SAMMLUNG GÖSCHEN BAND 1109
Elemente der Funktionentheorie
von
Dr. Konrad Knopp f ehem. Professor der Mathematik an der Universität Tübingen
Mit 23 Figuren
Siebente Auflage
Sammlung Göschen Band 1109
Walter de Gruyter & Co. • Berlin 1966 vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung • J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung • Georg Reimer Karl J. Trübner • Veit & Comp. © Copyright 1966 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung — ]. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl }. Trübner—Veit & Comp., Berlin 30. — Alle Rechte, einschließlich der Rechte der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, von der Verlags- handlung vorbehalten. — Archiv-Nr. 77 13 660 — Drude: Lindemann & Lüdedce, Berlin 36. — Printed in Germany. Inhaltsverzeichnis.
Erster Abschnitt. Die komplexen Zahlen und ihre geometrische Darstellung. Seit« 1. Kapitel. Grundlagen. { 1. Einleitung 6 t 2. Du SyBtem der reellen Zahlen 8 f 3. Punkte nnd Vektoren der Ebene 13 2. Kapitel. Das System der komplexen Zahlen und die Gaußsche Zahlenebene. | 4. Geschichtliches 19 { 5. Einführung der komplexen Zahlen. Bezeichnungen .... 21 { 6. Gleichheit und Ungleichheit 26 i 7. Addition und Subtraktion 26 ( 8. Multiplikation und Division 28 { 8. Abgeleitete Kegeln. Potenzen 31 § 10. Das System der komplexen Zahlen als Erweiterung des Systems der reellen Zahlen 32 | 11. Trigonometrische Darstellung der komplexen Zahlen 34 } 12. Geometrische Darstellung von Multiplikation und Division 37 } 13. Ungleichungen und Beträge.- Beispiele 39 3. Kapitel. Die Riemannsche Zahlenkugel. { 14. Die stereographische Projektion 41 i 15. Die Riemannsche Zahlenkugel. Der Punkt a>. Beispiele 4S
Zweiter Abschnitt. Lineare Funktionen und Kreisverwandtschaft. 4. Kapitel. Abbildung durch lineare Funktionen. i 16. Abbildung durch ganze lineare Funktionen ...- 48 § 17. Abbildung durch die Funktion » = — 61 { 18. Abbildung durch beliebige lineare Funktionen 67 5. Kapitel. Normaliormen und besondere lineare Abbildungen. | 19. Die Gruppeneigenschaft der linearen Abbildungen 69 { 20. Fixpunkte und Kormalformen 61 | 21. Besondere lineare Abbildungen. Doppelverhiltnisse.... 65 i 22. Weitere Beispiele 68 1» 4 Inhaltsverzeichnis. Dritter Abschnitt. Mengen und Folgen. Potenzreihen. 6. Kapitel. Punkt- und Zahlenmengen. seit« § 23. Punktmengen 71 | 24. Beeile Zahlenmengen 73 § 25. Der Bolzano-Weierstraßsche Satz 76 7. Kapitel. Zahlenfolgen. Unendliche Reihen. § 26. Zahlenfolgen mit komplexen Gliedern 77 § 27. Zahlenfolgen mit reellen GUedef n 81 | 28. Unendliche Reihen 83 Kapitel. Potenzreihen. § 29. Der Konvergenzkreis 89 § 30. Das Rechnen mit Potenzreihen 92
Vierter Abschnitt. Analytische Funktionen und konforme Abbildung. 9. Kapitel. Funktionen einer komplexen Veränder- lichen. § 31. Begriff der Funktion einer komplexen Veränderlichen... 95 5 32. Grenzwerte von Funktionen 96 S 33. Stetigkeit 99 f 34. Dlfferenzierbarkeit 100 { 35. Eigenschaften der durch Potenzreihen dargestellten Funk- tionen 102 10. Kapitel. Analytische Funktionen und konforme Abbildung. i 36. Analytische Funktionen 106 S 37. Konforme Abbildung 108
Fünfter Abschnitt. Die elementaren Funktionen. 11. Kapitel. Potenz und Wurzel. Die rationalen Funk- tionen. . | 38. Potenz und Wurzel 111 § 39. Die ganzen rationalen Funktionen 115 § 40. Die gebrochenen rationalen Funktionen 116 12. Kapitel. Die Exponentialfunktion, die trigonome- trischen und die hyperbolischen Funktionen. } 41. Die Exponentlaifunktion 118 J 42. Die Funktionen cosz und Sinz 124 $ 43. Die Funktionen tgz und ctgz 128 { 44. Die hyperbolischen Funktionen 181 Inhaltsverzeichnis. — Literatur. 5 Seite 13. Kapitel. Der Logarithmus, die zyklometrischen Funktionen und die Binomialreihe. | 16. Oer Logarithmns 132 i M. Die lyktometrlaaben Funktionen IM | 47. Die BlnomUlralhe and dl« allgemeine Poteni 139 Register 142
Literatur.
Behnke, H., und K. Sommer: Theorie der analytischen Funktionen einer komplexen Veränderlichen. 2. Aufl. Berlin, Heldelberg u. Göttingen 1962. Bicbcrbach, L.: Einführung in die Funktionentheorie. 3. Aufl. Stuttgart 1959. Burkhardt, H.: Funktionentheoretische Vorlesungen. Neu hrsg. von G. Faber. Bd. I, 1: Algebraische Analyst»; Bd. I, 2: Einführung in die Theorie der analytischen Funktionen einer komplexen Veränderlichen. Berlin u. Leipzig 1920/21. Caratheodory, C.: Funktionentheorie. Bd. I, Basel 1950. Dinghas, A.: Vorlesungen über Funktionentheorie. Berlin, Heidelberg u. Göttingin 1961. Heff ter, L.: Begründung der Funktionentheorie auf alten und neuen Wegen. 2. Aufl., Berlin, Heidelberg u. Göttingen 1960. Hornich, H.: Lehrbuch der Funktionentheorie. Wien 1950. Hurwitz, A., und B. Courant: Vorlesungen über allgemeine Funktionen- theorie und elliptische Funktionen. 3.. Aufl., Berlin, Heidelberg u. Göttingen 1929. Kneser, H.: Funktionentheorie. Göttingen 1958. Knopp, K.: Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen. 4. Aufl., Berlin, Heidelberg u. Göttingen 1947. Mangoldt, II. v., und K. Knopp: Einführung in die höhere Mathematik. Bd. I, 12. Aufl., Stuttgart 1962; Bd. II, 11. Aufl., Stuttgart 1962. Nielsen, N.: Elemente der Funktionentheorie. Leipzig 1911. Pringsheim, A., und G. Faber: Algebraische Analysis. Enzyklopädie d. math. Wissenschaften. Bd. II, C, 1 Leipzig 1909. Erster Abschnitt. Die komplexen Zahlen und ihre geometrische Darstellung. 1. Kapitel. Grundlagen. § 1. Einleitung. Unter dem Namen „Funktionentheorie" faßt man all die Untersuchungen zusammen, die sich ergeben, wenn man die Fragestellungen und Methoden der reellen Analysis (d. h. der gewöhnlichen Differential- und Integralrechnung und der mit diesen zusammenhängenden Gebiete) auf den Fall zu übertragen versucht, daß man für alle auftretenden Zahlen- größen (Konstante, unabhängige und abhängige Veränder- liche) komplexe Zahlen zuläßt, also Zahlen von der Form o + 6 —1. Solche Untersuchungen drängten sich schon früh bei verschiedenen Problemen der reellen Analysis ganz von selbst auf und sind zugleich mit der Uberwindung dieser im Laufe der Jahrhunderte erst zaghaft, bald mit immer schönerem Erfolge durchgeführt worden (Näheres s. § 4). Heute bildet die Funktionentheorie eines der ausgedehntesten und wichtigsten Gebiete der höheren Mathematik. In diesen „Elementen der Funktionentheorie" soll nur das Einfachste, aber für den weiteren Ausbau der Theorie Wichtigste1) behandelt werden. Dazu gehört zunächst eine Einführung in das System der komplexen Zahlen und das Rechnen mit diesen. Dazu gehört ferner die Übertragung
') Dieser Alubau findet sich dargestellt in den beiden Bändchen des Ver- fassers: Funktlonentheorle, Erster Teil: Grundlagen der allgemeinen Theorie (Irr analytischen Punktione», Ul. Auflag« 1901. Saiiimlung «dachen Xr. § 2. Das System der reellen Zahlen. Das System der reellen Zahlen setzen wir, was seinen praktischen Gebrauch anlangt, natürlich als bekannt voraus. Wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung sollen aber die wesent- lichen Gedanken, die zu seinem Aufbau führen, hier kurz dargelegt werden. Den Ausgangspunkt aller Betrachtungen über Zahlen bil- det die Folge der natürlichen Zahlen 1, 2, 3,... und die beiden „Verknüpfungen" derselben, die als Addition und Multiplikation bezeichnet werden. Das Bedürfnis, diese beiden „umzukehren", zwingt alsbald zur Einführung der 0 (Null) und der negativen Zahlen und schließlich zu der der gebrochenen Zahlen. Die Gesamtheit der ganzen und ge- brochenen, positiven oder negativen Zahlen und der Null nennt man das System der (reellen) rationalen Zahlen. Mit diesen Zahlen, die jetzt kurz durch einen lateinischen Buchstaben bezeichnet werden sollen, kann man nach be- stimmten Kegeln rechnen, die man als die Grundgesetze der Arithmetik bezeichnet. Es sind die folgenden, bei denen unter „Zahlen" zunächst nur die eben genannten ratio- nalen Zahlen zu verstehen sind: I. Grundgesetze der Gleichheit und Anordnung. 1. Die Zahlen bilden eine geordnete Menge, d. h. zwischen irgend, zweien von ihnen, etwa a und b, besteht stets eine und nur eine der drei Beziehungen ab >) Gelesen: o kleiner als b, a gleich 6, a größer als b; a>b Ist nur eine andere Schreibweise für b < o. — Die Negationen dieser drei Beziehungen schreibt man so: • 2t(< größer oder gleich b, a mindestens gleich b, a nicht kleiner als b). a + b (o ungleich b). «¿b (a kleiner oder gleich b, a höchstens gleich b, a nicht gröfler als b). § 2. Das System der reellen Zahlen. 9 Diese Anordnung gehorcht weiter den Gesetzen: 2. Es ist stets a = a. 3. Aus a=b folgt 6 = a. 4. Aus a = b und b = c folgt a — c. 5. Aus a^b und b ') Daß diese Zahl x durch a und b eindeutig bestimmt Ist, braucht nicht gefordert zu werden; es folgt leicht aus den übrigen Grundgesetzen, Insbeson- dere II, 5. 10 1. Kapitel. Grundlagen. 2. Aus a= a' und 6=6' folgt ab — a'b'. („Gleiches mit Gleichem multipliziert gibt Gleiches.") 3. Es ist stete ab — ba. (Kommutationsgesetz.) 4. Es ist stets (ab)c= a(bc). (Assoziationsgesetz.) 5. Es ist stets (a + 6)c = ac + bc. (Distributionsgesetz.) 6. Aua a< 6 und o-O folgt stets ac< bc. (Monoto- niegesetz.) Aus den bisher aufgezählten Grundgesetzen folgen in ein- fachster Weise, aber eben als beweisbare Tatsachen, die vier „Vorzeichenregeln" und als Ergänzung zu ihnen die Tatsache: Für jede Zahl a gilt a- 0=0. Da die vier Vorzeichenregeln insbesondere besagen: Aus a=f= 0 und b=j= 0 jolgt ab 4= 0, so folgt hieraus und aus der vorangehenden Tatsache noch der wichtige Satz. Ein Produkt zweier Zahlen ist dann und nur dann gleich 0, wenn wenigstens einer der beiden Faktoren gleich 0 ist. V. Grundgesetz der Division. Die Multiplikation ist, von einer Ausnahme abgesehen, umkehrbar, d. h. zu zwei Zählen a und b, deren erste 4= 0 ist, gibt es stets eine dritte Zahl x, so daß ax= b ist1). Man nennt die so bestimmte Zahl % den Quotienten von b und a und bezeichnet ihn mit —. a Alle diese Gesetze lassen sich, ausgehend von den ein- fachsten Tatsachen über natürliche Zahlen, sehr leicht be- weisen. Der Sinn unserer Zusammenstellung ist nun aber der, daß man, nachdem man die Gültigkeit dieser Grund- gesetze einmal gesichert hat, bei allem weiteren Arbeiten mit den Buchstabengrößen a,b,... auf die Bedeutung dieser Zeichen als rationale Zahlen nicht erneut zurückzugehen braucht: Allein aus der Gültigkeit der Grundgesetze lassen l) Wie bei der Subtraktion ist auch hier wieder x durch a und b eindeutig bestimmt. § 2. Dag System der reellen Zahlen. 11 sich rein formal1) alle weiteren Bechenregeln in völliger Strenge beweisen. Solche Regeln waren schon die zu IV genannten Tatsachen und Sätze. Dazu gehören aber weiter alle sogenannten Klammerregeln, das Rechnen mit Gleichungen und Ungleichungen, kurz alle Regeln der sogenannten Buch- stabenrechnung, auf die wir hier natürlich nicht weiter ein- gehen. Aus diesem wichtigen Umstand, daß man dabei auf die Bedeutung der Buchstabengrößen gar nicht einzugehen braucht, ergibt sich sofort die außerordentlich bedeutsame Folgerung: Wenn man irgendwelche anderen Dinge als ge- rade die rationalen Zahlen hat — wir werden sogleich solche anderen Dinge nennen —, die aber denselben Grund- gesetzen gehorchen, so kann man mit ihnen nach genau denselben Regeln rechnen wie mit den rationalen Zahlen. Jedes System von Dingen, für die das gilt, nennt man darum ein Zahlensystem, weil man, kurz gesagt, alle diejenigen Dinge Zahlen nennt, mit denen man im wesentlichen nach dien zusammengestellten Grundgesetzen operieren kann. Solche anderen Dinge, die auch allen unseren Grundge- setzen gehorchen, sind insbesondere die reellen Zahlen. Wir erinnern kurz daran, wie man zu ihnen gelangt: Das System der rationalen Zahlen ist insofern lückenhaft, als es sehr ein- fachen Forderungen nicht zu genügen vermag. So gibt es bekanntlich keine rationale Zahl, deren Quadrat = 2 ist. Die Tatsache aber, daß es rationale Zahlen gibt, deren Qua- drat so nahe bei 2 (oberhalb oder unterhalb) liegt wie man will, zusammen mit der bekannten Veranschaulichung der Dinge auf der Zahlengeraden (Näheres s. § 3) führt dazu, alle rationalen Zahlen in zwei Klassen einzuteilen, eine Klasse % die außer der Null und den negativen rationalen Zahlen alle die positiven enthält, deren Quadrat < 2 ist, und eine ') D.h. eben, ohne daO auf die Bedeutung der Zeichen eingegangen in Warden braucht. 