar 1982 liegt schließlich eine wei- schließlich Dr. Gysi betraut. tere Tonbandabschrift über ein „Gespräch zwischen Rechtsanwalt Gysi und Havemann am 5.1.1982" vor Der 1. Ausschuß ist insoweit der Auffassung, daß die (Dok. Nr. 10), auf der als Que lle „IM ,Notar"' und Quelle für die mit „IM-Vorlauf ,Gregor"' gekenn- „entgegengen. 6.1.1982, OSL Lohr" angegeben wird. zeichnete Information über das Gespräch mit Have- Ein Telefonabhörprotokoll vom vorangegangenen mann am 28. August 1980 nur Gregor Gysi selbst sein Tag (Dok. Nr. 45) dokumentiert, daß Katja Havemann kann. Hierfür sprechen vor allem die Darstellung des auf Gysis Besuchswunsch erklärte, „daß sich wegen Gesprächsablaufs, die auf einen Gesprächsteilneh des Häuschens noch nichts getan hat (...). Gysi könne

Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode Drucksache 13/10893 aber gerne kommen." Der Bericht auf Dok. Nr. 10 be- 6.2.7 Die weitere „Bearbeitung" von schäftigt sich dann auch nur in seinem ersten Ab- Robert Havemann schnitt mit der „Hausangelegenheit", gibt dabei aber eine ausführliche Darstellung über einen Besuch des Im März 1981 entwarf die Hauptabteilung XX/9 eine Käufers des Holzhauses; zum größten Teil dokumen- „Konzeption zur weiteren politisch-operativen Bear- tiert er die Ansichten Havemanns zu bestimmten ak- beitung des Operativ-Vorgangs ,Leitz' (...) gegen Ha- tuellen politischen Themen. Die Darstellung des Ab- vemann, Robert" (Dok. Nr. 227 (79, 228)). Ziel dessen laufs wird durch einen Beobachtungsbericht der da- war die weitere „Unterbindung und Einschränkung für zuständigen HA VIII/12 vom 28. Januar 1982 über öffentlichkeitswirksamer Feindhandlungen bzw. an- den 5. Januar 1982 für die HA XX/9 bestätigt. Der derer negativ-feindlicher Aktivitäten des Havemann Beobachtungsbericht beginnt um 7.05 Uhr und endet und seiner engsten Kontaktpartner." Dafür wird u. a: mit der Abfahrt Dr. Gysis um 14.25 Uhr. Andere Be- der Einsatz der IM „Kurt", „Julia" „, Lorenz" , „En- sucher in Grünheide werden für diesen Tag nicht er- gel", „Horst Berkhoff" und „Notar" vorgesehen. wähnt. Auch hier erfolgt die Übergabe des Tonban- Im persönlichen Aufzeichnungsbuch des MfS-Offi- des bereits einen Tag nach dem Gespräch zwischen ziers Lohr (Dok. Nr. 82) existiert unter dem 31. März Dr. Gysi und Robert Havemann (Dok. Nr. 10). 1981 der Vermerk: „Durchgängige Kontrolle Have- manns in Spannungszeiten organisieren (...) zum P.T. Abg. Dr. Gysi vermutet, daß für diesen Bericht ver- täglich ein IM / Chef, Diamant, Guido, Engel Ku rt, schiedene Quellen benutzt worden seien. Im Um- Gregor". Damit war gemeint, daß während des Par- kreis von Robert Havemann seien zum Teil bis zu teitages der SED jeden Tag ein IM bei Havemann er- 200 IM eingesetzt gewesen. Alles, was in dessen scheinen und mit ihm sprechen sollte, um dessen Haus gesprochen wurde, sei abgehört worden. Über Haltung festzustellen. bestimmte politische Themen habe er, Gysi, immer auch im Auftrag von Havemann mit einem zuständi- „Notar" wiederum wird auch in Dokument Nr. 8 b er- gen Mitarbeiter der Abteilung Staat und Recht des wähnt. Es handelt sich um einen Bericht der Haupt- ZK gesprochen. abteilung XX/9 „über einen Treff mit GMS ,Notar' am 7.4.1981 in der IMK ,Ellen" , einer konspirativen Im Zusammenhang mit der Überwachung Robert Wohnung in Berlin-Mitte. Dieser Bericht enthält Havemanns sind über die Telefonüberwachung hin- unter anderem folgende Informationen: „Am Treff ausgehende Abhörmaßnahmen in den Unterlagen nahm Genosse OSL Reuter teil. Mit ,Notar' wurde die nicht nachweisbar. Einen Auftrag Havemanns für Möglichkeit eines weiteren Besuches bei Robe rt Ha- Gespräche mit dem ZK der SED gab es nicht (s.o.). vemann in Grünheide beraten und festgelegt, daß er Auch hier sind Anhaltspunkte dafür, daß mehrere ihn zum Zwecke der Informierung über den Stand Quellen diesem Bericht zugrunde liegen, nicht er- des Holzhauses am 10.4.1981 aufsucht. Er wird sich kennbar. Vielmehr wird ausschließlich über ein nur telefonisch über die H [.] anmelden lassen. Die Ziel- zwischen Dr. Gysi und Robert Havemann geführtes stellung des Besuches besteht festzustellen, welche Gespräch berichtet. Wendungen wie „... ging er Meinung Havemann- zum bevorstehenden Parteitag überhaupt nicht ein. Dr. Gysi erläuterte dann seine der SED vertritt, (...) wie er die derzeitige Lage in der schweren Bedenken gegen eine solche Bewegung VR Polen einschätzt, (...) wie die familiäre Situa tion ...", „Er wußte darauf auch nicht sofort eine Erwide- (...) ist." Weiter heißt es in dem Bericht: „Der GMS rung ... ", „Er zeigte dann Dr. Gysi einen B rief (...) Der teilte anschließend zu seinen Mandanten Rathenow, Brief (...) war offensichtlich schon im O riginal abge Lutz und Matthies, Frank-Wolfgang folgendes mit: sandt." und „ Im Brief selbst formuliert..." zeigen, daß (...) Abschließend sprach der GMS einen Bericht über der Verfasser an dem Gespräch teilgenommen und die Sängerin Bettina Wegener auf Tonband (Anlage, auch die entsprechenden Handlungen (Zeigen und die im Herbst .1980 einen Auftrag zur Verteidigung Lesen des Briefs) erlebt hat. Dies trifft a lles so nur für für den Liedermacher Karl-Ulrich Winkler übergab. Dr. Gysi zu. (...) Nächster Treff: 11.4.1981. " Der 1. Ausschuß ist daher auch hier der Auffassung, Dieser Bericht liegt dem 1. Ausschuß als Dokument daß Gregor Gysi die mit „IM Notar" bezeichnete Nr. 7 vor. Es handelt sich ebenfalls um eine Tonband- Quelle ist und inoffiziell das MfS über die Ansichten abschrift, die als Quelle „IMS ,Notar" angibt und Robert Havemanns unterrichtet hat. den Vermerk „entgegengenommen: Major Lohr am 7.4.1981" enthält. Sie gibt Auskunft darüber, daß Der 1. Ausschuß sieht, daß auf Robert Havemann „Bettina Wegener (...) im Herbst 1980 an Rechts- eine Vielzahl von IM des MfS angesetzt waren. Un- anwalt Dr. Gysi einen Verteidigungsauftrag für Karl abhängig hiervon ist der 1. Ausschuß der Überzeu- Ulrich Winkler [erteilte]" und enthält Einzelheiten gung, daß in Zusammenhang mit dem Holzhaus in aus der dazugehörigen Unterredung. Robert Havemanns Garten eine Zusammenarbeit von Dr. Gysi mit dem MfS vorliegt. Die mit „Gregor", Telefonabhörprotokolle über Gespräche vom 9. April

„IM-Vorlauf Gregor" , „GMS Notar " oder „IM Notar" 1981 (Dok. Nr. 39 und 40) belegen sodann, daß Katja gekennzeichneten Dokumente über die Treffen zwi- Havemann „vom Anschluß der, H [.] aus" mit Gregor schen Dr. Gysi und Robe rt Havemann am 28. August Gysi einen Besuchstermin für den folgenden Tag ver- 1980, 10. April 1981 und 5. Januar 1982 zeigen im einbarte. Dabei wurde abgesprochen, bei dieser Gele- Hinblick auf die übermittelten Informationen und die genheit auch Frau H. rechtlich zu beraten. Beobach- Form der Wiedergabe, daß Gregor Gysi diese Quelle tungsberichte vom 10. April 1981 (Dok. Nr. 229 und war und mit dem MfS inoffiziell zusammengearbeitet 230) dokumentieren sodann einen etwa eineinhalb- hat. stündigen Aufenthalt Gysis bei Robe rt Havemann an

Drucksache 13/10893 Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode diesem Tag. Über das zwischen beiden geführte Ge- Er hat weiter vorgetragen: Offensichtlich habe die spräch gibt die Tonbandabschrift vom 11. April 1981 Abteilung Staat und Recht des ZK der SED ihrerseits (Dok. Nr. 9 - „GMS ,Notar'/entgegengenommen: Ma- auch die Staatssicherheit informiert. Davon habe jor Lohr, 11.4.1981 ") Auskunft. Themen waren der man auch ausgehen können. Dies sei auch Robe rt Parteitag der SED und die Lage in Polen. „Anschlie- Havemann klar gewesen. Abg. Dr. Gysi trägt vor, es

ßend", so heißt es in der Tonbandabschrift, „erschien sei bekannt, daß solche Informationen vom ZK der Frau H [.], weil sie eine Rechtsauskunft hatte." SED durch die Staatssicherheit in operative Vorgän- ge nicht als Information des ZK der SED hätten auf- Die vorliegenden Dokumente zeigen, daß sich Gregor genommen werden dürfen, es habe offensichtlich Gysi mit den MfS-Offizieren Reuter und Lohr in der eine sogenannte „Umschreibung" stattfinden müs- konspirativen Wohnung „Ellen" getroffen hat. Die sen. Nur so ließen sich die Tonbandabschrift und der Tatsache, daß das MfS selbst einen Treff in der konspi- Treffbericht auf Dok. Nr. 9 und 8 b erklären (Schrei- rativen Wohnung „Ellen" den üblichen Usancen ben vom 25. November 1994; ähnlich Schreiben vom (Nennung des Treffortes, Datum, Unterschrift, Teil- 17. Juni 1996). Zusätzlich hat sich der Abg. Dr. Gysi nehmer) entsprechend dokumentiert hat, die dabei auf eine Erklärung des ehemaligen MfS-Offiziers sichtbar werdende Abstimmung zwischen dem GMS Wolfgang Reuter bezogen, in der dieser ebenfalls be- ,;Notar" und den MfS-Offizieren Lohr und Reuter zum streitet, jemals in der genannten Wohnung gewesen bevorstehenden Besuch bei Robe rt Havemann, die zu sein (Anlage 1 zum Schreiben der Abg. Lederer unter Berufung auf den GMS „Notar" angefertigte vom 26. April 1996). Tonbandabschrift, aus der hervorgeht, daß die am 7. April 1981 besprochenen Maßnahmen durch den Die Zusammenschau der vorgelegten Dokumente genannten GMS bereits am 10. April 1981 umgesetzt läßt nur eine Interpretation zu, nämlich daß Gregor worden sind und daß das MfS einen Tag später Kennt- Gysi und „GMS/IMS Notar" in diesem Fa ll identisch nis erhalten hat, sind typische Merkmale einer inoffi- sind. Nur Gregor Gysi war zu diesem Zeitpunkt nicht ziellen Zusammenarbeit. Die Dokumente zeigen, daß nur der Anwalt von Robe rt Havemann, sondern auch Gregor Gysi in einer konspirativen Wohnung einen der von Frank-Wolfgang Matthies. Ihm hatte Bettina Auftrag erhalten und ihn ausgeführt hat. Von beson- Wegener den Auftrag zur Vertretung von Karl-Ulrich derer Bedeutung in diesem Zusammenhang ist auch Winkler erteilt. Gregor Gysi besprach - mit Ausnah- der lockere Umgang der MfS-Offiziere mit IM-Kate- me der familiären Situation, die nur am Rande ge- gorien bei der Einordnung von „Notar", der in unmit- streift wurde - exakt am vereinbarten Tag exakt die telbaren zeitlichem Zusammenhang einmal als „IMS" gemäß des Berichtes vom 8. April 1981 (Dok. Nr. 86) und einmal als „GMS" bezeichnet wurde. vereinbarten Themen. Es kann dahingestellt bleiben, ob Gregor Gysi im Kontext der dargestellten Ge- Abg. Dr. Gysi bestreitet demgegenüber, sich jemals schehnisse auch mit dem ZK der SED Kontakt hatte, mit Offizieren der Staatssicherheit in irgendeiner wiewohl sich keine Hinweise darauf in den Akten konspirativen Wohnung getroffen zu haben. Die „In- finden. formation" über Polen und den X. Parteitag stamme nicht von ihm, weil er das Zentralkomitee mit Sicher- Dr. Gysi hat mit dem Schriftsatz seiner Rechtsanwälte heit nicht über die Rechtsauskunft an Frau H. infor- vom 26. März 1998 seinen bisherigen Vortrag präzi- miert hätte. Dr. Gysi hatte zunächst in seiner Anhö- siert, daß Informationen des ZK der SED nur durch rung am 11./12. Juni 1997 (Anhörungsprotokoll S. 77) „Umschreibung" vom MfS hätten verwertet werden vorgetragen, daß das ZK zu diesem Gespräch eine können. Eine solche Umschreibung sei nur notwen- andere Informationsquelle gehabt habe, diese Dar- dig, soweit die Informationen des ZK der SED Einzug stellung hat er durch seine Rechtsanwälte mit dem in Opferakten fanden, weil do rt das ZK der SED nicht Schriftsatz vom 26. März 1998 Seite 42, den er sich im vorkommen sollte. Rahmen seiner Anhörung am 21. April 1998 zu eigen Die auf diesem Vortrag basierende Annahme eines gemacht hat, als falsch widerrufen. Es ist daher da- fiktiven Treffberichts und einer darauf bezogenen von auszugehen, daß in diesem Zusammenhang Tonbandabschrift (Dok. Nr. 8b und 9) überzeugt den keine andere Gesprächsquelle vorhanden war. Im Ausschuß - auch unter Berücksichtigung der inter- übrigen hat Dr. Gysi vorgetragen, er sei er auf Wunsch nen Konspiration des MfS - nicht. Dabei muß auch von Robert Havemann gehalten gewesen, Kontakt die kurzfristige Berichterstattung durch GMS „No- zur Abteilung Staat und Recht des ZK der SED zu su- tar" einen Tag nach dem Treffen mit Robe rt Have- chen. Havemann habe auf diese Weise erreichen wol- mann (Dok. Nr. 9) berücksichtigt werden. Eine Um- len, daß nicht alle Kontakte zum Zentralkomitee ab- schreibung dieser Informa tion binnen eines Tages er- brächen. Er, Gysi, sei gelegentlich von Havemann, scheint auch im Hinblick auf den Inhalt des Ge- gelegentlich aber auch von einem Mitarbeiter der Ab- sprächs unwahrschein lich. teilung Staat und Recht gebeten worden, bestimmte politische Gespräche zu führen. Ober das Ergebnis Die vom Abg. Dr. Gysi vorgelegte Darstellung des hätte er dann jeweils Robe rt Havemann oder auftrags- ehemaligen MfS-Offiziers und Abteilungsleiters der gemäß den Mitarbeiter des ZK informiert. In diesem HA XX/9, Wolfgang Reuter, er sei niemals in der von Zusammenhang hätten auch wunschgemäß mit Ro- seiner Abteilung genutzten Wohnung gewesen, er- bert Havemann Gespräche zum X. Parteitag der SED, scheint dem 1. Ausschuß im Hinblick auf den Treff- zur Lage in Polen usw. stattgefunden. Im Rahmen der bericht (Dok. Nr. 8b) nicht glaubhaft. Anhörung am 11./12. Juni mußte der Abg. Dr. Gysi allerdings einräumen, daß konkrete Aufträge Have- In Würdigung aller Aspekte dieses Sachverhalts manns nicht bestanden haben. kommt der 1. Ausschuß hier zu der Überzeugung,

Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode Drucksache 13/10893 daß eine Zusammenarbeit zwischen Dr. Gysi und („Streng geheim! "). Es sieht vor, daß „die Einreise in dem MfS im Sinne der Feststellungskriterien vorlag. die DDR (...) den unmittelbar der Familie Havemann angehörenden Personen gestattet werden [sollte] ”, während für den Fall, daß „Personen (in der Anlage 6.2.8 Der Tod Robert Havemanns genannte und eventuell in den nächsten Tagen wei- Am 9. April 1982 verstarb Robe rt Havemann. Aus Be- ter hinzukommende) die Einreise beantragen, gegen obachtungsberichten (Dok. Nr. 237 und 250) geht die auf Grund ihrer feindlichen Tätigkeit Einreise- hervor, daß Gregor Gysi am darauffolgenden Tag, sperre verhängt wurde, (...) ihnen die Einreise nicht dem 10. April 1982, sich ca. eineinhalb Stunden auf gestattet werden [sollte] " . dem Grundstück Havemanns aufhielt. Aus Berichten Die erwähnte Anlage enthält eine Liste mit densel- sowie aus der Liste in der „Information" vom 11. ben Namen, die laut Dokument Nr. 239 (240, 241) April 1982 auf Dok. Nr. 242 ergibt sich außerdem, nach dem Besuch der zuverlässigen inoffiziellen daß an diesem Tag 21 weitere Personen die Witwe Quelle bei Katja Havemann „streng vertraulich be- Havemanns aufsuchten. kannt" geworden sind. Aus weiteren Telefonabhör- Telefonabhörprotokolle (Dok. Nr. 238, 244, 245) ge- protokollen (Dok. Nr. 246, 247) geht hervor, daß Katja ben weiterhin Auskunft darüber, daß die Tochter des Havemann offenbar mit der Tätigkeit Gregor Gysis Verstorbenen, Sibylle Havemann, sowie dessen Ehe- nicht zufrieden war, weil die von ihr gewünschten frau, Annedore „Katja" Havemann, Gysi im Hinblick Einreisegenehmigungen nicht erteilt wurden. Sie auf die Trauerfeier um „Unterstützung bei der Erlan- übermittelte dann dem Ministe rium des Inneren gung von Einreiseerlaubnissen für Verwandte und (MdI) per Telegramm eine Liste mit 13 Namen von gute Bekannte Havemanns, die in der BRD und in Personen, „die um Einreise ersuchen." (Dok. Nr. Westberlin wohnhaft sind" (Dok. Nr. 238), baten. Sie 246). Diese Telefonate führte Katja Havemann am 15. hatten Gysi eine Liste mit den Namen der in Betracht April 1982, wobei nicht genau erkennbar ist, zu wel- kommenden Person übergeben. Katja Havemann be- chem Zeitpunkt sie das Telegramm abgeschickt sprach mit Gregor Gysi auch die Veröffentlichung hatte. Die Liste auf Dokument Nr. 239 (240, 241) einer Todesanzeige (vgl. Dok. Nr. 245). stammt vom 10. April 1982; das war der Tag, an dem Katja Havemann Gregor Gysi die ursprüngliche Liste In einer „Information über Vorhaben im Zusammen- der Einreisewilligen übergeben hatte. Laut Doku- hang mit der bevorstehenden Beisetzung von Robe rt ment Nr. 247 soll die an das MdI übermittelte Liste ei- Havemann" der Hauptabteilung XX vom 10. April nen Umfang von 13 Namen gehabt haben, während 1982 (Dok. Nr. 239 (240, 241)) heißt es sodann: „Am die Liste auf Dokument Nr. 239 (240, 241) und 243 14 10.4.1982 suchte eine zuverlässige inoffizielle Quelle Namen umfaßt. Annedore Havemann auf ihrem Grundstück in Grün- heide auf und bot ihr Unterstützung bei der Rege- Unter dem 16. April 1982 verfaßte die Hauptabtei- lung anstehender Fragen, die sich aus dem Tod ihres lung XX schließlich eine „Information über operativ Ehemannes ergeben. Dabei wurde streng vertraulich bekanntgewordene Hinweise im Zusammenhang mit bekannt, daß Annedore Havemann die Teilnahme der Beisetzung von Robe rt Havemann. " Diese Unter- folgender Personen aus Westberlin, der BRD und an- lage hat der Bundesbeauftragte sowohl als Doku- deren Ländern an der Beisetzung von Robe rt Have- ment Nr. 248 als auch als Dokument Nr. 46 vorgelegt. mann erwartet, bzw. wünschen würde, sofern diese Dort heißt es auf Seite 3: „Inoffiziellen Hinweisen zu- eine Einreise dafür beantragen: (...)." Sodann folgt folge setzte sich der Mitarbeiter der ständigen Ver- eine Liste mit 14 Namen. Weiter berichtet dieses Do- tretung der BRD in der DDR, Kaiser, (...) mit dem kument: „Die Beisetzung soll am folgenden Wochen- Rechtsanwalt Gysi in Verbindung, da er gehört hätte, ende (...) erfolgen. Als Redner habe man sich auf den daß dieser sich persönlich für die Einreise von (...) zur Ortspfarrer (...) festgelegt (...). Für eine Todesanzeige Trauerfeier einsetzen wolle. Von Gysi wurde diese käme nur das ND [Neues Deutschland] in Betracht. Behauptung entschieden zurückgewiesen. " In der Im Falle der Zustimmung wolle Frau Havemann den Version auf Dok. Nr. 248 ist neben dieser maschinen- Text mit Rechtsanwalt Dr. Gysi, Gregor, abstimmen. geschriebenen Passage handschrift lich der Vermerk Im Falle einer Ablehnung würde sie ganz verzichten. „(IM ,Gregor')" angefügt, während in der Version Ein regionales Presseorgan käme dafür nicht in Be- auf Dokument Nr. 46 keine handschrift lichen Hin- tracht. (...) Was eine mögliche Teilnahme westlicher weise angebracht sind. Rundfunk-, Fernseh- oder Pressekorrespondenten betrifft, so sei das nicht ihre Sache. (...)" In der Ver- Abg. Dr. Gysi meint, es sei völlig unklar, warum von sion auf Dokument Nr. 239 enthält diese Unter- den 22 Besuchern bei Annedore „Katja" Havemann lage den handschriftlichen Vermerk: „Vorschlag gerade er derjenige gewesen sein müßte, der das gem. R./mi/10.4.82". Die Unterlage ist, wie sich aus MfS über die Liste informiert hätte. Tatsache sei aller- diesen Vermerken und der Paraphe ergibt, noch am dings, daß Annedore Havemann ihm eine Liste von späten Abend des 10. Aprils 1980 dem stellvertreten- Personen genannt habe, für die sie eine Einreisege- den Minister Mittig vorgelegt worden. nehmigung in die DDR zur Trauerfeier für ihren ver- storbenen Ehemann gewünscht habe. Er habe diese Die erlangten Informationen fanden Eingang in eine Liste dann unverzüglich sowohl der Polizei als auch „Information über bedeutsame Aspekte im Zusam- der Abteilung Staat und Recht des ZK der SED über- menhang mit der bevorstehenden Beisetzung von geben. Dies sei möglicherweise noch am selben Tag Robert Havemann" vom 12. April 1982 (Dok. Nr. geschehen. Dabei sei er davon ausgegangen, daß 243). Hierbei handelt es sich um ein Dokument mit letztlich auf höchster Ebene entschieden werden dem Kopf „Ministerium für Staatssicherheit" würde, ob Personen, gegen die die DDR ein Einreise-

Drucksache 13/10893 Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode verbot verhängt gehabt hätte, eine Ausnahmegeneh- Decknamen „Gregor" und „Notar" verwendet. We- migung erhalten würden. sentlicher Ansprechpartner für Dr. Gysi bei der HA XX/OG waren nach den vorliegenden Dokumen- Das gleiche habe für die Frage gegolten, ob das Zen- ten die MfS-Offiziere Lohr und Reuter. tralorgan des ZK der SED, die Tageszeitung „Neues Deutschland", eine Traueranzeige für Robe rt Have mann veröffentlichen würde. Dazu habe er in der Ab- teilung Staat und Recht des ZK ein längeres Ge- 6.3 Jutta Braband und Thomas Klein spräch geführt und um wohlwollende Prüfung gebe- ten. Er widerspreche auch den Wertungen, daß Frau Aus dem Jahre 1979 stammt eine Unterlage, die sich auf Havemann mit ihm unzuf rieden gewesen sei, weil sie die in Untersuchungshaft befindlichen Jutta Braband geglaubt habe, er hätte die Liste nicht schnell genug und Thomas Klein bezieht (Dok. Nr. '128 [184, 24]). weitergeleitet. Selbst wenn er die Liste dem MfS am Dort heißt es u. a.: „Streng vertraulich wurde be- gleichen Tag übergeben hätte, wäre gesichert gewe- kannt, daß am 18. 9. 1979 und 1. 10. 1979 nachfolgen- sen, daß all jene informiert werden würden, die diese de Personen im Büro von Rechtsanwalt Dr. Gysi mit Frage zu entscheiden gehabt hätten. der Bitte vorstellig wurden, für Klein und Braband Die Liste ist am gleichen Tage, dem 10. April 1982, Rechtsbeistand zu übernehmen." dem MfS übergeben worden. Im Hinblick auf die Der 1. Ausschuß sieht angesichts der Quellenlage da- Vielzahl von Personen, die an diesem Tag Katja Ha- von ab, in diesem Zusammenhang eine den Abg. vemann besucht haben, läßt sich jedoch nicht ein- Dr. Gysi belastende Schlußfolgerung zu ziehen. deutig feststellen, wer sie dem MfS übermittelt hat. Eine Zusammenarbeit zwischen Gregor Gysi und dem MfS erscheint dem 1. Ausschuß aufgrund der 6.4 Franz Dötterl vorgelegten Dokumente naheliegend, zumal er eine entsprechende Liste von Katja Havemann erhalten Dem Ausschuß liegen drei Unterlagen aus den Jah- hat, allerdings lassen sich nach Auffassung des Aus- ren 1979 und 1980 vor, die einen Kameramann des schusses letzte Zweifel nicht ausräumen, so daß der DDR-Fernsehens, Franz Dötterl, betreffen. Zwischen Ausschuß diesen Sachverhalt nicht zur Grundlage diesem und dem DDR-Fernsehen waren Streitigkei- seiner die Feststellungen tragenden Überzeugung ten entstanden, über die zunächst die „Information macht. über bekanntgewordene Aktivitäten und Verhaltens- weisen des [Franz Dötterl]" der Hauptabteilung XX vom 10. Juli 1979 berichtet (Dok. Nr. 299). Aus dieser 6.2.9 Namenslisten Unterlage geht hervor, daß Franz Dötterl Gregor Gysi Im Zusammenhang mit Robe rt Havemann sind noch mit seiner Rechtsvertretung beauftragt hatte. zwei Namenslisten zu nennnen, von denen eine Dazu heißt es in der Unterlage u. a.: „Der von [Döt- überschrieben ist mit „Personen, die in der Zeit vom - terl] und der (...) einbezogene Rechtsanwalt, Gen. Dr. 9. Mai 1979 bis 30. September 1979 im Zusammen- Gysi, erhält den Auftrag, im Rahmen der ,erfolgreich' hang mit ,Leitz' in Erscheinung traten (...)" (Dok. gelösten Aufgaben hinsichtlich der finanziellen For- Nr. 185 vom 8. Oktober 1979). Die andere Liste trägt derungen des D., weiterhin auf diesen beruhigend denselben Titel, gibt aber als Zeitraum den 9.5.1979 einzuwirken, ihm geduldig und langfristig zu helfen bis 30.9.1980 an (Dok. Nr. 76 vom 15. Oktober 1980; und als Vertrauter und Freund schrittweise klarzu- vgl. a. Dok. Nr. 223). In beiden Listen taucht auch der machen, was für D. machbar ist und was nicht." Name Gregor Gysi auf; in beiden Fä llen ist neben seinem Namen handschriftlich „IM" vermerkt. Der Streit zwischen Franz Dötterl und dem DDR- Fernsehen wurde schließlich im Vergleichswege bei- Die Listen sind jeweils von der für die Beobachtung gelegt, worüber ein „Protokoll zum Abschluß der zuständigen HA VIII des MfS erstellt worden und Verhandlungen zwischen dem bevollmächtigen Ver- dann in den Aktenbeständen der HA XX aufgefun- treter des Staatlichen Komitees für Fernsehen beim den worden. Die Namen sind von jeweils einer Per- Ministerrat der DDR (...) und dem Bevollmächtigten son, wie sich aus der einheitlichen Schrift ergibt, im von Herrn [Franz Dötterl], Rechtsanwalt Dr. Gysi, Hinblick auf eine Erfassung eingeordnet worden. Berlin" nähere Auskunft gibt (Dok. Nr. 300). Auch diese Listen stellen nach Auffassung des 1. Aus- Unter dem 11. Juni 1980 erstellte die Hauptabteilung schusses ein starkes Indiz für die Zusammenarbeit XX/OG schließlich eine Tonbandabschrift mit einem zwischen dem MfS und Gregor Gysi dar, ohne jedoch „Aktenvermerk zu der Angelegenheit [Dötterl]" hierfür einen hinreichenden, allein tragfähigen (Dok. Nr. 301) Sie trägt im Kopf den Vermerk „Quel- Nachweis zu bilden. le: IM ,Gregor"' und „entgegengenommen: Major Lohr am 10.6.1980". Am Ende ist sie gekennzeichnet 6.2.10 Zusammenfassung mit „gez. ,Gregor"'. Inhaltlich geht sie ausführlich auf die Angelegenheiten des Franz Dötterl ein, schil- Zur Überzeugung des 1. Ausschusses steht fest, daß dert die Entwicklung des Konfliktes und enthält auch Dr. Gysi zumindest seit Ende 1979 bis 1982 personen- Einschätzungen zur Person Franz Dötterls. Dabei bezogene Informationen über seinen Mandanten wird mehrfach „Rechtsanwalt Dr. Gysi" erwähnt. Robert Havemann an die HA XX/OG, die spätere HA XX/9, des MfS geliefert hat. Mit Bezug auf Gre- In Dokument Nr. 301 heißt es u. a.: „Durch Anrufe gor Gysi wurden in diesem Zusammenhang die von Rechtsanwalt Dr. Gysi im ZK wurde dann noch

Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode Drucksache 13/10893 erreicht, daß die Aufenthaltsgenehmigung für [Döt- Dr. Gysi hat nach der Überzeugung des 1. Ausschus- terl] verlängert wird" und: „Sein [Franz Dötterls] ses als „IM Gregor" diese ihm vom MfS übertragenen Rechtsanwalt hatte nämlich Kontakt wegen der ge- Aufgaben im Bezug auf die Einwirkung auf seinen samten Angelegenheit zur Abteilung Staat und Recht Mandanten erfüllt, indem er unter anderem die Eini- beim ZK aufgenommen (Gen. Gefroy). Dieser wie- gung zwischen dem DDR-Fernsehen und Franz derum hatte einen Kontakt zur Abteilung Agita tion Dötterl im Einklang mit den vom Leiter der HA XX am und Propaganda hergestellt und versucht, die Ange- 10. 7. 1979 vorgeschlagenen Maßnahmen herbeige- legenheit zu klären. In einem späteren Gespräch hat führt hat (Dok. Nr. 299). Von ausschlaggebender Be- Genosse (...) dem Rechtsanwalt mitgeteilt, daß das deutung ist dabei die Auswertung der in Dokument Fernsehen sämtliche Forderungen des [Dötterl] be- Nr. 301 niedergelegten Tonbandabschrift der Quelle gleichen wird (...). Auftragsgemäß hatte der Rechts- „IM Gregor, entgegengenommen Major Lohr am anwalt dann auch Herrn [Dötterl] mitgeteilt, daß die- 10.06. 1980". IM „Gregor" macht zunächst einmal An- ser sich beruhigen konnte. Erst später stellte sich her- gaben über die berufliche Stellung von Franz Dötterl im aus, daß es sich da um eine Fehlinformation gehan- DDR-Fernsehen sowie den Ursachen seiner Konflikte delt haben muß (...). Seitdem gab es natürlich einen mit dem Fernsehen. Das Besondere an dieser Nieder- gewissen Vertrauensbruch von [Dötterl] zu seinem schrift ist jedoch die allgemeine Personeneinschätzung Rechtsanwalt und auch zum ZK. " und die genaue Beschreibung der Persönlichkeit von Franz Dötterl sowie dessen geschäftlichen und p rivaten Abg. Dr. Gysi trägt in diesem Zusammenhang vor, es Beziehungen. Sie verbindet sich zudem mit einer de- gebe keinen Hinweis in Dokument Nr. 299, daß der taillierten rechtlichen Würdigung der komplizierten dort erwähnte Auftrag an ihn vom MfS hätte erteilt Vorgänge, einschließlich der Darstellung der Interes- werden können oder sollen, geschweige denn tat- senkollision des Anwalts Dr. Gysi selbst. Diese Cha- sächlich erteilt worden sei (Stellungnahme vom 6. Ju- rakterisierung des Franz Dötterl sowie die fachmänni- ni 1997). Im Zusammenhang mit Dokument Nr. 301 sche Würdigung der rechtlichen Probleme kann nur sei sogar ganz offenkundig, daß ein entsprechendes aus erster Hand stammen. Der Ausschuß ist deshalb Gespräch mit dem ZK der SED geführt worden sei. In davon überzeugt, daß nur Dr. Gysi selbst in der Lage dem Bericht auf Dokument Nr. 301 befanden sich In- war, diese Schilderung vorzunehmen. formationen, die er selbst, nicht gehabt hätte und bei Dieser Einschätzung steht der in der Tonbandab- denen es deshalb ausgeschlossen sei, daß er sie habe schrift dargelegte Kontakt von Dr. Gysi mit dem ZK übermitteln können. Vor allem aber werde durch Do- der SED in dieser Angelegenheit nicht entgegen. In kument Nr. 301 seine bereits mehrfach vorgetrage- dem ausführlichen Maßnahmeplan der HA XX mit nen Auffassung bestätigt, daß er seine Gespräche mit dem ausdrücklichen Ziel einer Beruhigung der Situa- einem Mitarbeiter des ZK der SED geführt habe. tion ist im Hinblick auf die Konzipierung eines Betä- Auch sein Mandant sei davon unterrichtet gewesen, tigungsfeldes auf journalistisch-wissenschaftlichem weil anders nicht zu erklären wäre, daß er auch vom Gebiet sogar ausdrücklich die Einbindung des ZK ZK der SED enttäuscht gewesen sei. Deutlich werde des SED geplant. Vorgesehen war die „Abstimmung hervorgehoben, daß er in Absprache mit dem ZK der dieser Linie und Aufgabenstellung zwischen der Ab- SED und nicht mit dem MfS auf seinen Mandanten teilung Agitation, Auslandsinformation, Staats- und beruhigend eingewirkt habe. Der Mitarbeiter des ZK Rechtsfragen, Interna tionale Verbindung und der habe ihm in keinem Falle erklärt, mit wem er über Westabteilung im ZK der SED. (Dok. Nr. 299). Die bestimmte Dinge sprechen werde. Dies schließe nicht Kontakte mit dem ZK standen von daher keineswegs aus, daß Informationen, die er diesem Mitarbeiter ge- der Zusammenarbeit Dr. Gysis mit dem MfS im geben habe, sich auch in dem Bericht auf Dokument Wege, sondern waren vielmehr integraler Bestandteil Nr. 301 widerspiegelten, allerdings nur neben ande- der Strategie des MfS im Hinblick auf den Umgang ren Informationen, die er nicht besessen habe und mit Franz Dötterl. deshalb auch an den Mitarbeiter des ZK nicht habe weitergeben können. Der Ausschuß hält von daher die inoffizielle Tätigkeit Gregor Gysis für das MfS im Falle des Franz Dötterl Der Ausschuß kann den Ausführungen von Abg. Dr. für erwiesen. Gysi nicht folgen.

