SPD – 07. WP Fraktionssitzung: 28. 01. 1975 (Tonbandtranskript)

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28. Januar 1975: Fraktionssitzung (Tonbandtranskript)

AdsD, SPD-BT-Fraktion 7. WP, 6/TONS000035. Titel: »Fraktionssitzung am 28. 01. 1975«. Beginn: 15.15 Uhr. Aufnahmedauer: 02:08:20. Vorsitz: Wehner.

Sitzungsverlauf: A. TOP 1: Bericht aus der Fraktionsvorstandssitzung (Stellungnahme zum Urteil des Bun- desverfassungsgerichts zum Paragraphen 218 StGB; Steueraufklärung (Steuerklassen) durch den Bundesfinanzminister; Jugendarbeitslosigkeit; Diskussion zwischen Bund und Ländern über Personalkosten im öffentlichen Dienst; Dringlichkeitsfragen der CDU/CSU-Fraktion zur Steuerschätzung und Haushaltspolitik). B. TOP 2: Informationen (Fraktionsdelegation Nordrhein-Westfalen; Deckung der Kran- kenversicherung der Rentner durch die Krankenkassen; Ausbildungsplatzsituation bei Bundesbahn und Bundespost; Kindergeld für Arbeitslose; Leistungsbilanz der Fraktion). C. TOP 3: Aktuelles aus den Arbeitskreisen (Kleine Anfrage zum Ruhestandsentgelt; Aus- bildung und Arbeitsplatzsituation der Jugend; Jugendhilferecht und Jugendwohlfahrts- verbände). D. Vorbereitung der Plenarsitzungen: TOP 4: Tagesordnung und Ablauf der Plenarsitzun- gen. – TOP 5: Regierungserklärung zum Internationalen Jahr der Frau. – TOP 6: Regie- rungserklärung zur Lage der Nation. – TOP 7: Große Anfragen betr. Deutschlandpolitik. – TOP 8: a) 2. und 3. Beratung Namensrecht. b) Stand der Beratungen Ehe- und Fami- lienrecht. – TOP 9: 2. Beratung und Schlussabstimmung Atomhaftungs-Übereinkommen. – TOP 10: 2. und 3. Beratung Atomgesetz. – TOP 11: 2. Beratung und Schlussabstimmung deutsch-französisches Zusatzabkommen. – TOP 12: 2. und 3. Beratung ERP-Wirtschafts- plangesetz 1975. – TOP 13: 2. und 3. Beratung Mineralölsteuergesetz (Heizölkennzeich- nung). – TOP 14: CDU/CSU-Antrag betr. Enquete-Kommission »Energieforschung«. – TOP 15: Abkommen zwischen der Bundesrepublik und Spanien, Griechenland, Portugal, Jugoslawien und der Türkei über soziale Sicherheit. E. Vorlagen aus den Arbeitskreisen: TOP 16: Kleine Anfrage betr. Allgemeine Geschäftsbe- dingungen. – Sonstiges: TOP 17: Änderung Zeitplan Bundestag. – TOP 18: Nachfolger für Rainer Offergeld . – TOP 19: Nächste Termine.

[A.] Wehner : Die Tagesordnung liegt vor. Wird das Wort dazu gewünscht? Nicht. Bevor ich sie aufrufe, möchte ich mitteilen, dass in den dazwischenliegenden Tagen seit der letzten und der heutigen Sitzung Ernst Haar einen runden Geburtstag erreicht hat (Beifall.) und entsprechend begrüßt worden ist, und ich habe heute leider erst erfahren, so geht das einem, dass wir eigentlich Glück wünschen, alles Gute wünschen zu der Geburt eines Sohnes unserer Genossin Herta Däubler-Gmelin vor Weihnachten. (Starker Beifall.) Ich möchte nun gleich – so präzis sich das machen lässt – aus dem Fraktionsvorstand und den Punkten, die sich im Zusammenhang mit den Erörterungen des Fraktionsvorstandes ergeben hatten, zum Teil auch heute schon ergeben haben, das Wesentlichste versuchen zusammenfassend zu sagen, und ich wende mich dabei zunächst dem öffentlichen Mei- nungsstreit, wenn man das einen Meinungsstreit nennen kann, über das mutmaßliche

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Urteil des Karlsruher Bundesverfassungsgerichts in Sachen Reform des Strafgesetzbuch- paragraphen 218 zu. Dazu möchte ich Folgendes sagen: Erstens. Die Stellungnahme der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion wird sich am

Text des Karlsruher Spruches orientieren, der – nachdem er für den 29. 1. angekündigt gewesen war – nun für den 25. Februar in Aussicht gestellt worden ist. Zweitens. Die Mitglieder der SPD-Fraktion weisen mit Schärfe alle Behauptungen und Unterstellungen zurück, als habe sich die Fraktion oder hätten sich ihre Mitglieder in dem langwierigen Prozess der fairen parlamentarischen Behandlung dieses Komplexes von anderen Grundsätzen und Erwägungen leiten lassen, als es die sind, die in dem auf Anregung der SPD-Fraktion von den beiden Fraktionen der Koalition – SPD und FDP

– eingebrachten Entschließungsantrag, Drucksache 7/2 042, dargelegt sind. Ich habe mir erlaubt und wir haben gestern im Fraktionsvorstand gesagt, die sollte heute noch einmal im Wortlaut in die Fächer gelegt werden, soll man bei der Hand haben. Das ist Argu- mentation und Argumentationshilfe. Wir hatten das Pech, dass dieser Entschließungsan- trag nicht in den Ausschüssen behandelt worden ist und nach kurzer Zeit auch nicht mehr behandelt werden konnte, weil ja die Gerichtsprozedur dazwischen kam. Aber An- trag bleibt Antrag und da steckt drin, was wir zu diesem Gesetzeswerk gesagt haben und an dem wir festhalten. Und drittens möchte ich sagen, der Respekt für die Verfassungs- organe ebenso wie unsere Achtung gegenüber Andersdenkenden verbieten es uns, an der zur Verunsicherung der Mitbürgerinnen und Mitbürger in Szene gesetzten Gesetzes- schelte, die mithilfe von Spekulationen betrieben wird, teilzunehmen. Ich denke, wir soll- ten und hätten Grund, das in aller Deutlichkeit zu sagen. (Beifall.) Zweiter Gegenstand, zu dem ich mich jetzt hier in dieser Kurzberichtsform zu äußern habe, ist der Punkt Steueraufklärung und Darlegungen, die wir in unseren Sitzungen in Berlin dringend für notwendig gehalten haben. Der Bundesminister der Finanzen hat mir geschrieben, wie die Fraktion darüber informiert ist, dass die Regierung eine entsprechende Anzeige am Mittwoch oder Donnerstag laufen lassen werde und flankie- rend dazu würden sie am Dienstagmittag eine große Pressekonferenz zum gleichen The- menkreis abhalten und dabei auch alle Medien ansprechen. Außerdem soll und ist fest- gelegt, Ende Februar, also zum Zeitpunkt der nächsten Lohn- und Gehaltszahlung – ich nehme an, er meint vielleicht Ende Januar, aber – erneut einen ganzen Tag lang eine Te- lefonaktion zu machen. Eine Aktion, wie sie aus anderem Anlass von diesem und von anderen Ministerien schon mit großem Anklang in anderen Fragen geführt worden ist. Der dritte Punkt, den ich hier kurz anzuleuchten habe, ist, dass wir gestern im Frakti- onsvorstand die Anregung aufgegriffen haben, dass der Arbeitskreis für Arbeit und So- zialordnung zu dem Thema, das man Jugendarbeitslosigkeit nennt, einen Textvorschlag für eine Erklärung, die die Fraktion auch öffentlich machen kann, uns unterbreitet. Der vierte Themenkreis betrifft die Notwendigkeiten, die sich im Zusammenhang mit dem Moratorium, das heißt der gemeinsamen Erklärung der Bundesregierung und der Regierungen der Länder zu einer stabilitätskonformen Steuerung der Personalkosten im öffentlichen Dienst ergeben. Unseren Mitgliedern ist der Text dieses Moratoriums und die Protokollnotiz dazu unter dem 13. Januar im Wortlaut übermittelt worden. Es soll, um diesen Notwendigkeiten gerecht zu werden, versucht werden, im Anschluss an die heutige, inzwischen schon gewesene, und da wird dann kurz berichtet werden, Sitzung der Bundestags- und Landtagsfraktionsvertreter einen gewissen Nachdruck zu geben. wird den Bericht geben.

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Das Fünfte: Im Zusammenhang mit sogenannten Dringlichkeitsfragen der CDU wird am Mittwoch, morgen also, eine Debatte geführt werden im Rahmen einer Aktuellen Stunde zu den Themen Steuerschätzung und Haushaltspolitik, die mit den Dringlich- keitsfragen aufgerissen werden. Das leitet schon über, wenn auch dazwischen ein Inter- vall von 14 Tagen ohne Plenarsitzungen hier kommt, zu dem, was in der ersten Sitzungs- woche sowohl mit dem Jahreswirtschaftsbericht, den die Regierung morgen verabschie- den wird, der inzwischen dann wieder Gegenstand von Pressekommentaren sein wird, und Haushaltsplan ’75, den wir in dieser ersten Sitzungswoche im Februar debattieren, Gegenstände dieser Debatte sein werden. Wobei es immer um den Kurs für den kon- junkturellen Aufschwung mit Stabilität geht, was ja auch die grundlegenden Fragen bei allen Gesprächen und Diskussionen im Zusammenhang mit den Landtagswahlkämpfen sind, und eine ganze Reihe unserer Genossinnen und Genossen werden ja in diesen nächsten Tagen – nächste Woche und auch übernächste Woche – in Rheinland-Pfalz und an den entsprechenden Stellen in Delegationen und in Versammlungen das ihre dazu tun. Wir werden heute, und das ist das Sechste, Zwischenberichte zu dem Komplex Maßnah- men der Jugendhilfe als auch in einem anderen Zusammenhang zu der Entwicklung des- sen, was unter dem Sammeltitel Eherechtsreform zu verstehen ist, bei den entsprechen- den Tagesordnungspunkten aufrufen und entsprechende Informationen, die für uns alle wichtig sind, hören. Das waren die Punkte, über die ich hier kurz zu berichten hatte. Wird das Wort gewünscht? Bitte. Huonker : , du hast davon berichtet, dass jetzt einige Aktionen zur Auf- klärung über die Steuerreform geplant sind. Meine Frage ist, gerade im Hinblick darauf, dass die CDU mit hanebüchenen neuen Flugblättern, die sie zu Zehntausenden auf die Straße wirft zur Steuerreform, ob auch geplant ist über das, was du gesagt hast, hinaus, dass Regierung oder Partei Flugblätter und eine Broschüre, die sich insbesondere mit den sogenannten Fußkranken der Steuerreform befasst? Es wird für unsere Genossen nicht ausreichen, wenn sie sich dann in der Diskussion und bei Straßenaktionen beziehen allein auf Rundfunk-/Fernsehinterviews und auf Zeitungsanzeigen. Meine dringende Bitte und Frage, ob und wann so was von der Partei kommt? Ich halte es für unerlässlich. Wehner : {…} beantworten müssen. Der Brief, wenn ich ihn im Wortlaut vorlesen würde, zeigt, dass er offenbar schon seine Schwierigkeiten gehabt hat wegen Presseamtsproble- men, die nun für Mittwoch oder Donnerstag angekündigte entsprechende Anzeige vom Eis zu bringen, dass heute außerdem die Pressekonferenz – er schreibt, große Pressekon- ferenz – angekündigt ist, habe ich kurz erwähnt, ebenso die Telefonaktion. Wir haben schon in Berlin gesagt, was wir nach {…} können, kommt alles sehr spät. Das ist ein Ab- geordnetenbrief und Ähnliches, angewiesen auf, verteilt zu werden. Aufzustapeln hätte keinen Sinn. Aber vielleicht sagen sie uns vom Finanzministerium etwas Genaueres noch. Scheint nicht der Fall zu sein. Offergeld ! Offergeld : Ja, Herbert, ich kann nur sagen, dass wir diese Bitte zur Kenntnis nehmen. Die Anregung ist schon von anderen Seiten auf uns zugetragen worden. Wir werden mit Hans Apel noch mal über das sprechen, und zwar möglichst heute noch. Wehner : Da waren noch Wortmeldungen. . Huber : Genossinnen und Genossen, ich möchte gerne eine euch sicher sehr nützliche Information {…} 1 – ich möchte euch gerne eine sicherlich im Moment nützliche Infor- mation geben zu dem besonders brennenden Problem der Doppelverdiener, die wir jetzt Beidverdiener nennen, ich sag’ extra den alten Ausdruck noch, weil das immer so

