Der Sport Als Mittel Nationaler Rehabilitation Die
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Universität GH Essen Fachbereich 1: Geschichte Seminar: Sozialgeschichte des modernen Sports Dr. Siegfried Gehrmann WiSe 1999/00 Der Sport als Mittel nationaler Rehabilitation: Die Fußballweltmeisterschaft 1954 Eva Wilden XXX XXX XXX XXX XXX LA Sek. I+II (Englisch/Geschichte) 7. Fachsemester Eva Wilden: Die Fußballweltmeisterschaft 1954 2 Inhalt Einleitung ......................................................................................................................... 3 I. „Das Wunder von Bern“ – Die Geschichte der Fußballweltmeisterschaft 1954 ... 4 I.1 Der Fußball in Deutschland nach 1945 und die Wiedergründung des Deutschen Fußballbundes 1949/50 ................................................................................................. 4 I.2 Die Qualifikation und die Endrunde der Fußballweltmeisterschaft 1954 ............... 6 II. Die Nachkriegszeit und die frühe Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (1945 bis 1955) ................................................................................................................. 8 II.1 Die Nachkriegszeit ................................................................................................. 8 II.2 Die frühe Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ...................................... 10 II.3 Das Freizeitverhalten der Bundesdeutschen in den fünfziger Jahren (unter besonderer Berücksichtigung des Sports) ................................................................... 12 II.4 Massenmedien Radio und Fernsehen in den fünfziger Jahren ............................. 13 III. Die Fußballweltmeisterschaft 1954 als Mittel nationaler Rehabilitation.......... 15 Resümee ......................................................................................................................... 22 Literaturverzeichnis ..................................................................................................... 23 Anhang ........................................................................................................................... 24 Eva Wilden: Die Fußballweltmeisterschaft 1954 3 Einleitung „Der Ausgang dieses WM-Endspiels stellt bis heute eine der größten Sensationen der Fußballgeschichte dar. Die ‚Helden von Bern‘ wurden in Deutschland zu einer Legende.“1 Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Fußballweltmeisterschaft von 1954, die in Bern/Schweiz ausgetragen wurde. Überraschenderweise konnte die deutsche Mannschaft bei diesem Turnier den Titel des Weltmeisters erringen. Dies war insofern erstaunlich, als zum ersten Mal nach dem 2. Weltkrieg wieder eine deutsche Mannschaft zu einer Weltmeisterschaft (im Folgenden abgekürzt ‚WM‘) im Fußball zugelassen war. Demzufolge war das deutsche Fußballnationalteam als Außenseiter angereist und sorgte mit dem Titelgewinn für eine Überraschung. Gemeinhin wird dem WM-Sieg von 1954 eine die Grenzen des Sports überschreitende Wirkung zu gesprochen. Unmittelbar nach dem Endspiel schrieb Die Welt über den Sieg im Endspiel am 4. Juli 1954: „Der Endkampf um die Weltmeisterschaft im Fußball, die gestern in Bern ausgetragen wurde, brachte einen Sieg des Sports. Er sprengte den Raum seiner bisherigen Interessen und wurde zu einer Sache, die alle anging. Selten ist ein sportliches Ereignis mit so allgemeiner Spannung verfolgt worden.“2 Auch heute wird im Allgemeinen noch davon ausgegangen, daß der Gewinn der Fußball-WM eine besondere Wirkung auf die gesamte bundesdeutsche Bevölkerung hatte: „Mit diesem Tor schießt Helmut Rahn, Rückennummer 12, den Deutschen einen Teil ihrer Lasten von der Seele.“ (Guido Knopp über das entscheidende Tor zum 3:2)3 „... das 3:2 barg eine politisch-psychologische Dimension wie kein anderer Fußballsieg. Aus dem Abgrund dumpfer Schuld und tiefer Scham war eine zarte Blüte von Stolz und erwachendem Selbstbewußtsein erwachsen.“ (Ludger Schulz)4 „Der Titelgewinn von Bern 1954 hatte weit über den sportlichen Wert hinaus Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl einer ganzen Nation, neun Jahre nach dem Kriegsende.“ (Karl-Heinz Heimann)5 Diese Äußerungen verdeutlichen, daß der WM-Sieg von 1954 in der populären Überlieferung zum Politikum wurde. Einerseits wird davon ausgegangen, daß dieser überaus erfolgreiche Auftritt einer deutschen Mannschaft bei dem sportlichen Großereignis einer Fußball-WM Deutschlands internationales Ansehen wiederherstellte. Andererseits soll der sportliche Triumph der deutschen Mannschaft über die Vertreter anderer Länder der bundesdeutschen Bevölkerung ihr Selbstbewußtsein zurückgegeben haben, das infolge der Kriegsniederlage, der Besetzung und der Teilung Deutschlands stark gelitten hatte. Somit soll der Titelgewinn maßgeblich zur Entwicklung des ‚Wir- sind-wieder-wer‘-Gefühls und zur Konsolidierung der Bundesrepublik beigetragen haben. Im Folgenden soll die Frage erörtert werden, ob und inwiefern der WM-Sieg 1 Frei (1994), S. 13 2 zit. nach Gloede (1982), S. 263 3 zit. nach Dokumentationsfilm „Das Wunder von Bern“ der Sendereihe „Unser Jahr100. Deutsche Schicksalstage“ von Ulrich Lenze, Konzept und Leitung Guido Knopp, im Auftrag des ZDF, 1998 4 in: DFB (1999), S. 157ff 5 in: Kicker Sportmagazin. 