Untervazer Burgenverein Untervaz

Texte zur Dorfgeschichte

von Untervaz

1954

Heimatkundliches aus den V Dörfern

Email: [email protected] . Weitere Texte zur Dorfgeschichte sind im Internet unter http://www.burgenverein-untervaz.ch/dorfgeschichte erhältlich. Beilagen der Jahresberichte „Anno Domini“ unter http://www.burgenverein-untervaz.ch/annodomini .

1119541954954954 Heimatkundliches aus den V DörferDörfernnnn Joh. Ulrich Meng Kopie aus: Meng J.U: Heimatkundliches aus den V Dörfern. Schiers 1954.

GeographiGeographischschschscherer Ueberblick Es mag einem beim ersten Blick als überflüssig vorkommen, in einer beschränkten. Arbeit über ein derartig kleines Untersuchungsgebiet, wie es die V Dörfer sind, von einem geographischen Ueberblick zu sprechen. Und doch erscheint uns eine kurze Orientierung am Platze zu sein. Der Kreis der V Dörfer als Gerichtsgemeinde in der heutigen Form geht aus dem ursprünglichen Hochgericht IV Dörfer hervor und besteht erst seit 1854. Nach der Aufhebung der Herrschaft Haldenstein durch die Mediationsakte 1803 wurde dieses den IV Dörfern einverleibt. Das Hochgericht bestand zufolge dieses Zuwachses aus den fünf Ortschaften , , Untervaz, Igis und Haldenstein. Durch Loslösung der Gemeinden Mastrils von Zizers im Jahre 1854 und Says 1880 von Trimmis sind es nun deren sieben. Trotzdem die Zahl der Einzelgemeinden des Kreises sich auf sieben erweitert hatte, liess man es aber beim traditionellen Namen V Dörfer bewenden. Die geographische Abgrenzung hat mit dem Haldensteiner Zuwachs etwelche Veränderung erfahren, sodass diese im Westen vom Felsberger Calanda zum Piz Alun, Spiegeregg dem Grat nach verläuft. Im Norden folgt sie dem Lauf der Landquart bis zum Felsenbach und dann dem Valzeinergrat nach bis Sturnaboden, Clavadätsch. Von dort aus überspringt der Grenzverlauf das Valzeinertal bis zur Furner Alp Matten und steigt, die Alpen Sattel und Lerch einschliessend, hinauf zum Hochwang, folgt dessen Gratlinie nach Westen zum Montalin, fällt dann hinunter ins Scaläratobel, weiter über die Halbmil zum Rhein und diesem nach westseits bis hinauf zum Grosstobel, dem Rossboden gegenüber. Der Flächenraum des Kreises, den Hochgebirgsbereich nicht eingerechnet, beträgt 115 km 2. Daran sind beteiligt: Untervaz mit 27,1, Says-Trimmis mit 40,5, Haldenstein mit 13, Zizers mit 11,3, Igis mit 10,4 und Mastrils mit 8 km 2 Fläche. Eine Zusammenstellung der Bevölkerungszahlen seit bald 180 Jahren bringt vor allem die grosse Verschiedenheit in der wirtschaftlichen Einstellung und die Erwerbs- und Verkehrsverhältnisse zum Ausdruck. Leider fehlen uns die einschlägigen Zahlen von Haldenstein aus den frühern Jahrzehnten (siehe Tabelle). Auffallend ist der Einwohnerrückgang in den fast ausschliesslich bäuerlichen Gemeinden Trimmis, Untervaz und Says. Worin die tiefern Ursachen für diese Verminderung liegen, müsste anhand eines umfangreichern statistischen Materials untersucht werden. Es würde aber den Rahmen dieser Arbeit überfüllen, wollte man auf derlei wirtschaftliche und soziale Fragen näher eintreten, und so verlassen wir dieses mehr gegenwärtige Zeitgebiet und schreiten zurück in die Vergangenheit.

UrgeUrgeschschschschichtlichesichtliches und aus spätern Zeitepochen Es ist leicht verständlich, dass das Churer Rheintal zufolge seiner klimatischen Vorzüge das Leben der Menschen zu allen Zeiten viel eher ermöglichte, als manche andere Gebiete der engern und weitern Heimat. Daraus lässt sich der Schluss. ziehen, dass das .Tal zwischen Calanda und Valzeinergrat jedenfalls sehr früh bewohnt war. Die Urgeschichtsforschung hat denn auch an verschiedenen Orten Schürfungen und Grabungen mit Erfolg durchgeführt. So wurden durch den Prähistoriker, Keller-Tarnuzzer in den Jahren 1935 und folgende systematische Grabungen auf dem Burgfelsen Lichtenstein ob Haldenstein vorgenommen, wobei siedlungsgeschichtliche Feststellungen über steinzeitliche Funde auf vorübergehende Aufenthalte neolithischer Menschen um 2000 Jahre vor Christi deuten. Ebenso muss nach Dr. Erwin Poeschel gegen Ende der mittlern Broncezeit, etwa 1200 bis 1000 v. Chr. eine Dauersiedlung mit hölzernem Wohnbau, umgeben von mächtigem Trockenmauerwerk, bestanden haben. Am gleichen Ort konnte eine Siedlung aus der spätern Eisenzeit mit Merkmalen der rätischen-illyrischen Kultur festgestellt werden (vgl. W. Burkhart, «Bündn. Monatsblatt» 1944, Seite 261-298 ). Aus der Eisenzeit legte man beim Weiler Patnal auf dem sog, Lisibühel oberhalb Untervaz eine Fluchtburg frei, wie solche in jenem Zeitalter zum Schutze der Ortsbevölkerung oft angelegt wurden. Ob es mit der «Letzi» über dem Trimmiser Spiegelberg eine ähnliche Bewandtnis hat, bleibt durch Nachgrabungen abzuklären. Bei Zizers wurde ein Fragment zu einem Bronceschwert aus unbekannter Zeit gefunden, Wohl der wertvollste aller broncenen Funde ist der Helm von Igis, der 1860 unterhalb der Ruine Falkenstein zum Vorschein kam. Dieser rätische Helm ist in Form und Ausführung etwas ganz Seltenes. Er stammt aus dem ersten vorchristlichen Jahrhundert. Eine Nachbildung dieses kostbaren Stückes ist im Rätischen Museum aufbewahrt, während das Original vom Landesmuseum in Zürich erworben wurde. Auffallend gering sind die Funde aus der Römerzeit, obwohl diese für das rätische Gebiet nahezu viereinhalb Jahrhunderte dauerte. Einige wenige Münzen aus der spätrömischen Herrschaft zwischen 333-350 und 355-367 wurden beim Weiler Valtana oberhalb Trimmis gefunden. Am Calanda stiess man auf eine kleine Merkurstatue, die ebenfalls im Landesmuseum untergebracht ist. Pfarrer Ant. Furger erzählt in seinem Buch «Trimons», dass er bei den Fundamentierungsarbeiten des heutigen Pfarr- und Schulhauses 1865 ein eigenartiges Mauerwerk tief in der Erde festgestellt habe, das ihn wie die Ruinen von Herculanum und Pompey an «echt römische Bauweise» erinnerte. Wenn wir vorhin bemerkt haben, dass die Funde aus der Römerzeit im Verhältnis zur Dauer der Herrschaft wenig zahlreich sind, so muss anderseits in Betracht gezogen werden, dass die Via romana, die ohne Zweifel durch das Churer Rheintal geführt hat, beinahe auf ihrer ganzen hiesigen Strecke den eintretenden Verheerungen und Verschüttungen der vielen Wildbäche ausgesetzt war. In gleicher Weise waren auch Wohnstätten und andere Gebäude dauernd gefährdet. Es ist deshalb nicht zu zweifeln, dass viele Dinge aus jener Zeit unter Schutt und Moder ruhen und vielleicht ganz zufällig aufgefunden werden.

Aus der Frühzeit der Rheintaler Dörfer Die Ortschaftsnamen der Rheintaler Dörfer werden früh im Mittelalter in den verschiedenen Urkunden des Bistums und der Abtei Pfäfers genannt. Wenn wir dabei die Chronologie inbezug auf die ersten Dokumente berücksichtigen, müssen wir mit Trimmis beginnen. Im Testament des Bischofs Tello aus dem Jahr 765 tritt als Zeuge ein Paulini de Tremune, militis auf. Dieser Ritter Paulini und ein Juliani . de Tremune unterzeichnen wenige Jahre später (vgl. Durrer, «Ein Fund rätischer Privaturkunden aus dem Kloster Münster») wieder als Testatszeugen eine Schenkungsurkunde. Laut diesem Testat vergabt Ovilio de «vico Tremune» zu seinem und seiner Gattin, Theoderica, Seelenheil der heute noch bestehenden Dorfkirche St. Carpophorus einen Weingarten bei einem nicht näher zu bestimmenden Bethaus in «fundo Tremune». Aehnlichen Schenkungsurkunden zugunsten der genannten Kirche begegnet man aus den Jahren 824, 831, 956, 958 und 1100. Das damalige Tremune war offenbar der Sitz dieses vornehmen Ministerialengeschlechtes «de Tremune» und seiner Nachfolger. Durch bedeutende Vergabungen König Ottos I. im Jahre 955 gelangte das Bistum Chur zu ausgedehntem Grundbesitz auf Gebiet des heutigen Trimmis. Er erweiterte diesen durch Kauf der Herrschaft Aspermont mit der grossen Domäne Molinära und Fürstenalp «und etlich viel Lüth zu Trimis und auf Seyes gesessen». Aus diesem Grundbesitz entwickelte sich im 13. und 14. Jahrhundert eine umfangreiche bischöfliche Grundherrschaft, die sich dann in der Folge auch auf die übrigen Gemeinden des Tales ausdehnte und als Hochgericht Aspermont mehrere Jahrhunderte, d.h. bis 1526 bestehen blieb. Der grösste Teil aller Urkunden und Dokumente, die während jener Zeit im Gebiet des Hochgerichtes ausgestellt wurden, tragen das Siegel der Herrschaft Aspermont. Aus dieser Herrschaft Alt Aspermont ging dann nach dem Loskauf von der bischöflichen Grundherrschaft um 1527 das Hochgericht der IV Dörfer hervor, dessen Mittelpunkt Zizers wurde. Zizers wird als «curtis Zizuris» um 825 erstmals erwähnt. Kaiser Ludwig der Fromme restituiert dem Bischof Viktor II. von Chur nach vorangegangener Untersuchung durch Abgeordnete verschiedene Rechte und Besitzungen, die dessen Hochstift durch den Grafen Roderich entzogen worden waren, darunter auch den «curtis Zizuris».