12 1. Kapitel. Grundlagen. Klasse 3t', die alle positiven rationalen Zahlen enthält, deren Quadrat > 2 ist. Man sagt nun, durch diese Klasseneinteilung oder diesen Dedetindschen Schnitt (2t ] 21') im Bereich der rationalen Zahlen werde die „irrationale" Zahl erfaßt, deren Quadrat gleich 2 ist, und setzt geradezu (21121') = j/iT. Daß aber eine solche Klasseneinteilung eine Zahl definiert oder gar eine Zahl ist, kann nicht anders bewiesen werden als folgendermaßen: Man betrachtet die Gesamtheit aller nur denkbaren Klasseneinteilungen der rationalen Zahlen in zwei (nicht leere) Klassen 21 und 2t', die wie eben der Forderung genügen, daß jede Zahl der Klasse 21 kleiner ist als jede Zahl der Klasse 2t', und zeigt, daß diese Dedekindschen Schnitte (2112t') solche „an- deren Dinge" Bind, die bei geeigneten Festsetzungen über die Bedeutung der Zeichen =, <, + und • wieder unseren sämt- lichen Grundgesetzen genügen. Wie hierzu diese Fest- Betzungen zu treffen sind und wie der genannte Nachweis erbracht werden kann, soll hier natürlich nicht ausgeführt, sondern als bekannt angesehen werden1); der Weg dazu drängt Bich bei Veranschaulichung der Dinge auf der Zahlen- geraden ganz von selbst auf. Bezeichnet man aber jetzt diese Klasseneinteilungen kurz mit einem kleinen lateinischen Buch- staben, setzt etwa (2l|2l')= a usw., und nennt sie Zahlen, so gelten unter diesen Vereinbarungen ausnahmslos unsere sämtlichen Grundgesetze. Die so gewonnenen Dinge sind also Zahlen; sie bilden in ihrer Gesamtheit das System der reellen Zahlen. Bei der Deutung auf der Zahlengeraden (s. § 3) zeigt sich überdies, daß ein Teil der reellen Zahlen mit den bisherigen rationalen Zahlen zusammenfällt, ein anderer nicht. In diesem Sinne bildet das System der reellen Zahlen eine Erweiterung des Systems der rationalen Zahlen. Die nicht rationalen unter den reellen Zahlen nennt man irrational. ') Vgl. die S. 6 genannten Werke des Verfassern. §3. Punkte und Vektoren der Ebene. 13 Mit der Bildung des Systems der reellen Zahlen ist nun ein gewisser Abschluß erreicht. Denn es läßt sich zeigen, daß es weder ein anderes (von dem erhaltenen System der reellen Zahlen in irgendeinem wesentlichen Sinne verschiedenes) noch auch ein umfassenderes System von irgendwelchen Dingen gibt, das — wie man auch die Bedeutung der Zeichen =, <, + und • festsetzen mag — allen unseren Grundgesetzen genügt. Die hiermit angedeuteten Sätze bezeichnet man als den Einzigkeit«- bzw. Vollst&ndigkeitssatz für das System der reellen Zahlen. Eine abermalige Klasseneinteilung im System der reellen Zahlen führt nicht zu neuen Dingen, sondern immer wieder zu einer (schon vorhandenen) reellen Zahl. Macht man also im Bereich der reellen Zahlen einen Dedekindschen Schnitt, d.h. teilt man alle reellen Zahlen derart in zwei (nicht leere) Klassen 9i und 91', daß jede Zahl a aus 91 kleiner ist als jede Zahl a' aus 9t', so gilt der folgende oft als Dede- kindscher Hauptsatz bezeichnete Stetigkeitssatz für die reellen Zahlen: Satz. Ein solcher Dedekmdscher Schnitt im Bereich der reellen Zahlen definiert stets eine und nur eine reelle Zahl s, die „Schnittzahlderart, daß jedes a^L s, jedes a'^s ist. Die Schnittzahl s selbst härm zu 9t oder zu 91' gehören, je nach dem einteilenden Gesichtspunkt. Jede Zahl unterhalb s dagegen gehört zu 91, jede Zahl oberhalb s zu 9t'. § 3. Punkte und Vektoren der Ebene. Von den Grundbegriffen der analytischen Geometrie brauchen wir im folgenden nur das Allereinfachste und all- gemein Bekannte. Wir beschränken uns daher auf die Dar- legung der für ihren Aufbau grundsätzlich wichtigen Dinge. In bekannter Weise lassen sich zunächst die rationalen Zahlen als Punkte einer Zahlengeraden veranschaulichen, d. h. einer beliebigen (waagerecht gedachten) Geraden, auf 14 1. Kapitel. Grundlagen. der man zwei verschiedene Punkte 0 und E als Null- und Einheitspunkt, kurz als 0 und 1, gewählt hat, 1 rechts von 0. Daß die rationalen Zahlen eine geordnete Menge bilden, wird dadurch bildhaft anschaulich. Die in § 2 zusammengefaßten Betrachtungen lehren nun zunächst, daß hierbei zwar jeder rationalen Zahl genau ein Punkt — wir nennen ihn kurz einen rationalen Punkt — entspricht, daß aber nicht jeder Punkt der Geraden Bild einer rationalen Zahl ist. Es entspricht aber jedem Dedekindschen Schnitt im Bereich der rationalen Zahlen ein solcher für die rationalen Punkte: Sie weiden in zwei (nicht leere) Klassen 21 und 3T derart eingeteilt, daß jeder Punkt a aus 91 links von jedem Punkt a! aus 31' liegt. Die Anschauung verlangt hier gebieterisch, daß es dann stets einen Punkt s auf der Geraden gibt, der die beiden Klassen trennt, d. h. daß für alle a und a' immer a^s^a' ist. Die ausdrückliche An- erkennung dieser Tatsache bildet den Inhalt des Cantor- Dedekindschen Axioms: Jeder Schnitt im Bereich der rationalen Punkte definiert einen ganz bestimmten Punkt der Geraden, der die beiden Klassen des Schnittes trennt. Das heißt aber nichts anderes, als daß jeder reellen Zahl genau ein Punkt der Geraden als Bild entspricht und umge- kehrt. In diesem Sinne ist das System der reellen Zahlen umkehrbar eindeutig den Punkten der Zahlengeraden zuge- ordnet. Der am Ende des vorigen Paragraphen aufgeführte Stetigkeitssatz besagt bei dieser Abbildung: Teilt man alle Punkte der Zahlengeraden irgendwie in zwei nicht leere Klassen derart, daß jeder Punkt der ersten Klasse links von jedem Punkt der zweiten Klasse liegt, so gibt es stets genau einen Punkt, der beide Klassen trennt. Diese Abbildung der reellen Zahlen auf die Punkte einer Geraden bildet die Grundlage der analytischen Geometrie. Statt die reellen Zahlen durch die Punkte der Zahlengeraden §3. Punkte und Vektoren der Ebene. 15 zu veranschaulichen, ist es manchmal vorteilhafter, es durch die gerichteten Strecken, die Yektoren, auf dieser Geraden zu tun: Als Bild der reellen Zahl a sieht man die gerichtete Strecke an, die von 0 nach dem Punkt a führt oder jede andere Strecke, die die gleiche Länge und die gleiche Richtung wie die eben genannte hat. Die Zahl a heißt umgekehrt die Koordinate des veranschau- lichenden Vektors. Denkt man sich bei a eine Pfeilspitze, bei 0 eine Fiederung an die Strecke gezeichnet, so fliegen die die positiven Zahlen veranschaulichenden Vektoren nach rechts, die anderen nach linkB. Der Zahl 0 entspricht der Nullvektor, der keine Länge und keine (bestimmte) Rich- tung hat. Veranschaulicht die Abbildung der reellen Zahlen auf die Punkte der Geraden die Ordnung der reellen Zahlen be- sonders eindringlich, so ist die Abbildung der Zahlen durch die Vektoren besser geeignet, ihre Verknüpfungen zu veran- schaulichen: Der Addition entspricht da« Aneinander- fügen der Vektoren (vgl. S. 17 und § 7). Die Differenz b — a wird durch den Vektor veranschaulicht, der von dem Punkte a zu dem Punkte b führt. Die Multiplikation von a mit der positiven Zahl b bedeutet die Streckung des der Zahl a entsprechenden Vektors im Verhältnis 1:5 (vgl. § 12). Ist b negativ, so wird überdies die Richtung des erhaltenen Vektors umgedreht. Entsprechend wird die Di- vision veranschaulicht. Der Übergang zu den Grundlagen der analytischen Geo- metrie der Ebene erfordert nun keine neuen grundsätzlichen Erwägungen mehr: Man legt in die Ebene zwei Zahlen- geraden oder Achsen, von denen die zweite aus der ersten hervorgeht, indem man diese um den Nullpunkt im mathe- matisch positiven Sinne, d.h. im Gegensinn des Uhr- zeigers, um einen rechten Winkel dreht. Ein Punkt P der Ebene ist dann umkehrbar eindeutig dujch seine (senk- rechten) Projektionen P' und P" auf die erste bzw. zweite 16 1. Kapitel. Grundlagen. Achse bestimmt (vgl. Fig. 1), diese Projektionen sind wiederum eindeu- P" tig durch ihre Koordinaten x bzw. y festgelegt. Jedem Punkt ent- ^ spricht so genau ein geordnetes P' Zahlenpaar (x, y), d. h. ein Zahlen- paar, bei dem auf die Reihenfolge F'8- der beiden Zahlen zu achten ist, — und umgekehrt jedem solchen Zahlenpaar genau ein Punkt. In diesem Sinne wird also die Gesamtheit aller Punkte unserer Ebene durch die Gesamtheit aller Zahlenpaare (aj, y) geliefert, diese durch jene veranschaulicht. Das Paar der Zahlen x, y nennt man bekanntlich die (rechtwinkligen) kartesischen Koordinaten des dargestellten Punktes. In der Ebene ist es — in viel höherem Maße als auf der Geraden — für die Anwendung zweckmäßig, neben den Punkten die Vektoren, d.h. gerichtete Strecken zu be- trachten. Man sagt von zwei gerichteten Strecken (die Richtung denken wir uns wieder durch Spitze und Fiederung verdeutlicht), daß sie denselben Vektor darstellen, wenn sie die gleiche Länge und die gleiche Richtung haben, während man sonst von der Lage in der Ebene absieht. Solche Vek- toren bezeichnet man mit kleinen deutsehen Buchstaben: o, b,... ; man nennt sie zweidimensional im Gegensatz zu den zuvor auf der Geraden eingeführten eindimensionalen Vektoren. Projiziert man einen Vektor a auf die beiden Achsen, so erhält man auf diesen je einen (eindimensionalen) Vektor, die man als die Komponenten des Vektors ci bezeichnet. Sie veranschaulichen (auf ihrer Zahlengeraden) je eine reelle Zahl, die Koordinaten von a. Jedem Vektor entspricht so ein (geordnetes) Zahlenpaar (z, y). Da auch umgekehrt jedem solchen Zahlenpaar ein (eindimensionaler) Vektor auf jeder der Achsen entspricht und diese rückwärts sich als die Pro- § 3. Punkte und Vektoren der Ebene. 17 jektionen genau eines Vektors a der Ebene auffassen lassen, so können wir sagen: Die Gesamtheit aller Vektoren der Ebene wird durch die Gesamtheit aller Zahlenpaare (x, y) geliefert, diese durch jene veranschaulicht. Dem Zahlenpaar (0,0) entspricht der Nullvektor, der keine Länge und keine (bestimmte) Richtung hat. Denkt man sich alle Vektoren der Ebene von einem und demselben Punkte ausgehend, so nennt man sie ortsgebunden. Gehen sie insbesondere vom Ursprung (0,0) aus, so nennt man sie Radiivektoren. Die Spitze des Radiusvektors (x, y) liegt dann offenbar gerade im Punkte (x, y). Vom Parallelogramm der Kräfte her ist es jedem geläufig, zwei Vektoren a und b aneinander zu fügen, d. h. den Anfang des zweiten auf die Spitze des ersten zu legen. Der Vektor c, der von der Fiede- rung des ersten zur by Spitze des zweiten führt (s. Fig. 2a), ver- anschaulicht dann die Resultante der durch „, „ „, , ., , Fig. 2». Fig. 2b. die beiden ersten ver- anschaulichten Kräfte1). Man spricht hier von geome- trischer oder Vektoraddition und schreibt kurz et + b = c. Sind (a, a'), (jb, V), (c, c') die Koordinatenpaare dieser drei Vektoren, so ist bekanntlich a -f 6 = c, a! + V = c'. Neben den kartesischen Koordinaten benutzt man in der Ebene noch die sogenannten Polarkoordinaten: Ein Punkt P der Ebene bestimmt auch eindeutig seinen (nicht negativen) Abstand g vom Nullpunkt und im wesentlichen ') Oder man läßt a and £ von demselben Paukte ausgehen; c Ist dann die von diesem Punkte aasgehende Diagonale des durch a und i bestimmten Parallelogramms (s. Fig. 2 b). 18 1. Kapitel. Grundlagen. eindeutig auch den ersten Richtungswinkel schon dann einander gleich, in Zeichen ein ganzzahliges Vielfaches von 2n ist. Zwischen den Polarkoordinaten Q, (1) t-Y* + ?, cos (2) x = q cos Formel" zur Auflösung kubischer Gleichungen, die in dem Falle, daß die Gleichung drei reelle Wurzeln besitzt, diese Wurzeln in der angedeuteten „sinnlosen" Form lieferte. Ja, es stellte sich heraus, daß das Rechnen mit diesen „sinn- losen" Ausdrücken sehr oft wertvolle „reelle" Ergebnisse liefern konnte, teils bekannte auf viel kürzerem Wege, teils neue, die man erst nachträglich auf dem üblichen reellen Wege beweisen konnte; oft auch erlaubte es, schon hekannten Er- gebnissen eine befriedigendere Form zu geben. Für das letzte ist eins der schönsten Beispiele der Fundamentalsatz der Algebra, daß jede ganze rationale Funktion in ein Produkt von soviel Faktoren ersten Grades zerlegt werden kann als ihr Grad angibt. Während dieser Satz, wie schon die obige quadratische Gleichung zeigt, nicht immer richtig ist, solange man nur reelle Zahlen benutzt, wird er „formal" richtig, wenn man bei den Faktoren auch jene sinnlosen Ausdrücke zuläßt. Ein Beispiel für das andere sind die Ausdrücke für cos nx und sin nx durch die Potenzen von cos x und sin x (s. § 11), die man sehr schnell erhält, wenn man sich unbedenk- lich der Wurzeln aus negativen Zahlen bedient, wahrend sie auf „rein reellem" Wege nur, viel mühsamer zu beweisen sind. So kam es, daß man die Wurzeln aus negativen Zahlen nicht einfach verwarf, sondern sich ihrer in immer steigendem Maße und mit immer größerem Erfolge bediente, obwohl man ihnen keine unmittelbare Bedeutung zu geben vermochte und ihr Gebrauch daher rätselhaft und unbefriedigend blieb. Der größte Teil der Dinge, die in diesem Bändchen besprochen l) Diese Bezeichnung bat Bich seit der Mitte des 17. Jahrhunderts einge- bürgert. Im Gegensatz.zu ihnen wurden alle gewöhnlichen Zahlen reelle Zahlen genannt. Eine solche Gegenüberstellung von reell und imagin&r findet sich wohl zuerst In der berühmten „Geometrie" von Descartes (Leyden 16S7). § 5. Einführung der komplexen Zahlen. Bezeichnungen. 