Die Macht des Silbers – ältester Bergbau im Manuel Zeiler, Jennifer Garner, Siegerland bei -Burgholdinghausen Rolf Golze, Gero Steffens,

Mittelalter Kreis -Wittgenstein, Regierungsbezirk Arnsberg Peter Thomas

Im 13. Jahrhundert blühte die Stadtkultur 34 Jahre nach diesen Aktivitäten bot sich nördlich der Alpen auf und das Münzwesen 2014 erneut die Möglichkeit, hochmittelalter- gewann zunehmend an Bedeutung. Die Mo- lichen Bergbau zu studieren und den Kennt- netarisierung war auf die Erschließung neuer nisstand seit den Untersuchungen am Alten- Silbererzvorkommen angewiesen, wodurch berg substanziell zu verbessern. AUSGRABUNGEN UND FUNDE UND FUNDE AUSGRABUNGEN folglich auch die Ausbeutung dieser Vorkom- men im Deutschen Reich eine Klimax erfuhr. So erlebten die Mittelgebirgslagen von Sauer- und Siegerland eine Aufsiedlungsphase und bezeugen »die Macht des Silbers« für die hochmittelalterliche Geschichte insgesamt, wie es Christoph Bartels und Christiane Hemker treffend beschreiben. Allerdings sind Schriftquellen hierzu rar. Fundstellen dieses für den Mittelgebirgsraum so wichtigen Zeitabschnitts sind heute im Bergland Westfalens zumeist überprägt, ver- schwunden oder aber verborgen – nämlich un- ter Tage. Neben wenigen Erwähnungen von Silberbergbau in schriftlichen Quellen, wie derjenige des Klosters Drolshagen auf der Sil- berkaule bei Drolshagen-Halbhusten, Kreis Olpe, oder der auf der Ratzenscheid bei Wilns- dorf-Wilden, Kreis Siegen-Wittgenstein, sind es trotzdem in erster Linie wenige montanar- chäologisch untersuchte Plätze, die heute die Basis unserer Geschichtsrekonstruktionen bil- In Kreuztal-Burgholdinghausen betrieb die Abb. 1 Vierseitenansicht den. Neben der Bergarbeiterwüstung der Grube Victoria bis 1927 Bergbau auf Blei-, des gesicherten Holmes Grube Silberkaule bei Engelskirchen, Ober- Silber-, Kupfer- und Eisenerze. Tatsächlich be- aus der Grube Victoria in Kreuztal-Burgholding- bergischer Kreis, war bislang die Bergar- nden sich aber im Umfeld mittelalterliche hausen (Fotos: LWL- beitersiedlung auf dem Altenberg bei Hilchen- und sogar eisenzeitliche Verhüttungsstellen, Archäologie für West- bach-Müsen, Kreis Siegen-Wittgenstein, die die 2013 entdeckt wurden und einen alten falen/H. Menne). zentrale Fundstelle zum Blei-Silber-Bergbau Bergbau erwarten ließen. Dieser konnte 2014 des 13. Jahrhunderts im rechtsrheinischen überraschend aufgespürt werden, nachdem Schiefergebirge. Sie wurde von dem Deut- ein illegal geöffneter Schacht bei Gefahr im schen Bergbau-Museum Bochum und der Verzug zusammen mit dem anschließenden heutigen LWL-Archäologie für Westfalen, Tiefbau befahren wurde. Dabei mussten ein mit großer Unterstützung einheimischer Ge- bereits zum Abtransport bereitliegender Holm schichtsinteressierter, die sich daraufhin zum einer Handkurbel (Haspel) (Abb. 1) gesichert Altenberg & Stahlberg e. V. konstituierten, un- und aufsehenerregende Strecken, die mit Schlä- tersucht. Bei den Ausgrabungen von 1971 bis gel und Eisen angelegt (geschlägelt) worden 1980 wurden obertägige Bergbaueinrichtun- waren, in Augenschein genommen werden. Ihr gen, Werkstätten und Wohnhäuser der Berg- ovaler Querschnitt und geringer Durchmes- leute sowie sechs mit Holz verschalte Schäch- ser (Abb. 2) ließ ein hohes Alter vermuten. te untersucht. Allerdings konnten aufgrund Da bislang ein vorneuzeitlicher Tiefbau in Lippe 2014 des Grundwassers nur Tiefen (Teufen) von bis der Region unerforscht war und zudem dieser - zu 22,5 m erreicht werden, wodurch der ei- Bereich nach der notwendigen Sicherung des gentliche Tiefbau nicht zu erforschen war. Schachtes unzugänglich werden würde, führ-