In der oben erwähnten Schenkungsurkunde König Ottos I. 955 testiert dieser dem Bistum Chur den in Zizers liegenden Königshof. Zu diesem bedeutenden Grundbesitz gehören verschiedene Unterhöfe, z.B. in Trimmis und Igis, sowie zahlreiche Aecker, Weinberge, Wiesen und Alpen. (CD I. 52) . Im Mittelalter war die Burg Friedau im südlichen Dorf teil der Mittelpunkt dieser Herrschaft. Ein weiterer Bestandteil der königlichen Schenkung war auch die mit Zehnten bedachte Kirche St. Peter. Sie war Hauptkirche, zu deren Sprengel auch Untervaz, Igis und gehörten. Eine starke Minderheit nahm 1613 die Reformation an. Die dadurch eingetretenen Streitigkeiten zwischen den beiden Konfessionen wurden durch einen Schiedsspruch vom 27. März 1613 behoben. Anfänglich wurde die Hauptkirche St. Peter von beiden Parteien benützt. Zufolge der Nachwirkungen der österreichischen Besetzung des Landes und die folgenden Bündnerwirren erstarkte die katholische Partei, was eine neue Vereinbarung zur Folge hatte. Derzufolge wurde die St. Peterskirche den Katholiken und die Andreaskirche den Reformierten zugesprochen. Bis 1769 dienten aber die Glocken von St. Peter und der dazu gehörende Friedhof beiden Konfessionen. Es wurde schon weiter oben darauf hingewiesen, dass Zizers und Igis im Frühmittelalter jedenfalls eine Ortschaft waren. Das heutige Igis trägt die romanische Bezeichnung Eigias. Diese hat sich bis vor wenigen Jahrzehnten behauptet, denn die ältern Dorfbewohner unter Falkenstein nannten sich immer noch Eyiser. Urkundlich tritt Igis erstmals um die Mitte des 12. Jahrhunderts unter dem Namen «Aviuns» auf (Domkap. Urb. S. 12) . Nach C. Muoth, «Ortsnamen von Graubünden», sind folgende Schreibweisen ermittelt: 1224 Huinus, 1280 Yuns, 1290 Yüs, Yüns, 1387 Hyas und 1393 Yiuns. Die geringe Entfernung zwischen Zizers und Igis an der nämlichen Verkehrsroute nach der Schlossbruck beim Felsenbach gelegen, lassen es leicht erklärlich erscheinen, dass sie politisch zusammengehörten. Gewisse Weid- und Atzungsrechte, in die sich die beiden Gemeinden teilten, sind erst im 19. Jahrhundert aufgehoben worden. Wir hörten weiter oben schon, dass in Igis ein Maierhof, zum Königshof Zizers gehörend, bestand. Ausser dem Bistum Chur hatten in Igis aber auch das Kloster Pfäfers und das Chorherrenstift Churwalden sowie das Kloster St. Luzi in Chur Grundbesitz. Nach Dr. Poeschel erscheint schon um 841 eine Damianuskirche in Ovine, die in Igis gesucht werden müsste. Dieses Gotteshaus wäre wahrscheinlich in der Gegend von Marschlins gestanden, da eine wiederholt urkundlich auftretende Flurbezeichnung «Baselgetscha», was nach Dr. Schorta «verfallene Kirche» bedeutet, hinweist. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die Igiser als erste, und zwar schon um 1532, also 80 Jahre früher als die übrigen Kreisgemeinden, zur Reformation übertraten. Eine bedeutende Rolle hat im Laufe der Jahrhunderte das Schloss Marschlins gespielt. Ueber seine Gründungszeit bestehen keine zuverlässigen urkundlichen Angaben. Ebenso unbekannt ist der Erbauer der ausgedehnten Anlage. Mutmasslich wurde sie um die Mitte des 13. Jahrhunderts, am ehesten durch einen bischöflichen Vasallen erbaut. Da die Freiherren von Vaz in jener Epoche die mächtigsten Dienstleute des Bistums Chur waren, erscheint es als durchaus wahrscheinlich, dass ein Vazer den bedeutenden Bau an der Verkehrsstrasse nach Chur erbaute. In der Folgezeit wechselte das Besitztum wiederholt die Herrschaft. Dies geschah durch Erbgang, durch Erblehen und durch Verkauf. So lag Marschlins abwechselnd im Besitz derer von Brandis, der Planta und kam 1633 durch Kauf an Marschall Ulysses v. Salis, der an den Schlossgebäuden und an den Wehranlagen bedeutende Umbauten ausführen liess. Nach 1771 beherbergte das damals neuerdings umgebaute Schloss das von Haldenstein her verlegte Philantropin. Bis 1934, also volle 300 Jahre, war Marschlins im Besitz deren v. Salis. Dr. E. Poeschel widmet im Bündner Burgenbuch der stolzen, ausgedehnten, mittelalterlichen Burganlage eine sehr eingehende Würdigung, auf die an dieser Stelle hingewiesen sei. Aus der Zeit der Feudalherrschaft ist ferner die Burg Falkenstein zu erwähnen. Die Ruine erhebt sich, wie die meisten Burg- und Wehranlagen des Tales, auf einem steil abfallenden Felskopf östlich des Dorfes Igis. Der Name der einstigen Veste nimmt Bezug auf das Burgwappen, das zwei aufrechte Fackeln zeigt. Die Anlage wird in den Urkunden auch gelegentlich Facklenstein genannt. In der einzigen Urkunde aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts wird die Burg im sogen. Aemterbuch (CD II. 335) Valkenstain bezeichnet. Nach spätern Dokumenten treten die Freiherren von Vaz als Besitzer von Falkenstein auf. Von der ehemals stolzen Wehranlage sind heute nur wenige Mauerreste des Palas und des Berings vorhanden. Ueber die Zerstörung bzw. den Verfall der Burg fehlen bestimmte Angaben. Eine besondere Stellung auf geschichtlichem Gebiet nimmt die jüngste der Kreisgemeinden: Haldenstein, ein. Im Necrolog curiensis S. 104 wird es um die Mitte des 12. Jahrhunderts unter dem Namen «vico Lansis» erwähnt. Auf S. 77 der Domkap. Urbarien ist Haldenstein als «vico Lansis inferiore» zu deutsch Unterlenz zum Unterschied von Oberlenz im Belfort angeführt. Es besteht also hier eine gewisse Analogie mit den beiden Vaz. In späterer Zeit wurde der ursprüngliche Name durch den Burgnamen Haldenstein verdrängt. Nach Dr. Poeschel wird die auf der Vesti Haldenstein sässige Herrschaft erstmals 1260 mit dem Prädikat «miles» (Ritter) genannt (CD I. S. 138). Sie waren jedenfalls wie die von Tremune Ministerialen des Bischofs. Durch Erbschaft fiel denen von Haldenstein ums Jahr 1300 auch die hoch auf dem Felsen im Norden der Ortschaft ragende Burg Lichtenstein zu. Dorf und Burgen wechselten in der Folge wiederholt ihre Herrschaft. So folgten sich die Herren Christoph v. Hertenegg (1390), Peter v. Greifenstein, der mailändische Edelmann Joh. Jakob de Castion, der als Gesandter der französischen Krone abwechselnd in Chur und Haldenstein wohnte. Seine Gemahlin war die Witwe des Jakob de Marmels. Sie verkaufte ihr Besitzrecht an der Herrschaft ihrem Gemahl für 2000 Goldgulden. Dieser neue Herr von Haldenstein liess in den Jahren 1544-48 unten im Dorf ein Schloss mit bequemern Zugängen bauen. Die damalige bastionsche Anlage ist die Vorgängerin des heute noch bestehenden Salis'schen Edelsitzes, der von einem zeitgenössischen Schriftsteller als ein Werk «der Bewunderung, ein fast königliches Schloss und das schönste in Rätien und im obern Germanien» geschildert wird. Trotz den verschiedenen durch Brand verursachten Zerstörungen und durch Umbauten verändert, blieb die Wappentafel mit der französischen Krone und dem Namen des Erbauers de Castion, in Stein gehauen, bis auf die Gegenwart erhalten. Durch Kauf gelangte die Herrschaft Haldenstein aus den Händen der Castionschen Erben in den Besitz von Gregor v. Hohenbalken auf Alt Aspermont. Von 1608 an waren Thomas v. Schauenstein und seine Nachkommen die Herren von Haldenstein. Durch Erbschaft ging die Besitzung an Joh. Luz. v. Salis (Maienfeld) über. Haldenstein, so klein die Ortschaft und Herrschaft auch war, blieb alle die Jahrhunderte hindurch bis zur Aufhebung durch die Mediationsverfassung (1803) eine Freiherrschaft. Der verstorbene Kantonsschullehrer J. Bott beschreibt in seiner Broschüre die ehemalige Herrschaft Haldenstein in anschaulicher und stellenweise in sehr sarkastischer Weise. So berichtet er von den ritterlichen Herren, dass sie mit einer Macht und einem Ansehen in ihrem Kreise schalteten und walteten, wie selbst der Zar aller Reussen solche nicht vollkommener besitzen konnte. Des Gebieters Gutfinden galt als Gesetz von einem Ende der Herrschaft bis zum andern. Er war der alleinige Machthaber auf seinem freiherrlichen Sitz und beugte sich nur vor dem Bundestag der rätischen Bünde, den er zum Schutz gegen seine widerhaarigen Untertanen anzurufen wiederholt gezwungen war. Diese autokratische Herrschaft hatte aber nicht bloss eigene Gesetze und Hoheitsgewalt, sie prägte in eigener Münzstätte eigenes Geld. Es ist an und für sich eigenartig, wie diese Miniaturherrschaft als selbständiges Staatswesen sich durch die Fährnisse der Jahrhunderte hindurch erhalten konnte. Haldenstein teilte das Schicksal in Bezug auf Zerstörung durch Feuersbrünste mit vielen andern Bündnerdörfern. Innert 150 Jahren wurde es nämlich 1678, 1717, 1738 und 1825, also viermal, durch Feuer zerstört. Es ist seinerzeit als letzte Ortschaft des Churer Rheintals und Bündens überhaupt im Jahre 1616 zur Reformation übergetreten, nachdem sein Herr und Gebieter Thomas v. Schauenstein, früherer Rektor der Universität Padua, den neuen Glauben angenommen hatte. Untervaz: In der unter Trimmis erwähnten Schenkungsurkunde der Ministerialen de Tremune aus der Zeit zwischen 765 und 800 tritt als Testatszeuge ein «pristeri de Vaz» auf. Es muss also um jene Zeit bereits eine Ortssiedlung dieses Namens bestanden haben. Um 831 wird im Reichsurbar ein «curtis Vazes» als Eigentum des Klosters Pfäfers angeführt. Es kann sich dabei im Hinblick auf die Nachbarschaft der Abtei wohl nur um «vazes inferiore», also Untervaz, und nicht um jenes südlich der Lenzerheide gehandelt haben. Auch im Einkünfterodel des Bistums Chur aus dem Anfang des XI. Jahrhunderts wird der Hof Vaz als «curtis Vazes» angeführt. Im Spätmittelalter haben die drei Untervazer Burgen Friewies (Fröwis geheissen), Neuenburg und Rappenstein eine nicht unbedeutende Rolle gespielt. Die Herren von Friewies werden Ende des XII. Jahrhunderts urkundlich angeführt. Zwei Jahrhunderte später haben sie ihren Sitz mit einem solchen im Vorarlberg vertauscht. Wieder hundert Jahre später ist die Burganlage schon zur Ruine zerfallen. Der Burghügel über der Liegenschaft «Loch» lässt aber die ehemalige Burgstelle leicht erkennen. Im nördlichen Dorf teil befindet sich heute noch die Lokalität «Sala». Diese Bezeichnung weist auf ein Herrenhaus hin. Es dürfte sich dabei wohl um einen Maierhof des Klosters Pfäfers oder um ein ähnliches Ministerialgebäude desselben gehandelt haben. «Sala» könnte aber auch auf Salweidenbestand, wie z. B. in Trimmis in den Flurnamen Saltinis und Salist hinweisen. Bedeutend grössere Ausmasse als Friewis weist Neuenburg auf. Sie ist von allen Ruinen des Tales am besten erhalten und thront heute noch stolz auf dem vorstehenden Burgfelsen. Neuenburg wurde jedenfalls anfangs des IV. Jahrhunderts erbaut und war von Anfang an im Besitz der Herren Thumb. Ihnen folgten als Besitzer die Höwen und später die Mötteli v. Rappenstein, ein St. Galler Freiherrengeschlecht. Von 1496 bis zur Ablösung der bischöflichen Herrschaftsrechte durch die Gemeinde Untervaz im Jahre 1577 war Neuenburg Besitztum des. Gotteshauses. Zu Campells . Zeiten befand sich die Feste schon im Zerfall. Im Bündner Burgenbuch wird die Burganlage ausführlich beschrieben. Rappenstein im Cosenztobel oberhalb des Dorfes ist eine ausgesprochene Höhlenburg, der als Wohnstätte keine grosse Bedeutung beikam. Sie ist eher als spätmittelalterliche Fluchtburg zu betrachten. In den Urkunden tritt das Objekt nirgends auf. Im Jahr 1611 trat eine Minderheit der Bevölkerung zur Reformation über. Ein Schiedsspruch vom 22. Mai 1612 regelte die Aufteilung des Pfrundvermögens im Verhältnis der Haushaltungen unter den beiden Konfessionen. Nach abermaligen Streitigkeiten 1691 entschloss sich die reformierte Gemeinde 1696 zum Bau einer eigenen Kirche. 1735 verkaufte die reformierte Pfründe ihren Anteil an der alten Kirche und Friedhof an die Katholiken. Mastrils trägt in alten. Urkunden um 1450 den Namen Puntstrils und 1528 Puntstrilserberg. Dieses «Punt» steht wohl im Zusammenhang mit einer Brücke über den Rhein. Dass irgendwo schon vor dem Bau der «Tardisbrücke» durch Metardus Heinzenberger. 1509 ein Flussübergang bestanden haben muss, ist im Hinblick auf die Zugehörigkeit von Mastrils zur gegenüberliegenden Talgemeinde Zizers wahrscheinlich. Wirtschaftlich war der «Strilserberg» mehr nach Untervaz orientiert und hatte mit diesem bis 1553 die Alpen gemeinsam. Kirchlich wurde Mastrils kurz vor der Reformation selbständig. Die katholischen Mastrilser lösten sich dann 1727 von der Mutterkirche zu Zizers, während die Protestanten sich erst 1840 trennten. Die politische Loslösung von Zizers erfolgte mit Einführung der neuen Kreisverfassung 1854. Durch Zuwanderung von freien Walsern im XIV. und vielleicht erst im XV. Jahrhundert hat die Gemeinde am Berg ein anderes kulturelles Gepräge erhalten.