100 Jahre deutscher Fußball (Sonderheft), November 1999, S.85 Eva Wilden: Die Fußballweltmeisterschaft 1954 4 1954 die genannten Auswirkungen hatte und der Sport tatsächlich als Mittel nationaler Rehabilitation diente. Bei der historischen Erfassung der Bedeutung des Erfolgs für den allgemeinen historischen Kontext stellt sich das Problem, daß es sich um Mentalitäten und Emotionen handelt, die nicht systematisch erfaßbar sind. Demzufolge bleiben die Ergebnisse dieser Arbeit notwendigerweise spekulativ. Im ersten Teil der Arbeit werden die Geschichte des deutschen Fußballs nach 1945 und die Ereignisse der Fußball-WM 1954 dargestellt. Der zweite Teil der Darstellung befaßt sich mit der politischen und sozialen Geschichte der Bundesrepublik nach dem 2. Weltkrieg. Besondere Berücksichtigung finden das Freizeitverhalten der Bundesdeutschen und die Entwicklung der Massenmedien. Im dritten Teil wird der Versuch unternommen, Verbindungen zwischen der sportlichen Entwicklung des Fußballs und der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung der BRD nach 1945 herzustellen. Es soll erörtert werden, ob und inwiefern die sportlichen und politisch- gesellschaftlichen Ereignisse sich gegenseitig beeinflußten oder gar korrelierten. I. „Das Wunder von Bern“ – Die Geschichte der Fußballweltmeisterschaft 1954 I.1 Der Fußball in Deutschland nach 1945 und die Wiedergründung des Deutschen Fußballbundes 1949/50 So unzutreffend der Begriff der ‚Stunde Null‘ für die Geschichte Deutschlands nach dem Kriegsende 1945 ist, so unpassend ist er auch für die Geschichte des Fußballsports in Deutschland. Bis in die Kriegsjahre gab es einen Ligaspielbetrieb und noch 1944 wurde ein Endspiel um die Deutsche Meisterschaft ausgetragen, das der Dresdener SC gewann. Zwei Wochen vor der Kapitulation der Wehrmacht am 7. Mai 1945 trugen der 1. FC Bayern und 1860 München noch ein Lokalderby aus und schon im Juni 1945 fanden wieder erste Fußballspiele statt.6 Dies mag verdeutlichen, daß das Fußballgeschehen in Deutschland durch den Krieg und die Besatzung nicht zum Erliegen kam. Es fanden sich immer wieder Gelegenheiten, um Fußballspiele zu organisieren und auszutragen, wenn auch kein regelmäßiger Ligaspielbetrieb möglich war. Obwohl die Besatzer zunächst die alten Vereine verboten, so spielten doch weiterhin die Mannschaften ehemaliger Vereine gegeneinander. In der amerikanischen Zone wurde gar im Spätherbst 1945 wieder ein regelmäßiger Oberligaspielbetrieb aufgenommen. Nach nur zwei Treffen am 22. September und am 13. Oktober 1945 konnte mit einer vom Stadtkommandanten Stuttgarts ausgestellten Lizenz eine die gesamte US-Zone umfassende Oberliga Süd mit 16 Vereinen gegründet werden. Schon am 4. November 1945 wurde der erste komplette Spieltag durchgeführt. In den anderen Zonen dauerte es weitaus länger bis landes- oder zonenweite Ligen gegründet werden konnten. Zwar wurden auf lokaler oder regionaler Ebene schon früher wieder Meisterschaften ausgespielt, aber die Oberligen Nord und West kamen erst in der Saison 1947/48 zustande. Aber auch Freundschaftsspiele erregten großes Zuschauerinteresse. Erfolgreiche Mannschaften, wie z.B. die des 1. FC Schalke 04, ließen sich für solche Spiele verpflichten. Bezahlt wurden sie mit Naturalien, die in der damaligen schlechten Ernährungslage überaus wertvoll waren. Schon 1947 gab es erste Überlegungen, wieder eine Deutsche Meisterschaft auszuspielen, die aber ohne 6 Vgl. Schulze (1986), S.59ff Eva Wilden: Die Fußballweltmeisterschaft 1954 5 Ergebnis blieben. Im folgenden Jahr waren die Bemühungen erfolgreicher. In einer Endrunde aus acht Mannschaften (je zwei aus der amerikanischen, britischen und französischen, eine aus der sowjetischen Zone und eine Mannschaft aus Berlin) sollte im Pokalsystem die Deutsche Meisterschaft ausgespielt werden. Jedoch durfte der Meister der sowjetischen Zone, die SG Planitz, nicht zum Spiel gegen den Meister der amerikanischen Zone, den 1. FC Nürnberg, in Stuttgart ausreisen, so daß die Meisterschaft nur unter Beteiligung der Mannschaften aus den drei anderen Zonen ausgespielt wurde. Das erste Endspiel nach dem 2. Weltkrieg gewann der 1. FC Nürnberg vor 75.000 Zuschauern im Müngersdorfer Stadion in Köln mit 2:1 gegen den 1. FC Kaiserslautern.7 Mittlerweile hatten sich zwar wieder Landes- und Regionalverbände gegründet, jedoch gab es noch keinen Dachverband, der die verschiedenen Verbände unter sich versammelte. Nach 1933 war der DFB gleichgeschaltet