137 Archäologie in Westfalen AUSGRABUNGEN UND FUNDE UND FUNDE AUSGRABUNGEN

Abb. 2 Wie hier bei Strecke 2 im Alten Mann der Grube Victoria sind die Querschnitte durch ge- ringe Durchmesser cha- rakterisiert (Foto: Deut- sches Bergbau-Museum Bochum/G. Steffens).

te die oben genannte Kooperation im Sommer spruchsvoll und aufwendig, denn nicht nur 2014 während einer Woche montanarchäo- Enge, Feuchte und Kühle im montanarchäo- logische Untersuchungen durch. Angestrebt logisch untersuchten Bereich erschwerten die wurde die Dokumentation der archaisch wir- Tätigkeiten vor Ort. Allein um dorthin zu ge- kenden Bereiche des Untertagebaus, dessen langen, wurden in Abhängigkeit von der mit- zeitliche Einordnung und die Erkundung geführten Ausrüstung ein bis zwei Stunden weiterer alter Tiefbaubereiche. Nach der Siche- benötigt, wobei teilweise Strecken nur durch rung des Schachtkopfes mit einem Holzaus- Kriechen oder Klettern passiert werden konn- bau sowie dem Einbringen von Leitern (Fahr- ten (Abb. 3). Abb. 3 Klettern und Krie- ten) und Sicherheitseinrichtungen unter Tage Der untersuchte Bergbau (Alter Mann Gru- chen – bis zu zwei Stunden legten unabhängig voneinander arbeitende be Victoria) konnte auf gut 50 m Länge bis zu waren zum Erreichen des Teams parallel Sondageschnitte an, vermaßen verfüllten, durch jüngeren Bergbau zerstör- untertägigen Arbeitsgebie- das Arbeitsgebiet dreidimensional und reali- ten oder verbrochenen Bereichen verfolgt tes nötig (Foto: Deutsches Bergbau-Museum Bochum/ sierten eine umfassende Foto- und Filmdoku- werden (Abb. 4). Er besteht aus zwei Abbau- G. Steffens). mentation. Sämtliche Maßnahmen waren an- kammern, in denen Erze gebrochen wurden und die durch Strecken miteinander verbun- den waren. Die Bergleute verschafften sich über Schächte Zugang in die Tiefe, die direkt auf den Erzgang angelegt wurden. Von den Abbaukammern trieb man Strecken vor, um neue Erzgänge zu erschließen, wie die unvoll- endete Strecke 2 gut nachvollziehen lässt. Ab- baukammer 1 zeigt mit ihrer charakteristi- schen gestreckt-schmalen Form den Vortrieb bei der Erzgewinnung. Hier wurde ausschließ- lich dem Erzgang gefolgt und das taube Ge- stein kaum angerührt. In den Felsen (Stöße) eingearbeitete Wi- derlager (Bühnenlöcher) für eine hölzerne Plattform (Bühne) in Abbaukammer 2 können als Standort einer Haspel ca. 8 m unter der Lippe 2014 - heutigen Oberäche gedeutet werden, wo Ma- terial aus größerer Teufe nach oben geschafft wurde. Die Endteufe beider Abbaukammern

Archäologie in Westfalen 138 Abb. 4 Gesamtplan des Alten Mannes der Grube Victoria. Die schematisier- te Person in der Legende ist maßstäblich zum Gru- benbau (Gra k: Deut- sches Bergbau-Museum Bochum/G. Steffens). AUSGRABUNGEN UND FUNDE UND FUNDE AUSGRABUNGEN