Aus der SiedlungsgeSiedlungsgeschschschschichteichte der V Dörfer Trotzdem die Ortschaften des Churer Rheintales auf verhältnismässig engem Raum liegen, ist inbezug auf die Siedlungen und die ursprünglichen Anlagen derselben doch ein auffallender Unterschied festzustellen. Bei der Wahl der Siedlungsplätze waren entschieden die zahlreichen Rüfen und Wildbäche besonders im rechtsufrigen Teil der Landschaft und ebenso der Lauf des Rheins ausschlaggebend. Noch heute ist am Ausmass der riesigen Schuttkegel zwischen Chur und Landquart die verheerende Tätigkeit der Rüfen zu erkennen. In den letzten hundert Jahren wurde diesen bösen Tobelgeistern ihre Wildheit durch starke Verbauungen im Einzugsgebiet und durch Errichtung von Kanälen zu den eigens geschaffenen Ablagerungsräumen im Mittellauf von ihrer Wildheit genommen. Diese kostspielige Kulturarbeit hat das Vegetations- und Landschaftsbild stark verändert. In früherer Zeit, als die Gemeinden in der Abwehr der Wildwasser auf sich allein angewiesen waren, blieb im Bereich der Rüfen nichts verschont. Die unzählig vielen Rinnen und Runsen, die zwar heute meist mit Gebüsch, Wald oder Weide überwachsen sind, reden eine eindrucksvolle Sprache. Ebenso unberechenbar war in der Talsohle der Rhein; Die heute fruchtbaren Ebenen zwischen dem Calanda und den aufgetürmten Schuttbergen des rechtsufrigen Talgeländes waren bis ins 15. und 16. Jahrhundert hinein von der Willkür des Rheines beherrscht. Bei der Wahl der Siedlungsräume waren aber auch die Wasserbezugsmöglichkeiten für Mensch und Vieh und in späterer Zeit auch die Wasserkraftnutzung entscheidend. In den folgenden Ausführungen soll versucht werden, festzustellen, in welcher Form diese allgemeinen hydrographischen Verhältnisse bei der Ansiedlung der einzelnen Ortschaften ausschlaggebend waren. Beginnen wir unsere Runde wieder mit Trimmis, dem einstigen Tremune.

Auf Gebiet dieser Ortschaft münden die Scalära-, die Maschänser-, die Dorf-, die Kleine-, die Hag- und als Grenzgewässer die Scheidrüfe, wirklich mehr als genug für ein Dorf. Von diesen oft recht rabiaten Wildbächen sind die Dorfund die Kleine Rüfe die manierlichsten und zahmsten. Sie haben es aber doch fertiggebracht, im Zeitraum der Jahrtausende den Terrassenberg zu zerschneiden und die Dreiteilung des Berghanges, der in der romanischen Ortsbezeichnung tre munts oder tri monts augenfällig zum Ausdruck kommt, herbeizuführen. Die Dorfrüfe ist von allen die wasserreichste und vor allem die wasserbeständigste. Es ist deshalb kein Zufall, dass die ersten Siedler sich in der nächsten Umgebung dieses dauernden Gewässers niedergelassen haben. Dabei wählten sie als Raum für ihre Wohnstätten die Ausmündung der Schlucht, wo die Gefahr vor Verschüttungen bei Hochwasser und Muhrgängen viel kleiner war als weiter flussabwärts auf der Wölbung des Schuttkegels. Die Dorfrüfe war aber auch die Kraftquelle der Mühlen, Stampfen, Hanfrybi und Säge, die zum Teil heute noch in Betrieb stehen wie vor Jahrhunderten. (Vgl. Die Mühlen von Trimmis, NBZ vom 16. September 1950.) Der Dorfbach war deshalb zu allen Zeiten für die Bewohner der Ortschaft das Lebenselement. Obwohl über die Entstehung und die Entwicklung der Dorfsiedlung Tremune keine Urkunden Aufschluss geben, darf doch mit Sicherheit angenommen werden, dass der älteste Dorf teil in der Nähe der wiederholt erwähnten Kirche St. Carpophorus lag. In einer Urkunde von 1370 wird die Dorfpartie Cadrufi, zu deutsch Kirchenplatz, erwähnt. Auch die Galbutzgasse (in einer Urkunde 1537 Clavuozgasse genannt) hat schon in romanischer Zeit existiert. Der nördliche Dorfteil rechtsufrig der Rüfe ist unzweifelhaft später entstanden. Trimmis hat im Vergleich zu den übrigen Rheintaldörfern eine sehr stark aufgelockerte Siedlungsform. Es besitzt keinen eigentlichen Dorfkern. Im Gegenteil, da wo man aus siedlungstechnischen Gründen einen solchen erwarten könnte, dehnt sich mitten in der Ortschaft ein weitläufiges «Bongertgebiet, die Quader aus. Diese romanische Flurbezeichnung deutet die Viereckform, die sich seit dem Mittelalter kaum verändert haben dürfte, an. Die Quadern waren seinerzeit Daueräcker, im Gegensatz zur offenen Flur mit dem allgemeinen Weidrecht. Um diese bevorzugten Grundstücke der allgemeinen Atzung zu entziehen, wurden sie mit Mauerwerk umgeben. Trimmis hat im Laufe der Jahrhunderte mehrere katastrophale Dorfbrände durchgemacht, es seien nur die grössten der Jahre 1687, 1764, 1814, 1860 und 1874 erwähnt. Meistens wurde aber wieder auf die alten Hofstätten gebaut, sodass das ursprüngliche Dorfbild in bezug auf Gassen und Strassen im Wesentlichen unverändert blieb.