1 Probleme bei der Tonbandaufzeichnung.

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diskutiert wird. Heute hat das Finanzministerium mitgeteilt, dass bis zu 150 000 Mark 2 Jahreseinkommen bei beiden {…} –, dass bis zu 150 000 Mark Jahreseinkommen bei die- sem Personenkreis eine Entlastung stattfindet und dass es sich hier um 95 Prozent der Doppelverdiener handelt. Das Problem ist dadurch so verschärft, und das haben manche Abgeordnete im System auch bisher sehr schwer verstanden, dass die Besteuerung früher manipuliert worden ist. Man hat die wirkliche Monatsrate der Steuern – nämlich Lohn- steuer – bei beiden zu niedrig angesetzt, sie deckte nicht ein Zwölftel der Jahressteuer- schuld, und darum gab es hier erhebliche Forderungen, die als Nachzahlung oder auch als Vorauszahlung diesen Leuten abgenommen wurden. Dies entfällt jetzt in weiten Tei- len. Wenn ich sagen muss in weiten Teilen, dann liegt das daran, dass wir hier überlastet sind mit dem sehr komplizierten System einer möglichen Wahl der Steuerklassen. Leider stelle ich fest, dass in den Finanzämtern sogar Finanzamtsvorsteher über diese Vorgänge sehr wenig wissen und sehr schlecht unterrichtet sind und dass sie Leuten, obwohl der Erlass zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen schon da ist, dass sie Leuten rundheraus erklären, einen Wegfall von Vorauszahlungen gibt es nicht und Nachzahlungen werden nach wie vor gefordert. Da herrscht ein ziemlicher Wirrwarr auch in der Finanzverwal- tung. Ich will nur sagen, man kann zwischen Steuerklasse vier/vier wählen, für beide die gleiche, dann entfällt also die Nachzahlung in den meisten Fällen und auch die Voraus- zahlung, und bei drei/fünf ist etwas anders. Man kann sein Monatsnettoeinkommen va- riieren. Man kann bis zu 200 Mark netto im Monat mehr haben bei richtiger Wahl der Steuerklassen. Leider gibt’s keine Faustregel. Man muss sich da informieren. Aber das Wichtigste ist, den Leuten zu sagen, ihre Jahressteuerschuld wird gemindert und sie wer- den bis auf fünf Prozent alle entlastet. Wehner : {…} Blank . Blank : Rainer Offergeld hat uns freundlicherweise und sehr hilfreich eine Information zugestellt und ich würde die furchtbar gerne an die Ortsvereinsvorsitzenden mit entspre- chenden Zahlen geben. Ist damit zu rechnen, dass die Fraktion entsprechende Vervielfäl- tigungen macht und kann man die bekommen? Wehner : Konrad Porzner . Porzner : Ich glaube, das kann man, wenn man noch etwas ergänzt zum Kindergeld da- zuschreibt, Beispiele, wie sie Antje Huber eben gebracht hat, in der Form zur Verfügung stellen, wie ich das auch gemacht habe und im Ministerium vervielfältigen lassen. Wehner : Weitere Wortmeldungen? Dann Gerd Jahn zu der Bund-Länder-Konferenz heute. Jahn : Genossinnen und Genossen, wir haben verhältnismäßig kurzfristig die Vorsitzen- den der SPD-Landtagsfraktionen zu einem Gespräch hier eingeladen, um mit ihnen zwei wichtige Themen zu erörtern: die wirtschafts- und finanzpolitische Lage und die besol- dungs- und tarifpolitische Lage im öffentlichen Dienst. Uns schien angesichts der gegen- wärtigen Situation eine möglichst frühzeitige und intensive Erörterung dieses Themas mit den Genossen in den Ländern deshalb notwendig, damit sie einmal ein möglichst ungeschminktes Bild über die gegenwärtige Lage bekommen und zum anderen dadurch in den Stand versetzt werden, ihre eigenen politischen Entscheidungen auch in der Aus- einandersetzung mit den anderen Landtagsfraktionen daran auszurichten. Hans Apel hat an der Konferenz teilgenommen, jedenfalls an ihrem ersten Teil, und hat in sehr eindeutiger Form und unter Offenlegung der von ihm erarbeiteten Zahlen ein ganz ungeschminktes Bild der Schwierigkeiten der gegenwärtigen und zu erwartenden

2 Probleme bei der Tonbandaufzeichnung.

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finanziellen und Haushaltsentwicklung gegeben und sehr eindeutig darauf hingewiesen, dass Mehranforderungen an die öffentlichen Haushalte – jedenfalls aus der Sicht des Bundes – in diesem und im nächsten Jahr nicht akzeptiert werden können. Er hat dann einige wichtige Hinweise zur konjunkturpolitischen Entwicklung gegeben und ist vor allen Dingen entgegengetreten der Auffassung, dass die Hilfen, die mit dem Konjunk- turförderungsprogramm gegeben werden, insbesondere die Investitionshilfe, nicht ange- nommen werde. Er hat richtiggestellt, dass gegenteilige Behauptungen unzutreffend sind, im Gegenteil, dass diese Hilfen in zunehmendem Maße angenommen werden und erste Wirkungen zeigen. (Unruhe.) Wie es nicht ausbleiben konnte, ist auch dort die Frage der Auswirkungen der Steuerre- form auch aus der Sicht der Vertreter der Landtagsfraktionen sehr eingehend erörtert und sehr nachdrücklich die Bitte um ausreichende Information unterstützt worden. (Unruhe.) Die Bitte ist erstreckt worden allerdings nicht nur an die Bundesregierung, sondern – das muss ich der Vollständigkeit halber hier zitieren – auch eine entsprechende Erwartung an die Partei ausgesprochen worden. Karl Liedtke hat dann zum zweiten Thema der Besoldungssituation, der Situation im öffentlichen Dienst, der tarifpolitischen Situation eine gründliche Darstellung gegeben, die dazu geführt hat, dass zwei Feststellungen getroffen worden sind. Erstens – und das war eines der wichtigen Ziele in dieser Zusammenkunft – das Moratorium, das zwischen der Bundesregierung und den Landesregierungen vereinbart worden ist und auf das von Herbert Wehner hingewiesen worden ist, wird von den Vorsitzenden und Vertretern der Landtagsfraktionen in vollem Umfange mitgetragen und unterstützt. Und zweitens wurde auch dort die Auffassung vertreten, dass bei den anstehenden tarifpolitischen und besoldungspolitischen Auseinandersetzungen im öffentlichen Dienst, bei allem Respekt vor der Tarifhoheit und der darin liegenden eigenen Verantwortung der Tarifpartner, dass der Spielraum dort außerordentlich eng ist und dass das, was an Vereinbarungen zustande kommt und was dort geregelt werden kann, sich ausrichten muss an der gegen- wärtigen finanz- und konjunkturpolitischen Situation. Die notwendige, von uns ge- wollte, von Alex Möller und in erster Linie mit Recht geforderte Ab- stimmung mit den Landtagsfraktionen ist also in der wirksamsten Weise, auf die wir Ein- fluss nehmen können, damit erfolgt. Wir haben noch eine etwas ausführlichere als diese kurzen Hinweise, etwas ausführlichere Pressemitteilung in Arbeit, die in der nächsten halben Stunde, so hoffe ich, hier verteilt werden kann. Vielen Dank. Wehner : Wird das Wort dazu gewünscht? [B.] Wehner : Dann rufe ich auf Punkt 2. Wer wünscht das Wort zu Fragen? Helmut Lenders . Lenders : Liebe Genossinnen und Genossen, ich möchte diesen Punkt benutzen, um eine Bitte auszusprechen. Wir planen jetzt die Fraktionsdelegationen für Nordrhein-Westfa- len. Es haben sich schon eine ganze Reihe von Genossinnen und Genossen aus der Frak- tion gemeldet, aber gemessen an den Erwartungen und Wünschen unserer Genossen in Nordrhein-Westfalen fehlen uns noch einige Beteiligungen. Ich habe eben in die Fächer legen lassen noch einmal eine Anmeldung für diese Fraktionsdelegationen nach Nord- rhein-Westfalen und bitte euch herzlich, noch mal den Terminkalender zu prüfen. Wir brauchen noch etwa zehn Genossinnen und Genossen aus der Fraktion, um die nord- rhein-westfälischen Freunde angemessen in ihrem Wahlkampf unterstützen zu können. Bitte schaut noch einmal nach und gebt mir den Zettel möglichst heute oder morgen

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zurück, damit wir rechtzeitig hier mit der weiteren Planung fortfahren können. Schönen Dank. Wehner : Ich bitte auch darum, dass man dem, soweit das irgendwie geht, folgt. Das Wort zur Frage hat Genosse Löffler . Löffler : Eine Frage an den Genossen . Die Aufwendungen für die Kran- kenversicherung der Rentner müssen gedeckt werden, und da die Rentenversicherung das nicht alleine tragen kann, sollen auch die Krankenkassen hinzugezogen werden. Zu- nächst war wohl im Schoße der Regierung daran gedacht, den Fehlbetrag auf die einzel- nen Krankenkassen nach den Lohnsummen umzulegen, die von ihren Mitgliedern reprä- sentiert werden. Jetzt haben sich sowohl AOKs als auch Innungskrankenkassen darüber beschwert, dass dieses in Aussicht genommene Verfahren geändert worden ist und nun- mehr die Umlage nach der Anzahl der Mitglieder erfolgen soll, das heißt also pro Kopf innerhalb der Krankenkassen soll der gleiche Betrag aufgewandt werden. Da die In- nungskrankenkassen und die AOKs ja verhältnismäßig viele Mitglieder haben, die wenig verdienen, ist ihre Haltung nach meinem jetzigen Informationsstand verständlich. Ich darf mal fragen: Stimmt das, wie die uns das mitteilen und was veranlasst die Regierung zu dieser Regelung? Wehner : Ist das eine Zusatzfrage Hans Urbaniak ? (Zwischenruf: Nicht dazu.) Nicht dazu. Bitte Hermann Buschfort . Buschfort : Es trifft zu, dass die Verhandlungen so verlaufen sind, wie du es grade ge- schildert hast. Die ursprüngliche Regelung hatte einen allgemeinen gleichen Ausgleich für alle Kassenarten vorgesehen. Dieser Ausgleich war nicht durchsetzbar im Koalitions- gespräch und das Ergebnis ist eben so, wie du es grade genannt hast. Dazu ist aber zu bemerken, dass bei diesem Ergebnis trotzdem die gesetzlichen Kassen – also die Innungs- krankenkassen, die Betriebskrankenkassen und die Ortskrankenkassen – einen wesent- lich höheren und gerechteren Anteil erhalten im Verhältnis zur bisherigen Regelung und die Unterschiede zwischen den einzelnen Kassenarten, das heißt also Innenkrankenkasse beispielsweise und Ortskrankenkasse, ist nur ganz geringfügig, so dass man mit dieser Regelung, wie sie jetzt zustande gekommen ist, sehr wohl leben kann, obwohl es nicht den letzten Ausgleich und die letzte Gerechtigkeit gebracht hat. Wehner : Hans Geiger zu dieser Frage noch? (Zwischenruf: Nicht direkt.) Nicht direkt. Dann also Urbaniak . Urbaniak : Genossinnen und Genossen, wir haben ja über die Ausbildungssituation be- ziehungsweise über die Beschäftigungssituation junger Arbeitnehmer gesprochen und wir waren uns wohl darüber im Klaren, dass die Ausbildungsplätze im öffentlichen Be- reich, insbesondere Bundesbahn und Bundespost, voll ausgefahren werden sollten. Ich hätte gern gewusst, ob wir da etwas Näheres drüber hören können? Wehner : . Rohde : Liebe Genossinnen und Genossen, aufgrund des Fraktionsbeschlusses, aber auch aus der Sache heraus haben und wir miteinander verhandelt, was auf die- sem Felde zu tun ist. Ich darf jetzt auch in Übereinstimmung mit Kurt Gscheidle , der das sonst machen würde, aber nicht hier sein kann heute, Folgendes dazu sagen: Als Sofortmaßnahme zur Behebung des Mangels an Ausbildungsplätzen in diesem Jahr hat die Bundesregierung die in ihrem Bereich verfügbaren Ausbildungsplatzmöglichkei- ten überprüft und diese Überprüfung hat für Bahn und Post folgendes Ergebnis gehabt.

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Die Bundespost wird über ihren Bedarf hinaus im Laufe des Jahres 1975 weitere etwa

1 800 Ausbildungsplätze aus eigenen Mitteln zur Verfügung stellen. Der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen wird diese 1 800 Ausbildungsplätze regional so an- bieten, dass an allen Orten, an denen Ausbildungsstätten der Post bestehen, ein entspre- chendes Ausbildungsplatzangebot erhalten bleibt. Darüber hinaus werden der Bundes- minister für das Post- und Fernmeldewesen in Zusammenarbeit mit unserem Ministe- rium sowie dem Arbeitsministerium in den nächsten Wochen prüfen, in welchen Regio- nen mit hohen Ausbildungsplatzdefiziten die im Laufe dieses Jahres zusätzlich bei der Post freiwerdenden Ausbildungskapazitäten von der Wirtschaft oder anderen Ausbil- dungsträgern, auch unter Inanspruchnahme von Mitteln der Bundesanstalt für Arbeit und anderer öffentlicher Förderungsmöglichkeiten, genutzt werden können. Bestimmte Ausbildungsabschnitte, insbesondere für elektrotechnische und metallverarbeitende Be- rufe, können in den Ausbildungsstätten der Post als überbetriebliche Ausbildung ange- boten werden. Das ist der Sachstand, Genossinnen und Genossen. Kurz zusammengefasst, dass hier

über den Bedarf hinaus die Anstrengung gemacht werden soll, 1 800 Plätze anzubieten, und im Laufe des Jahres verhandelt wird, dass freiwerdende Ausbildungskapazitäten für andere Bereiche der Wirtschaft zur Ausbildung unter Inanspruchnahme der Förderungs- möglichkeiten genutzt werden sollen. Wehner: Zusatz? Zusatzfrage dazu? Sperling ! Sperling : Könntet ihr bitte das nach draußen so formulieren, dass völlig klar ist, dass die bisher ungenutzten oder wahrscheinlich nicht genutzten Ausbildungskapazitäten der Post garantiert zur Verfügung steht, statt zu sagen, wir prüfen und wir werden verhan- deln und so weiter? Wehner : Helmut Rohde . Rohde : Genosse Sperling , wir werden klarmachen nach draußen, dass über die ursprüng- lichen Bedarfsrechnungen hinaus 1 800 Plätze zur Verfügung gestellt werden sollen und dass im Übrigen die darüber hinaus im Laufe dieses Jahres freiwerdenden Plätze für an- dere Ausbildungsmöglichkeiten auch genutzt werden sollen. Das werden wir deutlich machen. Weiter kann ich hier zu dem Sachverhalt nichts sagen, das wirst du verstehen, denn ich kann nicht über die Entscheidungen eines anderen Ressortministers verfügen. Wehner : Zusatzfrage, Herta Däubler-Gmelin . Däubler-Gmelin : Genosse Rohde , entschuldige, aber ich muss noch mal nachhaken. Erstens ist der Bereich der Bahn ja noch nicht zur Sprache gekommen. Dort stellt sich das Problem ja auch. Als Zweites müssten wir einfach wissen, die wir also betroffene Lehrwerkstätten haben von Post und Bahn, welche Größenordnungen da überhaupt in

Rede stehen. Wieviel sind denn 1 800, die hier zur Verfügung stehen? Können wir nach da draußen dort überhaupt was gewinnen? Wehner : Helmut. Rohde : Die Situation mit der Bahn, darauf werde ich hier nicht eingehen können. Ich bitte um euer Verständnis dafür. Das sind Entscheidungen, die in dem zuständigen Res- sort unter den Gesamtgesichtspunkten getroffen werden können. Diese 1 800 sind ein zusätzliches Angebot. Es ist ja nicht so, dass jetzt alle Plätze auf einmal frei werden im Postbereich, sondern dass das im Laufe des Jahres frei wird und wir uns darauf geeinigt haben, und das ist teilweise schon eingeleitet worden {…} 3 verhandeln, dass diese frei

3 Aufnahmestörung.

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werdenden Kapazitäten der Post für überbetriebliche und andere Ausbildungsformen in der Wirtschaft mit genutzt werden sollen. Wehner : Noch eine Zusatzfrage, Genosse Büchler . – Da war noch eine Zusatzfrage bitte. Steinhauer : {…} vom Personalrat der Deutschen Postgewerkschaft aus dem Bezirk

Dortmund hier die Zahlen. ’73 hat die Post 7 000 Auszubildende gehabt, ’74 ist sie run- tergegangen auf 4 600 und ’75 2 180. Wenn ich dich richtig verstanden habe, ist das wohl

der Bedarf. Kämen die 1 800 auf die 2 180, rundgerechnet 4 000, würde das trotzdem eine