Nach Überzeugung des Ausschusses läßt sich der in 6.5 Annedore „Katja" Havemann der Information auf Dok. Nr. 299 enthaltene Maßnah- mevorschlag bezüglich Gregor Gysi erklären. Zu- Nach dem Tod von Robe rt Havemann wurde dessen ständig für die „politisch-operative" Sicherung des Witwe, Annedore „Katja" Havemann, weiter vom Fernsehens der DDR war die HA XX/7. Die Quelle Staatssicherheitsdienst beobachtet. Dies ergibt sich aus IM „Gregor" stand aber nur mit der HA XX/OG inof- dem Bericht „über festgestellte Aktivitäten und Vorha- fiziell in Kontakt. Demnach konnte sie unter Beibe- ben von Annedore Havemann seit Juni 1982" vom haltung der bestehenden Verbindungen zur HA XX/ 20. August 1982 (Dok. Nr. 47). Als Katja Havemann im OG für die „Sicherung" des DDR-Fernsehens nur ge- Januar 1983 einen Brief mit dem Titel „In den Schulen nutzt werden, indem ihre Informationen über Franz üben sie Krieg" im „Stern" veröffentlichen ließ, erarbei- Dötterl der HA XX/7 von der HA XX/OG zur Verfü- tete die HA XX des MfS den streng geheimen, in fünf gung gestellt wurden. Es ist belegt, daß die Quelle Exemplaren gefertigten „Vorschlag zur Einleitung von IM „Gregor" dem MfS-Offizier Lohr ausführlich über Maßnahmen gegen Havemann, Annedore ... " vom Franz Dötterl und über dessen Probleme mit dem 12. Januar 1983 (Dok. Nr. 251 (83a, 83b)). Ausweislich DDR-Fernsehen berichtet hat. des Verteilers auf Dokument Nr. 251 erhielten Minister

Drucksache 13/10893 Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode

Mielke, sein Stellvertreter Mittig sowie die Leiter der me für das Gespräch mit Katja Havemann gewonnen HA IX, XX und XX/9 jeweils ein Exemplar des Vor- werden. Dies heiße, daß das MfS einen Dritten, in schlags. Darin schlug die HA XX des MfS die Einleitung diesem Fall die Staatsanwältin, veranlaßt habe, auf strafrechtlicher Maßnahmen gegen Annedore Have- ihn, Gysi, Einfluß zu nehmen. Im anderen Fall wäre mann vor (s. Dok. Nr. 251 (83a, 83b)). In diesem Zusam- von einem Auftrag an IM „Notar" oder IM „Gregor" menhang heißt es: „Sollte aus rechtspolitischen Grün- die Rede gewesen. den die Durchführung eines Ermittlungsverfahrens nicht zweckmäßig sein, wird vorgeschlagen, durch Die Verwendung des Begriffs „opera tive Einflußnah- operative Einflußnahme Rechtsanwalt Dr. Gysi, der me" in bezug auf Gregor Gysi im Dokument Nr. 251 Havemann, Annedore, in allen juristischen Angele- (83a, 83b) anstelle einer direkten Beauftragung des genheiten vertritt, zu veranlassen, aufgrund der Veröf- IM „Notar" kann aber auch der inneren Konspiration fentlichung ein Gespräch mit ihr zu führen. Dabei ist im MfS selbst gedient haben. Ausgehend von einem ihr in Verbindung mit einer Rechtsbelehrung zu erklä- größeren Verteilerschlüssel des Maßnahmeplanes ren, derartige oder ähnliche Aktivitäten im eigenen In- (Dok. Nr. 251 (83a, 83b)) hätte eine derartige Verfah- teresse zu unterlassen, da ansonsten die Gefahr einer rensweise als angebracht erscheinen können. Dabei strafrechtlichen Verfolgung besteht." In einer dazu- ist insbesondere zu berücksichtigen, daß dem Quel- gehörigen „Kurzauskunft über (...) Havemann geb. lenschutz beim MfS hohe Bedeutung zukam. So wa- Grafe, Annedore" taucht - unter anderem - der „IM ren „Informationen an leitende Partei- und Staats- ,Notar' ' als „mit der op. Bearbeitung beauftragt" auf. organe (...) grundsätzlich so abzufassen, daß keine Rückschlüsse auf die Quellen gezogen werden kön- Aus einem Telefonabhörprotokoll vom 1. Februar nen. (...) Qu. ist innerhalb des MfS gegenüber ande- 1983 (Dok. Nr. 253) ergibt sich, daß Gregor Gysi an ren Angehörigen sowie gegenüber anderen operati- diesem Tag über den Anschluß der Frau H. Katja Ha- ven Diensteinheiten zu gewährleisten." (Suckut vemann anrief. In der Unterlage heißt es u. a:: „Dieser (Hrsg.), Das Wörterbuch der Staatssicherheit, Stich- [Gysi] äußert, daß er mal mit ihr [Katja Havemann] wort: Quellenschutz). sprechen müßte. (...) Er wi ll mit Katja etwas wegen Aufgrund des konkreten Ablaufes der Geschehnisse des Hauses besprechen und noch etwas anderes. " In liegt ein gezieltes Zusammenwirken von Gregor Gysi einem weiteren Telefonabhörprotokoll vom folgen- mit dem MfS nahe. Denn Gregor Gysi hat dem Vor- den Tag (Dok. Nr. 254), das ein Gespräch Katja Have- schlag des MfS entsprechend Annedore Havemann manns mit ihrer Schwester wiedergibt, findet sich über mögliche strafrechtliche Konsequenzen ihres u. a: die Aussage: „Katja erklärt, sie wäre in Eile, weil Handelns unterrichtet. Auch die zweite Erklärung für sie auf Gysi wartet." die Formulierung „operative Einflußnahme" ist im Aus dem handschriftlichen „Monatsbericht Februar Hinblick auf die auch innerhalb des MfS durchge- 1983" der HA XX/9/II (Dok. Nr. 50) ist dann schließ- führte Konspiration und Verschleierung hinsichtlich lich zu erfahren, daß „entsprechend den vorgeschla- der Identität der IM schlüssig. Demgegenüber kann genen op. Maßnahmen (...) durch eine zuverlässige jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit ausge- inoffizielle Quelle hinsichtlich in der BRD-Zeitung schlossen werden,- daß der Vortrag des Abg. Gysi die „Stern " Nr. 2 vom 06.01.1983 erfolgten Veröffentli- Geschehnisse zutreffend darstellt. Der 1. Ausschuß chung eines Briefes der Havemann, Annedore (...) stützt daher seine Überzeugung bezüglich einer Zu- unter dem Titel „In den Schulen üben sie Krieg" mit sammenarbeit Gregor Gysis mit dem MfS nicht auf der Havemann, Annedore ein Gespräch geführt und diese Ereignisse. sie auf die möglichen strafrechtlichen Folgen nach Dem Ausschuß liegen weitere Dokumente mit Bezug § 219 Abs. 2 Ziff. 1 StGB hingewiesen [wurde]". zu Annedore (Katja) Havemann vor. Im Arbeitsbuch des Majors Lohr (Dok. Nr. 82, vgl. a. Dok. Nr. 252) fin- Abg. Dr. Gysi hat hierzu in der Anhörung vom 11./12. den sich auch zu Katja Havemann Einträge. Dieser Juni 1997 vorgetragen, er sei wegen des Stern-Arti- notierte sich am 18. Januar 1983: kels von Katja Havemann zu einer Staatsanwältin Heier von der Generalstaatsanwaltschaft der DDR „II.) Katja Havemann bestellt worden. Diese habe ihm gesagt, daß sich - Pkt. 2 durchführen mit ,Notar'. seine Mandantin mit der Veröffentlichung des Arti- Ziel: H. wegkraulen DDR-verlassen. kels eigentlich strafbar gemacht hätte. Sie wolle noch a) Antrag stellen einmal davon absehen, ein Ermittlungsverfahren ge- gen Katja Havemann einzuleiten, würde dies im Wie- b) Reisen lassen - nicht zurück lassen. derholungsfalle allerdings tun. Dies solle er, Gysi, (...)". Katja Havemann sagen. Die Staatsanwältin habe ihm zunächst den fraglichen Artikel nicht zeigen wollen, Unter dem 14. Oktober 1983 findet sich der Eintrag: weil sie sich nicht sicher gewesen sei, ob sie dies ge- „RGW - Verteidig.ministertagung (...) durft hätte. Sie habe es schließlich doch getan, aber eindringlich darum gebeten, dies niemandem zu - was vorher tun? sagen. Dies habe ihn, Gysi, dann in eine schwierige mit welcher Frau auf welcher Grundlage spre- Situation gebracht, weil er Katja Havemann zwar die chen. Belehrung habe mitteilen können, nicht hingegen, woher er den Artikel gekannt habe. Havemann XX/9-Gysi (Notar) mit VIII reden. Poppe Im übrigen heiße es in Dokument Nr. 251 (83a, 83b), Rechtsanwalt Gysi solle durch opera tive Einflußnah -Rathenow

Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode Drucksache 13/10893

Die Durchstreichungen sind im O riginal stärker und 1980 im Büro von Rechtanwalt Dr. Gysi die Ehefrau lassen die durchgestrichenen Namen fast unleser lich von Frank-Wolf Matthies und bat um Übernahme der werden. Verteidigung ihres Mannes. Dr. Gysi war zu diesem Zeitpunkt nach Angaben des Berichts nicht in sei- Abg. Dr. Gysi hat dazu vorgetragen, auch diese Ein- nem Büro. tragungen seien kein Beleg dafür, daß der Deckname „Notar" in jedem einzelnen Fall zwingend ihm zuzu- Aus einer weiteren Unterlage (Dok. Nr. 35), die eben- ordnen wäre. Es sei nicht erklärlich, warum Major falls keine Quellenangabe enthält, ergibt sich, daß Lohr, der allein Zugang zu dem Aufzeichnungsbuch Frank-Wolf Matthies gemeinsam mit seiner Ehefrau gehabt hätte, seinen, Gysis, „Klarnamen" hätte aus- am 1. Dezember 1980 „seinen Rechtsanwalt Dr. Gysi" streichen sollen, wenn er ihn einmal hingesch rieben aufsuchte. Dieses Dokument gibt den wesentlichen hätte und er tatsächlich „Notar" gewesen sei. Das Inhalt des Gesprächs wieder und endet mit folgender Durchstreichen seines Namens und das Hinschrei- Aussage: „An der Erlangung weiterer Informationen ben des Decknamens „Notar" könne genauso als wird gearbeitet. " Hinweis darauf interpretie rt werden, daß er nicht ge- meint gewesen sei (Schreiben vom 9. August 1995). Mit Datum vom 15. Dezember 1980 (Dok. Nr. 225) bzw. 16. Dezember 1980 (Dok. Nr. 78) liegt eine Zu- Der Ausschuß gibt dem Abg. Dr. Gysi insoweit Recht, sammenstellung von „Maßnahmen zur Verhinde- daß die Streichung des Namens vieldeutig ist und rung der Zusammenkunft in der Wohnung des Rückschlüsse auf eine Zusammenarbeit mit dem MfS MATTHIES, Frank-Wolf am 23. 12. 1980" der sich allein hieraus nicht ergeben. Allerdings hält der „Hauptabteilung XX" vor. Hierin heißt es unter Zif- Ausschuß in diesem Zusammenhang fest, daß die fer 2.: „Unter Ausnutzung der bestehenden op. Mög- Verwendung des Decknamens in persönlichen Noti- lichkeiten wird der Verteidiger des Beschuldigten zen im Arbeitsbuch des MfS-Offiziers Lohr und die Matthies, Dr. Gregor Gysi, veranlaßt, Matthies im In- dort festgehaltene Absicht mit „Notar" etwas durch- teresse eines günstigen Strafverfahrensausganges zu zuführen, für eine konkrete Person sprechen. Dies beeinflussen, den an ihn seitens des Staatsanwaltes steht dem allgemeinen, durch ein Schreiben des ehe- gestellten Forderungen nachzukommen. " maligen MfS-Offiziers Wolfgang Reuter (Anlage zum Schreiben der Abg. Lederer vom 26. April 1995) ge- Abg. Dr. Gysi erklärt zum Bericht auf Dokument stützten, Vortrag des Abg. Dr. Gysi entgegen, bei Nr. 224, dieser belege, daß die HA XX/OG eine von „Notar" habe es sich um eine Materialsammlung ge- ihm unabhängige Quelle in seinem Büro gehabt ha- handelt. ben müsse, da er bei den hierin aufgeführten Vor- Mit Bezug auf Katja Havemann liegt schließlich eine gängen nicht anwesend gewesen sei. weitere Tonbandabschrift der Hauptabteilung XX/9 Der 1. Ausschuß sieht in der Zusammenstellung der vor (Dok. Nr. 264). Sie datiert vom 26. März 1985 und HA XX von „Maßnahmen zur Verhinderung der Zu- gibt als Quelle „IMS ,Notar" an, entgegengenom- sammenkunft in der Wohnung des Matthies, Frank- men hat sie „OSL Lohr, 23.3.1985". Wiedergegeben Wolf" (Dok. Nr. 225, 78) einige Anhaltspunkte, daß wird „eine Rücksprache zwischen Frau Katja Have- - Dr. Gysi auch im Rahmen des Mandatsverhältnisses mann und Rechtsanwalt Dr. Gysi. Die Rücksprache fand am 19.3.1985 im Büro von Rechtsanwalt Dr. Gysi Frank-Wolf Matthies mit der HA XX/OG des MfS in- offiziell zusammengearbeitet hat. Insgesamt erschei- statt." Die Tonbandabschrift schildert detail liert zwei nen dem 1. Ausschuß die hierzu vorliegenden MfS Anliegen von Frau Havemann und die jeweilige Be- Unterlagen jedoch nicht ausreichend, um seine be- ratung durch Gregor Gysi. reits im anderen Zusammenhang begründete Über- Der 1. Ausschuß hält auch in diesem Zusammenhang zeugung einer inoffiziellen Zusammenarbeit Gregor aufgrund der konkreten Darstellungs-weise des Be- Gysis mit dem MfS auch hierauf zu stützen. Entge- richts eine Zusammenarbeit zwischen Gregor Gysi gen der Auffassung des Abg. Dr. Gysi wird durch und dem MfS für naheliegend. Dennoch macht der den Bericht vom 21. November 1980 (Dok. Nr. 224) Ausschuß, im Hinblick darauf, daß der Bericht keine jedoch nicht belegt, daß eine von ihm unabhängige Wendungen enthält, die zwingend auf eine Teilnah- Quelle der HA XX in seiner Umgebung tätig gewe- me am Gespräch zwischen Gregor Gysi und Katja sen ist. Obwohl Dr. Gysi nach dem Bericht auf Doku- Havemann hinweisen und damit eine andere Infor- ment Nr. 224 zum Zeitpunkt des Besuches von Frau mationsquelle aus dem Dokument heraus nicht aus- Matthies am 19. November 1980 nicht in seinem Büro geschlossen werden kann, diesen Sachverhalt nicht anwesend war, konnte ihm deren Anliegen auch zur Grundlage seiner für die Feststellung einer Zu- noch nachträglich von Mitarbeitern seines Büros mit- sammenarbeit zwischen Gregor Gysi und dem MfS geteilt worden sein. notwendigen Überzeugung.

6.7 Bettina Wegner 6.6 Frank - Wolf Matthies Mit Bezug auf Bettina Wegner liegen dem 1. Aus- Zu Frank-Wolf Matthies liegt ein als Tonbandab- schuß zunächst die Dokumente Nr. 7 und 8b vor; da- schrift gekennzeichneter Bericht der „Hauptabtei- bei geht es neben anderen Informationen um einen lung XX/OG " vom 21. November 1980 vor (Dok. Verteidigungsauftrag für Karl-Ulrich Winkler, den Nr. 224). Nach diesem Bericht, der keine besondere Bettina Wegner im Herbst 1980 dem Rechtsanwalt Quellenangabe enthält, erschien am 19. November Gregor Gysi erteilte. Diese Dokumente hat der Aus- Drucksache 13/10893 Deutscher Bundestag —13. Wahlperiode schuß bereits unter Ziffer 6.2.7 gewürdigt, hierauf über liegen zwei Vermerke der HA XX/9 über Be- wird verwiesen. sprechungen zwischen Gerd Poppe und Dr. Gregor Gysi, dem Verteidiger von Ul rike Poppe, vor (Dok. Daneben liegt dann noch ein weiteres Dokument Nr. 11, 12). Bei Dokument Nr. 12 handelt es sich um (Nr. 256 (49)) vor, bei dem es sich ebenfa lls um eine eine Tonbandabschrift. In beiden Unterlagen wird Tonbandabschrift handelt. Sie enthält einen „Ver- „Notar" bzw. „IM Notar" als Quelle angegeben. Wie- merk über eine Rücksprache zwischen Bettina Weg- derum besteht ein unmittelbarer Bezug zwischen ner und ihrem Rechtsanwalt Dr. Gregor Gysi am „Notar" und Rechtsanwalt Dr. Gysi als Gesprächs- 2.3.1983". Hier ist der Name des als Quelle angege- partner. benen IMS sowohl im Kopf als auch am Ende des Dokuments geschwärzt. Als Dokument Nr. 13 liegt dem Ausschuß ein nicht Zu diesem Dokument lassen sich aufgrund der datierter Vermerk der HA XX/9 vor, in dem es heißt: Schwärzung keine eindeutigen Aussagen treffen. „Am 4. 1. 1984 übergab der IM ,Notar' eine Erklä- rung des Poppe, Gerd (Anlage), die er am 4. 1. 1984 um 16 Uhr bei seinem Rechtsanwalt Dr. Gysi abgab." Die hier erwähnte Erklärung hat der Bundesbeauf- 6.8 Gerd und Ulrike Poppe tragte als Dokument Nr. 139 übersandt. Die Erklä- rung selbst trägt das Datum 3. Januar 1984. Sie ist Der Bundesbeauftragte hat dem 1. Ausschuß ver- mit der Maschine geschrieben und ebenfalls maschi- schiedene Unterlagen vorgelegt, die das Mandatsver- nenschriftlich mit „Gerd Poppe" unterzeichnet. hältnis mit Gerd und Ul rike Poppe betreffen. Zu die- sen Unterlagen gehört ein „Vermerk über einen Be- Der Bundesbeauftragte hat dazu ausgeführt, das in such von Gerd Poppe bei Rechtsanwalt Dr. Gregor dem Vermerk (Dok. Nr. 13) angegebene Datum Gysi am 29. 11. 1982, nachmittags in der Sprech- „4. 1. 1984" beziehe sich sowohl auf die Übergabe stunde" (Dok. Nr. 48). Die Kopfzeile dieses Vermerks der Erklärung von Gerd Poppe an Gregor Gysi als weist darauf hin, daß er von der HA XX/2XX stammt. auch auf die Übergabe dieser Erklärung an das MfS Die IM-Vorlaufakte zu Dr. Gysi selbst wurde aber von durch Gregor Gysi vom gleichen Tag (BStU, Schrei- der HA /9 geführt, in der auch die MfS-Offiziere ben vom 5. März 1997). Die beiden Unterlagen (Dok. Lohr und Reuter tätig waren, deren Namen in den Nr. 13 und 139) wurden als aufeinanderfolgende hier zu untersuchenden Akten häufig auftauchen. Blätter von Band 16 des Operativen Vorgangs (OV) „Zirkel" aufgefunden. Diesen Operativvorgang Abg. Dr. Gysi zieht aus diesem Umstand die Schluß- führte das MfS u. a: zu Gerd Poppe. folgerung, daß nicht allein die HA XX/OG, sondern auch die HA XX/2 über eine von seiner Person unab- Abg. Dr. Gysi folgert aus diesen Unterlagen, daß er hängige Informationsquelle in seinem Büro verfügt nicht „IM Notar" gewesen sein könne. Gerd Poppe habe. Als Beleg hat Abg. Dr. Gysi eine weitere Unter- sei zwar an dem fraglichen 4. Januar 1984 in seinem lage aus den Beständen des MfS vorgelegt, die ein Büro gewesen und habe ihn gebeten, dessen Erklä- im Büro von Dr. Gysi geführtes Mandantengespräch rung vom 3. Januar 1984 dem Generalstaatsanwalt aus dem Jahre 1979 wiedergibt. Das Dokument wur- der DDR zuzusenden. Gerd Poppe habe aber ledig- de laut Kopfzeile ebenfa lls in der HA XX/2 angefer- lich ein Exemplar der Erklärung bei sich gehabt und tigt (Schreiben vom 17. April 1997, Anlage 33). Es ist dieses auch wieder mitgenommen. Er habe daher davon auszugehen, daß sich neben der HA XX/9 den Text von dieser Vorlage mit der Hand abge- auch die HA XX/2 des MfS mit der Angelegenheit schrieben, da er selbst nicht im Besitz eines Kopier- befaßt hat. Für diese Einschätzung spricht auch die gerätes gewesen sei. Seine Sekretärin habe die handschriftlich eingefügte Ergänzung in der Kopf- handschriftliche Fassung erst am 6. Januar 1984 mit zeile des Vermerks der HA XX/9 (Dok. Nr. 13). Der der Maschine abgeschrieben und diesen Text zusam- Vermerk (Dok. Nr. 48) stammt aus der HA XX/2. Im men mit einem Anschreiben an den Generalstaatsan- Gegensatz etwa zu der Tonbandabschrift (Dok walt der DDR übergeben. Abg. Dr. Gysi führt in sei- Nr. 12) handelt es sich hier nicht um einen vom OSL nem Anschreiben weiter aus, daß die maschinen- Lohr entgegengenommenen Bericht der Quelle IM schriftliche Fassung mit der handgeschriebenen Vor- „Notar", sondern um einen nicht gezeichneten inter- lage inhaltlich identisch sei. Bei einem Vergleich der nen Bericht ohne jede externe Quellenangabe. Nach von seiner Sekretärin hergestellten Fassung mit der Auffassung des Ausschusses kann aus dieser Er- dem MfS übergebenen Fassung (Dok. Nr. 13) ergebe kenntnis jedoch nicht abgeleitet werden, daß es eine sich schon im Schriftbild ein erheblicher Unterschied. weitere externe Quelle gegeben hat. Darüber hinaus seien auch die Texte selbst unter- Die dem Ausschuß vorliegenden Akten ergeben viel-- schiedlich. Er sei also am 4. Januar 1984 nicht im mehr, daß es im Rahmen des Informationsaustau- Besitz einer schreibmaschinenschriftlichen Fassung sches zwischen den verschiedenen Abteilungen des der Erklärung von Gerd Poppe gewesen. Für die MfS einen internen Austausch von Unterlagen über Richtigkeit dieser Darstellung der Ereignisse spreche Gerd Poppe gegeben hat. Die Existenz eines solchen die Angabe von Gerd Poppe selbst, daß er seinem internen Austauschs belegt die handschriftlich ein- Rechtsanwalt eine inhaltlich und orthographisch kor- gefügte Ergänzung in der Kopfzeile des Vermerks rekte Erklärung vorgelegt habe. Demgegenüber sei der HA XX/9 (Dok. Nr. 13). die Fassung in der MfS-Akte inhaltlich und orthogra- phisch fehlerhaft. Weitere Unterlagen stehen im Zusammenhang mit den Ereignissen nach der Verhaftung und Inhaftie Der mit dieser Darstellung von Abg. Dr. Gysi verbun rung von Ulrike Poppe im Dezember 1983. Hier- dene Entlastungsbeweis ist nach Überzeugung des

Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode Drucksache 13/10893

Ausschusses nicht erbracht. So ist es unstreitig, daß um in der Maschinenschrift in Anführungsstriche ge- die als Dokument Nr. 139 vorliegende Erklärung die setzt, während die Handschrift darauf verzichtet. Ge- in der Einlassung von Abg. Dr. Gysi beschriebenen rade die Art dieser Fehler sind typisch für Übermitt- Unterschiede gegenüber der ihm von Gerd Poppe lungsfehler beim Vorlesen von Texten. Sie sind aber am Nachmittag des 4. Januar 1984 zur Kenntnis ge- untypisch für Fehler beim Abschreiben von Texten. brachten Fassung enthält. Die Ereignisse vom 4. bis Eine Bestätigung erfährt diese Beweiswürdigung zum 6. Januar 1984 legen nach Überzeugung des durch die spätere Abschrift des Textes in der An- Ausschusses vielmehr eine andere Schlußfolgerung waltskanzlei selbst, die originalgetreu vom hand- nahe. Aus den Akten ergibt sich, daß der Zugang der schriftlichen Original abgeschrieben wurde und die Erklärung beim MfS bereits am 4. Januar 1984 erfolgt genannten Fehler nicht enthält. Die fernmündliche ist. Dem Ausschuß liegen keinerlei Erkenntnisse vor, Übermittlung erschließt sich auch aus der hand- daß die Erklärung aus der Umgebung von Gerd schriftlich falschen Datumsangabe in der letzten Poppe in den Besitz des MfS gelangt sein kann. Wie Zeile („4. 1. 83"). In der Kanzlei wurde von dieser von Abg. Dr. Gysi unwidersprochen festgestellt, war fehlerhaften Handschrift - der Fehler wiederum Gerd Poppe im Besitz der selbst verfaßten stilistisch übertragen und später offensichtlich handschriftlich und orthographisch korrekten Originalfassung, die korrigiert. Bei der Telefonübermittlung an das MfS Poppe selbst wieder mitgenommen hatte, weil er erfolgte die Korrektur aber bereits während der keine Durchschrift besaß. Abg. Dr. Gysi hat in seiner Übermittlung. Dort heißt es korrekt „4. 1. 1984". Stellungnahme selbst nicht behauptet, ein mögli- Es läßt sich aber nicht mit der notwendigen Gewiß- cherweise fehlerhaftes O riginal von Gerd Poppe bei heit die Feststellung treffen, daß Rechtsanwalt Dr. seiner Abschrift korrigiert zu haben. Gysi persönlich diese telefonische Übermittlung vor- Nach Überzeugung des Ausschusses kommt für die genommen hat. Aus der Tatsache, daß Dr. Gysi die Übermittlung der fehlerhaften Zweitfassung der Er- Erklärung mit der Hand abgeschrieben hat, statt sie klärung an das MfS nur Rechtsanwalt Dr. Gysi selbst wie ansonsten üblich zu diktieren, legt die Vermu- oder seine unmittelbare Umgebung in Betracht. Die- tung nahe, daß er dieses Verfahren wählte, um auf ser Befund wird durch den Vermerk (Dok. Nr. 13) be- diese Weise nach dem Ende des Gesprächs mit Gerd legt, aus dem hervorgeht, daß die Erklärung von Poppe dessen Erklärung schneller fernmündlich der Gerd Poppe an Rechtsanwalt Dr. Gysi übergeben HA XX/9 zu übermitteln zu können. Da seine Mit- und aus dessen Bereich noch ab dem späten Nach- schrift in jedem Fa ll die Quelle des MfS-Vermerks ist, mittag des gleichen Tages, dem 4. Januar 1984, der läßt es als äußerst unwahrscheinlich erscheinen, daß HA XX/9 des MfS zugeleitet wurde. er aus seinem Bereich in den Bereich eines Mitarbei- ters gelangt sein könnte, der unter dem Decknamen Es liegen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, „IM Notar" den Text binnen weniger Stunden beim daß die vom Original abweichende maschinenschrift- MfS telefonisch übermittelt und abschreiben lassen liche Niederschrift der Erklärung im Büro von konnte. Rechtsanwalt Dr. Gysi entstanden sein muß. Die stili- stischen Mängel, orthographischen Fehler und Ab- Der Ausschuß sieht aus den vorgenannten Gründen weichungen vom Original lassen es vielmehr als si- davon ab, aus diesem Vorgang der Übergabe der Er- cher erscheinen, daß diese Niederschrift beim MfS klärung vom 4. Januar 1984 Rücksschlüsse über eine aufgrund fernmündlicher Übermittlung selbst erfolgt inoffizielle Mitarbeit von Dr. Gysi mit dem MfS zu ist. Da das Gespräch zwischen Dr. Gysi und Gerd ziehen. Poppe erst am späten Nachmittag nach 16 Uhr be- Insgesamt ist der Ausschuß jedoch davon überzeugt, endet war, kann diese Übermittlung nur in einem daß Dr. Gysi dem MfS personenbezogene Informatio- relativ kurzen zeitlichen Abstand nach dem Ende nen aus dem Mandatsverhältnis zu Gerd und Ul rike dieses Gesprächs erfolgt sein. Die Umstände des Ge- Poppe zugeleitet und somit inoffiziell mit dem MfS schehens lassen keinen anderen Schluß zu, als daß zusammengearbeitet hat. der Kontakt zum MfS telefonisch hergestellt wurde. Die handgeschriebene Abschrift der Erklärung aus Unmittelbare Belege für eine inoffizielle Zusammen- dem Gespräch mit Gerd Poppe lag im Büro vor, so arbeit ergeben sich durch die Auswertung der Doku- daß der Text nur vorgelesen werden mußte. mente 11, 12 und 48. In allen drei Dokumenten fin- den sich persönliche Bewertungen und Einschätzun- Die Abweichungen der beim MfS am 4. Januar 1984 gen zur Person Gerd Poppes, die sich ausschließlich ginal lassen sich leicht vorliegenden Fassung vom O ri auf Inhalt und Atmosphäre des jeweils vorangegan- als übliche Ungenauigkeiten beim Ablesen, der tele- genen Gesprächs beziehen und nur von einem un- fonischen Übermittlung und der Niederschrift eines mittelbaren Gesprächsteilnehmer getroffen werden Schriftstücks erklären. Auffällig ist, daß die von Abg. können. Dr. Gysi dem Ausschuß vorgelegte Kopie seiner handschriftlichen Abschrift der Erklärung bestimmte So enthält die Tonbandabschrift von IM „Notar" vom Fehler der dem MfS vorliegenden maschinenschriftli- 4. Januar 1984 über ein Gespräch zwischen Dr. Gysi chen Exemplars nicht enthielt. So ist beispielsweise und Gerd Poppe vom 29. Dezember 1983 (Dok. die Schreibweise von „Dementi" richtig, während Nr. 12) die Bemerkung, „Im Laufe des Gespräches das MfS-Exemplar „Dementi" schreibt. In Abschnitt 3 stellte sich dann heraus, daß Herr Poppe sehr gut in- fehlt ausgerechnet das erste Wo rt „Es" und in Ab- formiert ist". Es folgen dann Beispiele aus der Unter- schnitt 4 fällt der Kommafehler auf, der in dem Hand- redung. Dieser Vermerk muß als Beleg für die inoffi- schriftexemplar von Dr. Gysi nicht vorhanden ist. Die zielle Zusammenarbeit von Dr. Gysi mit dem MfS be- FAZ [Frankfurter Allgemeine Zeitung] wird wieder- trachtet werden. Der Vermerk enthält die Quellenan-

Drucksache 13/10893 Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode gabe „Notar" und ist vom MfS-Ofizier Lohr erstellt Unterstützung zu, die Angelegenheit nochmals in worden. Es geht aus dem Vermerk hervor, daß Dr. dem von uns vorgetragenen Sinne zu prüfen (...)." Zu Gysi berichtet hat. Der Bezug zwischen dem Klarna- dieser Angelegenheit existiert ein Eintrag im persön- men und dem Decknamen „Notar" wird hergestellt. lichen Aufzeichnungsbuch des MfS-Offiziers Lohr vom 31. Januar 1984 (Dok. Nr. 82). Der Eintrag ist teil- In dem Vermerk von IM „Notar" für die HA XX/9 weise unleserlich und enthält den folgenden Inhalt: vom 15. Dezember 1983 über ein Gespräch vom glei- chen Tag wird eine psychologische Einschätzung der I. Verfassung von Gerd Poppe angesichts der Inhaftie- • SFB Thomas Eckert (...) rung seiner Frau und seiner familiären Situa tion ge- geben (Dok. Nr. 11). Diese Darstellungen sind juri- • Einschätzung „Notar" zu E. stisch völlig irrelevant. Sie können auch nicht als Ge- (...) schon verkauft an „Notar" (?) was ist mit dächtnisstütze oder als Schutz vor möglichen stan- 4 Schränken, desrechtlichen Problemen angesehen werden. Die Qualität einer Rechtsberatung hat mit schriftlich nie- (Kulturgut der DDR) muß angemeldet werden dergelegten Beobachtungen in der hier vorliegenden Unbedenklichkeitsbescheinigung(?) [...?] „No- Form nichts gemein. Die Ausführungen sind einzig tar" [...?]. für das MfS von Belang, daß auf diese Erkenntnisse 1. Schränke bleiben in DDR'. seine Strategien beim Umgang oder sogar bei der versuchten „Zersetzung" von Oppositionellen auf- Abg. Dr. Gysi erklärt, er sei nicht befugt gewesen, bauen konnte. Unbedenklichkeitsbescheinigungen auszustellen. Zu- dem sei er von Thomas Eckert nicht beauftragt wor- Es ist ausgeschlossen, daß diese Erkenntnisse durch den, sich um eine Ausfuhrbescheinigung zu küm- Abhören der Gespräche entstanden sind. Nach Mit- mern. Aus Dokument Nr. 261 ergebe sich, daß sich teilung des Bundesbeauftragten beziehen sich Ab- Thomas Eckert allein um die Ausfuhrgenehmigung hörprotokolle nur auf den eigentlichen Gesprächs- seines Kulturgutes bemüht habe und die HA XX des verlauf und enthalten keine Aussagen zur Atmo- MfS selbst auf Erteilung der Genehmigung beim Kul- sphäre zwischen den Gesprächspartnern oder Ein- turminister der DDR gedrängt habe. Abg. Dr. Gysi schätzungen zum Befinden von Personen (BStU, Gut meint, insofern sei auch der eindeutige Nachweis er- achterliche Stellungnahme, S. 7). bracht, daß der MfS-Offizier Lohr den Decknamen Zur Überzeugung des 1. Ausschusses steht eine in- „Notar" auch dann benutzt habe, wenn kein Zusam- offizielle Zusammenarbeit von Dr. Gysi mit dem MfS menhang mit seiner Person bestanden habe. in diesem Zusammenhang fest. Nach Auffassung des 1. Ausschusses enthält die Ver- wendung des für Gregor Gysi genutzten Decknamens „Notar" im persönlichen Aufzeichnungsbuch des MfS-Offiziers Lohr Hinweise dafür, daß er in die Über- 6.9 Thomas Eckert legungen des MfS-Offiziers Lohr mit Bezug auf Thomas Eckert einbezogen wurde. Aufgrund der zu Im Jahre 1984 war Dr. Gysi für den wegen seiner Thomas Eckert nur fragmentarisch vorliegenden Übersiedlung nach West-Berlin aus der Staatsbürger- MfS-Unterlagen stützt der 1. Ausschuß seine Überzeu- schaft der DDR entlassenen Thomas Eckert anwalt- gung, daß Dr. Gysi inoffiziell mit der HA XX des Mf S lich tätig. Anläßlich der Übersiedlung entstand ein zusammengearbeitet hat, nicht auf diese Dokumente. Streit zwischen der Staatsleitung und Thomas Eckert Entgegen dem Vortrag des Abg. Dr. Gysi erbringen die hinsichtlich der Ausfuhr von vier antiken Möbel- zu Thomas Eckert vorliegenden Dokumente jedoch stücken. nicht den Nachweis, daß der Deckname „Notar" auch Aus einem „Vorschlag zur Durchführung einer Maß- dann vom MfS benutzt worden sei, wenn kein Zusam- nahme" der HA XX/2 vom 9. März 1984 (Dok. Nr. 261) menhang zu seiner Person bestünde. ergibt sich, daß das MfS ein Verbringen der vier anti -ken Möbel nach West-Berlin nicht für möglich hielt, weil es sich um Kulturgut der DDR handelte. Unter 6.10 Bärbel Bohley anderem wird ausgeführt: „Der (...) [Anm.: Thomas Eckert] beabsichtigte, sich über rechtliche Konse- Dem 1. Ausschuß liegt zunächst das Schreiben eines quenzen dieses Vorgehens am 8. 3. 1984 mit Rechts- West-Berliner Anwalts an Gregor Gysi vom 5. Januar anwalt Gysi zu beraten." Der Maßnahmeplan endete 1984 (Dok. Nr. 52) vor. In einem Vermerk der Haupt- mit dem handschriftlich ergänzten Vorschlag: „Über - abteilung XX vom 10. Januar 1984 (Dok. Nr. 53) heißt die Abt. VI sollte der Umzug beim Zoll entsprechend es dazu: „Am 9.1.1984 wurde inoffiziell bekannt, daß avisiert werden oder über die HA XX ist die Geneh- Rechtsanwalt Dr. Gysi ein Schreiben des Westberli- migung der Ausfuhr der 4 Kulturgüter aus pol. Grün- ner Rechtsanwaltes (...) in der Angelegenheit Bärbel den offiziell zu gestatten." In einem Schreiben des Bohley erhielt (Anlage). Nach Auffassung von Dr. Leiters der Hauptabteilung XX vom 25. Oktober Gysi bestehen folgende Möglichkeiten, zu reagieren: 1983 an die Bezirksverwaltung für Staatssicherheit, (...). Um eine kurzfristige Entscheidung zur Verfah- Abteilung XX (Dok. Nr. 261) wird u. a. dargelegt: rensweise wird gebeten. " Das Dokument Nr. 53 läßt „Zur Realisierung Ihrer Anfrage wurde dem Minister keinen Adressaten oder Verfasser erkennen. für Kultur (...) das Anliegen der Ausfuhr von Kunst- gut des Eckert, Thomas nach Berlin-West vorgetra- Hinreichende Rückschlüsse für eine diesbezügliche gen. Der Minister für Kultur sicherte dem MfS seine Zusammenarbeit des MfS mit Gregor Gysi lassen sich

Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode Drucksache 13/10893 aus diesen Dokumenten nach Auffassung des Aus- dies im wesentlichen Ausdruck der Abstimmung schusses nicht ziehen. zwischen Untersuchungsorgan des MfS auf zentraler Ebene, der HA IX, und der Generalstaatsanwalt- Bärbel Bohley war im Januar 1988 verhaftet worden. schaft der DDR. Diese Vorhaben sind jedoch einge- Im Februar 1988 reiste sie zusammen mit Werner bettet in die von der HA XX insgesamt vorgesehenen Fischer aus der DDR aus, mit der Absicht, nach Ab- Maßnahmen. lauf von sechs Monaten zurückzukehren. Dieses Verhalten war wohl Ergebnis eines Kompromisses . In der vom Abg. Gysi vorgelegten Broschüre „Gysi ./. (siehe dazu Dok. Nr. 279). Offenbar bestand jedoch Gauck" wird zu Dokument Nr. 88 darauf verwiesen, beim MfS zunächst das Interesse, Bärbel Bohley und daß Gregor Gysi entgegen den Absichten des MfS auch Werner Fischer dauerhaft aus der DDR fernzu- für die Wiedereinreise von Bärbel Bohley „agierte". halten. Der Bundesbeauftragte hat dazu ein undatier- Der IM „Sputnik" tauche an anderen Stellen nicht tes Fragment eines Maßnahmeplanes vorgelegt mehr auf, wahrscheinlich habe es ihn nie gegeben, (Dok. Nr. 88), das vorsieht, die „Voraussetzungen der es sei jedenfalls nicht Gregor Gysi. Zu dem Maßnah- IM (...) ,Sputnik' /Verantw.: HA XX/9/Gen. Oberstltn. meplan auf Dokument Nr. 89 trägt der Abg. Dr. Gysi Lohr / zur persönlichen Einflußnahme auf BOHLEY in seiner Stellungnahme vom 9. August 1995 vor, daß und FISCHER (...) zu nutzen , um zu erreichen, daß das MfS keine direkte Einflußnahmemöglichkeit auf beide von ihren Absichten der Rückkehr in die DDR ihn gehabt habe. Es habe sich der Generalstaats- Abstand nehmen." Diese Konzeption ist jedoch of- anwaltschaft bedienen müssen, dies werde aus den fenbar nicht weiterverfolgt worden. Hier ist festzu- Dokumenten deutlich. halten, daß die Bezeichnung „Sputnik" für einen IM verwendet wird. Nach Auskunft des Bundesbeauf- Mehrere weitere Dokumente zeigen dann, daß Gre- tragten wurde zu diesem Zeitpunkt der Deckname gor Gysi tatsächlich dem Pl an entsprechend han- „Sputnik" nur für die zu Gregor Gysi geführte OPK delte. Nachdem ein Gespräch in der Bundesrepublik vom MfS genutzt. mit Bärbel Bohley nicht vereinbart werden konnte (Dok. Nr. 57, 58), traf er sie in Prag, von woher sie aus Der „Maßnahmeplan im Zusammenhang mit der London kommend anschließend in die DDR weiter- Wiedereinreise von Bärbel Bohley und Werner Fi- reiste (Dok. Nr. 281, 282, 60). Aus Dokument Nr. 59 scher" der HA XX vom 15. Juli 1988 (Dok. Nr. 89) läßt sich ersehen, daß dieses Gespräch die in dem sieht dann unter Nr. 1.6 vor: „In Vorbereitung der Maßnahmeplan als Aufgabe für Gregor Gysi vorge- Wiedereinreise erfolgt durch die Generalstaatsan- sehenen Gegenstände behandelte. Zudem war waltschaft der DDR mit den Rechtsanwälten von Bär- Dr. Gysi von der HA XX/9 an der Grenze avisiert bel Bohley, Dr. Gysi und Schnur, ein Gespräch." worden, dabei waren er und ein Mitreisender von Nach Anweisungen für die Gesprächsinhalte heißt es jeder Zollkontrolle befreit, auch war eine bevorzugte dann weiter: „Darüber hinaus ist Rechtsanwalt Dr. Grenzabfertigung angeordnet (Dok. Nr. 283/284). Gysi zu veranlassen, mit der Bohley Ende Juli 1988 in Diese Behandlung läßt sich kaum mit der gleichzeitig der BRD oder einem anderen Land ein persönliches gegen ihn geführten OPK „Sputnik" in Einklang Gespräch zu führen, in dem bringen (siehe dazu auch unter Ziffer 7.3.2). - ihr mitgeteilt wird, daß sie am 3.8.1988 gemeinsam mit Fischer und (...) über Prag in die DDR einreisen Auch hier deuten die vorgelegten Dokumente auf kann und sie in Prag im Auftrag der Kirchenlei- eine Zusammenarbeit von Gregor Gysi und dem MfS tung von Konsistorialpräsident Stolpe und Rechts- hin. Jedoch fehlt es hier an der für eine entsprechen- anwalt Schnur mit PKW abgeholt werden; de Feststellung notwendigen Eindeutigkeit der vor- liegenden Dokumente, die für verschiedene Versio- - ihr die festgelegten Forderungen und Auflagen nen letztlich Raum lassen. Obwohl der Maßnahme- dargelegt und ihre Zustimmung zu deren Einhal- plan ausdrücklich nur von Gregor Gysi zu lösende tung abverlangt werden; Aufgaben enthält und die Darstellung wie auch die - sie nach ihren weiteren Plänen und Absichten in Avisierungen mehr für eine Einbindung in die Ge- politischer, beruflicher und persönlicher Hinsicht samtplanung des MfS sprechen, so läßt sich im Hin- zu befragen ist und evtl. offene Fragen und Pro- blick auf die Formulierung „ist ... Dr. Gysi zu veran- bleme zwecks Prüfung entgegen zu nehmen sind. lassen" auch nicht völlig ausschließen, daß eine Be- einflußung durch die Generalstaatsanwaltschaft vor- (...) gesehen war. Diese Alternative wird zwar vom weite- Verantwortlich: ren Ablauf der Geschehnisse nur eingeschränkt ge- stützt, der Ausschuß sieht jedoch davon ab, diesen für Zusammenwirken mit der Generalstaatsanwalt - Zusammenhang für seine die Feststellungen tragen- schaft und Erarbeitung der Forderungen an Bohley den Überzeugung heranzuziehen. und Fischer HA IX für den Kräfteeinsatz und Erarbeitung einer Instruk Als Dokument Nr. 15 hat der Bundesbeauftragte eine tion zur Abholung in Prag HA XX." Tonbandabschrift vom 8. September 1988 vorgelegt, die eine Rücksprache zwischen Bärbel Bohley und Ein Maßnahmeplan vom 15. Juli 1988 (Dok. Nr. 89) „Rechtsanwalt Dr. Gysi" zum Gegenstand hat. Das enthält die gesamte S trategie zur künftigen operati- Dokument enthält die Angaben „Quelle, IM ,Notar'" ven Bearbeitung von Bärbel Bohley aus Sicht der und „angenommen: Oberst Reuter am 8. Sept. 1988". Hauptabteilung XX. Soweit in dem Plan auch Bezug In der Abschrift heißt es u. a:: „Das wichtigste Anlie- genommen wird auf Vorhaben der Staatsanwalt- gen von Frau Bohley bestand darin, eine rechtlich schaft bzgl. Bärbel Bohley und Werner Fischer, so ist verbindliche Erklärung bei RA Dr. Gysi dahin gehend

Drucksache 13/10893 Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode

abzugeben, daß künftige Ausreiseanträge ihrerseits Hieraus entnimmt der Ausschuß, daß eine solche nur noch wirksam sind, wenn sie im Beisein von RA Verwendung verschiedener Decknamen für die glei- Dr. Gysi, Frau Havemann und einer weiteren, nicht- che Person beim MfS vorkam und eine Korrektur näher benannten Freundin abgegeben wird." und nicht zwingend war. „Sie (Bohley) habe nunmehr die Absicht, im Oktober 1988 zusammen mit (...) für ca. 1 Woche nach Prag zu Aus den vorgelegten Dokumenten ergeben sich deutli- reisen. Sie fragte, ob RA Dr. Gysi diesbezüglich eine che Anhaltspunkte für ein Zusammenwirken zwischen Unterstützung geben könne. " Gregor Gysi und dem MfS, jedoch verzichtet der Aus- schuß darauf, diesen Sachverhalt für seine die Feststel- Die in Dokument Nr. 15 enthaltenen Informationen lungen tragende Überzeugung heranzuziehen. fanden dann Eingang in verschiedene Informationen und Berichte der Hauptabteilung XX bzw. XX/9 zu Eine „Rechtliche Stellungnahme" der Hauptabtei- Bärbel Bohley (s. Dok. Nr. 285, 286, 287, 295). So heißt lung IX vom 22. Februar 1989 (Dok. Nr. 289) läßt er- es in einem Sachstandsbericht der Hauptabteilung kennen, daß Bärbel Bohley „in der Schrift ,Grenzfall' XX/9 vom 30. Dezember 1988 (Dok. Nr. 287) auf S. 4: Nr. 1-12/88 als Verfasserin des mit ,DDR-Zwischen- „Inoffiziell wurde bekannt, daß die B. am 6. 9.1988 zeiten' überschriebenen Textes" ausgewiesen war. beim Rechtsanwalt Dr. Gysi eine rechtlich-verbindli- Dieser Text war nach der „rechtlichen Einschätzung che Erklärung abgeben wollte, daß künftige Ausrei- der HA 1X/2 (...) inhaltlich geeignet (...), die Tatbe- seanträge ihrerseits nur noch wirksam werden, wenn standsanforderungen einer Straftat der Öffentlichen sie im Beisein von Dr. Gysi (erf. HA XX/9), Katja Herabwürdigung gemäß § 220 Abs. 2 StGB objektiv Havemann (erf. HA XX/9, ,Leitz II') und einer nicht zu erfüllen". näher benannten Freundin abgegeben werden. Nach Ausführungen zur Rechtslage sowie Vorschlä- (Quelle IM ,Notar', 8.9.88)". Im Sachstandsbericht gen zum Vorgehen heißt es in diesem Text abschlie vom 4. Juli 1989 (Dok. Nr. 295) wird diese Informa tion Bend: „Nach erfolgreicher Durchführung dieser Maß- auf S. 5/6 vollständig wiederholt; hier heißt es ergän- nahme sollte eine Einbeziehung des Rechtsanwaltes zend: „Im Ergebnis der Aussprache mit Rechtsanwalt Dr. Gysi in die Disziplinierung der BOHLEY geprüft Gysi nahm die Bohley von ihrem Vorhaben Abstand. " werden. Ausgehend von dessen Zusage im Zusam- Abg. Dr. Gysi trägt mit seiner Stellungnahme vom menhang mit der Wiedereinreise der BOHLEY in die 17. Juni 1997 vor, in Dokument Nr. 287 werde ganz DDR im August 1988, sich für die Einhaltung der Ge- eindeutig zwischen Bärbel Bohley, Katja Havemann setze der DDR durch diese zu verwenden, sollte er und ihm sowie der jeweiligen Erfassung bei der durch den Staatsanwalt schriftlich auf den Verdacht Hauptabteilung XX/9 einerseits und der Quelle IM einer erneuten Rechtsverletzung und damit auf die „Notar" andererseits unterschieden. Es gebe keine Gefahr einer neuen Strafverfolgung gegen seine vernünftige Erklärung, weshalb hinter seinem Na- frühere Mandatin aufmerksam gemacht und ersucht men nicht diese Quellenbezeichnung gesetzt worden werden, im Rahmen seiner anwaltschaftlichen sei, wenn er dieser IM gewesen wäre. Dieser Vortrag Rechte und Pflichten vorbeugend tätig zu werden." steht allerdings nicht mit den für das MfS - auch in- In diesem Zusammenhang liegt dem 1. Ausschuß tern - geltenden Rëgeln der Konspiration und Ver- auch eine Tonbandabschrift der Hauptabteilung schleierung in Einklang. Im Hinblick auf den Inhalt XX/9 vom 20. Februar 1989 mit der Überschrift „Ver- des Dokuments war die Klarnamennennung von merk zur Reaktion auf das Erscheinen des ,Grenzfall' Gregor Gysi notwendig, da es um außenwirksames 1-12/88" vor (Dok. Nr. 288). Dort wird u. a: ausge- Handeln von Bärbel Bohley mit Bezug zu Gregor führt: „Es bestünde auch die Möglichkeit, den Gysi ging. Eine Gleichsetzung mit IM „Notar" wäre Rechtsanwalt von Frau Bohley auf andere A rt und unter diesen Umständen eine Enttarnung gewesen, Weise mit dem Ziel zu informieren, daß er mit Frau der entsprechende Quellenhinweis ermöglicht der Bohley ein Gespräch über die im Zusammenhang mit HA XX/9 hingegen die Einordnung des Wahrheits- dem ,Grenzfall' aufgetretenen Fragen führt (...)." Der gehalts der Information aufgrund der Kenntnis der Vermerk auf Dokment Nr. 288 trägt die abschließen- Quelle. de Kennzeichnung „gez. IM" . Abg. Dr. Gysi weist darüber hinaus mit seiner Stel- Rückschlüsse auf eine Zusammenarbeit von Gregor lungnahme vom 17. August 1997 darauf hin, daß dies Gysi mit dem MfS im Zusammenhang mit dem als richtig unterstellt, bedeuten würde, er habe „Grenzfall" ergeben sich aus den vorliegenden Do- gleichzeitig sowohl hinter dem Decknamen „Sput- kumenten nicht. nik" als auch hinter dem Decknamen „Notar" als e des MfS gestanden. Da beim MfS streng nach Quell - Richtlinien und Befehlen gehandelt worden sei, hätte es dann Gründe für die Verwendung verschiedener Decknamen geben müssen. In dem von Abg. Dr. Gysi 6.11 Der Empfang im Ermlerhaus mit dieser Stellungnahme vorgelegten Schreiben eines ehemaligen MfS-Offiziers wird dazu ausge- Eine vom Bundesbeauftragten vorgelegte Tonban- führt, die Zuordnung von Decknamen im MfS habe dabschrift (Dok. Nr. 129) der HA XX/9 des MfS datiert der Konspiration gedient und sei stets konkret gewe- vom 13. Mai 1986 und berichtet „über ein Gespräch, sen. Die Verwendung von verschiedenen Deck- das anläßlich des Empfangs der Redaktion des ,Spie- namen für die gleiche Sache würde zu Mißverständ- gel' in der DDR in Berlin im Ermlerhaus zwischen nissen geführt haben, sei nicht üblich gewesen und dem Korrespondenten des ,Spiegel' Herrn Schwarz wäre fast auch immer korrigiert worden. und dem Rechtsanwalt Dr. Gysi stattgefunden hat".

Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode Drucksache 13/10893

Die Quellenangabe lautet hier „IM Notar", außerdem gelungen, den Korrespondeten Schwarz zu überzeu- enthält die Unterlage den Vermerk „entgegenge- gen, ... Er konnte einfach anhand der Gesetze der nommen OSL Lohr, 13. Mai 1986" . Das Gespräch Logik nachweisen, daß es mehr als unwahrscheinlich drehte sich um einen Mandanten Gregor Gysis, zu ist, daß hinter dieser ganzen Aktion ein Sicherheits- dem der Spiegelkorrespondent recherchierte. organ steht. "

Die Unterlage ist nicht als Ergebnis von Abhörmaß- Eine solche Wortwahl macht nur gegenüber einem nahmen gekennzeichnet, eine solche Quelle ist da- Dritten Sinn, nicht für den eigenen Gebrauch. Dage- her auszuschließen. Dagegen spräche auch die gen spricht aber auch die umfassende Darstellung räumliche Situation bei einem Empfang mit den der von Herrn Schwarz wiedergegebenen Angaben mehr oder weniger zufällig entstehenden Gesprächs- des Mandanten von Herrn Dr. Gysi. Auch diese für kontakten dort. den Mandanten eher belastende Information macht für die eigene „Absicherung" keinen Sinn. Dies gilt Abg. Dr. Gysi bestreitet auch in diesem Fall, der In- auch für die Darstellung der Mitteilung des Korre- formant der Staatssicherheit gewesen zu sein. Die In- spondenten des Spiegel, daß Gregor Gysi die Zeit- formation über ein Gespräch mit Herrn Schwarz schrift „Spiegel" nunmehr erhalten werde und des- stamme nicht von ihm. Es sei selbstverständlich, sen Reaktion darauf. Den angeblichen Vermerk aus daß der Empfang der Spiegel-Redaktion in Ostberlin seiner Handakte hat der Abg. Dr. Gysi nicht vorge- das besondere Interesse der Staatssicherheit habe legt, so daß auch kein Vergleich möglich ist. wecken müssen und daß selbstverständlich Leute an- wesend gewesen seien, die anschließend bei der Auch der Vortrag des Abg. Dr. Gysi, aus weiteren Staatssicherheit berichtet hätten, wer mit wem was Unterlagen gehe hervor, daß es in seinem Umfeld gesprochen habe. Um sich selbst abzusichern habe mehrere IM gegeben habe, die das MfS informiert er, Gysi, im Anschluß an den Empfang über das Ge- hätten, führt hier zu keinem anderen Ergebnis. Die spräch mit Herrn Schwarz einen Vermerk für seine vom Abg. Dr. Gysi als Anlagen 45 bis 47 seiner Stel- Handakte notiert. Es sei nicht auszuschließen, daß lungnahme zum Ergänzenden Bericht vom 17. April dieser Vermerk als Grundlage für eine Informa tion 1997 überreichten Dokumente haben zum konkreten an die Staatssicherheit gedient hätte. Es sei aber Fall ohnehin keinen Bezug, überdies wird in diesen nicht er, Gysi gewesen, der die Information an das Dokumenten von dem jewei ligen „IM" nicht gezielt MfS übergeben habe. über Gregor Gysi berichtet, so daß sich aus diesen Materialien keine Rückschlüsse für das Vorbringen Diese Argumentation des Abg. Dr. Gysi vermag den des Abg. Dr. Gysi ziehen lassen. 1. Ausschuß nicht zu überzeugen. Insgesamt ist der 1. Ausschuß deshalb der Auffas- Aus dem Text der Tonbandabschrift ergibt sich, daß sung, daß Dr. Gysi die Informationen für diesen Ver- es sich um eine detaillierte Wiedergabe eines etwa merk an die Staatssicherheit geliefert hat. Der Abge- halbstündigen Gespräches handelt. Die Ini tiative für ordnete Dr. Gysi hat vor dem 1. Ausschuß und vor dieses Gespräch ging vom Spiegelredakteur Schwarz Gericht immer wieder geltend gemacht, es existier- aus. Keinem der bei diesem Empfang zweifellos an- ten keine Berichte von „Gregor" oder „Notar" über wesenden sonstigen Mitarbeiter des MfS kann es Gespräche die außerhalb seines Büros, der Haftan- möglich gewesen sein, eine halbe Stunde ununter- stalt Bautzen, des Hauses von Havemann und dem brochen einem Gespräch zu lauschen. Er müßte sich ZK geführt worden seien. Dies wird durch den vorlie- in Hörnähe aufgehalten haben, ohne daß dies be- genden Fall der Zusammenarbeit von Gregor Gysi merkt worden wäre und außerdem vermeiden müs- und dem MfS eindeutig widerlegt. sen, selbst angesprochen zu werden. Dies ist bei Der 1. Ausschuß stellt fest, daß nach seiner Überzeu- einem Empfang, insbesondere einem, von dem alle gung eine inoffizielle Zusammenarbeit von Gregor Teilnehmer wissen, daß die Staatssicherheit ein „be- Gysi mit dem MfS hier vorliegt. sonderes Interesse" an ihnen hat, ausgeschlossen. Daneben fällt auf, daß der Vermerk detailliert ledig- lich die Äußerungen des Spiegelkorrespondenten darstellt. Hätte ein Dritter über das Gespräch berich- 6.12 Reinhard Lampe tet, so würde dieser auch und gerade die Äußerun- gen des DDR - Bürgers Gysi wiedergeben. Dies gilt Dem Ausschuß liegt ein undatierter Vermerk „über gleichermaßen für das Ergebnis einer Abhörmaßnah- Rücksprachen von Rechtsanwalt Dr. Gysi mit wei- me. Zudem ergibt die genaue Analyse des Vermerks, teren Personen im Zusammenhang mit dem Fa ll daß er eine sehr detaillie rte, bruchlose Schilderung Lampe" (Dok. Nr. 123) vor, der mit dem Buchstaben des Gesprächs enthält, wie sie nur jemand geben „z.V. OPK", einer Paraphe und dem Datum „15.12. kann, der dieses Gespräch selbst geführt hat. 1986" versehen ist. Daß die Tonbandabschrift in der 3. Person abgefaßt In dieser Unterlage werden summa risch mehrere Ge- wurde, gehörte zu den beim MfS häufig angewand- spräche zusammengefaßt, die Dr. Gysi im Dezember ten Darstellungsformen. 1986 als Verteidiger von Reinhard Lampe mit ver- schiedenen Personen über den Prozeß geführt hat. Als Grundlage des Berichts kommt entgegen dem Die Unterlage enthält keine Quellenangabe. Vortrag des Abg. Dr. Gysi kein von ihm später für seine Handakte diktierter Vermerk in Betracht. Dem Rückschlüsse für eine Zusammenarbeit von Gregor widersprechen zum einen Sätze wie „In einem etwa Gysi mit dem MfS lassen sich nach Auffassung des halbstündigem Gespräch ist es Rechtsanwalt Dr. Gysi 1. Ausschusses aus diesem Dokument nicht ziehen.

Drucksache 13/10893 Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode

7. Erfassungsverhältnisse Dr. Gysis beim MfS

Dr. Gysi war von 1975 bis 1989 beim MfS aktiv erfaßt. sicherheit im Inneren eingebunden. Qua litative Un- Er stand dabei in verschiedenen Erfassungsverhält- terschiede zwischen „Aufklärung" und „Abwehr", nissen. Von 1975 bis 1978 war Dr. Gysi in einer Ope- zumal wenn sie mit moralischen und politischen Wer- rativen Personenkontrolle (OPK) der Abteilung XI tungen verbunden werden, lassen sich dabei nicht der Hauptverwaltung Aufklärung aktiv erfaßt. Da- begründen, da ihre Aktivitäten demselben Ziel zu nach wurde er bis Oktober 1980 in einem Siche- dienen hatten. So hat die HVA sowohl im Opera tions- rungsvorgang der Abteilung XX/1 der Bezirksver- gebiet als auch in der DDR eigene IM's unterhalten waltung (BV) Berlin des MfS erfaßt, bei der alle (siehe hierzu den Bericht Enquete-Kommission „Auf- Rechtsanwälte geführt wurden, die in keinem arbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Dik- anderen Erfassungsverhältnis standen. Vom 28. Ok- tatur in Deutschland", Drucksache 12/7820, S. 224). tober 1980 bis zum 17. September 1986 folgte die Er- fassung im IM-Vorlauf „Gregor" bei der HA XX/OG, Die Erfassung Dr. Gysis in einem OPK-Vorgang der der späteren HA XX/9, des MfS, danach schloß sich HVA wird vor allem durch einen Sachstandsbericht die Erfassung in der OPK „Sputnik" ebenfa lls bei der der HVA/Abteilung XI vom 17. Februar 1978 (Dok. HA XX/9 des MfS an. Nr. 115), der sich in der zu Dr. Gysi angelegten IM- Vorlauf-Akte gefunden hat, dokumentiert. Darin Die aktive Erfassung von Personen erfolgte förmlich heißt es: „Gregor Gysi ist als OPK-Vorgang für die in der Abteilung XII des MfS (Auskunft, Archiv, Regi- Abteilung XI, Referat 1, MA 1121 registriert. G. wur- striernachweis) im Auftrag der opera tiv verantwortli- de 1975 im Zusammenhang mit der Überprüfung chen Diensteinheit. Diese mußte unter Verwendung eines Vorgangs aus dem Operationsgebiet für die von im MfS üblichen Abkürzungen - wie IM-Vorlauf, Legende eines juristischen Beraters inoffiziell zur Zu- IM oder OPK - den Grund der Erfassung mit ange- sammenarbeit gewonnen. Von der zeitweiligen Erar- ben. Festgelegt war, daß eine Person nicht gleichzei- beitung von Abwehrinformationen abgesehen, wur- tig in verschiedenen aktiven Erfassungsverhältnissen de er nur auf den obigen Vorgang bezogen bis 1977 stehen konnte. Die inoffizielle Zusammenarbeit einer genutzt. Die ihm gestellten operativen Aufgaben hat anderen Diensteinheit mit dieser Person setzte dann er umsichtig und parteilich gelöst. Seine operative eine vorherige Abstimmung mit der zuständigen Einbeziehung wurde 1977 mit Beendigung des Vor- Diensteinheit voraus. Nach Auskunft des Bundesbe- gangs aus dem Operationsgebiet eingestellt. Auf- auftragten läßt die Art der aktiven Erfassung grund- grund einer Anfrage des Gen. H[.] der HA XX/1 sätzlich Rückschlüsse über das „opera tive Verhält- wurde Gysi durch den damaligen Mitarbeiter dieses nis" zu, in dem die betreffende Person zum MfS Vorgangs Gen. Major B[.] für die Lösung bestimmter stand. Er hat ergänzend ausgeführt, daß in einzelnen Abwehraufgaben der HA XX zeitweilig zur Verfü- Fällen die Erfassungsart jedoch nicht immer das gung gestellt. Die Rücksprache mit Gen. M[.], Refe- wirkliche Verhältnis zwischen der Person und dem ratsleiter der HA XX/1 am 17. 2. 78 ergab, daß Gysi MfS widerspiegelt. Das tatsächliche Verhältnis ergibt für eine Rechtsanwaltsanalyse im DDR-Maßstab ge- sich dann wesentlich aus dem Inhalt der den Erfas- nutzt worden sei. Gen. M[.] brachte gleichzeitig zum sungen zuzuordnenden Unterlagen (siehe hierzu ins- Ausdruck, daß sie an einer inoffiziellen Zusammenar- gesamt BStU, Ergänzender Be-ncht, S. 10). beit mit Gysi nicht interessie rt seien, da er ihnen da- für ungeeignet erscheint. Da Gysi auf dem bisher eingesetzten Arbeitsgebiet keine operative Perspek- tive mehr hat, ist entschieden worden, ihn zu archi- vieren, was jetzt vollzogen werden soll." In einem 7.1 Erfassung in einem OPK-Vorgang der Suchauftrag der HVA III/7 vom 6. Februar 1978 (Dok. Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) Nr. 91) mit Bezug auf Gregor Gysi wird vermerkt: „ist für Abt. XI pos. erfaßt. Mit ihm wird eng zusammen- gearbeitet. " Die HVA III war für die „Aufklärung von Der Bundesbeauftragte hat Unterlagen vorgelegt, die politischen Strukturen und Einrichtungen westeuro- die Erfassung von Dr. Gysi in einem OPK-Vorgang - päischer Staaten - außer BRD -" zuständig. der „Hauptverwaltung Aufklärung" (HVA) von 1975 bis 1978 dokumentieren. Auf eine „Anfrage der HA XX" zur Person „Dr. Gysi, Den unter der Bezeichnung HVA zusammengefaßten Gregor" vom 16. September 1980 (Dok. Nr. 92) ver- Diensteinheiten des Ministeriums für Staatssicherheit merkt die HVA/XI: „Oben genannte Person wurde oblag die Beschaffung geheimer Informationen poli- von unserer DE unter der Registratur A/OPK 2185 tischen, wirtschaftlichen, technologischen und militä- gesperrt im Archiv der HV A abgelegt. Gegen eine rischen Charakters aus dem „Operationsgebiet", wo- erneute Erfassung bestehen seitens unserer DE keine mit in erster Linie die Bundesrepublik Deutschland Einwände. " In einem „Vorschlag zur Werbung eines einschließlich West-Berlin gemeint war. Die HVA IMS" der „Hauptabteilung XX/OG" vom 27. Novem- war jedoch auch in die Überwachungs- und Unter- ber 1980 (Dok. Nr. 118) wird zur Erfassung Dr. Gysis drückungsmechanismen des Ministeriums für Staats bei der HVA folgendes ausgeführt: „Zum Zeitpunkt

Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode Drucksache 13/10893 des Bekanntwerdens war et für die HVA, Abt. XI, HVA eine umsichtige und parteiliche Erfüllung der positiv erfaßt und wurde von 1975-1977 im Zusam- ihm gestellten operativen Aufgaben bescheinigt menhang mit der Überprüfung eines Vorgangs aus wird, während andererseits mit Bezug auf die HA dem Operationsgebiet für die Legende eines juristi- XX/1, der Dr. Gysi während seiner Erfassung bei der schen Beraters genutzt. " HVA für kurze Zeit zur Verfügung gestellt wurde, eine inoffizielle Zusammenarbeit nicht in Betracht Der Bundesbeauftragte führt aus, bei der HVA habe gezogen wurde. Das im Bericht vom 17. Februar 1978 die Kategorisierung inoffiziell genutzter Personen in dokumentierte fehlende Interesse der HA XX/1 an einer Operativen Personenkontrolle, anders als im einer weiteren inoffiziellen Zusammenarbeit mit Dr. Abwehrbereich, der herrschenden Praxis entspro- Gysi bewertet der 1. Ausschuß - wie bereits unter chen. Eine OPK-Registrierung bei der HVA habe sich Ziffer 6.1.1 ausgeführt wurde - als auf die konkrete weitgehend auch auf IM-Kandidaten bezogen (BStU, Aufgabe der Erstellung einer Rechtsanwaltsanalyse Gutachterliche Stellungnahme, S. 31). im DDR-Maßstab bezogen. Eine spätere inoffizielle Zusammenarbeit Gregor Gysis mit anderen Einhei- Abg. Dr. Gysi bestreitet eine inoffizielle Zusammen- ten der HA XX in anderen Zusammenhängen wurde arbeit mit der HVA, wofür auch seine A/OPK-Regi- damit nicht ausgeschlossen. strierung bei der HVA spreche. Er meint, die Eröff- nung eines IM-Vorlaufs bei der HA XX zur Prüfung Da die Erfassung in einer Opera tiven Personenkon- seiner Eignung als IM im Jahre 1980 schließe eine trolle bei der HVA nach Mitteilung des Bundesbeauf- vorherige inoffizielle Tätigkeit als IM bei der HVA tragten, anders als im Abwehrbereich, der do rt herr- aus. Bei Annahme einer IM-Tätigkeit für die HVA schenden Praxis zur Kategorisierung inoffiziell ge- hätte nur eine Übergabe an die HA XX erfolgen müs- nutzter Personen entsprochen hat, steht zur Überzeu- sen und im Jahre 1980 kein IM-Vorlauf für ihn ange- gung des 1. Ausschusses fest, daß Dr. Gysi in den legt werden müssen. Der Abg. Dr. Gysi legt hierzu Jahren 1975 bis 1977 inoffiziell mit der HVA des MfS ein Schreiben des ehemaligen MfS-Offiziers Schmidt im Sinne der Feststellungskriterien zusammengear- vom 6. April 1997 vor (Schreiben vom 17. April 1997, beitet hat. Anlage 1). Hierin wird unter anderem ausgeführt, daß Operative Personenkontrollen bei der HVA keine inoffizielle Tätigkeit für das MfS belegen könnten. 7.2 Erfassung in einem Sicherungsvorgang Aufgrund der vorliegenden Dokumente ist der 1. Ausschuß - entgegen dem Vortrag des Abg. Dr. der BV Berlin Gysi - davon überzeugt, daß Dr. Gysi in den Jahren von 1975 bis 1977 inoffiziell mit der HVA/XI des MfS 7.2.1 Formale Erfassung bei der Abt. XX/1 BV Berlin zusammengearbeitet hat. Zwar konnte die HVA im Zeitraum vom Frühjahr bis Sommer 1990 ihr operati- Im Anschluß an die inoffizielle Zusammenarbeit mit ves Schriftgut in eigener Zuständigkeit nahezu voll- der HVA wurde Dr. Gysi in einem Sicherungsvorgang ständig vernichten oder verbringen (BStU, Gutach- der für das Rechtsanwaltskollegium Berlin zuständi- terliche Stellungnahme, S. 31). Die aufgefundenen gen Abteilung XX/1 der Bezirksverwaltung (BV) Ber- Dokumente belegen jedoch hinreichend, daß Dr. Gysi lin des MfS erfaßt. Über dieses Erfassungsverhältnis von 1975 bis 1978 positiv in einer OPK der HVA er- liegt lediglich ein Dokument aus der zu Dr. Gysi im faßt war und bis Ende 1977 in die operative Arbeit Jahre 1980 angelegten IM-Vorlauf-Akte vor (Dok. der HVA eingebunden war. In einem Sachstandsbe- Nr. 91). In einem Sicherungsvorgang bei der BV Berlin richt der HVA/XI vom 17. Februar 1978 wird aus- wurden nach Mitteilung des Bundesbeauftragten alle drücklich ausgeführt, daß Dr. Gysi im Jahre 1975 im Mitglieder des Rechtsanwaltskollegiums Berlin erfaßt, Zusammenhang mit der Überprüfung eines Vor- sofern sie nicht in einem anderen Erfassungsverhält- gangs aus dem Operationsgebiet der HVA/XI für die nis standen. Die Erfassung Dr. Gysis in diesem Siche- Legende eines juristischen Beraters inoffiziell zur Zu- rungsvorgang wurde am 22. September 1980 zugun- sammenarbeit gewonnen wurde. Hiernach wurde sten der HA XX/OG gelöscht, wobei gleichzeitig von Dr. Gysi bis zum Ende des Jahres 1977 opera tiv der Abteilung XX/1 der BV Ber lin eine nicht näher be- genutzt. Laut Sachstandsbericht der HVA/XI hat stimmbare Akte an die HA XX/OG übergeben wurde Dr. Gysi die ihm gestellten opera tiven Aufgaben (BStU, Ergänzender Bericht, S. 8 f.). „umsichtig und parteilich" gelöst. Da der Bericht vom 17. Februar 1978 ein interner Sachstandsbericht 7.2.2 Tatsächliche Zusammenarbeit ist, geht der 1. Ausschuß angesichts der strengen - mit der HA XX/OG Kontrollmechanismen innerhalb des MfS (siehe dazu oben unter Ziffer 4.1) davon aus, daß die inoffizielle Wie bereits oben unter Ziffern 6.1, 6.2 und 6.4 darge- Zusammenarbeit Dr. Gysis mit der HVA/XI zutref- legt wurde, hat Dr. Gysi nach der Aktenlage während fend dargestellt wird. Bestätigt wird dieses durch den seiner Erfassung in einem Sicherungsvorgang der Suchauftrag vom 6. Februar 1978, aus dem die enge BV Berlin und damit bereits vor seiner formellen Zusammenarbeit Dr. Gysis mit der HVA/XI hervor- Erfassung im IM-Vorlauf „Gregor" im Rahmen der geht. Auch die vorliegenden Unterlagen aus dem anwaltlichen Vertretung Rudolf Bahros, Robert Have- Jahre 1980 (Dok. 92, 118) dokumentieren die Erfas- manns und Franz Dötterls inoffiziell mit der HA XX/ sung und Tätigkeit Gregor Gysis bei der HVA. OG zusammengearbeitet. Nach den vorliegenden Dokumenten hat Dr. Gysi mit Bezug auf Rudolf Bahro Dieses erscheint um so sicherer, als Dr. Gysi einer mindestens seit September 1978 bis Ende 1979, mit seits im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für die Bezug auf Robert Havemann seit Ende 1979 und über