Während das alte Trimmis vor den Dorfbränden zum grössten Teil Holzhäuser mit steinernem Erdgeschoss aufwies, ging man nach den Katastrophen zum massiven Steinbau über. Die stattlichen, spitzgiebligen Gebäude, die nach 1600 entstanden sind, lehnen sich in ihrer äussern Form und Gliederung stark an die stattlichen Rheintalerhäuser, wie sie in Zizers, Igis und vor allem in der Herrschaft zu finden sind, an. Besonders charakteristisch sind die rundbogigen Hofeingänge, die zum eigentlichen Hauseingang wie auch zu den weiter zurück liegenden Ställen führen. Diese Torbogen wurden früher mit hölzernen Toren abgeschlossen, sodass die Gebäudeanlage den Charakter eines Hofes äusserlich zum Ausdruck brachte. Eine besondere Erwähnung in siedlungsgeschichtlicher Hinsicht verdienen die Höfe längs der Landstrasse. (Vgl. Heimatkundliche Streifzüge zwischen Scalära und Rappakuck, NBZ vom 11. November 1949.) Sie haben ihre Entstehung dem Transitverkehr früherer Jahrhunderte zu verdanken. Während das Fuchsenhaus, heutiges Armengut, sowie die Islahäuser erst nach dem Bau der heutigen Strasse, also nach 1782-86 entstanden sind, sind die Siedlungen zur Kleinen und zur Grossen Rüfe viel ältern Ursprungs. Einzelne Hinweise über deren Bestehen gehen bis ins 14. Jahrhundert zurück. Dabei handelt es sich allerdings nicht um die heutigen Gebäudeobjekte, sondern um deren Vorgänger. Das «Nü Hus» zur Grossrüfi wurde 1623 erbaut. Die Dorfschaft Says war bis 1880 neben Hintervalzeina eine Fraktion von Trimmis. Sie besteht aus der Weilersiedlung Valtana auf der Terrasse zwischen dem Dorf- und Kleinrüfetobel, den Einzelhöfen auf Untersays und aus dem geschlossenen Dörfchen am Fusse des Bannholzes. In baulicher Hinsicht erkennt man auf den ersten Blick den walserischen Einschlag des Prättigaus. Es darf mit Sicherheit angenommen werden, dass walserische Kolonisten aus dem Valzeinertal oder vom Furnerberg den Weg über das Bergjoch Stams genommen haben, um sich auf den sonnigen Terrassen von Says, «Fatana» und Talein unter den dortigen Romanen anzusiedeln. Obwohl diese Einwanderer ihr Idiom in unverfälschter Form beibehielten, übernahmen sie anderseits den grössten Teil aller vorkommenden romanischen Flurnamen und überlieferten diese, ohne Deutung zu kennen, der Gegenwart. Trimmis-Says war jahrhundertelang nicht bloss territorial, sondern auch im Hinblick auf seine Einwohnerzahl die grösste Gemeinde der Herrschaft Aspermont und des Hochgerichtes der IV Dörfer. Um die Mitte des XVI. Jahrhunderts wurde aber Zizers zum Gerichtshauptort, der mit allem Nachdruck versuchte, das Landammannamt dauernd an sich zu ziehen. Mehrere Jahrzehnte waren deshalb die Landammänner aus den übrigen drei Gemeinden gezwungen, ihren Wohnsitz in Zizers zu nehmen.

Nicolin Sererhard schreibt in seiner «Einfalte Delineation» über Zizers: Es ist das berühmteste Dorf unter den IV Dörfern, ist ein schöner, grosser, ansehnlicher, burgerlicher Flecken. Zizers, wie übrigens auch das benachbarte Igis, weist ganz andere Siedlungsverhältnisse auf als die übrigen Kreisgemeinden.. Beide Ortschaften liegen weitab vom steilansteigenden Valzeinerberg am äussersten Rand des ehemaligen Rheinbords. Eine Anlehnung an den Berghang wie bei Trimmis hätte sich schon im Hinblick auf die stark zunehmende Meereshöhe von nahezu 800 m nachteilig ausgewirkt. Der Wasserbezug aus dem Schlundtobel und aus der Igiser Rüfe kam für Kraftnutzung zufolge der geringen und unbeständigen Zufuhr für beide Dörfer kaum in Frage. Anderseits treten unterhalb der Dörfer am Rheinbord, also am Fusse des vom Talstrom angeschnittenen Rüfeschuttkegels auf der ganzen Linie von der Ruine Friedau weg über die Gerbe, die «alten Brunnen» bis zurück an den Bergfuss beim Igiser Scheibenstand bedeutende Quellen heraus. Es handelt sich offenbar um weiter oben versickertes Bergwasser, das durch eine Lehmschicht aufgehalten und dann am Rand des Schuttkegels als wertvolle Quellen heraustritt. Diese Wasservorkommen auf einer verhältnismässig grossen Strecke mögen denn auch der Grund gewesen sein, dass besonders Zizers eine langgestreckte Siedlungsform erhielt. So ist also auch bei diesen beiden Dörfern als ursprünglich einheitliches Siedlungsgebiet die Wahl des Raumes durch die Natur bedingt worden. Dass dann der jahrtausende alte Transitverkehr die Ortschaften berührte und diese zu typischen Strassendörfern stempelte, ist leicht verständlich. Die bedeutsame Rheintalerstrasse mied auch hier die Rheinebene und machte mit Rücksicht auf die Ueberquerung der Landquart den weiten Umweg über Igis, Marschlins, Ganda zur Schlossbruck beim Felsenbach, um dann weiter über Malans nach dem Rheinübergang bei der spätern Tardisbruck oder über Selvi und Eichholz nach Maienfeld den Anschluss zu suchen. Der Weg über die alte Zollbruck wurde vermutlich erst im XV. Jahrhundert eröffnet. Wieder ganz anderer Natur sind die Gründe für die Siedlungen im heutigen Raum Landquart-Fabriken und Station Landquart. Das Fehlen der Wasserkraft zum Antrieb von Getreidemühlen, Stampfen, Hanfrybi und Sägen in Dorfnähe Zizers-Igis, mag unternehmende Männer veranlasst haben, Wasser aus der Landquart vom Felsenbach in gegrabenem Kanal in die Gegend der heutigen Fabriken zu leiten und dasselbe besonders für den Mühlenbetrieb auszunützen. Es müssen schon zu romanischer Zeit mehrere derartige Anlagen bestanden haben, da man ja heute noch von der obern und untern Mühle spricht und die gegenwärtig noch in Betrieb sind.

Ferner deuten urkundliche Flurbezeichnungen, wie «prau de Mulinelle» (1350 CD In Nr.44), «pratum de Mulin» (1375 Kap. Urb. S. 81 und 82) und «mulinaul de Nosoleis» (Aemterbücher S. 31), darauf hin, dass auch am obern Kanallauf Mühlen und wohl auch Stampfen, möglicherweise auch Sägen bestanden haben. Und endlich erkennt man auf einem Bildausschnitt eines Stiches aus dem Jahre 1629 nebst der obern Zollbruck, der Tardisbruck, den Schanzanlagen den damaligen Kanal deutlich eingezeichnet. Er verläuft in ungefähr gleicher Richtung vom Felsenbach herzu des «Domans Mühle», die im Areal der heutigen Papierfabriken stand. Hier scheint also offenbar der Mühlebach für die siedlerische Entwicklung massgebend gewesen zu sein. In prophetischer Weise hat Carl Ulysses v. Salis-Marschlins die Entwicklung einer Siedlungsmöglichkeit im Gebiet des derzeitigen Fleckens Landquart zu Anfang des vorigen Jahrhunderts vorausgesehen. Er schreibt hierüber: «Anstatt des von Verheerung umgebenen Zollhauses zaubere man sich in die Wüste zwischen Rhein und Landquart (Fluss) eine der schönsten, durch Bearbeitung gewonnene Gegend, geziert durch einen wohl gebauten Flecken, den Kaufleute, Fabrikanten und Landwirte beleben. Keine Lage in Bünden bietet mehr Vorteile zu einer solchen Ansiedlung dar, als diese, und sie könnte das Mittel abgeben, eine totale Umwälzung in ökonomischen und industriösen Zustände des Landes zuwege zu bringen». Was C. U. v. Salis in visioneller Weise hier als Möglichkeit beschreibt, ist kaum hundert Jahre später Wirklichkeit geworden. Der Bau und die Eröffnung der damaligen Nordostschweizerischen Bahn im Jahre 1858 mit dem Anschluss des Prättigaus und der Landschaft Davos, vor allem aber der Bau und die Verkehrsentwicklung der Rhätischen Bahn haben das Wunder vollbracht. Aus einer durch Landquart und Rhein stets gefährdeten Schuttwüste ist innert einem Jahrhundert eine blühende, gewerbe- und verkehrsreiche Ortschaft entstanden, die eingerahmt ist durch eine fruchtbare und wohlgepflegte Landschaft, in der auch die älteste bündnerische Industrieanlage ihren bevorzugten Platz gefunden hat. Wenden wir uns in unserer Betrachtung den linksufrigen Gemeinden zu. Die geschlossenste Ortschaft des ganzen Churer Rheintals ist bis auf den heutigen Tag Haldenstein geblieben. Auch hier hat die Natur den Siedlern des Mittelalters in unverkennbarer Weise den geeignetsten Raum vorgeschrieben. Das Dorf liegt am äussersten Rande des einstigen Rheinbords dicht gedrängt und schmiegt sich an den steil ansteigenden Fuss des Calanda. In begründeter Sorge vermied man es in früherer Zeit, unten in der Au Wohnstätten zu errichten, denn der Rhein war vor der Erstellung der grossen Wuhrbauten ein unzuverlässiger, gefährlicher Nachbar und Talgenosse. Die durch den Fluss und den Berg bedingte Einschliessung des Lebensraumes war auch in wirtschaftlicher Hinsicht für Haldenstein bindend.