Minderung von 3 000 Ausbildungsplätzen bedeuten. Ist geplant, diese freizugeben für überbetriebliche Mitbestimmung oder bestehen hier noch Möglichkeiten, dass die Post das auch noch weiter ausbaut? Wehner : Ernst Haar . Haar : Genossinnen und Genossen, ich will zur Post und zur Bahn eine Bemerkung ma-

chen. Zunächst was die Post anlangt, die 1 800 Plätze werden zusätzlich nach der Verein- barung zwischen Helmut Rohde und Kurt Gscheidle ausgeschöpft. Das Zweite ist, dass geprüft wird unter Änderung des Berufsbildes. Ich will das an einem Beispiel deutlich machen. Wir können doch keine Fernmeldemechaniker ausbilden lassen durch die Post auch mit Mitteln des Bundes, wenn die Leute nachher von der Post nicht übernommen werden können. Das heißt, da muss das Berufsbild zuerst geändert werden, damit die Leute mit Berufschancen echt ins Berufsleben eintreten können. Eine zweite Bemerkung, was die Bahn anlangt. (Unruhe.) Wenn im Werkstättenbereich in den letzten Monaten eine Anpassung an den verminder- ten Bedarf erfolgt ist, dann wird nach dieser Vereinbarung schnellstens in Zusammenar- beit mit der Deutschen Bundesbahn geprüft, wo wir auf anderem Wege, nämlich durch überbetriebliche Träger der Ausbildungskapazitäten ebenfalls zu einer Vermehrung der Ausbildungsstellen kommen können. Das lässt sich nicht in zwei Wochen regeln. Das steht aber in dem Papier drin. Wehner : Zusatzfrage, Dietrich Sperling . Sperling : Ich bin mit dieser Antwort deswegen nicht zufrieden, weil schon in einer früheren Fraktionssitzung völlig klar war, dass es nicht um Fernmeldetechniker gehen kann, sondern es geht darum, die Ausbildungskapazitäten der Bundespost unverkürzt bereitzustellen. Natürlich für andere Berufsausbildungen und dann wird man sich darum zu kümmern haben, für welche dies sein kann. Aber das, was mich bedrückt, ist, dass

auch die Zahlen, die eben vorgetragen wurden, wieder nur die Ziffer 1 800 kommt. Dies reicht mir nicht. Ich möchte die feste Zusage haben, dass das, was der Vorsitzende der

Deutschen Postgewerkschaft in Rundfunksendungen anbietet, 6 000 Plätze, dass die ge- nutzt werden. Wehner : Ernst Haar . Haar : Ich darf noch mal auf den letzten Absatz dessen, was Helmut Rohde hier vorge- lesen hat, als Übereinkunft verweisen. Es wird gegenwärtig geprüft, ob im Laufe dieses Jahres weitere Ausbildungskapazitäten durch eine überbetriebliche Vereinbarung ge- nützt werden können. Das ist keine Sache, die wir innerhalb von zwei, drei Wochen klä- ren können. Dafür bitte ich um Verständnis. Wenn wir das schnell handhaben, dann sind Leute dran, die wiederum entgegen unserer eigenen Vorstellungen versuchen, Hand an- zulegen in der Berufsausbildung. Das muss also eine Trägerschaft sein, die auch den Vor- stellungen der Gewerkschaften entspricht. Im Übrigen darf ich noch eine Bemerkung machen, wenn hier zweimal eine Feststellung auch für die Postgewerkschaft getroffen wird. Wir würden um einiges leichter gefahren

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sein in den letzten Monaten in diesen Fragen, wenn es keinen wiederholten Beschluss eines Gewerkschaftskongresses der Deutschen Postgewerkschaft geben würde, der ver- bindlich verlangt auch über die Personalräte bei der Post, dass alle ausgebildeten jungen Menschen bei der Post sofort angestellt werden müssen. Das ist nämlich genau das Prob- lem. Ihr könnt nicht auf der einen Seite eine Kommission einsetzen, die Kurt Gscheidle bindet, Personal einzusparen und auf der anderen Seite euch auf Beschlüsse berufen und sagen, jetzt habt ihr auszubilden. Das ist doppelzüngig. (Vereinzelter Beifall.) Wehner : Holger Börner, Zusatz. Börner : Ja, bei allem Verständnis für die Argumentation von Ernst Haar , wollen wir uns doch hier nicht auf Nebenkriegsschauplätze verzetteln. Worum geht’s denn? Das politi- sche Problem der arbeitslosen Jugendlichen und die fehlenden Lehrstellen sind eine Frage, die die Partei über Monate beschäftigen wird. Wir haben in Wahlkreissprechstun- den und bei vielen anderen Gelegenheiten in Diskussionen die Pflicht, nicht nur auf Prü- fungsaufträge zu verweisen, sondern was wir brauchen ist eine Unterstützung des zu- ständigen Ministers, nämlich Helmut Rohde , dass dort, wo Kapazitäten – das heißt Hal- len und Schraubstöcke – zur Verfügung stehen, der Träger gefunden wird und nicht die SPD mit der Antwort sich zufrieden geben muss, dass erst ’ne Baugrube ausgehoben werden muss für ’ne neue Lehrwerkstatt – mal im Klartext, ja. (Vereinzelter Beifall.) Das ist der Punkt, worum es geht. Post und Bahn haben in ihrem Facharbeiterreservoir genügend Leute, die Ausbildungsbefähigung haben. Sie haben leerstehende oder halb leerstehende Ausbesserungsstätten für Loks und Ähnliches, während an anderer Stelle die erst geschaffen werden müssten, und der politische Wille der Fraktion vor drei Wo- chen war, dass diese leeren Hallen und die vorhandenen Ausbilder genutzt werden, um die Berufe zu fördern, die unabhängig vom Firmeninteresse der Post oder vom eigen- wirtschaftlichen Interesse der Post und der Bahn auch in anderen Berufen in der Privat- industrie eingesetzt werden können. Ich bitte dringend hier, Helmut Rohde in diesem Bemühen zu unterstützen. Denn macht euch nix vor: Dieses ist eine Frage, die zielt in unsere Kernwählerschicht, und wenn wir bis zum Schulentlassungstermin nichts anderes erfunden haben wie Prüfungsaufträge, dann wird die Partei das in Wahlen bezahlen müs- sen. (Starker Beifall.) Wehner : Zusatzfrage, Rolf Meinecke . Meinecke (Hamburg): Genossinnen und Genossen, in Anbetracht der Tatsache, dass auch ein erweitertes Angebot bei Bahn und Post die Sache nicht wesentlich entspannen und ändern wird, sondern es sich um ein ganzes Bündel von Maßnahmen handelt, die übrigens im Bulletin der Bundesregierung, das ihr leider heute Morgen erst in die Fächer gelegt bekommen habt, vom vergangenen Freitag zum Teil enthalten sind, frage ich den Bundesminister und Genossen Rohde , ob es nützlich ist, wenn er uns vielleicht das Er- gebnis seines Gespräches gestern mit unseren Kultusministern hier bekannt gibt, inwie- weit auch von dieser Position her, wenn sich die Lage zuspitzen sollte, Entlastungsmaß- nahmen durchgeführt werden können. Wehner : Helmut Rohde . Rohde : Holger, zu dem ersten Punkt: Wir haben durch die Verhandlungen erreicht, dass zunächst erst mal über den Bedarf hinaus die 1 800 Plätze bereitgestellt werden sollen, direkt für die Ausbildung bei der Post, weil nämlich von einem Tag zum anderen nicht überall Träger gefunden werden können und hier die Post jetzt bereit war, eine

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zusätzliche Anstrengung zu machen, um die innerhalb ihres eigenen Bereichs auszubil- den. Und diese 1 800 Plätze sollen insbesondere da konzentriert werden, wo es starke Berufsausbildungsdefizite regionaler Art gibt. Das ist das Erste. Das Zweite ist das ganz konkrete Angebot von uns, mit den Mitteln des Bildungsminis- teriums zu unterstützen, dass diese anderen weiteren Ausbildungskapazitäten, die im Laufe dieses Jahres bis zum Herbst frei werden, denn jetzt werden da ja noch welche ausgebildet, dass die genutzt werden für überbetriebliche Ausbildungsstätten oder an- dere Einrichtungen, die von den Trägern der Berufsausbildung in der Wirtschaft betrie- ben werden können. Das werden wir aktiv machen. Da sind wir nicht am Prüfen, sondern das wollen wir. Es handelt sich jetzt darum, die Träger in den nächsten Wochen zu fin- den, die diese Ausbildungskapazitäten übernehmen. Das – wie gesagt – werden wir fi- nanziell fördern. Wir hätten nicht alles machen können. Die 1 800 jetzt direkt zu haben, ist schon ein wichtiger Schritt über die bisherigen Bedarfspläne. Zum Dritten werden wir heute eine Presseinformation herausgeben, Rolf Meinecke , die Bezug nimmt auf ein Gespräch mit den sozialdemokratischen Kultusministern. Mit ei- nem Satz zusammengefasst beinhaltet die, dass die sozialdemokratischen Kultusminister in ihren Ländern alle Anstrengungen machen wollen, um zusätzliche Kapazitäten im Be- rufsschul- und Fachschulbereich zu gewinnen, um jenen Teil von Schulabgängern, die in diesem Jahre keinen Ausbildungsplatz finden, eine schulische Ausbildungschance anzu- bieten. Aber, Genossinnen und Genossen, ich muss fairerweise hinzufügen, dass die so- zialdemokratischen Kultusminister gesagt haben, das kann nur eine ergänzende Leistung sein. Das Schwergewicht, wir können es wenden, wie wir wollen, hängt von dem Aus- bildungsplatzangebot der Wirtschaft im Ganzen für 1975 ab. Das dürfen wir auch nicht auf Nebenkriegsschauplätze verschieben lassen, denn – das will ich zum Schluss noch anfügen – die wir jetzt in schulische Förderungslehrgänge bringen, werden die sein, die kumulativ zu den Schulabgängern des Jahres 1976, und zwar damit im Wahljahr, als Lehrstellensuchende auftreten werden, und es gibt hier Strukturprobleme, die man nicht nur mit Sofortmaßnahmen, sondern nur mit einer Reform der beruflichen Bildung lösen kann. Wehner : Zusatzfrage, Andreas von Bülow . von Bülow : Ja, ich habe keine Zusatzfrage, ich wollte nur eine Bemerkung machen zu dem, was Ernst Haar gesagt hat, und wollte ihn unterstützen. Die Probleme sind ja we- sentlich schwieriger, als sie hier teilweise dargestellt worden sind. Wir sind uns einig dar- über, dass maximal viele Ausbildungsplätze in irgendeiner Form überbetrieblich genutzt werden sollen von Bahn und Post. Aber ich erinnere mich an einige Politiker, die aufge- standen sind bei der Gebührenerhöhung, bei der letzten Gebührenerhöhung der Bun- despost, gebrüllt haben gegen diese Gebührenerhöhung, sagten, die passt nicht in die po- litische Landschaft und die dann mit dazu geführt hat, dass wir diese Kommission einge- setzt haben. Bei dieser Kommission war dann die eindeutige Forderung, dass die Ausbil- dungskapazität zurückzuführen ist, das war der Wille dieser Fraktion, auf das langfristig einzustellende Personal. Darauf muss hingewiesen werden und es nutzt uns überhaupt nichts, wenn wir von Problembewältigung zu Problembewältigung taumeln. Das Erste war die Gebührenerhöhung, die finanzielle Situation von Bahn und Post, die geradezu fantastisch schwierig ist. Das Zweite ist jetzt das zurückgehende Lehrstellenangebot. Wenn wir jetzt unvorsichtig und unkritisch alles übernehmen, was an Ausbildungskapa- zität da ist, haben wir in dreieinhalb Jahren die Diskussion, was geschieht mit den dort ausgebildeten Leuten. Das heißt, Bahn und Post müssen sich überlegen mit ihrem Personal eingebunden in überbetriebliche Lehrwerkstätten, wie sie die Berufsbilder so ändern können, dass die

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Leute tatsächlich eine Berufschance nachher haben. Alles andere hat doch keinen Sinn und ist eine reine Augenauswischerei. Denn, Genossinnen und Genossen, Siemens, AEG-Telefunken müssen parallel zur Deutschen Bundespost ihre Ausbildungskapazität abbauen, weil die Nachfrage nach den Produkten und die Einrichtung, die dort gefordert wird, im Telefon-, im Fernsprechbereich nicht mehr in diesem Umfang expandiert. Das heißt, wenn wir bei der Post entsprechend einstellen oder dort weiter ausführen und AEG-Telefunken {…}, haben eine fantastische Überkapazität ausgebildet in diesem Be- reich und das bringt uns dann die Probleme auch in den Parteiversammlungen in drei- einhalb Jahren. Also ich bitte, man muss ein bisschen Verständnis dafür haben, dass die Fachverwaltungen sich nun etwas Mühe geben und teilweise auch ein bisschen Zeit lassen müssen, um dieses Problem mit den Berufsbildern und der Zukunft dieser auszubilden- den Jugendlichen zu bewältigen. Das kann nicht so mit der leichten Hand gemacht wer- den. Wehner : Noch ein Zusatz. . Westphal : Genossen, nach dieser, nach meinem Eindruck sehr wichtigen und hilfreichen Diskussion möchte ich gerne vorschlagen, dass Helmut Rohde auch noch eine kurze Zu- satzbemerkung zu Folgendem macht. Seit der vergangenen Woche sind auf dem Markt diese Vorschläge der CDU/CSU zu dem Thema Lehrstellenproblematik. Dabei ist dieser ganz unsinnige Vorschlag, 4 000 Mark an jeden zu geben, der Lehrstellen bereitstellt und man denkt an 20 000. Über die Problematik werden wir in unseren Wahlkreisen zu dis- kutieren haben und es wird sicher hilfreich sein, wenn der Helmut Rohde dazu noch eine erklärende Bemerkung macht, die die Sache dann also auch für uns argumentationsfähig macht. Wehner : Helmut Rohde . Rohde : Genossinnen und Genossen, das ist eine ganz sibyllinische Formulierung, die die CDU dort aufgenommen hat. Morgen wird im zuständigen Ausschuss darüber beraten wie über die anderen Unterlagen, beispielsweise die Erklärung der Bundesregierung. Dann wird die CDU/CSU zu fragen sein, was sie eigentlich meint. Ob das beispielsweise bedeutet, dass derjenige einen solchen Beitrag erhält, der irgendwann im Laufe dieses Jahres zu irgendeinem Zeitpunkt einen Ausbildungsplatz zur Verfügung stellt. Das würde beispielsweise die Gefahr beinhalten können, dass derjenige belohnt wird, der erst einmal Ausbildungsplätze zurückhält und dann an irgendeinem Zeitpunkt sie anbietet, so dass er glaubt, er würde sich damit förderungskonform verhalten, wenn er Ausbil- dungsplätze zunächst reduziert oder zurückhält. Aber was damit gemeint wird, Heinz Westphal , geht aus den Erklärungen der CDU/CSU nicht hervor. Mein Vorschlag wäre, morgen sie konkret zu befragen, ihnen insbesondere die Frage vorzulegen, welche Ge- fahr das für das Ausbildungsstellenangebot in diesem Jahr haben kann und aufgrund der dann gegebenen Auskünfte im Anschluss an die Ausschusssitzung eine Presseinforma- tion herauszugeben. Wir sollten hier nicht vorschnell urteilen, ehe wir sie nicht abgefragt haben nach dem, was sie wollen. Wehner : Keine weiteren Zusatzfragen? Dann zu einer nächsten Frage, Hans Geiger . – Nächste Frage, Horst Haase . Haase (Fürth): Ich habe eine technische Frage fast. Wie ihr wisst, beziehen also viele inzwischen Arbeitslosengeld. Dazu wird ein Kindergeld gewährt für diejenigen, die also nun über Kinder verfügen. Wenn die das Arbeitslosengeld empfangen, dann kriegen sie natürlich nicht das Kindergeld mit ins Haus geschickt und es entstehen zahllose Rück- fragen. Die Problematik liegt also nun darin, wie man den Leuten gleich mit der Mittei- lung, welche Mittel sie bekommen, welches Arbeitslosengeld sie bekommen, auch be- greiflich machen kann, dass die Beträge für das Kindergeld dann aus einer anderen Kasse

