CSU-LG – 8. WP Landesgruppensitzung: 14. 2. 1978

14. Februar 1978: Sitzung der Landesgruppe

ACSP, LG 1978: 2. Überschrift: »Protokoll über die 134. Sitzung der CSU-Landesgruppe am 14. 2. 1978«. Zeit: 13.00–13.45 Uhr. Vorsitz: Zimmermann.

Anwesend: Althammer, Becher, Bötsch, Engelsberger, Geisenhofer, Glos, Haberl, Hartmann, Höffkes, Höpfinger, Graf Huyn, Jaeger, Kiechle, Klein, Kraus, Kreile, Kunz, Lemmrich, Lintner, Niegel, Probst, Regenspurger, Riedl, Röhner, Rose, Schedl, Schleicher, Schmidhu- ber, Spranger, Graf von Stauffenberg, Stücklen, Waigel, Warnke, Wittmann, Ziegler, Zim- mermann.

Sitzungsverlauf: A. Bericht des Landesgruppenvorsitzenden Zimmermann über die Arbeit der parlamenta- rischen Untersuchungsausschüsse über den Spionagefall Lutze/Wiegel und die Abhöraf- färe um den CSU-Vorsitzenden Strauß, die anstehende Beratung der Anti-Terrorgesetze, die Umbildung des Bundeskabinetts, den Juso-Kongress und das Verschwinden des au- ßenpolitischen Referenten der CSU-Landesleitung Huber. B. Erläuterungen des Parlamentarischen Geschäftsführers Röhner zum Plenum der Woche. C. Allgemeine Aussprache mit besonderer Berücksichtigung der Anti-Terrorgesetze und des Verschwindens des CSU-Referenten Huber.

[A.] TOP 1: Bericht des Landesgruppenvorsitzenden Dr. Zimmermann eröffnet die Landesgruppensitzung. Er weist darauf hin, daß wie ver- abredet bis zu den Kommunalwahlen 1 am 5. März 1978 am Montag abend keine Lan- desgruppensitzungen stattfinden werden. Man treffe sich deshalb jeweils dienstags in der Bayerischen Landesvertretung. 2 Die erste Sitzung nach Kreuth II 3 sei nicht durch eine veränderte politische Landschaft gekennzeichnet, vielmehr sei lediglich eine neue Lage aufgrund der Kabinettsumbildung entstanden. 4 Die Themen seien die gleichen geblieben.

1 In Bayern. 2 Die nächste Sitzung der Landesgruppe fand am 21. Februar 1978 statt. Vgl. ACSP, LG 1978: 3. 3 Zur Klausurtagung der Landesgruppe vom 12. bis 14. Januar 1978 in Wildbad-Kreuth vgl. ACSP, LG 1978: 1. 4 Im Rahmen der Anfang Februar 1978 bekanntgegebenen Kabinettsumbildung schieden Bundesver- teidigungsminister , Bundesbildungsminister , Bundesbauminister und Bundesentwicklungshilfeministerin aus. Nachfolger Lebers wurde der bis- herige Finanzminister , dessen bisheriges Ressort der Bundesminister für Forschung und Technologie, Hans Matthöfer, übernahm. Neuer Bundesminister für Forschung und Technologie wurde der bisherige Parlamentarische Staatssekretär , während der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, , an die Spitze des Bundesentwick- lungsministeriums rückte. Neuer Bundesminister für Bildung und Wissenschaft wurde der Vorsitzen- de des Arbeitskreises für Außen- und Sicherheitspolitik der SPD-Bundestagsfraktion, Jürgen Schmu- de, neuer Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau der bisherige Parlamentarische Staatssekretär Dieter Haack. Die Vereidigung der neuen Bundesminister erfolgte am 16. Februar 1978. Vgl. BT Plenarprotokoll 08/72, S. 5647 f. Zur Kabinettsumbildung vgl. auch den Artikel »Ka- binett Schmidt: Der Notfall war da«; »Der Spiegel«, Nr. 6 vom 6. Februar 1978, S. 17–24, hier S. 17: »Mit einer eiligen Regierungsumbildung versuchte Kanzler Schmidt, sein durch Minister-Rücktritte