Drucksache 13/10893 Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode

Franz Dötterl 1979 und 1980 Berichte und Angaben menarbeit der HA XX/OG mit Dr. Gysi ab 1978 wird an die HA XX des MfS geliefert. Da Dr. Gysi in dieser auch dadurch bestätigt, daß - wie die Darstellung der Zeit in einem Sicherungsvorgang der Abteilung XX/1 Mandatsverhältnisse Rudolf Bahro und Robe rt Have der BV Berlin erfaßt war, lag die opera tive Verant- mann unter Ziffern 6.1 und 6.2 ergeben hat - für wortlichkeit für ihn eigentlich bei dieser Dienststelle Dr. Gysi der Deckname „Gregor" verwendet wurde. des MfS. Nach Mitteilung des Bundesbeauftragten Dieser Deckname findet sich in den vorliegenden bedurfte die inoffizielle Zusammenarbeit der HA XX/ Unterlagen - mit zwei Ausnahmen - nur bis zur Er- OG mit Dr. Gysi deshalb der vorherigen Abstimmung fassung Dr. Gysis im IM-Vorlauf. Eine Ausnahme bil- mit der Abteilung XX/1 der BV Berlin als der zustän- det lediglich ein Eintrag im persönlichen Aufzeich- digen Diensteinheit (BStU, Ergänzender Bericht, nungsbuch des MfS-Offiziers Lohr vom 31. März S. 14). Ohne deren Billigung hätte es diese Zusam- 1981 (Dok. Nr. 82) und ein handschriftlicher Eintrag menarbeit nicht geben dürfen. Hinweise auf eine Ab- in einer „Information" der „Hauptabteilung XX" stimmung hat der Bundesbeauftragte allerdings nicht vom 16. April 1982 (Dok. Nr. 248) im Zusammenhang aufgefunden. Der Bundesbeauftragte hat aber aus- mit der Beisetzung von Robe rt Havemann, wobei sich geführt, daß nach seinen Erfahrungen eine solche der Zeitpunkt des handschriftlichen Eintrags „IM Abstimmung nicht formgebunden gewesen war und Gregor" aus dem Dokument allerdings nicht sicher auch mündlich erfolgen konnte. bestimmen läßt. Auch in einer Aufstellung der Abtei- lung XII des MfS vom 16. Juli 1984 an die HA XX zu Ob die an sich erforderliche Abstimmung zwischen nicht abgeschlossenen IM-Vorlauf-Vorgängen und in der Abteilung XX/1 der BV Berlin und der HA XX/ der darauf gefertigten Rückmeldung der HA XX/9 OG bezüglich der Nutzung Dr. Gysis durch die findet sich der Deckname „Gregor" (Dok. Nr. 120). HA XX/OG stattgefunden hat, läßt sich anhand der Der Deckname „Gregor" wird mit den Kategorien vorliegenden Dokumente nicht nachvollziehen. Nach „IM-Vorl.", „GMS" oder „IM" verknüpft. Ansicht des 1. Ausschusses kann dieses im Ergebnis jedoch offen bleiben, da Dr. Gysi über seine Mandan- Als Indiz für die inoffizielle Zusammenarbeit Dr. ten Rudolf Bahro, Robert Havemann und Franz Döt- Gysis mit der HA XX/OG bereits während der Erfas- terl tatsächlich in diesem Zeitraum an die HA XX Be- sung in einem Sicherungsvorgang der BV Berlin liegt richte und Angaben geliefert hat, seine Mandanten außerdem eine „Auszahlungs-Anordnung für Opera- im Interesse des MfS beeinflußte und dem MfS eige- tivgelder" der HA XX/OG vom 28. Dezember 1979 ne Vorschläge unterbreitete. Damit hat sich Dr. Gysi vor (Dok. Nr. 131). Das MfS verstand unter Operativ insbesondere in die Kontroll- und Überwachungsme geldern finanzielle Mittel, die im Rahmen der Rekru- chanismen der HA XX/OG des MfS gegenüber sei- tierung und des Einsatzes von IM sowie zur Organi- nen Mandanten Rudolf Bahro und Robe rt Havemann sation von Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen einbinden lassen. Ansprechpartner für Dr. Gysi bei benötigt und eingesetzt worden sind. Nach einer von der HA XX/OG waren nach der Aktenlage die MfS Minister Mielke erlassenen Operativgeldordnung Offiziere Lohr und Reuter. Die Zusammenarbeit war die Ausgabe von Operativgeld exakt nachzuwei- Dr. Gysis mit der HA XX/OG war angesichts der sen und abzurechnen. 5) Der Verwendungszweck von regelmäßig in der Wohnung Dr. Gysis durchgeführ- Operativgeld wurde von einem System interner ten Gespräche, obwohl er noch in einem Sicherungs- Sachkonten- und Untersachkontennummern be- vorgang der Abteilung XX/1 der BV Ber lin des MfS stimmt, für deren sachlich richtige Benutzung die erfaßt war, kontinuierlich. Leiter der Diensteinheiten verantwortlich waren. Grundsätzlich erfolgte der Nachweis von Operativ- Nach Ansicht des 1. Ausschusses verdeutlicht dieses geldausgaben unter Angabe der Registriernummer, den inoffiziellen Charakter der Zusammenarbeit zwi- anhand der eine eindeutige Zuordnung der bean- schen der HA XX/OG des MfS und Dr. Gysi bereits spruchten Konten für eine bestimmte Person möglich vor dessen formeller Erfassung in einem IM-Vorlauf gewesen war (BStU, Ergänzender Bericht, S. 19 ff., bei der HA XX/OG im Jahre 1980. Die Einlassung Tabelle S. 22). In der Auszahlungs-Anordnung vom des Abg. Dr. Gysi, daß er nicht als IM registriert wor- 28. Dezember 1979 wird als Zweckbestimmung „Prä- den war und auch kein handschriftlicher oder wenig- sent Jahreswechsel" angegeben. Nach Mitteilung stens von ihm unterzeichneter Bericht vorliege des Bundesbeauftragten war es üblich, daß inoffiziel- (Schreiben vom 9. August 1995), trägt deshalb nicht. len Mitarbeitern zum Jahreswechsel Präsente über- Hierbei muß ohnehin berücksichtigt werden, daß reicht worden sind. Unter Kategorie bzw. Deckname eine förmliche Verpflichtung seitens des MfS nicht wird Deckname „GMS Gregor" angeführt; unter „An vorgesehen war, sondern lediglich die mündliche (Empfänger)" wird „Maj. Lohr" genannt. Die Verbu- - Verpflichtung Dr. Gysis (vgl. Dok. Nr. 91). Auch die chung sollte auf dem „Sachkonto 6000" erfolgen, das in anderen Zusammenhängen dargestellte Feststel- nach Auskunft des Bundesbeauftragten die Zweck- lung in einem Sachstandsbericht der HVA vom bestimmung „Zuwendungen an IM und GMS" hatte 17. Februar 1978 (Dok. Nr. 115), daß die Hauptabtei- (BStU, Gutachterliche Stellungnahme, S. 26). lung XX nicht an einer inoffiziellen Zusammenarbeit mit Gysi interessiert gewesen sei, da er ungeeignet

erscheine, wirkt nicht entlastend. Wie bereits ausge- 5) Beispielhaft liegt dem 1. Ausschuß zur Behandlung von Ope- führt wurde, wurde diese Feststellung mit Bezug auf rativgeld die Ordnung Nr. 3/83 „über die Planung, Verwen- einen besonderen Einsatz Dr. Gysis bei der HA XX/1 dung, Nachweisführung, Abrechnung und Kontrolle finan- getroffen und schließt eine anderweitige Verwen- zieller Mittel für politisch-operative Zwecke (Operativgeld) im Ministerium für Staatssicherheit - Operativgeldordnung -" dung durch andere Einheiten bei der HA XX/OG in der Fassung vom 15. April 1983 einschließlich dazu erlas- nicht aus. Die Kontinuität der inoffiziellen Zusam senener Durchführungsbestimmungen vor.

Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode Drucksache 13/10893

Im Ergebnis steht zur Überzeugung des 1. Ausschus- lichkeit ausgeschlossen, daß Dr. Gysi mit der HA XX/9 ses fest, daß Dr. Gysi zumindest seit September 1978 in irgendeiner Form offiziell zusammenarbeiten während seiner Erfassung in einem Sicherungsvor- konnte. Dieser Diensteinheit kamen keinerlei straf- gang der Abteilung XX/1 der BV Berlin des MfS mit prozessuale Kompetenzen zu. der HA XX des MfS inoffiziell zusammengearbeitet hat. Die Auswertung von MfS-Unterlagen zu Rudolf Im Rahmen von durch das MfS eingeleiteten Ermitt- lungsverfahren, wie z.B. bei Rudolf Bahro, konnte ein Bahro, Robert Havemann und Franz Dötterl hat erge- ben, daß Gregor Gysi während seiner Erfassung im Strafverteidiger, wie Dr. Gysi, nur mit dem „Untersu- Sicherungsvorgang der BV Berlin entsprechend den chungsorgan" des MIS, der HA IX, offiziell zu- Feststellungskriterien des 1. Ausschusses inoffiziell sammenarbeiten. Nur die HA IX bzw. die entspre- chenden Abteilungen auf Bezirksebene durften straf- mit der HA XX/OG des MfS zusammengearbeitet hat. prozessuale Maßnahmen einleiten bzw. durchführen. Außerhalb von derartigen Ermittlungsverfahren oder Strafprozessen war eine offizielle Zusammenarbeit 7.3 Erfassung durch die HA XXXX/OG, des MfS mit Rechtsanwälten bzw. der Staatsanwalt- der späteren HA /9 schaft der DDR nur möglich, wenn eine Zuständig- keit für die „politisch operative Sicherung" gegeben Dr. Gysi war für die HA XX/9 bzw. HA XX/OG vom war. Hierfür zuständig war die Hauptabteilung XX, 28. Oktober 1980 bis zum Ende des MfS ununterbro- jedoch nicht die Abteilung XX/9, sondern ausschließ- chen aktiv erfaßt. Das bedeutet, für ihn war in diesem lich die Abteilung XX/1. Zeitraum ein und dieselbe Diensteinheit „operativ Allgemein bleibt jedoch in diesem Zusammenhang verantwortlich". Persönlich verantwortlich waren in festzuhalten, daß für Dr. Gysi als Rechtsanwalt - auch diesem gesamten Zeitraum nur die MfS-Offiziere im Rahmen einer offiziellen Zusammenarbeit mit der Lohr und Reuter. HA IX - keinerlei Veranlassung oder Verpflichtung Dr. Gysi war vom 28. Oktober 1980 bis zum 17. Sep-- bestand, Aufträge vom MfS entgegennehmen zu tember 1986 von der HA XX/9 des MfS in einem IM- müssen. Dafür blieb nur Raum bei einer inoffiziellen Vorlauf mit dem Decknamen „Gregor" erfaßt. Für Zusammenarbeit. eine IM-Tätigkeit Gregor Gysis war der Deckname „Notar" vorgesehen. Dieser IM-Vorlauf wurde 1986 7.3.1 Erfassung im IM-Vorlauf „Gregor" gesperrt archiviert. Am Tag nach der Archivierung des IM-Vorlaufs, am 18. September 1986, wurde Gre- Vom 28. Oktober 1980 bis zum 17. September 1986 war gor Gysi in einem Vorgang der Operativen Personen- Dr. Gysi unter der Registriernummer XV/5647/80 von kontrolle (OPK) mit dem Decknamen „Sputnik" er- der HA XX/OG, der späteren HA XX/9 des MfS in neut aktiv erfaßt. Diese OPK wurde bis zum Ende der einem IM-Vorlauf mit dem Decknamen „Gregor" er- DDR weitergeführt. faßt. Die vom MfS im Jahre 1986 archivierte IM-Vor- lauf-Akte (Dok. Nr. 91 ff.) liegt dem 1. Ausschuß vor. Die HA XX/9 war im gesamten Zeitraum der Erfas- Die IM-Vorlauf-Akte selbst enthält in dem Zustand, sung Gregor Gysis „operativ verantwortlich". Die wie sie vom MfS archiviert worden ist, keine Unterla- opera tive Verantwortlichkeit der für die Bearbeitung gen, die auf eine inoffizielle Tätigkeit mit Dr. Gysi zu- des politischen Untergrunds zuständigen Abteilung 9 rückgehen (BStU, Ergänzender Bericht, S. 9). der Hauptabteilung XX bedeutete, daß im gesamten Zeitraum der aktiven Erfassung Gregor Gysis durch Die Erfassung Dr. Gysis wurde durch einen „Be- die HA XX/9 andere Diensteinheiten des MfS gehin- schluß" der HA XX/OG des MfS vom 18. September dert waren, ohne Genehmigung der HA XX/9 1980 „über das Anlegen eines IM-Vorlaufes" einge- Kontakt zu Gregor Gysi aufzunehmen. Denn nach leitet. In dem in diesem Beschluß enthaltenen „Index den internen Regeln des MfS mußte eine Dienstein- über Personen" wird Dr. Gysi als einzige Person heit, wenn sie mit einer bestimmten Person zusam- namentlich genannt. Als „vorläufiger Deckname" menarbeiten wollte, förmlich bei der Abteilung XII wurde Dr. Gysi der Deckname „Gregor" zugeordnet. des MfS (Auskunft, Archiv, Registriernachweis) Vorgesehene „IM-Kategorie" war „IMS ". 6) Im Be- nachfragen, ob diese von einer anderen Dienstein- schluß über das Anlegen eines IM-Vorlaufes war für heit aktiv erfaßt war. Soweit dies der Fall war, mußte den späteren IM-Vorgang der Deckname „Notar" für sie erst deren Genehmigung einholen, um mit der Dr. Gysi vorgesehen. Der Beschluß wurde vom MfS entsprechenden Person Kontakt aufnehmen zu kön- Offizier Reuter bestätigt; als „Mitarbeiter" wird in nen. Der damit einhergehende Schutz des jewei ligen dem Beschluß „Lohr" angegeben. Die Erfassung IM durch die operativ verantwortliche Arbeitseinheit durch die „Abt. XII" des MfS erfolgte am 28. Oktober des MfS konnte auch nach Beendigung der Zusam- 1980. Eine schriftliche Verpflichtungserklärung von menarbeit fortgeführt werden, in dem die Akte „ge- Dr. Gysi liegt nicht vor. sperrt" archiviert wurde, wie dies mit dem IM-Vor- Kurze Zeit nach der Eröffnung des IM-Vorlaufs „Gre lauf „Gregor" geschehen ist. Auch in diesem Fall galt gor" liegt mit Datum vom 27. November 1980 ein das oben dargestellte Verfahren. „Vorschlag zur Werbung eines IMS, entsprechend Die HA XX/9 war ausschließlich für den politischen Untergrund der DDR zuständig, im Justizbereich hatte sie keinerlei Sicherungsaufgaben zu lösen. Da- 6) IMS = Inoffizieller Mitarbeiter zur politisch-operativen Durchdringung und Sicherung des Verantwortungsberei- mit war nach den Prinzipien der Arbeitsteilung im ches; vgl. Suckut (Hrsg.), Das Wörterbuch der Staatssicher- MfS und der diensteinheitenbezogenen Verantwort- heit, S. 198.

Drucksache 13/10893 Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode der Richtlinie 1/79" des MfS-Offiziers Lohr der Stellung des Kandidaten ist auch künftig eine er- HA XX vor (Dok. Nr. 118). Der Werbungsvorschlag, sprießliche und konkrete Zusammenarbeit seitens der kurze Zeit nach der Erfassung Dr. Gysis im IM- des Kandidaten nicht zu erwarten. Es wird deshalb Vorlauf „Gregor" entstand, ist in der zu Dr. Gysi ge- vorgeschlagen, die IM-Vorlauf-Akte in der Abteilung führten IM-Vorlauf-Akte enthalten und bezieht sich XII des MfS gesperrt abzulegen. " Im Beschluß über im Klarnamen auf „Gysi, Gregor". In dem Werbungs- die Archivierung des IM-Vorlaufes" vom 14. August vorschlag heißt es: „Bekanntwerden des Kan- 1986 (Dok. Nr. 91), der vom MfS-Offizier Reuter un- didaten: Der Kandidat wurde 1978 während der terzeichnet ist, wird dementsprechend die gesperrte operativen Bearbeitung des OV ,Konzeption' be- Ablage des Vorgangs verfügt. Zur Begründung der kannt, als er in Vorbereitung des Prozesses gegen Archivierung des IM-Vorlaufs heißt es: „Die Möglich- Bahro, Rudolf, den Rechtsbeistand übernahm." Wei- keiten des Kandidaten zu einer inoffiziellen Zusam- terhin wird im Hinblick auf die „Geplante Einsatz- menarbeit sind auf Grund der beruflichen Tätigkeit richtung und operative Notwendigkeit der Werbung" begrenzt. Er ist daher zur Aufklärung und Bekämp- ausgeführt: „Durch seine Tätigkeit als Rechtsanwalt fung politischer Untergrundtätigkeit nicht geeignet". vertritt der Kandidat Mandanten, die operativ inter- Die Ablage des Vorgangs wurde unter dem 17. Sep- essant sind, teilweise in Vorgängen und OPK durch tember 1986 bestätigt (Dok. Nr. 91). unsere DE bearbeitet werden bzw. anderweitig ope- rativ angefallen sind. So bewies er in der bisherigen Aus der Zeit der Erfassung Dr. Gysis im IM-Vorlauf Zusammenarbeit Zuverlässigkeit und eine hohe Ein- „Gregor" liegen neun Operativgeldabrechnungen satzbereitschaft, als er den Rechtsbeistand im Prozeß bzw. Auszahlungs-Anordnungen für Operativgelder gegen Bahro übernahm und im Verfahren gegen aus den Jahren 1981 bis 1985 vor (Dok. Nr. 131, 90). Robert Havemann wegen Verstoßes gegen das Devi- Hierin wird als Deckname „IMS Notar" bzw. „Notar" sengesetz unter strenger Einhaltung der Konspira- und die Registriernummer XV/5647/80 des zu Dr. tion über geplante Aktivitäten, über das weitere Vor- Gysi angelegten IM-Vorlaufs angegeben. Als Zweck- gehen von Verbindungspersonen, Ziele und Absich- bestimmungen werden im wesentlichen „Präsent", ten, über die Rechtslage und ihre Folgen, berich-- „Präsent anläßlich Geburtstag" und „operative Aus- tete. " Zum „Plan der Werbung und A rt der Verpflich- lagen" genannt. Unter „Empfänger" wird in den tung" heißt es: „Im Interesse der Einhaltung der Kon- Auszahlungs-Anordnungen für Operativgelder über- spiration und der politisch operativen Notwendigkeit wiegend der MfS-Offizier Lohr angegeben. Verbu- wurden dem Kandidaten bereits im Rahmen der Vor- chungskonto sollte grundsätzlich das Untersach bereitung und Durchführung des Bahro-Prozesses konto 6000 sein, das - wie bereits ausgeführt wurde - die Aufgaben des MfS eingehend erläutert. Auf die Zweckbestimmung „Zuwendungen an IM und Grund der beruflichen Tätigkeit und der politischen GMS" hatte. Im Falle einer „Auszahlungs-Anord- Zuverlässigkeit erkannte der Kandidat schon damals nung" vom 18. Dezember 1981 (Dok. Nr. 131) er- die Notwendigkeit einer inoffiziellen Zusammenar- folgte die Buchung auf dem Untersachkonto 6021, beit und Einhaltung der Konspiration. Dies bewies er welches für Nahrungs- und Genußmittel in konspira- durch die Übergabe operativ auswertbarer Informa- tiven Wohnungen bzw. konspirativen Objekten vor- tionen, seiner Einsatzbereitschaft und der durchge- gesehen war (BStU, Ergänzender Bericht, S. 21). Die führten Aufgaben. Es ist deshalb vorgesehen beim vorliegenden Finanzunterlagen wurden von den nächsten Treff und im Rahmen der ihm zu erteilen- MfS-Offizieren Reuter und Lohr unterschrieben bzw. den Aufträge unter besonderer Beachtung der sich quittiert. Nach Mitteilung des Bundesbeauftragten verschärfenden Klassenkampfsituation, dem Kandi- entsprach die Anfertigung der überwiegenden Zahl daten nochmals die Bedeutung der Zusammenarbeit der vorliegenden Operativgeldbelege entweder in aufzuzeigen. Der Kandidat soll mündlich durch der zweiten Dezemberhälfte oder in der zweiten Ja- Handschlag, verpflichtet werden und den Deckna- nuarhälfte einer im MfS üblichen Praxis, inoffiziellen men ,Notar' erhalten." Nach der Aktenlage wurde Mitarbeitern anläßlich des Jahreswechsels und zu der Werbungsvorschlag weder bestätigt noch aus- deren Geburtstagen - Dr. Gysi wurde am 16. Januar drücklich abgelehnt. 1948 geboren - Präsente zu überreichen. Der Abg. Dr. Gysi bestreitet, Präsente vom MfS erhalten zu ha- Die IM-Vorlauf-Akte zu Dr. Gysi wurde von der ben. Eine von ihm unterzeichnete Quittung, auf der HA XX/9 sechs Jahre geführt und am 17. September er den Erhalt von Geld oder Präsenten bestätigt ha- 1986 ordnungsgemäß archiviert (BStU, Ergänzender be, liege nicht vor. Vorstellbar sei jedoch, daß im Zu- Bericht, S. 9). Im Abschlußbericht des MfS-Offiziers sammenhang mit der Nutzung von Quellen aus sei- Lohr vom 13. August 1986 (Dok. Nr. 119) wird dazu ner Umgebung oder im Rahmen der Operativen Per- ausgeführt: „Obwohl der Kandidat in der ersten Zeit sonenkontrolle Kosten entstanden seien. Ebenso der mit ihm geführten Gespräche über die oben an halte er es für denkbar, daß ihm Dritte, die im Auftrag rt-geführten Personen [Anm.: Rudolf Bahro und Robe des MfS Kontakt zu ihm gehalten hätten, zu Weih- Havemann] Informationen über Verhaltensweisen nachten oder zu seinem Geburtstag auf Kosten des und geplante Aktivitäten übergab, war festzustellen, MfS Präsente überreicht hätten. daß er an seiner Schweigepflicht als Rechtsanwalt festhält. Von dieser Haltung war auch die Zusam- Der Bundesbeauftragte hat hinsichtlich der sechsjäh- menarbeit geprägt. Es muß eingeschätzt werden, daß rigen Laufzeit des IM-Vorlaufs ausgeführt, daß eine Hinweise zu Personen und Sachverhalten allgemein- derart lange Laufzeit für einen IM-Vorlauf unüblich gültigen Charakter trugen, die, wie sich nach Über- gewesen sei und nicht der üblicherweise praktizier- prüfung herausste llte, größtenteils auch offiziell er- ten zielstrebigen Aufklärung und Überprüfung der langt werden konnten. (...) Aufgrund der beruflichen IM-Kandidaten entsprach (BStU, Gutachterliche Stel-

Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode Drucksache 13/10893

lungnahme, S. 31 ff.). Entsprechend war auch dem Vorlaufs im Oktober 1980 die bereits vorher im MfS im Rahmen einer „zentralen Revision zu IM-Vor- Jahre 1978 aufgenommene Zusammenarbeit mit der läufen" bereits im Jahre 1984 die lange Laufzeit des HA XX/OG bzw. HA XX/9 unverände rt fortgesetzt IM-Vorlaufes zu Dr. Gysi aufgefallen. Ausweislich hat. Unter den Ziffern 6.2, 6.8 und 6.11 wurde dieses eines von der HA XX/9 zu den in ihrem Bereich auf- für die anwaltliche Vertretung Robe rt Havemanns, gefallenen unerledigten IM-Vorlauf-Vorgängen er- Gerd und Ulrike Poppes sowie den Empfang im stellten Dokuments wurde zum IM-Vorlauf „Gregor" Ermlerhaus sicher nachgewiesen. Grundsätzlich vermerkt, daß die Erfassung entsprechend einer Ab- wurde für Gregor Gysi in diesem Zusammenhang sprache mit dem Leiter der HA XX, Generalmajor der im Eröffnungsbeschluß des IM-Vorlaufs vorgese- Kienberg, vorerst nicht verändert wird (Dok. Nr. 120). hene Deckname „Notar" benutzt.

Nach Überzeugung des 1. Ausschusses spiegelt die Einen weiteren Anhaltspunkt für die inoffizielle Zu- Erfassung Gregor Gysis im IM-Vorlauf „Gregor" von sammenarbeit stellen die aufgefundenen Finanzbe- 1980 bis 1986 nicht das wahre Verhältnis Dr. Gysis lege dar, nach denen mehrfach zum Jahreswechsel zur HA XX des MfS wider. Zwar diente die Erfassung und zum Geburtstag Zuwendungen an Dr. Gysi ver- in einem IM-Vorlauf grundsätzlich dazu, die betref- bucht wurden. Nach Auffassung des 1. Ausschusses fende Person auf ihre Fähigkeit und Bereitschaft zu belegt das Vorhandensein der Finanzbelege aller- überprüfen, für das MfS von einem bestimmten Zeit- dings nicht mit letzter Sicherheit, daß Dr. Gysi die punkt an als inoffizieller Mitarbeiter tätig zu sein, In- Geschenke von der HA XX tatsächlich erhalten hat. formationen zu liefern sowie ggf. Einfluß im Sinne Die Gesamtumstände der vorliegenden Belege und des MfS auf Personen und Vorgänge zu nehmen (vgl. die überwiegende Verbuchung auf dem Unterkonto BStU, Gutachterliche Stellungnahme, S. 35). Im Ver- 6000 deuten jedoch darauf hin, daß das ausgezahlte hältnis zu Gregor Gysi spielte dieses nach Auffas- Operativgeld im Zusammenhang mit einer inoffiziel- sung des 1. Ausschusses jedoch allenfalls eine unter- len Tätigkeit Dr. Gysis für die HA/XX 9 des MfS geordnete Rolle. Dieses wird insbesondere durch den stand. Werbungsvorschlag der HA XX/OG vom 27. Novem- Auch die unüblich lange Laufzeit des IM-Vorlaufs ber 1980 dokumentiert. Der bereits kurz nach der Er- deutet darauf hin, daß der IM-Vorlauf nicht vorrangig öffnung des IM-Vorlaufs vorgelegte Werbungsvor- der Prüfung des IM-Kandidaten Dr. Gysi diente, son- schlag des MfS-Offiziers Lohr belegt nach Überzeu- dern der HA XX/OG bzw. HA XX/9 das Zugriffsrecht gung des 1. Ausschusses, daß zum einen bereits vor auf Dr. Gysi für eine inoffizielle Zusammenarbeit si- der Eröffnung des IM-Vorlaufs insbesondere im Zu- chern sollte. Das MfS, dem die lange Laufzeit bewußt sammenhang mit dem Prozeß gegen Rudolf Bahro war, setzte bewußt dennoch den IM-Vorlauf fo rt. Daß und dem Verfahren gegen Robe rt Havemann - als die HA XX/9 sich auch weiterhin den alleinigen Zu- Dr. Gysi noch in einem Sicherungsvorgang der BV griff auf Dr. Gysi sichern wollte, wird auch durch die Berlin erfaßt war - eine inoffizielle Zusammenarbeit unmittelbar nach Archivierung des IM-Vorlaufs er- zwischen der HA XX/OG und Dr. Gysi stattgefunden folgte Eröffnung der OPK „Sputnik" sowie die ge- hat. Dieses erklärt auch, daß der Werbungsvorschlag sperrte Ablage des IM-Vorlaufs dokumentiert. bereits kurz nach der Eröffnung des IM-Vorlaufs „Gregor" vom MfS-Offizier Lohr vorgelegt werden Der Hinweis des MS-Offiziers Lohr im Abschlußbe- konnte. Zudem verdeutlicht der Werbungsvorschlag richt anläßlich der Archivierung des IM-Vorlaufs, daß den Charakter der Zusammenarbeit Gregor Gysis eine „ersprießliche und konkrete Zusammenarbeit" mit der HA XX/OG. Dieser vermerkt mit Bezug auf mit Dr. Gysi nicht zu erwarten sei und Dr. Gysi an sei- die Zusammenarbeit mit Dr. Gysi ausdrücklich des- ner Schweigepflicht als Rechtsanwalt festhält, vermag sen Zuverlässigkeit und eine hohe Einsatzbereit- Dr. Gysi nicht zu entlasten. Zumindest in den oben schaft. Nach dem Werbungsvorschlag berichtete Dr. dargelegten Fällen hat Dr. Gysi Berichte und Angaben Gysi im Verfahren gegen Robe rt Havemann unter über seine Mandanten an das MfS geliefert. strenger Einhaltung der Konspiration über geplante Aktivitäten, über das weitere Vorgehen von Verbin- Insgesamt steht zur Überzeugung des 1. Ausschusses dungspersonen, Ziele und Absichten, über die fest, daß Dr. Gysi nach Eröffnung des IM-Vorlaufs „Gregor" im Jahre 1980 die bereits im Jahre 1978 be- Rechtslage und ihre Folgen. Wie der Werbungsvor- schlag ausführt, wurden Dr. Gysi schon im Rahmen gonnene Zusammenarbeit mit der HA XX/OG bzw. HA XX/9 unverände des Bahro-Prozesses die Aufgaben des MfS einge- rt fortgesetzt hat und Informatio- nen über seine Mandanten an das MfS lieferte. hend erläutert. Er erkannte danach die Notwendig- keit einer inoffiziellen Zusammenarbeit und die Ein- haltung der Konspiration. Der 1. Ausschuß bewe rtet den Werbungsvorschlag vom 27. November 1980 7.3.2 Erfassung in der OPK „Sputnik" aufgrund der vorliegenden MfS-Dokumente zu Ru- dolf Bahro und Robe rt Havemann aus den Jahren Am 18. September 1986, also am Tag nach der Archi- 1978 bis 1980 und der strengen internen Kontroll- vierung des IM-Vorlaufs „Gregor", wurde Dr. Gysi in mechanismen des MfS als inhaltlich zutreffend. einem Vorgang der Operativen Personenkontrolle (OPK) der HA XX/9 mit dem Decknamen „Sputnik" Unter Berücksichtigung dieses Werbungsvorschlages und der Registriernummer XV 4628/86 erneut aktiv und weiterer während der Zeit der Erfassung Gregor erfaßt (Dok. Nr. 125, 272). Der Deckname „Sputnik" Gysis im IM-Vorlauf „Gregor" aufgefundener Unter- ist ausschließlich Dr. Gysi zugeordnet. Die OPK-Akte lagen ist der 1. Ausschuß davon überzeugt, daß „Sputnik" hat der Bundesbeauftragte nicht aufge- Dr. Gysi ungeachtet der formellen Eröffnung des IM- funden. Es wurden jedoch Durchschläge oder Zweit-

Drucksache 13/10893 Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode schriften von Teilen daraus und Karteikarten mit Ver- bucht wurden. In allen Belegen wird die Registrier- weisen auf sie aufgefunden (BStU, Ergänzender Be- nummer XV/4628/86 sowie in der Rubrik „Angehöri- richt, S. 10). ger" OSL Lohr angeführt. Daneben liegt noch eine Jahresliste für 1987 vor, in der Operativkosten für Im Bereich der HA XX stellte eine Opera tive Perso- „Sputnik" verbucht worden sind (Dok. Nr. 132). nenkontrolle, anders als bei der HVA, grundsätzlich formell eine operative Bearbeitung von Personen dar. Weiterhin liegen dem 1. Ausschuß bezogen auf Gre- Dieses war in einer formgebundenen Akte zu doku- gor Gysi vier Avisierungen 7) aus den Jahren 1988 mentieren. Das Wörterbuch der Staatssicherheit und 1989 vor (Dok. Nr. 283, 284, 291, 292). Durch (a.a.O., S. 271 f.) nennt unter dem Stichwort „Opera ti diese Avisierungen wurde Dr. Gysi der Grenzüber- -ve Personenkontrolle (OPK) " drei „Politisch-operative tritt erheblich erleichtert, obwohl er zu dieser Zeit in Zielstellungen der OPK" . Hierbei handelt es sich um der OPK „Sputnik" erfaßt war. Ab März 1989 konnte die „Erarbeitung des Verdachts der Begehung von Dr. Gysi die DDR ohne Einschränkungen jederzeit Verbrechen gemäß erstem oder zweitem Teil des über festgelegte Grenzübergangsstellen verlassen StGB - Besonderer Teil - oder einer Straftat der allge- oder wiedereinreisen (Dok. Nr. 292). Das läßt sich nur meinen Kriminalität (...)", das „Erkennen von Perso- schwer mit einer gegen Dr. Gysi gerichteten OPK in nen mit feindlich-negativer Einstellung bzw. opera tiv Einklang bringen. bedeutsamen Verbindungen und Kontakten, (...), so- wie das rechtzeitige Verhindern bzw. Einschränken Dem 1. Ausschuß liegt eine Tonbandabschrift der ihres entsprechenden Wirksamwerdens" und letztens „Hauptabteilung XX/9" vom 3. Mai 1988 über einen die „vorbeugende Sicherung von Personen, die in si- „Vermerk über eine Rücksprache zwischen Rechts- cherheitspolitisch besonders bedeutsamen Positionen anwalt Dr. Gysi und Herrn Wollenberger am 28. 4. oder Bereichen tätig sind oder tätig werden sollen und 1988" vor (Dok. Nr. 276). Die Tonbandabschrift, die bei denen aufgrund vorhandener Ansatzpunkte die im Zusammenhang mit der Verhaftung von Vera Gefahr eines Mißbrauchs durch den Gegner besteht Wollenberger und ihrer Ausreise aus der DDR im und damit das rechtzeitige Erkennen und die wirksa-- Februar 1988 steht, gibt als Quelle „Sputnik" an. Die me Bekämpfung feindlicher Angriffe bzw. feindlich- Tonbandabschrift enthält den Vermerk: „entgegen- negativer Handlungen durch diese Personen" genommen: OSL Lohr am 29.4. 1988"; am Ende heißt es: „gez. IM". Weitere Dokumente aus dieser Zeit Im Eröffnungsbericht der „Hauptabteilung XX/9" betreffen, wie unter Ziffer 6.10 ausgeführt wurde, zur OPK „Sputnik" vom 1. September 1986 (Dok. Bärbel Bohley. Nr. 121), der vom MfS-Offizier Lohr unterzeichnet wurde, wird mit Bezug auf Dr. Gysi ausgeführt: „Die Der Bundesbeauftragte hat aber auch einen Auszug angeführte positive Einschätzung steht im Wider- aus einem Ordner mit dem Titel „Personenverzeichn. spruch zu den inoffiziellen und offiziellen Aufklä- Maßn. 26-A" (Dok. Nr. 125) u. a: mit Daten vom „7. 4. rungsergebnissen. Die OPK wird deshalb mit folgen- 1986" und „ 13. 3. 1987" vorgelegt, der den Namen der Zielsetzung bearbeitet: 1. Umfassende Aufklä- Dr. Gysis enthält. Nach Auskunft des Bundesbeauf- rung der Person und seines Umgangskreises im be- tragten bedeutet eine „Maßnahme 26-A" eine Tele- ruflichen und Freizeitbereich. (...) 2. Klärung des fonkontrolle (BStU, Gutachterliche Stellungnahme, Charakters der Beziehungen zu seinen Klienten (...) S. 13). Als Dok. Nr. 274 und 290 liegen Kopien von an 3. Aufklärung der Verbindungen zu Personen aus Dr. Gysi gerichteten Briefen und Postkarten aus den dem NSW, besonders zu den in der DDR akkreditier- Jahren 1987 und 1989 vor, die vom MfS kontrolliert ten Korrespondenten und Mitarbeitern der Ständigen worden sind. Weiterhin liegt ein Bericht der Quelle Vertretung der BRD in der DDR. (...) In Abstimmung IMB „R. Zenker" vom 3. September 1987 über Dr. mit der HA II/12 und 13 sind die Kontakte nach einer Gysi vor, der allerdings nicht von der HA XX/9 möglichen geheimdienstlichen Tätigkeit aufzuklären stammt (Dok. Nr. 124). und entsprechende Maßnahmen einzuleiten". Im Er- Abg. Dr. Gysi vertritt die Auffassung, daß gegen ihn gänzungsbericht der HA XX/9 vom 19. September eine Operative Personenkontrolle mit umfangreichen 1986 (Dok. Nr. 122) wird dazu ausgeführt: „Die im Er- Kontrollmaßnahmen durchgeführt worden sei. Er ha- öffnungsbericht der OPK festgelegten Maßnahmen be hiervon zum damaligen Zeitpunkt keine Kenntnis sind zielstrebig durchzuführen und erste Ergebnisse gehabt. Es gebe Anhaltspunkte dafür, daß seine Post der Aufklärung des Charakters der Verbindungen zu kontrolliert und Telefongespräche abgehört worden angeführtem Personenkreis sowie die Einleitung von seien. Hinsichtlich des Maßnahmeplans auf Dok. Nr. Koordinierungsmaßnahmen mit den angeführten 88 erklärt Abg. Dr. Gysi, er könne nicht „Sputnik" sein, Diensteinheiten zu realisieren" . weil er zum damaligen Zeitpunkt keinen persönlichen Kontakt zu Werner Fischer gehabt habe. Zur Tonban- Aus der Zeit der Erfassung Dr. Gysis in der OPK dabschrift vom 3. Mai 1988 (Dok. Nr. 276) bestreitet er, „Sputnik" liegen dem 1. Ausschuß fünf Belege über Operativgeldabrechnungen mit den Datumsangaben die darin enthaltenen Informationen dem MfS mitge- „20. 01. 87", „22. 12. 87", „21. 12. 88", „28. 1. 88" und „17. 1. 89" vor (Dok. Nr. 90). Diese geben in der 7) Avisierungen im sogenannten grenzüberschreitenden Ver- Rubrik „Deckname bzw. Verwendungszweck" den kehr sind Festlegungen oder Veranlassungen von Maßnah- Decknamen „Sputnik" sowie die Registriernummer men, welche die Paßkontrolleinheiten des MfS in Abwei- XV/4628/86 an (Dok. Nr. 90). Vier dieser Belege ent- chung des üblichen Kontrollverfahrens beim Passieren der halten den Verwendungszweck „Präsent". Verbu- Grenze durch bestimmte Personen durchzusetzen hatten. Avisierungen konnten etwa eine völlige Befreiung von Kon- chungskonto war in allen Fällen das Untersachkonto trollen beinhalten (vgl. BStU, Ergänzender Bericht, S. 25 mit 6000, auf dem Zuwendungen an IM und GMS ver FN 66).

Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode Drucksache 13/10893 teilt zu haben. Außerdem habe er keine Präsente vom vom MfS keine Präsente erhalten hätten. Weiterhin MfS erhalten. Abg. Dr. Gysi bezieht sich auf eine von sprechen die Avisierungen zugunsten von Dr. Gysi in ihm vorgelegte schriftliche Stellungnahme des ehe- den Jahren 1988 und 1989 dafür, daß die Durchfüh- maligen MfS-Offiziers Schmidt vom 6. April 1997 rung einer OPK gegen Dr. Gysi nicht sein tatsächli- (Schreiben vom 17. April 1997, Anlage 1). ches Verhältnis zum MfS widerspiegelte.

Nach Ansicht des 1. Ausschusses ergibt sich für die In der Eröffnung der OPK „Sputnik" fehlte außerdem Zeit der Erfassung Dr. Gysis in der OPK „Sputnik" der sonst übliche Hinweis auf eine bisherige Regi- ein differenzie rtes Bild hinsichtlich einer möglichen strierung Dr. Gysis als IM oder IM-Vorlauf sowie der Zusammenarbeit mit der HA XX/9 des MfS. Bezug auf die bisherige Zusammenarbeit (vgl. BStU, In erster Linie diente eine Operative Personenkon- Gutachterliche Stellungnahme, S. 39). Die kurze trolle bei der HA XX der Aufklärung einer Person Zeitspanne zwischen der Archivierung des IM-Vor- und seines Umgangskreises. Diesem Anliegen ent- laufs „Gregor" und der Erfassung in der OPK „Sput- spricht der Eröffnungsbericht zur OPK „Sputnik" nik" verdeutlicht zudem die Absicht der HA XX/9, und der dazu gehörende Ergänzungsbericht. Aller- Dr. Gysi weiterhin aktiv zu erfassen. Dadurch wurde dings schließt die formelle Eröffnung einer OPK nach das alleinige Recht der HA XX/9 gesichert, zu Dr. Auskunft des Bundesbeauftragten eine inoffizielle Gysi Kontakt zu halten. Mit der Archivierung der IM Tätigkeit für die HA XX des MfS nicht von vornher- Vorlaufakte „Gregor" bestand die Gefahr, daß die ein aus. Insoweit seien Fälle der Verschleierung des HA XX/9 vom Zeitpunkt der Archivierung an nicht tatsächlichen Erfassungsverhältnisses bei der Be- mehr die alleinige Verfügung über Dr. Gysi behalten kämpfung des politischen Untergrundes vorgekom- hätte (BStU, Gutachterliche Stellungnahme, S. 39). men (BStU, Gutachterliche Stellungnahme, S. 39). Hinweise auf eine weiterhin bestehende Zusammen- Hierfür spricht auch die Definition der Operativen arbeit Dr. Gysis mit der HA XX/9 sind auch die Be- Personenkontrolle im Wörterbuch der Staatssicher- zugnahme auf IM „Sputnik" in einem Fragment heit, nach der eine OPK auch der vorbeugenden Si- eines Maßnahmeplans (Dok. Nr. 88) zu Bärbel Bohley und Werner Fischer und die Tonbandabschrift der cherung von Personen in sicherheitspolitisch bedeut-- samen Positionen und Bereichen diente. HA XX/9 vom 3. Mai 1988 über ein Gespräch zwi- schen Dr. Gysi und Herrn Wollenberger am 28. April Anhaltspunkte für eine auch während der Erfassung 1988 mit der Quellenangabe „Sputnik" und die Dr. Gysis in der OPK „Sputnik" fortbestehende Zu- Zeichnung des Vermerkes mit „gez. IM". sammenarbeit mit der HA XX/9 sind die Bezeich- nung Dr. Gysis in internen Informationen der für ihn Im Ergebnis vermag der 1. Ausschuß sich keine ab- zuständigen MfS-Offizieren und in Einsatzplänen als schließende Klarheit zu verschaffen, ob Dr. Gysi wäh- IM. Auch die aufgefundenen Finanzbelege, die dar- rend seiner Erfassung in der OPK „Sputnik" inoffi- auf hindeuten, daß Dr. Gysi zum Jahreswechsel und ziell für die HA XX/9 des MfS tätig gewesen ist. Zu- seinem Geburtstag am 16. Januar während der Er- gunsten des Abg. Dr. Gysi geht der 1. Ausschuß fassung in einer OPK „Sputnik" Präsente und Ge- - auch weil die entsprechende OPK-Akte nicht auf- schenke von der Hauptabteilung XX/9 erhalten gefunden wurde - davon aus, daß eine Zusammenar- hatte, sprechen hierfür, da nach Mitteilung des Bun- beit Dr. Gysis mit der HA XX/9 des MfS während sei- desbeauftragten Personen, die in einer OPK operativ ner Erfassung in der OPK „Sputnik" als nicht erwie- bearbeitet worden sind, nach seinen Erfahrungen sen anzusehen ist.

8. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

Der Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Ge- ständigen Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) des schäftsordnung (1. Ausschuß) hat im Prüfungsverfah- MfS belegt. Obwohl die Unterlagen der HVA fast ren gemäß § 44b Abs. 2 AbgG eine inoffizielle Tätig- vollständig vernichtet wurden, konnte diese inoffi- keit des Abg. Dr. Gregor Gysi für das Ministe rium für zielle Zusammenarbeit von Dr. Gysi anhand anderer Staatssicherheit der ehemaligen Deutschen Demo Unterlagen belegt werden. So charakterisiert ein kratischen Republik als erwiesen festgestellt. Sachstandsbericht der HVA/Abt. XI vom 17. Februar Der 1. Ausschuß ist nach sorgfältiger Prüfung und 1978, der in der im Jahre 1980 zu Dr. Gysi angelegten Bewertung der beim Bundesbeauftragten aufgefun- IM-Vorlaufakte „Gregor" der Hauptabteilung XX/9 denen Dokumente und der zahlreichen Stellungnah- aufgefunden wurde, die Zusammenarbeit Dr. Gysis men des Abg. Gysi, zu der Überzeugung gekommen, mit der HVA wie folgt: „Gregor Gysi ist als OPK-Vor- daß Dr. Gysi in der Zeit von 1975 bis 1989 in verschie- gang (...) registriert. G. wurde 1975 im Zusammen- denen Erfassungsverhältnissen beim Ministe rium für hang mit der Überprüfung eines Vorgangs aus dem Staatssicherheit (MfS) aktiv erfaßt war. Dr. Gysi hat Operationsgebiet für die Legende eines juristischen in dieser Zeit nachweislich bis 1986 unter verschiede- Beraters inoffiziell zur Zusammenarbeit gewonnen nen Decknamen dem MfS inoffiziell zugearbeitet. (...). Die ihm gestellten Aufgaben hat er umsichtig Zunächst ist von 1975 bis 1977 eine Zusammenarbeit und parteilich gelöst. " Dieser interne Vermerk stellt zwischen Dr. Gysi und der für Auslandsspionage zu- nach der Überzeugung des 1. Ausschusses die tat-

Drucksache 13/10893 Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode sächlichen Beziehungen zwischen Dr. Gysi und der Im Zusammenhang mit der Anwaltstätigkeit von Dr. HVA korrekt dar. Gysi für Robert Havemann und Rudolf Bahro hat der 1. Ausschuß jeweils in mehreren konkreten Einzelfäl- Nach der Beendigung der inoffiziellen Zusammenar- len die inoffizielle Zusammenarbeit von Dr. Gysi mit beit mit der HVA arbeitete Dr. Gysi ab 1978 mit der dem MfS nachweisen können. Die vom Abg. Dr. Gysi für die Bekämpfung der politischen Opposition zu- vorgetragene Erklärung, wonach er ausschließlich ständigen Hauptabteilung XX/OG, der späteren mit dem ZK der SED Kontakt gehabt habe, ist als HA XX/9 des MfS inoffiziell zusammen. Nach Über- nicht stichhaltige Schutzbehauptung widerlegt. zeugung des 1. Ausschusses dauerte diese inoffizielle Zusammenarbeit zumindest bis 1986 an. Aus den vorliegenden MfS-Unterlagen ergeben sich zudem erhebliche Anhaltspunkte dafür, daß Dr. Gysi Die Zusammenarbeit Dr. Gysis mit der HA XX/OG er- auch über andere Mandanten, wie z.B. Bärbel Bohley folgte ab 1978 ungeachtet des Erfassungsverhältnisses, und Katja Havemann personenbezogene Informatio- in dem Dr. Gysi beim MfS stand. Sowohl während sei- nen an die HA XX des MfS geliefert hat. Die hierzu ner Erfassung in dem für die Berliner Rechtsanwälte vorliegenden MfS-Unterlagen deuten auf eine Zu- üblichen Sicherungsverfahren bei der zuständigen auf sammenarbeit von Dr. Gysi mit dem MfS auch nach Bezirksebene agierenden Abteilung des MfS bis Okto- seiner Erfassung in einer Operativen Personenkon- ber 1980 als auch während in der Erfassung in einem trolle (OPK) „Sputnik" im September 1986 hin. We- IM-Vorlauf-Vorgang „Gregor" bei der HA XX von gen der Besonderheiten des Überprüfungsverfahrens 1980 bis 1986 erfolgte eine ungebrochene inoffizielle gemäß § 44b des AbgG und der hierzu ergangenen Zusammenarbeit zwischen Dr. Gysi und der HA XX/ Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die OG bzw. HA XX/9 des MfS. Die für Dr. Gysi von 1978 hohe Beweisanforderungen bei gleichzeitiger Be- bis 1989 allein zuständigen MfS-Offiziere Lohr und schränkung der Beweismittel auf Dokumente des Reuter verwendeten während der Zeit der inoffiziellen MfS und die Stellungnahmen des Betroffenen vorse- Zusammenarbeit für Gregor Gysi die Decknamen hen, sieht der 1. Ausschuß davon ab, insoweit eine „Gregor" und „Notar" sowie die IM-Kategorien GMS Feststellung zu treffen. Hinsichtlich der Erfassung (Gesellschaftlicher Mitarbeiter für Sicherheit), IMV Dr. Gysis in der Operativen Personenkontrolle „Sput- (IM-Vorlauf), IMS (Inoffizieller Mitarbeiter für Sicher- nik" von. Ende 1986 bis zum Ende der DDR enthält heit) und IM nebeneinander und in verschiedenen sich der 1. Ausschuß angesichts der spärlichen Ak- Kombinationen. Dem Ausschuß liegen keinerlei Er- tenfunde einer abschließenden Wertung. kenntnisse oder verwertbare Erklärungen vor, daß die verwendeten Decknamen möglicherweise anderen Der 1. Ausschuß hält nach Überprüfung der ihm zur Personen als Dr. Gysi zugeordnet waren. Die der Über- Verfügung stehenden Unterlagen auch die Einlas- zeugung des 1. Ausschusses zugrundeliegenden inof- sung für zweifelsfrei widerlegt, daß Dr. Gysi nichts fiziellen Informationen stammen weder aus techni- von den verschiedenen Erfassungsverhältnissen ge- schen Quellen noch können sie als Sammlung von In- wußt haben will. Nach den Unterlagen steht fest, daß formationen aus verschiedenen Quellen angesehen Dr. Gysi sich mit dem ihm zugeordneten Mitarbeitern werden. So fehlen beispielsweise die Signaturen der des MfS Reuter und Lohr in seiner eigenen und an- für Abhörmaßnahmen zuständigen Abteilung des MfS deren Wohnungen getroffen hat. oder die üblichen Kennzeichnungen für Sammelinfor- mationen, in der alle beteiligten Quellen einzeln aufge- Zur Überzeugung des 1. Ausschusses steht fest: Dr. führt werden. Der 1. Ausschuß kommt daher nach Gregor Gysi hat in der Zeit seiner inoffiziellen Tätig- Überprüfung aller vorgelegten Quellen zu dem Ergeb- keit Anweisungen seiner Führungsoffiziere über die nis, daß diese Entlastungsargumente des Abg. Dr. Gysi Beeinflussung seiner Mandanten ausgeführt und als in jeder Hinsicht widerlegt anzusehen sind. über die Erfüllung seiner Arbeitsaufträge berichtet. Er hat sich hierauf nicht beschränkt, sondern auch Dr. Gysi hat nach Überzeugung des Ausschusses seine eigene Vorschläge an das MfS herangetragen. Dr. Anwaltstätigkeit für Robe rt Havemann, Rudolf Bahro, Gysi hat seine herausgehobene berufliche Stellung Franz Dötterl sowie Gerd und Ulrike Poppe dazu be- als einer der wenigen Rechtsanwälte in der DDR ge- nutzt, um im Rahmen seiner inoffiziellen Zusammenar- nutzt, um als Anwalt auch international bekannter beit dem MfS Informationen über seine Mandanten zu Oppositioneller die politische Ordnung der DDR vor liefern und Arbeitsaufträge des MfS auszuführen. Die seinen Mandanten zu schützen. Um dieses Ziel zu er- Überprüfung der verschiedenen Mandatsverhältnisse reichen, hat er sich in die Strategien des MfS einbin- hat in jedem der genannten Fälle ergeben, daß Rechts- den lassen, selbst an der operativen Bearbeitung von anwalt Dr. Gysi personenbezogene Informationen, Ein- Oppositionellen teilgenommen und wichtige Infor- schätzungen und Bewe rtungen zu seinen Mandanten mationen an das MfS weitergegeben. Auf diese Er- an das MfS weitergegeben hat. Darüber hinaus hat Dr. kenntnisse war der Staatssicherheitsdienst zur Vor- Gysi dem MfS durch einen Bericht über das Gespräch bereitung seiner Zersetzungsstrategien dringend an- mit einem Spiegel-Korrespondenten anläßlich eines gewiesen. Das Ziel dieser Tätigkeit unter Einbindung Empfangs im Ermlerhaus in Ostberlin 1986 wich tige In- von Dr. Gysi war die möglichst wirksame Unterdrük- formationen zukommen lassen. kung der demokratischen Opposi tion in der DDR.

Bonn, den 8. Mai 1998

Dieter Wiefelspütz (Vorsitzender)

Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode Drucksache 13/10893

Stellungnahme des Abgeordneten Dr. Gregor Gysi vom 29. Mai 1998 zur Feststellung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung vom 8. Mai 1998 im Rahmen des gegen ihn durchgeführten Überprüfungsverfahrens gemäß § 44b Abgeordnetengesetz

für erforderlich darauf hinzuweisen, daß die Zum Verfahren Fragen mit dem Bundesbeauftragten abgestimmt seien und sich bereits bei diesem befanden.

1. Das gegen mich durchgeführte Überprüfungsver- In einem Schreiben vom 8. Mai 1995 von Klaus fahren gemäß § 44 b Abgeordnetengesetz war von Richter an den damaligen Direktor der Behörde, Beginn bis zum Ende ein politisches Verfahren, Herrn Dr. Geiger, hielt dieser fest, daß die Unter- in dem Mitglieder des Ausschusses die eigenen suchung zu mir im Rahmen einer „Spezialrecher- Richtlinien und Absprachen permanent verletzten. che" laufen würde. Ferner teilte er mit, daß Herr Das Verfahren war durch Vorverurteilung, Vorein- Dr. Reinartz bei ihm gewesen sei und sich für den genommenheit, rechtswidrige Absprachen, Un- Erkenntnisstand der Behörde zum Thema interes-

gleichbehandlung und einseitige Ergebnisfixiert- siert habe. „ Ich habe Herrn Dr. Reinartz anhand heit geprägt. der Einleitung und des Fazits unseres Berichtes informiert. In unserem Gespräch ging es neben Heute muß davon ausgegangen werden, daß be- einer Reihe mehr oder weniger wichtiger Details reits zum Zeitpunkt der Beschlußfassung über die- vor allem um den Charakter der Fragen und die Einleitung des Überprüfungsverfahrens das Er- Art unserer Antwort. Dr. Reinartz meinte, es soll gebnis für die große Mehrheit der Mitglieder des aus der Behörde - so wörtlich - eine ,gutachter- Ausschusses feststand. Nach der Richtlinie für liche Stellungnahme' kommen, und bei der Beant- die entsprechende Tätigkeit des Ausschusses vom wortung der einzelnen Fragen von ihm selbst bzw. 13. Dezember 1991 soll der Ausschuß vom Bundes- von S. Propst (MdB) könnte sich auf unsere Stel- beauftragten für die Unterlagen des Staatssicher- lungnahme bezogen werden und ggf. noch ergän- heitsdienstes der ehemaligen DDR eine Auskunft zende Bemerkungen hinzugefügt werden. Fa lls über den betreffenden Abgeordneten einholen, Fragen kontraproduktiv seien, so könne die Ant- die Erklärungen des Abgeordneten sowie weitere wort mit einer Begründung auch ganz und gar Unterlagen würdigen. Nirgendwo ergibt sich aus weggelassen werden." Entsprechend dieser inter- den Richtlinien die Berechtigung von Ausschuß- nen Absprache zwischen dem Abgeordneten mitgliedern, mit der Behörde des Bundesbeauf- Dr. Reinartz und Herrn Richter übersandte der tragten einzelne Fragen, den Inhalt von Stellung- Bundesbeauftragte dann tatsächlich eine Aus- nahmen etc. inte rn abzusprechen. kunft, die er „gutachterliche Stellungnahme" 2. Im Jahre 1995 war ich bereits in der Lage, dem nannte. Der Bundesbeauftragte hielt sich auch Ausschuß Schreiben aus der Behörde des Bundes- daran, „kontraproduktive Fragen" nicht zu beant- beauftragten vorzulegen, die die rechtswidrige worten. Herr Richter hielt in seinem Schreiben dar- Zusammenarbeit zwischen Ausschußmitgliedern über hinaus fest, daß der Abgeordnete Dr. Reinartz und der Behörde belegten. So war in der Behörde „ bat, zu erwägen, ob behördlicherseits nicht paral- unter dem Datum vom 20. März 1995 eine Frage lel zur Auskunft bzw. zur ,gutachterlichen Äuße- erarbeitet worden, die der Ausschuß an die Behör- rung' eine Strafanzeige erfolgen könne (Mandan- de stellen sollte. Auf diesem „Vorschlag zur Anfra- tenverrat) ". ge" vom 20. März 1995 befindet sich ein hand- Die Zielstellung der ungesetzlichen Zusammenar- schriftlicher Vermerk des Mitarbeiters des Bundes- beit zwischen Ausschußmitgliedern und Mitarbei- beauftragten, Klaus Richter, vom 21. März 1995. tern der Behörde des Bundesbeauftragten stand Hier heißt es: „ Telefongespräch mit Wiefelspütz, also von vornherein fest. Dabei überschritten Aus- daß sich Berichterstatter Dr. Reinartz, Berthold schußmitglieder eindeutig ihre Kompetenzen. (CDU) in Behörde meldet und ich ihm obige Frage Eine Ergebnisoffenheit des Überprüfungsverfah- nennen soll und gegebenenfalls weitere Konkreti rens bestand also von Anfang an nicht. sierungen bespreche". Mit Telefax vom 29. März 1995 sandte der Abgeordnete Dr. Reinartz Herrn In den Absprachen zur Durchführung des Über- Richter von der Bundesbehörde seine Fragen. Erst prüfungsverfahrens vom 30. April 1992 wird unter am 30. März 1995 legte der Abgeordnete Reinartz Ziffer 4 zur Aktenaufbewahrung und Aktenein- seine Fragen dem Ausschuß vor, um sie beschlie- sicht festgelegt, daß nur die Ausschußmitglieder ßen zu lassen. Dies lehnte der Ausschuß ab und und der betroffene Abgeordnete das Recht zur vertagte sich auf den 26. April 1995. Ausdrücklich Akteneinsicht hätten. Diese Festlegung ist in mei- wurde festgelegt, daß die Fragen noch nicht an nem Verfahren dadurch verletzt worden, daß der den Bundesbeauftragten weitergeleitet werden Ausschuß jeweils mit einfacher Mehrheit festlegte, dürften. Der Abgeordnete Reinartz hielt es nicht daß sowohl die Gutachterliche Stellungnahme als

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auch der Ergänzende Bericht zur Gutachterlichen Sekretariat mit der Herstellung des Entwurfs einer Stellungnahme des Bundesbeauftragten auf Pres- Feststellung beauftragt. So geschah es auch in sekonferenzen vorgestellt und übergeben wurden. dem mich betreffenden Verfahren. Der Entwurf Der Ausschuß legte ferner fest, daß jede Bürgerin lag im Juni 1997 vor und wurde an die Obleute der und jeder Bürger berechtigt sei, diese Unterlagen Fraktionen im Ausschuß - außer an die Obfrau der von ihm anzufordern und sie dann kostenlos über- PDS - verteilt. Dieser umfangreiche gründliche sandt würden. So ist es auch geschehen. Entwurf kam zu der Feststellung, das eine inoffi- zielle Zusammenarbeit zwischen mir und dem MfS Ohne Beschluß wurden darüber hinaus zahlreiche nicht erweisen sei. Ohne Diskussion im Ausschuß Unterlagen durch Ausschußmitglieder in die Me- oder wenigstens im Berichterstattergremium wur- dien lanciert. In diesem Jahr hat zum Beispiel der de dieser Entwurf zum „Non -Paper" erklärt und Abgeordnete Dr. Küster (SPD) eigene Berichtsent- die Berichterstatter von CDU/CSU, SPD und würfe als Entwürfe des Ausschusses Medien zur Bündnis 90/Die GRÜNEN machten sich mit zu- Verfügung gestellt, obwohl dies durch die Ziffern 4 sätzlichen eigenen Mitarbeitern informell unter und 5 der Absprachen ausdrücklich untersagt ist. Ausschluß der Berichterstatter von FDP und PDS In der Ziffer 5 ist zur Öffentlichkeit festgelegt: daran, eine eigenen Entwurf zu erarbeiten, der die „ Die Mitglieder des Ausschusses sind zur Ver- Grundlage der jetzigen Feststellung bildet. Dabei schwiegenheit über schutzwürdige Daten über- wurde das Verfahren solange verzögert, bis sein prüfter Abgeordneter verpflichtet. Presseerklärun- Abschluß Bestandteil des Wahlkampfes wurde. gen über die inhaltliche Bewertung von Einzelfäl- len werden nicht abgegeben." Es kann als unstrit- Durch die Verletzung der Richtlinien und Abspra- tig bezeichnet werden, daß diese Regelungen in chen des Ausschusses gab es von Beginn an von dem gegen mich durchgeführten Überprüfungs- verantwortlichen Ausschußmitgliedern, Mitarbei- verfahren permanent verletzt wurden. Ich kann tern des Bundesbeauftragten für die Unterlagen zahlreiche bewe rtende Presseerklärungen der Ab- des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen geordneten Dr. Reinartz (später Andreas Schmidt) DDR und Medien ein machtvolles Zusammen- - und Lengsfeld von der CDU sowie der Abgeordne- spiel, dem ich relativ ohnmächtig gegenüber- ten Wiefelspütz, Dr. Küster und Hilsberg von der stand. Da es einen normalen zivilrechtlichen oder SPD vorlegen. Auf diese Art und Weise wurde seit verwaltungsrechtlichen Schutz gegen den Um- 1995 eine mediale Vorverurteilung meiner Person gang eines Bundestagsausschusses mit einem organisiert, um die Öffentlichkeit auf die am 8. Mai Mitglied des Bundestages nicht gibt, konnte ich 1998 getroffene Feststellung vorzubereiten. Ganz lediglich versuchen, meinerseits eine Öffentlich- offenkundig wurde die Verletzung am 24. März keit herzustellen. Daß diesbezüglich zu keinem 1998: Der Ausschuß hatte eine „Vorläufige Fest- Zeitpunkt Chancengleichheit herrschte, ergibt stellung" beschlossen, die laut Entscheidung des sich aus der genannten Konstellation. Bundesverfassungsgerichtes allein der Erörterung mit mir diente, um sie gegebenenfalls kritisch Der Thüringische Verfassungsgerichtshof hat sich überprüfen und danach eine Endgültige Fest- in seiner Entscheidung vom 17. Oktober 1997 mit stellung treffen zu können. Unmittelbar nach der der Art und Weise der Durchführung solcher Ausschußsitzung wurde aber von Mitgliedern des Überprüfungsverfahren im Landtag in Thüringen Ausschusses die „Vorläufige" Feststellung den beschäftigt. Dabei hob er auf Seite 23 hervor: Medien erläutert. Der Abgeordnete Andreas „Die Legitimität der fortdauernden Innehabung Schmidt (CDU) forde rte erneut meinen sofortigen des Mandats darf, gerade bei Anknüpfung an ein Rücktritt als Bundestagsabgeordneter. Von einer der Wahl vorausliegendes Verhalten des Man- Bereitschaft, diese „Vorläufige Feststellung" erst datsträgers, als Folge eines zwingenden Überprü- einmal mit mir zu erörtern und sie gegebenenfalls fungsverfahrens - wenn überhaupt -, dann nur für kritisch zu überprüfen, konnte also keine Rede sein. den Fall infrage gestellt werden, das die diesbe- züglichen Feststellungen von einer Instanz getrof- Der Ausschuß hat aber auch weitere Festlegungen fen werden, die eine hohe Gewähr dafür bietet, aus den Richtlinien und Absprachen verletzt. So daß die im Verfahren offenkundig werdenden soll zum Beispiel die Vorläufige Feststellung durch Informationen und persönlichen Daten nicht als eine Berichterstattergruppe erarbeitet werden. Mittel der politischen Auseinandersetzung miß- Diese Berichterstattergruppe hätte mit Einleitung braucht werden. In diesem Zusammenhang ist ins- des Überprüfungsverfahrens gegen mich gebildet besondere auch hinreichend sicherzustellen, daß werden müssen. Erst als ich in meiner Anhörung während des laufenden Überprüfungsverfahrens im Juni 1997 rügte, daß es eine solche Bericht- intern gewonnene (fragmentarische) Kenntnisse, erstattergruppe für mich gar nicht gäbe, wurde sie Verdachtsmomente sowie (vorläufige) Bewertun- anschließend durch den Ausschuß gebildet, ohne gen nicht bzw. nicht vorzeitig in die Öffentlichkeit daß dort je inhaltlich beraten wurde. gelangen." Niemand kann im Ernst behaupten, Eine ungleiche Behandlung meiner Person ergibt daß die hier aufgestellten Grundsätze im Rahmen sich daraus, daß der Ausschuß bei anderen Abge- des gegen mich durchgeführten Überprüfungsver- ordneten bewiesen hat, daß er in der Lage ist, fahrens beachtet worden seien. seine Richtlinien und Absprachen einzuhalten. Ein Verfahren, das unter permanenter Verletzung Vor allem gehört hierher der Umgang mit dem der Verfahrensregeln stattfindet und das dera rt Sekretariat des Ausschusses. In jedem Überprü offenkundig politisch motiviert ist, kann auch zu fungsverfahren wird das juristisch qualifizierte keinem rechtsstaatlichen Ergebnis kommen.

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IL Der Ausschuß hatte in der 12. Legislaturpe riode Zur Einseitigkeit der Auswertung von Unterlagen festgestellt, daß „ eine inoffizielle Tätigkeit Dr. Gysis und der Ergebnisse meiner Anhörung für das MfS nicht erwiesen" sei. Auf Seite 7 seiner jetzigen Feststellung führt er die Worte „ mit letzter durch den Ausschuß Sicherheit" ein, die es in der damaligen vorläufigen Feststellung nicht gab. Im wesentlichen lagen Die mangelnde Objektivität und Voreingenommen- ihm in der letzten und in dieser Legislaturpe riode heit des Ausschusses spiegeln sich auch in der Fest- die gleichen Unterlagen des Bundesbeauftragten stellung vom 8. Mai 1998 selbst wider. Dabei ist für vor. Der Ausschuß wäre zumindest verpflichtet mich von großer Bedeutung, womit sich der Aus- gewesen, zu erklären, welche neuen Unterlagen schuß nicht auseinandersetzt. zur Änderung seiner Auffassung geführt haben. 1. Ich habe dem Ausschuß eine Vielzahl von Ent- Eine solche Auseinandersetzung unterbleibt, weil scheidungen des Landgerichts Hamburg, des sie dem Ausschuß nicht möglich gewesen wäre. Oberlandesgerichts Hamburg, des Landgerichts Berlin, ein Protokoll aus einer Sitzung des Kam- 3. In der Feststellung geht der Ausschuß immer wie- mergerichts Berlin sowie eine Entscheidung der der auf Unterlagen der ehemaligen MfS-Offiziere Staatsanwaltschaft beim Landgericht Hamburg Reuter und Lohr ein. Dem Ausschuß wurde von vorgelegt. Der Ausschuß erwähnt auf Seite 9 sei- mir das Protokoll der Vernehmung dieser beiden ner Feststellung die Übergabe dieser Unterlagen. ehemaligen MfS-Offiziere durch das Landgericht Er erwähnt jedoch weder das Ergebnis der ge- Hamburg vom 30. Januar 1998 zur Verfügung richtlichen und staatsanwaltschaftlichen Über- gestellt. Das Ergebnis der gerichtlichen Verneh- prüfungen, noch findet eine Auseinandersetzung mung der beiden ehemaligen MfS-Offiziere spielt mit diesen Ergebnissen statt. Die Gerichte kamen in der gesamten Feststellung keine Rolle. Beide regelmäßig nach wesentlich weitergehenden Un- Offiziere hatten als Zeugen unter Strafandrohung tersuchungsmöglichkeiten zu der Auffassung, daß erklärt, daß es zu keinem Zeitpunkt eine inoffi- es einen Nachweis für eine inoffizielle Zusammen- zielle Zusammenarbeit zwischen ihnen und mir arbeit zwischen mir und dem MfS der ehemaligen gegeben hätte und dies weitergehend erläutert. DDR nicht gibt. Im Unterschied zum Ausschuß Der Ausschuß wäre verpflichtet gewesen, darzule- konnten die Gerichte in den Hauptsacheverfahren gen, worauf er seine Auffassung stützt, daß die Beweisaufnahmen durchführen. Sie konnten Zeugen falsche Aussagen vor Gericht gemacht Zeugen hören; und es lagen ihnen die gleichen haben. Da er sich dazu außerstande sieht, unter- Unterlagen vor, die der Bundesbeauftragte dem schlägt er das Ergebnis der Vernehmung dieser Ausschuß zur Verfügung gestellt hat. Zeugen. Von besonderer Bedeutung scheint mir die Tatsa- 4. Rechtsstaatlich überzeugen kann die Feststellung che zu sein, daß gegen mich bei der Staatsanwalt- auch aus anderen Gründen nicht. Ein großer Man- schaft des Landgerichts Hamburg ein Ermittlungs- gel besteht da rin, daß keine einheitlichen Kriterien verfahren durchgeführt wurde, und zwar wegen für eine Beweiswürdigung aufgestellt werden. Sie des Verdachtes, daß ich eine falsche eidesstatt- wechseln je nachdem, ob eine Unterlage des MfS liche Versicherung vor Gericht abgegeben haben nach Ansicht des Ausschusses für mich be- oder könnte. In dieser eidesstattlichen Versicherung entlastenden Charakter trägt. Eine solche Heran- hatte ich erklärt, zu keinem Zeitpunkt mit dem gehensweise kann nur als willkürlich bezeichnet MfS der ehemaligen DDR zusammengearbeitet zu werden. Es ist durchaus denkbar, daß zum Beispiel haben. Die Staatsanwaltschaft hat das Ermitt- ein Gericht sich entscheidet, die Aussage eines lungsverfahren mit einer längeren Begründung Zeugen als glaubwürdig und die eines anderen als eingestellt. Sie sah nicht einmal einen hinreichen- unglaubwürdig einzuschätzen. Es scheint mir aber den Tatverdacht als gegeben an, denn dann wäre nicht hinnehmbar zu sein, die Aussage eines Zeu- sie verpflichtet gewesen, Anklage zu erheben. gen nur insoweit als glaubwürdig einzuschätzen, Sicherlich kann der Ausschuß zu einem anderen als sie einen Betroffenen belastet und sie als un- Ergebnis als die Gerichte und die Staatsanwalt- glaubwürdig zu interpretieren, wenn sie ihn ent- schaft kommen. Aber daß es der Ausschuß nicht lastet. Entsprechend dieser Methode geht aber der einmal für erforderlich hält, das Ergebnis der ge- Ausschuß mit den Unterlagen des Bundesbeauf- richtlichen und staatsanwaltschaftlichen Über- tragten um, was anhand einiger Beispiele erläutert prüfung zu benennen und sich mit den do rt vertre- werden soll: tenen Auffassungen auseinanderzusetzen, beweist Auf den Seiten 11, 12 und 13 betont der Ausschuß, die einseitige Herangehensweise. Ich bin fest da- daß die Unterlagen des MfS einen hohen Wahr- von überzeugt, daß dann, wenn es eine umge- heitsgehalt besitzen würden. Auf Seite 92 hebt der kehrte Gerichtsentscheidung gäbe, der Ausschuß Ausschuß hervor, daß eine Unterlage inhaltlich diese breit zitiert und mit zur Grundlage seiner deshalb zutreffend sein müßte, weil die „strengen Feststellung gemacht hätte. Die Ignoranz gegen- internen Kontrollmechanismen des MfS " aus- über den übergebenen Entscheidungen hängt schlössen, daß inhaltlich falsche Aussagen getrof- offenkundig damit zusammen, daß sie dem politi- fen werden konnten. Auf der anderen Seite aber schen Ziel des Ausschusses entgegen stehen. durchbricht der Ausschuß ständig diese eigene 2. Ebenso verhält sich der Ausschuß zu seiner Feststel- Bewertungsregel. Der Ausschuß hält es nicht nur lung in der 12. Legislaturpe riode. Diese wird zwar für möglich, sondern für erwiesen, daß ich von auf Seite 7 erwähnt, aber falsch wiedergegeben. 1975 bis 1977 mit der Hauptabteilung Aufklärung