Wenn man sich vergegenwärtigt, dass vor der Erstellung der Rheinwuhre die heutige Kulturflächen der Au und von Oldis durch den Strom beherrscht waren, ist es verständlich, dass der- Calandahang vom Fusse bis zu den obersten Alpweiden allein Existenzmöglichkeit schaffte. Auf der 1460 m hoch gelegenen Maiensässterrasse Batänja entwickelte sich ausgehends des Mittelalters eine Dauersiedlung, die besonders von den zugewanderten freien Walsern bewohnt und bewirtschaftet wurde. Das anmutige Bergdörfchen ist seit vielen Jahrzehnten als dauernd bewohnte Siedlung aufgegeben worden. Das Häuschen, in dem die Batänjer-Jugend zur Schule ging, besteht aber heute noch. Ein Blick von einer der rechtstalseitigen Höhen über den Rhein lässt erkennen, dass Untervaz von allen sieben Dörfern des Kreises die grösste geschlossene Siedlung ist. Was weiter oben von Trimmis in seinem Verhältnis zur Dorfrüfe erörtert wurde, wiederholt sich hier in einer Paralelle. Die Lebensader für Untervaz war und ist heute noch der Cosenzbach. Seine Wasserbeständigkeit hat wohl in erster Linie zur Gründung der Dorfsiedlung in der eher schattigen Nische Veranlassung gegeben. Im obersten Winkel des aufgetürmten Schuttberges, an den Calanda anschmiegend, liegt eng geschlossen das Dorf. Talwärts dehnt sich der mächtige Schuttkegel des Cosenzbaches als riesiger Fächer zwischen der Rheinebene und dem steil ansteigenden Berghang aus. Zwei bergwärts strebende Hauptgassen und drei Quergassen verschaffen die notwendige Gliederung. Der Dorfbach ist durch Wehranlagen an den Bergfuss gedrängt. Im obern Teil wurde das starke Gefälle desselben wohl äusserst nutzbar gemacht. In früherer Zeit liefen an seinem Lauf bis gegen Friewis hinunter vier Mühlen und eine Säge. Die unterste derselben wird schon in einer Urkunde von 1289 erwähnt (CD II Nr. 84). Untervaz steht wie Haldenstein einzig durch die Rheinbrücke mit der Aussenwelt in direkter Verbindung. Seit 1870 dient die jetzige gedeckte Holzbrücke dem bedeutenden Verkehr. Das Hochwasser von 1868 hatte die alte offene Brücke, die südlich. der Neuenburg den Rhein überquerte, weggerissen. Die Wuhrungen am Rhein bildeten jahrhundertelang zwischen den Gemeinden beidseits des Flusses dauernden Grund zu Streitigkeiten und Verhandlungen. Da die Eindämmung des langen Laufes mittelst sog. Streichwuhren für die einzelnen Gemeinden viel zu grosse finanzielle Belastungen erforderten, beschränkte man sich darauf, Schupfwuhre am Rand des Stromes zu errichten. Diese, in den Wasserlauf hineinragenden Barrieren aus einem mit Roll- und Bruchsteinen verkleideten Erdwall bestehend, warfen die Wogen des Rheins auf die gegenüberliegende Seite und verursachten im nachbarlichen Gebiet gefährliche Einbrüche im bestehenden Kulturland. Daraus entstanden fortwährend «Stösse», die gewöhnlich vor ein Schiedsgericht gezogen wurden. Im Gemeindearchiv von Trimmis liegen mehrere Urkunden, die über derartige Händel und die Beseitigung derselben Aufschluss geben. Erst die Wuhrungen im Rahmen der Rheinkorrektion durch Bund, Kanton und Gemeinden haben dieser gegenseitigen «Schupferei» ein Ende bereitet. In den Dorfsiedlungen des Kreises der V Dörfer, soweit es sich um die Talgemeinden handelt, spiegeln sich die alten Markgenossenschaften früherer Zeit wieder. Aus den Dörfern führen heute noch wie vor einem halben Jahrtausend die Viehtreibewege auf die Allmende, wo die grossen Herden unter gemeinsamer Hirtschaft vom Frühjahr bis Ende Oktober stehen. Diese Art, die Weidrechte zu nutzen, sind nur von der geschlossenen Dorfsiedlung aus möglich. «Dem Stecken», d.h. dem Weidgang war in früherer Zeit weitaus die grösste Bodenfläche einer Ortschaft unterstellt. Die Allmein bildete am Rand der Privatgüter einen breiten, zusammenhängenden Gürtel. Mehrere Weidwege führten in denselben hinaus. Diese waren zum Schutze des angrenzenden Privatbodens mit hohem Mauerwerk oder Grünhägen eingefasst. Am auffälligsten kommen diese Weidwege in der Trimmiser Flur, wo sie radspeichenartig nach allen Richtungen ausstrahlen, zum Ausdruck. Im gesamten Kreisgebiet setzte etwa um die Mitte des XV. Jahrhunderts das gemeinsame Rodungswerk der einzelnen Gemeinden ein, wobei ein beträchtlicher Teil des frühern Allmeinbodens dem Weidgang entzogen und in fruchtbares Acker- oder Wiesland verwandelt wurde. Dieses Neuland wurde in Löser aufgeteilt und an die Gemeindebürger unentgeltlich oder gegen einen geringen Zins lebenslänglich überlassen. (Vgl. «Vom Werden der Trimmiser Gemeindelöser», BMB Nr. 5 1950.)

Von alten Wegen und Stegen zwizwischschschschenen Chur und Luziensteig Um die Bedeutung der nun bald zwei Jahrtausende alten Durchgangsroute aus dem heutigen Oberitalien über die südlichen Bündnerpässe nach Chur und weiter über die Luziensteig an den Bodensee in den obern Donauraum besser zu verstehen, ist ein kurzer historischer Rückblick in die Epoche zu Beginn unserer Zeitrechnung notwendig. Schon vor deren Beginn war das heutige Bünden und verschiedene Nachbargebiete, so das ganze Linthtal, die March, das Tal der Thur bis Pfyn, das südliche Bodenseeufer, das Rheintal, Vorarlberg, Liechtenstein und der grösste Teil des Tirols rätisches Land. In den zahlreichen Alpen- und Voralpentälern lebte das aus mehrern Stämmen sich zusammensetzende Volk, die Rätier. Dieses hatte im Süden, d. h. im heutigen Italien einen mächtigen und gefährlichen Nachbar. Es war das schon mehrere Jahrhunderte alte Kaiserreich Rom. Dem Macht- und Gebietshunger der römischen Kaiser waren schon mehrere Völker Mitteleuropas, so auch die Helvetier ums Jahr 57 v. Chr. zum Opfer gefallen. Die gleiche Gefahr drohte um jene Zeit auch den Rätiern.