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Dr. Zimmermann gratuliert Dr. Voss zu seinem 46. Geburtstag. In diesem Zusammen- hang lobt er die Arbeit von Dr. Voss im Untersuchungsausschuß »Lutze«. 5 Auch dankt er den Mitgliedern Dr. Althammer und Dr. Riedl für ihre Arbeit im Untersuchungsaus- schuß »Abhöraffäre«. 6 Beide Untersuchungsfälle seien durch den Rücktritt von Ver- teidigungsminister Leber nicht abgeschlossen. Es sei nunmehr Aufgabe der CSU, dar- auf zu achten, daß aus den Untersuchungsausschüssen nicht die Luft im Hinblick auf die öffentliche Wirkung entweiche. Die Öffentlichkeitsarbeit müsse dahingehend ver- stärkt werden, daß man nicht zu sehr den Umfang des Verrats in den Vordergrund der Diskussion stelle, sondern insbesondere die parteipolitische Verfilzung anprangere. Hier seien Personen ohne fachliche Qualifikation allein aufgrund politischer Empfehlungen in die jeweiligen Stellungen gebracht worden. Dr. Zimmermann macht darauf aufmerk- sam, daß im Hinblick auf die Arbeit in den beiden parlamentarischen Untersuchungs- ausschüssen sich die Referenten Dr. Merkel und Dr. Rombach 7 schwerpunktmäßig für diese Arbeiten zur Verfügung stellen müssen. Es sei deshalb klar, daß die laufenden [Ar- beiten] in der Arbeitsgruppe Außen- und Verteidigungspolitik darunter leiden müssen. Dies müsse aber im Dienste der Sache hingenommen werden. Zum Thema Anti-Terrorgesetze 8 berichtet Dr. Zimmermann, daß die SPD-Fraktion zur Zeit alles versuche, um unter Qualen eine Mehrheit im Parlament zu erreichen. Dies

und Abhör-Affären beschädigtes Ansehen als zupackender Manager der Macht wiederherzustellen und der Koalition neuen Halt zu geben. Die FDP zeigte während der Krisentage deutliche Distanz zum sozialdemokratischen Partner.« 5 Auf Antrag der CDU/CSU-Fraktion beschloss der Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundes- tages am 14. Dezember 1977 die Einsetzung als Untersuchungsausschuss nach Artikel 45 a Abs. 2 des Grundgesetzes zur Untersuchung des Spionagefalles Lutze/Wiegel und der damit verbundenen Sach- verhalte. Vgl. die Beschlussempfehlung und den Bericht des Verteidigungsausschusses vom 15. No- vember 1978; BT Drs. 08/2290. 6 Am 26. Januar 1978 beschloss der Deutsche auf Antrag der CDU/CSU-Fraktion die Ein- setzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der Abhöraffäre um den CSU-Vorsit- zenden Franz Josef Strauß. Die »Süddeutsche Zeitung« hatte am 14. Januar 1978 eine der Zeitung zugespielte Mitschrift eines Telefonats von Strauß mit dem Redakteur des »Bayernkurier«, Wilfried Scharnagl, zum Lockheed-Fall veröffentlicht. – 1976 war ein Unterausschuss des amerikanischen Se- nats zu dem Ergebnis gekommen, dass der amerikanische Flugzeugkonzern Lockheed die Lieferung von Militärflugzeugen durch Schmiergeldzahlungen an Mitglieder verschiedener Regierungen be- einflusst hatte. Nach den Aussagen des ehemaligen Lockheed-Lobbyisten Hauser soll der Konzern an den damaligen Bundesverteidigungsminister Strauß und die CSU 1961 10 Millionen Dollar ge- zahlt haben, um die Anschaffung von 916 F-104-Starfighter-Kampfflugzeugen sicherzustellen. Die von Hauser vorgelegten Beweise erwiesen sich jedoch später als Fälschungen. Vgl. BT Plenarproto- koll 08/69, S. 5452–5458; vgl. auch die Beschlussempfehlung und den Bericht des Untersuchungsaus- schusses vom 20. März 1980; BT Drs. 08/3835. 7 Hans Merkel, Wilhelm Rombach. 8 Am 16. Februar 1978 fanden die zweite und dritte Beratung des Gesetzentwurfs zur Änderung der Strafprozessordnung in Verbindung mit der zweiten Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Ge- setzentwurfs zur Änderung der Strafprozessordnung und des Strafvollzugsgesetzes statt. Mit den Gesetzentwürfen sollten u. a. das Recht zur Durchsuchung von Wohnungen, die Vorschriften zum Verteidigerausschluss und zur Überwachung des schriftlichen Verteidigerverkehrs (Trennscheibe) er- weitert werden. Gegenüber dem vom Rechtsausschuss empfohlenen Gesetzentwurf zur Änderung der Strafprozessordnung hatten die Ausschussmitglieder von CDU/CSU weitergehende Fassungen gefordert. So sollten der Straftatbestand der Bildung einer terroristischen Vereinigung (§ 129 a StGB) als Verbrechen eingestuft, die Möglichkeit der Aussetzung der Strafe bzw. des Strafrestes zur Bewäh- rung eingeschränkt, der Anwendungsbereich der Sicherheitsverwahrung auf Ersttäter erweitert, eine obligatorische Untersuchungshaft eingeführt und die Überwachung von Verteidigerbesuchen ermög- licht werden. Vgl. BT Drs. 08/322 vom 26. April 1977, 08/976 vom 4. Oktober 1977, 08/996 vom 5. Oktober 1977, 08/1283 vom 30. November 1977, 08/1482, 08/1516; BT Plenarprotokoll 08/72, S. 5648–5682, 5702–5737.