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zu einem anderen Zeitpunkt gezahlt werden. Dieses müsste meiner Meinung nach mög- lich sein, führt aber zu einer tatsächlichen Verstopfung der Arbeitsämter mit diesen Rückfragen. Wehner : Hermann Buschfort . Buschfort : Diese Frage hat auch gestern im Fraktionsvorstand eine Rolle gespielt und wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass man einige Beispiele den Fraktionsmitglie- dern an die Hand geben sollte. Richtig ist, dass der Steuerfreibetrag für die Kinder fort- gefallen ist und dass die Unterschiedlichkeit zwischen Ledigen und Verheirateten sich dadurch ergibt, dass der Verheiratete weniger Steuerabgaben hat und deshalb einen hö- heren Nettobetrag erreicht und da dieser Nettobetrag in einem Verhältnis zu den ge- währten 68 Prozent steht, kommt der natürliche Unterschied zwischen Ledigen und Ver- heirateten zustande. Man muss aber diese neue Regelung, die in aller Regel für Arbeits- lose ein höheres Einkommen erbringt, im Zusammenhang natürlich mit dem neuen Kin- dergeld sehen, so dass man die neue Arbeitslosenregelung von 68 Prozent und das Kin- dergeld, bewertet im Verhältnis zum anderen, beurteilen muss, und dann ergibt sich, dass der Arbeitslose jetzt über höhere Einkommen verfügt als vorher. Wir hatten grade in der vergangenen Woche einmal ein Beispiel errechnet. Danach ergab es sich wohl, dass ein

Arbeitnehmer mit einem vorausgegangenen Bruttoeinkommen von 1 300 D-Mark dann in einer Größenordnung von circa 30 Mark besser gestellt war pro Woche, als das in der Vergangenheit der Fall gewesen ist. Wehner : Zusatzfragen nicht? Horst Haase . Haase : {…} durch eine entsprechende Aufklärungsaktion, unabhängig jetzt von einer Mitteilung an die Fraktionsmitglieder, erreichen, dass wir von dieser absoluten Zahl von 68 Prozent wegkommen. Denn ich glaube, das ist der springende Punkt und das ist also die Ungewissheit. Die rechnen dann nach, das sind keine 68 Prozent und dann gehen die Rückfragen los. Frage also: Kann man nicht in einer Aufklärungsaktion begreiflich ma- chen, dass es sich um eine Circa-Zahl handelt und nicht um eine absolute Zahl? Wehner : Hermann Buschfort . Buschfort : Ich weiß nicht, ob wir uns jetzt falsch verstanden haben, aber die 68 Prozent, das ist eine absolute Zahl. Der Arbeitslose erhält 68 Prozent vom vorausgegangenen im Berechnungszeitraum verdienten Nettoeinkommen. Außerdem erhält er seine Kinder- geldbeträge, wie alle übrigen Bürger in der Bundesrepublik auch für Kinder erhalten, und beides zusammen ist seine neue Einkommensgröße. Es gibt keinen Unterschied, ob ledig oder verheiratet, alle erhalten 68 Prozent. (Zwischenruf.) Wehner : Keine weiteren Zwischenfragen? Buschfort : Die Beschäftigungsdauer hat damit überhaupt nichts zu tun. Die Beschäfti- gungsdauer hat nur etwas damit zu tun, wie lange er diesen Anspruch erhält. Wehner : Wird das Wort gewünscht zu anderen Fragen? Dann gebe ich das Wort Holger Börner zu einer Mitteilung. Börner : Genossinnen und Genossen, vor einiger Zeit war in der Fraktion die Bitte, dass der Parteivorstand ein Flugblatt entwickeln solle, was die Leistungsbilanz unserer Arbeit hier mit einer Mitteilung des jeweiligen Wahlkreisabgeordneten verbindet. Das Layout ist fertig. Wir haben das Bild von mal hier als Prototyp dieser Aktion sozu- sagen aufgenommen. (Unruhe und Zwischenrufe: Ah!)

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Ich will darauf verzichten, hier jetzt die Liste herumgehen zu lassen. Ich gehe davon aus, dass die Kolleginnen und Kollegen der Fraktion diesen Leistungsbilanztext, der zentral geliefert wird, mit ihrem Bild – über Layout und so weiter muss technisch noch gespro- chen werden, ist kein Problem –, dann mit einem Wahlkreistext verteilen wollen. Wir

können pro Wahlkreis beziehungsweise pro Fraktionsmitglied 10 000 Exemplare kosten- frei liefern. Jedes weitere Exemplar würde zwei Pfennig kosten. Ich möchte bitten, dass sich diejenigen, die davon Gebrauch machen wollen, das ist eine Serviceleistung, die wir anbieten, dann mit der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit in Verbindung setzen. Wir wer- den noch ein Merkblatt in die Fächer legen im Laufe dieser Woche. Ich wäre dankbar, wenn im Laufe der nächsten Tage eure Bestellungen eingingen, weil es drucktechnisch nur Sinn hat, die Sache zu beginnen, wenn ein großer Teil der Abgeordneten der Fraktion sich beteiligt. (Beifall.) Wehner : Danke. [C.] Wehner : Ich rufe dann auf Punkt 3 und das Wort hat Arbeitskreis Inneres, Friedrich Schäfer zu einer Vorlage. – Helmuth Becker höre ich grade. Becker : Genossinnen und Genossen, es geht um eine Kleine Anfrage und die fußt auf Rundschreiben des Verbandes der Ruhestandsbeamten. Dieser Verband der Ruhestands- beamten bestimmt in erster Linie das Moratorium und das Ganze gipfelt in dem Satz: »Es geht über das Vorstellungsvermögen dieser Menschen, deren Berufsleben von den durch Recht und Gesetz gesetzten Maßstäben bestimmt war, dass einer solchen Fest- schreibung des Unrechts auch die von ihnen selbst gewählten Abgeordneten zustimmen könnten«. Das ist der Hintergrund für diese Anfrage, in der die Regierung dann einmal darlegen kann, was sie in den letzten fünf Jahren für die Versorgungsempfänger getan hat. Das kann sich nämlich genauso sehen lassen wie das, was für die Rentenempfänger geschehen ist. Der Text ist mit der FDP abgestimmt. Wehner : Eugen Glombig . Glombig : Genossinnen und Genossen, ich verstehe nicht ganz die Bezugnahme auf die Entwicklung der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen durch die jährliche Rentenanpassung in diesem Zusammenhang. Da könnte doch jemand auf die Idee kom- men und sagen, also da ist doch eigentlich viel mehr geschehen als vielleicht richtig und im Verhältnis zu den Versorgungsbezügen der Beamten, und ich glaube, das ist ja nicht richtig, wenn wir bedenken, dass es sich hier um eine Rentenanpassung mit einer zeitli- chen Verzögerung von drei bis vier Jahren handelt, und wenn das aufgezehrt ist, dann werden wir in der Rentenversicherung viel geringere Rentenanpassungen haben, nämlich unter Zugrundelegung der Einkommen aus dieser Zeit und dann werden die Anpassun- gen der Versorgungsbezüge entsprechend höher sein. Ich frage mich, was soll die Bezug- nahme auf die Rentenversicherung in diesem Zusammenhang bei dieser Anfrage? Muss das sein? Kann das nicht also erneut auch Gedankenverbindungen wecken, die so etwas wie Neid auslösen? {…} Becker : Eugen Glombig , das muss nicht sein. Wir haben den Bezugspunkt nur gewählt, weil die gesetzliche Rentenversicherung und ihre Entwicklung ja bekannt ist, während die Entwicklung der Versorgungsbezüge nicht bekannt war. Man könnte das auch weg- lassen. Wir hielten es aber nicht für schädlich. – Es war lediglich der Bezugspunkt.

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Glombig : {…} im Interesse der Rentenversicherung und der Diskussion darüber nicht für nützlich halten, auch was die Finanzierung der Rentenversicherung angeht. Wir sind da in einer schwierigen Lage. Becker : In Ordnung. Das können wir da auch wieder herausnehmen. Das ist nicht un- bedingt erforderlich. Glombig : Ich würde sehr darum bitten. Wehner : Kommt also auf die Frage an, ihr werdet das ändern. Keine anderen Vorschläge? Dann passiert das so. Dann Arbeitskreis Soziales. Bitte Eugen. Glombig : Genossinnen und Genossen, euch liegt hier der Entwurf einer Entschließung zur Ausbildung und Arbeitsplatzsituation der Jugend vor, wie es dort heißt. Diese Fra- gen haben hier in der Informationsstunde bereits einen breiten Raum eingenommen. In den Wahlkreisen wird darüber sehr heftig diskutiert. Wir wissen, dass die CDU/CSU- Bundestagsfraktion ein Programm – in Anführungsstrichen – dazu entwickelt hat und der Öffentlichkeit übergeben hat. Wir wissen, dass die Bundesregierung sich dazu geäu- ßert hat und wir wissen, dass morgen der zuständige Ausschuss sich damit beschäftigen wird. Wir haben den Eindruck, dass das, was im Kabinett dazu gesagt worden ist, näm- lich dass jetzt erst einmal mit den Wirtschaftsverbänden verhandelt werden sollte und dass quasi sie am Zuge seien, das ist nämlich so das Einzige, was wir gehört haben auf- grund der Kabinettsitzung und der Veröffentlichungen, die herausgekommen sind, dass das nicht genügt und dass wir als Fraktion dazu nunmehr noch mal etwas sagen müssen und das allein nicht der CDU/CSU-Bundestagsfraktion überlassen dürfen. Der Arbeitskreis Sozialpolitik und die Arbeitsgruppe Bildung haben sich deswegen heute auf Anregung auch des Fraktionsvorstandes zusammengesetzt, um noch einmal diese Maßnahmen zusammenzuschreiben, und zwar in einer Form, die hoffentlich gele- sen und auch veröffentlicht wird. Hier soll vor allem der Bundesregierung und den von ihr ins Auge gefassten Maßnahmen geholfen werden. Es ist nicht beabsichtigt, hier nun etwas Neues darzustellen. Wir können nichts Neues darstellen, denn wir haben das Geld dazu nicht. Wir können uns nur im Rahmen der Möglichkeiten der Bundesregierung und der Länder und der Gemeinden bewegen. Aber das noch einmal klarzumachen, sollte eigentlich Aufgabe der Fraktion sein und deswegen möchten wir empfehlen, diese Ent- schließung hier so anzunehmen, damit sie heute noch veröffentlicht werden kann. Wehner : Konrad Porzner . Porzner : Helmut Rohde hat vorhin gesagt, dass diese Vorschläge der CDU morgen im Ausschuss behandelt werden, und er hat ein paar Punkte genannt, weswegen die unsinnig sind, wie er das sagte. Es kommt in dem Papier in dieser Deutlichkeit gar nicht zum Ausdruck. Meine Frage: Kann man nicht das, was morgen geschieht im Ausschuss, und das, was hier beabsichtigt ist, miteinander bringen, nicht heute das eine und womöglich dann morgen mit dem Risiko, dass es die Presse nicht mehr abnimmt, beides redaktionell miteinander abstimmen und dann in einem geschlossenen Papier herausbringen die Kri- tik an der CDU und das, was wir selbst vorschlagen? Eugen, kann man das nicht tun? Wehner : Rolf Meinecke . Meinecke (Hamburg): Genossinnen und Genossen, es handelt sich hier um eine Ent- schließung der gesamten Bundestagsfraktion. Das, was morgen im Ausschuss passiert, steht heute nicht fest und wie wir uns dazu äußern werden, steht auch noch nicht fest. Wir haben gestern im Vorstand beschlossen und waren einstimmig der Meinung, dass heute hier eine Äußerung dieser Fraktion zur Gesamtproblematik erfolgen sollte. Ich halte es für besser, dabei zu bleiben. Wenn euch einzelne Passus zu scharf sind, wenn ihr Sorge habt, dass die gewisse Kreise vor den Kopf stoßen, dann kann durch einige wenige

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Änderungen, die dann vorgeschlagen werden können, diese Resolution geändert werden. Wir können die Arbeitskreise und die Arbeitsgruppe, die einmütig dies beschlossen ha- ben, nicht dazu zwingen, darauf heute zu verzichten. Ich bitte die Fraktion, bei diesem Beschluss zu bleiben. Wehner : Weitere Wortmeldungen dazu? Antje Huber . Huber : Man kann sicherlich nichts dagegen haben, dass hier ’ne Entschließung vorge- schlagen wird. Aber da wir ja natürlich die Arbeitsplätze auch gerade in der freien Wirt- schaft wünschen und nicht nur durch Bundesbahn und Bundespost bewirken können, würde ich gerne vorschlagen, dass wir nicht allzu hart drauflosgehen und anstelle von den Interessen bestimmter Wirtschaftskreise lieber sagen von der konjunkturellen Ent- wicklung oder etwas Ähnliches, damit das zwar klar wird, damit wir nicht alle Gutwilli- gen auch vor den Kopf stoßen und die wir im zweiten Abschnitt der Passus mit den Kopfprämien, da möchte ich gerne sichergestellt wissen, dass wir dann als Regierung auch nichts machen werden, das als Kopfprämie ausgelegt werden kann in irgendeiner Form. Man soll nicht bolzen, wenn wir nachher dasselbe tun. Diese zwei Punkte liegen mir sehr am Herzen. Absatz 1 bessere Formulierung. Absatz 2 Prüfung, ob man dann auch dazu stehen will. Wehner : Weitere Wortmeldungen? Eugen Glombig . Glombig : Darf ich vorschlagen, dass die Fraktion grundsätzlich ihr Einverständnis erteilt und wir in diesen beiden Punkten noch mal prüfen und dann dafür sorgen, dass diese Entschließung so schnell wie möglich an die Öffentlichkeit kommt. Ich glaube, das würde der Sache helfen. Ich kann mir vorstellen, dass im ersten Absatz entweder gestri- chen oder entschärft wird und im zweiten Absatz noch mal geprüft wird, ob es aufrecht- erhalten werden kann. Wehner : Ist die Fraktion dieser Meinung? Dann werden wir so verfahren. Dann rufe ich auf – ist noch etwas aus anderen Arbeitskreisen? Jetzt kommt der Bericht von Rudi Hauck .