21 werden, wurde schon gegen Ende des 17. und im Laufe des 18. Jahrhunderts, insbesondere von L. Euler (1708—1783) gefunden. Aber erst um die Wende des 18. Jahrhunderts begann man hier ganz klar zu sehen. Eine Abhandlung des Land- messers Caspar Wessel aus dem Jahre 1797 und ebenso eine solche von J.-R. Argand aus dem Jahre 1806, in denen eine Lösung des Rätsels gegeben wurde, fanden zunächst keine Beachtung. Nicht anders ging es ähnlichen Versuchen einiger weiterer Mathematiker. Erst als C. F. Gauß 1831, unab- hängig von seinen Vorgängern, dieselben Auffassungen ent- wickelte 1), war die Zeit für das volle Verständnis dieser Dinge reif geworden. In kurzer Zeit, insbesondere durch die rein arithmetisch gehaltene Darstellung von W. R. Hamilton aus dem Jahre 1837 — die Arbeiten der vorher genannten Mathematiker stellten die Dinge in geometrischem Gewände dar —, war alles geheimnisvolle und rätselhafte an jenen „sinnlosen Ausdrücken" verschwunden, die heute auf Grund einer geklärten Einstellung zu den Grundlagen unserer Wissen- schaft keinerlei begriffliche oder tatsächliche Schwierigkeiten mehr machen. § 5. Einführung der komplexen Zahlen. Bezeichnungen. Das System der reellen Zahlen hatte sich in vieler Hinsicht. insbesondere bei Anwendung auf geometrische Fragen (s. § 3) > als sehr viel leistungsfähiger erwiesen als das System der rationalen Zahlen: Das System der reellen Zahlen konnte umkehrbar eindeutig auf die Punkte oder Vektoren einer Geraden abgebildet werden und das Rechnen mit den reellen Zahlen konnte als ein Rechnen mit den Punkten oder Vek- toren der Geraden gedeutet werden. Diese Auffassung drängt nun förmlich dazu, gegenüber den neuen, in § 4 besprochenen ') C. F. Gauß, Göttlngische gelehrt« Anzeigen vom 23. April 1831. Werke Bd. 2, S. 167—178. 22 2. Kapitel. Dag System der komplexen Zahlen. Unmöglichkeiten den Versuch zu wagen, ein Rechnen mit den Funkten und Vektoren der Ebene (s. § 3) zu erklären und so ein System von Elementen zu schaffen, dem die aufgedeck- ten Unzulänglichkeiten des Systems der reellen Zahlen nicht mehr anhaften. Nach § 3 ist ein solcher Versuch gleich- bedeutend mit dem, ein Rechnen mit Zahlenpaaren zu er- klären. Das erste geschieht in der Sprache und den Dar- stellungen der Geometrie, das zweite in denen der Arithmetik. Wir werden im folgenden stets beides nebeneinander benutzen, und zwar werden wir die arithmetische Fassung bei allen grundsätzlichen Begriffen und Erklärungen wegen ihrer logischen Reinheit voranstellen, während die geometri- sche Form durch ihre anschauliche Kraft das Verständnis und den Überblick erleichtern soll. Wir betrachten also die Gesamtheit aller geordneten Paare aus zwei reellen Zahlen: («,«')• (/?, ß'),. ,.1). Anschaulich gefaßt betrachten wir also die Gesamtheit aller Punkte oder diejenige aller Vektoren einer gemäß § 3 mit einem Koordi- natenkreuz versehenen Ebene. Es wird sich zeigen, daß wir mit diesen Dingen bei geeigneten Festsetzungen über die Bedeutung vuii Gleichheit und Ungleichheit, Addition und Multiplikation werden rechnen können, und zwar im wesent- lichen genau wie mit den reellen Zahlen. Es wird sich also zeigen, daß diese Dinge als Zahlen angesehen werden können (s. § 2, S. 11). Vorbehaltlich dieses Nachweises wollen wir sie schon jetzt Zahlen, und zwar komplexe Zahlen nennen und mit einem kleinen lateinischen Buchstaben bezeichnen, also etwa («,«')=«. 05,/3')= & setzen und wollen a, b,... zugleich auch als Zeichen für die die Zahlenpaare (<*, <%'), (ß,ß'),... veranschaulichenden Punkte ') Da wir die kleinen lateinischen Buchstaben a, b,... uns filr die Jetat zu schaffenden komplexen Zahlen vorbehalten wollen, sollen in diesem und den folgenden Paragraphen bis } 16 die reellen Zahlen mit kleinen griechischen Buchstaben bezeichnet werden. § 6. Einführung der komplexen Zahlen. Bezeichnungen. 23 oder Vektoren der Ebene gebrauchen. Komplexe Zahlen sind also nichts anderes als geordnete Paare reeller Zahlen oder Punkte oder Vektoren der Ebene, für die eine Gleichheit, eine Addition und eine Multiplikation in bestimmter (in den §§6—8 ausgeführter) Weise erklärt sind. Die.Ebene, in der wir uns diese Punkte und Vektoren gezeichnet denken, nennt man die Ebene der komplexen Zahlen, auch die Gaußsche Zahlenebene oder kurz die Zahlenebene. Aus historischen Gründen und wegen der Zusammenhänge, die die folgenden Paragraphen nöcli genauer aufdecken werden, bezeichnet man die erste der beiden (kartesischen) Koordina- ten des Punktes a als den reellen Teil, die zweite als den imaginären Teil der komplexen Zahl a und schreibt dafür (l) «.(«) = «, 3(®) = «'- Demgemäß bezeichnet man die erste der beiden Koordinaten- achsen als die reelle Achse, die zweite als die imaginäre Achse, deren Hälften man auch als die positiven bzw. negativen Halbachsen unterscheidet. Durch jede der Achsen wird die Ebene in zwei Halbebenen zerlegt, die man gemäß ihrer Lage als obere und untere bzw. linke und rechte Halbebene unterscheidet. Den Koordinatenanfangs- punkt, also den Punkt oder da« Zahlenpaar (0,0) bzw. den Nullvektor, nennt man kurz denPunkt 0 oder den Nullpunkt der Ebene. Diejenigen komplexen Zahlen, deren darstellende Punkte auf der reellen Achse liegen,und deren Vektoren ihr also parallel sind, nennt man kurz reell, alle übrigen nicht reell oder irreell; diejenigen, für die der darstellende Punkt auf der imaginären Achse liegt (bzw. der Vektor ihr parallel ist), nennt man rein imaginär1). Die erste der beiden (gemäß § 3 eingeführten) Polar- koordinaten des Punktes a oder also die Länge des Vektors a, die wir mit ¡j bezeichnen wollen, nennt man den (absoluten) ') Durch die Ausführungen des { 10 werden diese letzten Bezeichnungen, wie schon betont, noch besser verständlich werden. 24 2. Kapitel. Das System der komplexen Zahlen. Betrag der komplexen Zahl a, die zweite besteht, sondern nur fordert, daß zwischen ihnen eine der beiden Beziehungen = oder 4= besteht. Die Ordnung der komplexen Zahlen ist also eine grundsätzlich andere als die der reellen Zahlen. Wir werden dann zeigen, daß bei geeigneten Festsetzungen über Gleichheit, Addition und Multiplikation unsere Zahlenpaare allen Grundgesetzen der Arithmetik gehorchen, wofern man diejenigen Gesetze, 26 2. Kapitel. Das System der komplexen Zahlen. in denen eines der Zeichen < oder > auftritt, in der nun gebotenen Weise abändert bzw. unterdrückt. Darum bleibt es gerechtfertigt und ist es allgemein üblich, diese Zahlenpaare ebenfalls als Zahlen, aber zum Unterschied gegen die bis- herigen reellen Zahlen nun eben als komplexe Zahlen zu bezeichnen. § 6. Gleichheit und Ungleichheit. Die Gleichheit zweier komplexer Zahlen erklärt man na- türlich durch das Zusammenfallen der darstellenden Punkte bzw. Vektoren: Erklärung. Die komplexen Zahlen a— («,«') und b = {ß,ß') heißen einander gleieh, in Zeichen a—b, wenn gleichzeitig § 7. Addition und Subtraktion. Wie man zwei Zahlenpaare zu addieren hat, wird durch die Figur des Parallelogramms der Kräfte nahegelegt: ') Wenn hier und im folgenden das Wort „offenbar" gebraucht wird, BO soll dies natürlich heißen, daB der Beweis der Behauptung so einfach ist, daß wir ihn dem Leser Überlassen dürfen. Es sei ihm aber dringend geraten, jeden solchen Nachweis einmal wirklich sorgf<ig durchzuführen. ') I, 5 könnte höchstens in der Form „Aus a = b, b + c folgt a + c" bei- behalten werden. Die Richtigkeit dieser Aussage ergibt sich aber schon (in- direkt) aus 1,3 und 1. § 7. Addition und Subtraktion. 27 Erklärung. Unter der Summe zweier komplexer Zahlen a - («,«') wnd b— (ß,ß') soll die komplexe Zahl c= ( § 8. Multiplikation und Division. Im Anschluß an die Erklärung der Addition läge es nahe, als Produkt der Zahlenpaare (<%, <%') und (ß, ß') das Zahlenpaar ( (ab) e = (ocß-oc'ß', aß' + a'ß) (y, y') = ([«¡8 -<*'/?'] 7 ~ laß' + «'ß] y'i l*ß ~*'ß'] / + [aß'+»'ß ]y). Für a(bc) dagegen findet man das Zahlenpaar (»[ßy—ß'y']-cc'W + ß'y], *[ßf + ß'y] + *'\ßy-,S'y'])- Die beiden erhaltenen Zahlenpaare sind aber, da für die reellen Zahlen «,/?,... die Gesetze IV gelten, tatsächlich dieselben. Ganz ähnlich verläuft der Beweis von IV, 5, den wir dem Leser überlassen. Daß unsere Multiplikation auch dem Gesetz IV, 6 in der abgeänderten Form (s. o.) genügt1), ist nun leicht zu sehen: Da man es auch in der Form „Aus b — a 4= 0 und c 4= 0 folgt (b — a) • c=t= 0" aussprechen kann, so ist es offenbar enthalten in dem einander gleich, n&mllch beide = (0, 0). Bei dieser Erklärung wäre also aach der nachstehend bewiesene „Sati" falsch. ') Dies folgt auch ans IV, 2 und V. 30 2. Kapitel. Das System der komplexen Zahlen. Satz. Ein Produkt zweier komplexer Zahlen ist dann und nur dann gleich Null, wenn wenigstens einer der beiden Faktoren gleich Null xsl. In der Tat, wenn a=f= 0, aber «6=0 ist, so muß 6=0 sein. Denn «6 = 0 bedeutet, wenn a= («,«'). 6 = (ß, ß') ist, daß die beiden Gleichungen otß—oc'ß' = 0 und otß' + (x'ß = 0 gelten. Multipliziert man von diesen die erste mit «, die zweite mit od und addiert sie, so ergibt sich (a2+«'2)|3= 0. Da aber a =)= 0 gerade bedeutet, daß die reelle Zahl a2 + a'2 4=0 ist, und da für reelle Zahlen unser Satz richtig ist (s. § 2, IV, Satz), so folgt hieraus, daß ß = 0 sein muß. Ganz analog ergibt sich durch Elimination von ß, daß auch ß' = 0, also 6=0 sein muß. — Daß umgekehrt «6=0 ist, wenn a oder 6 gleich 0 ist, folgt unmittelbar aus der Erklärung der Multipli- kation. Die durch die Erklärung festgelegte Multiplikation genügt also den sämtlichen Grundgesetzen IV. Eine ähnliche Rech- nung wie die eben durchgeführte zeigt aber weiter, daß auch das Grundgesetz V erfüllt ist: Sind nämlich a = («,«') 4= 0 und 6 = (ß, ß') beliebig gegeben, so wird die Existenz einer komplexen Zahl x = (f, £') behauptet, für die ax=b, d. h. «f+«'f)=(A/n oder oc£—<%'£' = ß und § 9. Abgeleitete Regeln. Potenzen. Durch die Betrachtungen der §§ 6—8 ist nun der in § 5 geforderte Nachweis erbracht, daß, wenn man die Zahlenpaare oder also die Punkte oder die Vektoren der Ebene abkürzend mit kleinen lateinischen Buchstaben bezeichnet und sie ein- fach Zahlen nennt, wenn ferner Gleichheit, Addition und Multiplikation so festgelegt werden, wie wir es getan haben, — daß dann alle Grundgesetze der Arithmetik, in denen und bei deren Beweis nur das Gleichheitszeichen auftritt, ausnahmslos gültig bleiben. Die übrigen werden teils bedeutungslos, teils sind sie in ihrer Fornt ein wenig zu ändern. Daraus folgt aber (vgl. hierzu die Ausführungen in § 2) ganz von selbst, daß auch alle weiteren Regeln der ge- wöhnlichen Buchstabenrechnung, in denen und bei deren Be- weise kein Ungleichheitszeichen vorkommt, ohne weiteres gül- tig bleiben, wenn die Buchstaben nun komplexe Zahlen be- deuten. Man sagt kurz: Mit den komplexen Zahlen darf man formal so rechnen wie mit den reellen Zahlen. Eine richtige Buchstabenrechnung „im Reellen", in der nur Gleichungen auftreten, bleibt auch „im Komplexen" richtig. Bei dem Rechnen mit Ungleichungen dagegen ist zu beachten, daß das Gesetz I, 5 ausgefallen ist und daß I, 1 sowie II, 5 und IV, 6 in der besprochenen Weise abzuändern sind. Als einfachste Beispiele heben wir zunächst das Rech- nen mit Potenzen und die Gültigkeit des binomischen Lehrsatzes hervor: Ist a eine beliebige komplexe und n eine natürliche Zahl, so bezeichnet man wie im Beeilen das Produkt aus n Faktoren, die alle gleich a sind, mit a". Und 32 2. Kapitel. Das System der komplexen Zahlen. die gleichen Erwägungen wie dort führen dazu, falls die Basis a=)= 0 ist, unter a° die Zahl 1 und unter a~n den Wert — zu verstehen. Nach diesen Festsetzungen ist die Potenz ffl" al für jeden ganzzahligen Exponenten k erklärt, und für das Rechnen mit diesen Potenzen gelten die drei Regeln alal = al+l, (a*)J = atl, a* • V* = (ab)*, bei denen die Basis 0 nur auftreten darf, wenn der Exponent positiv ist. Sind a und b zwei beliebige komplexe Zahlen und ist n eine natürliche Zahl, so ist (a + b)n = a» + (l) &+.•.