Utopie 71.Qxd
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67 KAPLUCK Interview MANFRED KAPLUCK Kommunisten contra bürgerliche Demokratie? Das KPD-Verbot und die Folgen STEFAN BOLLINGER : Wie kamen Sie zur kommunistischen Bewe - gung, was prägte Sie? MANFRED KAPLUCK : Darf ich zunächst einen Gedanken zu Ihrem Gesprächstitel sagen? Kommunisten standen einer bürgerlichen Demokratie in dem angesprochenen Zeitraum nie konträr gegenü - ber. Sie beteiligten sich an der Ausarbeitung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland und wurden später seine Verteidi - ger gegen negative Veränderungen. Selbstverständlich traten sie für eine Alternative zur kapitalistischen Gesellschaftsordnung ein und erkennen auch heute noch im Sozialismus die bessere Demokratie. Mit 16 Jahren wurde ich, zunächst entsprechend einer Familien- tradition, im Juni 1945 in Essen Mitglied der Kommunistischen Manfred Kapluck – Jg. 1929 Partei Deutschlands. Zunächst wollte ich nicht in die Jugendarbeit (geb. in Essen), Leiter der eingebunden werden, fühlte mich eher zu Erwachsenen hingezo - Jungen Pioniere für die gen, erhielt jedoch kurzerhand meine erste »Überzeugung« beige - Bundesrepublik, 1952 bracht und wurde so zum Mitbegründer der Freien Deutschen inhaftiert, 1960 Mitglied des Politbüros des ZK der KPD, Jugend in Westdeutschland. Gemeinsam mit anderen Freunden 1968 Mitglied des Initiativ- vertrat ich 1946 auf dem ersten Parlament der FDJ in Brandenburg ausschusses für die die FDJ Westdeutschlands und lernte dort Erich Honecker, Paul Wiederzulassung der KPD, Verner, Hermann Axen, Heinz Keßler und Horst Brasch kennen. November 1968 Mitglied Vielleicht besagt das nicht viel, doch begann hier eine langjährige des Arbeitsausschusses zur Zusammenarbeit. Erst Kreisvorsitzender der FDJ in Essen, später Neukonstituierung der DKP, langjähriger Bezirksvorsit - Leiter der Jungen Pioniere für die Bundesrepublik und Mitglied zender der DKP in Ruhr- des Sekretariats des Zentralbüros der FDJ Westdeutschlands. Mit Westfalen, gegenwärtig in gefangen, mit gehangen: Das FDJ-Verbot 1951 war ein erster der Marx-Engels-Stiftung Schock. Immerhin saß ich mit einigen Freunden bereits Anfang e. V. Wuppertal tätig. 1952 im Essener Knast. Wir hatten keine silbernen Löffel geklaut, ignorierten allerdings das FDJ-Verbot und erklärten, weiterhin tätig sein zu wollen. Ergebnis: Anklage wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« beim Bundesgerichtshof. Nach der Gefängnishaft folgten vierzehn Jahre in der Illegalität. Das spricht sich leicht, war gewiß mit der Zeit der Älteren während des Faschismus nicht zu vergleichen, war jedoch auch nicht nur abenteuerlich schön, zumal lange Trennungen von der Familie erforderlich wurden. Deutschlandtreffen der Jugend in Berlin, Weltfestspiele der Ju - gend und Studenten in Warschau, Moskau und Wien durfte ich ar - beitsmäßig begleiten. 1960 fand ich mich im ZK der KPD und im Politbüro der Partei wieder. 1966 folgten noch einige Prozesse, die ausgingen wie das Hornberger Schießen, mir jedoch zur Legalität KAPLUCK Interview 68 »In Bonn wird von deut - schen Politikern auf Befehl verhalfen. Im Auftrag unserer Parteiführung gründete ich gemein - der Besatzungsmächte eine sam mit vier weiteren Genossen den »Initiativausschuß für die sogenannte Verfassung Wiederzulassung der KPD«, war nach der Neukonstituierung der beraten, die in Wirklichkeit DKP zwölf Jahre Bezirksvorsitzender der DKP in Ruhr-Westfalen, nur das Feigenblatt zur Ver - arbeitete später für den Parteivorstand und bin seit 1989 in der deckung des Kolonialregi - MARX-ENGELS-STIFTUNG in Wuppertal tätig, natürlich ehren - mes ist. Die zu bildende westdeutsche Regierung amtlich. Zuviel des Lebenslaufs, zu wenig zur Politik und Arbeit. wird demnach nichts ande - res sein, als eine Marionet - STEFAN BOLLINGER : Seit Februar 1949 war die KPD nach Beendi - ten-Regierung des Besat - gung der »sozialistischen Arbeitsgemeinschaft von SED und 1 zungsregimes... KPD« formal selbständig. Wie haben Sie diese »Selbständigkeit« Zur Durchführung dieser erlebt? Oder anders gefragt, war die KPD nicht die westdeutsche ihrer Politik bedienen sich Bezirksleitung der SED? Immerhin war die Westabteilung beim diese Kräfte gewisser Parteiführer Westdeutsch - SED-ZK, bei wechselnden Namen, für die Anleitung der westdeut - lands. Durch die führenden schen Genossen verantwortlich. Max Reimann stand bis Ende der Politiker der CDU, FDP und sechziger Jahre auf der Einladungsliste für SED-Politbüro-Sitzun - SPD, durch die Doktoren gen. Adenauer, Blücher und Schumacher wird die Politik MANFRED KAPLUCK : Selbständigkeit erlebte ich von Anfang an. Sie des westdeutschen Mono - polkapitals und seiner deut - bezog sich auf unseren und meinen Verantwortungsbereich in den schen Junior-Partner auf Westzonen und dann in der BRD. In meiner Arbeit vor Ort, aber Versklavung durch Marshall- auch bei Verhören, im Gefängnis oder vor Gericht konnte mir die Plan, Ruhr- und Besat - SED doch wohl nicht direkt helfen, sondern stets nur meine Um - zungsstatut unterstützt und gebung, also die Partei. Um so höher bewerte ich die Solidarität, gerechtfertigt.