Copyright © 2019 KGParl 2 CSU-LG – 8. WP Landesgruppensitzung: 14. 2. 1978 sei ein deutliches Zeichen für die Schwäche der SPD/FDP-Regierung. Bundeskanzler Schmidt habe keine solide Mehrheit mehr. Er fordert die Union auf, auch weiterhin ge- schlossen im Bundestag und Bundesrat die Anti-Terrorgesetze abzulehnen. Wenn dies nicht möglich sei, so wäre die Glaubwürdigkeit der Union in der Öffentlichkeit zer- stört. Wie unterschiedlich die Presseresonanz zur Zeit sei, zeigen zwei Artikel: Augstein im »Spiegel« rät den Abweichlern der SPD, beim Nein zu bleiben, denn Augstein sieht in den Anti-Terrorgesetzen nur den Anfang zu weiteren Maßnahmen. 9 Dreher von der »Süddeutschen Zeitung« dagegen 10 stellt sich 11 als Helfer der SPD/FDP-Regierung dar. 12 Zur Kabinettsumbildung führt Dr. Zimmermann folgendes aus. Die Ernennungen von Dr. Schmude, Dr. Hauff, Offergeld und Haack können akzeptiert werden. Dagegen seien die Ernennungen von Dr. Apel zum Verteidigungsminister und Matthöfer zum Finanzminister große, wenn nicht sogar kriminelle Fehlentscheidungen. Das Verteidi- gungsministerium sei ein solch bedeutendes und wichtiges Ressort, daß dieses nur von einem Mann geführt werden könne, der langjährige Erfahrungen im Verteidigungsaus- schuß oder sonstigen Gremien gesammelt habe und sich für diese Aufgabe über Jahre hinweg qualifiziert habe. Die gesamte Breite des Spektrums von der Wehrpolitik über die Probleme der Berufssoldaten, über die Entscheidungen im Rahmen der Rüstungs- ausgaben, über die engen Verbindungen zur NATO, über die Fragen nuklearer Rüstung, die Probleme der Kriegsdienstverweigerer und des Zivildienstes bis hin zur außenpoliti- schen Weltstrategie und zur Inneren Führung machen es notwendig, daß nur bei mehr- jähriger Erfahrung die Gewähr gegeben sei, daß ein Minister dieses Amt zur Zufrieden- heit ausfüllen könne. Ein Mann wie Dr. Apel, der auch noch öffentlich sein Desinteresse zeige, sei völlig unqualifiziert. Hier zeige sich aber, daß Schmidt versuche, einen mögli- chen Nachfolger in seinem Amt aufzubauen. Dr. Apel nehme denselben Werdegang wie Schmidt: Finanzminister, Verteidigungsminister und vielleicht dann Bundeskanzlerkan- didat. Was Dr. Apel noch fehle, sei das Amt des Fraktionsführers. Es sei aber kein Ge- heimnis, daß Dr. Apel sicherlich Fraktionsführer wäre, wenn die SPD auf den Stühlen der Opposition säße. Matthöfer weise die gleiche Inkompetenz für sein Amt auf wie Dr. Apel. Für dieses Amt sei ein Opportunist untauglich. Hier bedürfe es Härte, Durchset- zungsvermögen, Standfestigkeit gegenüber den Kabinettskollegen, der eigenen Fraktion und der Opposition. Wie sehr dieses Amt die früheren Minister geprägt habe, zeige sich auch an den früheren Ministern Schäffer und Dr. Strauß, die aufgrund ihrer Tätigkeit im Finanzministerium teilweise gewisse föderative Züge verloren haben. 13 Will man in die- sem Amt bestehen, so sei ein kurzer Zügel notwendig. Eine weitere Zerreißprobe für die Koalition stelle das Rentenproblem dar. 14 Dr. Zim- mermann schätze diese Zerreißprobe höher ein als die Zerreißprobe bei den Anti-Ter-