+(")«"-'&" + ... +ft" Die vier tirundoperationen, Addition, Subtraktion, Multi- plikation und Division, bezeichnet man als die rationalen Rechenoperationen. Schließt man die Division aus, so spricht man von den ganzen rationalen Operationen. Ein Ausdruck, der (wie z. B. der vorstehende) aus irgendwelchen Buchstabengrößen und Zahlen durch Anwendung der ratio- nalen Rechenoperationen (in endlicher Anzahl) gebildet ist, nennt man darum einen rationalen Ausdruck, insbeson- dere einen ganzen rationalen Ausdruck, wenn nur die ganzen Operationen verwendet werden. §10. Das System der komplexen Zahlen als Er- weiterung des Systems der reellen Zahlen. Auf Grund der historischen Entwicklung, die sich in den in § 5 eingeführten Bezeichnungen widerspiegelt, hat man in dem System der komplexen Zahlen ganz selbstverständlich eine Erweiterung des Systems der reellen Zahlen gesehen. § 10. Erweiterung des Systems der reellen Zahlen. 33 Wir haben noch klarzustellen, inwiefern das der Fall ist. Denn Paare von reellen Zahlen sind nicht selbst reelle Zahlen. Diejenigen Zahlenpaare («, 0) aber, deren zweite Koordinate = 0 ist, deren darstellende Punkte also auf „der reellen Achse" liegen, scheinen in einem ganz bestimmten Sinne doch wirklich reelle Zahlen zu sein. Was soll das bedeuten? Es ist dies: Wenn man für jedes Zahlenpaar (a, 0) abkürzend einmal einfach « setzt, so prüft man sofort nach, daß jede Rechnung, die nach den für das Rechnen mit Zahlenpaaren festgelegten Regeln verläuft und die ausschließlich Zahlen- paare der Form («, 0) verwendet, in eine richtige Rechnung mit reellen Zahlen übergeht. In der Tat geht dadurch Gleich- heit, Summe und Produkt zweier solcher Paare (<%, 0) und (ß, 0) in Gleichheit, Summe und Produkt von« und ß über; und das genügt. Man drückt dies aus, indem man sagt: Das Teilsystem aller Zahlenpaare («, 0) ist hinsichtlich ihrer Ver- knüpfung durch Addition und Multiplikation dem System aller reellen Zahlen isomorph. Darum darf man geradezu («,0) = « setzen und das Paar (a, 0) unbedenklich als mit der reellen Zahl « identisch ansehen. Dann darf aber (0,a') = «'(0,1) gesetzt werden, weil ja nach § 8 und der getroffenen Verabredung «'(0,1)= («',0). (0,1)= (0,«') ist. Und schließlich kann nun ein beliebiges Zahlenpaar in der Form («,«') = («, 0) + (0,«') = a + a'(0,1) dargestellt werden: Alle Zahlenpaare können also unter aus- schließlicher Benutzung des einen Zahlenpaares (0,1) in dieser Form dargestellt werden. Setzt man, wie es Euler1) zuerst tat, für dieses Zahlenpaar abkürzend den Buchstaben t, >) In der Abhandlung „De formulis differentlalibufl ...", die 1777 der Petersburger Akademie vorgelegt, aber erst nach Eulers Tode veröffentlicht wurde. Einen systematischen Gebrauch des Buchstabens t für die imaginäre Einheit hat erst Gaufi gemacht, der sich desselben seit 1801 bedient. Knopp, Elemente der Funktionentheorie. 2 34 2. Kapitel. Das System der komplexen Zahlen. (0,1) = i, so kann («, «') = c -+- a i gesetzt werden, und diese Darstellung ist offenbar völlig ein- deutig. Nach § 8 ist schließlich (0,1)-(0,1)= (-1,0)=-1, also <*= —1. Unser neues Zahlensystem enthält also auch solche Zahlen, deren Quadrat negativ-reiell ist, — und ebenso sind, wie sich zeigen wird, all die übrigen in § 4 erwähnten „Unmög- lichkeiten" nun zu Realitäten geworden. In diesem Sinne also bildet es eine folgerichtige Erweiterung des Systems der reellen Zahlen, und zwar ciae wiche,' du- die Unzulänglich- keiten des letzteren nicht mehr besitzt. Weil endlich jede komplexe Zahl a= («,«') in der Form a = § 11. Trigonometrische Darstellung der komplexen Zahlen. Im vorangehenden haben wir zur Darstellung der Punkte und Vektoren die kartesischen Koordinaten benutzt. Nimmt man Polarkoordinater, so werden die Dinge teils einfacher, teils weniger einfach. § 11. Trigonometrische Darstellung der komplexen Zahlen. 36 Sind g und (1) a— q cos + i sin + i sin ip), so ist dann und nur dann a — b, wenn Q = a und (wofern nicht beide = 0 sind) zugleich q> = y>, d. h. (mod 2jr)ist. Summe und Differenz von a und b lassen sich bei Be- nutzung der trigonometrischen Darstellung nicht so einfach ausdrücken. Es sei dem Leser als Übung empfohlen, die Darstellung anzugeben. Da aber die Vektoren a, b und a + b (s. Fig. 7 a) ein Dreieck bilden, 30 liefert der hekannte Ratz, daß in einem Dreieck jede Seite höchstens glcich der Summe der beiden andern ist. die wichtige Ung t. Vhimg (Näh. 3. § 13) (2) ¡a + H^|ffl| + |6|, die man kurz die Dreiecksnngleichnng nennt, ujid nach dem entsprechenden Satz für die Differenz zweier Dreiecksseiten liefert die Darstellung der Differenz b — a, in Fig. 8a die weitere Ungleichung (3) !&-«!=> |J|- |«|. 36 2. Kapitel. Das System der komplexen Zahlen. Multiplikation und Division dagegen lassen sich einfacher ausdrücken. Es ist nämlich nach § 8 zunächst ab= {(xß— sin tp + sin q> cos y>) = per sin ( ), so daß (4) ab OB q>O (cos ( Ganz ebenso zeigt man (oder indem man von — • a= b, a 0. a ausgeht), daß für a=f= 0 (6) — = — (cos(y>— (9) "o" ™ Wiederholte Anwendung von Multiplikation und Division führt endlich zu der sogen. Jloivreschen Formel: (10) an™[p(cos+4 sin y)]"=p" (cos ro y+i sinn — cos"—2 § 12. Geometrische Darstellung von Multiplikation und Division. Aus den Betrachtungen des vorigen Paragraphen ergibt sich nun die sehr einfache geometrische Darstellung der Multi- plikation und Division. Aus den dortigen Formeln (4) und (6) liest man die folgenden Konstruktionen der Vektoren ab und b , — ab, wenn a a— q (cos ') Wenn hier und Im folgenden von einer Drehung im positiven Sinne um den Winkel ab U. 0 l MFlg. 9. Pig. 10. und 0... 6 einander entsprechende Seiten werden. Die dritte Ecke dieses Dreiecks ist dann der Punkt ab. Fügt man aber das Dreieck so an (s. Fig. 10), daß die Seiten 0... a und 0... b einander entsprechen, so stellt der dritte Eckpunkt den Quotienten — dar. Insbesondere findet man den zu a reziproken Punkt , in- dem man an die Strecke 0. •. 1 ein zu 0 1 a gleichsinnig ähnliches Drei- eck so anlegt, daß die Seiten 0 ... a und 0... 1 entsprechende Seiten Fig. 11. werden. Der dritte Eckpunkt des- selben liefert den Punkt, - (s. Fig. 11). Genaueres in §17. a § 13. Ungleichungen und Beträge. Beispiele. 39 § 13. Ungleichungen und Beträge. Beispiele. Von den sich auf Ungleichungen beziehenden Grund- gesetzen ist 1,5 weggefallen, und die anderen drei haben die in den §§ 6, 7 und 8 genannte vereinfachte Form erhalten. Diese Regeln sind so einfach, daß ihre Anwendung keiner weiteren Erläuterung bedarf. Dagegen soll auf das Rechnen mit den Beträgen noch etwas näher eingegangen werden, da es im folgenden besonders oft verwendet wird. Es beruht im wesentlichen auf den drei in den vorangehenden Para- graphen festgestellten Tatsachen: I. Der Betrag |a| einer komplexen Zahl a ist eine reeüe, nicht-negative Zahl, die dann und nur dann gleich 0 ist, wenn a—0 ist. II. Es ist |a&|= \ a\ • |6|. III. Es ist |a + 6|<; |a| +j6|. Den Beweis der letzten Tatsache, der sogen. Dreiecks- ungleichung, hatten wir geometrisch geführt. Analytisch kann er so geliefert werden: Die Behauptung besagt, daß für vier beliebige reelle Zahlen «,«',/3,ß' stets V(oc + ßf + («' + ß'f 5? J/«2 + <*'2 + Vßl + ß"2 sein soll. Durch zweimaliges Quadrieren findet man aber, daß diese Ungleichung sicher dann richtig ist, wenn die Un- gleichung (i) {ocß'-yßf^ o gilt, — und das letztere ist doch gewiß der Fall. Aus II oder aus der Erklärung selbst folgt noch, daß I—|-M ist, und nach III ist nun weiter |«|=|(fl + J) + (_ft)|^|« + 6| + H| oder |a + i|^|a|-|i|. Da man a und b vertauschen darf, so ergibt sich schließlich die etwas schärfere Ungleichung 40 2. Kapitel. Das System der komplexen Zahlen. III' |« + 6|^||a|-|i||, die man ebenfalls als Dreiecksungleichung bezeichnet. Wir beschließen dieses Kapitel, indem wir noch eine Reihe einfacher Anwendungen geben, die sich aus den Vereinbarungen und Sätzen der vorangehenden Paragraphen ergeben und die in der Folge oft verwendet werden. 1. Aus der Dreiecksungleichung folgt durch wiederholte Anwen- dung: Wenn a,, a,,..., ap irgend p komplexe Zahlen sind, so ist stets l«i+flt+' • •+«#! ^ KI+KI+* • •+!«,!• Den Vektor (a, + at -| + cip) findet man, indem man die Vektoren alt at,..., Oj, aneinander fügt und nun den Anfang des ersten mit der Spitze des letzten verbindet. Für das Produkt gilt dagegen («!«,.. .a^l = 1^1-|a,|...ja,,|. Da der Betrag Izl einer komplexen Zahl z1) ihren Abstand vom Nullpunkt und der Betrag der Differenz (2,— 2, | zweier Zahlen und z, den Abstand der entsprechenden Punkte bedeu- tet, so ergeben sich weiter die folgenden einfachen Tatsachen: 2. Ist für eine komplexe Zahl 2 der Betrag \e | = 1, so liegt ihr Bildpunkt auf der Kreislinie mit dem Radius 1 um den Null- Ckt, dem sog. Einheitskreise. Umgekehrt ist für jeden kt 2, der dort liegt, | z | = 1. Die Gleichung | z | = 1 kann in diesem Sinne als die Gleichung des Einheitskreises ange- sehen werden: Sie ist dann und nur dann erfüllt, wenn 2 auf dem Einheitskreise liegt. Für diese z und nur für diese hat die trigono- metrische Darstellung die Form 2 = cos ) Im folgenden wird für eine beliebige komplexe Zahl gern der Buch- stabe t verwendet, während die Buchstaben a,b,... für bestimmt ausge- wählte Zahlen vorbehalten werden. § 14. Die stereographische Projektion. 41 5. Ebenso ist \z — a | q oder I z — a | < g die Gleichung der Fläche des genannten Kreises. Bei der ersten ist die Peri- pherie, der Rand der Kreisfläche, dieser hinzugerechnet, bei der zweiten nicht. Eine ähnlich einfache Bedeutung haben etwa die Ungleichungen \z — \z — a\>Q, Qt<\z — a\< Qv Die letzte bedeutet die Fläche des Kreisringes zwischen den Kreisen mit und gt um den Punkt a, ausschließlich der beiden Ränder. 6. Ist e eine gegebene positive Zahl, so nennt man dio Kreis- fläche | 2 — a | < e kurz eine (kreisförmige) «-Umgebung von a. Wird a=a+ »<*', z=x + iy gesetzt, so nennt man entsprechend die durch | x — a | < e, | y — <*'J < £. bestimmte Quadratfläche eine quadratische E-Umgebung von a. 7. Ist für eine komplexe Zahl z so bedeutet dies, daß ihr Abstand | z — 11 von dem Punkt + 1 gleich ihrem Abstand | z — (—1)1 von dem Punkte — 1 ist. Sie liegt also auf der imaginären Ach se. Die hingeschriebene Glei- chung kann also als die Gleichung dieser Achse angesehen werden. Dies gilt aber auch von der einfacheren Gleichung $R(2) = 0. 8.91(2)2:0 charakterisiert in ähnlichem Sinne die rechte Halbebene (einschl. ihres Randes, der imaginären Achse), und ebenso einfach ist die Deutung der Ungleichungen SR (z) < 0, 3(2) go, 3(2) >o. 3. Kapitel. Die Riemannsche Zahlenkugel. § 14. Die stereographische Projektion. Bisher haben wir zur Veranschaulichung der komplexen Zahlen die Ebene der analytischen Geometrie benutzt. Für viele Zwecke erweist es sich als günstiger, dazu die Kugel zu verwenden. Soll sie dasselbe leisten, so müssen wir eine Zuordnung zwischen den Punkten der Kugel und denen der Ebene herstellen, müssen also, wie man kurz sagt, die Kugel (umkehrbar-eindeutig) auf die. Ebene abbilden. Die Her- stellung einer solchen Abbildung ist das alte Problem der Herstellung geographischer Karten. Sie kann in der ver- 42 3. Kapitel. Die Riemannsche Zahlenkugel. schiedensten Weise durchgeführt werden. Aber es ist be- kannt, daß dabei notwendig Verzerrungen 'eintreten: Es ist nicht möglich, die Abbildung so durchzuführen, daß die Karte dem Original geometrisch ähnlich ist. Man darf also bei einer Karte nur fragen: Welche Dinge (Abstände, Winkel, Flächen, Formen usw.) stehen zu denen des Originals in einem festen Verhältnis, welche nicht, und welcher Art sind im letzteren Falle die Änderungen? Für unsere Zwecke kommt nur die als stereographische Projektion be- kannte Abbildung in Frage. Sie wird folgendermaßen her- gestellt: Auf die xt/-Ebene der analytischen Geometrie1) legen wir eine Kugel vom Durchmesser 1 derart, daß sie die Ebene im Koordinatenanfangspunkt 0 berührt. Um uns bequem ausdrücken zu können, bedienen wir uns auf der Kugel der üblichen geographischen Bezeichnungen und nennen dem- gemäß den Berührungspunkt 0 den Südpol und den diametral gegenüberliegenden Punkt den Nordpol N. Von diesem Nordpol aus legen wir nun die Halbstrahlen, die die Ebene, und folglich auch die Kugel in einem zweiten, von N ver- schiedenen Punkte treffen. Den (von N verschiedenen) Punkt der Kugel und den Punkt der Ebene, die auf demselben Halbstrahl liegen, ordnen wir ein- ander zu (s. Fig. 12). Dadurch entspricht offenbar jedem Punkt P der Ebene genau ein von N verschiedener Punkt P' der Kugel und umgekehrt. Kurz: Die Kugelfläche (aus der der Nordpol wegzudenken Flg. 12. ist) ist umkehrbar-ein- ') In diesem Paragraphen sollen alle Zahlen wieder reell sein; wir bewegen uns gani Im Beeilen. — Die zy-Ebene denken wir uns horizontal vor uns liegend. § 14. Die stereographische Projektion. 