Rezensionen 167

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Rezensionen 167 Rezensionen 167 Rezensionen Ende der DDR hat Robert Havemann nicht mehr erlebt, aber er hat es kom- men sehen. Daran erinnert Rainer Ep- Katja Havemann/Joachim Widmann: pelmann in seinem Motto zu diesem Robert Havemann oder Wie die DDR Buch: „Robert Havemann sagte: ‚Es sich erledigte, Ullstein Verlag, Mün- wird nicht mehr lange dauern, dann wird chen 2003, 430 Seiten, geb., 24 Euro. das Politbüro weggejagt.’ Ich kann heu- Robert Havemanns Biographie – ob- te sagen: Die Jäger hat er gezüchtet. Mir wohl schon mehrfach geschrieben und fallen nicht so viele ein, die maßgebli- noch mehrfach in Vorbereitung – weist che Rollen dabei gespielt haben, die noch immer Leerstellen auf, „weiße Fle- nicht in irgendeiner Weise von Robert cken“ auf der Landkarte seines Lebens. geprägt waren. Für eine bestimmte Auf manche ist bisher nur der Schatten Gruppe von Menschen war Grünheide von Aktenbergen gefallen, die die wie Mekka.“ Ein nach dem 11. Septem- Staatssicherheit über ihn aufgehäuft hat ber etwas befremdlicher Vergleich – er (300 Bände). Aber für ein klares Bild paßt besser auf religiöse Fundamentalis- braucht es Licht und Schatten, in diesem ten –, aber vielleicht doch nicht so weit Fall: das Licht der Erinnerung. Katja von der Sache, die auch Wolf Biermann Havemann und Joachim Widmann ha- in einem Gespräch mit Jürgen Fuchs mit ben es für ein Buch gebündelt, das die einem religiösen Vergleich beschrieb: dramatischen Jahre nach dem Berufs- „Die Freundschaft von zweien wie uns verbot und Havemanns Rolle in der ent- war ein Gottesbeweis, und das spürten stehenden Bürgerbewegung der DDR die auch.“ Er meine „die“, die besser als beleuchtet. Neben Katja Havemanns ei- alle Christen zu wissen glaubten, wo genen Erinnerungen liegen dem Buch Gott wohnt: im Zentralkomitee. vierundzwanzig Zeitzeugengespräche Für ihr Buch haben die Autoren die aus den Jahren 2000 bis 2002 zugrunde, Form der Chronik gewählt, in der die unter anderem Gespräche mit Wolf eigenen Erinnerungen mit denen der Biermann, Bärbel Bohley, Rainer Ep- Zeitzeugen, mit Rückblenden und Ak- pelmann, Margret Frosch, Karin und tenfunden vermischt und verdichtet Manfred Wilke und Lilo Fuchs, die hier sind. Das wird die Leser des Ullstein nicht nur für sich spricht: Daß dieses Verlags mehr erfreuen als die Histori- Buch zu spät kam, um Jürgen Fuchs – ker, die gern jede einzelne Mitteilung den Meister des Gedächtnisprotokolls – ihrer Quelle zuordnen würden; aber das noch zu befragen, läßt eine letzte Leer- Buch hat dafür einen vernünftigen stelle, die nicht mehr zu schließen ist. Kompromiß mit sparsamen Fußnoten „Gedächtnisprotokolle“ hieß das in Jena und typographischer Heraushebung von und Grünheide entstandene Buch, das Dokumenten gefunden, mit dem Leser einige der befragten Zeitzeugen 1977 im und wissenschaftliche Nutzer einver- Westen herausbrachten, als Fuchs schon standen sein können. Das Verfahren aus Havemanns Auto heraus verhaftet zwingt Katja Havemann auch, von sich war – gewissermaßen stellvertretend für in der dritten Person zu berichten („Als Havemann selbst, an den sich die die Studentin Annedore Grafe, genannt Staatssicherheit so direkt nicht heran- Katja, 