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des MfS wie ein inoffizieller Mitarbeiter zusam- 1978 (Dokument Nummer 115) zum Beispiel heißt, mengearbeitet habe, obwohl ich do rt im Rahmen daß die HA XX des MfS an einer inoffiziellen einer Operativen Personenkontrolle (OPK) regi- Zusammenarbeit mit mir nicht interessiert sei, striert war. Er hält es nicht nur für möglich, son- dann wird dies auf Seite 86 einfach gegenteilig dern für erwiesen, daß ich von 1978 bis 1980 inoffi- interpretiert. ziell mit der Hauptabteilung (HA) XX des MfS zu- Wenn sich aus Dokumenten ergibt, daß ein IM sammengearbeitet hätte, obwohl ich bei einer „Notar" dem MfS eine Unterlage „übergab", die ganz anderen Diensteinheit einer unteren Ebene ich nachweislich nicht besaß, dann macht der Aus- im Rahmen eines Sicherungsvorganges erfaßt war. schuß aus der Übergabe dieser physisch beim MfS Sicherungsvorgang bedeutete beim MfS, daß die vorhandenen Unterlage eine fehlerhafte telefo- betreffende Person weder kontrolliert noch mit ihr nische Übermittlung, um einen Ausschlußbeweis zusammengearbeitet wurde. Den Ausschuß beein- zu verhindern (Seiten 70 bis 73). druckt in diesem Zusammenhang auch nicht, daß es nicht eine einzige Unterlage zur Absprache der Wenn in anderen Unterlagen zwischen mir und eigentlich zuständigen Abteilung mit jener Haupt- vorhandenen IM deutlich unterschieden wird oder abteilung gibt, die nach seiner Einschätzung den- sich aus Unterlagen ergibt, daß das MfS keinen noch zwei Jahre lang intensiv mit mir zusammen- direkten Einfluß auf mich nehmen konnte, dann gearbeitet haben soll. Der Ausschuß geht weiter- erklärt der Ausschuß dies zu einer besonderen hin davon aus, daß es eine solche Zusammenarbeit Methode der Konspiration des MfS, und zwar ge- mit der HA XX auch in der Zeit von 1980 bis 1986 genüber sich selbst (zum Beispiel Seiten 51, 66 gab, in der bei dieser Hauptabteilung zu mir ledig- und 78 der Feststellung). lich ein Vorlauf angelegt war, in dessen Rahmen Nachweislich lief ab 1986 eine Operative Perso- lediglich meine Eignung bzw. Nichteignung als nenkontrolle (OPK) mit umfangreicher Begrün- IM überprüft werden sollte. dung und zahlreichen Kontrollmaßnahmen des Der meine Person betreffende Werbungsvorschlag MfS gegen mich. Der Ausschuß ist zwar nicht in aus diesem Vorlauf vom 27. November 1980 wurde- der Lage, dies zu widerlegen, versucht aber auf vom MfS selbst nicht bestätigt. Der Ausschuß hält den Seiten 93 bis 96 der Feststellung, diese OPK in es dennoch für erwiesen, . daß trotz Nichtbestäti- Zweifel zu ziehen. Das aber bedeutet, daß er es gung dieses Werbungsvorschlages ich wie ein IM trotz der strengen internen Kontrollmechanismen gewonnen wurde und mit der HA XX des MfS des MfS für möglich hält, daß die gesamte OPK ein- zusammenarbeitete. Er versucht auch keine Erklä- schließlich ihrer Begründung eine Fälschung war. rung dafür zu geben, was ein Werbungsvorschlag Soweit der Ausschuß bei bestimmten Unterlagen zu diesem Zeitpunkt überhaupt sollte, wenn ich davon ausgeht, daß Informationen von mir an das nach seiner Auffassung bereits seit 1978 zur inoffi- MfS geflossen seien, ist er nicht in der Lage zu erklä- ziellen Zusammenarbeit mit dieser HA gewonnen ren, weshalb regelmäßig eine Quellenbezeichnung war. Unstrittig ist, daß im Falle einer solchen Zu- (Deckname) vom MfS verwandt wurde, die mir zum sammenarbeit deren Ergebnisse sich wenigstens jeweiligen Zeitpunkt nicht zugeordnet war. Er un- in der sechs Jahre laufenden Vorlaufakte wider- terstellt dem akribischen MfS mit seinen strengen spiegeln müßten. Es gibt in dieser Akte aber kein internen Kontrollmechanismen, daß hinsichtlich einziges Dokument, daß eine solche Zusammen- der Decknamen willkürlich verfahren wurde. arbeit widerspiegelt. Die Bewertungsregeln ändert der Ausschuß auch Insgesamt hält es der Ausschuß für erwiesen, daß in anderer Hinsicht. Wenn ich bei einer Unterlage eine inoffizielle Zusammenarbeit zwischen 1975 darauf hinwies, daß damit auch etwas anderes ge- und 1986 im MfS ohne jede Registrierung als sol- meint gewesen sein könne, stellt der Ausschuß che Zusammenarbeit bleiben konnte. Lapidar stellt zum Beispiel auf Seite 43 fest, daß das MfS direkt der Ausschuß dazu auf Seite 91 fest, daß nach sei- formuliert habe und eine andere Interpretation „ die Erfassung Gregor Gysis... ner Überzeugung nicht möglich sei. Wenn sich dagegen aus einer nicht das wahre Verhältnis Dr. Gysis zur HA XX Unterlage ergibt, daß ich nicht gemeint gewesen widerspiegele. Eine Begründung, wes- des MfS" sein kann, dann erklärt der Ausschuß zum Beispiel halb das MfS mit lauter gefälschten Dokumenten auf Seite 40 der Feststellung, daß die Formulie- in bezug auf meine Person umgegangen sein soll, rung in der Unterlage der „üblichen verklausulie- gibt der Ausschuß nicht, auch keine Erklärung, renden Schreibweise" des MfS entsprochen hätte. wie er diese Feststellung in Übereinstimmung bringen will mit dem von ihm sonst unterstellten In gleicher Weise geht der Ausschuß mit den Er- Wahrheitsgehalt der MfS-Unterlagen. klärungen des Bundesbeauftragten für die Unter- lagen des Staatssicherheitsdienstes der ehema- Der Ausschuß umgeht auch eine Auseinanderset- ligen DDR um. Im Prinzip bescheinigt der Aus- zung mit Unterlagen, die seinen Thesen widerspre- schuß dem Bundesbeauftragten hohe Sachkennt- chen. So versucht er nicht einmal eine Erklärung nis, Glaubwürdigkeit und Objektivität. Dort aber, für den Beschluß des MfS vom September 1986 zu wo es ihm für eine Belastung wichtig erscheint, finden, die Vorlaufakte archiviert wurde, weil ich weicht er von den Erklärungen des Bundesbeauf- als inoffizieller Mitarbeiter „ungeeignet" sei. tragten ab, ohne auf sie einzugehen und eine Aus- In anderen Fä llen versucht der Ausschuß, Doku einandersetzung zu führen. Der Bundesbeauf- mente inhaltlich in ihr Gegenteil zu verkehren. tragte behauptet zum Beispiel weder in seiner Zu- Wenn es in einem Sachstandsbericht vom Februar sammenfassung der Gutachterlichen Stellungnah-

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me vom Mai 1995 noch in der Zusammenfassung Bedeutung sein kann, wenn der angeblich Verra- seines Ergänzenden Berichtes vom März 1997, daß tene dies ganz anders sieht. Wer die Feststellung es nachgewiesen sei, daß ich von 1975 bis 1977 mit des Ausschusses liest, weiß, daß im Rahmen der der HVA des MfS zusammengearbeitet hätte. Der politischen Auseinandersetzung dies sehr wohl Ausschuß setzt sich darüber hinweg. ohne Bedeutung sein kann. Auf Wunsch des Ausschusses hatte der Bundesbe- Zusammenfassend ist in diesem Zusammenhang auftragte Beispiele für seine Gutachterliche Stel- festzustellen, daß es die Feststellung des Aus- lungnahme und seinen Ergänzenden Bericht im schusses höchst unglaubwürdig macht, daß er Juni 1997 übersandt. In sämtlichen do rt genannten seine Bewertungsregeln, das Heranziehen oder Einzelfällen geht der Bundesbeauftragte nicht von Weglassen von Dokumenten immer davon abhän- einem Nachweis aus, sondern formuliert regel- gig macht, wie sie seiner politischen Zielrichtung mäßig so, daß Unterlagen auf irgend etwas hin- entsprechen. Daran wird aber auch deutlich, daß deuteten, daß sie einen Schluß ermöglichten etc. nicht die Feststellung der Wahrheit das Ziel der Der Ausschuß setzt sich ohne jede Auseinander- Tätigkeit des Ausschusses war. setzung mit dem Bundesbeauftragten darüber hin- weg. Das gilt für die Einzelfälle unter 6.1, 6.1.2, 6.1.3, 6.1.4, 6.1.5, 6.2.3, 6.2.4, 6.2.5 und 6.2.7 der III Feststellung. Es gibt keinen Nachweis für die Feststellung Zur Einseitigkeit des Ausschusses gehört auch, des Ausschusses daß er einen weiteren wesentlichen Umstand un- terschlägt: Ich hatte weit mehr als die vom Aus- Der Ausschuß stützt sich in seiner Feststellung nicht schuß benannten Mandanten, an denen das MfS auf Nachweise, sondern auf Vermutungen. Zu kei- nachweislich ein großes Interesse hatte. Umfang- nem Zeitpunkt hat der Ausschuß akzeptiert, daß ihn reiche Akten sind zum Beispiel zu Lutz Rathenow die Beweislast trifft, obwohl sich dies eindeutig aus und aufgefunden worden. Ob- dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichtes vom wohl ich diese in bestimmten Zeitabschnitten ver- Mai 1996 ergibt. Regelmäßig weist er Deutungsver- treten habe, gibt es in den MfS-Akten nicht den suche von mir zurück, ohne sie zu widerlegen. Dabei geringsten Hinweis darauf, daß eine Information sind sie regelmäßig einleuchtender als seine eigenen auch nur von mir an das MfS geflossen sein Deutungsversuche. Soweit er sich auf Unterlagen könnte. Dies wäre aber nicht erklärlich, wenn ich des MfS stützt, unterläßt er jede Vorsicht bei der tatsächlich in den . entsprechenden Zeiträumen Bewertung solcher Unterlagen, obwohl das MfS mit mit dem MfS zusammengearbeitet hätte. Diesen Sicherheit keine Einrichtung war, dessen Aufgabe Umstand erwähnt der Ausschuß nicht, weil er in darin bestand, für die Nachwelt die Wahrheit festzu- Erklärungsschwierigkeiten käme. halten. Zur Vorsicht wäre der Ausschuß auch deshalb Zur Methode des Weglassens durch den Ausschuß verpflichtet gewesen, weil es für seine mich belasten- gehört ein weiteres Beispiel. Ich hatte den Aus- de Feststellung kein einziges direktes, in sonstigen schuß über meine Kontakte zur Abteilung Staat Überprüfungsverfahren als ausschlaggebend ange- und Recht des ZK der SED informiert. Der Aus- sehenes Beweismittel gibt. schuß war über eine Auskunft durch den Bundes- 1. Es gibt keine Verpflichtungserklärung oder we- beauftragten interessie rt, meine Darstellungen nigstens eine Schweigeverpflichtung von mir ge- und die Darstellungen eines ehemaligen MfS-Offi- genüber dem MfS. Es gibt aber auch kein Proto- ziers zu widerlegen. Als ihm dies nur unzureichend koll über eine mündliche Verpflichtung. Es gibt gelang, forde rte er die diesbezüglichen Feststel- keine handschriftlichen oder mit Klar- oder Deck- lungen der Enquete-Kommission des 12. Deut- namen von mir unterzeichneten Berichte. Es gibt schen Bundestages an. Da diese sich mit meinen nicht einmal einen Bericht eines MfS-Offiziers mit Erklärungen deckten, verzichtet er auf ihre Wie- der Behauptung, daß die darin enthaltene Infor- dergabe. Im Unterschied dazu wird im Entwurf des mation von mir stamme. Es gibt auch nicht die Berichterstatters der FDP-Fraktion im Ausschuß sonst üblichen Berichts- oder Treffstatistiken. Es zum Beispiel ausdrücklich auf die Feststellungen gibt keine von mir unterzeichneten Quittungen. der Enquete-Kommission Bezug genommen. Zu keinem Zeitpunkt war ich als inoffizieller Mit- Zu rügen ist, daß der Ausschuß die Erklärungen arbeiter beim MfS registriert. Dem gemäß gibt es ehemaliger Mandanten von mir völlig unberück- weder eine IM-Akte noch eine einzige Karteikarte, sichtigt läßt. Dem Ausschuß liegen Erklärungen aus der sich eine IM-Tätigkeit von mir herleiten von Rudolf Bahro, der vier Kinder von Robe rt ließe. Letzteres gilt auch für die Decknamen- und Havemann, von Jutta Braband, Thomas Klein, Adreßkartei. Es liegt kein einziger Bericht mit Frank-Wolf Matthies und Bettina Wegener vor, in einer Quellenbezeichnung (Deckname) vor, die denen diese nach Einsicht in ihre Unterlagen mit zum betreffenden Zeitpunkt mir zugeordnet war. unterschiedlichen Begründungen bestreiten, daß Sämtliche Erfassungen und Registrierungen spre- ich inoffiziell mit dem MfS zusammengearbeitet chen gegen eine inoffizielle Zusammenarbeit von mir mit dem MfS. - oder sie gar verraten hätte. Diese Erklärungen finden sich an keiner Stelle des Feststellungsbe- In der öffentlichen Berichterstattung wird gele- schlusses wieder, es gibt mit ihnen auch keine gentlich der Umstand erwähnt, daß keine schrift- Auseinandersetzungen. Rudolf Bahro meinte am liche Verpflichtungserklärung vorläge. Dann ver- Schluß seines Briefes, daß es doch wohl nicht ohne weisen Mitglieder des Ausschusses darauf, daß

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es in Ausnahmefällen auch ohne solche Erklä- BRD beauftragte, ohne daß mir bekanntgegeben rung ging. Aber weder öffentlich noch in der wurde, daß hinter dieser Firma die HVA stand. So Feststellung hat der Ausschuß sich je mit der erklärt sich dann auch die OPK-Registrierung. Frage auseinandergesetzt, daß auch eine münd- liche Verpflichtung zu protokollieren war, und Von 1977 bis 1980 lief zu mir ein Sicherungsvor- daß kein einziges der anderen direkten Beweis- gang bei der Bezirksverwaltung Berlin des MfS. mittel vorliegt, die sonst zur Verfügung stehen. Der Bundesbeauftragte bestätigt, daß ein solcher Sicherungsvorgang für jeden Rechtsanwalt ange- 2. Wenn im Zusammenhang mit dem Fehlen eines legt wurde, der weder vom MfS beobachtet wurde direkten Beweismittels zusätzlich beachtet wird, noch mit ihm zusammenarbeitete (Seite 85). Es daß es Unterlagen gibt, die eindeutig gegen die war eine Art neutrale Erfassung. Sie diente dazu, Feststellung des Ausschusses sprechen, wird diese zu verhindern, daß andere Diensteinheiten auf noch fragwürdiger. Deshalb wi ll ich zusammenfas- den Betreffenden Zugriff erhielten ohne Genehmi- send darauf eingehen, wie die Erfassung meiner gung der zuständigen Diensteinheit. Es kann des- Person beim MfS in den jeweiligen Zeiträumen halb als ausgeschlossen betrachtet werden, daß aussah. Damit beschäftigt sich die Feststellung ich in dieser Zeit wie ein inoffizieller Mitarbeiter erst ab Seite 82. An sich hätte die Auseinanderset- und dann noch mit einer anderen Abteilung einer zung mit meinen Erfassungsverhältnissen und den höheren Ebene zusammengearbeitet habe, wovon personenbezogenen Unterlagen des MfS zu mir der Ausschuß für den Zeitraum von 1978 bis 1980 an den Beginn der Feststellung gehört. Es wäre ausgeht, obwohl er einräumt, keinen Beleg für dann aber für den Ausschuß sehr schwierig gewor- die in einem solchen Fa ll übliche Abstimmung den, hinsichtlich der einzelnen Beispiele einen zwischen den Abteilungen gefunden zu haben Nachweis zu führen. Deshalb geht der Ausschuß (Seite 85). anders vor: Er schildert erst einzelne Vorgänge und Mandatsverhältnisse, um bei der Leserin und Ab Oktober 1980 bis September 1986 lief zu mir dem Leser einen festen Eindruck hinsichtlich einer ein IM-Vorlauf bei der HA XX des MfS. Ein sol- inoffiziellen Tätigkeit durch mich für das MfS zu cher Vorlauf diente der Überprüfung, der Eignung hinterlassen. Erst am Schluß geht er dann auf die und Bereitschaft eines „Kandidaten" zur Zusam- dem widersprechenden Erfassungsverhältnisse menarbeit mit dem MfS. Der mich betreffende und personenbezogenen Unterlagen ein, um die Werbungsvorschlag vom 27. September 1980 Widersprüche nicht mehr erklären zu müssen. wurde vom Vorgesetzten des MfS-Offiziers Lohr nicht bestätigt und damit abgelehnt. In der Vor- Von 1975 bis 1977 war ich im Rahmen einer OPK laufakte befindet sich nicht eine einzige Unterla- bei der HVA des MfS erfaßt. Eine solche OPK hatte ge, die auf eine Zusammenarbeit mit mir zurück- bei der HVA einen anderen Charakter als bei an- geht, was auch der Bundesbeauftragte ausdrück- deren Abteilungen des MfS. Sie diente vor allem lich bestätigt (Seite 89). Im Abschlußbericht der der Personenaufklärung, nicht aber zwingend ih- Vorlaufakte wird hervorgehoben, daß ich für eine rer Kontrolle. Sie war aber auch nicht die Regi- Zusammenarbeit mit dem MfS nicht geeignet bin. strierung, die eine inoffizielle Zusammenarbeit Dies wird noch einmal im Archivierungsbeschluß ausdrückte. In diesem Fall gab es auch bei der bestätigt(Seiten 90 und 91). Die lange Dauer des HVA die üblichen IM-Registrierungen. Mit dieser Vorlaufes (sechs Jahre) erklärte der zuständige Frage setzt sich der Ausschuß (Seiten 82 bis 85) MfS-Offizier vor dem Landgericht Hamburg mit ebenso wenig auseinander wie mit der Tatsache, zwei Umständen: Einmal wollte er die Hoffnung daß es keine einzige Unterlage gibt, die eine nicht aufgeben, doch noch die Genehmigung zu Tätigkeit meiner Person für die HVA des MfS einem Werbungsversuch in bezug auf meine Per- widerspiegelt. Der Ausschuß glaubt lediglich in son zu erhalten. Zum anderen sicherte er durch der späteren Vorlaufakte zu mir eine Unterlage die fortdauernde Vorlaufregistrierung die Zustän- gefunden zu haben, in der ein MfS-Offizier die digkeit seiner Abteilung. Eine andere Dienstein- Behauptung aufstellen würde, daß es eine solche heit hätte keinen Zugriff zu meiner Person ohne Zusammenarbeit mit der HVA gegeben hätte. die Genehmigung der HA XX des MfS nehmen Selbst wenn dies so wäre, würde dies für einen dürfen. Die Archivierung erfolgte zu einem Zeit- Nachweis niemals ausreichen. Eine einzelne Un- punkt, zu dem aus Sicht des MfS-Offiziers Lohr terlage zum Beispiel, in der ein MfS-Offizier be- und seines Vorgesetzten Reuter genügend Mate- hauptet, ein Bürger sei IM gewesen, wäre kein rial gegen mich vorlag, das die Einleitung einer Nachweis, wenn es keine Unterlage gibt, die die OPK rechtfertigte. Diese wurde dann auch unmit- Tätigkeit selbst widerspiegelt. Abgesehen davon telbar nach Archivierung der Vorlaufakte mit um- enthält der vom Ausschuß herangezogener Sach- fangreicher Begründung eingeleitet. Aus der Zeit standsbericht in der Vorlaufakte aber auch gar ab 1986 liegen zahlreiche Nachweise über das nicht eine solche Behauptung des MfS-Offiziers. Abhören meines Telefones im Büro, über die Kon- Es wird dort nämlich nicht geschrieben, daß ich zur trolle meiner Post sowie der Post an mich, und „inoffiziellen Zusammenarbeit" durch die HVA zwar sowohl unter der Anschrift des Büros als auch gewonnen worden wäre, sondern lediglich, daß unter meiner Privatanschrift sowie IM-Berichte ich „inoffiziell zur Zusammenarbeit gewonnen" über mich vor. Die OPK gegen mich dauerte bis wurde. Das Wort „inoffiziell" bezieht sich hier zum Ende der Tätigkeit des MfS an. darauf, daß ich von der Zusammenarbeit nichts wußte, weil mich offensichtlich eine Firma der Daraus ergibt sich lückenlos, wie ich beim MfS DDR mit rechtlicher Interessenve rtretung in der von 1975 bis 1989 registriert war: Zu keinem Zeit-

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punkt als inoffizieller Mitarbeiter. Ebenso ergibt auf den Seiten 70 bis 73 beschäftigt. Hier ist nach- sich aus den personenbezogenen Unterlagen zu gewiesen, daß ein IM „Notar" dem MfS eine Er- mir kein einziger Nachweis für die Feststellung klärung von Gerd Poppe übergab, die ich in dieser des Ausschusses. Wenn davon ausgegangen wird, Fassung nicht besaß. Das ergibt sich nicht nur daß die Unterlagen des MfS im Prinzip die Wahr- aus meiner Handakte, sondern wird auch von heit widerspiegelten, was insbesondere für das so- Gerd Poppe bestätigt. Die Erklärung, die der IM genannte Handwerkszeug des MfS gelten soll, „Notar" dem MfS übergeben hat, ist do rt als Anla- dann ist durch diese Registrierungen ebenso wie ge aufgefunden worden. Dem Ausschuß ist klar, durch die personenbezogenen Unterlagen zu mir daß er diesen Ausschlußbeweis nicht zulassen eine inoffizielle Zusammenarbeit zwischen dem darf, wenn er an seiner Feststellung festhalten MfS und mir ausgeschlossen. will. Er behauptet deshalb, daß entgegen der MfS Unterlage eine solche Erklärung gar nicht überge- 3. Der immer wieder aufkommende Verdacht, daß ben worden sei. Er vermutet, daß ich beim MfS ich mit dem MfS inoffiziell zusammengearbeitet angerufen und die mir vorliegende Fassung der haben könnte, resultiert allein aus der Tatsache, Erklärung fernmündlich übermittelt hätte. Das daß in den Akten Dritter sich Informationen über MfS hätte dann selbst die Anlage gefertigt, wobei meine anwaltliche Tätigkeit befinden. Der Aus- es durch die telefonische Übermittlung zu zahlrei- schuß geht den einfachen Weg zu behaupten, daß chen Fehlern und Abweichungen gekommen sei. diese Informationen von mir an das MfS geliefert Die Konstruktion des Ausschusses auf den ge- worden sein müßten und stützt darauf seine Fest- nannten Seiten ist nicht nur willkürlich, sondern stellung. Wenn aber meine Registrierungen und abenteuerlich. Sie widersp richt auch eindeutig die personenbezogenen Unterlagen zu mir einer den vorliegenden Unterlagen. Sie dient lediglich solchen Feststellung widersprechen, ist diese dem Zweck, den Ausschlußbeweis nicht zuzu- weder gerechtfertigt noch nachgewiesen. lassen. Es kann als unstrittig angesehen werden, daß ein Geheimdienst über zahlreiche Methoden verfügt,- an Informationen heranzukommen. Der Ausschuß hält nur eine Informationsübermittlung durch IV. mich für möglich, weil dies semer politischen Zu den Bedingungen meiner anwaltlichen Zielstellung entspricht. Dies ist um so verwerf- Tätigkeit in der DDR licher, als dem Ausschuß zwei Unterlagen vorlie- gen, aus denen sich ergibt, daß eine andere In der DDR waren nur etwa 600 Rechtsanwälte tätig. Diensteinheit über eine Quelle in meinem An- Die Auswahl für die Mandantinnen und Mandanten waltsbüro verfügt haben muß. Auch der Aus- war daher eher gering. Meine Praxis umfaßte die schuß kann mir mit dieser anderen Diensteinheit Gebiete des Familienrechtes, des Zivilrechtes, des keine Zusammenarbeit unterstellen. In den Un- Arbeitsrechtes, des Verwaltungsrechtes und des terlagen heißt es, daß dieser anderen Dienstein- Strafrechtes. Der überwiegende Teil der Mandate im heit inoffiziell der Inhalt von Gesprächen in mei- Strafrecht lag auf dem Gebiet der allgemeinen Krimi- nem Büro bekannt wurde. Auch der Ausschuß nalität. Politische Strafverfahren bildeten nur einen weiß, daß mit der Bestätigung der Existenz einer geringen prozentualen Anteil meiner Anwaltstätig- Quelle in meinem Büro, die nicht mit meiner keit. Sie waren aber stets von besonderer Brisanz und Person identisch ist, seine gesamte „Beweiswür- konnten den Anwalt seine Tätigkeit kosten, wenn er digung" wie ein Kartenhaus zusammenbricht. bestimmte Grenzen überschritt. Im Interesse der Aus- Deshalb erklärt er in diesem Zusammenhang, übung meines Berufes habe ich auf der einen Seite daß es seiner Meinung nach so gewesen sei, daß versucht, den Anliegen meiner Mandantinnen und die Information von mir an die für mich zuständi- Mandanten soweit wie möglich gerecht zu werden, ge Diensteinheit gegangen sei, die dann ihrer- andererseits aber auch die Ausübung meiner beruf- seits die andere Diensteinheit informiert hätte. lichen Tätigkeit nicht zu gefährden. Im Interesse mei- Das Problem ist nur, daß sich ein solcher Vor- ner Mandantinnen und Mandanten habe ich selbst- gang in den MfS-Unterlagen auch entsprechend verständlich auch Gespräche mit Vertreterinnen und widerspiegeln müßte. Dann hieße es, daß die Vertretern der Untersuchungsorgane und der Justiz Diensteinheit A durch die Diensteinheit B unter- geführt. Es gab also nicht wenige Gespräche mit den richtet worden sei. Die Quelle ist dann auch vorsitzenden Richterinnen und Richtern, zuständigen nicht inoffiziell, sondern offiziell. Dabei war die Staatsanwältinnen und Staatsanwälten aber auch informierende Diensteinheit nicht verpflichtet den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Unter- mitzuteilen, auf welche Quelle sie sich bei ihrer suchungsorgane. Das Ministe rium für Staatssicher- Information stützte. In den beiden übergebenen heit hatte ,eine eigene Untersuchungsabteilung, die Unterlagen ist aber davon nicht die Rede. Aus wie die Polizei in dort durchgeführten Ermittlungsver- ihnen ergibt sich direkt, daß der Diensteinheit fahren fungieren durfte. Gespräche mit Vertretern inoffiziell aus meinem Büro die entsprechenden dieses Untersuchungsorganes waren notwendig und Umstände bekannt geworden seien. Die Inter- offizieller Natur. Sie hatten zu keinem Zeitpunkt den pretation des Ausschusses ist also willkürlich (Sei- Charakter einer inoffiziellen Zusammenarbeit. ten 69 und 70 der Feststellung). In wenigen Ausnahmefällen konnte ich Gespräche In diesem Zusammenhang ist auch der Ausschluß- mit Verantwortlichen der Bezirksleitung Berlin bzw. beweis von Bedeutung, mit dem sich der Ausschuß des ZK der SED führen. Die SED spielte bekanntlich

Drucksache 13/10893 Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode die führende Rolle in der DDR, auch im Bereich der nehmers der Untersuchungsabteilung des MfS nach Justiz. Ein solches Interesse an Gesprächen mit mir einem Sprecher zwischen Rudolf Bahro und mir in hatten die Verantwortlichen in der Partei allerdings der Untersuchungshaftanstalt, an dem auf Anord- nur dann, wenn der Fall für sie ebenfa lls von Interesse nung des Staatsanwaltes der Vernehmer teilnahm, und Brisanz war. Hinsichtlich der Mandate, die im zitiert. Abgesehen davon, daß der Vernehmer das Feststellungsbeschluß beschrieben sind, gilt dies für Gespräch einseitig und zum Teil falsch widergibt, Rudolf Bahro, Robert Havemann und Franz Dötterl. Es wird offensichtlich in Verkennung der Rea litäten der war der Wunsch meiner Mandanten, für sie etwas DDR nicht einmal erwogen, daß ich mit bestimmten politisch zu erreichen. Das ging nur über die Partei, Äußerungen gänzlich andere Ziele verfolgt haben die in solchen Verfahren das letzte Wo rt hatte. Ich war kann, zum Beispiel vom Vernehmer zu erfahren, was deshalb froh, Kontakt zu einem Mitarbeiter der Abtei- in bezug auf Rudoll Bahro geplant war. Außerdem lung Staat und Recht des ZK der SED zu haben, mit merkt der Ausschuß nicht einmal die Widersprüch- dem ich in diesen Mandaten Gespräche führen lichkeit. Denn laut dem zitierten Dokument Num- konnte. Dabei mußte ich sowohl die Interessenlage mer 41 (142) soll ich ja bemüht gewesen sein, Herrn meiner Mandaten als auch die Interessen der Partei Bahro zur Ausreise aus der DDR zu bewegen, wäh- ins Kalkül ziehen. Sowohl meinen Mandanten als rend auf Seite 36 wiederum betont wird, daß es mir auch mir war daran gelegen, daß der Mitarbeiter der nicht gelungen sei, Rudolf Bahro von einem Aus- Abteilung Staat und Recht des ZK der SED über sol- reiseantrag „abzuhalten". Welche Unterlage stimmt che Gespräche seine Vorgesetzten informierte, weil nun? Die, wonach ich bemüht war, Rudolf Bahro zur nur dadurch etwas zu erreichen war. Dabei war uns Ausreise zu bewegen, oder jene, wonach ich bemüht durchaus klar, daß auch das Ministe rium für Staats- war, ihn davon abzuhalten? sicherheit durch Mitarbeiter des ZK der SED infor- Sofern der Ausschuß auf Seite 20 mir eine ablehnen- miert wurde. Das mußten wir in Kauf nehmen und es de Haltung gegenüber Rudolf Bahro unterstellt, ist spielt letztlich auch keine entscheidende Rolle. dies ebenso abwegig wie leicht widerlegbar. Das gilt Ich bin heute nicht bereit, mir diese Gespräche vor- auch für die Formulierung, daß eine solche ableh- werfen zu lassen, nur weil sie in einem Rechtsstaat - nende Haltung „bereits" im November 1977 vorgele- unüblich sind, in der DDR aber in solchen Fä llen die gen habe, da es später weder in den Unterlagen des einzige Möglichkeit darstellten, über formale Anlie- Bundesbeauftragten noch in der Darstellung durch gen hinaus inhaltlich etwas bewirken zu können. den Ausschuß Hinweise auf eine solche Haltung Aus verschiedenen Unterlagen, die dem Ausschuß mehr gibt. In Wirklichkeit gab es eine solche ableh- vorliegen, ergibt sich, daß zum Beispiel Robe rt Have nende Haltung nie. Für Rudolf Bahro habe ich einen mann gerade diese meine Kontakte schätzte und Freispruch beantragt, während der Staatsanwalt eine mich wegen dieser Kontakte auch nutzte. Das habe Freiheitsstrafe von 9 Jahren begehrte. Ich habe für ich immer gewußt und keineswegs als nachteilig Rudolf Bahro Berufung eingelegt, um das Urteil revi- empfunden. Die Stellungnahme von Rudolf Bahro diert zu bekommen. Danach habe ich in zahlreichen bestätigt das ebenso. Aus den Unterlagen zu Franz Gesprächen mit den zuständigen Staatsanwälten Dötterl ergibt sich unmittelbar, daß er über meine und einem Mitarbeiter der Abteilung Staat und Recht Gespräche im ZK unterrichtet war. des ZK der SED versucht, die Haftbedingungen von Aber gerade, weil ich diese Kontakte zur Partei hatte, Rudolf Bahro zu erleichtern und eine vorzeitige Ent- wäre eine inoffizielle Zusammenarbeit mit dem MfS lassung aus dem Strafvollzug zu erwirken. Auch ebenso überflüssig wie unerwünscht gewesen. Das nach der Ausreise von Rudolf Bahro blieben wir ver- ZK der SED mochte keine Parallelbeziehungen, es bunden, eine Freundschaft, die bis zum Tode Rudolf spielte schließlich selbst die führende Ro lle. Und Bahros fortbestand. Er selbst hat seine Akten beim wenn dort eine Entscheidung zugunsten eines mei- MfS gelesen und danach mehrfach öffentlich auch ner Mandanten gefällt wurde, dann mußte dies auch gegenüber dem Ausschuß erklärt, daß es keine Um- vom MfS akzeptiert werden. stände gäbe, die sein Vertrauen zu mir nachträglich erschüttern würden. Er bestritt, daß ich inoffiziell mit Auf jeden Fall ist es verfehlt, die anwaltliche Tätig- dem MfS zusammengearbeitet oder mich jemals sei- keit in der DDR nach dem Maßstab der BRD zu be- nen Interessen zuwider verhalten hätte. Er bestätigte, leuchten. Entscheidend für mich war und bleibt, daß daß die Informationen, die ich an das ZK der SED von keinem meiner Mandanten erklärt wurde, daß und die Staatsanwaltschaft weiterleitete, mit seiner ich ihm geschadet hätte, sondern im Gegenteil viele Zustimmung weitergeleitet wurden. bestätigten, daß ich zumindest das in der DDR Mögli- che für sie getan und erreicht habe. Im Zusammenhang mit dem Fa ll Bahro gibt es meh- rere Vermerke, die folgende Überschrift tragen: „ Be- richt über ein geführtes Gespräch mit Rechtsanwalt Gysi". Die „Beweisführung" des Ausschusses be- V. Dr. zieht sich auf diese Vermerke und auf Tonbandab- Zu den einzelnen Feststellungen im Beschluß schriften. Da die Vermerke vom MfS-Offizier Lohr vom 8. Mai 1998 oder vom MfS-Offizier Reuter unterzeichnet sind, unterstellt der Ausschuß, daß das im Bericht wieder- Zu 6.1 gegebene Gespräch zwischen mir und dem betref- Im Zusammenhang mit Rudolf Bahro sieht der Aus- fenden MfS-Offizier stattgefunden habe. Dies ist schuß eine inoffizielle Zusammenarbeit zwischen mir aber keinesfalls zwingend und es gibt sogar einen und der HA XX/OG als erwiesen an. Ausführlich Vermerk, der für meine Erklärung spricht, wonach wird auf Seite 19 aus einer Information des Ver ich die Gespräche nicht mit einem MfS-Offizier, son-

Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode Drucksache 13/10893 dem mit einer anderen Person führte, das MfS aller- nicht ergäbe, daß die HA XX/1 im Februar 1978 mit- dings über diese Gespräche informiert wurde, wenn teilte, an einer inoffiziellen Zusammenarbeit mit mir auch nicht durch mich. Auf Seite 40 wird das Doku- nicht interessiert zu sein. Der Text im Dokument sagt ment 126 zitiert: „ Gen. Gysi wird künftig alle im Zu- das Gegenteil: „ Gen. MI.] brachte gleichzeitig zum sammenhang mit Havemann einzuleitenden Maß- Ausdruck, daß sie an einer inoffiziellen Zusammen- nahmen vor Einleitung mit dem ihm bekannten Mit- arbeit mit Gysi nicht interessiert seien, da er ihnen arbeiter abstimmen." Danach folgt die Unterschrift dafür ungeeignet erscheint."