Hauck : Genossinnen und Genossen, am 16. 12. habe ich kurz berichtet, wie die Situation im Jugendhilferecht ist und dass aus finanziellen Gründen die Vorlage in dieser Legisla- turperiode nicht mehr abgeschlossen werden kann. Ihr wisst, dass unterschiedliche Re- aktionen in die Öffentlichkeit gekommen sind. Und in der Zwischenzeit hat die Bundes- regierung über das Bundesjugendkuratorium und in Gesprächen mit den Betroffenen die Sache weiter ausgebreitet und Stellungnahmen eingeholt. Anfang des Jahres fand nun ein Gespräch mit den Jugend- und Wohlfahrtsverbänden statt, an dem Jürgen Egert und ich teilgenommen haben. Dabei ging es um zwei konkrete Punkte, die die Fraktion erfahren soll und über die wir uns dann später zu einem Zeitpunkt, den ich dann noch vorschlagen werde, unterhalten müssen. Die Fragen waren einfach die, ist der Sachverhalt akzeptabel, dass man unter Außeracht- lassung von finanziellen Anforderungen eine sogenannte Minireform einbringt, in der nur Verfahrensfragen und Organisationsfragen geregelt werden? Das hat zum Beispiel einmal Koschnick ganz vage angedeutet. (Unruhe.) Außerdem spielt die Opposition immer noch mit dieser Variante. Die dort vertretenen Jugendwohlfahrtsverbände haben eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass [man] mit ei- ner Minireform, in der nur Verfahrens- und Organisationsfragen geregelt werden, dem Anliegen nicht gerecht wird und dass man das sein lassen soll. Und ich glaube, an diesem Votum, an dieser Einstellung kommt auch die Opposition nicht vorbei.

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Die zweite Frage war nun die, soll in dieser Legislaturperiode das Jugendhilferecht ein- gebracht werden, auch wenn man weiß, dass es nicht verabschiedet wird? Die Träger der freien Jugendarbeit haben da einmütig zum Ausdruck gebracht, dass es richtig wäre, zu einem geeigneten Zeitpunkt diese Vorlage einzubringen, damit a) sie mal das Parlament als Gesprächspartner haben – bisher ist der Diskussionsentwurf und der Referentenent- wurf nur mit der Regierung immer besprochen worden –, und b) natürlich auch der Bun- desrat Farbe bekennen muss und die Bundesländer einmal sagen müssen, was sie eigent- lich von der ganzen Situation halten, auch von der finanziellen Frage. Und drittens haben die Jugendverbände ausdrücklich gesagt, wäre es auch ganz reizvoll, im Vorwahl- kampf ’76 ein jugendpolitisches Thema mit in die Auseinandersetzung einbeziehen zu können. Dabei wurde natürlich selbstverständlich angeführt, dass ein solcher Entwurf noch einige Verbesserungen haben müsste, und ich glaube, bei einigem Nachdenken wird man feststellen, dass auch hier noch manches geändert werden kann. Wenn man die Part- nerschaft will, das wurde von einem ganz treffend gesagt, dann muss man natürlich die freien Verbände richtig mit einbinden, und wenn man bisher nach dem alten Jugend- wohlfahrtsrecht zwei Fünftel im Jugendwohlfahrtsausschuss Vertreter der freien Ver- bände hatte und hat nach dem neuen Entwurf, nach dem letzten Entwurf nur noch zwei Neuntel Vertreter der freien Verbände, dann kann man nicht unbedingt von gleichge- wichtiger Partnerschaft sprechen. Also, da gibt es bestimmt noch manche Überlegung, die man anstellen muss. Nun ist also die Frage, wie es weiter behandelt werden soll. Der Fraktionsvorstand und ich haben das letzte Mal vorgeschlagen, dass wir Anfang des Jahres einmal in eine grund- sätzliche Debatte über das Jugendhilferecht eintreten sollten. Nun möchte ich folgenden Vorschlag unterbreiten, den der Arbeitskreis IV gebilligt hat. Wir werden im März die Behandlung der Großen Anfrage der Opposition über die Situation der Kinder in der Bundesrepublik Deutschland haben. Dabei wird zweifellos das Jugendhilferecht eine be- deutende Rolle spielen und wir schlagen vor, dass wir in der Vorbereitung der Diskus- sion zur Großen Anfrage eine gründliche Debatte über das Jugendhilferecht hier führen und dann auch zu den von mir angesprochenen Entscheidungen, nämlich soll es noch eingebracht werden, wann ist der geeignete Zeitpunkt, noch einmal Stellung nehmen. Vielen Dank. Wehner : Wird das Wort dazu gewünscht? Ist die Fraktion damit einverstanden, dass wir das machen? Wir brauchen dann auch einiges in die Hand für Gespräche draußen. [D.] Wehner : Wenn keine Wortmeldungen, dann rufe ich auf Punkt 4 zur Tagesordnung Konrad Porzner . Porzner : Genossinnen und Genossen, die Tagesordnung sieht vor, dass morgen frei ist für Ausschüsse. Zwei Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion haben Dringlichkeitsanfra- gen eingebracht. Das Thema Aktuelle Stunde wird heute im Anschluss an die Fraktions- sitzung um 19 Uhr nachher besprochen, wie man dabei verfährt. Auch die FDP-Fraktion wird dabei sein, dass man sich aufeinander abstimmt. Es ist also dann wieder jedenfalls frei nachher für Ausschüsse. Wir beginnen am Donnerstag um 9 Uhr mit der Abgabe der Regierungserklärung zum Internationalen Jahr der Frau. Katharina Focke wird die Regierungserklärung abgeben, weil der Bundeskanzler, der ursprünglich vorhatte, diese Regierungserklärung abzuge- ben, meinte, dass es nicht richtig wäre, innerhalb von zwei, drei Stunden zweimal durch ihn eine Regierungserklärung abgeben zu lassen. Für unsere Fraktion wird Elfriede Eilers sprechen. Es ist vorgesehen, dass jede Fraktion mit einem Redner oder einer Rednerin an

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dieser Debatte sich beteiligt. Die Abgabe der Regierungserklärung über die Lage der Na- tion vom Bundeskanzler wird verbunden mit der Debatte um die beiden Großen Anfra- gen. Es wird zuerst die Anfrage der CDU/CSU begründet und dann schließt sich an die Begründung der Anfrage der Koalition. Deutschlandpolitische Debatte wird den ganzen Tag in Anspruch nehmen, mittags selbstverständlich wie immer Fragestunde. Wir müs- sen damit rechnen, dass die Debatte bis spät in die Nacht hinein dauert. Wir werden uns darum bemühen mit der Opposition, dass wir am Donnerstagabend mit dieser Debatte fertig werden. Am Freitag dann schließt sich an entweder um 9 Uhr oder falls die Deutschlanddebatte fortgesetzt wird der Tagesordnungspunkt 5, Reform des Ehe- und Familienrechts, hier der Teil Namensrecht. Die CDU/CSU hat im Ausschuss Anträge gestellt. Wir müssen damit rechnen, dass sie wiederum im Plenum Anträge stellt. Es ist also notwendig, dass alle anwesend sind. Beim Tagesordnungspunkt 6 gilt das Gleiche, das deutsch-französi- sche Zusatzabkommen. Auch hier hat die CDU/CSU Anträge im Ausschuss gestellt. Wir wissen nicht genau, ob sie das im Plenum wiederholen wird. Jedenfalls ist Anwesenheit aller Fraktionsmitglieder notwendig. Zum Tagesordnungspunkt 7 gibt es eine Erklärung wie auch zum Tagesordnungspunkt 8, Änderung des Atomgesetzes. Wenn es möglich ist, werden wir noch im Lauf des Freitags, und mit vorschreitenden Stunden ist das viel- leicht leichter, als es in der Ältestenratssitzung war, diese beiden Tagesordnungspunkte miteinander [zu] verbinden. Es ist bisher nicht gelungen, Fritz. Zum ERP 4-Wirtschaftsplangesetz werden wir mit anderen eine Erklärung abgeben, ein wichtiges Gesetz, das die wirtschaftspolitischen Aktivitäten dieser Regierung darstellt. Ebenso zum Mineralölsteuergesetz, Heizölkennzeichnung. Hier geht es um mehrere Hundert Millionen D-Mark, die durch dieses Gesetz eingebracht werden. Tagesord- nungspunkte 11 bis 15, das sind die Kindergeldabkommen, Sozialabkommen mit den Staaten Griechenland, Türkei, Portugal, Jugoslawien und Spanien. Dazu ist vorgesehen, dass zu allen fünfen eine einzige Erklärung abgegeben wird von jeder Fraktion. Die wei- teren Tagesordnungspunkte sollen ohne Debatte behandelt werden, von Punkt 16 bis zum Punkt 23 einschließlich. Punkt 24, das ist ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion, eine Enquete-Kommission Energieforschung zu bilden. Diese Enquete-Kommission, die Einsetzung wird begründet. Wir werden kurz dazu sagen, dass dies schlecht vorbereitet ist und dem Anspruch nicht genügt, was die Opposition behauptet. Alle übrigen Tages- ordnungspunkte sollen ohne Debatte behandelt werden. Es ist also damit zu rechnen, dass die Sitzung am Freitag lange dauert wie auch am Samstag in die Nacht hinein. Es war nicht möglich, anders zu verfahren, denn in der Haushaltswoche im Februar können wir kaum anderes behandeln und die letzte Februarwoche ist heute schon so voll, dass wir keinen dieser Punkte auf spätere Wochen vertagen konnten. Ich bitte um Anwesen- heit bei den genannten Punkten, bei denen es streitige Abstimmungen geben wird oder geben kann. Wehner : Wird das Wort gewünscht? Rolf Meinecke . Meinecke (Hamburg): Konrad, mir ist eins nicht klar. Auf dem ersten Umdruck waren 30 Tagesordnungspunkte. Dann wurde gestern in der Vorstandssitzung gesagt, der 31. Punkt sei das Graduiertenförderungsgesetz, jetzt ist aber der 31. Punkt eine EG-Richtli- nie. Wehner : Der 24. Punkt ist das, Rolf. Meinecke (Hamburg): Bitte um Entschuldigung.

4 European Recovery Program, ursprünglich auf der Grundlage des Marshallplans.

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Wehner : Das ist die gedruckte, weißt du, da ist der 24. Punkt. – Weitere Wortmeldun- gen? Nicht. Dann kommen wir zu den einzelnen Schwerpunkten. Elfriede Eilers zu der Regierungserklärung Internationales Jahr der Frau. Eilers : Liebe Genossinnen und Genossen, an und für sich ein bedauerlicher Vorgang, dass jetzt die große Debatte, zu der eine Regierungserklärung abgeben wird, und das Internationale Jahr der Frau miteinander verquickt sind, so dass diese De- battenrunde zum Internationalen Jahr der Frau eine reine Frauenrunde werden wird. Es wäre wünschenswerter gewesen, dass hier auch der Bundeskanzler seine Vorstellungen entwickelt hätte. (Unruhe.) Ich habe vor, von mir aus die Debatte so anzulegen, dass wir auf die Bedeutung des In- ternationalen Jahrs der Frau, zu dem ja von der UNO aufgerufen worden ist und das wir nicht aus irgendwelchen freien Stücken hier zur Debatte gestellt haben, dass hier also von gewichtiger Seite aus dem Mund der Regierung vom Kanzler selbst etwas gesagt wäre, hier also Internationales Jahr der Frau. In der ersten Linie nach unserer Meinung eine Vorstellung, dass die Öffentlichkeit aufgerüttelt werden soll, sich der Belange der Frauen anzunehmen, dass die erreichten Gesetzgebungsmaßnahmen für Frauen von uns unter Hinweis auf den Part Frauen in der Regierungserklärung von und Helmut Schmidt dargelegt werden sollen, dass stichwortartig ein Leistungskatalog dargelegt wer- den soll, strittige Punkte zur Opposition herausgehoben werden sollen, wie Eherecht, Sorgerecht, Versorgungsausgleich und Partnerrente, darüber das vergrößerte Engage- ment der Frauen in den letzten Jahren eine Rolle mitspielen soll. Wobei wir auch darauf hinweisen müssen, dass das nicht zu einem Niederschlag geführt hat zur gleichen Zeit auch in den Parlamenten, mehr Mandate für Frauen darstellen zu können. Ich möchte drei Punkte hier anführen. Einmal eine Novellierung des Mutterschutzgeset- zes, (Unruhe.) die wir noch in dieser Legislaturperiode vorhaben, als eine globale Ankündigung zu brin- gen, und Genossinnen und Genossen, es wird nicht ohne Möglichkeit bleiben, man wird auf den 218 und auch die sozialbegleitenden Maßnahmen noch einmal in entsprechend vorsichtiger Weise Formulierungen, wie sie Herbert Wehner heute noch einmal uns an die Hand gegeben hat aus der Entschließung vom 26. April, werden hier mit eingebettet sein müssen. Ich selbst habe eine Bitte an euch alle. Es werden die Abgeordneten oder vielmehr die Vertretungen der Frauenorganisationen eingeladen sein, an dieser Debatte teilzunehmen oder an dieser Parlamentsrunde teilzunehmen. Ich würde euch sehr herz- lich bitten, in der ersten Runde morgens um 9 Uhr im Parlament präsent zu sein, damit es nicht nur eine Debatte ist, die von Frauen für Frauen gehalten wird und die Männer des Parlaments draußen stehen, sondern ich würde wünschen, dass ihr auch alle präsent sein würdet, um nach außen hin zu dokumentieren, dass Männer dabei sind. Wehner : Angelika Grützmann . (Unruhe.) Grützmann : Ja, Genossen, ich wollte nur den letzten Appell von Elfriede Eilers wieder- holen. Man kann über das Jahr der Frau denken, wie man will. Man kann es für ein Ku- ckucksei halten. Kurzum, wir sind nun mal drin. Meine Bitte an euch, auch wenn ihr früh aufstehen müsst, bitte seid in der ersten Runde im Plenum. Wir sind insgesamt nur 35 im ganzen Bundestag und von der Fraktion stellen wir nun mal 16. Ich kann nichts dafür. Wehner : Weitere Wortmeldungen? Dann kommen wir zum nächsten Punkt. Kurt Mat- tick , Regierungserklärung, Debatte Lage der Nation und verbunden damit Punkt 7.