ist unbekannt, da sie nicht vollständig ausge- wahrscheinlich angelegt worden, um Wasser graben werden konnten. Immerhin gelang aus dem Bergbau zu leiten (Wasserlösungs- die Bergung eines eisernen Spitzmeißels im stollen). verlagerten Versatz (abgebautes taubes Ge- Von herausragender Bedeutung ist die stein) von Abbaukammer 2, der solchen vom Entdeckung von Ascheschichten in Abbau- Altenberg bei Müsen ähnelt. kammer 1 im Schnitt 3 sowie in einem cha- Abbaukammer 1 läuft im Süden in eine rakteristischen Streckenabschnitt mit ballon- Strecke mit Gefälle aus, die entweder eine förmigem Streckenpro l bei Schnitt 4 (Abb. 4 weitere Suchstrecke oder sogar eine horizon- und 5). Sowohl die Ascheschichten als auch Lippe 2014 tale Verbindung nach Übertage, also ein Stol- konkave Wölbungen an den Stößen verwei- - len ist. Sollte letztgenannter Fall zutreffen, ist sen auf den Einsatz des Feuersetzens als Vor- der Stollen aufgrund seiner engen Bemaßung triebsmethode. Hierbei wurde Brennmaterial

139 Archäologie in Westfalen der Alte Mann der Grube Victoria aus dem 13. Jahrhundert stammt und damit wahr- scheinlich zur gleichen Zeit wie der Bergbau auf dem Altenberg bei Müsen betrieben wur- de. Zudem legen vergleichbare Befunde (Stre- cken/Stollen), die vom Bergbau der Grube Unverhofftsegen im 19. Jahrhundert unweit vom Alten Mann der Grube Victoria ange- troffen wurden (Abb. 6), nahe, dass der Berg- bau auf dieser Lagerstätte bereits im Mittel- alter eine große Ausdehnung hatte. Abgebaut wurde wahrscheinlich das Münzmetall Silber oder auch Blei, dem im metallurgischen Pro- AUSGRABUNGEN UND FUNDE UND FUNDE AUSGRABUNGEN zess der Silbergewinnung eine wichtige Rolle zukam. Insgesamt erfassen wir damit in der Regi- on einen ausgedehnteren Blei-Silber-Bergbau für das Münzwesen als bislang angenommen. Datierung, Erhaltung, Ausdehnung und wis- senschaftliche Bedeutung machen damit Abb. 5 Feuergesetzter diesen Altbergbau zu einer der wichtigsten Streckenabschnitt (links) montanarchäologischen Entdeckungen in Nord- und davor der Schnitt 4 rhein-Westfalen. (Foto: Deutsches Bergbau- Museum Bochum/ P. Thomas). Summary Abb. 6 Mit Holz ausgebau- In 2014 the earliest silver mining operation in ter Schacht des 19. Jahr- hunderts in der Grube Un- the Siegerland area was found near Kreuztal- verhofftsegen in Kreuztal- Burgholdinghausen and archaeologically ex- Burgholdinghausen (Foto: amined. The site dates back to the 13th century Deutsches Bergbau-Muse- and consists of drifts, stopes, and a possible um Bochum/P. Thomas). adit, and was originally reached via shafts. The size and state of preservation as well as the rst evidence of re-setting as part of the drift mining operation make this a site of national importance.

Samenvatting Bij Kreuztal-Burgholdinghausen werd in 2014 de oudste mijnbouwlocatie, wat betreft zilver, van het Siegerland ontdekt en mijnbouwkun- dig archeologisch onderzocht. De vindplaats dateert uit de 13e eeuw en bestaat uit wegen, ontginningskamers en vermoedelijk een mijn- gang en was oorspronkelijk bereikbaar via am Stoß aufgeschichtet und angezündet. schachten. Uitgestrektheid, staat van behoud Durch die einwirkende Hitze dehnten sich die en de eerste aanwijzing voor ondergrondse Minerale im Gestein so aus, dass feine Risse vuurplaatsen, als methode voor zilverwinning, im Felsen entstanden. Das so mürbe gemachte maken de sporen van bovenregionaal belang. Gestein ließ sich nach dem Erkalten wesent- lich leichter abbauen. Diese Methode wurde im Siegerländer Bergbau bisher noch nie ur- kundlich oder archäologisch nachgewiesen Lippe 2014 - und zudem lag mit dieser Entdeckung nun ausreichend datierbares Material in Form von Holzkohle vor. Die 14C-Messung ergab, dass