43 deutig au! die Ebene abgebildet. Es ist klar, daß hierbei die in der. Nähe des Südpols gelegenen Teile der Kugel eine ge- ringe, die beim Nordpol gelegenen eine starke Verzerrung er- leiden. Was bleibt bei dieser Abbildung erhalten ? Es ist das Ziel der folgenden Betrachtungen, zu zeigen, daß die Abbildung kreisverwandt und winkeltren ist. Das erste soll heißen, daß jeder Kreis auf der Kugel auf einen Kreis oder eine Gerade der Ebene abgebildet wird (und umgekehrt); das zweite, daß irgend zwei Kreise und allgemeiner irgend zwei Kurven auf der Kugel sich unter demselben Winkel schneiden wie ihre Bilder in der Ebene (und umgekehrt). Man übersieht zunächst ohne weiteres, daß die Breiten- kreise der Kugel in die konzentrischen Kreise der Ebene um 0 übergehen, während die Halbmeridiane der Kugel den Halbstrahlen aus 0 entsprechen. Da wir der Kugel den Durchmesser 1 gegeben haben, geht insbesondere ihr Äquator in den Kreis mit dem Radius 1 um 0 über. Für die geographische Längenangabe wollen wir als Nullmeridian denjenigen wählen, der der positiven z-Achse entspricht, und allgemein als geographische Länge eines bestimmten Halbmeridians den ersten Richtungswinkel des ihm ent- sprechenden Halbstrahles aus 0 nehmen. Weiter ist sofort zu übersehen, daß eihe Gerade der Ebene in einen Kreis durch den Nordpol übergeht, denn die Halb- strahlen aus N nach den Punkten der Geraden bilden eine Ebene, die die Kugel in dem Bildkreis der Geraden schneidet. Wir zeigen nun: Zwei Gerade der Ebene schneiden sich unter demselben Winkel wie ihre Bildkreise auf der Kugel. Das ist fast selbstverständlich. Denn haben wir in der Ebene zwei Geraden, die sich im Punkte P schneiden, so schneiden sich ihre Bildkreise in dem P ent- sprechenden Punkte P' und im Nordpol N und an beiden Stellen gewiß unter demselben Winkel. Ziehen wir aber am Nordpol die Tangenten an die beiden Bildkreise, so sind diese 44 3. Kapitel. Die Riemannsche Zahlenkugel. den gegebenen Geraden (im Räume) parallel, da die Tangential- ebene der Kugel im Nordpol zu unserer zy-Ebene parallel ist. Der Winkel zwischen den Geraden bei P in der Ebene ist also derselbe wie der Winkel zwischen den Bildkreisen am Nordpol und also auch wie der zwischen den Bildkreisen bei P'. Haben wir in der Ebene eine Kurve £ mit einer sie in P berührenden Tangente, so geht diese Figur bei der Abbil- dung auf die Kugel über in eine gewisse Bildkurve SB' und den Bildkreis der Tangente, der im Bildpunkt P' von P berührt. Und hieraus folgt dann weiter sofort, daß irgend zwei Kurven der Ebene sich unter demselben Winkel schneiden wie ihre Bilder auf der Kugel: Die stereographische Abbildung ist tvinkeltreu. Um die Kreisverwandtschaft zu beweisen, wollen wir die Abbildung analytisch darstellen. Dazu führen wir ein räumliches rechtwinkliges Koordinatensystem f »7 £ ein, dessen und ^-Aphse mit der x- bzw. y-Achse unserer xy- Ebene zusammenfallen sollen, wälirend die positive f-Achse die Richtung des Durchmessers ON haben soll. Denken wir nun durch die (räumliche) Figur 12 die die Punkte 0, N, P, P' enthaltende Ebene gelegt, so N" erhalten wir die Figur 13, in der noch die Strecke OP' und ä das Lot P'Q von P' auf ON -TK gezeichnet wurden. In ihr ist OP=e%*+y* und OQ= Setzen wir noch zur Abkür- 0 p zung P'Q = q', SO liefern die rechtwinkligen Dreiecke der Fi«-1S- Figur die beiden Proportionen C:e'=e:l und e': (l-f)= e :1. Aus ihnen ergibt sich §15. Die Riemannsche Zahlenkugel. Der Punkt oo. Beispiele. 45 s l + e2' ^ i + e2' Da nun schließlich, wenn wir den ersten Richtungswinkel des Strahles OP in der Ebene wieder mit und ebenso f = p'cos 2 < ) *=rb> y-ilc> (t+l, d.h. (f|f?, für den umgekehrten Zusammenhang. Betrachten wir nun in der Ebene einen Kreis oder eine Gerade, so heißt das, daß wir alle Punkte (x, y) der Ebene ins Auge fassen, für die eine Gleichung der Form (3) a[* + #) + ßx + yy + & = o erfüllt ist, in der ß, y, d reelle Zahlen sind und 4«<5 <ß2+yi ist. Sie bilden einen Kreis oder eine Gerade, je nachdem <%={=0 oder = 0 ist. Für die Bildpunkte f, rj, t, auf der Kugel besteht dann die Gleichung § 15. Die Riemannsche Zahlenkugel. Der Punkt oc. Beispiele. Wir kehren nun zu dem System der komplexen Zahlen zurück 1 Bisher hatten wir die komplexe Zahl z — (x, y) = x + iy durch den Punkt (x, y) veranschaulicht. Wir 46 3. Kapitel. Die Riemannsche Zahlenkugel. ordnen ihr jetzt auch den Punkt zu, der dem Punkte (x, y) vermöge der in § 14 beschriebenen stereographischen Pro- jektion entspricht, und nennen auch diesen kurz den Punkt z. Dann entspricht die Gesamtheit der komplexen Zahlen um- kehrbar eindeutig den vom Kordpol verschiedenen Punkten der Kugel, die wir darum die komplexe oder die Riemann- sche Zahlenkugel oder kurz die Zahlenkugel nennen. Es ist nützlich, sich eine möglichst lebendige Vorstellung von der Verteilung der Zahlen auf der Zahlenkugel zu verschaffen. Wir machen daher die folgenden einfachen Feststellungen, deren Begründung sich jeder selbst wird geben können: 1. Der Einheitskreis (s. §13,2) geht in den Äquator, sein Inneres in die südliche, sein Äußeres in die nördliche Halbkugel über. 2. Die Halbstrahlen aus 0 entsprechen den Halbmeridianen; der erste Richtungswinkel des. Strahles ist dabei die geographische Länge des Meridians. Insbesondere geht die positive reelle Achse in den Nullmeridian, die negative in den von der Länge 180°, die positive und negative imaginäre Halbachse in die Halbmeridiane der Länge ± 90° über. Die Kreise um 0 in der Ebene entsprechen den Breitenkreisen auf der Kugel. Hat der Kreis in der Ebene den Radius r, so wird die geographische Breite ß des entsprechenden Breitenkreises1) durch die Formel (1) geliefert. Man liest dies aus Fig. 13 ab, in der 2VOP' = •ZNPO Die obere Halbebene liefert die hintere (öst- liehe) Halbkugel, die untere die vordere oder westliche. Die rechte und linke Halbebene liefern ebenso die rechte und linke Halbkugel. 3. Der Punkt 2 = (z, y) — x + iy = r (cos Zweiter Abschnitt. Lineare Funktionen und Kreisverwandtschaft. 4. Kapitel. Abbildung durch lineare Funktionen. % 16. Abbildung durch ganze lineare Funktionen. Mit dem Begriff einer Funktion komplexen Argumentes werden wir uns im IV. Abschnitt genauer beschäftigen« Man spricht von einer Funktion, wenn jeder komplexen Zahl z durch eine Vorschrift i'inc neue komplexe Zahl w zuge- ordnet ist. In diesem Abschnitt wollen wir uns nur mit einer ganz einfachen Zuordnung dieser Art beschäftigen: Wenn a, b, c, d bestimmt gegebene komplexe Zahlen sind, so soll jedem Wert z der Wert ti \ az+l zugeordnet werden. Man spricht dann von einer linearen Funktion. Im Reellen macht man sich den Verlauf einer Funktion t/ = f(x) anschaulich, indem man in einer xy- Ebene die entsprechende Kurve zeichnet, deren Gleichung y = f(x) ist. Im Komplexen muß man zwei Ebenen be- nutzen. In der einen, der «-Ebene, markiert man den Wert der unabhängigen Veränderlichen z, in der anderen, der wEbene oder Bildebene, den ihm zugeordneten Wert w; und indem man sich dies für alle Werte t getan denkt, erhält man eine Abbildung der z- in die «-Ebene. Benutzt § 16. Abbildung durch ganze lineare Funktionen. 49 man Zahlenkugeln statt der Ebenen, so erhält man ent- sprechend eine Abbildung der «-Kogel auf die u;-Kugel. Manchmal ist es auch bequem, sich z- und w-Ebene bzw. -Kugel zusammenfallend zu denken. Man spricht dann von einer Abbildung der ¿-Ebene oder -Kugel in sich selbst. Gerade bei den zunächst behandelten einfachsten Abbil- dungen ist diese Vorstellung vorteilhaft. Im folgenden sollen die durch die linearen Funktionen (1) vermittelten Abbildungen näher untersucht werden. Man nennt sie kurz lineare Abbildungen oder Transforma- tionen. Wir beginnen mit den ganzen linearen Funk- tionen, d. h. denen der Form (2) w * a» + b. 1. Es sei a== 1. Wir haben dann die Funktion (3) w=s + 6 vor uns. Ist hier b = 0, so handelt es sich um die Identit&t, bei der Bild und Original zusammenfallen. Ist 6=4= 0, so erhalt man zu jedem z den Bildpunkt, indem man an den Radiusvektor z den Vektor b ansetzt. Seine Spitze liefert dann den Bildpunkt w. Aus jeder Figur der Ebene entsteht also die Bildfigur, indem wir sie der Translation oder Parallelverschiebong (&), d. h. der durch den Vektor b nach Größe und Richtung bestimmten Parallelverschiebung, unterwerfen. Bild und Original sind einander kongruent. 2. Es sei jetzt b — 0, die Funktion also von der Form (4) w— az und n=4= 01). Dann wird zu jedem Punkt z der Bildpunkt erhalten, indem er mit ein und derselben Zahl o multipliziert wird. Nach § 12 erhält man ihn also, indem man den Radius- vektor a um den Winkel arc a im positiven Sinne dreht und hernach im Verhältnis 1 : ] a | streckt. Man bezeichnet diese ') Ist a <*• 0, ao tat die Funktion Identisch konstant = 0, d.h. jedem z wird als Bild ein und derselbe Punkt zugewiesen. Von dieser degenerierten Abbildung, die kein Interesse bietet, wird Im folgenden abgesehen 50 4. Kapitel. Abbildung durch lineare Funktionen. Abbildung darum kurz als die Drehstreckung (a) mit dem Zentrum 0. Ist insbesondere | a \ = 1, also a von der Form a— cos« + ¿sin«, so reduziert sie sich auf eine reine Drehung («), d. h. um den Winkel«, mit dem Zentrum 0. Diese Ab- bildung ist offenbar wieder eine kongruente Abbildung. Ist andererseits «= 0(mod2tc), d.h. a positiv-reell, etwa = A, so handelt es sich um die reine Streckung 1 : A. Diese Abbildung ist eine Ähnlichkeitsabbildung mit dem Zentrum 0; Original und Bild sind einander geometrisch ähn- lich, und ihr Ähnlichkeitsverhältnis ist 1 : A. Bei beliebigem a =}= 0 ist also die Abbildung w— az eine Ähnlichkeitsabbildung mit dem Zentrum 0; das Ähn- lichkeitsverhältnis von Original zu Bild ist 1 : [ a |. Für a = 1 geht sie natürlich wieder in die Identität über. Die Drehstreckung (a) kann auch ausgeführt werden, in- dem man erst im Verhältnis 1 : | a | streckt und dann um den Winkel arc a dreht: Drehung und Streckung sind (bei gleichem Zentrum) vertauschbare Operationen. 3. Ist endlich eine beliebige ganze lineare Funktion w= az + b vorgelegt, bei der nur o =f= 0 vorausgesetzt wird (weil sonst die Abbildung wieder degeneriert), so kann das Bild w aus dem Original z erhalten werden, indem man erst die Dreh- streckung (a) und dann die Translation (b) ausführt. Die Schreibweise zeigt aber, daß man zum gleichen Ziele kommt, wenn man erst die Translation und dann die Drehstreckung (a) aus- führt, — letztere mit dem durch die Translation nach 0 gelangten Punkte als Zentrum. Beide Wege zeigen, daß die Abbildung (2) durch ganze lineare Funktionen eine § 17. Abbildung durch die Funktion w = 1/z. 51 Ähnlichkeitstransformation ist: Original und Bild jeder Figur sind einander ähnlich iin Verhältnis 1: | a |. Zur Veranschaulichung dieser Abbildung haben wir die Ebene benutzt. Die Kugel ist hierzu weniger gut geeignet, weil die Ad- dition (Translation) sich dort nicht so eindrucksvoll darstellt. Auch die Multiplikation (Drehstreckung) läßt sich nicht so gut, aber doch einigermaßen deutlich veranschaulichen: Der Drehung der Ebene mit dem Zentrum 0 entspricht natürlich eine Drehung der Kugel um die Nordsüdachse. Bei der Streckung 1 : A (mit dem Zentrum 0) muß man sich vorstellen, daß die Oberfläche der Kugel (wie eine Gummihaut) vom Südpol weggezogen und gegen den Nordpol hingedrückt wird oder umgekehrt, je nachdem ist. § 17. Abbildung durch die Funktion w . x Die Abbildung durch die einfachste gebrochene lineare Funktion (1) — i untersucht sich am leichtesten, wenn man in beiden Ebenen Polarkoordinaten benutzt. Wir setzen z = q (cos + i sin y>). Nach § 11, (8) ist dann (2) a—— und y= — V- w hat also den reziproken Betrag und den entgegenge- setzten Arcus wie z. Den Übergang von z zu w vollzieht man daher vorteilhaft in zwei Schritten: 1) den Übergang von einem Punkte z zu demjenigen Punkte z', der den gleichen Arcus, aber den reziproken Betrag hat; und 2) den Übergang von dem erhaltenen Punkte z' zu dem- jenigen Punkte 10, der den gleichen Betrag aber den entgegengesetzten Arcus hat. 52 4. Kapitel. Abbildung durch lineare Funktionen. Der zweite Schritt ist besonders leicht zu übersehen, er bedeutet den Übergang von einer Zahl zur konjugierten, also einfach eine Spiegelung an der reellen Achse in der Ebene bzw. an der Ebene des Nullmeridians auf der Kugel. Der erste Schritt, bei dem vom Punkte z mit den Polar- koordinaten o, = 1/z. 53 beiden Spiegelungen können aber offenbar durch die eine Spiegelung an der Schnittgeraden der genannten beiden Ebenen ersetzt werden oder, was auf dasselbe herauskommt, durch eine Drehung der Kugel üm diese Gerade als Achse um 180°. Diese Achse verbindet die Kugelpunkte +1 und — 1 miteinander. Die Abbildung (1) ist also, aüf der Kugel gedeutet, eine ganz übersichtliche kongruente Abbildung. Da bei der genannten Drehung der Südpol in den Nordpol, dieser in jenen übergeht, so ist es sinnvoll, die Punkte 0 und oo als Bilder voneinander vermöge der Abbildung (1) anzusehen. In diesem Sinne (aber auch nur in diesem Sinne) setzt man in der Funktionentheorie was eben nicht mehr und nicht weniger besagen soll, als daß bei der. Abbildung (1) 0 in oo und oo in 0 übergeht. Auf Grund dieser Festsetzung vermittelt nun w = eine umkehrbar eindeutige Abbildung der beiden Vollkugeln auf- einander. Jeder Punkt geht dabei in einen bestimmten anderen Punkt über, mit Ausnahme der beiden Punkte ± 1, von denen jeder sich selbst entspricht. Man nennt sie die Fixpunkte der Abbildung. In der Ebene ist die Deutung unserer Abbildung nicht ganz so einfach; es ist aber von Wichtigkeit, sie auch hier genau zu kennen. Der zweite der obigen Schritte war eine Spiegelung an der reellen Achse. Jede Figur geht also in eine kongruente.