„ Lohr". Der MfS-Offizier schreibt nicht, daß ich mit Insgesamt zu diesem Abschnitt formuliert selbst der ihm eine Abstimmung durchführen werde, auch Bundesbeauftragte in seinen Beispielen zum Ergän- nicht mit einem anderen benannten MfS-Offizier. Die zenden Bericht vorsichtiger, wenn es bei ihm auf verklausulierte Formulierung, „ mit dem ihm bekann- Seite 3 heißt: „ MfS-Unterlagen lassen darauf schlie- ten Mitarbeiter" spricht dafür, daß es sich um den ßen...". Mitarbeiter eines anderen Organs - hier des ZK der SED - handelte. Entsprechend argumentierte das Landgericht Hamburg in seinem Urteil vom 14. Juni Zu 6.1.2

1996: „ Dem Vermerk vom 20. September 1979 kann Im Zusammenhang mit dem Testament von Rudolf nicht entnommen werden, daß der Kläger (gemeint Bahro wird zunächst auf Seite 21 unten fälschlich be- bin ich - d.V.) die in dem Vermerk aufgeführten Infor- hauptet, aus dem Dokument Nummer 149 ergäbe mationen über Rudolf Bahro und Robert Havemann sich, daß ich das do rt wiedergegebene Gespräch mit an das MfS übermittelt hat. Ebenso plausibel er- der „HA XX" führte. Dazu wurde bereits Stellung scheint die hierzu abgegebene Erklärung des Klä- genommen. gers, daß in dem Vermerk der Inhalt eines Gesprä- Die Auslassungen des Ausschusses auf Seite 23 zur ches des Klägers mit dem Mitarbeiter des ZK der Zusammenarbeit zwischen dem ZK der SED und SED widergegeben wird, den das ZK der SED an das dem MfS sind sowohl durch die Enquete-Kommission MfS weitergegeben hatte. Zutreffend erscheint inso- des Bundestages als auch durch die Stellungnahme weit der Hinweis des Klägers, daß der MfS-Offizier des ehemaligen MfS-Offiziers Schmidt widerlegt. Lohr in seinem ebenfalls das mit dem Kläger am 14. September 1979 geführte Gespräch betreffenden Wenn der Ausschuß auf Seite 23 zu der Feststellung Vermerk vom 17. September 1979 (Anl. K 27), wenn kommt, daß ich im Zusammenhang mit dem Testa- er über eine direkte Zusammenarbeit zwischen ihm ment von Rudolf Bahro mit dem MfS inoffiziell zu- und dem Kläger berichtet hätte, kaum die Formulie- sammengearbeitet habe, so geht er sogar über die rung ,Gen. Gysi wird künftig alle im Zusammenhang Feststellungen des Bundesbeauftragten hinaus. Die- mit Havemann einzuleitenden Maßnahmen vor Ein- ser führt nämlich im Zusammenhang mit dem Testa- leitung mit dem ihm bekannten Mitarbeiter abstim- ment in seinen Beispielen zum Ergänzenden Bericht men.' gebraucht hätte. Die von Lohr gewählte For- auf Seite 4 lediglich aus: '„ Dokumente deuten darauf mulierung könnte ebenso bedeuten, daß Lohr mit hin ... ”. Von Gewißheit ist dort also keine Rede. dem ,ihm bekannten Mitarbeiter' den Mitarbeiter des ZK der SED meinte. " Der Ausschuß kann sich einer Zu 6.1.3 solchen Argumentation wegen des von ihm ge- Im Punkt 6.1.3 bezieht sich der Ausschuß auf Seite 25 wünschten Ergebnisses nicht anschließen und erklärt auf ein Dokument vom 7. Dezember 1978 mit der lapidar: „ Der Text entspricht hier einer MfS-üblichen Quellenbezeichnung „IM-Vorl. ,Gregor'". Womit sich verklausulierenden Schreibweise. " Dafür tritt er aber der Ausschuß nicht auseinandersetzt, ist die Tat- keinen Nachweis an und sonst behauptet er stets, daß sache, daß in bezug auf mich zu diesem Zeitpunkt die Dinge so stimmen müssen, wie sie in den Unterla- kein IM-Vorlauf lief. Dieser wurde erst im September gen drinstehen. Vielleicht entspricht es eben der ver- 1980 angelegt und im Oktober 1980 registriert. Damit klausulierenden Form des MfS, daß es Berichte über scheide ich als Quelle aus. Soweit auf Seite 27 unten mit mir geführte Gespräche gibt, ohne daß aus ihnen wiederum auf einen Gesprächsvermerk Bezug ge- zu entnehmen ist, mit wem solche Gespräche geführt nommen wird, gilt das zuvor Ausgeführte entspre- wurden. In diesem Zusammenhang gibt es auf jeden chend. Fall keinen erklärbaren Grund für die Vermutung des Ausschusses. Es wäre für den MfS-Offizier Lohr völlig Völlig unlogisch wird der Ausschuß auf Seite 27. unbedenklich gewesen, festzuhalten, daß er die Ge- Wenn ich der direkte Informant des MfS gewesen spräche mit ihm geführt habe, wenn es tatsächlich so wäre, wäre nicht nachzuvollziehen, weshalb sowohl gewesen wäre. Aus IM-Akten ist bekannt, daß do rt ein Bericht als auch eine Tonbandabschrift gefertigt jedesmal und direkt darauf hingewiesen wird, wel- wurde. In diesem Falle hätte ein Vorgang genügt. cher MfS-Angehörige mit einem IM gesprochen hat. Nur wenn die Quelle ein Dritter war, machte die Insofern behauptet hier der Ausschuß eine Üblich- Trennung Sinn. Die Behauptungen auf Seite 28 zum keit, die den „üblichen" Akten des MfS widersp richt. Zeitfaktor sind nicht nachvollziehbar. Das ZK der SED und das MfS konnten sehr zügig arbeiten, wenn Von Bedeutung ist ferner, daß es stets einen offiziel- es um politisch brisante Vorgänge ging. Auf Seite 29 len und einen inoffiziellen Bericht über die Gesprä- wird behauptet, daß sich in einem bestimmten che gibt, was dafür spricht, daß das MfS offiziell in- Bericht nicht Informationen verschiedener Quellen formiert wurde, dann aber für die Betroffenen-Akten widerspiegeln könnten. Ein Nachweis dafür wird Verschlüsselungen vornehmen mußte. nicht angetreten. Ganz abgesehen davon ist eine sol- Auf Seite 21 oben wird die falsche Behauptung auf- che Behauptung für dieses Dokument auch gar nicht gestellt, daß sich aus dem Dokument Nummer 115 aufgestellt worden.

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Sobald etwas gegen eine inoffizielle Zusammen- Zu 6.1.5 arbeit zwischen mir und dem MfS spricht, findet der Ausschuß regelmäßig Erklärungen dahingehend, es Unter 6.1.5 geht es zunächst wieder um einen Bericht könne dafür auch andere Begründungen geben. über ein mit mir geführtes Gespräch, wozu bereits Zum Beispiel wird auf Seite 29 behauptet, die falsche Stellung genommen wurde. Auf Seite 33 nimmt der Widergabe der handschriftlichen Notizen von Rudolf Ausschuß Bezug auf Dokumente vom 14. März 1979, Bahro aus meiner Akte im Bericht des MfS-Offiziers die die Quellenbezeichnung „IM-Vorlauf Gregor" könne auf eine ungenaue Darstellung durch mich tragen. Auch hier setzt sich der Ausschuß nicht mit selbst zurückzuführen zu sein. Wenn ich der direkte der Frage auseinander, daß es zu mir zu diesem Zeit- Informant gewesen wäre, dann wäre ich auch in der punkt keinen IM-Vorlauf gab, ich bei der HA XX Lage gewesen, aus meiner Handakte die Notizen nicht einmal registriert war. Damit scheide ich als exakt widerzugeben. Bemerkenswert an dem Bericht Quelle aus. Das gilt ebenso für das Dokument vom vom 7. Dezember 1978 ist, daß der MfS-Offizier Lohr 15. März 1979, auf das der Ausschuß auf Seite 35 ein- diese handschriftlichen Notizen in Anführungsstri- geht. Es ist doch durchaus naheliegend, daß Informa- che setzt, damit also eine wörtliche Widergabe be- tionen, die ich dem ZK der SED gab, und die von do rt hauptet. Deshalb ist meine Darstellung viel wahr- an das MfS flossen, unter einer unbestimmten Quel- scheinlicher, daß jemand die Möglichkeit hatte, die lenbezeichnung registriert wurde, die mir nicht zuge- Vermerke einzusehen, sie sich aber nicht wörtlich ordnet sein konnte und auch nicht zugeordnet war. merken konnte, so daß es zu beachtlichen Fehlern Wäre ich der direkte Informant gewesen, hätte es kam. Hier wird deutlich, daß der Ausschuß an die nicht den geringsten Grund gegeben, mich nicht ent- Stelle eines Nachweises einfach eine Vermutung sprechend bei der HA XX zu erfassen. Auf Seite 36 setzt, die ihm durch Beschluß des Bundesverfas- nimmt der Ausschuß Bezug auf ein Dokument vom sungsgerichtes ausdrücklich untersagt ist. 20. September 1979 mit der Quellenbezeichnung Auch die weitere Argumentation des Ausschusses „GMS Gregor". Es ist offenkundig, daß ich weder zu auf Seite 29 ist nicht logisch. Meine Erwähnung im diesem Zeitpunkt noch zu einem anderen Zeitpunkt Dokument 150 als Verdächtiger bei der Verschiebung Gesellschaftlicher Mitarbeiter Sicherheit des MfS eines Kassibers von Rudolf Bahro spielt sehr wohl war, was auch vom Ausschuß nicht behauptet wird. eine Rolle, schon deshalb, weil der Auftrag zu meiner Also kann ich auch nicht gemeint gewesen sein. Überprüfung an die HA XX ging und diese den Auf- Joachim Gauck hat in seinem Buch „Die Stasiakten - trag auch übernahm, was der These des Ausschusses Das unheimliche Erbe der DDR" (Reinbek bei Ham- von einer Zusammenarbeit zwischen dieser HA und burg, Rowohlt/rororo aktuell, 1991) zur Unterschei- mir - auch noch zu dieser Zeit - eindeutig wider- dung von inoffiziellen Mitarbeitern und Gesellschaft- spricht. Zum damaligen Zeitpunkt war ich bei der HA lichen Mitarbeitern des MfS auf Seite 23 wie folgt XX nicht erfaßt. Da die HA XX aber mit Rudolf Bahro Stellung genommen: „ Bei interessanten Personen befaßt war, bekam sie den Auftrag, im Zusammen- durchsetze die Stasi alle Lebensbereiche mit Gesell- hang mit dem Kassiber auch mich zu überprüfen. schaftlichen Mitarbeitern Sicherheit (GMS), die nicht konspirativ, sondern ganz offiziell Bericht erstatte- Letztlich soll auch hier darauf hingewiesen werden, ten." Wenn es keine Registrierung von mir beim MfS daß selbst der Bundesbeauftragte in seinen Beispie- gab, die Informationen vom ZK kamen und der len zum Ergänzenden Bericht vorsichtiger als der MfS-Offizier Lohr diese und andere Informationen Ausschuß formuliert, wenn er auf Seite 6 ausführt: unter dem Decknamen „Gregor" in eine Mate rial- „ MfS-Dokumente lassen den Schluß zu ...". sammlung einfügte, dann ist es auch erklärlich, wes- halb er scheinbar willkürlich von IM-Vorlauf zu GMS Zu 6.1.4 oder auch später zu IM und wieder zurück wechselte, weil es darauf nicht ankam und weil es ohnehin eine Hinsichtlich des bestellten B riefes gilt für den Bericht unbestimmte und keine registrierte Quellenangabe über ein geführtes Gespräch vom 19. Januar 1979 war. das zuvor Dargelegte. Die „Beweiswürdigung" auf Seite 30 ist nicht stichhaltig. Der Ausschuß läßt meine Erklärungen unberücksichtigt. Klar ist, daß es eine Unlogisch ist auch die weitere Argumentation auf Verbindung zwischen der Generalstaatsanwaltschaft Seite 36. Selbstverständlich entlastet es mich, daß ich und dem MfS gab und nicht ersichtlich ist, weshalb beim MfS abermals in den Verdacht geriet, Informa- meine Einlassungen nicht zutreffen sollen. Gerade, tionen an den „STERN" geliefert zu haben. Aus dem weil ich am 17. Januar 1979 ein Gespräch mit dem Vermerk ergibt sich, daß Kenntnis über diese Details Staatsanwalt führte, kann sich dieses in einem Be- nur einige Angehörige des Strafvollzuges und ich richt des MfS vom 18. Januar 1979 widerspiegeln. hatten. Da das MfS die Angehörigen des Strafvollzu- Eine Logik für die Argumentation des Ausschusses ges nicht in Verdacht hatte, blieb nach seiner Logik ergäbe sich nur dann, wenn ich nach dem Vermerk nur ich übrig. Würde der Ausschuß dies einräumen, des MfS mit dem Generalstaatsanwalt gesprochen könnte er allerdings seine Feststellung auf Seite 36 hätte, aber nicht, wenn das Gespräch vorher statt- nicht treffen. fand und sich dann auch in einem Vermerk des MfS niederschlug. Auch der Bundesbeauftragte hält den Auch für diesen Fall gilt, daß der Bundesbeauftragte Sachverhalt nicht für erwiesen, wenn er in seinen in seinen Beispielen zum Ergänzenden Bericht vor- Beispielen zum Ergänzenden Bericht auf Seite 8 sichtiger formuliert als der Ausschuß, wenn es do rt

hierzu ausführt, daß „ Dokumente die Interpretation „ MfS-Dokumente lassen den Schluß auf Seite 9 heißt:

nahelegen ... ". zu...".

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Zu 6.1.6 Nicht nachvollziehbar ist die Behauptung des Aus- Unter 6.1.6 geht der Ausschuß davon aus, daß ich das schusses, daß in bezug auf Robert Havemann zwar MfS über ein Telefongespräch mit Rudolf Bahro infor- zahlreiche Mitschriften von Telefonaten gefunden mierte. Dafür gibt es nicht den geringsten Nachweis. wurden, aber keine Abhörprotokolle aus der Woh- Wenn am 6. Dezember 1979 die Quellenbezeichnung nung überliefert seien. Öffentlich ist zumindest im- „GMS Gregor" lautet, so scheide ich mit Sicherheit mer wieder erklärt worden, daß die Wohnung von aus, da ich weder zu diesem noch zu irgendeinem Robert Havemann über lange Zeiträume hinweg ab- anderen Zeitpunkt Gesellschaftlicher Mitarbeiter für gehört wurde. Der Bundesbeauftragte muß solche Sicherheit des MfS war. Es gibt auch nicht eine ein- Abhörprotokolle auch nicht übersandt haben, wenn zige Unterlage, aus der sich ergäbe, daß ich in einem er sie für den Untersuchungsgegenstand des Aus- solchen Erfassungsverhältnis beim MfS stand. Meine schusses nicht für wichtig hielt. Der Ausschuß kann Einlassungen kann der Ausschuß nicht widerlegen, also nicht wissen, ob beim Bundesbeauftragten Ab- zweifelsfrei schon gar nicht. hörprotokolle vorliegen oder nicht. Und selbst wenn dort keine vorlägen, heißt das noch lange nicht, daß es sie nicht gab. Zu 6.1.7 Nicht schlüssig ist auch die Argumentation des Aus- Aus den genannten Gründen ergibt sich, daß auch schusses auf Seite 42. Abgesehen davon, daß ich die Zusammenfassung des Ausschusses unter 6.1.7 auch schon vor dem 9. November 1979 ein Gespräch fehlerhaft ist. mit dem Mitarbeiter des ZK der SED geführt haben kann, ohne daß der Bundesbeauftragte eine entspre- chende Unterlage aufgefunden haben muß, kann Zu 6.2 - Robert Havemann das MfS seine Informationen vom 9. November 1979 auch aus einer ganz anderen Quelle haben. Womit Zu 6.2.1 und 6.2.2 sich der Ausschuß nicht auseinandersetzt, das ist die Unter 6.2.1 und 6.2.2 macht der Ausschuß lange Ab- Tatsache, daß es nicht den geringsten Sinn für mich handlungen, um mich in einen bestimmten Verdacht gemacht hätte, zunächst das MfS am 9. November zu rücken. Am Schluß „verzichtet" der Ausschuß je- 1979 und danach am 13. November 1979, noch ein- weils darauf, seine Feststellungen auf die behandel- mal das ZK der SED zu unterrichten. Wäre ich wirk- ten Aspekte zu stützen. Abgesehen davon, daß er sie lich die Quelle des MfS gewesen, dann wäre ich dann auch nicht hätte behandeln müssen, besitzt der davon ausgegangen, daß das MfS - soweit notwen- Ausschuß kein Verzichtsrecht. Er hat entweder einen dig - die Informationen auch an das ZK der SED Nachweis zu führen oder festzustellen, daß er ihn weiterleiten werde. nicht führen kann. Auf Seite 39 nimmt der Ausschuß In diesem Zusammenhang habe ich mehrfach darauf Bezug auf ein Dokument mit der Quellenbezeich- hingewiesen, daß das ZK der SED keine Parallelbe- nung „GMS Gregor". Es handelt sich um ein Doku- ziehungen wollte. Schließlich hatte die Partei die ment vom September 1979, so daß das zuvor Darge- Macht, sie spielte die führende Rolle - auch gegen- stellte entsprechend gilt. Bemerkenswert ist, daß der über dem MfS. Das bestätigt auch der Bericht der Ausschuß sich bei seiner Feststellung nicht auf den Enquete-Kommission des 12. Deutschen Bundes- Sachverhalt unter 6.2.2 stützen will. Das aber bedeu- tages zum Verhältnis zwischen Partei und MfS. Der tet, daß er selbst einräumt, daß die Quelle „GMS Ausschuß unterstellt dagegen, daß ich Doppelbezie- Gregor" ein anderer als ich gewesen sein kann: hungen unterhalten hätte, was belegt, daß er wenig Kenntnis von den Realitäten der DDR hat. Wörtlich sagt er dazu auf Seite 43: „ Zu 6.2.3 Gerade im Hinblick auf den betreuten Mandanten macht Doppelgleisigkeit Unter 6.2.3 schildert der Ausschuß einen Sachver- eines Vorgehens Sinn, da sie zum einen den offiziel- halt, bei dem er abschließend behauptet, eine inoffi- len Kontakt zum ZK der SED dokumentiert und zum zielle Zusammenarbeit zwischen mir und dem MfS zweiten die Herkunft von Informationen kaschieren sei erwiesen. hilf. " Wem gegenüber sollte ich versucht haben, die In einer Information vom 9. November 1979 wird dar- Herkunft irgendwelcher Informationen zu kaschie- auf hingewiesen, daß ich vereinbarungsgemäß mit ren? Hätte ich tatsächlich inoffiziell mit dem MfS zu- Robert Havemann ein Gespräch geführt hätte. Der sammengearbeitet, hätte ich meinen Mandanten be- Ausschuß unterstellt, daß sich die Vereinbarung auf stimmte Informationen geben und dabei eine andere mich und die HA XX beziehen müsse. Meine Einlas- Quelle nennen können. Niemals wäre zum Beispiel sung, daß sich das Wo rt „vereinbarungsgemäß" Robert Havemann in der Lage gewesen, im ZK der ebenso darauf beziehen könne, daß ich das Gespräch SED nachzufragen, ob die Information, die ich über- mit Robert Havemann vereinbart hatte, bezeichnet mittelte, tatsächlich vom ZK der SED stammte. Das der Ausschuß als „fernliegend". Diese Va riante ist je- gleiche gilt für die Generalstaatsanwaltschaft. Sollte doch naheliegender als diejenige, die der Ausschuß der Ausschuß damit meinen, daß ich im Hinblick auf unterstellt, denn aus dem Telefonabhörprotokoll vom die Wende eine Kaschierung gegenüber dem Bun- 7. November 1979 ergibt sich, daß ich den Besuch bei desbeauftragten oder dem Ausschuß im Auge gehabt Robert Havemann für den 9. November 1979 mit haben könnte, überschätzt er meine Phantasie im ihm vereinbarte. Aber selbst wenn man annehmen Jahre 1979. wollte, daß hier beide Interpretationen möglich Es bleibt dabei, daß der Kontakt zwischen mir und wären, so hat der Ausschuß nicht das Recht, sich für dem ZK der SED nachgewiesen ist. Das ZK der SED die mich belastende zu entscheiden. spielte die führende Rolle. Es gab für mich nicht die

Drucksache 13/10893 Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode geringste Veranlassung, zusätzlich das MfS zu infor- Punkt 1 heißt es, daß mit den spezifischen Mitteln mieren und im übrigen hätte dies meine Kontakte und Möglichkeiten des MfS auf Havemann Einfluß zum ZK der SED gefährdet, weil die Mitarbeiter do rt genommen werden soll, um ihn zu bestimmten Ver- Parallelbeziehungen nicht wollten. Sie legten Wert haltensweisen zu veranlassen. Unter diesen Punkt 1 darauf, zuerst informiert zu werden und ihrerseits zu falle ich nicht. Unter 2. wird dann festgelegt, daß ge- entscheiden, wen sie danach informieren. prüft werden soll, ob es zweckmäßig sei, daß ich oder ein anderer Bürger eine Aussprache mit Havemann In den folgenden Absätzen behauptet der Ausschuß, inhaltlich „ ähnlich wie Punkt 1" durchführt. Daraus daß sich eine Formulierung, wonach ich einen ent- ergibt sich, daß ich eben nicht zum Bereich der spezi- sprechenden Entwurf erarbeiten und zur Abstim- fischen Mittel und Möglichkeiten des MfS gehörte, mung übergeben würde, ausschließlich auf das MfS wie die Maßnahmen, die unter 1. beschrieben wer- und nicht auf das ZK der SED beziehen könne, weil den. Aus einer Entlastung wird beim Ausschuß da- andernfalls hinter dem Wo rt „Abstimmung" auf das durch eine Belastung, daß er die Unterscheidung ZK hingewiesen worden wäre. Diese Argumentation zwischen Punkt 1, Punkt 2 und weiteren Punkten bei ist deshalb besonders verwunderlich, weil der Aus- der Art seiner Zitation wegläßt, um den Eindruck zu schuß auf Seite 40 noch behauptete, daß es im MfS vermitteln, daß sich die „spezifischen Mittel und üblich gewesen wäre, verklausuliert zu formulieren. Möglichkeiten des MfS" auch auf mich bezögen. Weshalb er hier nun meint, daß nur eine direkte For- mulierung möglich gewesen sei, bleibt sein Geheim- Der Ausschuß geht dann auf die Notiz zu IM „Gre- nis. Abgesehen davon habe ich niemals einen Ent- gor" im Dokument Nummer 200 ein und setzt sich wurf gefertigt, sondern einen B rief diktiert und unter- wiederum nicht mit der Tatsache auseinander, daß schrieben, den mein Büro absandte. Das ergibt sich zu diesem Zeitpunkt bei der HA XX in bezug auf auch aus dem beim Bundesbeauftragten vorgefun- mich nicht einmal ein Vorlauf existierte, geschweige denem Brief, der eben kein Entwurf, sondern eine denn ein IM-Vorgang. Er versucht auch keine Erklä- Kopie des Originals ist. rung, weshalb hinsichtlich der zuvor genannten Hinsichtlich der Argumenta tion des Ausschusses auf Quellenbezeichnungen aus einem IM-Vorlauf, dann Seite 44 verkennt dieser, daß der Kreisstaatsanwalt einem GMS, plötzlich ohne jede diesbezügliche Re- die Beantwortung der Eingabe wörtlich vorgelesen gistrierung meiner Person ein IM geworden sein soll. hat. Ich habe mir die Beantwortung wörtlich mitge- Meine Erklärungen weist der Ausschuß zurück, schrieben und sie Herrn Havemann sowohl mündlich ohne sie widerlegen zu können. So führt er zum Bei- als auch schriftlich übermittelt. Als der Mitarbeiter spiel auf Seite 47 aus, daß es wenig glaubwürdig der Abteilung Staat und Recht des ZK der SED die- sei, daß ich „einen zufällig anwesenden Dienstha- sen Vermerk vorlegte, war es nicht verwunderlich, benden" beim ZK der SED informiert hätte. Hätte daß es wiederum der selbe Text war. Wenn der Inhalt der Ausschuß bessere Kenntnisse von der DDR, meines Briefes wörtlich der Eingabenbeantwortung dann wüßte er, daß im ZK der SED kein Dienstha- durch den Staatsanwalt entsprach, so war aus dem bender zufällig anwesend war. Der Diensthabende Vermerk auch nicht sicher zu schlußfolgern, daß der war ein ausgesuchter Vertrauter, der sogar das Recht Brief abgefangen und der abgefangene B rief dem ZK hatte, den Generalsekretär des ZK der SED anzuru- der SED bekannt war. Es war nur die Wiederholung fen, um ihn über bestimmte Vorfälle unverzüglich zu des Textes, den der Kreisstaatsanwalt vorgelesen informieren. Bekannt ist auch, daß sämtliche Tele- hatte. Also fehlt auch hier der vom Ausschuß ge- fongespräche, die beim Diensthabenden des ZK der suchte Nachweis. SED eingingen, mitgeschnitten und anschließend ausgewertet wurden. Insofern ist es durchaus wahr- Wiederum gilt, daß der Bundesbeauftragte im Unter- scheinlich, als von dort aus der Diensthabende des schied zum Ausschuß keinen Nachweis sieht, wenn MfS unterrichtet wurde. Es ist aber auch nicht aus- er in seinen Beispielen zum Ergänzenden Bericht auf geschlossen, daß das Gespräch zwischen mir und Seite 13 formuliert: „ MfS-Dokumente legen die Inter- dem Diensthabenden im ZK der SED vom MfS mit- pretation nahe ... ". gehört und ausgewertet wurde, da in dem Doku- ment sonst nur mitgehörte Gespräche aufgezeichnet sind. Dabei ist es unwahrscheinlich, daß das Telefon Zu 6.2.4 im ZK der SED abgehört wurde, aber nicht auszu- Unter 6.2.4 behandelt der Ausschuß Unterlagen zum schließen, daß das Telefon abgehört wurde, von dem 70. Geburtstag von Robe rt Havemann. Auf den Sei- aus ich telefonierte. ten 45 und 46 zitiert er absichtsvoll unvollständig. Er Auch die Hinweise des Ausschusses zum B rief von zitiert zunächst, daß Robe rt Havemann „ mit den spe- Wolfgang Harich und zum Schreiben des ehemaligen zifischen Mitteln und Möglichkeiten des MfS" beein- MfS-Offiziers Wolfg ang Schmidt können meine Ein- flußt werden sollte. Weiter heißt es dann, daß dafür lassungen nicht widerlegen. Mit der Übergabe der geprüft werden sollte, ob es zweckmäßig sei, daß ich Briefe wollte ich lediglich deutlich machen, wie das mit Robert Havemann eine Aussprache führe. Abge- tatsächliche Verhältnis zwischen dem ZK der SED sehen davon, daß ich wie so häufig, wenn ich tat- und der HA XX des MfS war. Unabhängig davon ist sächlich gemeint bin, mit Klarnamen und nicht mit es nach der Darstellung des Herrn Schmidt auch irgend einem Decknamen in der Unterlage genannt denkbar, daß absichtsvoll ein Anruf ins ZK der SED werde, ergibt sich aus dem Dokument etwas anderes. zur HA XX des MfS umgeleitet wurde. Um die vom Ausschuß zitierten „Provoka tionen" aus- zuschließen, unterbreitet das MfS auf den Seiten 4 Falsch ist die Darstellung des Ausschusses, ich hätte und 5 der Unterlage insgesamt neun Vorschläge. Im zu keinem Zeitpunkt erklärt, vom ZK-Mitarbeiter

Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode Drucksache 13/10893

Gefroi eine ZK-Telefonnummer erhalten zu haben. Information des MfS verarbeitet worden sein könn- Ich gehe sogar davon aus, ohne heute noch eine E rin- ten, wenn sie den Umweg über das ZK genommen nerung daran zu haben, welche Telefonnummer mir hätten. Auch dies beweist nur, daß der Ausschuß ge- übergeben wurde. Da ich im Besitz von ZK-Telefon- ringe Kenntnisse über die DDR besitzt. In politisch nummern war, wäre mir aber eher in Erinnerung ge- brisanten Fragen konnte sowohl die Partei als auch blieben, wenn es sich um eine Telefonnummer mit das MfS in ungeheurem Tempo arbeiten. Wenn ich einer anderen Einwahlnummer gehandelt hätte. Der zum Beispiel die Information am 25. April 1980 an Hinweis des Ausschusses, es gäbe keinerlei Hin- den Mitarbeiter des ZK der SED gegeben habe, dann weise auf eine inoffizielle Zusammenarbeit des Herrn ist sie mit Sicherheit noch am selben Tag an den Ge- Gefroi mit dem MfS, ist abwegig. Das habe ich nie neralsekretär des ZK der SED und den Minister für unterstellt. Im übrigen ist es aber auch weder von mir Staatssicherheit gegangen, so daß es völlig logisch noch vom Ausschuß je überprüft worden - nach den erscheint, daß sich eine solche Information in einer geltenden Gesetzen wäre eine solche Anfrage an geheimen MfS-Information vom 26. April 1980 wider- den Bundesbeauftragten auch unzulässig. spiegelt, das heißt an dem Tag, an dem die Feierlich- Auch zu diesem Komplex geht der Bundesbeauf- keiten stattfanden. Ich gehe davon aus, daß im Zu- tragte im Unterschied zum Ausschuß nicht von einem sammenhang mit diesem Ereignis unverzügliche und Nachweis aus, wenn er in seinen Beispielen zum ständige Informationspflicht bestand, wahrscheinlich sowohl gegenüber dem Generalsekretär des ZK der Ergänzenden Bericht auf Seite 18 formuliert: „ MfS Dokumente legen den Schluß nahe ... ". SED als auch gegenüber dem Minister für Staats- sicherheit. Insofern ist der Vergleich mit einem ande- ren Vermerk und der Wochenfrist, den der Ausschuß Zu 6.2.5 anschließend anstellt, abwegig, weil es sich dabei nicht um einen unmittelbar bevorstehenden brisan- Unter 6.2.5 geht es um die Teilnahme von Robe rt ten politischen Akt handelte. Havemann an den Feierlichkeiten zum 35. Jahrestag der Befreiung des Zuchthauses Brandenburg. Auch- Im nächsten Absatz behauptet der Ausschuß, daß es hier setzt sich der Ausschuß nicht mit der Tatsache keine Hinweise darauf gäbe, daß es parallel Planun- auseinander, daß ich weder zu dieser Zeit noch zu gen vom MfS und ZK in dieser Angelegenheit gab. einem anderen Zeitpunkt als GMS beim MfS regi- Dabei verkennt der Ausschuß, daß er nur Unterlagen striert und tätig war. Im übrigen ist auch verwunder- vom Bundesbeauftragten, nicht aber vom ZK ange- lich, daß ich nach Auffassung des Ausschusses noch fordert hat. Man kann sogar unterstellen, daß es auch am 10. März 1980 (Seite 46) IM gewesen, einen Mo- noch eigene Konzeptionen beim Rat des Bezirkes, nat später aber wieder zum GMS „degradiert" wor- beim Rat des Kreises und bei der Polizei gegeben den sein soll. hat. Zu alledem habe ich ausführlich während mei- ner Anhörung im Juni 1997 Stellung genommen. Auf Seite 49 führt der Ausschuß aus, daß ich bei mei- ner Anhörung eingeräumt hätte, am 24. April 1980 Die Schlußfolgerungen des Ausschusses sind also „nicht die von Robe rt Havemann gewünschte schrift- auch in diesem Falle nicht nachgewiesen. Selbst der liche Einladung, sondern Anstecknadeln überbracht Bundesbeauftragte geht in seinen Beispielen zum Er- und die Instruktionen abgeliefert" zu haben. Dabei gänzenden Bericht nicht von. einem Nachweis aus. bezieht sich der Ausschuß auf die Seiten 67/68 des Auf Seite 20 führt er dazu aus: „ MfS-Dokumente Protokolles meiner Anhörung. Allerdings gibt es do rt legen den Schluß nahe ... ". keine Aussage von mir zu einer schriftlichen Einla- dung und zu Anstecknadeln. Es handelt sich hierbei Zu 6.2.6 um Äußerungen der Abgeordneten Lengsfeld. Es zeigt die Herangehensweise des Ausschusses, Äuße- Unter 6.2.6 beschäftigt sich der Ausschuß mit einem rungen dieser Abgeordneten mir zu unterstellen. Holzhaus auf dem Grundstück von Robe rt Have- mann. Auf Seite 50 nimmt er hinsichtlich des Doku- Anschließend behauptet der Ausschuß auf Seite 49, mentes Nummer 73 eine kühne Interpretation vor. daß ich in diesem Falle eingeräumt hätte, daß es Aus diesem ergibt sich nicht, ob das MfS selbst eine durchaus möglich war, Instruktionen sowohl vom Möglichkeit zur Einflußnahme auf mich besaß oder MfS als auch vom' ZK zu bekommen. Damit erweckt ob eine solche Möglichkeit nur über Dritte gesehen er den Eindruck, ich hätte eingeräumt, selbst Instruk- wurde. Im nächsten Absatz will der Ausschuß auf tionen sowohl vom ZK der SED als auch vom MfS keinen Fall als Entlastung gelten lassen, daß in zwei erhalten zu haben. Es ging in der Anhörung auf MfS-Unterlagen deutlich zwischen mir auf der einen Seite 68 ausschließlich darum, daß es bei einem sol- Seite und vorhandenen IM auf der anderen Seite un- chen Ereignis möglich war, daß es sowohl Instruktio- terschieden wird. Dafür hat der Ausschuß auch sofort nen durch die einen als auch durch die anderen gab. eine Erklärung parat: Es sei der HA XX darum ge- Anschließend führte ich jedoch wörtlich aus: „ Sie gangen, gegenüber der eigenen Leitung oder ande- sehen nur aus der Konzeption, daß ich nicht zu den ren HA intern zum Schutze eigener IM zu konspirie- spezifischen Mitteln und Methoden des MfS gehörte, ren. Aus dem Dokument Nummer 207 ergibt sich je- und deshalb sagte ich ihnen, diese Instruktionen habe ich vom ZK bekommen." doch, daß es sich um eine Sachstandsinformation in- nerhalb der HA XX handelte. Wenn ich tatsächlich Im nächsten Absatz auf Seite 49 hält es der Ausschuß IM dieser HA gewesen wäre, dann hätte dies auch für ausgeschlossen, daß Informationen über ein die Leitung der HA gewußt. Insofern ist die Argu- Gespräch, das ich am 24. April 1980 mit Robe rt mentation des Ausschusses nicht nachvollziehbar. Er Havemann führte, bereits am 26. April 1980 in einer ist nur bemüht, jedes Dokument, das eine Entlastung