« die wir auch von der SED empfingen. Entschließung der Solinger Vielleicht ist es hier angebracht, Fragen, die früher wie heute an Delegiertenkonferenz der KPD (5.-6. März 1949), in: uns gerichtet werden, historisch sachlich zu beantworten, auch Günter Judick, Josef wenn sie polemisch gestellt wurden: »War Ihre Partei nicht ein An - Schleifstein, Kurt Steinhaus hängsel der SED?«; »Hatte Ihre Partei überhaupt und vielleicht erst (Hrsg.): KPD 1945-1968. nach Stalins Tod und später nach dem XX. Parteitag der KPdSU Dokumente. Bd. 1. Neuss eine Möglichkeit, eigenständige Politik zu betreiben?« So ähnlich 1989, S. 267/268, 271. lauten ja auch Ihre Fragen. Wir sollten uns erinnern: Die KPD wurde 1918 konstituiert. Sofort setzte eine Verfolgung ein, die mit dem feigen Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ihren ersten Horror-Höhe - punkt hatte. Nach einem ersten kurzzeitigen Verbot war die KPD dann 1933 erneut der Illegalität und dem mörderischen Terror des Faschismus ausgesetzt. In all diesen Jahren waren und blieben wir die Kommunistische Partei Deutschlands. Was sollte sich daran 1945, nach der Befrei - ung vom Faschismus ändern? Der Vorsitzende des Zentralkomitees war Wilhelm Pieck, in diesem Komitee wurden die Weichen gestellt. Die Aufteilung unseres Landes in Zonen konnte uns doch nicht daran hindern, daß wir uns als eine aus der Tradition ge- wachsene Partei verstanden, die mit dem Aufruf der KPD auch kla - re Vorstellungen zur aktuellen Situation wie zu ihren Zielen hatte. Wir waren eine Partei, die lediglich durch Zonengrenzen ge - trennt, unterschiedliche Bedingungen ihrer Arbeit vorfand. Auffas - sung und Erwartung, über den Weg der Einheit Deutschlands wie - der zu einer einheitlichen Organisation zu finden, blieben auch nach der Vereinigung von KPD und SPD in der sowjetischen Be - satzungszone Allgemeingut von SED wie KPD. Wenn gemeinsame 69 KAPLUCK Interview »Die Gegner der Bundes- Ziele auch nicht erreicht werden konnten, der innere Verbund, die republik verstärken ihre totale Solidarität der SED mit der KPD blieb und war für uns west - Bemühungen, die freiheitli - deutsche Kommunisten Selbstverständnis. che demokratische Grund - Daß sich damit Probleme verbanden, die über Mißverständnisse ordnung zu untergraben. hinaus durch eine von uns gewollte Zusammengehörigkeit weiter Jede Teilnahme an solchen Bestrebungen ist unverein - zu einer gewissen Abhängigkeit und auch zu Fehlern in der politi - bar mit den Pflichten des schen Tätigkeit führten, soll nicht verschwiegen werden. Doch ver - öffentlichen Dienstes. Alle standen wir diese Kampfgemeinschaft zwischen der SED und der im unmittelbaren oder mittel - KPD stets als Bund der Solidarität. Max Reimann war vor dem baren Bundesdienst stehen - Verbot der KPD Vorsitzender der Partei und wurde nach dem Ver - den Personen haben sich bot Erster Sekretär des Zentralkomitees. Ein Bergarbeiter, der nach gemäß § 3 des vorläufigen der KZ-Haft in die Verantwortung der Führung der KPD gestellt Bundespersonalgesetzes durch ihr gesamtes Verhal - wurde und mit unserer Partei in allen Phasen den Weg engster Zu - ten zur demokratischen sammenarbeit mit der SED sowie mit der Führung der KPdSU in Staatsordnung zu beken - allen Phasen ging. Das war gewünscht und gewollt. nen. Wer als Beamter, An - Keine Abteilung, auch nicht die Westabteilung des ZK der SED, gestellter oder Arbeiter im hatte das Recht, dem Politbüro der KPD Anweisungen zu geben. Bundesdienst an Organisa - Dennoch arbeiteten wir mit den Genossinnen und Genossen gern tionen oder Bestrebungen zusammen. Hatten sie doch zahlreiche Kontakte zu westdeutschen gegen die freiheitliche de - mokratische Staatsordnung Parteien, Organisationen und Persönlichkeiten und waren selbst teilnimmt, sich für sie ausgebildete wissenschaftliche Fachkräfte. Eine gute konstruktive betätigt oder sie sonst un - Zusammenarbeit fand auf der Ebene der Politbüros statt. Nicht terstützt, wer insbesondere ohne Grund wurde Max Reimann zu Politbürositzungen der SED im Auftrag oder im Sinne eingeladen, er nahm natürlich vorwiegend an Beratungen zu der auf Gewalthandlungen gesamtdeutschen Problemen teil. abzielenden Beschlüsse des Ich selbst habe die KPD stets als eigenständige politische 3. Parteitages der kommuni - stischen SED und des soge - Kampfgemeinschaft empfunden, in die wir uns selbst mit Arbeit, nannten ›National-Kongres - mit Ideen und auch mit streitbarer Meinung einbringen konnten. ses‹ wirkt, macht sich einer Gleichzeitig erwartete ich jedoch von meiner Partei, daß sie