22jährig zum ersten Mal nach wagte. Grünheide kam, war ihr das ein Bedürf- Die dramatischen Stunden im November nis und zugleich eine kaum überwindba- 1976 eröffnen das Buch, und hier be- re Hürde“). Aber das gestattet ihr auch, ginnt tatsächlich, was sein Untertitel be- in die Rolle einer Zeitzeugin zurückzu- nennt: Wie sich die DDR erledigte. Das treten, statt die Memoiren einer Witwe 168 ZdF 14/2003 auszubreiten. Nur selten verteilt sie Sei- zugehen. Mit einem Kollegen machte tenhiebe (wie auf den in Havemanns ich mich auf den Weg, wir haben bei Fall wenig standhaften Stefan Heym), Havemann geklopft. Er bat uns rein […] und Manfred Krug verzeiht sie sogar, Deshalb war sein Haus so gastfreund- daß er Robert Havemann im Zorn über lich, weil der Atheist Havemann einen eine Autokarambolage drei Zähne aus- unwahrscheinlichen missionarischen Ei- schlug. Havemann selbst hat der Staats- fer hatte, genau wie ich. Darin trafen wir sicherheit nicht den Gefallen getan, ge- uns.“ So fing es an, und es endete mit gen Krug vor Gericht zu ziehen: „Es gab dem gemeinsam formulierten Berliner keine Anzeige, keine Schadensersatz- Appell von 1982, der letzten öffentlich klage. Der Feind meiner Feinde ist mein wirksamen Aktion Robert Havemanns. Freund.“ Auch diesmal wagten SED und Staatssi- Nach diesem Prinzip haben auch Wolf cherheit nicht, sich an Robert Havemann Biermann und er immer wieder zusam- zu vergreifen, sondern nahmen statt sei- mengefunden, auch nach schweren ner Eppelmann mit – samt dessen Meinungsverschiedenheiten, in denen Schreibmaschine, die einige Tage später sie nach dem Zeugnis Katja Havemanns zurückgegeben wurde. Pech für die Sta- Anfang der 70er Jahre „länger als ein si: Der Appell war auf Havemanns Jahr kein Wort wechselten.“ Biermann Schreibmaschine getippt worden. verübelte Havemann einen Vergleich Beide Weggefährten, Wolf Biermann der DDR mit der Nazi-Zeit, nach dem – und Rainer Eppelmann, sind sich am Originalton Biermann – „zwischen uns Krankenbett Robert Havemanns noch absolute Funkstille“ herrschte. Nur ihr begegnet. Über die damals sensationelle und seiner Tochter Sibylle habe Robert Einreise Biermanns teilt das Buch in Havemann „immer vorgejammert, wie nüchterner Chronik mit, was es – nach schrecklich das ist ohne Wolf.“ Erst im allem darüber Geschriebenen – noch zu Februar 1973 schrieb er ihm einen Brief, berichten gibt; auch die Anekdote Rai- „ach Wolf ist doch Scheiße, meinste ner Eppelmanns, der sich Robert Have- nicht“, den Biermann mit der Rückkehr manns Auto ausgeliehen hatte und von nach Grünheide beantwortete: „Es ent- der Staatssicherheit auf der Autobahn sprach ganz und gar meinen Interessen. verfolgt wurde, weil sie Wolf Biermann Es war uns klar bewußt: Wenn wir zu- darin vermuteten. „Wir bogen in Rich- sammen waren, waren wir das Vielfache tung Dresden ab und sahen, wie die von dem, was zwei Leute unseres Kali- Richtung Cottbus weiterfuhren. Als sie bers anrichten konnten im Streit mit den das merkten, begingen sie eines der Herrschenden. Und das sahen die auch schwersten Verbrechen, die die DDR so.“ kannte: Sie drehten auf der Autobahn So ähnlich wird es sich wohl verhalten über den Grünstreifen, um uns wieder haben bei Havemanns Freundschaft und zu kriegen.