über, aber „mit Umlegung der Winkel", da eine positive Drehung durch die Spiegelung in eine nega- tive übergeht und umgekehrt. Der erste Schritt, der ana- lytisch durch die Gleichungen (3) gegeben war, verlangt den Ubergang von einem Punkte e=j= 0 der Ebene zu dem- jenigen Punkte z\ der auf demselben Halbstrahl aus 0 liegt, 54 4. Kapitel. Abbildung durch lineare Funktionen. aber von 0 den reziproken Abstand hat. Diese Abbildung für sich genommen bezeichnet man als die Abbildung durch reziproke Radien, als Spiegelung oder In- version am Einheitskreise. Ihre wichtigsten Eigen- schaften sind die folgenden: 1. Es ist z' = -i-, da z' zu — konjugiert ist1). z z 2. Die Spiegelung am Einheitskreise ist involutorisch. Das soll heißen; Wenn z' das Bild von z ist, so ist umgekehrt z das Bild von z'. 3. Wie man zu einem Punkte z sein Spiegelbild z' am Einheitskreise durch elementar-geometrische Konstruktion findet, liest man aus Fig. 15 a und b ab, in denen der Kreis •¿'den Einheitskreis der Ebene bedeutet. Liegt 2 außerhalb desselben, so liegt € innerhalb und umgekehrt. Liegt z auf der Peripherie des Einheitskreises, so ist 2' mit z identisch. Liegt z sehr nahe am Flg. 15a. Flg. 16b. Nullpunkt, so liegt 4 weit ab von ihm. Auch hiernach wird es verständlich, daß man als Bild des Punktes 0 sinnvollerweise den Punkt oo anzusehen hat und umgekehrt. Und vor allem wird es hier voll ver- ständlich, warum man die komplexe Zahlenebene durch genau einen uneigentlichen Punkt, eben den Punkt oo, abschließt. Die weiteren Eigenschaften der Abbildung durch rezi- proke Badien ergeben sich sehr einfach, indem wir von der ') Der Punkt — z' liegt auf der Kugel diametral zum Punkte z. Man nennt darum auch die Punkte (Zahlen) 2 und — diametral zueinander. z § 17. Abbildung durch die Funktion w = 1\t. 55 zuvor benutzten Kugel durch stereographische Projektion zur Ebene übergehen. So ergibt sich sofort: 4. Die Spiegelung am Einheitskreise ist kreisverwandt und wirikeüreu — letzteres jedoch mit Umlegung der Winkel. Denn auf der Kugel gedeutet hat die Ab- bildung als gewöhnliche Spiegelung an der Äquatorebene gewiß diese Eigenschaften. Beide bleiben aber auch bei der stereographischen Projektion erhalten. Unterscheiden wir in der Ebene zwischen den „wirklichen" Kreisen und Geraden (die wir ja in § 14 zu einer einzigen Gesamtheit zu- sammenfaßten), so ergeben sich ohne weiteres die folgenden Einzeltatsachen über die Spiegelung am Einheitskreise: a) Eine Gerade, die nicht durch den Nullpunkt geht, wird 1 zu einem wirklichen Kreise, der durch den Nullpunkt geht )k b) Eine Gerade, die durch den Nullpunkt geht, entspricht als Ganzes sich selbst. c) Ein wirklicher Kreis, der durch den Nullpunkt geht, wird zu einer Geraden, die nicht durch den Nullpunkt geht. d) Ein wirklicher Kreis, der nicht durch den Nullpunkt geht, wird wieder ein wirklicher Kreis, der nicht durch den Nullpunkt geht. e) Jeder Kreis, der den Einheitskreis unter einem rechten Winkel schneidet (man nennt ihn einen Orthogonalkreis zum Einheitskreis), geht als Ganzes in sich selbst über. (Denn auf der Kugel entspricht ihm wegen der Winkeltreue und Kreisverwandtschaft der stereographischen Projektion ein Kreis, der zum Äquator symmetrisch liegt, also bei der Spiegelung an diesem in sich selbst übergeht.) f) Schneiden sich zwei Orthogonalkreise des Einheits- kreises (zu denen wir auch die Geraden durch 0 rechnen dürfen), so liegen die Schnittpunkte spiegelbildlich zum Ein- ') Ein Kugelkreis, der durch den Nordpol, aber nicht durch den Sfidpol geht, geht durch Spiegelung an der Xqoatorebene In einen Kugelkrela Aber, der durch den Sfldpol, aber nicht durch den Nordpol geht. — Ähnlich einfach sind die Beweise der Tatsachen b), c) und d). 56 4. Kapitel. Abbildung durch lineare Funktionen. heitskreise. (Denn auf der Kugel liegen sie spiegelbildlich zum Äquator.) Und umgekehrt: Geht ein Kreis durch zwei zum Einheitskreise spiegelbildliche Punkte, so ist er ein Orthogonalkreis zum Einheitskreise. Wir haben die Eigenschaften der Spiegelung am Einheitskreise abgeleitet, indem wir die ihr auf der Kugel entsprechende gewöhn- liche Spiegelung an der Äquatorebene durch stereographische Pro- jektion in die Ebene übersetzten. Es ist auch nicht schwer, sie ohne Benutzung der Kugel zu gewinnen. Bezeichnen wir die kartesischen Koordinaten von z und z' mit (x, y) bzw. (x\ y'), X Xr V tf' so ist — = — (= cos w) und —=—,(= sin g>). Wegen op' = 1 ee 6 9 und g* = ** + y1, e'1 = + y12 ist also x'= ¿«T71' und umgekehrt x' v' + y"' ® x^ + ?/'«• Jede Gerade und jeder Kreis der Ebene kann nun durch eine Glei- chung der Form «(x2 + y*) + ßx + yy + <5 = 0 dargestellt werden, wenn <%, ß, y, 6 geeignete reelle Zahlen bedeuten. Ersetzt man x, y durch ihre Werte (7), so zeigt sich, daß die Bild- pnnkte (s', y') die Gleichung § 18. Abbildung durch beliebige lineare Funktionen. Ist endlich eine beliebige lineare Funktion et \ ae+b (1) ®= -n ez -f- a vorgelegt, so dürfen c und d nicht beide verschwinden. Ist nun c = 0, also d 4= 0, so handelt es sich um die ganze lineare Funktion «>= —za + —b , deren Abbildung wir schon kennen. Ist aber e =)= 0, so kann man (1) in der Form schreiben ad — bc 1 a (2) «,= T-J + —• c cz + d c Aus ihr liest man ab, daß (1) dann und nur dann identisch konstant ist (die Abbildung also degeneriert), wenn die Deter- minante der 4 Koeffizienten gleich Null ist1). Wir setzen daher bei allen im folgenden auftretenden line- aren Funktionen der Form (1) voraus, daß (3) ad — Jc+O ') Das gilt offenbar auch für den Fall, dafi c = 0 Ist. — Han beachte, dafl ee bei (1) auf einen den Koeffizienten a, b, c, i gemeinsamen, von 0 verschiedenen Faktor nicht ankommt. 58 4. Kapitel. Abbildung durch lineare Funktionen. ist. Dann kann die durch (1) vermittelte Abbildung in drei Schritten erhalten werden: 1) durch die Abbildung z' — cz + d, 2) durch die Abbildung z" = -i- und z 3) durch die Abbildung w — a^" -f \ mit «i = ad — bc, t>i=—a • c c Die erste und dritte sind Ähnlichkeitsabbildungen, die zweite ist die in § 17 untersuchte. Wir haben daher sofort den fol- genden Hauptsatz: Satz 1. Durch (1) wird eine umkehrbar eindeutige Albüdung der vollen z-Kugel auf die volle w-Kugel vermittelt. Diese Ab- bildung ist wtnkeUreu und kreisverwatuli. Insbesondere geht der Punkt z — d in w= oo über (denn er liefert zunächst c z' = 0, dann z" — oo und folglich auch w= co) und 2= oo in ic = —a . Es ist daher sinngemäß, wenn wir in Ergänzung von §17 (5) festsetzen, daß bei Betrachtung linearer Funktionen g- oo +b^ a_ c • oo + d c sein soll. Der Punkt z, dessen Bild ein gegebener Punkt w sein soll, wird nach (1) durch —dw 4- b (6) ^ ew — a geliefert. (6) nennt man darum die zu (1) inverse lineare Funktion. Sie hat dieselbe Koeffizientendeterminante wie (1). Unter dem Winkel zweier Kurven in oo ist natürlich der Winkel zu verstehen, den sie auf d.er Kugelim Nordpol miteinander bilden. Danach iBt auch klar, was die Winkel- § 19. Die Gruppeneigenschsft der linearen Abbildungen. 59 treue bedeutet, wenn der Bildpunkt oder sein Original oder beide in 00 liegen. Bei der Betrachtung linearer Funktionen spielt also der Punkt 00 in keiner Weise eine Sonderrolle gegenüber den anderen Punkten. Auf Grund des letzten Satzes in § 17 können wir schließ- lich noch den folgenden aussprechen: Satz 2. Bei jeder Abbildung der Form (1) geht die Figur eines Kreises1) und zweier in bezug auf ihn spiegelbildlicher Punkte m eine ebensolche Figur über.. Denn die Ähnlichkeits- transformationen 1) und 3) haben gewiß diese Eigenschaft und 2) ebenfalls, da diese sich durch zwei Spiegelungen er- zeugen läßt, deren jede nach dem Satz des § 17 wiederum jene Eigenschaft hat. 5. Kapitel- Normalformen und besondere lineare Abbildungen. § 19. Die Gruppeneigenschaft der linearen Ab- bildungen. Geht man von einer z-Ebene durch eine erste lineare Abbildung w -sSi-w zunächst zu einer ¿-Ebene, von dieser durch die lineare Abbildung (2) «aä + H in die w-Ebene über, so wird der direkte Übergang von der 2- in die w-Ebene, wie man leicht ausrechnet, durch die Funktion (3) C2 + a ') Die Geradeu sollen hier mit eingeschlossen sein. 60 6. Kapitel. Normalformen und besondere lineare Abbildungen. vermittelt, für die die 4 Koeffizienten aus der „Matrizen- gleichung" a 6\ _ {<% ü /«! M /«¡¡«i + Vi. *»h + c dl \c2 d2) \Cj dj \c2®i + d2cv c2bt + d2dj abgelesen werden können1). Durch Zusammensetzung zweier linearer Abbildungen g = ^(z), w = ¿2(j) entsteht also wieder eine lineare Abbildung (4) m=k(h(z))=hh(z)- Wenn und l2 nicht degenerieren, so tut es auch l nicht, denn nach dem Multiplikationssatz der Determinanten oder durch einfaches Ausrechnen findet man, daß a b 2 u entspricht ). Auf Grund dieser Feststellungen können wir. sagen: ') Es werden die Zeilen der voranstellenden Matrix mit den Spalten der nachfolgenden „komponiert", d. b. es wird die Summe der Produkte der entsprechenden Elemente von beiden gebildet, — ganz wie bei der Multi- plikation von Determinanten. •) Oder (JJ mit a + 0. §20. Fixpunkte und Normalformen. 61 Satz. Die linearen Abbildungen bilden eine Gruppe, wenn die Zusammensetzung der linearen Funktionen als Gruppen- multiplikation benutzt wird. Die Identität ist die Einheit der Gruppe, inverse Funktionen sind inverse Elemente. § 20. Fixpunkte und Normalformen. Schon in § 17 sprachen wir von Fixpunkten einer Ab- bildung. Darunter sollen Punkte verstanden werden, die mit ihrem Bild zusammenfallen. Soll dies für einen Punkt z bei der Abbildung az + b (1) w=-^-=m cz -f- a der Fall sein, so muß für ihn (2) az + b, = z oder cz2 — (a — d)z — 6=0 cz + d sein. Da dies eine quadratische Gleichung für z ist, deren Koeffizienten nur dann sämtlich verschwinden, wenn die Ab- bildung die Identität ist (a = d 4= 0, b — c= 0), so haben wir sofort den Satz 1. Eine von der Identität verschiedene lineare Ab- bildung hat höchstens zwei Fixpunkte. — Weiß man also von einer linearen Abbildung, daß sie mindestens drei Fixpunkte hat, so muß sie die Identität sein. Ist c4= 0, die Abbildung also eine gebrochene lineare, so liegen beide Fixpunkte (die natürlich auch zusammenfallen können) im Endlichen. Ist c= 0, handelt es sich also um eine ganze lineare Abbildung, so liegt mindestens einer der Fixpunkte in oo (das ging schon aus § 16 hervor). Ist überdies a = d (aber b 4= 0), so handelt es sich um die Trans- lation, bei der nur der Punkt oo festbleibt. Wir haben also als Ergänzung zum vorigen Satz den Satz 2. Der Punkt od ist dann und nur dann Fixpunkt, wenn die lineare Abbildung ganz ist; er ist dann und nur 62 6. Kapitel. Norm&lformen und besondere lineare Abbildungen. dann der einzige Fixpunkt, wenn es sieh um eine Translaiion handelt. Durch Benutzung der Fixpunkte kann man sich einen noch lebendigeren Einblick in das Wesen der linearen Abbildung ver- schaffen. 1) Ist zunächst (3) w = az + b eine von der Translation verschiedene ganze lineare Abbildung (a 4= 1), so hat sie außer dem Punkt oo den im Endlichen gelegenen Firpunkt Mit seiner Benutzung kann die Abbildung (3) auf die Form (6) w-C = a(»-0 gebracht und daher folgendermaßen gedeutet werden: Man führe mit der z-Ebene zunächst die Translation z — £ aus (sie schiebt den Punkt f nach Null). Man mache nun vom Nullpunkt aus die Drehstreckung (a) und bringe endlich durch eine Translation den Punkt 0 wieder nach f. Oder also: Die Abbildung (3) bedeutet einfach eine Drehstreckung (a) mit dem Fixpunkt £ als Zentrum! Damit ist sie vollkommen übersichtlich geworden. Insbesondere zeigt sich, daß das Büschel der Geraden durch £ und die Schar der konzentrischen Kreise um £ je als Ganzes in sich übergehen, bei einer reinen Drehung (| a \ = 1) jeder der Kreise einzeln für sich, bei einer reinen Streckung (a > 0) jede der Geraden einzeln für sich. 2) Es sei jetzt e * 0, so daß beide Fixpunkte, wir nennen sie £j und £ä, im Endlichen liegen. Es sei überd.ss ^4= £,. Dann folgt aus der Kreisver- wandtschaft sofort: Das Büschel der Kreise durch fj und £, geht als Ganzes in sich über (Fig. 16). Folgendermaßen erhalten wir darüber noch genau- ere Auskunft: Flg. l«. Durch die Abbildung § 20. Fixpunktc und Nörmalformen. 