9 Vgl. den Artikel von Rudolf Augstein: »Abbau auf Raten«; »Der Spiegel«, Nr. 7 vom 13. Februar 1978, S. 22. 10 Im Original durchgestrichen: »sieht eine Gefahr für die Demokratie in der Rolle der Abweichler und«. 11 Im Original durchgestrichen: »somit«. 12 Vgl. den Leitartikel von Klaus Dreher, : »Die Koalition steht auf dem Spiel«; »Süddeutsche Zei- tung« vom 13. Februar 1978, S. 4: »Eine Regierungskoalition aber, die ausgerechnet wegen der Terro- rismusbekämpfung auf der Strecke bleibt, hat ihre Glaubwürdigkeit verloren. Wollen diejenigen, die gewiß nicht den Terrorismus fördern, aber auch dem Gesetz nicht zustimmen wollen, daß alles schei- tert oder die Gesetze der CDU/CSU zum Zuge kommen?« 13 Die CSU-Politiker Fritz Schäffer und Franz Josef Strauß standen von 1949 bis 1957 bzw. von 1966 bis 1969 an der Spitze des Bundesfinanzministeriums. 14 Da die Rentenversicherungen eine Finanzlücke von 20 Milliarden DM bis 1981 aufwiesen, sollten die Rentenerhöhungen in den Jahren 1979 bis 1981 nach den Vorstellungen von Bundeswirtschaftsminis-

Copyright © 2019 KGParl 3 CSU-LG – 8. WP Landesgruppensitzung: 14. 2. 1978 rorgesetzen. Bei den Anti-Terrorgesetzen sei mit 4, maximal 6 Fehlern zu rechnen, dage- gen bergen die Vorschläge zur Sanierung der Rentenversicherung mehr Sprengstoff für die SPD in sich. Es gehe hier um die Abschaffung des alten Rentensystems, ohne daß ein neues System an seine Stelle trete. Die zur Zeit bekannten Maßnahmen laufen auf eine Zerstörung des bewährten Systems hinaus. Der Willkür werden Tür und Tor geöffnet. Innerhalb der SPD seien deshalb schon Stimmen laut geworden, die dies 15 nicht hinneh- men wollen. Die CSU fordert Dr. Zimmermann auf, mit eigenen Vorschlägen zur Zeit noch nicht in die Diskussion einzugreifen. Er schlägt vor, in dieser Woche mit den So- zialpolitikern der Landesgruppe über die einzuschlagende Taktik ein ausführliches Ge- spräch zu führen. Dabei müsse auch geklärt werden, ob man Katzer 16 in dieser Angele- genheit die Führerschaft überlassen solle. Ein weiterer Punkt wurde von Dr. Zimmermann angesprochen. Er weist auf die Präsenz im Plenum hin. Am Donnerstag sei Präsenzpflicht. 17 Reisen ins Ausland oder Besucher- gruppen oder andere Verpflichtungen können als Entschuldigung nicht akzeptiert wer- den. Er berichtet auch, daß die Debatte ganztägig im Fernsehen übertragen werde. Das Plenum werde das Schaufenster der Nation sein. Zum Juso-Kongreß am Wochenende führt Dr. Zimmermann aus, daß Benneter Nr. 2, Gerd Schröder, den Vorsitz der Juso übernommen habe. 18 Der neue Vorsitzende sei Ver- treter der kleinsten und bisher unbekanntesten der drei wichtigsten Juso-Fraktionen: der »Anti-Revisionisten«. 19 Gewählt wurde er aber auch mit den Stimmen der »Stamokap«. Die Krise, das Zerwürfnis zwischen SPD und Jungsozialisten sei auf diesem Kongreß nochmals deutlich zutage getreten. Auch sei die Kontroverse zwischen 20 Koschnick 21 und Bundesgeschäftsführer Bahr deutlich zum Ausdruck gekommen. Sprach Koschnick da- von, daß man nunmehr den Knoten durchhauen müsse und, wenn dies nicht möglich sei, auch Konsequenzen in Erwägung gezogen werden müssen, so stellte SPD-Bundesge- schäftsführer Bahr dagegen fest, daß nunmehr ein neuer Anfang gemacht sei. Dr. Zimmermann gibt in diesem Zusammenhang noch einen wichtigen Hinweis, der bisher in der Presse nur wenig Anklang gefunden habe. Er weist auf die Gästeliste hin.