Drucksache 13/10893 Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode enthält, infrage zu stellen. Er will nicht einmal die nicht auf das Grundstück lassen müsse. Daran än- Widersprüchlichkeit von Unterlagen akzeptieren. dern auch die letzten beiden Sätze nichts, wonach man Zeit habe, weil die geschiedene Ehefrau etwas Ähnlich geht der Ausschuß auf den Seiten 51 und 52 wolle, und daß man die Zeit in bezug auf den Taxator vor. Es liegt ein Bericht eines „Gregor" über ein Ge- auch hinauszögern könne. Aus keinem der Sätze spräch zwischen mir und Robert Havemann vom ergibt sich die Auffassung, daß letztlich „eine Taxie- 21. Juli 1980 vor (Dokument Nummer 5). Abgesehen rung auf dem Grundstück nicht zu vermeiden" wäre. davon, daß mir zu diesem Zeitpunkt ein solcher Das ist eine willkürliche Interpretation des Ausschus- Deckname nicht zugeordnet war, gab es am Schluß ses, nur um nicht bestätigen zu müssen, daß die Per- dieses Dokumentes die Widergabe rechtlicher Auf- son, die im Dokument Nummer 5 eine Rechtsauffas- fassungen. Diese unterschieden sich eindeutig von sung wiedergegeben hat, nicht mit mir identisch sein den Rechtsauffassungen, die ich Robe rt Havemann kann. Anschließend erklärt zwar der Ausschuß, daß mitteilte, wie es sich aus einem abgehörten Telefonat er darauf verzichte, diesen Sachverhalt zu seiner Fest- zwischen uns ergibt (Dokumente Nummer 138 und stellung heranzuziehen. Aber er wi ll eben nicht gelten 221). Hierzu erklärt der Ausschuß auf Seite 52: lassen, daß hier ein entlastendes Moment vorliegt. „Diese Interpretation ist indes nicht zwingend, zum einen müssen das Aufzeigen rechtlicher Möglichkei- Auf Seite 52 nimmt der Ausschuß Bezug auf ein ten und rechtsanwaltliches Handeln nicht die gleiche Dokument vom 29. August 1980, das als Quelle „IM Rechtsauffassung widerspiegeln. Zum anderen deu- Vorlauf ,Gregor'" angibt. Abgesehen davon, daß es tet die letzte Erklärung von Dr. Gysi im Telefonat in bezug auf mich damals keinen Vorlauf gab, ver- vom 28. August 1980 darauf hin, daß auch er der Auf- sucht der Ausschuß nicht einmal zu erklären, wes- fassung gewesen ist, letztlich sei eine Taxierung auf halb ich, nachdem ich seiner Auffassung nach GMS, dem Grundstück nicht zu vermeiden. " Zunächst ver- dann IM, dann wieder GMS war, plötzlich wieder letzt der Ausschuß, nur um einen Ausschlußbeweis zum IM-Vorlauf „degradiert" worden sein so ll. nicht zuzulassen, die Gesetze der Logik. Denn wenn Falsch ist die Behauptung auf Seite 53, wonach ich ich gegenüber dem MfS eine bestimmte Rechtsauf- - während meiner Anhörung eingeräumt hätte, keine fassung dargelegt hätte, und im Interesse des MfS klaren Aufträge Havemanns für Gespräche mit dem gegenüber meinem Mandanten handelte, wie vom ZK der SED gehabt zu haben. Der Ausschuß nennt Ausschuß unterstellt wird, dann wäre es logisch, mei- keine Seitenzahl. Aus dem Anhörungsprotokoll er- nem Mandanten die selbe für ihn nachteilige Rechts- gibt sich aber, daß ich dezidiert erklärt habe, daß ge- auffassung mitzuteilen, und nicht eine abweichende. nerell der Kontakt dem Wunsch von Robe rt Have Auch ich hätte unterstellen können, daß solche Tele- mann entsprach. Auch die Kinder von Robe rt Have fongespräche abgehört werden und wäre das Risiko mann haben in einem dem Ausschuß zur Verfügung eingegangen, vom MfS gehörig kritisiert zu werden, gestellten Schreiben diesen Wunsch ihres Vaters aus- weil ich diesem gegenüber eine andere rechtliche drücklich bestätigt. Darstellung gegeben hätte als dem Mandanten ge- genüber, zumal das MfS an der Nutzung des Hauses Die Ausführungen des Ausschusses auf Seite 53 sind auf dem Grundstück interessie rt war. Wenn es also nicht überzeugend. Unabhängig davon, daß die der Ausschuß für möglich hält, daß ich dem MfS die Quelle überhaupt nicht feststeht, kann er auch nicht eine und dem eigenen Mandanten eine andere recht- einschätzen, ob es möglich war, daß die HA XX einen liche Auffassung zur selben Problematik mitteilte, Tag nach einem Gespräch im ZK eine Information dann stimmen seine gesamten Thesen nicht mehr, von dort erhielt. Die Zeiträume können in Einzelfäl- wonach ich im Interesse des MfS handelte. Absurd len sehr unterschiedlich gewesen sein. ist es, wenn der Ausschuß behauptet, daß sich aus dem letzten Satz des Abhörprotokolls vom Telefonge- Der Ausschuß nimmt auch nicht dazu Stellung, daß spräch ergäbe, daß ich wie die Quelle im Dokument das Dokument vom 11. April 1981 die Quellenbe- Nummer 5 der Auffassung gewesen sei, daß eine zeichnung „GMS Notar" benennt. In dieser Zeit lief Taxierung auf dem Grundstück nicht zu vermeiden nun der Vorlauf in bezug auf mich, aber mit dem vor- wäre. Dem Ausschuß wird es nicht gelingen, das läufigen Decknamen „Gregor" . Wäre ich tatsächlich Abhörprotokoll in sein Gegenteil zu verkehren. Im der Informant gewesen, dann gäbe es keine nachvoll- Dokument Nummer 5 wird folgende Rechtsauffas- ziehbaren Gründe, weshalb nicht der mir zugeord-

sung vertreten: „Allerdings kann die geschiedene nete Deckname eingesetzt worden sein sollte. Es ist Ehefrau verlangen, daß sie selbst und selbstverständ- aber auch nicht erklärlich, warum ich, der ich nach lich auch ein staatlicher Taxator die Möglichkeit zum Auffassung des Ausschusses längst IM war, plötzlich

Betreten des Hauses erhalten." „ Meines Erachtens wieder zum GMS „degradiert" worden sein so ll. Hin- dürfte er Kaufinteressenten den Zutritt auch dann sichtlich des Dokuments vom 7. Januar 1982 wird als nicht verwehren, wenn seine geschiedene Ehefrau Quelle ein „IM Notar" angegeben. Auch hier gibt es dabei ist." Aus dem Abhörprotokoll ergibt sich dage- keine Erklärung über den Wechsel vom GMS zum IM. gen, daß ich die Auffassung vertrat, daß es fraglich Entscheidend ist und bleibt aber, daß die Zeugenaus- sei, ob die geschiedene Ehefrau von Robe rt Have sagen der Offiziere Lohr und Reuter vor dem Land- mann Eigentümerin des Hauses sei. Weiter heißt es gericht Hamburg nachvollziehbar sind, wonach sie zu dann: „ Sollte sie es sein, dann nach damals gelten- dieser Zeit den Decknamen „Gregor" nicht mehr ver- dem Recht von beweglichem Eigentum. Sie könnte wenden konnten, gerade, weil er mir zugeordnet, ich sich das Haus abbauen und taxieren lassen, wo sie aber nicht Quelle des MfS war. Deshalb haben sie für will." Diese Aussage ist eindeutig. Danach war ich Informationen Dritter über meine Tätigkeit seit dem der Auffassung, daß Robert Havemann den Taxator Anlegen des Vorlaufes in bezug auf meine Person den

Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode Drucksache 13/10893

Decknamen „Notar" verwandt, der zwar in einer Zu 6.2.10 Nähe zu mir lag, mir aber nicht zugeordnet war. Aus den dargelegten Gründen fassen die Seiten 61 Auf Seite 55 findet sich wiederum die Behauptung, und 62 Unbewiesenes zusammen. daß sich aus den Unterlagen keine Abhörmaßnah- men in der Wohnung von Robert Havemann ergä- ben, obwohl der Ausschuß weder weiß, ob es solche Zu 6.3 - Jutta Braband und Thomas Klein Unterlagen beim Bundesbeauftragten gibt, noch ein- Unter 6.3 täuscht der Ausschuß eine Großzügigkeit schätzen kann, ob es sie beim MfS gegeben hat, un- vor, obwohl die Unterlagen kein einziges belastendes abhängig davon, ob sie heute vorhanden sind oder Moment enthalten. nicht. Falsch wird behauptet, daß es keinen Auftrag von Robert Havemann an mich für Gespräche im ZK der SED gab. Zu 6.4 - Franz Dötterl

Unter 6.4. erklärt der Ausschuß nicht, wie ich die Zu 6.2.7 Quelle „IM Gregor" gewesen sein kann, wenn zum genannten Zeitpunkt in bezug auf mich nicht einmal Unter 6.2.7 setzt sich der Ausschuß nicht damit aus- ein Vorlauf lief und mir auch der entsprechende einander, daß es am 7. April 1981 beim MfS sowohl Deckname nicht zugeordnet war. Entgegen der Dar- einen GMS Notar als auch einen IMS Notar gegeben stellung auf Seite 64 ist es auch falsch anzunehmen, haben soll. Wiederum sei darauf verwiesen, daß zu daß die Kontakte zum ZK integraler Bestandteil der diesem Zeitpunkt in bezug auf mich ein IM-Vorlauf Strategie des MfS waren. Abgesehen davon hatte ich mit dem vorläufigen Decknamen „Gregor" lief. Aus weder in diesem Fa noch in anderen Fällen Kon- dem IM vom 7. April 1981 wird laut Seite 56 am ll takte zu den ZK-Abteilungen für Agitation, für Aus- 11. April 81 ein GMS, wieder als identische Quelle. landsinformation, für Internationale Verbindungen Abermals wird die falsche Behauptung aufgestellt, und für Westarbeit. Ich hatte ausschließlich Kontakte daß Robert Havemann mir keine konkreten Aufträge- zur Abteilung Staat und Recht. zu Gesprächen im ZK gegeben hätte.

Die auf Seite 58 aufgestellte Behauptung des Aus- schusses ist also keinesfalls nachgewiesen. Auch für Zu 6.5 -Annedore „Katja" Havemann diesen Sachverhalt gilt, daß selbst der Bundesbeauf- Unter 6.5 macht der Ausschuß langwierige Aus- tragte keinen Nachweis sieht, wenn er in seinen Bei- führungen zu Annedore Havemann, um auf den spielen zum Ergänzenden Bericht auf Seite 23 formu- Seiten 66, 67 und 68 jeweils festzustellen, daß er sich liert: „MfS-Dokumente legen den Schluß nahe ...". hinsichtlich seiner Überzeugung nicht auf diese Unterlagen stützen will. Zu 6.2.8 Es geht ihm auf Seite 66 darum, einen Entlastungs- Unter 6.2.8 macht der Ausschuß langwierige, einen beweis als solchen nicht gelten zu lassen. Es ist aber Verdacht gegen mich begründende Ausführungen, eine Tatsache, daß die HA XX im Dokument Num- um am Schluß hervorzuheben, daß er diesen Sach- mer 251 auch ohne jede Dekonspirierung einen kon- verhalt nicht zur Grundlage seiner Feststellung kreten Auftrag an seinen IM hätte formulieren kön- machen wolle. Auf Seite 60 wird auf das Dokument nen, wenn ich denn einer gewesen wäre. Statt des- Nummer 248 eingegangen, wobei betont werden so ll, sen operiert die HA XX mit meinem Klarnamen und daß völlig unklar ist, ob der handschriftliche Eintrag erklärt, mich durch „operative Einflußnahme" zu „IM Gregor" vor oder nach 1989 erfolgte, von wem er einem bestimmten Verhalten bewegen zu wollen. stammt und was damit ausgesagt werden sollte. Dies spricht eben dagegen, daß ich von ihm direkt beauftragt werden konnte und wurde.

Zu 6.2.9 Auch der Vortrag des ehemaligen MfS-Offiziers Wolfgang Reuter wird insoweit einseitig widergege- Auch unter 6.2.9 äußert der Ausschuß einen starken ben, als dieser im Zusammenhang mit der Behaup- Verdacht, geht dann aber doch nicht von einem trag- tung einer Materialsammlung nie erklärt hat, daß es fähigen Nachweis aus. In seiner Argumentation un- sich dabei ausschließlich um Informationen aus tech- terläßt er jedoch zwei gewichtige Argumente. Auch nischen Quellen gehandelt habe, sondern ausdrück- bei diesen Namenslisten steht nicht fest, ob der lich auch auf persönliche Quellen verwies. Weder der handschriftliche Eintrag vor oder nach 1989 erfolgte. Vortrag des Herrn Reuter noch der des Herrn Lohr Gegen eine Eintragung zum Zeitpunkt der Erstellung sprechen dagegen, daß Aufträge an konkrete Perso- des Dokumentes spricht eine einfache Tatsache. Die nen erteilt werden konnten. eine Namensliste stammt vom 8. Oktober 1979 und die andere vom 15. Oktober 1980. Im Jahre 1979 lief Aus dem Schluß dieses Abschnitts ergibt sich, daß in bezug auf mich noch nicht einmal ein IM-Vorlauf. der Ausschuß den Nachweis nicht für erbracht sieht. Am 15. Oktober 1980 war er bereits angelegt, wenn Das aber bedeutet, daß er es hinsichtlich des Doku- auch noch nicht registriert. Da aber aus der Vorlauf ments Nummer 264 für möglich hält, daß ein anderer Akte bekannt ist, daß der nicht bestätigte Werbungs- als ich die Quelle „IMS Notar" war. Wenn dies so ist, vorschlag zum IM vom 27. November 1980 datiert, ist dann ist die sonst von ihm aufgestellte Behauptung, es völlig ausgeschlossen, daß ich am 15. Oktober schon aus der entsprechenden Quellenbezeichnung 1980 IM gewesen sein kann. ergäbe sich die Identität mit mir, widerlegt.

Drucksache 13/10893 Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode

Zu 6.6 - Frank-Wolf Matthies nicht der IM Notar gewesen sein kann. Damit wäre bewiesen, daß die HA XX/9 hier eine andere Person Auch hier will der Ausschuß keinen Nachweis sehen, als IM Notar bezeichnete und damit auch in anderen läßt aber die Entlastungsbeweise nicht gelten. Auf Fällen bezeichnet haben kann. Das gesamte Kon- Seite 68 geht es um die Dokumente Nummer 78 und strukt des Ausschusses würde zusammenbrechen. 225. Aus ihnen ergibt sich, daß ich unter Ausnutzung Deshalb muß er versuchen, die sen Ausschlußbeweis bestehender operativer Möglichkeiten des MfS zu zu entkräften. So kommt es, daß er auf Seite 72 be- einem bestimmten Verhalten veranlaßt werden sollte. hauptet, daß ich einen telefonischen Kontakt zum Damit ist sehr wohl klar, daß eine direkte Auftrags- MfS hergestellt und den mir vorliegenden Text tele- erteilung durch das MfS an mich weder möglich war fonisch vorgelesen hätte. Die Ungenauigkeiten er- noch erfolgte. Ferner ist der Nachweis erbracht, daß klärten sich durch das Ablesen, die telefonische in bezug auf mich nicht mit den „spezifischen Mitteln Übermittlung und die Niederschrift des Schriftstük- und Methoden des MfS" operiert werden konnte. kes beim MfS. Entgegen der Darstellung des Ausschusses ist auch das Dokument Nummer 224 entlastend: Wenn ich In der handschriftlichen Fassung, die ich tatsächlich nicht zugegen war, konnte ich eine solch detail lierte besaß, ist versehentlich das Datum 4. Januar 1983 Auskunft auch nicht geben. Bei der Vielzahl von statt 4. Januar 1984 notiert. In der Anlage beim MfS Mandantinnen und Mandanten widersp richt es der steht das richtige Datum. Der Ausschuß erklärt dazu:

Büropraxis, daß mich Mitarbeiterinnen darüber infor- „ Bei der Telefonübermittlung an das MfS erfolgte die mierten, daß irgendjemand um einen Termin bat, als Korrektur aber bereits während der Übermittlung. ich nicht anwesend war. Wenn ein Termin vergeben Dort heißt es korrekt ,4.1.1984'." Wäre dies so ge- wurde, dann war das ausreichend. Der Kontakt kam wesen, hätte ich meine handschrift liche Mitschrift dann ja zustande. beim Vorlesen sofort korrigiert und meine Sekretärin am 6. Januar 1984 nicht zunächst das falsche Datum schreiben lassen. Zu 6.8 - Gerd und Ulrike Poppe Auf Seite 70 äußert der Ausschuß ausdrücklich eine Auf Seite 70 versucht der Ausschuß abermals, ent- „Vermutung", obwohl ihm genau dies vom Bundes- lastende Dokumente zu entkräften. Es ist aber eine verfassungsgericht untersagt wurde. Außerdem irrt Tatsache, daß die HA XX/2 offensichtlich über eine er. Damals besaß ich kein handliches Diktiergerät, eigene Quelle in meinem Büro verfügte. Anders kön- sondern nur ein großes ungarisches Gerät, das häufig nen die Informationen dorthin nicht gelangt sein. zur Reparatur war. Und an solchen Tagen mußte Auch der Ausschuß kann mir keine Zusammen- eben mit der Hand geschrieben werden. arbeit mit dieser Diensteinheit des MfS unterstellen. Es gibt entgegen seiner Vermutung nicht den gering- Es darf bezweifelt werden, daß das MfS 1984 tech- sten Hinweis darauf, daß die Informa tion durch die nisch in der Lage war, Telefongespräche mittels Ton- HA XX/9 an die HA XX/2 erfolgte, zumal sich dies band mitzuschneiden. Aus den Abhörprotokollen aus dann aus der Unterlage ergeben würde. Dann wäre dieser Zeit ergibt sich, daß es sich regelmäßig nur um der Abteilung die Information auch nicht „inoffi- Zusammenfassungen handelte. Offensichtlich hörte ziell" , sondern offiziell bekannt geworden. Zumin- nur jemand mit und notierte das Wesentliche. Wenn dest müßte der Ausschuß formulieren, daß sich die es im übrigen eine Tonbandabschrift gewesen wäre, Möglichkeit einer anderen Quelle in meinem Büro dann wäre das auch auf dem Dokument vermerkt aus diesen Unterlagen ergibt. Hinsichtlich der Ver- worden. Entscheidend ist aber, daß das Dokument wendung der Quellenbezeichnung „Notar" wird auf Nummer 13 einen anderen Inhalt hat. Es heißt do rt das bisher Ausgeführte verwiesen. liche Erklä- eindeutig, daß die in der Anlage befind rung durch den IM Notar übergeben wurde, nicht Lange Erklärungen gibt der Ausschuß zum Doku- daß sie telefonisch übermittelt worden sei. Um seine ment Nummer 13 nebst Anlage auf den Seiten 70 Thesen aufrechtzuerhalten, widmet der Ausschuß bis 73. Auch hier wird deutlich, wie der Ausschuß mit die Übergabe in eine telefonische Übermittlung um. entlastenden Dokumenten umgeht. Tatsache ist, daß Der Bundesbeauftragte kannte weder meine Hand- laut Dokument Nummer 13 der IM Notar am 4. Ja- akte noch die Äußerungen von Gerd Poppe. Deshalb nuar 1984 eine Erklärung des Herrn Poppe an das nahm er im Schreiben vom 5. März 1997 eine an MfS übergab. Diese Erklärung bildet die Anlage zum tion vor. Er geht davon aus, daß Gerd-dere Interpreta Dokument Nummer 13. Es soll sich laut dem Doku- Poppe zunächst die Erklärung mir und ich danach ment um jene handeln, die Gerd Poppe am 4. Januar diese dem MfS übergab (Seiten 70/71). Dies aber ist 1984 um 16.00 Uhr bei mir im Anwaltsbüro abgab. ausgeschlossen. Der Ausschuß kann den Ausschluß- Erstaunlich ist zunächst, daß der Bundesbeauftragte beweis nicht entkräften. Für das MfS machte es mit das Dokument Nummer 13 schon 1992 überreichte, Sicherheit einen großen Unterschied, ob eine Erklä- die dazugehörige Anlage (Dokument Nummer 139) rung übergeben oder telefonisch übermittelt wurde. aber erst nach Anforderung mit Schreiben vom Denn auch die Mitarbeiter des MfS wußten, daß bei 5. März 1997. Wie sich aus den Ausführungen des einer telefonischen Übermittlung Fehler unterlaufen Ausschusses ergibt, muß er in Übereinstimmung mit können. Sie hätten schon im eigenen Interesse fest- Gerd Poppe einräumen, daß ich nicht im Besitz des halten müssen, daß es sich um eine telefonische Dokuments Nr. 139 war und es deshalb nicht überge- Übermittlung handelte, weil nur so Abweichungen ben haben kann. Da aber laut Dokument Nummer 13 und Ungenauigkeiten erklärbar geworden wären. der. IM Notar diese Erklärung dem MfS übergab, Ohne jeden Nachweis behauptet der Ausschuß auf würde feststehen, daß ich zumindest in diesem Falle Seite 73, daß meine Mitschrift die Quelle des MfS-

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Vermerkes gewesen sein müsse. Es ist durchaus sogar, daß MfS-Offiziere handschriftlich Decknamen denkbar, daß Gerd Poppe mehrere Entwürfe fertigte. eingesetzt hätten. Jemand aus seiner Umgebung kann einen solchen Entwurf beim MfS abgegeben haben. Es ist auch Die Herangehensweise des Ausschusses an die Be- denkbar, daß jemand aus seiner Umgebung sich eine weislast wird auch in den folgenden Absätzen auf falsche Abschrift gefertigt und sie dem MfS über- Seite 78 deutlich. Wenn ich - bestätigt durch das geben hat. Auf jeden Fall kann ich nicht der Ober- Schreiben eines ehemaligen MfS-Offiziers - darauf bringer gewesen sein. .verweise, daß es undenkbar sei, daß für mich zeit- gleich zwei Decknamen verwendet worden sein sol- Der Ausschuß will sich zwar (Seite 73) nicht auf die- len, dann entnimmt der Ausschuß aus der Formulie- sen Vermerk stützen, aber auf gar keinen Fall den rung des ehemaligen MfS-Offiziers Schmidt, daß dies offenkundigen Entlastungsbeweis zulassen. Immer- nicht üblich gewesen und fast immer korrigiert wor- hin hält er es aber für möglich, daß eine andere Per- den sei, daß es immerhin möglich gewesen wäre. son hier der IM Notar war. Plötzlich ist beim Ausschuß nicht mehr davon die Rede, daß solche Dinge „aufgrund der strengen in- ternen Kontrollmechanismen des MfS" als ausge- Zu 6.9 - Thomas Eckert schlossen betrachtet werden können, was er dann Auf Seite 74 zitiert der Ausschuß aus dem Arbeits- meint, wenn ich dadurch seiner Meinung nach bela- buch des MfS-Offiziers Lohr unvollständig. Die vor- stet werde (Seite 92). Dennoch ergibt sich aus den letzte Zeile heißt do rt: „ Unbedenklichkeitsbescheini- Ausführungen, daß der Ausschuß es auch in diesem gung will ,Notar' ausschreiben. " Insofern erbringt Falle für möglich hält, daß eine andere Person als ich dieses Dokument entgegen seiner Darstellung auf mit der Quellenbezeichnung „Notar" gemeint war. Seite 75 doch den Nachweis, als der Deckname Ungenügend ist die Würdigung der Dokumente, die „Notar" vom MfS auch verwandt wurde, wenn kein der Ausschuß auf Seite 78 behandelt. Er setzt sich Zusammenhang zu mir bestand. Unbedenklichkeits- nicht damit auseinander, daß ich durch den Staatsan- bescheinigungen zur Ausfuhr von Kulturgut aus der- walt schriftlich auf den Verdacht einer neuen Rechts DDR konnte je nach Klassifizierung des Kulturgutes verletzung durch Bärbel Bohley hingewiesen werden nur der Leiter der Abteilung Kultur des Rates des sollte. Das wäre nicht erforderlich gewesen, wenn Kreises, der Leiter der Abteilung Kultur des Rates das MfS mich hätte direkt informieren können. An des Bezirkes oder der Minister für Kultur ausstellen. dem Dokument 288 ist bemerkenswert, daß das MfS Zu keinem Zeitpunkt war ich berechtigt, solche große Schwierigkeiten sah, mich über den Inhalt der Unbedenklichkeitsbescheinigungen auszuschreiben. Zeitschrift „Grenzfall" zu informieren und über Mög- Abgesehen davon war ich hinsichtlich des Kulturgu- lichkeiten nachdachte, mich „auf andere A rt und tes von Thomas Ecke rt zu keinem Zeitpunkt beauf- Weise" zu informieren. Dies wäre nicht erklärlich, tragt, irgendwelche rechtlichen Schritte einzuleiten. wenn es eine inoffizielle Zusammenarbeit zwischen dem MfS und mir gegeben hätte. Das MfS hätte mich dann direkt informieren können. Diese Dokumente Zu 6.10 - Bärbel Bohley schließen eine inoffizielle Zusammenarbeit zwischen Auf Seite 76 behauptet der Ausschuß, daß ich mich dem MfS und mir zumindest für den genannten Zeit- entsprechend dem Maßnahmeplan des MfS verhal- raum aus. ten hätte. Dabei übersieht er jedoch, daß sich aus In der Zusammenfassung enthält sich der Ausschuß dem Dokument Nummer 89 ergibt, daß der General- zwar letztlich einer Bewe rtung für die Zeit der OPK staatsanwalt der DDR beauftragt war, mit mir ein Ge- gegen mich, macht aber nicht das, was rechtsstaat spräch zu führen. Diesen Gesprächsinhalt habe ich lich geboten wäre. Aus der Begründung zur Einlei- Frau Bohley in Prag mitgeteilt und auch darauf hin- tung der OPK, den zahlreichen Unterlagen, die gewiesen, daß die Informationen auf ein Gespräch meine Kontrolle belegen und den eben behandelten bei der Generalstaatsanwaltschaft zurückgehen. Die Dokumenten hätte er den Schluß ziehen müssen, daß Tatsache, daß ich in diesem Falle an der Grenze alles dafür spricht, daß die OPK real war und es logi- avisiert war, läßt sich durchaus mit der gegen mich scherweise auch in dieser Zeit keine inoffizielle Zu- zu diesem Zeitpunkt geführten OPK in Einklang sammenarbeit zwischen dem MfS und mir gab. Da es bringen. Man darf dabei nicht vergessen, daß ich das aber auch aus dieser Zeit einen Bericht von „Notar" Gespräch in Prag im Auftrage der Generalstaats- gibt, mir im Rahmen der OPK aber der Deckname anwaltschaft führte. Weshalb also sollte die General- „Sputnik" zugeordnet war, scheide ich erneut als staatsanwaltschaft nicht über das MfS eine entspre- Quelle „Notar" aus, offenkundig auch für den Aus- chende Avisierung vorgenommen haben? Außerdem schuß. sei noch einmal darauf hingewiesen, daß es solche Avisierungen sogar für Personen gab, gegen die Operative Vorgänge liefen. Zu 6.11- Der Empfang im Ermler-Haus Die Ausführungen des Ausschusses auf Seite 78 zum Dokument Nummer 287 sind nicht nachvollziehbar. Zunächst sei auch hier daran erinnert, daß der Deck- In Anbetracht des Verteilerkreises dieses Dokumen- name „Notar" mir zu keinem Zeitpunkt, also auch tes wäre es völlig unproblematisch gewesen, hinter nicht im Mai 1986, vom MfS zugeordnet war. Der meinem Namen den Decknamen einzusetzen, wenn Ausschuß irrt, wenn er den Empfang auf Seite 80 be- es denn tatsächlich mein Deckname gewesen wäre. schreibt. Die Gäste des Empfanges standen eng ge- Schließlich glaubt der Ausschuß bei Namenslisten drängt, so daß es ohne Schwierigkeiten möglich war,

Drucksache 13/10893 Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode auch einem längeren Gespräch ständig zu folgen, Er versucht hier offensichtlich, das Überprüfungsver- wenn eine entsprechende Absicht vorlag. fahren zu einem Verfahren über die Frage des Entzu- ges meiner Zulassung als Rechtsanwalt zu mißbrau- Ebenso wenig ist es ausgeschlossen, daß mein Ver- chen. Bekanntlich hatte der Abgeordnete Reinartz in merk zu einer entsprechenden Information an das der Behörde des Bundesbeauftragten darum gebe- MfS genutzt werden konnte, wenn es eine Quelle in ten, von dort aus eine Strafanzeige gegen mich zu er- meinem Büro gab. Es wurde schon auf Dokumente statten. Da dies nicht gelang, will der Ausschuß hier hingewiesen, die eine solche Quelle in meinem Büro Aussagen mit zulassungsrechtlicher und strafrechtli- belegen. cher Relevanz treffen. Das Problem des Ausschusses Von einem Nachweis einer inoffiziellen Zusammen- besteht diesbezüglich nur darin, daß es hinsichtlich arbeit kann also entgegen der Auffassung des Aus- des Vorwurfes des Mandantenverrates keine einzige schusses auf Seite 81 auch hier keine Rede sein. Anzeige eines vermeintlich Betroffenen oder einer Behörde gibt, und daß keine Staatsanwaltschaft sich Zu 6.12 - Reinhard Lampe bislang bereit fand, diesbezüglich ein Ermittlungs- Entgegen der Darstellung des Ausschusses lassen verfahren einzuleiten. Wären die Vorwürfe des Aus- sich aus den Unterlagen nicht nur keine Rück- schusses berechtigt, hätte ich längst meine Zulas- schlüsse auf eine Zusammenarbeit mit dem MfS zie- sung verloren, wären gegen mich längst strafrechtli- hen. Die von mir mit Schreiben vom 19. März 1998 che Ermittlungen eingeleitet worden. überreichten Unterlagen sprechen eindeutig gegen In diesem Zusammenhang erklärt sich auch, weshalb eine solche Zusammenarbeit. der Ausschuß die Schreiben meiner früheren Man- danten, auf die ich zu Beginn dieser Erklärung einge- gangen bin, ignoriert. Die Betroffenen haben nach Einsicht in ihre Unterlagen beim Bundesbeauftragten nicht nur andere Einschätzungen als der Ausschuß VI. vorgenommen, sondern meine anwaltliche Tätigkeit Zusammenfassung gewürdigt. Hätte der Ausschuß dies in seiner Feststel- lung berücksichtigt, wäre seine kompetenzüber- Insgesamt ist es dem Ausschuß nicht gelungen, die schreitende Zusammenfassung unmöglich geworden. Vorwürfe zu belegen, die er gegen mich erhebt. Ein Diese Zusammenfassung widersp richt aber auch den solcher Nachweis kann auch nicht gelingen, weil ich Tatsachen, die sich aus den Unterlagen des Bundes- zu keinem Zeitpunkt inoffiziell mit dem MfS zusam- beauftragten ergeben. Nur beispielhaft sei daran er- mengearbeitet habe. innert, daß das nachweisliche Interesse des MfS bei Im Zusammenhang mit der Art und Weise der Durch- Robert Havemann zum Beispiel darin bestand, des- führung des Verfahrens wird die Absicht des Aus- sen separates Holzhaus auf seinem Grundstück schusses besonders deutlich, seine Feststellung im durch einen IM erwerben und nutzen zu lassen, um Wahlkampf zu nutzen. Nachdem der Ausschuß das erweiterte Möglichkeiten zur Kontrolle von Robe rt Verfahren über Jahre verzögerte, hat er seit März Havemann zu besitzen. Aus den Unterlagen ergibt 1998 versucht, es in einem atemberaubenden und sich in bezug auf mich, daß ich meine Kraft erfolg- rechtsstaatswidrigem Tempo zu meinen Lasten zu reich dafür einsetzte, daß kein Dritter je dieses Holz- beenden und daraus politisches Kapital zu schlagen. haus betreten konnte. Die Absicht des Ausschusses wird auch in der Zu- Während das MfS nachweislich das Interesse hatte, sammenfassung auf den Seiten 97 ff. der Feststellung eine Rückkehr von Bärbel Bohley aus Großbritannien deutlich. Hier wird mediengerecht formuliert. In der in die DDR zu verhindern, war mein Bemühen entge- Öffentlichkeit sollen Sätze zitiert werden können, die gengesetzter Natur. Auch Bärbel Bohley hat zu kei- mich auf besondere Art und Weise diskreditieren. nem Zeitpunkt behauptet, daß ich in Übereinstim- Selbst wenn man die Feststellungen des Ausschusses mung mit den Interessen des MfS je versucht hätte, unter Ziffer 6 als richtig unterstellen würde, rechtfer- sie zu einem Verbleib im Ausland zu bewegen. Auch tigen sie nicht die Zusammenfassung auf Seite 99. diesbezüglich war mein Bemühen nicht ohne Erfolg. Aus dem, was der Ausschuß als bestätigt ansieht, er- Aus den Unterlagen ergibt sich des weiteren, daß ge- gibt sich nicht, daß ich die DDR vor meinen Mandan- gen Frank-Wolf Matthies und Lutz Rathenow ge- ten schützte, daß ich dem MfS Erkenntnisse zuleitete, richtliche Hauptverhandlungen mit vom MfS vorge- auf die das MfS zur Vorbereitung seiner - schlagenen Bestrafungen durchgeführt werden soll- strategien dringend angewiesen gewesen wäre, und ten, während meine Bemühungen entgegengesetzter daß meine Einbindung eine möglichst wirksame Un- Natur waren. Tatsächlich kam es zu keiner Hauptver- terdrückung der demokratischen Opposition in der handlung und Verurteilung. All diese Tatsachen läßt DDR zum Ziel hatte. Solche Aussagen des Ausschus- der Ausschuß unerwähnt, weil sie seinen Behauptun- ses rechtfertigen sich nicht nur nicht durch seine ei- gen in der Zusammenfassung der Feststellung wider- genen Feststellungen, sie zeigen auch, wie er Politik sprechen. machen will. Vor allem aber sind sie deshalb rechts- widrig, weil hier eine Kompetenzüberschreitung des Selbst bei gutwilliger Bewe rtung der Feststellung Ausschusses vorliegt. Nach § 44 b Abgeordnetenge- bleibt nur die Erklärung, daß der Ausschuß mit sei- setz hat der Ausschuß festzustellen, ob ich nachweis- nen spezifischen Mitteln und Methoden ein größeres lich inoffiziell mit dem MfS zusammengearbeitet ha- Ziel verfolgt: Meine Partei und ich sollen aus dem be oder nicht. Solche Bewe rtungen, wie er sie auf Deutschen Bundestag verdrängt werden. Das ist ge- Seite 99 vornimmt, stehen ihm nicht zu. nau der politische Mißbrauch, vor dem der Thüringi-

Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode Drucksache 13/10893 sche Verfassungsgerichtshof in seinem Urteil zu die- Einmal angenommen: Die selbe Biographie, die sel- ser Problematik gewarnt hat und den er ausgeschlos- ben Unterlagen des Bundesbeauftragten, die selben sen sehen wollte. Der Ausschuß hat sich jedoch für Schreiben der Mandanten, die selben gerichtlichen diesen Mißbrauch instrumentalisieren lassen. und staatsanwaltschaftlichen Entscheidungen aus Hamburg und Berlin und nur ein Unterschied, ich Es bleibt dabei, daß ich zu keinem Zeitpunkt inoffi- wäre nicht Politiker der PDS, sondern zum Beispiel ziell mit dem MfS zusammengearbeitet habe. Wenn der CDU oder der SPD. Das dann durchgeführte Ver- es das MfS nicht geschafft hat, mich zu einem IM zu fahren, der Feststellungsbeschluß, der dann ergan- machen, dann wird es nachträglich auch dem Aus- gen wäre; nur das, und nicht mehr, hätte ich für mich schuß nicht gelingen. verlangt.