Archäologie in Westfalen 140 Literatur Müsen im Siegerland/NRW/D, 28. Mai bis 1. Juni 2013 Claus Dahm/Uwe Lobbedey/Gerd Weisgerber, Der (Clausthal-Zellerfeld 2013) 11–50. – Christoph Bartels/ Altenberg. Bergwerk und Siedlung aus dem 13. Jahrhun- Christiane Hemker, Silberbergbau im Mittelalter – Mon- dert im Siegerland. Denkmalpege und Forschung in West- tanarchäologische Forschungen in Deutschland. In: Regina falen 33 (Bonn 1998). – Wilfried Reininghaus/Reinhard Smolnik (Hrsg.), Silberrausch und Berggeschrey. Archäo- Köhne, Berg-, Hütten- und Hammerwerke im Herzogtum logie des mittelalterlichen Bergbaus in Sachsen und Böh- Westfalen im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Veröf- men (Dresden 2014) 27–38. – Manuel Zeiler u. a., Neue fentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen Erkenntnisse zum spätmittelalterlichen Bergbau im Sieger- 22 A (Münster 2008). – Rolf Golze, Der Bergbau in Mü- land anhand der Grube Victoria bei Kreuztal-Burgholding- sen. In: Altenberg und Stahlberg e. V. (Hrsg.), Tagungsband, hausen. Der Anschnitt 67, 2015, 54–73. 16. Internationaler Bergbau- & Montanhistorik-Workshop AUSGRABUNGEN UND FUNDE UND FUNDE AUSGRABUNGEN Auf der Spur der Massenhütte – erste Indizien

zur frühen Hochofentechnologie im Siegerland Manuel Zeiler, Eva Cichy,

Mittelalter Kreis Siegen-Wittgenstein, Regierungsbezirk Arnsberg Beate Sikorski

Während des hohen bis späten Mittelalters Der Wandel von der Rennfeuertechnolo- fanden grundlegende Veränderungen bei der gie bis hin zur Hochofentechnologie fand Hüttentechnologie zur Gewinnung von Eisen nicht linear statt, umfasste Zwischenstufen statt. Bis dahin wurde schmiedbarer Stahl (wie z. B. Stuck- oder Floßöfen) und lässt re- Abb. 1 Montanarchäolo- gische Fundstellen im Mi- durch Verhüttung der Erze im Rennofen und gionale Unterschiede erkennen. Dank eines schebachtal und an seinen die Reinigung der dort produzierten Luppe langjährigen Forschungsprojektes der West- Zuutern im Oberlauf (Ausheizen) gewonnen (direktes Verfahren). fälischen Wilhelms-Universität Münster un- (Gra k: LWL-Archäologie Nach einem Verhüttungsvorgang und dem ter Leitung von Albrecht Jockenhövel ist das für Westfalen/M. Zeiler; Kartierung: G. Gläser; anschließenden Schmieden zur Reinigung der Märkische neben Südschweden die Kartengrundlage: DGM 1 Luppe war der Prozess beendet. Wenn bei der europäische Region, in der die frühe Hoch- NRW). Verhüttung zufällig Roheisen entstand, war dieses allenfalls ein unerwünschtes Nebenpro- dukt. Ab dem 13. Jahrhundert bewirkte aber ein Innovationsschub, dass nun in größeren Öfen und in einem kontinuierlichen Prozess ab- sichtlich nicht schmiedbares Roheisen gewon- nen wurde, welches dann anschließend durch Frischen (Verfahren zur Verringerung des Kohlenstoffanteils) in schmiedbaren Stahl ge- wandelt werden musste (indirektes Verfah- ren). Diese Innovationen führten zum Entste- hen größerer Verhüttungsanlagen, die – bei guter Organisation der Betriebsabläufe und der Brennstoffzufuhr – nicht nur erheblich größere Mengen, sondern diese vor allem auch über eine lange Zeit kontinuierlich lie- fern konnten, wodurch in den Anlagen insge- samt erheblich mehr Stahl hergestellt wurde. Grundlage für diese neuen Betriebe war die Nutzung der Wasserkraft zum Antrieb künst- licher Gebläse. Nötig war hierfür neben der Lippe 2014 Anlage von Wasserspeicherwerken und Ober- - gräben auch die Organisation erheblich grö- ßerer Erz- und Brennstoffmengen als zuvor.

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