ter Graf Lambsdorff und Bundeskanzler Schmidt nicht mehr von der Lohnentwicklung, sondern von der Kassenlage der Versicherungen abhängig gemacht werden. Vgl. den Artikel »Renten. Was rein- hauen«; »Der Spiegel«, Nr. 5 vom 30. Januar 1978, S. 31. 15 Im Original durchgestrichen: »diese sog. Reform«. 16 MdB (CDU), 1963–1977 Vorsitzender der CDA, Präsident der Europäischen Union Christlich-De- mokratischer Arbeitnehmer, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion. 17 Zur Plenarsitzung am 16. Februar 1978 vgl. BT Plenarprotokoll 08/72. 18 Auf dem Kongress der Jungsozialisten in Hofheim bei Frankfurt am Main wurde am 12. Februar 1978 der 33-jährige Hannoveraner Rechtsanwalt Gerhard Schröder, der spätere Bundeskanzler, zum Juso-Vorsitzenden gewählt. Er trat die Nachfolge des im Herbst 1977 aus der SPD ausgeschlossenen Klaus Uwe Benneter an. Zum Kongress der Jungsozialisten am 11. und 12. Februar 1978 vgl. den Ar- tikel »Linke Juso-Flügel stellen den Vorsitzenden«; »Süddeutsche Zeitung« vom 13. Februar 1978, S. 2. 19 Dazu schrieb Hartmut Palmer in der »Süddeutschen Zeitung«: Schröder repräsentiere »eine Gruppe von Linken in der SPD, die – anders als die des Stamokap-Flügels – nicht verdächtigt wird, heimlich, aber zielstrebig das Geschäft der DKP zu betreiben. Die ›Antirevisionisten‹ stehen in einer anderen Tradition: Sie wollen – wie ursprünglich auch die Gruppe der Reform-Jusos – die SPD in eine ›konse- quent sozialistische‹ Partei umwandeln.« Vgl. den Artikel »Mühsam die Spaltung vermieden«; »Süd- deutsche Zeitung« vom 13. Februar 1978, S. 4. 20 Im Original durchgestrichen: »Vorstandsmitglied«. 21 Präsident des Bremer Senats und Bürgermeister der Freien Hansestadt Bremen, stellvertretender SPD-Bundesvorsitzender.

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Auf Einladung der Juso haben an diesem Kongreß u. a. folgende Delegationen teilge- nommen: Sowjetische, polnische, bulgarische, rumänische, tschechoslowakische Kommunisten, die FDJ, die KP Italiens und Frankreichs, die rhodesische ZAPU, die sog. Patriotische Front, die südafrikanische ANC, die Frente Polisario, die PLO und Libyen durch Ver- treter des sog. Allg. Volks-Kongresses; Chile war mit 4 Delegationen vertreten. Selbst die Vertreter der kommunistischen Parteizeitung »Unitas« seien als Gäste begrüßt wor- den. Dies müsse in der Öffentlichkeit mehr publik gemacht werden. Dr. Zimmermann kündigt einen Bericht über den Juso-Kongreß an. Dr. Zimmermann berichtet weiter über das Verschwinden des außenpolitischen Refe- renten, Huber, der CSU-Landesleitung in München. 22 Er deutet an, daß er dpa-Infor- mationen habe, über die er zur Zeit noch nicht sprechen könne, die aber einen terroristi- schen Akt nicht ausschlössen. Wenn dies der Fall sei, so sei hiermit eine neue Dimension im Terrorismus erreicht. In diesem Zusammenhang weist Dr. Zimmermann darauf hin, daß aufgrund der Entführung von Huber Landesvorsitzender Dr. Strauß sich noch in München aufhalte. Zur Abstimmung am Donnerstag sei Dr. Strauß aber in Bonn. Dr. Zimmermann ruft den Tagesordnungspunkt 3 »Plenum der Woche« auf und bit- tet, den TOP 2 »Allgemeine politische Aussprache« erst danach aufrufen zu dürfen. Die Mitglieder der Landesgruppe sind damit einverstanden.