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Mattick : Genossinnen und Genossen, zunächst muss ich mich nun der Bitte von Elfriede anschließen. Anschließend redet nämlich der Bundeskanzler zur Lage der Nation und ich würde alle Männer und Frauen bitten, dabei zu sein. Und dann kommt die – (Heiterkeit.) und dann kommt die große Aussprache über die Deutschlandpolitik, wo es auch ange- bracht wäre, dass das Haus mal etwas mehr Präsenz hat, als das in letzter Zeit der Fall war. Genossinnen und Genossen, es handelt sich hier um eine verbundene Diskussion über den Bericht zur Lage, den der Bundeskanzler morgen mündlich gibt, und über die beiden Großen Anfragen zur Deutschlandpolitik. Eigentlicher Ausgangspunkt ist unsere Große Anfrage vom 25. September 1974. Wir haben damals unsere Große Anfrage von der Überlegung ausgehen lassen, der Bundesregierung eine Gelegenheit zu geben, eine offensive Herausforderung an die Negationen der CDU zu sagen, indem die positiven Entwicklungspunkte der Deutschlandpolitik (Unruhe.) seit dem Abschluss des Grundvertrages herausgestellt werden gegenüber den dauernden kleinlichen, miserablen, defätistischen politischen Verhaltensweisen der CDU. Uns war bekannt, dass die CDU eine Anfrage vorbereitet hatte. Wir sind dem zuvorgekommen. Die Große Anfrage der CDU ist dann auch gekommen. Die Antwort der Regierung auf beide Großen Anfragen liegt seit Wochen vor, so dass sie jeder gelesen haben kann. Un- sere Große Anfrage gab der Regierung die Gelegenheit positiv und instruktiv die Deutschlandpolitik auf der Basis des Grundvertrages und der Berlin-Vereinbarungen darzustellen. Dass nun die Regierung sich dazu entschlossen hat, diese beiden Großen Anfragen mit einer Regierungserklärung zur Lage der Nation, die ja in diesem Monat fällig war, zu verbinden, veränderte etwas unsere Strategie. Es wird daher so sein, dass nach dem Bundeskanzler zunächst die Opposition zu Worte kommen wird, obwohl un- sere Große Anfrage zuerst eingebracht war. Soweit wir in Erfahrung gebracht haben, legt die CDU großen Wert darauf, ihre Große Anfrage noch einmal zu begründen und zu erläutern, obwohl die Antwort der Regierung längst daliegt und somit sie sich das erspa- ren könnte. Wir haben uns auf Folgendes verständigt, Genossen: Wir haben nicht die Absicht, die Große Anfrage noch einmal zu begründen und uns an diese Details zu halten, sondern wir gehen davon aus, dass wir anschließend an die Ausführungen von Helmut Schmidt uns mit der CDU auseinandersetzen und uns gleichzeitig – wie ich das bereits in Berlin vor einer Woche dargestellt habe – in dieser Aussprache sachlich mit Maßnahmen und Verhaltensweisen der DDR auseinandersetzen, um den Versuch zu machen, nach vorn vorzustoßen in dieser Debatte. Und es kommt hinzu – es kommt hinzu, Genossinnen und Genossen, dass wir davon ausgehen müssen, dass die CDU alles, was sie sonst in ihren mündlichen Anfragen jede Woche zusammenträgt, auch hier in dieser Debatte ver- arbeiten wird. Unsere Vorstellungen habe ich eben dargelegt. Die Genossen des Inner- deutschen Ausschusses sind auf allen Sachgebieten, die infrage kommen können, vorbe- reitet, in die Diskussion einzugreifen. Wir würden Wert darauf legen, dass alle Beteiligten unsererseits mit kurzen Beiträgen agieren, um die Diskussion lebendig zu machen, und wir würden auch Wert darauf legen, dass die Regierung, von der wir hörten, dass sie mit mehreren Kollegen – wie es richtig ist – einsteigen wird in die Debatte, sich an Kurzbei- träge hält, damit auch Abgeordnete zu Wort kommen. Wir denken daran, dass der erste Beitrag als Antwort auf die Begründung der CDU von mir aufgenommen wird, und wir hoffen, dass es möglich sein wird, und das ist auch der Appell ans Präsidium, bei der Ordnung der Reihenfolge, wenn kleine Beiträge von Regierungsvertretern erfolgen, dann nicht gleich wieder die Reihenfolge der Abgeordneten aufgelöst wird und die Opposition

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dann mehr zu Worte kommt als wir. Ich bitte darum, uns durch Anwesenheit zu unter- stützen. Danke sehr. Wehner : Wer wünscht das Wort? – Bei dieser Debatte wird mit größter Wahrscheinlich- keit die Streiterei seitens der CDU über die Elbegrenzziehung eine Rolle und wahr- scheinlich eine schmutzige Rolle spielen. Noch schmutziger als das Wasser der Flüsse. Es hat eine entsprechende Debatte im niedersächsischen Landtag gegeben. Inzwischen liegen hier Kopien von jener Sitzung vor und die Genossen, die sich in dieser Debatte zu bewegen haben, täten gut daran, sich wenigstens einigermaßen damit vertraut zu machen. Es ist denkbar, ohne dass man das im Detail sagen kann, dass, wenn dieser Teil der CDU- Behauptungen und Attacken es erforderlich macht, eine besondere Information zwi- schen diese Debatte geschoben wird für die unmittelbar beteiligten Ausschüsse – Aus- schuss für Inneres und für Innerdeutsche Beziehungen. Das heißt auf Deutsch, dass man die Sitzung könnte unter Umständen unterbrechen. Das hat seinen Zweck, weil unsere Seite und die Regierung in erster Linie natürlich nicht einfach mit Papieren herumwirft wie andere mit Behauptungen, aber das wäre dann eine Legitimation dafür, dass, wenn diese Behauptungen nicht endlich redressiert werden, auch Papiere öffentlich gemacht werden können nach dieser internen Information. Ich denke, das ist genügend klar um- schrieben. Wird das Wort noch gewünscht zu dieser Debatte? Scheint nicht der Fall zu sein, hoffentlich ist das Interesse nicht gedämpft. Dann kommen wir zu dem Punkt 8, das sind a) und b). Hilde Schimschok zu dieser zwei- ten und dritten Lesung des Namensrechts und anschließend daran Alfred Emmerlich als Rahmen über den Stand der Beratungen Ehe- und Familienrecht. Hilde Schimschok bitte. Schimschok : Danke schön. Liebe Genossinnen und Genossen, ich möchte die wesent- lichsten Teile des Namensrechts erläutern und vor allem, was mir sehr wichtig erscheint, auf die strittigen Punkte eingehen. Der Rechtsausschuss empfiehlt einstimmig, dass die Eheleute einen gemeinsamen Familiennamen führen sollen, und dieser Familienname kann der Geburtsname des Mannes sein, der kann auch der Geburtsname der Frau sein. Mehrheitlich wurde beschlossen, dass der Ehegatte, dessen Geburtsname bei der Bestim- mung des Ehenamens untergeht, seinen Geburtsnamen oder den zurzeit der Eheschlie- ßung geführten Namen dem Familiennamen voranstellen kann. Die CDU hat einen An- trag gestellt, dass dieser Name angefügt werden soll, und uns geht es darum, dass der Ehegatte, der sich während der Berufstätigkeit – also vor der Eheschließung – einen Na- men erworben hat, diesen Namen auch an hervorgehobener Stelle während der Ehe füh- ren kann. Dem Vorschlag der Bundesregierung, dass die Ehegatten auch einen Doppel- namen führen können, der sich aus dem Geburtsnamen der Frau und aus dem Geburts- namen des Mannes zusammensetzt, wurde nicht zugestimmt. Es wird wohl eine größere Wahlmöglichkeit dadurch geschaffen, aber wir dachten uns, dass es bei kommenden Ge- nerationen zu Schwierigkeiten kommen kann, wenn beide einen Doppelnamen haben. Da besteht nämlich die Möglichkeit der zwölf Kombinationsmöglichkeiten und außer- dem dürfte es für Verlobte auch schwierig sein, wenn die bei der Eheschließung den Na- men eines Elternteils abstoßen würden, und aus psychologischen Gründen fanden wir dieses auch nicht gut. Genossen, ein weiterer strittiger Punkt in dem Ausschuss war, dass der Standesbeamte die Eheschließung erst vornehmen soll, wenn die Eheschließenden, also wenn die Ver- lobten eine Erklärung abgegeben haben, welchen Namen sie zum Ehenamen bestimmen, und die Regierung wie auch die Mehrheit des Ausschusses will dieses zur Pflicht machen. Geben die Verlobten keine Erklärung ab, dann soll auch der Standesbeamte die Ehe- schließung nicht vornehmen können. Die CDU hat einen Antrag gestellt, dass der Stan- desbeamte die Ehegatten fragen soll, ob sie eine Erklärung abgeben wollen. Genossen,

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wenn sie keine Erklärung abgeben, dann soll praktisch der Name des Mannes der Fami- lienname sein, und die Mehrheit des Ausschusses sah hierin einen Widerspruch zum Ar- tikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes, weil der Automatismus auch verfassungsrechtliche Bedenken hervorrufen kann. Und ich möchte dazu sagen, mich persönlich hat es sehr an den Stichentscheid des Vaters erinnert. Einhellige Meinung war auch im Ausschuss darüber, dass Eltern- und Kindesname über- einstimmen soll. Das Kind soll an Änderungen des Familiennamens der Eltern oder des Elternteils, dessen Namen es trägt, teilnehmen. Ausnahmen sind vorgesehen, wenn das Kind das fünfte Lebensjahr vollendet hat und sich der Namensänderung nicht anschließt oder wenn die Änderung des Familiennamens auf einer Eheschließung beruht oder wei- ter, wenn das Kind verheiratet ist. Der Paragraph 1740 des Entwurfes regelt Konsequen- zen, die sich aus der Ehelicherklärung eines Kindes ergeben, welches unehelich geboren worden ist, und zwar soll das Kind den Namen des überlebenden Elternteils erhalten und das Gericht ihm auf Antrag mit Zustimmung des anderen Elternteils den Namen des verstorbenen Elternteils zu erteilen haben. – Genossen, hier kommt der große Pferdefuß. Ich bitte jetzt ein kleines bisschen um Aufmerksamkeit. Der Antrag der CDU geht dahin, dass dem überlebenden Elternteil des für ehelich er- klärten Kindes der Familienname des Kindes nur erteilt werden kann, wenn keine schwerwiegenden Gründe dem entgegenstehen und die Verwandten des Verstorbenen zu hören seien. Genossen, wir vertraten den Standpunkt, also die Mehrheit im Aus- schuss, dass das Wesentliche die Legitimation des Kindes ist und dass in dem Verfahren über die Ehelicherklärung des Kindes die Angehörigen des Verstorbenen zur Genüge gehört worden sind. Wir sahen darin auch eine Diskriminierung der nichtehelichen Mut- ter, die einfach in der heutigen Zeit unverständlich ist. Ja, Genossen, dann ist auch eine Übergangsregelung vorgesehen und die CDU lehnt diese Übergangsregelung ebenfalls ab. Das bedeutet, dass alle Ehegatten, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes die Ehe geschlossen haben, den Namen ändern können, dass das prak- tisch der Name der Frau der Familienname werden kann. Die CDU widersprach dem und wir legten ganz großen Wert darauf, vor allen Dingen aufgrund des Artikel 117 des Grundgesetzes, der ja damals den Gesetzgeber verpflichtet hat, dass alle Gesetze, die nicht mit dem Artikel 3 Absatz 2 in Einklang stehen, außer Kraft gesetzt werden sollen, und darum fanden wir es berechtigt, dass auch diese Änderung des Namens rückwirkend erfolgen kann. Das wird ein ganz, ganz großer strittiger Punkt auch während der Plenar- sitzung sein und die CDU wird wieder mit Anträgen kommen und besonders wichtig ist, dass dieses Gesetz aus dem Gesamtentwurf von Ehe- und Familienrecht herausgelöst wird. Die CDU widersprach dem, weil sie – wie sie sagt – nicht wolle, dass die einheitli- che Konzeption dieses Gesetzes durch die Herausnahme des Namensrechts zerstört werde. Und uns liegt daran, dieses Gesetz herauszulösen, weil viele Personen draußen auf die Änderung des Namensrechtes warten und auch schon viele Verfahren beim Ver- fassungsgericht anhängig sind. Ich danke euch sehr herzlich für die Aufmerksamkeit. (Beifall.) Wehner : Alfred Emmerlich . Emmerlich : Genossinnen und Genossen, ihr wisst, dass der Rechtsausschuss für die Be- ratung der Eherechtsreform einen Unterausschuss gebildet hat. Dieser hat seine Beratung zu dem Ersten Eherechtsreformgesetz abgeschlossen bis auf den versorgungsrechtlichen Teil. Zu dem versorgungsrechtlichen Teil ist es erforderlich, dass zuvor das Votum des Ausschusses für Arbeit und Soziales vorliegt. Aus den Ausführungen von Hildegard Schimschok habt ihr entnommen, dass der Rechtsausschuss die namensrechtlichen