63 (6) 3 = «-f. die f, nach 0 und J2 nach oo bringt, wird das Büschel der Fig. 16 auf das Geradenbiischel der Fig. 17, die Kreise durch 0 und oo, abgebildet. Hierbei liege das erste in der 2-, das zweite in der J-Ebene. Denken wir uns aber das erste in der w-, das zweite in einer w-Ebene, so wird analog durch die Fig. 16 auf die Fig. 17 abge- bildet. Wegen der Gruppeneigen- schaft der linearen Funktionen ist hierdurch und durch die Ab- Flg. 17. bildung (1) eine lineare Abbildung der j- auf die to-Ebene ver- mittelt, nämlich die Abbildung (8) »® = ioI!rl(i)- Da diese aber 0 und oo zu Fixpunkten hat, ist es nach 1) eine Dreh- streckung mit dem Zentrum 0, hat also die einfache Form m = aj, wo a eine gewisse komplexe Zahl bedeuten soll. Mit Benutzung der Fixpunkte kann also (1) auf folgende Normalform gebracht werden — f. (9) «-C« Den Wert von a findet man sofort, indem man z = oo setzt, was a w — — liefert. Es ist also c a — c f, (10) a — cf, Die durchgeführte Betrachtung lehrt aber gleich noch mehr: Da es zum Geradenbüschel der Fig. 17 eine Schar von Orthogonal- kreisen gibt, nämlich die SchaT der Kreise um 0, so gibt es auch in Fig. 16 zu dem Büschel der „Kreise durch Cj und eine Schar von Orthogonalkreisen, die wir kurz die Schar der „Kreise um und Cg" nennen wollen. Auch diese Schar, also die vollständige Fig. 16, geht bei der Abbildung (1) als Ganzes in sich über. Wir können darüber hinaus noch genauer sagen: a) Igt | a | = 1, so ist ro = aj eine reine Drehung, und folglich geht jeder der Kreiße der zweiten Schar als Ganzes in sich über, 64 5. Kapitel. Normalformen und besondere lineare Abbildungen. während die der ersten Schar unter sich vertauscht werden. Die Abbildung (1) heifit dann elliptisch. b) Ist a positiv-reell, so ist es gerade umgekehrt. Die Ab- bildung (1) heißt dann hyperbolisch. c) Ist |a[ ^ 1 und a nicht posi- tiv-reell, so heißt die Abbildung loxodromiseh. Man erhält sie, indem man die Schritte a) und b) nacheinander ausführt1). 3) Bs sei jetzt wieder c =# 0, aber nun £, = Cv Die Abbildung heißt dann parabolisch1). Die Gesamtheit aller Kreise durch den 1 Fixpunkt — wir nennen ihn £ — geht als Ganzes in sich über. Eine Schar von Kreisen durch f, die dort eine gemeinsame Tangente haben (s. Fig. 18), bleibt eben- falls als Ganzes ungeändert. Dies und weitere Einzelheiten erkennt pjg. 18 man wieder deutlicher, wenn man den Fixpunkt (aus der z-Ebene and aus der ¡¿-Ebene) durch die Hilfsabbildungen (11) j= -^—r bzw. tt>= 1 £ " w—f nach oo wirft. Die genannten Kreise gehen dann in die Geraden der Ebene über, bei gemeinsamer Tangente in eine Schar von Parallelen. Wieder sind }- und tu-Ebene linear aufeinander ab- gebildet. Da hierbei aber oo der einzige Fixpunkt ist, so gehen sie durch eine Translation to=j + b auseinander hervor. Im parabolischen Falle kann also (1) auf die Form (12) _L_ —_L_ + J v u> — C s —C gebracht werden. Und weil z = oo und w = ~ zusammengehören, muß ') Benutzt man die Hilfsebene der Fig. 17, bo kann man die einzelnen Schritte noch genauer verfolgen. ') Bei den ganzen linearen Abbildungen gebraucht man natürlich die- selben Bezeichnungen: Ist sie eine Translation, so heißt sie parabolisch; ist sie eine Drehstreckung aus dem Fixpunkt (vgl. (5)), so heißt eie loxodromiseh, bei reiner Streckung hyperbolisch und bei reiner Drehung elliptisch. §21. Besondere lineare Abbildungen. Doppelverhältnisse. 65 (13) sein. Die Schar von Kreisen in der ¿-Ebene durch f, die dort eine gemeinsame Tangente haben, geht durch (11) in eine Schar von Parallelen der §-Ebene über. Diese bleibt bei der Translation (b) als Ganzes ungeändert und führt also vermöge (11) zu der Aus- gangsschar zurück. § 21, Besondere lineare Abbildungen. Doppelverhältnisse. Das Wichtigste von allem bisherigen bleibt der Satz 1 des § 18, insbesondere also, daß durch lineare Abbildungen Kreise immer auf Kreise abgebildet werden. Es soll nun genauer untersucht werden, in welcher Weise dies geschieht. Wir beweisen dazu zunächst den Satz 1. Drei gegebene getrennte Punkte zlt z2, z3 können stets durch eine und nur eine lineare Abbildung w = l(z) in drei vorgeschriebene getrennte Punkte wv w2, w3 übergeführt werden1). Beweis. Die Gleichung W — w1 W2 — W1 Z — Zj z2 — Zj (1) w — w3 definiert eine ganz bestimmte lineare Funktion u>= i(z). Denn links steht eine lineare Funktion von w, rechts eine solche von z. Nennen wir sie (w) und ^(2), so ist w= l(z) = l^l2(z). Gemäß § 18 (4) ist dabei zu verein- baren, daß man, wenn einer der Punkte z„ oder wr der Punkt 00 ist, den Quotienten derjenigen beiden Differenzen, die ihn enthalten, durch 1 zu ersetzen hat. Diese Funktion to= Z(z) leistet aber das Verlangte. Denn l^{z) hat für z — zlt z2, z3 der Reihe nach die Werte 0,1,00, und ^(w) erhält diese Werte wiederum für w = wx, w2, w3. Also ist l (z,) = w„ ') Unter den Punkten zv und uy (r = 1,2,3) darf auch Je einmal der Punkt od auftreten. Knopp, Element« der FunktlonenUieorie. 3 66 6. Kapitel. Normalformen und besondere lineare Abbildungen (v=l, 2, 3). Leistet die lineare Funktion w = L(z) das gleiche, so hat die lineare Funktion L~1l(z) offenbar die drei getrennten Fixpunkte zlt z2, z3, ist also nach § 20, Satz 1 die Identität. Also ist L(z) = l(z). Damit ist alles bewiesen. Durch drei in bestimmter Reihenfolge gegebene (getrennte) Punkte ist nun eine orientierte Kreislinie (bezw. eine orien- tierte Gerade) eindeutig bestimmt. Aus Satz 1 folgt also sofort weiter der Satz 2. Eine gegebene orientierte Kreislinie der z-Ebene oder -Kugel kann stets auf eine und nur eine Weise auf eine gegebene orientierte Kreislinie der w-Ebene so abgebildet werden, daß dabei drei gegebene Punkte des z-Kreises in drei gegebene Punkte des w-Kreises übergehen, wofern auf beiden Kreisen die Punkte im Sinne der Orientierung aufeinander folgen. Die Zahlenkugel wird durch eine Kreislinie in zwei Kugel- kappen zerlegt. Wir wollen diejenige als „das Innere" des Kreises bezeichnen, die zur Linken der Orientierung liegt, die andere als „das Äußere" des Kreises — und wollen die entsprechende Vereinbarung auch auf die Ebene übertragen '). Da nun die Abbildung der Vollkugeln durch lineare Funk- tionen umkehrbar eindeutig und überdies winkeltreu ist, so folgt jetzt in Ergänzung zu Satz 2: Satz 3. Die in Satz 2 genannte lineare Funktion bildet das Innere des z-Kreises umkehrbar eindeutig auf das Innere des w-Kreises ab. Ebenso natürlich auch das Äußere des ersten auf das Äußere des zweiten. Die hierdurch festgestellte Eigenschaft der linearen Funk- tionen, daß, wenn sie zwei orientierte Kreislinien aufeinander abbilden, sie auch deren Innengebiete (und ebenso deren Außengebiete) umkehrbar-eindeutig aufeinander abbilden, nennt man ihre Gebietstreae. ') Wird also z. B. die imaginäre Achse von unten nach oben orientiert, so ist die linke Halbebene das Innere, die rechte das Äußere. §21. Besondere lineare Abbildungen. Doppelverhältnisse. 67 Beispiele für diese und die weiterhin genannten Abbildun- gen folgen in § 22. Die eigentümlichen in (1) auftretenden Ausdrücke nennt man Doppelverhältnisse. Es gilt genauer die Erklärung. Sind z2, z3, z4 vier getrennte Punkte der Kugel, so soll der Ausdruck (2) D(hWt)='LZf-:^ z i H 2 ' *3 als ihr Doppelverhältnis bezeichnet werden. Liegt einer der Punkte in co, so tritt die oben gemachte Vereinbarung in Kraftx). Aus dem Beweis des Satzes 1 folgt nun unmittelbar der Satz 4. Das Doppelverhältnis von vier Punkten bleibt linearen Abbildungen gegenüber invariant. — Das soll heißen: Gehen die vier Punkte z, durch die Abbildung w— l(z) in die Punkte w„ (v = 1,2,3,4), über, so ist D(M)1W2wsW4)= Diz&z^). Da nämlich w= l(z) das leistet, was in Satz 1 gefordert ist, so ist es die durch (1) gegebene Funktion. Da sie auch z4 in «>4 überführt, so liefert (1) für z= z4, w= wi unmittelbar die Behauptung. Statt durch drei Punkte der Peripherie kann man einen orientierten Kreis auch durch einen Punkt derselben und durch ein Paar in bezug auf den Kreis spiegelbildlicher Punkte geben. Das liefert im Anschluß an Satz 1 den Satz 6. Ein orientierter z-Kreis kann stets auf eine und nur eine Weise auf einen orientierten w-Kreis so abgebüdet werden, daß dabei ein gegebener Randpunkt z1 und ein gegebener innerer Punkt z0 des z-Kreises in entsprechend gelegene vor- geschriebene Punkte wt und w0 übergehen. ') Die Reihenfolge der vier Punkte ist hierbei nicht sehr wesentlich, doch inuB die einmal gewählte natürlich festgehalten werden. Permutiert man die vier Punkte auf alle möglichen Arten, BO erhält man nicht 24 verschiedene Werte des Doppelverhältnisses, sondern höchstens 6. Ist einer der Werte 1 = t, so sind die andern i , 1 — d, —1 ——, öd—- —— un1 d ^ \ö Diese Werte können teilweise fibereinstimmen. y- 68 6. Kapitel. Normalformen und besondere lineare Abbildungen Beweis. Sind z'0 und w'0 die Spiegelbilder von z0 bzw. w0 je an ihrem Kreis, so muß eine lineare Funktion, die das Verlangte leistet, nach § 18, Satz 2 auch z'0 in w'a überführen. Nur die aus (3) D (wlt io0, w0, w)= D (z1, z0, z'0, z) sich ergebende lineare Funktion kann also das Verlangte leisten, und nach der Vorbemerkung ist dies auch der Fall. § 22. Weitere Beispiele. 1. Abbildung der oberen Halbebene (OH) auf den Einheitskreis (.EK). a) Fordern wir etwa, daB der innere Punkt t der OH in den Mittelpunkt des EK und der Randpunkt 0 der OH in den Bandpunkt — 1 des EK übergeht, so ist die Abbildung nach § 21, Satz 5 ein- deutig bestimmt. Da sie — t nach oo wirft, gehen also die Punkte 2 = i, 0, — t der Reihe nach in w = 0, — 1, oo über1). Nach § 21, Satz 1 ist also ... w — 0 z — t 0 — t , z —» (1) zn=ö = FTVo + i oder w = i die gesuchte Abbildung. Für jedes reelle z wird | w | = 1, wie man leicht verifiziert. Durch die inverse Funktion (2) <"±1 to — 1 wird umgekehrt der EK der ««-Ebene auf die obere w-Halbebene abgebildet. Die weiteren Einzelheiten der Abbildung werden noch lebendiger, wenn man sich fragt, welche Kurven der Oflin die Radien des EK und welche in die zum EK konzentrischen kleineren Kreise übergehen. Wegen der Kreisverwandtschaft folgt sofort: Die Teile der durch + i und — < gehenden Kreise, die in der OH liegen, werden zu den Radien, die dort liegenden Orthogonalkreise „um +1 und — t" werden zu den zum EK konzentrischen kleineren Kreisen. Durch diese Abbildung wird übrigens der erste Quadrant der >) Wir ordnen abdehtliob die drei Punkte so an, daB w, oo Ist. Denn dann hat £(u u> u u>) die einfache Form IC — und enthalt also die Va- t t a tr, — »i riable w, nach der tum Söhlufi aufzulösen Ist, nur im Zfthler. § 22. Weitere Beispiele. 69 «-Ebene auf die untere Hälfte des EK, also eine Viertelebene auf einen Halbkreis abgebildet1). b) Fordern wir etwas allgemeiner, daß der in der OH gelegene Punkt 20, (3(30) > 0), in den Nullpunkt und der Randpunkt », (« reell), in den Randpunkt — 1 übergeht, so leistet (3) = (|c| = l), 1 a— z0 Z — Z0 Z — 20 das Verlangte. Die übrigen Einzelheiten sind ganz ähnlich wie unter a).- c) Auch die Forderung, daß die drei Randpunkte 0,1, oo der OH in die Randpunkte i, — 1, — t des EK übergehen sollen, bestimmt die Abbildung eindeutig. Man findet (und kann es durch Einsetzen der z-Werte nachträglich bestätigen): (4fA\ ) io = — .zi—. — i . z -+- i 2. Die OH der z-Ebene soll so auf die obere Halbebene der w-Ebene abgebildet Vierden, daß die Punkte z = oo, 0,1 in die Punkte w = 0,1, oo übergehen. Die Abbildung ist hierdurch eindeutig bestimmt. Man findet ähnlich wie in 1.: (5) —f4i- Was wird bei dieser Abbildung aus den Parallelen zur reellen, was aus denen zur imaginären Achse? Was aus den beiden Quadranten der Halbebene ? Wie lauten die Antworten auf die „inverse" Frage ? 3. Es soll das Äußere des EK auf die rechte Halbebene ab- gebildet werden. Werfen wir etwa die Punkte z = 1, — t, — 1 nach w = i, 0, oo, so liegen die betrachteten Gebiete in beiden Ebenen zur Linken der dadurch gegebenen Orientierung. Also leistet die Abbildung (6) M = + q + 0« + (-i + 0 z + 1 Z + l das Verlangte. Man mache sich weiter klar, was hierbei aus den zum EK konzentrischen (größeren) Kreisen und was aus den außer- halb des EK gelegenen Teilen der Halbstrahlen aus 0 wird. 4. Es soll der EK so auf sich selbst abgebildet werden, daß dor innere Punkt z0, (| z0 | < 1), zum Mittelpunkt wird. ') Es sei dem Leser dringend empfahlen, Bich für alle besprochenen Ab- bildungen einfache Zeichnungen iu machen und dabei entsprechende Punkte, Band- oder Gebietsteile durch gleiche Farben oder Strichelungen deutlich werden zu lassen. 