[B.] TOP 3: Plenum der Woche Röhner weist nochmals auf die Präsenzpflicht am Donnerstag im Plenum hin. Das Pai- ring sei aufgehoben. Er ergänzt die Ausführungen von Dr. Zimmermann zum Thema [des] Anti-Terrorgesetzes und berichtet, daß innerhalb der SPD noch zur Stunde nach einer Mehrheit gesucht werde. Er gehe aber davon aus, daß mit einem gezirkelten Ab- stimmungsergebnis eine Mehrheit innerhalb der SPD erreicht werden könne. Bei der Abstimmung im Plenum am Donnerstag sei mit mehreren namentlichen Abstimmungen zu rechnen. Zu den Punkten Sicherungsverwahrung und Verteidigerausschluß werde von der CDU/CSU-Fraktion die namentliche Abstimmung gefordert. 23 Da mit einer Fülle von Abstimmungen zu rechnen sei, weise er nochmals auf die Notwendigkeit der ständigen Präsenz am Donnerstag im Plenum hin. Der Beginn der Plenarsitzung am Donnerstag sei für 9.00 Uhr geplant. Nach der Vereidi- gung der neuen Minister werden die Beratungen über die Anti-Terrorgesetze aufgenom- men. Die ursprünglich geplante Zeitbegrenzung sei von der SPD aufgekündigt worden. Die SPD könne sich auch nicht auf eine Beendigung der Debatte um 13.00 Uhr festle- gen. Es werde deshalb mit einer langen Diskussion bis in den späten Nachmittag hinein, eventuell auch bis zum Abend gerechnet. Die Mittagspause ist von 13.00–14.00 Uhr ge- plant; von 14.00–15.30 Uhr stehe die Fragestunde auf der Tagesordnung. 24 Um 15.30 Uhr werde dann die Anti-Terrorgesetz-Debatte fortgesetzt. Das zeitliche Ende sei offen.

22 Zum kurzzeitigen Verschwinden des 30-jährigen Referenten für Auslandsbeziehungen in der CSU- Landesleitung, Georg Huber, vgl. den Artikel »Fall Huber. Bißerl düster«; »Der Spiegel«, Nr. 8 vom 20. Februar 1978, S. 104 f. – Vgl. dazu auch den Artikel »Mysteriöses Verschwinden eines CSU-Re- ferenten. Entführung nicht ausgeschlossen«; »Süddeutsche Zeitung« vom 14. Februar 1978, S. 1. Vgl. dazu auch die CSU-Pressemitteilungen der Landesleitung vom 28. und 29. März 1978; ACSP, Z-Pr 1978: 3. 23 Zu den namentlichen Abstimmungen am 16. Februar 1978 vgl. BT Plenarprotokoll 08/72, S. 5705– 5707, 5735–5737. 24 Vgl. ebd., S. 5682–5702.

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Eröffnet werde die Debatte mit der Rede des Berichterstatters, Dr. Eyrich. 25 Er werde dabei eine Gesamtdarstellung der Anti-Terrorgesetze geben. Dr. Wittmann werde dann zu den materiellen Änderungen des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und des Strafvollzugsgesetzes Stellung nehmen, und Hartmann werde die prozessualen Ände- rungen darstellen. 26 Weitere Redner werden sich vorbereiten müssen. Darüber müsse noch mit Dr. Kohl 27 abschließend gesprochen werden. Für die weitere Tagesordnung sei jeweils eine Rednerrunde geplant. Zum Thema »Fern- meldesonderbauprogramm und früherer Beginn des Mondscheintarifs« werde Straß- meir sprechen. 28 Der Antrag »Informations- und Dokumentationsprogramm der Bun- desregierung und Zeitschriften sowie Fachpresse« werde von Dr. Klein (Göttingen) begründet. 29 Zum Antrag »Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Antarktis- Vertrag« werde Dr. von Geldern sprechen. 30 Die Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichtes des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen be- treffs Autobahn Würzburg-Ulm werde von Lemmrich eröffnet. 31 Für Freitag sei im Plenum die Beratung des Schlußberichts der Enquete-Kommission »Verfassungsreform« geplant. 32 Die Beratung soll in zwei Teile zerlegt werden, wobei am Freitag lediglich über den ersten Teil gesprochen werden soll. Der erste Teil werde sich befassen mit Regierung und Parlament. Der zweite Teil, der im Herbst zu einem noch zu vereinbarenden Termin diskutiert werde, behandle das Verhältnis zwischen Bund/Länder. 33 Von der CSU-Landesgruppe werde Dr. Bötsch sprechen. 34