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Bestimmungen abschließend behandelt hat und sie in dieser Woche in zweiter und dritter Lesung verabschiedet werden. Im Rechtsausschuss sind behandelt die allgemeinen Eheführungsbestimmungen mit dem Schwerpunkt Erwerbstätigkeit und Haushaltsführung sowie die Scheidungsvorausset- zungen. Wir werden morgen mit den Beratungen zum verfahrensrechtlichen Teil begin- nen und hoffen, dass wir in der übernächsten Sitzungswoche das Unterhaltsrecht anfan- gen können im Rechtsausschuss zu beraten. Wir haben uns vorgenommen, im April die zweite und dritte Lesung durchzuführen, da nur dann gewährleistet werden kann, dass die Bundesratsrunde noch vor der Sommerpause zum Abschluss gebracht werden kann. Gestattet mir noch einige Bemerkungen zur Anlage der Debatte um das Namensrecht am kommenden Freitag. Man könnte sich schlicht auf die namensrechtlichen Bestim- mungen beschränken. Wir schlagen stattdessen vor, diese Gelegenheit dazu auszunutzen, um die Grundkonzeption unseres Reformvorhabens darzulegen, und das aus folgendem Grunde. Wir müssen gewärtigen, dass die Opposition die vor uns liegenden Monate der abschließenden Beratungen dazu ausnutzen wird, um einen Generalangriff auf unsere familienpolitische Linie zu fahren mit der prinzipiellen Aussage, Sozialdemokraten be- absichtigen Sozialisierung der Familie, Sozialdemokraten wollen den Eltern das Erzie- hungsrecht wegnehmen beziehungsweise ernsthaft beschneiden. Darüber hinaus werden wir die Möglichkeit ins Auge fassen müssen, dass die Opposition wie bei 218 versuchen wird, breite Bevölkerungskreise gegen uns zu mobilisieren in diesem Zusammenhang. Wenn ihr einverstanden seid mit dieser Konzeption, so würde es richtig sein, bei der Debatte in einem Beitrag folgende Punkte der Konzeption unseres Reformvorhabens an- zusprechen: Erstens. Trotz des Übergangs zum Zerrüttungsprinzip bleibt es dabei, dass Ehen auf Lebenszeit abgeschlossen werden. Die Behauptung, Ehen seien einseitig fristlos kündbar, wird der tatsächlichen Sachlage und der zukünftigen Rechtslage in keiner Weise gerecht. Zweitens. Es ist erforderlich, die bisherige gesetzliche Rollenfixierung der Ehe- frau auf Hausfrau und Mutter aufzugeben. Wir beabsichtigen keineswegs, ein neues Leit- bild an die Stelle dieses zu setzen, insbesondere nicht das Leitbild der erwerbstätigen Ehefrau und Mutter zu verfolgen. Drittens. Es ist notwendig, die bisherige Art, wie Scheidungsverfahren durchgeführt wurden, mit dem Eindringen in die Privatsphäre, mit den völlig unzulänglichen Mitteln des gerichtlichen Verfahrens, das notwendigerweise nur eine Teilaufklärung bringen kann, abzulösen. In diesem Zusammenhang muss gese- hen werden unsere Absicht, zu unwiderlegbaren Scheidungsvermutungen bei langjähri- ger Trennung der Ehegatten zu gelangen. Viertens. Es besteht überhaupt keine Veranlas- sung zu der Annahme, dass wir die Interessen und das Wohl der Kinder zurückstellen hinter das Scheidungsverlangen der Ehegatten. Fünftens. Wir werden darzustellen haben, unter welchen Voraussetzungen wir es trotz einer Scheidung für erforderlich halten, dass die gegenseitige Verantwortung der geschiedenen Ehegatten für ihr materielles Wohl be- stehen bleibt. Und schließlich werden wir darauf hinzuweisen haben, dass ein großer Fortschritt des Ersten Eherechtsreformgesetzes darin zu sehen ist, dass der Gedanke des Zugewinnausgleichs im Bereich des Vermögenszuwachses innerhalb der Ehe angewen- det wird auf in der Ehe erworbene Anwartschaften auf Versorgung und Aussichten auf Versorgung. Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit. (Vereinzelter Beifall.) Wehner : Danke. Heinz Rapp . Rapp (Göppingen): Genossinnen und Genossen, seit Bekanntwerden der Beschlüsse des Rechtsausschusses zum Ehescheidungsrecht kommt nun auch aus den kirchlichen Berei- chen verstärkt Kritik. Auf der katholischen Seite ist es so, dass man das Zerrüttungsprin- zip wohl grundsätzlich hinnehmen will. Auch gegen den Versorgungsausgleich gibt es

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keine grundsätzlichen Einwendungen. Man hat eher Sorge, dass sich im Verfolg des Zer- rüttungsprinzips ein liberalistisches Eheverständnis einschleifen könnte und dagegen glaubt man Front machen zu sollen. Offenbar wäre den Kirchen daran gelegen, einen Programmsatz ins Gesetz zu bekommen, wonach es sich bei der Ehe tatsächlich um eine Lebensgemeinschaft handelt, in der die Partner sich zu Beistand und Hilfe verpflichtet sind. Ich würde gerne mal fragen, ob die Dinge noch so weit Spielraum haben, dass man im Ausschuss oder auch hier in der Fraktion in einer etwas ausführlicheren Diskussion darüber reden könnte oder ob dieses alles schon so festgeklopft ist, dass man von vorn- herein rechnen muss, dass dieses Begehren der Kirchen nicht mehr zum Tragen kommen kann? Wehner : Hedwig Meermann . Meermann : Ich hätte eine Bitte, ob in dieser Rede auch etwas gesagt werden kann zur Situation der älteren Ehefrau, deren Ehe geschieden wird. Das ist nämlich die Frage, die uns immer wieder in den Versammlungen vorgehalten wird, und ich meine, wir sollten gleich von Anfang an auch nicht den Eindruck erwecken, als wenn uns diese Frauen, die mit dem Leben vielleicht nicht mehr so gut alleine fertig werden, nicht voll bewusst ge- wesen wären bei dem, was wir nun im Eherecht ändern wollen. (Vereinzelter Beifall.) Wehner : Weitere Wortmeldungen? Alfred Emmerlich . Emmerlich : Zunächst zu Heinz Rapp . Es ist richtig, dass die katholische Kirche den Standpunkt einnimmt, in dem Gesetzentwurf müsse zum Ausdruck gebracht werden, dass Ehen auf Lebenszeit – jetzt übernehme ich mal die Vokabel – angelegt seien und dass die Opposition zusätzlich noch einen Antrag gestellt hat, der versucht, das Wesen der ehelichen Rechte und Pflichten zusammenzufassen in den Begriffen Verpflichtung zu Treue und Beistand oder wechselseitige Verantwortung und Beistand. Ad 1: Im geltenden Recht ist der Ausdruck, dass Ehen auf Lebenszeit abgeschlossen wer- den, nicht zu finden. Es besteht aus unserer Sicht keine sachliche Veranlassung, etwas Derartiges in das Gesetz hineinzuschreiben. Wenn uns politischer Druck durch eine der- artige Floskel in beachtlichem Maße erspart bleiben würde, dann würde ich persönlich dazu neigen, einer derartigen Klausel näherzutreten. Ich denke, dass für derartige Erwä- gungen in einer Bereinigungssitzung des Rechtsausschusses nach Abschluss der Einzel- beratungen Gelegenheit sein wird, und für den Fall, dass wir in diese Richtung tendieren sollten, werden wir zweifellos sowohl dem Arbeitskreis als auch der Fraktion vorher Gelegenheit geben, dazu ihre Meinung zu äußern und uns Entscheidungsrichtlinien an die Hand zu geben. Was den zweiten Punkt anlangt, Treue und Beistand oder wechselseitige Verantwortung und Beistand, so bin ich der Auffassung, dass durch derartige Begriffspaare das Wesen einer Ehe in höchst unzulänglicher Weise umschrieben wird und dem Umstand, dass der Inhalt der ehelichen Lebensgemeinschaft in weitgehendem Maße von der Lebensgestal- tung und Ehegestaltung durch die Ehepartner abhängt, nicht ausreichend Rechnung ge- tragen [wird]. Ich glaube nicht, dass wir einen derartigen Versuch unternehmen sollten, zumal rechtliche Konsequenzen aus der Aufnahme einer derartigen Klausel sich nicht ergeben würden. Ich schätze die politische Situation so ein, dass auf diesen Punkt auch im katholischen Lager nicht der entscheidende Wert gelegt wird. Hedwig Meermann , ich habe das Problem des Unterhaltsrechts eben nur angeschnitten. Selbstverständlich steht im Mittelpunkt oder in einem der Mittelpunkte unserer Überle- gungen dazu, wie ist es mit der Ehefrau, die nach zwanzigjähriger Ehe das Schicksal er- leidet, geschieden zu werden und dass da alles getan werden muss, um wenigstens ihre

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materielle Existenz zu sichern und um keineswegs zu einem schlechteren Ergebnis zu kommen, als es vorhanden sein würde bei Aufrechterhaltung des formalen Bandes einer gescheiterten Ehe, dies ist eine Selbstverständlichkeit und steht für uns nicht zur Diskus- sion. Dein Anliegen, dieses auch gebührend deutlich zu machen, begrüße ich sehr. Wehner : Weitere Wortmeldungen? Sind nicht. Dann kommen wir zu den Punkten 9 und 10. Harald Schäfer . Schäfer (Eppelheim): Genossen, die beiden Punkte sind {…} 5 sind einstimmig im feder- führenden Ausschuss gefallen. Das Pariser und Brüsseler Übereinkommen bringt eine internationale Rechtsvereinheitlichung auf dem Gebiet des Atomrechts. Es bringt hier in Sonderheit einen verbesserten Opferschutz für Bevölkerung, die in der Grenznähe von ausländischen Kernkraftwerken lebt. Außerdem wird die internationale Reaktorschiff- fahrt erleichtert. Die Dritte Novelle zum Atomgesetz übernimmt zunächst als Folge des Übereinkommens von Brüssel und Paris entsprechende Formulierungen, bringt auch hier damit einen verbesserten Opferschutz. Außerdem wird die Haftungshöchstgrenze von 500 Millionen auf eine Milliarde D-Mark erhöht, was angesichts der Größe der Kernkraftwerke, die nun gebaut werden beziehungsweise in Planung sind, notwendig ist. In die Beratung ist hineingekommen eine Bestimmung, die wichtig ist unter dem Ge- sichtspunkt der Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen, und zwar werden nun auch die Kernbrennelementfabriken einem atomrechtlichen Genehmigungsverfahren unter- worfen. Das sind also unter anderem die Fabriken, die Plutonium oder hochangereicher- tes Uranium verarbeiten, und das bedeutet, dass nun auch die Standortfrage mit in das Genehmigungsverfahren einbezogen ist. Bislang sind die nur dem immissionsschutz- rechtlichen Genehmigungsverfahren unterworfen gewesen. Wehner : Wird das Wort dazu gewünscht? Wenn nicht, dann rufe ich auf Punkt 11, be- trifft das deutsch-französische Zusatzabkommen, Bruno Friedrich . Friedrich : Das ist ein Gesetz, das eine nicht erstrebenswerte Berühmtheit erlangt hat, da es sich von 1968 bis jetzt durchgezogen hat und im Zusammenhang mit dem Namen Achenbach bekannter geworden ist. Wir haben es hier mit einem Gesetz zu tun, das es ermöglichen soll, Verbrechen aus dem Zweiten Weltkrieg zu verfolgen, und zwar des- halb, weil die Verfolgung nicht möglich war, wenn die Alliierten die Strafverfolgung der Ermittlungen abgeschlossen hatten. Wir müssen davon ausgehen, dass die Union ablehnt, weil sie der Meinung ist, die Frage, ob allein Mord verfolgt wird, sei nicht rechtlich gesi- chert. Wir haben also mit Zusatzanträgen zu rechnen. Diese Zusatzanträge angenommen, würden das deutsch-französische Verhältnis schwer belasten, so dass vom Ausgang der Abstimmung sicher auch ein Einfluss auf das Klima des französischen Besuches in der nächsten Woche ausgehen wird. Es wird deshalb wichtig sein, dass da keine Panne pas- siert. Wehner : Fertig? Friedrich : Ja, Berichter- – für uns spricht Rudi Schöfberger , der im Rechtsausschuss Be- richterstatter war. Wehner : Wird das Wort gewünscht? – Hier ist ja möglicherweise mit Anträgen zu rech- nen, zum Beispiel ein Entschließungsantrag kann kommen, nicht? Friedrich : Ja, wir haben mit zwei Entschließungsanträgen der Union zu rechnen, die schon im Rechtsausschuss gestellt wurden und dann auch im Auswärtigen Ausschuss wieder eingebracht wurden. Wehner : Kommen wir zum nächsten Punkt, Horst Haase , ERP-Wirtschaftsplangesetz.

5 Probleme bei der Aufnahme.

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Haase (Fürth): Genossen, der ERP-Haushalt umfasst einen Umfang von circa 2,5 Milli- arden. In dem Haushalt selber hat es einige Verschiebungen gegeben, die ich hier ganz kurz vortragen will. Es wurde erhöht als Ausschluss der Erklärung der Bundesregierung beim Konjunkturprogramm ein Betrag im Bereich der Mittelstandsförderung, Förde- rung von kleinen und mittleren Betrieben, um 120 Millionen insgesamt. Hier geht es um eine Verpflichtungsermächtigung die erst im Jahre ’76 abzudecken ist. Die Frage der Ab- deckung hat eine Rolle gespielt. Wir haben ausdrücklich klargemacht im Ausschuss, dass die Abdeckung der Regierung zunächst überlassen bleiben soll in ihrem Vorschlag, den sie 1976 dem Parlament hierzu zu machen hat. Es steht jedoch fest und darüber sollten wir uns keine Illusionen machen, dass die Kapitalmittel, Kapitalhilfemittel, aus dem ERP-Plan für die Entwicklungshilfe hier mit im Feuer stehen. Ausgesprochen wurde je- doch, eine Deckung hier aus diesem Bereich zu nehmen, nicht. Ein anderer Punkt ist, dass wir eine Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 40 Millionen für kleine und mitt- lere Betriebe ausgesprochen haben, die sich nicht nur auf den Bereich der strukturschwa- chen Gebiete erstreckt, sondern darüber hinaus in allen Bereichen der Bundesrepublik einsatzfähig ist. Dieses sind die beiden zentralen Punkte, die zur Abstimmung stehen. Es wird sich um keine problematische Abstimmung handeln. Es soll mit einer Erklärungs- runde die Sache erledigt werden. Wehner : Wird das Wort gewünscht? Scheint nicht. Dann kommen wir zu der zweiten und dritten Lesung Heizölkennzeichnungsgesetz. Hans-Jürgen Augstein hat das über- nommen. Augstein : Genossinnen und Genossen, der Tatbestand oder Missstand ist folgender. Heizöl kann man als Dieselkraftstoff verwenden. Dabei spart man pro Liter über 40 Pfennig an Steuern. So fallen jährlich durch Heizölverdieselung oder sogenannte Heidi- Geschäfte circa 200 bis 400 Millionen an Steuern aus. Um diesen Steuerausfall einzugren- zen und aus Gründen der Steuergerechtigkeit gegenüber den korrekten Heizölhändlern und korrekten Dieselfahrern soll das Heizöl in Zukunft gekennzeichnet werden, rot ge- kennzeichnet werden, mit einer Chemikalie versehen. Wer dann bei Verkehrskontrollen auffällt, der ist dran, anders als bei dem bisherigen System der zwölf Millionen Zoll- scheine. Bei der Beratung, das Gesetz ist jetzt nicht mehr kontrovers, bei der Beratung sind nur zwei Punkte von allgemeinem Interesse, die ich kurz anschneiden darf. Werden jetzt die Ölkonzerne ihre Preisführerschaft komplett ausbauen? Werden sie überhaupt noch un- gekennzeichnetes Öl an den mittelständischen Heizölhandel liefern, damit dieser je nach Marktlage das Öl als ungekennzeichneten Dieselkraftstoff oder rotgefärbtes Heizöl ver- kaufen kann? Wir haben da zwei Absicherungen gefunden. Die sind natürlich nicht tod- sicher. Die sind mehr psychologischer Natur. Eine gewisse Absicherung bietet die Zu- sage im Anhörungsverfahren der Mineralölindustrie, sie werde auch in Zukunft liefern wie bisher. Wir wissen natürlich, dass diese Zusagen nur Bedeutung haben in Zeiten des Überflusses. In Zeiten des Mangels kann man dem sowieso nicht abhelfen. Das Zweite ist, wir ersuchen die Bundesregierung im Ausschussbericht, jede Verletzung dieser Zu- sage – in Anführungsstrichen – der Industrie kartellrechtlich überprüfen zu lassen. Ich bin gleich fertig. Der zweite Punkt betrifft Folgendes: die Kosten des ganzen Unter- nehmens. Es entstehen einmal laufende jährliche Kosten der Kennzeichnung von circa 20 bis 25 Millionen Mark und dann Umrüstungskosten, also Bestellung neuer Tankwa- gen und so weiter von 100 Millionen Mark geschätzt. Es ist nun erwogen worden, wie kann man den kleinen und mittelständischen Unternehmen helfen? Wir sind dann zu der Ansicht gekommen, dass es nicht angängig ist, hier Kosten zu erstatten, weil diese ja aus der Erfüllung der Steuerpflicht anfallen. Solche Kostenerstattungen gibt es sonst auch