Unter dem Vorhalt, rätische Volksstämme seien wiederholt südlich der Alpen in römisches Hoheitsgebiet raubend und plündernd eingefallen, römische Staatsangehörige seien beim Ueberqueren der Alpen überfallen und ausgeraubt worden, beauftragte Kaiser Augustus im Jahre 15 v. Chr. seine beiden Stiefsöhne Drusus und Tiberius, die rätischen Länder zu erobern und deren Völker zu unterwerfen. Während Tiberius von Gallien her durch den Jura in das Rheingebiet vorstiess und die Vindelicier zwischen Bodensee und Donau unterwarf, erfolgten Vormarsch und Angriff des Drusus aus Oberitalien der Etsch und der Eisack nach ins Tirol und dem Inn folgend wahrscheinlich über den Arlberg ins Illtal (romanisch Val Druschana). Wo dann die vereinigten römischen Heere den Rätiern die Entscheidungsschlacht lieferten, ist historisch nicht ermittelt. Es bestehen hierüber zwei Versionen: Am Lechfeld in Bayern die eine und die andere im Raume zwischen Maienfeld und Chur. Mit diesem Entscheidungskampf, dem zahlreiche weniger bedeutsame Treffen vorangingen, war das Schicksal des alten Rätiens besiegelt. In alle rätische Landesteile zwischen Rheinquellen und Donau kamen römische Verwaltungen und militärische Besatzungen hin. Das eroberte Land wurde zur römischen Provinz Rätien proklamiert, zu deren Hauptstadt Augusta Vindelicorum (das heutige Augsburg) ernannt wurde. Die diktatorische Militär- und Zivilverwaltung bedingte eine enge Verbindung der neuen Provinz mit dem Mutterlande. Zwischen diesen beiden Reichsteilen türmte sich aber ein gewaltiges Verkehrshindernis auf, die rätischen Alpen! Wollte man den militärischen Erfolg und die Erträgnisse der eroberten Länder nördlich des Alpenwalls sicherstellen, musste man die geeignetsten natürlichen Uebergänge zu gut saumbaren Passwegen und mancherorts zu Fahrstrassen ausbauen. Wie die Römer die Alpenübergänge beurteilten, geht aus der Beschreibung des Schriftstellers Strabo aus dem Jahr 35 n. Chr. hervor. Es heisst darin u. a. in deutscher Uebersetzung: «Jetzt aber sind die räuberischen Völker (gemeint sind Helvetier und Rätier) teils gänzlich bezähmt, sodass der Uebergang über das Gebirge, deren es früher nur wenige und höchst beschwerliche gab, jetzt mehrere und diese vor Ueberfällen sicher und gut zu gebrauchen sind, was durch Kunst (im Strassen bau) bewerkstelligt wurde. Der Kaiser Augustus verband nämlich mit der Vertilgung der Räuber auch die Gangbarmachung der Wege, soviel möglich war, denn die Natur lässt sich nicht überall besiegen wegen der Felsen und ungeheuren Abhängen, die teils über den Weg verlaufen, teils in der Tiefe sind, sodass man bei einem Misstritt unvermeidlich Gefahr läuft, in die unergründlichen Tiefen zu stürzen. Der Weg zum Teil ist schmal, dass Fussgänger und Lasttiere, die es nicht gewohnt sind, vom Schwindel ergriffen werden. Die Einheimischen aber tragen die Lasten ohne Gefahr». (Nach Dr. P. C. Planta in «Bündner Alpenstrassen».) Tatsächlich sind während der Regierungszeit Kaiser Augustus eine Anzahl Alpenpässe eröffnet und zum Teil sogar für den Wagenverkehr ausgebaut worden. Hieher gehörten die Julier- und die Septimerroute. Sie war eine «Via strata» mit Steinbett versehen und hatte eine Breite von 1.50 bis 2.40 m. Diese Strasse führte von Chiavenna durch das Bergell über den Septimer bzw. über Maloja und Julier durch das Oberhalbstein und die Lenzerheide nach Chur, dem damaligen Curia rätorum. Vom heutigen Chiavenna führte durch das St. Jakobstal die Splügenroute ins Rheinwald, dann weiter über hochliegenden Terrassen des Schamserbergs, die Viamala umgehend, über Saisa nach Thusis, dem Heinzenberg entlang in die Gegend von Rhäzüns und dort über den Rhein und Vogelsang ebenfalls nach Chur. Von dort aus waren die beiden Routen bis Magia (Maienfeld) oder Lupinis vereinigt. Ueber der Luziensteig in der Gegend von Feldkirch durchlief die «Via romana» die Station Clunia und am obern Ende des Bodensees Briganzium (das heutige Bregenz) und endigte in der Provinzhauptstadt Augusta vindelicorum. Auf diesen langen Strecken errichteten die Römer in bestimmten Abständen zur Erleichterung des Verkehrs Stationen. Als eine solche Zwischenstation von grosser Bedeutung wurde auf dem vorspringenden Felsrücken, der heute den bischöflichen Hof bildet, Curia rätorum ausgebaut. Unter dieser Bezeichnung ist Chur im Stationenverzeichnis «Itinerarium Antonius», das ums Jahr 280 entstanden ist, eingetragen. Auch auf der «Peutingerschen Tafel», die alle Römerstrassen über die Zentralalpen enthält, ist Chur wie auch Magia angeführt. Dieses äusserst wertvolle Strassenverzeichnis weist auch die Anzahl Meilen zwischen zwei Stationen auf. Die Distanzen zwischen solchen waren aber nicht vereinheitlicht. Sie betrugen in Rätien 10-20 röm. Meilen (eine solche misst ungefähr 1,5 km). Es ist nicht ausgeschlossen, dass auf der Route Chur-Maienfeld noch Zwischenstationen bestanden. Auf alle Fälle führte dieselbe nicht durch den Talboden, der auf der ganzen Strecke vom Rhein beherrscht und für den regelmässigen Verkehr unpassierbar war. Die Römer haben allgemein die Talgründe und Schluchten bei den Weganlagen gemieden. So dürfte die« Via romana» von Chur aus eher über die Rüfenschuttkegel in der Nähe der Wildbachmündungen, da wo diese aus den Bergschluchten heraustreten, geführt haben. Auf alle Fälle waren die Passagen durch das Rüfegebiet der Trimmiser Flur nicht leicht in brauchbarem Stand zu halten, und das bedingte einen grossen Arbeitsaufwand, der in den römischen Provinzen ausschliesslich von der Ortsbevölkerung bewältigt werden musste. Aehnliche Strassengefährdungen bestanden auch weiter talabwärts im Raum Zizers-Igis-Landquart. Die Rheinebene erreicht zwischen Calanda und den Malieten die grösste Breite und bildete für eine Talstrasse die nämlichen Schwierigkeiten wie weiter churwärts. Dazu trat dem Verkehr von der Klus her ein mächtiges Hindernis entgegen. Der flache Schuttkegel der Landquart reicht vom Standort der heutigen Papierfabriken bis hinüber an das Flussbord unterhalb Malans. Nach der ersten trigonometrischen Karte dieser Gegend aus dem Jahr 1805 führte die Landquart ihr Wasser in zahlreichen Armen und -ausholenden Schleifen dem Rheine zu. Wieviel mehr musste diese Gegend im Mittelalter oder gar zur Zeit der Römerherrschaft, da der wilde Bergfluss sich unbehindert entfalten konnte, eine eigentliche Sumpflandschaft gebildet haben! Wollte man dieser ausweichen und das Gewässer überschreiten, blieb keine andere Möglichkeit, als einen Uebergang am Ausgang der Klus zu suchen. Auch der alte Römerweg dürfte diesen Umweg am Fusse der Ganda Richtung Felsenbach, den Talfluss dort überschreitend, nach Magia genommen haben. Dr. Kirchgraber weist in seinem Buche «Das Gebiet des ehemaligen Hochgerichtes IV Dörfer» im Abschnitt Verkehr auf die Flurbezeichnung Halbmil zwischen Masans und Trimmis hin. Der nämliche Flurname ist auch unterhalb Untervaz am Calandafuss und ebenso nordwestlich von Sargans zu finden. Die Frage, ob dieses Doppelwort nicht mit dem lateinischen milare (Meile) im Zusammenhang steht, ist nicht von der Hand zu weisen. Es bestünde deshalb die Möglichkeit, dass diese gleichnamigen Lokalitäten «Halbmil» an der nämlichen Route gelegen haben, was voraussetzt, dass eine Abzweigung der Römerstrasse nach Turicum und Helvetien schon zwischen Trimmis und Untervaz erfolgt wäre. Der weitere Verlauf dort dem Calanda entlang über St. Margrethenberg zur «Porta romana» bei Ragaz läge durchaus im Bereiche der Möglichkeit. Nach J. C. Muoth in «Orts- und Familiennamen von Graubünden» ist das Wort Vaz vom lateinischen vadum, was Furt oder Passage bedeutet, abgeleitet. Wir lassen die Frage, ob zwischen der genannten Ortsbezeichnung und einer römischen Strassenanlage auf Untervazer Territorium ein Zusammenhang besteht, offen. Nachdem im Vorausgehenden versucht wurde, die Linienführung durchs Churer Rheintal gedanklich zu rekonstruieren, dürfte es nicht weniger interessant sein, die Art der Benützung und die dadurch entstandenen Verpflichtungen und Belastungen der Talbewohner zu erörtern. Ueber den Verkehr auf den römischen Strassen sind durch die zeitgenössischen Schriftsteller zuverlässige Berichte verfasst worden, die uns heute als wertvolle Quellen dienen und allgemein Gültigkeit haben. Es mag in diesem Zusammenhang im weitern auf die «Verkehrsgeschichte» von J. Lenggenhager und auf «Bündner Alpenstrassen» von J. C. Planta hingewiesen werden. Die Römer unterhielten zwischen ihrer Hauptstadt Rom und den unterworfenen Provinzen herwärts der Alpen einen regelmässigen Verkehr. Dieser umfasste den Kurierdienst, die Post sowie einen sehr regen Waren- und Personentransport, aber alles ausschliesslich nur für den Staat.