“ Da übertreibt Eppelmann: Bündnis mit Rainer Eppelmann in den Das schwerste Verbrechen hatten die 80er Jahren. Was hatten ein Pfarrer und drei – Havemann, Biermann und Ep- der bekennende Atheist Havemann ge- pelmann – selbst begangen, in Tatein- meinsam? Vor allem Feinde. Es war ei- heit mit Havemanns Ehefrau Katja: Die ne Diskussion unter Pfarrern zum The- Herrschaft der SED in Frage zu stellen. ma „Außenseiter“, die Eppelmann auf Wie das möglich war, dafür ist Robert den Gedanken brachte, „vielleicht auch Havemanns Biographie exemplarisch. mit einem zu reden, von dem behauptet wurde, daß er ein Außenseiter ist. Wir Hannes Schwenger brauchten ja nur ein paar Häuser weiter- Rezensionen 169 Ernst von Waldenfels: Der Spion, der der Hölle erschien, war die Wirkung nur aus Deutschland kam. Das geheime noch marginal – vermutlich hatte der Leben des Seemanns Richard Krebs. Verlag Kiepenheuer & Witsch damals Aufbau Verlag, Berlin 2002, 382 S., auf Kürzungen bestanden, aber hinzu 22,50 Euro. kam der Einfluß von Personen wie Al- Ernst von Waldenfels hat in deutschen, bert Walter oder Ruth Fischer, die die amerikanischen und russischen Archi- Publikation einiger sie selbst betreffen- ven die Biographie eines Mannes er- der Passagen verhinderten. Die politi- forscht, der für eine internationale Un- schen Rezensenten hielten sich zurück, terwelt steht, die im Schatten der totali- unter ihnen auch die Exkommunisten: tären Diktaturen entstanden war: die Mit jener kommunistischen Bewegung, Welt der politischen Instrukteure der wie Krebs sie unter dem Pseudonym Jan Komintern, der Saboteure und Partei- Valtin beschrieben hatte, wollte man soldaten, der kommunistischen Apparate nichts zu tun haben. Als antikommunis- und der politischen Polizeien. Ihre Ak- tisches Manifest war das Buch nicht teure tauchen, wenn überhaupt, nur am tauglich, da die Geschichte, die es er- Rande der geläufigen Geschichtsbilder zählte, alle gewohnten politischen Kli- und Parteigeschichten auf, in denen schees sprengte. „Galionsfiguren“ wie Ernst Thälmann Richard Krebs, Jahrgang 1905, ist schon oder Georgi Dimitroff die Hauptrolle als Kind durch die Welt gekommen – spielen. Da Männer wie Richard Krebs sein Vater war Kapitän im Dienst des eine schlichte politische Biographie zur norddeutschen Lloyd. Nach dessen Tod Tarnung benutzten, konnte es gesche- tritt er, wie viele bürgerliche Zeitgenos- hen, daß er von vielen Zeitzeugen, wie sen, in die KPD ein und kommt als beispielsweise von Herbert Wehner, als Seemann mit den frühen Geheimappara- bedeutungslose Figur oder Phantast ab- ten der deutschen und sowjetischen Par- getan wurde. Andere, die seine eigentli- tei in Berührung. Seine Aufträge führen che Funktion ahnten oder kannten, ha- ihn rund um die Welt, eine Odyssee ben ihn publizistisch attackiert (wie (ohne Ithaka) durch den kommunisti- Ernst Bloch im Januar 1942) oder totge- schen Untergrund Europas und Ameri- schwiegen. Obwohl sein Buch Out of kas, die ihm 1926 eine Gefängnisstrafe the Night , das er Anfang der 40er Jahre in San Quentin einbringt, wo er Jack in den USA geschrieben hatte, nicht zu- London und Joseph Conrad liest und zu letzt durch einen Teilabdruck in Readers
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