70 5. Kapitel. Normalformen und besondere lineare Abbildungen. Soll 20 nach 0 kommen, so muß (nach § 18, Satz 2) der zu s0 bezüglich des Einheitskreises spiegelbildliche Punkt = J- nachoo ®o geworfen werden. Die gesuchte lineare Funktion hat daher not- wendig die Form ' ~~ ' oder = & 1 Der Radius des Bildkreises wird aber dann und nur dann wieder = 1 sein, wenn das Bild des Punktes + 1 den Betrag 1 hat, wenn also = I e' I = 1 2(1 — 1 ist. Insbesondere leistet also die Funktion z — za das Verlangte. 5. Durch lineare Abbildung lassen sich stets zioei Kreise, die keinen gemeinsamen Punkt haben, in zwei konzentrische Kreise verwandeln. Denn zwei solche Kreise (mögen sie einander um- schließen oder nicht) lassen sich stets (und auf genau eine Art) als zwei Kreise aus einer Schar der bei Fig. 16 beschriebenen Art auf- fassen, d. h. es gibt genau ein Paar von Punkten ^ und f2, so daß die gegebenen Kreise zu der Schar der „Kreise um ft und £2" ge- hören1). Die Abbildung W= jr z — Ca leistet dann offenbar das Verlangte. — Endlich beweisen wir noch den Satz: 6. Das Doppelverhättnis von vier Punkten ist dann und nur dann reell, wenn die Punkte auf einem Kreise (oder einer Geraden) liegen. Soll es nämlich reell sein, so müssen Zl — 2, z2 — 2, «ix- - und arc 24 — 23 22 — Z3 Fig. 19. entweder gleich sein oder sich nur um ± 7t unterscheiden. Da aber der erste ') Man findet die „Grundpunkte" f, und (i der Schar, indem man die Zentrale der Krelee rieht. {, und C, teilen dann das Paar der Schnittpunkte jedes der Kreise mit ihr harmonisch. § 23. Punktmengen. 71 are den Winkel bedeutet, um den man die von z3 nach z4 führende Richtung im positiven Sinne drehen muß, bis sie in die von zr nach z4 führende übergeht, und da der zweite arc eine analoge Bedeutung hat, lehren die elementaren Sätze über Umfangswinkel die Richtigkeit des Satzes (s. Fig. 19), — mag das Punktepaar 2S, z, durch das Paar z„ z3 getrennt werden oder nicht. Dritter Abschnitt. Mengen und Folgen. Potenzreihen. 6. Kapitel. Punkt- und Zahlenmengen. § 23. Punktmengen. Wenn man aus der Gesamtheit aller komplexen Zahlen nach irgendeinem Gesichtspunkt endlich oder unendlich viele aussondert, so bilden diese eine Zahlenmenge, die entsprechenden Punkte eine Punktmenge1). Eine solche Menge fSl sieht man als gegeben oder definiert an, wenn der aussondernde Gesichtspunkt so gefaßt ist, daß von jeder Zahl feststeht, ob sie zur Menge gehört oder nicht, und wenn nur das eine oder das andere möglich ist. Die einzelnen Zahlen (Punkte) der Menge werden ihre Elemente genannt. Dabei ist zugelassen, daß der aussondernde Gesichtspunkt so gefaßt ist, daß es keine Zahl der betreffenden Art gibt — man spricht dann von der leeren Menge — oder daß alle Zahlen dazu- gehören. — Einfache Beispiele von solchen Mengen sind die folgenden: 2R,. Alle komplexen Zahlen, bei denen Real- und Imaginärteil ganzzahlig sind. Die Punkte dieser Menge nennt man die Gitter- punkte der Ebene. ÜJtj. Alle komplexen Zahlen, bei denen Real- und Imaginärteil rational sind. 2Kj. Alle reellen Zahlen. ') Zur VeranRchautichung benutzen wir tn diesem Kapitel nur die Ebene. Der Punkt OD BOU einstweilen nicht benutzt weiden. 72 C. Kapitel. Punkt-und Zahlenmengen. 2R.. Alle Zahlen der Form 1 4- —, bei der n eine natürliche 4 n Zahl ist. 1 % 2R«. Alle Zahlen der Form —|—, bei der m und n natürliche m n Zahlen sind. 9Jl,. Alle komplesen Zahlen z, für die | z | < 1 ist. Die in § 13,4. bis 8. behandelten Beziehungen definieren je eine bestimmte Punktmenge. Eine Menge 2JI heißt beschränkt, wenn es eine positive Zahl K gibt, so daß „für alle z der Menge" (d. h. für jede Zahl z, die zu 2JI gehört) ist. Eine solche Zahl K heißt dann eine Schranke für die (Beträge der Zahlen der) Menge. Andernfalls heißt 2Jt nicht beschränkt. Die 4., 5. und 6. der als Beispiel gegebenen Mengen ist beschränkt, die andern sind es nicht. Die Ge- samtheit der Punkte, die nicht zu 2JI gehören, bilden die Komplementärmenge zu SR. Hat ein Punkt ( der Ebene die Eigenschaft, daß in jeder e-Umgebung (s. § 13, 6.) von ihm unendlich viele Punkte der Menge EK liegen, so heißt £ ein Häulungspunkt von 2Ji. äJij hat keinen Häufungspunkt, für 5Dt2 ist jeder Punkt der Ebene Häufungspunkt. 2Jl4 hat den Punkt + 1 als Häufungs- punkt: 3Kb den Punkt 0 und alle Punkte der Formen — und — m n (m, n natürliche Zahlen). Für 30^ ist jeder Punkt £ mit | £ | ^ 1 ein Häufungspunkt. In §§ 24 und 25 werden wir den wichtigen Bolzano- Weierstraßschen Satz beweisen: Satz. Jede beschränkte unendliche (d. h. aus unendlich vielen Punkten bestehende) Punktmenge hat mindestens einen Häufungspunkt. Ein zu 9R gehöriger Punkt heißt „isoliert", wenn in einer e-Umgebung desselben kein weiterer Punkt von 9K liegt. § 24. Reelle Zahlenmengen. 73 Er heißt ein innerer Punkt von SDt, wenn eine £-Umgebung desselben ganz zu SDl gehört. SJtj, 2Jl4 und 2Jfs bestehen nur aus isolierten, ÜD2, besteht nur aus inneren Punkten. Ein Punkt £ der Ebene (er mag zu SR gehören oder nicht) heißt ein Randpunkt von SR, wenn in jeder £-Umgebung von ihm mindestens ein Punkt liegt, der zu 2R gehört, und mindestens einer, der nicht zu 2JI gehört. Alle als Beispiele gegebenen Mengen, außer 2Jtg, bestehen nur aus Randpunkten. Für 3Rj sind die Punkte t mit | £ | = 1 Randpunkte und nur diese. Eine Menge heißt abgeschlossen, wenn alle ihre Häu- fungspunkte zu ihr gehören; sie heißt offen, wenn sie nur aus inneren Punkten besteht. ÜDlj und SOI3 sind abgeschlossen, die übrigen Beispielmengen sind es nicht; ist offen. § 24. Reelle Zahlenmengen. Beschränkt man sich bei den Betrachtungen des vorigen Paragraphen auf die Gesamtheit der reellen Zahlen, so gelangt man entsprechend zu dem Begriff der reellen Zahlen- oder Punktmengen. Die Definitionen bleiben wesentlich dieselben. Es ist nur zu beachten, daß unter der Komple- mentärmenge von 2JI nur die Menge aller reellen Zahlen zu verstehen ist, die nicht zu ÜJi gehören, und daß unter der «-Umgebung einer reellen Zahl £ nur die reellen Zahlen x zu verstehen sind, für die | x — f | < e ist. Hiervon ab- gesehen bleiben alle Erklärungen genau dieselben1). Doch ergeben sich einige neue Einzelheiten, weil die reellen Zahlen eine geordnete Menge bilden: Eine reelle Menge heißt nach links beschränkt, wenn 2 es eine Zahl Kt gibt ), so daß für alle x der Menge x^Ki ist. Sind alle x sS Kr, so heißt die Menge nach rechts be- ') Doch Ist in beachten, daO jede reelle Menge auch als komplexe Zahlen- menge aufgefaßt «erden kann, da die reellen Zahlen Im System der kom- plexen Zahlen enthalten sind. ") Die „Zahlen" sollen In diesem Paragraphen stets reelle Zahlen sein. 74 6. Kapitel. Punkt- und Zahlenmengen. schränkt. Ki heißt eine linke oder untere, K, eine rechte oder obere Schranke. Jene kann durch jede kleinere, diese durch jede größere Zahl ersetzt werden, aber nicht umgekehrt. Unter allen unteren Schranken gibt es aber eine größte, d. h. es gibt eine Zahl y mit den beiden Eigenschaften: 1. Links von y liegt kein Punkt der Menge; kurz: es ist kein x § 25. Der Bolzano-WeierstTaßsche Satz. Gestützt auf den Bolzano-Weierstraßschen Satz im Beeilen (§ 24) können wir ihn nun auch im Komplexen beweisen. Es sei also eine beschränkte unendliche Punkt- menge in der ¿-Ebene. Dann können wir folgendermaßen einen Häufungspunkt £ derselben aufzeigen: Die reelle Menge der Zahlen x= SR(e), (z in 2JI), ist ent- weder wieder eine beschränkte unendliche (reelle) Menge und hat dann nach § 24 mindestens einen Häufungspunkt § 26. Zahlenfolgen mit komplexen Gliedern. 77 oder sie ist endlich. Dann muß es aber unter ihren endlich vielen Elementen mindestens eines geben, es heiße so daß für unendlich viele z der Menge 31(2) = f ist. In jedem Falle gibt es also eine reelle Zahl so daß bei jedem e > 0 für unendlich viele z der Menge f — e 7. Kapitel. Zahlenfolgen. Unendliche Reihen. § 26. Zahlenfolgen mit komplexen Gliedern. Wird durch eine eindeutige Vorschrift jeder natürlichen Zahl 1,2,3,... je eine bestimmte komplexe Zahl z1; z2, z3,... zugeordnet, so entsteht eine Zahlenfolge, die man kurz mit (z„) oder (z^ bezeichnet. Die 2» heißen ihre Glieder. Die Werte der Glieder brauchen nicht von- 78 7. Kapitel. Zahlenfolgen. Unendliche Beihen. einander verschieden zu sein. Oft stellt man noch ein „nulltes" Glied 20 als Anfängsglied voran. Einfache Beispiele sind die folgenden: 1. (an), d. h. die Folge der Zahlen 1, a, a2,..., o",..., bei der a eine gegebene Zahl ist. 2. f-Y d. h. die Folge der Zahlen 1,^,...,-, ..., l). \nj ¿6 n 3. Die Folge (zn) mit z0 = 1, zx = i, zn = (z„_1 + zn_2) für n ¿2. Die den Zahlen zB entsprechenden Punkte bilden eine Punktfolge. Tritt ein und derselbe Punkt mehrfach bzw. unendlich oft in der Folge auf, so „zählt er" mehrfach bzw. unendlich oft. Ist umgekehrt 3K eine (unendliche) Punktmenge und kann man die Punkte derart mit zv z2, . . . bezeichnen, daß dabei jeder Punkt von 9JI eine Nummer erhält, so heißt 2Ji eine abzählbare Punktmenge. Die Mengen TOL SDtj, 2Rj und 9J?S in § 23 sind abzählbar, 9J!3 und 2J?8 sind es nicht. (Auf den Beweis dieser Behauptung soll hier nicht eingegangen werden.) Bei den Punktmengen setzten wir selbstverständlich voraus, daß je zwei ihrer Elemente verschieden sind; bei den Gliedern einer beliebigen Folge braucht dies nicht der Fall zu sein. Wir können daher auch sagen: Eine Zahlenfolge ist eine abzählbare (und in bestimmter Weise abgezahlte) Punktmenge, bei der aber zugelassen wird, daß ein und der- selbe Punkt mehrmals oder sogar unendlich oft gezählt wird. Die bei den Punktmengen eingeführten Bezeichnungen über- tragen sich daher sinngemäß auf Zahlenfolgen. Als Häufungspunkt oder Häulungswert einer Folge (zB) wird man daher eine Zahl f bezeichnen, wenn bei jedem e > 0 unendlich viele z„ in der e-Umgebung von £ liegen, ') Bei dieser Folge Ist es schon wegen der Form des Gliedes selbstver- ständlich, daß der Anfangswert nicht n = 0, sondern n = 1 sein soll. Ähn- liches Ist im folgenden öfter zu beachten. § 26. Zahlenfolgen mit komplexen Gliedern. 79 wenn also für unendlich viele w (1) ¡zn-a Weierstraßschen Satz hat also (zB) mindestens einen Häu- fungspunkt C- Hätte sie nun noch einen zweiten Häufungs- punkt ?'4=?> so wäre e = ——f | eine positive Zahl, 3 und es lägen unendlich viele z„ in der «-Umgebung von f, unendlich viele andere in der e-Umgebung von Oberhalb jeder Zahl w0 gäbe es also noch ein n und ein n-\-p, so daß | zn+p—z„ | > e wäre, entgegen der Voraussetzung. Also ist f der einzige Häufungspunkt. Bei beliebigem e > 0 gilt daher | zn — £ | < e für fast alle n, es strebt f, w. z. b. w. Jede Zahlenfolge, die nicht konvergiert, wird divergent genannt. Konvergiert eine Zahlenfolge gegen 0, z„->- 0, so nennt man sie eine Nallfolge. Über das Rechnen mit konvergenten Zahlenfolgen gelten die folgenden einfachen, aber wichtigen Sätze, die genau wie im Reellen bewiesen werden: Satz 2. Strebt die Folge die Folge z'n-+ und sind c, c' zwei beliebige komplexe Zahlen, so ist auch die Folge (w„) mit den Gliedern w>„= czfl + c'z'n konvergent, und es strebt Satz 3. Unter denselben Voraussetzungen wie. beim vorigen Satz ist auch die Folge (wn) mit den Gliedern wn = znz'n kon- vergent, und es strebt «>„-»££'. Satz 4. Strebt ?„ — C> sind alle z„ 4= 0 und ist auch £ 0, § 27. Zahlenfolgen mit reellen Gliedern 81 so ist auch die Folge (wn) mit den Gliedern wn — — konvergent, und es strebt wn-+ — . Satz 5. Strebt und ist eine Teüfolge1) der Folge (z„), so strebt auch § 27. Zahlenfolgen mit reellen Gliedern. Sind alle Glieder einer Zahlenfolge reell, so nennt man sie kurz eine reelle Zahlenfolge. Da diese als Sonderfall unter den „komplexen" Zahlenfolgen enthalten sind, so sind die Betrachtungen des vorigen Paragraphen auch für diese reellen Zahlenfolgen (xn) gültig. Im Anschluß an § 24 er- geben sich hier aber einige weitere Einzelheiten: Eine nach links beschränkte Zahlenfolge (a*) hat eine wohlbestimmte untere Grenze y, die durch die beiden Bedingungen charakterisiert ist, daß kein xn < y, aber bei beliebigem e > 0 mindestens .ein x„ < y + e ist. Ent- sprechendes gilt für die obere Grenze y'. Ebenso hat sie einen wohlbestimmten unteren Limes /bt, in Zeichen lim inf xn = n oder lim xn == fx, der die beiden Bedingungen erfüllt, daß bei jedem e > 0 höchstens endlich viele xn< ¡x — e, aber unendlich viele xn