[C.] TOP 2: Allgemeine politische Aussprache Dr. Zimmermann erteilt Dr. Wittmann und Hartmann das Wort zu den Anti-Terror- gesetzen. Dr. Wittmann weist darauf hin, daß alle Anträge des Prioritätenkatalogs mit Ausnahme der Vorschriften über die obligatorische Untersuchungshaft bei terroristischen Delikten nochmals eingebracht werden. 35 Er macht nochmals auf die von [der] SPD geplanten

25 Vgl. ebd., S. 5649–5655. 26 Vgl. ebd., S. 5666–5670, 5673–5678. 27 CDU-Bundesvorsitzender, Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion. 28 Vgl. BT Drs. 08/1345; BT Plenarprotokoll 08/72, S. 5738–5743. Zur Rede des Abg. Straßmeir (CDU) vgl. ebd., S. 5738 f. 29 Vgl. BT Drs. 08/1339; BT Plenarprotokoll 08/72, S. 5743–5746. Zur Rede des Abg. Klein (CDU) vgl. ebd., S. 5743 f. 30 Vgl. BT Drs. 08/1427; BT Plenarprotokoll 08/72, S. 5746–5750. Zur Rede des Abg. von Geldern (CDU) vgl. ebd., S. 5746 f. 31 Vgl. BT Drs. 08/1075, 08/1466; BT Plenarprotokoll 08/72, S. 5750–5753. Zur Rede des Abg. Lemm- rich vgl. ebd., S. 5750–5752. 32 Zur Beratung des Schlussberichts der Enquete-Kommission »Verfassungsreform« am 17. Februar 1978 vgl. BT Drs. 07/5924 vom 9. Dezember 1976; BT Plenarprotokoll 08/73, S. 5757–5788. 33 Die Bund-Länder-Problematik war am 30. November 1978 Gegenstand der Beratung des Berichts der Bundesregierung über die strukturellen Probleme des föderativen Bildungssystems sowie die Ergänzung und die Schlussfolgerungen dazu. Vgl. BT Drs. 08/1551, 08/1956; BT Plenarprotokoll 08/120, S. 9329–9380. 34 Die CSU-Landesgruppe wurde am 17. Februar 1978 durch den Abgeordneten Jaeger vertreten. Vgl. BT Plenarprotokoll 08/73, S. 5770–5773. 35 Vgl. den Änderungsantrag der CDU/CSU-Fraktion vom 15. Februar 1978; BT Drs. 08/1511. Vgl. auch Anm. 8.