Für den Kurierdienst wurden leichte, zweiräderige Wagen, sog. birota, oder bei besonders günstigen Strassenverhältnissen vierräderige «redas» oder «carrus» verwendet. Die Bespannung bestand vorwiegend aus Maultieren, Pferden oder Eseln. Für den Transport von Gütern brauchte man auch Ochsen oder Rinder. Derlei Fuhrwerke nannte man «angaria». Wo die Strassenverhältnisse den Wagenverkehr nicht zuliessen, mussten die Lasten auf Saum- und die Personen auf Reittieren befördert werden. Die Zug- und Saumtiere mussten von den Bewohnern der Dörfer und der Stationen dem römischen Staate gratis zur Verfügung gestellt werden, ebenso die Begleitmannschaften. Bei den bereits erwähnten Stationen unterschied man Haupt- oder Raststationen und Neben- oder Wechselstationen. Chur war eine bedeutende Hauptstation mit grossem Warenumschlag. An den Wechselstationen wurden die Saum- oder Zugtiere ausgewechselt. Die Haupt- oder Raststationen hatten öffentliche Herbergen, wo die Reisenden Nachtquartier und Verpflegung fanden. Für sämtliche Stationen mussten die Ortsbewohner die nötige Fourage zur Verfügung stellen. Sie mussten ferner für Ställe und Schuppen «stabula»und «mantiones») aufkommen und diese unterhalten. Stall und Fuhrknechte, Schmiede und andere Handwerker bezogen für ihre Dienste vom Staate bloss Nahrung und Kleider, aber keinen Lohn. Für die Transportarten und Transportmittel waren die Gewichte der Lasten vorgeschrieben. So durfte einem Reitpferd für den Boten- oder Kurierdienst ausser dem Reiter nicht mehr als 30 römische Pfund (zirka 9,8 kg) zusätzliche Last aufgeladen werden. Hand- und Nebenpferde erhielten höchstens 100 r. Pfd. oder 33 kg Ladung. Der zweiräderige Kurierwagen durfte maximal 200 r. Pfd. und der vierräderige Eilwagen bloss 1000 r. Pfd. oder 330 kg Fracht erhalten. Wenn man aber bedenkt, dass die Gepäckstücke der Eilboten von Rom aus über die Alpen nach Deutschland Tausende von Kilometern zurückzulegen hatten, kann man es verstehen, dass die Beförderung nicht durch schwere Lasten verzögert werden durfte. Das gleiche galt auch für Eilgüter. Staatliche Funktionäre hatten Anspruch auf Gratisfahrten. Mit diesen »Freibilletten» wurde ein eigentlicher Handel betrieben zum Nachteil der die Fahrzeuge und Zug- oder Saumtiere stellenden Bevölkerung. Die Belastung derselben durch Unterhalt der Stationen, der Strassen und Brücken, für die Bereitstellung von Verkehrsmitteln und Tieren, Abgabe von Fourage und persönliche Frondienste führten zum Ruin der an den römischen Strassen wohnenden Bevölkerung. Neben diesem staatlichen Verkehr wurde aber durch private Kaufleute auch ein umfangreicher Transit unterhalten, indem diese Produkte des Südens gegen Erzeugnisse des Nordens austauschten und dadurch die römischen Strassen benützten. Mit dem Zerfall des römischen Reiches und mit dem Rückzug der militärischen Einheiten nordseits der Alpen hörte zwangsläufig der staatliche und auch der private Handelsverkehr auf den jahrhundertelang sehr belebten Strassen auf. Diese wurden deshalb nicht mehr unterhalten und zerfielen allmählich. Das gleiche Schicksal erlebten die übrigen römischen Verkehrseinrichtungen. Dem mehrere Jahrhunderte später einsetzenden mittelalterlichen Transitverkehr blieb es vorbehalten, längs der alten Strassenzüge neues Leben zu erwecken. Das Aufblühen der oberitalienischen Städte und die Entwicklung der norddeutschen Hansastädte verursachten im Mittelalter zwangsläufig eine starke Vermehrung im Güteraustausch zwischen den Ländern nord- und südseits der Alpen. Und da die rätischen Alpenübergänge die bequemsten mit den geringsten Höhendifferenzen im Zentralalpengebiet waren, erwuchsen Churrätien dadurch sehr einträgliche Verkehrs- und Verdienstverhältnisse. Es ist leicht verständlich, dass dabei die Wahl der Uebergänge auf die alten, bewährten Passwege fiel. Am Septimer stand schon ums Jahr 881 ein Hospiz, ein anderes wird um 1233 auf der Südseite des Juliers erwähnt. In den Ortschaften längs der Transitwege entstanden Raststätten und Wirtshäuser mit Unterkunftsmöglichkeit für Menschen und Vieh. In einem Einkünfterodel des Bistums Chur aus dem XI. Jahrhundert sind an der Septimerroute, vom Bodensee aus beginnend, folgende Umladeplätze verzeichnet: Schaan (Liechtenstein), Chur, Marmels (Marmorera) und Cleven. Eine Fahrt oder Reise von Rheineck (als Endstation der Bodenseeschiffahrt) bis nach Chiavenna beanspruchte normalerweise fünf Tage. Einer Verkehrsordnung von 1390 ist folgendes inbezug auf die Zufahrten an der Septimerroute zu entnehmen (vgl. J. Lenggenhager, Verkehrsgeschichte S. 33) : Das Handelsschiff vom Bodensee herkommend landete in Rheineck, das im Pfandbesitz der Grafen von Werdenberg-Heiligenberg stand. Im Reichshof Kriessern unter der Burg Blatten bei Oberriet lag die erste Sust mit Nachtquartier. Anderntags gelangte man nach Passierens der Freiherrschaft Sax nach Werdenberg, das ebenfalls eine Sust hatte. Das dritte Lagerhaus dieser Art war im liechtensteinischen Schaan, das man nach Benützung einer Fähre über den Rhein erreichte. Das Fährschiff, jedenfalls eine vorzügliche Einnahmequelle,. gehörte dem Bistum Chur. In Balzers stand die vierte Sust dieser Route. Die nächste Etappe führte über die Luziensteig nach Maienfeld. Beim Königshof Zizers erreichte man die sechste und letzte Sust vor Chur. Die ersten zwei Susten waren 22 km von einander entfernt, wogegen sich auf der 38 km langen Strecke bis Chur vier Stationen befanden. Die einzelnen Strecken erscheinen uns heute als Tagesleistung kurz. Wenn man aber bedenkt, dass zufolge der ungünstigen Strassenverhältnisse alles im Schritt gefahren wurde, dass man vielfach Ochsen für den Zug verwendete und endlich, dass die Gespanne den Rückweg zu ihrem Ausgangspunkt noch machen mussten, kann man die erwähnten Entfernungen als Tagesleistungen besser verstehen. «Verkehrsgeschichte» von J. Lenggenhager In den spätern Jahrhunderten und besonders nach dem Bau der neuen Landstrasse von der Luziensteig nach Chur in den Jahren 1782-1786 wuchsen private Susten und Wirtschaften längs der Reichsstrasse wie Pilze aus dem Boden. Allein auf dem Gebiet der Gemeinde Trimmis waren von jenem Zeitpunkt an deren vier in Betrieb, nämlich beim Fuchsenhaus (Armenhaus), auf der Kleinen Rüfe, auf der Isla und bei der Grossrüfe. Die erstgenannte steht heute noch und dient dem dortigen landwirtschaftlichen Betrieb als Stall und Remise. Die Susten waren hallenartige Räume, die als Lagerhäuser wie auch als Stallungen für die Gespanne dienten. Sie waren baulich so eingerichtet, dass man mit den Fuhrwerken oder mit den Saumtieren bespannt bzw. beladen von beiden Stirnseiten einfahren und ausspannen konnte. Links und rechts der Fahrbahn, wo die Wagen über Nacht standen, wurden die Tiere an den eingebauten Krippen gefüttert. Der Boden der Susten war mit Rollsteinen gepflastert. Ueber den Stallungen oder im Wirtshaus nebenan waren Gaststuben und Schlafräume für das Begleitpersonal oder die Reisenden. Nach der Eröffnung der Nordostbahn im Jahre1858 wurden diese Susten überflüssig und standen jahrzehntelang leer. Nach diesem Sprung in die Gegenwart kehren wir in unserer Betrachtung wieder in die Vergangenheit zurück. Im Mittelalter und später bis zum Ausbau der Landstrassen im XVIII. und XIX. Jahrhundert mussten die Gemeinden für den Unterhalt aufkommen. Das war nicht bloss in unserm Lande so. In einem 1632 erschienenen Reisebuch heisst es wörtlich: «dass die Strassen selbst zwischen bedeutenden Städten nicht selten unlustig, rauh, tief und oft so schlecht waren, dass 20 Pferde den Postkarren kaum aus dem Dreck bringen konnten». Und in einer österreichischen Postordnung von 1748 steht zu lesen, «dass die Strassen mitunter aufgerissen oder morastig gewesen seien, und dass es deshalb besser zu reiten denn zu fahren sei». Es ist deshalb gar nicht verwunderlich, dass noch im XVIII. Jahrhundert die Strassenverhältnisse auch im Churer Rheintal kein erfreuliches Bild zeigten. J. Lenggenhager schreibt in dem wiederholt zitierten Buche: «Auf der sog. Reichsstrasse, d.h. auf der Strasse Luziensteig-Chur, gab es wiederholt Zeiten, da Bundstag und Häupter bald die Porten Maienfeld und Zizers, bald den Fürstbischof von Chur unter Strafandrohung zu besserer Instandhaltung ermahnen mussten. Insbesondere trug zu dem schlechten Zustand dieser Strassenstrecke, vornehmlich innerhalb des Gebietes der IV Dörfer, der Umstand bei, dass letztere mit der Kurie öfters im Streit darüber lagen, wem die Instandstellung derselben obliege. Die Gemeinden vertraten die Ansicht, dass sie lediglich für die Verbindungsstrassen nach der Reichsstrasse zu sorgen hätten, da die Zölle an der Obern Zollbruck ja doch einzig zugunsten des Bistums vereinnahmt würden. So stritt man sich oft monatelang hin und her. Mittlerweile aber verlotterte die Strasse in einer Weise, dass die Frachtfuhrwerke sich gezwungen sahen, den Bauern über die Wiesen zu fahren, wozu sie von den Bundstagen förmlich ermächtigt wurden». Weil der Transport der Kaufmannsgüter unter derlei Umständen verzögert und die Waren vielfach beschädigt wurden, drohten ausländische Vertreter der Kaufmannschaft bei den Behörden, in Zukunft ihre Güter vom Bodensee aus über den Arlberg durchs Tirol nach Italien spedieren zu lassen. Dadurch wären neben den Einnahmen der Porten, d. h. der Transportgesellschaften, aber auch der bischöfliche Zoll und die Sustengelder verlorengegangen. Das waren aber Ausfälle, die man verhüten musste. Durch einsichtige, fortschrittliche Männer wurde dem Bundstag ein Projekt für die Erstellung eines ersten Teilstückes einer Kommerzialstrasse von der Liechtensteiner Grenze bis Chur auf Staatskosten eingebracht. Die Gemeinden nahmen dazu in einer Urabstimmung Stellung. Trotz starker Opposition einzelner Talschaften wurde der Vorschlag des Bundstages angenommen, worauf dann die bereits erwähnte Strasse in den Jahren 1782-86 zur Ausführung kam. Sie wurde darauf 1792 von Melchior Bösch vermessen. Ein Teilstück dieses Baues, nämlich die Strecke auf Trimmiser Territorium ist als Original und wohl als erste planmässige Vermessung in der Kantonsbibliothek aufbewahrt. Dieser staatliche Strassenbau verdient besondere Erwähnung, da er als der erste Versuch des Kantons zu werten ist, die zahlreichen Tal- und Passtrassen in Angriff zu nehmen. Der Ausbau des bündnerischen Strassennetzes im XIX. Jahrhundert muss heute als eine Riesenarbeit bewundert werden. Es ist beispiellos, wie das arme Bergland Graubünden die Initiative, die Einsicht, den guten Willen, die Ausdauer und nicht zuletzt die gewaltigen finanziellen Mittel aus eigener Kraft aufbrachte, um diese Leistungen für die Förderung des Strassenwesens in Alt fry Rätien fertigzubringen. Aber es gilt auch hier die Wahrheit: Wo ein Wille ist, findet sich auch ein Weg! Wir möchten den Abschnitt über «Alte Wege und Stege zwischen Chur und Luziensteig» nicht abschliessen, ohne darauf hinzuweisen, dass trotz gewaltigen Veränderungen im Landschaftsbild der alte Transitweg früherer Jahrhunderte auf etwa 2 km Länge in fast unveränderter Form erhalten geblieben ist. Wer sich die Mühe nimmt, von der bekannten Gastwirtschaft «Zur Kleinen Rüfe» bei Trimmis statt der Landstrasse nach dem Feldsträsschen in der Richtung Molinära zu folgen, läuft auf dem Trasse der «Alten Landstrasse», die die Hagrüfe überschreitet und in geringem Gefälle in einem Erdausschnitt gegen die Scheidrüfe hin verläuft. Jenseits des meist trockenen Bachbettes tritt der alte Weg in seiner ganzen Ursprünglichkeit in Erscheinung. Er ist von halbzerfallenen Wingertmauern eingerahmt und weist eine ansehnliche Breite auf. In dieser Form führte die alte Strasse nordwärts bis zur Einmündung in die jetzige Landstrasse im Rappakuck. Ihre Breite ermöglichte wenigstens auf dieser Teilstrecke die Kreuzung zweier sich begegnenden Fahrzeuge. Die damalige Strasse wich also dem tiefer liegenden Auengebiet, das bis. nach der durchgeführten Rheinkorrektion von Zeit zu Zeit unter Wasser lag, vorteilhaft aus. Als alte Gebirgspfade aus dem Rheintal sind besonders die Alpwege von Trimmis über Says und das Bergjoch Stams ins hintere Valzeinertal mit Fortsetzung nach dem Furnerberg und von Zizers durch das Schlundtobel über Sturnaboden, Clavadätsch, Scära nach dem ausgedehnten Alpgebiet zu nennen. Sie dienen der Bewirtschaftung der Gemeindealpen und besonders dem Auftrieb und der Entladung der Alpen. Während der Weg nach Stams mit Wagen befahrbar ist, kommt der alte Sturnabodenweg für Warentransport seiner Steilheit wegen nicht in Frage. In verhältnismässig kurzer Zeit von 1¾ Std. gelangt man von Igis aus, anfangs durch lichten Buchenwald, dann über einen kurzweiligen Felsensteig, den Tritt, hinauf zum Valzeinergrat, an dessen Fuss auf sonniger Terrasse der schmucke Weiler um das Kirchlein sich schart. Der Weg durch die Klus hat zu allen Zeiten eine grosse Bedeutung gehabt. Er bildet bergwärts den einzigen Zugang zum Wiesengau und wurde deshalb im Spätmittelalter schon durch das «Schloss» Fragstein beherrscht. Die Bezeichnung hat doppelten Sinn. Einmal konnte von diesem Felsennest aus der Durchgang abgeschlossen oder abgeriegelt werden, und als Gebäude war die Anlage eben auch ein Schloss. Fragstein stellt aber auch einen Markstein dar. Der Prättigauer nennt alles was westlich davon liegt «vürm Schloss», die Leute im Rheintal und in der Herrschaft sind deshalb« Vürschlösser» und als solche anderer Herkunft als jene «hinterm Schloss».

