Der Savigny-Stiftung Fur Rechtsgeschichte
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ZEITSCHRIFT DER SAVIGNY-STIFTUNG FUR RECHTSGESCHICHTE HERAUSGEGEBEN VON TH. MAYER-MALY, D. NORR. A. LAUFS. W. OGRIS. M. HECKEL. P. MIKAT, K. W. NORR. ACHTUNDNEUNZIGSTER BAND CNI. BAND DER ZEITSCHRIFT FUR RECHTSGESCHICHTE GERMANISTISCHE ABTEILUNG 1981 HERMANN BöHLAUS NACHF. WIENT-I: öLN-GRAZ Ný 6-1 Miszellen Grenzen und Grenzbeschreibungen in Mecklenburg I. Einleitung Die Festlegung mehr oder weniger scharfer Grenzen und Grenzlinien ergab sich bei Liegenschaften aufgrund der Notwendigkeit, wechselseitige Rechts. und fixieren. Im Verlauf dieser 'Untersuchung Bezirksansprüche definitiv" zu wird sich herausstellen, daß nicht nur in den Gebieten der sogenannten Ostkolonisation die Tendenz von der ursprünglichen weiträumigen und unscharfen Grenze zur linienartigen sich mit der Zeit verstärkte. Die eigentliche Grenze ist eine fiktive der Sie ist Vorstellung wie die Linie in Mathematik. ebenso wie die Gegenwart als die Scheidung von Vergangenheit und Zukunft real nicht existent, eine Tat- sache, die aber im wesentlichen bei den hier behandelten terrestrischen Bewandt- Bedeutung ist. Zwar der Begriff der Herrschaft nissen weniger von setzt - des dominiums - über Immobilien voraus, daß sie geschieden sind oder geschieden werden müssen, im Gegensatz zu den ihrer Natur nach gesonderten Mobilien. Da Herrschaft ohne Abgrenzung über Liegenschaften weder nach öffentlichem noch nach privatem Recht möglich ist, hat die Menschheit schon sehr früh dafür Sorge tragen müssen, Land von Land abzugrenzen. So entstand die Geometrie, die Landvermessung und Scheidung besonders zeitig in Regionen, da die Grenzen im wahren Sinne des Wortes fließend waren, z. B. in Agy-pten, wo der Nil durch die Überschwemmungen jährlichen und Ablagerungen von Schlamm alles Abge- markte wieder unkenntlich machte. Das Setzen von Grenzsteinen, das Ziehen der Grenzgräben stellt aber ursprüng_ lieh eine Verletzung der chthonischen Götter und Dämonen dar, die hierfür besänftigt werden mußten. Dieses glaubte man durch Libation, Besprengung der Steine mit Blut oder Wein oder auch durch die feierlichen Grenzgänge erreichen zu können'). Letztere leben noch in unserer Zeit in den kirchlichen Feldprozes- sionen fort. Grenzverletzungen, wie etwa der Sprung des Renius über die Mauer in Rom, stellten schwere, nach Sühne rufende Verbrechen gegenüber den die Grenze schützenden Gottheiten dar. In Rom verehrte man als Gott des Grenz- steins Terminus, zu dessen Ehren die Terminalien gefeiert wurden, ein Fest, welches die Nachbarn zu ausgelassenen Feiern vereinte. In dieser Untersuchung soll nun im wesentlichen von Grenzen') und Grenz- beschreibungen die Rede sein und schon deshalb mehr beiläufig auf die eigent_ 1) Vgl. dazu B. Relifeld, Todesstrafen und Bekehrungsgeschichten, 1942, und die bei K. S. Bader, Das Mittelalterliche Dorf als Friedens- und Rechts. bereich, 1957, S. 239, Anm. 13 genannte Literatur. ') Vgl. P. Kern, `Politische Geschichte der deutschen Grenzen, 11955; Th. `loldieh, Political Problems in Boundary-making, in: Geogr. Journal 47 (1916); Rüdiger Moldenhnuer, Grenzen und Grenzbeschreibungen 237 lichen Abmarkungen') von Flur- und