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Einzelabstimmungen aufmerksam. Dabei könne großes Durcheinander entstehen und deshalb bitte er ebenfalls alle Kollegen, am Donnerstag im Plenum zu sein. Hartmann fordert, das Minimal-Paket der Koalition abzulehnen, auch die Trennschei- benregelung, denn so, wie sie nunmehr vorgesehen sei, sei dies auch nach heutigem Recht möglich. Er bittet auch, wenn es zu Einzelabstimmungen zu einzelnen Geset- zesänderungen komme, diese durchgängig abzulehnen. Er macht dabei aber auf zwei Ausnahmen aufmerksam: Bei den Änderungen zu § 105 und § 127 Strafprozeßordnung müsse zugestimmt werden. 36 Hartmann [weist] 37 nochmals auf die einzige Ausnahme bei dem Dringlichkeitspaket des Antrages der CDU/CSU-Fraktion hin: Die Vorschriften über die obligatorische Untersuchungshaft bei terroristischen Delikten. Er begründet diese Ausnahme damit, daß bei der ursprünglichen Formulierung verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht werden. Angriffsflächen wolle man sich aber nicht leisten. Dr. Zimmermann dankt den beiden Berichterstattern und kommt nochmals auf die Entführung von Herrn Huber zurück. Er teilt den Inhalt der dpa-Mitteilung mit: Wört- lich sei auf schwarze Plastikstreifen geprägt worden: »Wir haben den Auslandsreferen- ten von Franz Josef Strauß, Dieter Huber, entführt. Jetzt kann Strauß zeigen, wieviel ihm die Freiheit und ein menschliches Leben wert sind«. Am Schluß stehen die Buch- staben »KGS«. Glos bittet darum, zu prüfen, ob es möglich sei, den Eingang durch den Garten zum Plenarsaal am Donnerstag geöffnet zu halten. Des weiteren bittet er um Auskunft über die Präsenz bei der 2. und 3. Lesung zum Bundeshaushalt. 38 Röhner antwortet, daß bezüglich der Eröffnung des Gartentores im Ältestenrat gespro- chen worden sei. 39 Man müsse sich aber dem Wunsch der Sicherheitsbeamten beugen, die sich dafür ausgesprochen haben, diesen Eingang zu schließen. Zur Präsenz bei der Haushaltsdebatte teilt Röhner mit, daß gemäß dem Beschluß des Fraktionsvorstandes in der um 15.00 Uhr beginnenden Fraktionssitzung eine Liste mit den Namen der nicht Anwesenden ausliege. 40 In diesem Zusammenhang erläutert er nochmals den Beschluß des Vorstandes: Als erster Schritt sei eine Liste mit den Namen der unentschuldigt feh- lenden Kollegen vorgesehen, als zweiter Schritt ein entsprechender Brief an die Abge- ordneten und als dritter Schritt eine Mitteilung an den Kreisverband im Wahlkreis. Dr. Jaeger teilt mit, daß er an der morgigen Sitzung des Auswärtigen Ausschusses in Berlin teilnehme. 41 Er sei aber pünktlich am Donnerstag wieder in Bonn. Er fragt, ob die Mitteilung stimme, daß Bundestagsabgeordnete nicht mehr 1. Klasse fliegen dürfen, und er bittet um Auskunft darüber, ob dies stimme. 42 Weiter teilt er mit, daß ihn die CDU habe wissen lassen, daß die CSU-Landesgruppe noch einen Teilnehmer für die Tagung

36 Zu den vom Rechtsausschuss empfohlenen Regelungen zur Erweiterung des Rechts zur Durchsu- chung von Wohnungen (u. a. § 105 StPO) und der Rechtsgrundlage für Identitätsfeststellungen (u. a. § 127 StPO) vgl. BT Drs. 08/1482. 37 Vom Bearbeiter eingefügt. Dafür gestrichen: »macht«. 38 Zur zweiten und dritten Beratung des Haushaltsgesetzes 1978 vom 24. bis 27. Januar 1978 vgl. BT Drs. 08/950 vom 30. September 1977, 08/1285; BT Plenarprotokoll 08/67, S. 5147–5259; 08/68, S. 5263–5392; 08/69, S. 5395–5452, 5458–5512; 08/70, S. 5516–5555. 39 Diese Frage wurde im Sitzungsprotokoll nicht festgehalten. Vgl. PA-DBT 3006 ÄR 8. WP/Prot. 24. 40 Zur Sitzung des Fraktionsvorstands von CDU/CSU am 13. Februar 1978 vgl. ACDP, 08-001-1505/2. 41 Zur Sitzung des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages in Berlin am 15. Februar 1978 vgl. Aus- wärtiger Ausschuss 1976–1980, Bd. 1, Dok. 22. 42 Vgl. dazu auch die Sitzung der Landesgruppe am 12. Dezember 1977; ACSP, LG 1977: 24.

Copyright © 2019 KGParl 7 CSU-LG – 8. WP Landesgruppensitzung: 14. 2. 1978 der Interparlamentarischen Union, die in Lissabon stattfinde, bis morgen zu benennen habe. 43 Er selbst sei an einer Teilnahme nicht interessiert. Waigel antwortet Dr. Jaeger, daß im Haushaltsausschuß bezüglich der 1.-Klasse-Flüge nichts beschlossen worden sei. Dr. Zimmermann nimmt den Hinweis von Dr. Jaeger zur Kenntnis und stellt fest, daß die Landesgruppe der CDU zu gegebener Zeit einen Teilnehmer benennen werde. Dr. Zimmermann beendet die Aussprache und ruft den »Bericht der Arbeitsgruppen- vorsitzenden« und Tagesordnungspunkt 5 »Verschiedenes« auf. Da keine Wortmeldun- gen vorliegen, schließt er die Sitzung um 13.45 Uhr.

43 Vgl. die Unterrichtung durch die Delegation der Bundesrepublik Deutschland in der Interparlamen- tarischen Union über die Frühjahrstagung der IPU in Lissabon vom 27. März bis 1. April 1978; BT Drs. 08/2002 vom 19. Juli 1978.

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