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nicht, zumal hier die Kennzeichnung in den Steuerlagern ja auf Wunsch der mittelstän- dischen Mineralölfirmen erfolgt, und daher ihre eigene Sache ist. Möglicherweise kommt ja jetzt die Investitionszulage von 7,5 Prozent hinzu. Wir haben aber im Finanzausschuss eine Entschließung gefasst und werden sie heute unterbreiten, wonach die Bundesregie- rung gebeten wird, Hilfe für solche Firmen vorzusehen, die durch die Umrüstung ihrer Tankfahrzeuge und Apparate wirtschaftlich gefährdet werden. Wir haben schon mal sol- che Richtlinien gehabt für die Umrüstung auf Verschlusssicherheit im Berlin-Verkehr. Letztlich sei noch erwähnt der Heizölverbraucher. Wie wirkt sich das für den Heizöl- verbraucher aus? Erstens die laufenden Kosten, die über die Preise abgewälzt werden, werden gar nicht zu spüren sein. Sie betragen pro Liter 0,04 Pfennig. Die Abwälzung der Zinsbelastung aus den Investitionen im Laufe der Zeit auf die Verbraucher dürfte gar nicht so leicht sein angesichts der geringen Verdienstspannen auf dem Heizölmarkt und der starken Wettbewerbslage. Und der dritte Punkt dazu noch: Im Übrigen wird der Verbraucher in Zukunft besser zwischen den unterschiedlichen Heizölfirmen wählen können, weil ja sein Zollschein nicht mehr bei seinem Unternehmer, seinem Heizölver- käufer liegt. Abschließend nur noch Folgendes: Wir haben beschlossen im Ausschuss, dass das Gesetz am 1. Januar ’76 in Kraft tritt, damit die Firmen die Zeit zur Umstellung haben. Die Firmen sind uns nun angegangen nachträglich und haben gebeten, es nicht vor dem

1. 4. ’76 zu machen. Ich habe noch mal mit dem Finanzministerium gesprochen. Es be- stehen da keine Bedenken. Vielen Dank. Wehner : Danke. Wird das Wort gewünscht? Ist nicht der Fall. Dann Karl-Heinz Kern zu dieser Enquetekommission Energieforschung. Kern : Die CDU/CSU hat beantragt, eine Enquetekommission Energieforschung einzu-

setzen. Nach 74 a der Geschäftsordnung können wir das nicht verhindern, weil ein Vier- tel der Mitglieder des Bundestages das durchsetzen kann. Allerdings müssen wir von un- serer Seite aus doch einige Bedenken anmelden, und zwar zunächst einmal, weil das, was im Antrag als Untersuchungsauftrag dieser Enquetekommission vorgesehen ist, bereits heute vorliegt. Die Bestandsaufnahme, die dort gemacht werden soll, haben wir für den nuklearen Teil im vierten Atomprogramm, für den nichtnuklearen Teil im Energiefor- schungsprogramm und in der ersten Fortschreibung dieses Energieforschungspro- gramms, zum anderen aber ist das Instrument der Enquetekommission, wie wir es in drei Enquetekommissionen bereits jetzt praktizieren, wohl nicht geeignet, Untersuchungen über den Bereich der staatlichen Behörden hinaus durchzuführen. Und gerade im Be- reich der Energieforschung wären Untersuchungen durchzuführen und Daten von Wirt- schaftsverbänden und Multis abzurufen, die wir rechtlich gar nicht zwingend einholen können, so dass auch hier der Verdacht naheliegt, dass diese Enquetekommission nichts bringt. Nach den Regeln dieses Hauses fällt der CDU der Vorsitz zu und wie sie also im letzten Punkt ihrer Themen aufgeschlüsselt hat, dient diese Enquetekommission vor al- lem dadurch, Untersuchungen durchführen zu lassen. Ich meine, wir sollten in erster Lesung, weil wir ja gar nicht anders können, das passieren lassen und in den Ausschüssen dann gründlich die Frage stellen, was diese Enquetekommission eigentlich soll. Wehner : Wird das Wort gewünscht? Nicht. Dann kommen wir zu den Abkommen, die vorhin hier alle aufgeführt worden sind. Eugen Glombig . Glombig : Genossinnen und Genossen, die Abkommen über soziale Sicherheit, die in dieser Woche auf Wunsch der CDU unter Umständen diskutiert werden sollen oder in Form einer Erklärung behandelt werden sollen, betreffen das Kindergeld für ausländi- sche Arbeitnehmer aus Drittländern, hier also Portugal, Spanien, Jugoslawien, Griechen- land und die Türkei. Mit diesen Abkommen soll eine Anpassung des Kindergeldes für

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die in der Bundesrepublik beschäftigten Arbeitnehmer aus Drittländern erfolgen, deren Kinder im Ausland leben. Diese Anpassung erfolgt unter der Berücksichtigung der Un- terhalts- und der Erziehungskosten, die dem Arbeitnehmer im Wohnland der Kinder entstehen. Hier sind folgende Sätze vorgesehen: für das erste Kind 10 Mark, für das zweite Kind 25 Mark, für das dritte und vierte Kind je 60 Mark und jedes weitere Kind 70 Mark. Damit werden die Kosten für diese Kinder im Ausland gedeckt. Die Vertrags- länder haben dem zugestimmt, vor allem auch deswegen, weil insgesamt mit dieser Re- gelung 250 Millionen D-Mark mehr für das Kindergeld für ausländische Arbeitnehmer aufgewandt werden wird. Eine globale Übernahme der für die Bundesrepublik vorgese- henen Kindergeldsätze würde zurzeit etwa 800 Millionen D-Mark zusätzlich aus Steu- ermitteln erfordern. Hier hätte es, wenn die Opposition wirklich meint, das beanstanden zu müssen, es sicherlich sehr schwer, einen Deckungsvorschlag zu machen. Aber ich meine, dass in diesem Zusammenhang auch auf Folgendes hingewiesen werden sollte, Genossinnen und Genossen. Die vorgesehene Regelung für ausländische Arbeit- nehmer gilt in gleicher Weise für die im Ausland wohnenden Kinder von Deutschen und außerdem haben die ausländischen Arbeitnehmer aufgrund der Steuerreform ebenfalls und auch zusätzlich folgende Vorteile. Ich möchte das ganz kurz in Erinnerung rufen.

Hier geht es einmal die Erhöhung des Grundfreibetrages von 1 680 auf 3 000 Mark, dann die Erhöhung des Arbeitnehmerfreibetrages von 240 auf 600 Mark, die Erhöhung der Höchstbeträge für Sonderausgaben, die sozialere Gestaltung der Steuerprogression und besonders zugunsten von ausländischen Arbeitnehmern die Erhöhung des Freibetrages

für Unterhaltsaufwendungen für die im Ausland lebende Ehefrau von 1 200 auf 3 000 D- Mark. Damit dürften auch nach Auffassung des Arbeitskreises, aber auch des Ausschus- ses für Arbeit und Sozialordnung, wo diese Verträge gegen ganz wenige Stimmen aus der CDU/CSU angenommen worden sind, damit dürfte feststehen, dass auch die ausländi- schen Arbeitnehmer in jedem Fall einen höheren Nettolohn als bisher erhalten werden. Wehner : Wird das Wort gewünscht? [E.] Wehner : Dann rufe ich auf Punkt 16. Das hat übernommen Herta Däubler-Gmelin . Kleine Anfrage Allgemeine Geschäftsbedingungen. Vorlage liegt euch vor. Däubler-Gmelin : Liebe Genossinnen und Genossen, die Vorlage, die wir euch heute unterbreiten, die mit der FDP abgesprochen ist – den Text will ich jetzt nicht vorlesen –, hat folgenden Sinn: Sie soll der Regierung die Möglichkeit geben, uns darzulegen, wie weit ihre Bemühungen zur AGB-Reform sind, hauptsächlich auch, was den verfahrens- rechtlichen Teil anbelangt. Grund für diese Gelegenheit ist, dass wir nicht genau absehen können, ob die CDU nicht in der nächsten Zeit versuchen wird, uns hier die Butter vom Brot zu nehmen und dass das Justizministerium nicht in der Lage ist, weil es eben ge- zwungen ist, sorgfältig zu arbeiten und bestimmte Anhörungsverfahren zu dem Referen- tenentwurf zu machen, hier jetzt schnell über den Daumen gebrochen mit einem Kabi- nettsentwurf rauszukommen. Danke schön. Wehner : Wird das Wort gewünscht? Gestern im Fraktionsvorstand war die Frage ge- stellt worden, warum da stehen muss am Ende des ersten Absatzes, aufgrund welcher Erwägungen hat sie bisher davon abgesehen. Bitte schön. Däubler-Gmelin : Diese Worte beziehen sich speziell eben auf die Verpflichtung des Jus- tizministeriums, Anhörungsverfahren zu dem Referentenentwurf abzuhalten. Ich darf aber noch was hinzufügen. Am Ende des Absatzes 1 von Punkt 2 steht das hässliche Wort »verneinendenfalls«. Ich werde mich hier dafür einsetzen, dass das durch die Worte »falls nicht« ersetzt wird.

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Wehner : Soll diese Kleine Anfrage so passieren? Dann kommen wir zum nächsten Punkt, Konrad Porzner . Text liegt vor. Porzner : Die FDP-Fraktion hat keine andere Möglichkeit, als ihren Parteitag in der Wo- che, die mit dem 26. Oktober beginnt, zu halten. Das war ursprünglich als Tagungswoche vorgesehen. Man musste deswegen den Sitzungsplan ändern, weil wir bei Parteitagen im- mer versuchen, den Parteien die Sitzungswoche freizuhalten. Deswegen der Neuvor- schlag auf der letzten Spalte dieses Blattes. Unten heißt es dann: ab hier unverändert. Wir werden jetzt noch aufgrund einer Anregung prüfen, ob es nicht möglich ist, die drei Sit- zungswochen, die im November und Dezember vorgesehen sind, vom 23. November ab, zusammenzulegen, aus der sitzungsfreien Woche eine Tagungswoche zu machen und dafür die letzte Woche vom 14. Dezember ab, die Sitzungswoche ist, sitzungsfrei zu ma- chen, damit wir nicht ganz nah an Weihnachten hinkommen. Das allerdings kann erst im Ältestenrat am Donnerstag beschlossen werden. Ich nehme an, dass wir bis Ende der Woche dann den endgültigen Sitzungsplan dieses Jahres vorlegen können. Das hätte auch den Vorteil, dass wir nicht in Schwierigkeiten mit Fristen kämen für Behandlungen von Gesetzentwürfen, die im Bundesrat erfolgen müssen. Ich glaube, dass auch alle von euch der Meinung sind, so knapp an Weihnachten hin zu tagen, wie das im letzten Jahr der Fall war, wenn man das vermeiden kann, wäre es günstig. Wehner : Wird das Wort gewünscht? Wird nicht. Dann kommt der nächste – (Zwischenruf.) Bitte? Ja bitte. – Ja, bitte schön.

[N. N. ]: Konrad [ Porzner ], ich sehe ein, dass hier konkrete Gründe dafür vorliegen, dass wir drei Wochen hintereinander tagen müssen. Ich würde dennoch darum bitten auch im Interesse unserer Familien, bei denen wir ab und zu auch mal sein möchten, dass das nicht gang und gäbe werde auch im nächsten Jahr, dass wir so oft Drei-Wochen-Ab- schnitte haben. Denn ich glaube, das ist nicht ganz so gut. Porzner : Wir haben 24 Sitzungswochen. Das ist weniger als die Hälfte der Wochenzahl im Jahr. Es bleibt gar keine andere Wahl, als ab und zu drei Sitzungswochen hintereinan- der zu machen. Wehner : Noch Wortmeldungen dazu? Nicht der Fall. Dann rufe ich auf den nächsten Punkt, . Timm : Genossinnen und Genossen, der Fraktionsvorstand schlägt euch vor, dass die Funktionen, die Rainer Offergeld innerhalb der Fraktion und des Arbeitskreises Finanz- wesen und andere Dinge innehatte, auch als stellvertretender Ausschussvorsitzender, von Antje Huber übernommen werden. Wehner : Wird das Wort dazu gewünscht? Gibt’s andere Vorschläge? Dann ist die Frak- tion wohl damit einverstanden. – Was die Tabelle mit dem nächsten Termin betrifft, so

findet ihr unter Dienstag, dem 18. 2., keine Zeit eingetragen. Das ist deshalb so, weil noch darüber verhandelt bis gestritten werden muss. Notfalls müssen wir es durch eine Ab- stimmung erzielen, dass entweder an dem Dienstagnachmittag oder -vormittag der Jah- reswirtschaftsbericht eingebracht wird, um das zeitlich zu trennen vom Haushaltsplan und seiner Debatte, und da müssen wir noch rechtzeitig nachträglich feststellen, wann wir unsere Fraktionssitzung machen können. Wird das Wort zu Verschiedenem ge- wünscht? Scheint nicht der Fall zu sein. Dann schließe ich die Sitzung.

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