Grundstücken eingegangen werden. Nicht Scheidung die von Hufeni) oder deren' Vermessung soll deshalb-hier erörtert, sondern das Problem des Grenzverlaufs im offenen Gelände betrachtet werden. Der Kern der Untersuchung ist vielmehr in dem Akt der eigentlichen Limi- tationsbeschreibung und der hierzu erforderlichen und angewandten natürlichen Über und subsidiären Mittel zu sehen. diese und die hierbei beobachteten Vor- gänge wird ausführlich erst nach Ausbreitung des Quellenmaterials in der Zusammenfassung gehandelt werden. Die Sprengelbeschreibungen der mecklen- burgischen Bistümer können deshalb in der Untersuchung etwas kürzer behandelt werden, da sie meist die Begrenzungsangaben nur in groben Zügen bringen. Zwar finden sich auch in diesen - meist Bewidmungsurkunden oder solche, die Obödienzstreitigkeiten schlichten sollen - die üblichen Begriffe termini, limites, grentzen und scheden. Doch ist deren Bedeutungsinhalt hier, wie noch zu zeigen sein wird, oft ein wesentlich anderer, eben ungenauerer und flächenhafterer als in F. Helmolt, Die Entwicklung der Grenzlinie aus dem Grenzraume, in: Hist. Jb. 17 (1596) 5.235f.; W. Koch, Die deutschen Gemeindegrenzen und ihr historischer Wert, Phil. Diss., Greifswald 1935. 3) Vgl. Untersuchungen zur eisenzeitlichen und frühmittelalterlichen Flur in Mitteleuropa und ihre Nutzung. Bericht über die Kolloquien der Kommission für die Altertumskunde Mittel- und Nordeuropas in den Jahren 1975 und 1976, Teil I und II, hg. von H. Beck, D. Denecke und H. Jankuhn, 1979, bes. H. Siems, Flurgrenzen und Grenzmarkierungen in den Stammesrechten, S. 267ff.; A- Dopsch, Wirtschaftliche und soziale Grundlagen der europäischen Kultur. der Zeit entwicklung aus von Caesar bis auf Karl den Großen 21,1920, S. 3201.: Überblick Der Autor gibt einen zu der römischen Vermessungstechnik und ihrem Fortbestehen im frühen Mittelalter und nennt, die einschlägigen Quellenwerke Da und Literatur. sich die Fortdauer dieses römischen Systems in Deutschland zwar hat wahrscheinlich machen lassen, aber für Mecklenburg wenigstens in der behandelnden Zeit derartiges nicht bekannt ist, soll hier darauf nicht ein- G. Über gegangen werden. Waitz, die alte deutsche Hufe, in: Gesammelte Abhandlungen, hg. von K. Zentner, Bd. 1, IS96, Neudr. 1966 S. 123ff. Gleich Stelle die drei an dieser sei auf äußerst wichtigen Werke von K. S. Bader hin- Das Friedens. gewiesen: (1) mittelalterliche Dorf als und Rechtsbereich, 1957, (2) Dorfgemeinschaft und Dorfgemeinde, 1962, und (3) Rechtsformen und Schich- ten der Liegenschaftsnutzungen im mittelalterlichen Dorf, 1972. Der Verfasser K. S. Bader Grenzen schließt sich an, verweist bei und Grenzzeichen gleichfalls die zitierte einschlägige Literatur, will bereits Erarbeitetes auf auch nicht erneut archäologisch darstellen", referiert nur im Falle erforderlicher Verdeut- lichungen und stellt in einer Zusammenfassung nur das vor, was bei der Untersuchung als Ergebnis zu erachten ist oder von dein bisher Bekannten abweicht. 4) Vgl. Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Art. Hufe, Bd. U, Sp. 24Sff., und die dort genannte Literatur; H. v. Logisch, Die Fränkische Hufe, in: Zeitschr. des Vereins f. Gesch. Schlesiens, Bd. 61 (1927) S. 81 f., Neu- abdruck in: Beiträge zur schlesischen Rechts- und Verfassungsgeschichte. Hg. H. Thieme die dort Literatur; A. Der von und genannte _Meiche, alte Zellwald an der Freiberger Mulde. Ein Beitrag zur Geschichte der ostmittel. deutschen Kolonisation mit einer Nebenuntersuchung über die fränkische Hufe, in: NA für sächs. Gesch. u. Altertuttisk. Bd. 41 (1920) (S. if.; H. Stohler, Die Baseler Grenze, Von römischer Vermessungskunst, alten Grenzzeichen und ge- heimen Grenzbräuchen. 142. Neujahrsblatt hrsg. von der Gesellschaft zur Be. förderung des Guten und Gemeinnützigen, 1964. 238 yiszellea den Limitationsprotokollen, welche Städte und Dörfer betreffen, in denen der Charakter einer zum Teil scharf gezogenen Linie notwendigermaßen, wie sieh zeigen wird, in Erscheinung tritt. II. Sprengel- und Grenzbesehreibungen der mecklenburgischen Bistümer der Bistümer Es findet sich in den Sprengelbeschreibungen vielfach die Bestimmung, daß die Grenze eines Landes oder einer Völkerschaft zugleich diejenige des Bistums sein soll. Es handelt sich dann meist um Gründungs- oder Stiftungsurkunden, in denen eine genaue Abgrenzung derzeit weder möglich noch Grenze beabsichtigt gewesen ist. Die genaue Beschreibung einer durch hervor- in der 'Natur durch künstliche ist ja hierbei ragende, natürliche Punkte oder keineswegs immer erforderlich, wohl aber, wenn die Grenze eines Dorfes oder irgendwie Eigentums festgelegt einer Stadt, also die eines gearteten werden soll. Ist letzteres der Fall, so erscheinen meist genauere Angaben. Dafür mögen die folgenden ausgewählten Beispiele brandenburgischen, mecklenburgischen Ur- des Hamburger Bistums dienen. sprungs und kurz auch Erst nach Ausbreitung des Quellenmaterials sind Schlüsse für die Grenz- Kommentierung der scheidung zu ziehen. Deshalb erfolgt eine einzelnen Mal. zeichen vorerst nicht. Die auftretenden Orte sind, soweit möglich, der Lage nach und mit dem heutigen ?Namens) aufgeschlüsselt. Die Urkunde Ludwigs I. für das Erzbistum Hamburg vom Jahre 8346) spricht davon, daß Karl der Große omnem Saxoniam eeclesialice religioni subdidit iugumque Danorum Slaroruni inter has Christi adusque terminus atque ... ubi ultrasque genies Winedorum Saxon is diesem Erzbischof Danorum live ultimam partem sham ... Ottos I. für zugesprochen habe. In der Gründungsurkunde Havelberg vom Jahre 9461) verleiht er diesem Bistum decima8 istarum provinciarum eonsistentiuni Zemzici, Lienzizi, 2nielitizi, Dessen, Linagga, Jfurizzi, Tholcnz, Plotli, Uizere-, Brotwin, li'anzlo, Wostroze. Es folgt unmittelbar die eigentliche Sprengelbeschrei, bung: Terminuni vero eidem parochie constiiuimus ab orte fluvii, qui dicitur Pelze, intrat fluminis, ad orientem, ubi idem -fluvius mare; ab ortu vero quod dicitur, ad influit occidentem, ubi idem iuAlbiam; abaqui7oneRugianorum, a meridie Struuuna fluvius est finis prcditatarurn procinciarum. Aus dieser Beschreibung ersieht man das Unbestimmte der Grenzziehung. Mögen die Flußgrenzen einigermaßen fest heißt, Rugianorum, Strurruna? sein, was aber ab aquilone snare a 9neridie - Daß dieses Diplom übrigens stark interpoliert ist, hat für den hier angegebenen Zweck kaum Bedeutung6). In der Bewidmungsurkunde für das Bistum Brandenburg b) Hierbei waren Schreibweise