Von den Porten In den vorstehenden Ausführungen wurde das Wort Porten gebraucht, ohne näher darauf einzutreten. Portare ist ein römisches bzw. italienisches Verb und bedeutet tragen, überbringen, transportieren. Hauptwörtlich gebraucht, handelt es sich um eine Transportorganisation zur Beförderung von beweglichen Gütern und im besondern von Kaufmannswaren. Die Porten waren Transportgesellschaften, die vom Ende des Mittelalters herauf bis zur Mitte des XIX. Jahrhunderts in Bünden eine grosse Rolle spielten, obwohl es sich um private Organisationen handelte. Sie entwickelten sich vorab an den grossen Transitwegen. Sie genossen staatliche Anerkennung und hatten unter sich genau umschriebene Satzungen, die allgemein verbindlich waren. Die einzelnen Porten umfassten alle Fuhrleute einer oder mehrerer Gemeinden an einer Route. In der sogen. Septimerordnung von 1499 sind die Rechte und Pflichten der Porten angehörigen, die Bestimmungen über Waagen und Gewichte, die Frachttarife, die Ueberlöhne auf einzelnen Strecken, die maximalen Ladegewichte, die Zuschläge für Eilwaren, die Abzüge für Verzögerungen, Lagertermine, allgemeine Betriebseinstellungen an Sonn- und Feiertagen, Vorschriften über den gemeinsamen Unterhalt von Strassen und Brücken in Form von Tagleistungen, Strafbestimmungen für Nichteinhalten der Statuten, Bestimmungen über Beschwerderecht der Kaufleute und Haftpflichtbestimmungen zu Lasten der Portenmitglieder enthalten.

Jede Porte hatte ein genaues Verzeichnis der ihr angehörigen Fuhrleute, für die sie Haftpflicht gegenüber den Warenbesitzern übernahm. An der Spitze jeder Porte stand ein «Teiler» oder Roodmeister. Dieser nahm die Transportaufträge von den Kaufleuten entgegen, verteilte die auszuführenden Warentransporte in einer bestimmten Kehrordnung oder Rood auf die Genossen. Die Roodrechte waren geregelt und beschränkt, aber auch veräusserlich und erblich. Der grösste Teil aller Kaufmannswaren unterstand dem Transportmonopol der Porten. Die hauptsächlichsten Warengattungen, die den Weg über die Bündnerpässe gingen, waren, wie das aus Geschäfts- und Frachtbriefen hervorgeht: Diamanten, Rubinen, Perlen, Korallen, Gold- und Silberarbeiten, künstliche Blumen, Seide, ungemünztes Gold, bestickte Messgewänder, Altartücher, Sammet, Atlas, Seidenstoffe, Seidengewebe in allen Farbabstufungen, Halbseide, Schleiertücher, schwarze Stoffe, Leinwand verschiedenster Gattungen, Damast, Barchend, Beuteltücher für Mühlen, grobe Tischtücher, Servietten, Hemden, Halsbinden, Halskrausen, Taschentücher, gestreifte Leinwand, Wollzeuge, Tuche und daraus verfertigte Waren, Wämser, Täschchen, Handschuhe, Fransen und Trotteln, verschiedene Arten von Spezereien und Gewürze, Moschus, Jamaicapfeffer, Farbstoffe, Lammfelle, Pelze, Weine, Oel, Korinthen, Galläpfel, Reis, Parmesankäse, Blei, Alaun, Seife, Pomaden, Flaumfedern, Schreibpapier, Kopierbücher, Musikinstrumente. Nicht portenpflichtig waren: Lorbeer, Pomeranzen, Wetzsteine, Limona, Malvosier, Muskateller, gesalzene Fische, Sardinen und Marroni. Die Waren wurden in Ballen mit Stoffumhüllungen oder in Fässern transportiert. Ueber den Umfang der Warentransporte ist einem sog. Numera und Briefbüchlein einer Mailänder-Nürnberger Firma, die bloss Handel auf den Plätzen Mailand und Nürnberg und auf der Messa zu Crema trieb, zu entnehmen, dass sie innert vier Jahren, nämlich von 1507 bis 1511, zur Hauptsache über den Septimer 269 Ballen befördern liess. Die Porten waren dabei hauptsächlich darauf bedacht, Waren auf ihre eigenen Routen zu lenken. Zu diesem Zweck schlossen sie im Verein mit dem Bischof von Chur, als Inhaber mehrerer Zölle an diesen Linien, im Ausland mit grossen Speditionsfirmen Verträge ab, wobei erhebliche Frachtermässigungen und Zollreduktionen bewilligt wurden. Im Laufe der Zeit sicherten sich die Porten Rechte und Privilegien, sodass ihre Organisation tatsächlich zu einem Staat im Staate auswuchs. Die Auslösung der Porten verursachte deshalb dem Kanton Graubünden grosse Schwierigkeiten und konnte erst auf Grund der Bundesverfassung von 1848 endgültig vollzogen werden. Im Churer Rheintal gab es nur zwei Porten, nämlich in Maienfeld und Zizers, wobei die Maienfelder den Transport bis Zizers und von Zizers besorgten, während die Porte Zizers die Waren nach und von Chur beförderten. Da es sich aber um den gesamten Transit über die Bündner Pässe handelte, waren diese beiden Porten von allen übrigen am meisten beansprucht. Das stark entwickelte Transportgewerbe befruchtete auch andere Wirtschaftszweige. Es gab aber auch Zeiten, wo die Portenangehörigen nur selten zur Rood aufgeboten wurden, da es also wenig zu verdienen gab. Die Fuhrleute waren aber durch langjährige Gepflogenheit an das Geldausgeben in den Tavernen gewöhnt, sodass die wenigsten nur durch den Verdienst, den die Porten brachten, existieren oder es gar zu Wohlstand bringen konnten.

Wir danken bestens für die freundliche Wiedergabebewilligung. Internet-Bearbeitung: K. J. Version 04/2006 ------