Gießener Universitätsblätter 50 | 2017 Dirk van Laak

Von Ludwig zu Liebig. Die Gießener Hochschule im Umbruch des Jahres 1946*

Einleitung tig. Die von den westlichen Alliierten geschaf- fenen und weiterhin besetzten Bundesländer Das Jahr 1946 rechnet man nicht unwillkürlich zu waren zu dieser Zeit die wesentlichen politischen den großen Symboldaten des vergangenen und Handlungseinheiten. Seit Anfang des Jahres in vielem extremen Jahrhunderts, so wie dies die 1946 wurde auch für Groß-Hessen eine Landes- Jahre 1914, 1945 oder 1989 für sich reklamieren verfassung ausgearbeitet, die zunächst noch können. Dennoch wurde gelegentlich versucht, zeitverhaftete Forderungen wie eine Sozialisie- ihm diese Qualität eines Wendejahres zuzu- rung von Schlüsselindustrien vorsah. Damit sollte schreiben. Der britische Journalist und Historiker eine Dekartellisierung eingeleitet werden, die ne- Victor Sebestyen deutete es als eines, in dem ben der Demokratisierung, der Demilitarisierung nicht weniger als „die Welt neu entstand“.1 und der Denazifizierung zu den politischen Pro- Tatsächlich scheint vieles für ein Jahr des Über- grammwörtern der Nachkriegszeit zählte. gangs zu sprechen: Im Januar 1946 nahmen die Schon seit dem 20. November 1945 lief in Nürn- Vereinten Nationen ihre Arbeit auf. Die Philippi- berg ein Prozess gegen die Hauptkriegsverbre- nen wurden selbständig und läuteten eine welt- cher, fand aber in der von den zurückliegenden weite Welle der Dekolonisation ein. Der erste In- Ereignissen noch benommenen deutschen Be- dochina-Krieg brach aus und zog sich weitere völkerung nur eingeschränkte Resonanz. Die war 30 Jahre hin, bis die Amerikaner sich 1975 ge- noch immer damit beschäftigt, Trümmer zu be- demütigt aus Vietnam zurückziehen mussten. In seitigen, die wichtigsten Infrastrukturen wieder Argentinien wurde Juan Péron zum Präsidenten in Gang zu bringen und Lebensmittel zu organi- gewählt und sollte politisch ebenso stilbildend sieren. werden wie seine Ehefrau Evita. Auch trafen weiterhin Tausende von Flüchtlingen in Hessen ein, zahllose Displaced Persons, zu- In Europa zog sich zu dieser Zeit zu, was Winston rückkehrende Soldaten, elternlose Kinder, aus Churchill in einer Rede im amerikanischen Fulton dem Exil Heimkehrende, noch in Hessen aushar- den „Eisernen Vorhang“ nannte. Aus der An- rende Zwangsarbeiter usw. Ein ebenso großes ti-Hitler-Koalition wurde die Frontstellung des Problem waren die zahlreichen Vermissten, die Kalten Krieges, die sich weitere 45 Jahre halten zu identifizieren im nordhessischen Arolsen seit sollte. Deutschland lag weithin in Trümmern, Januar 1946 eine Auskunftsstelle entstand, die sein politisches Schicksal war ungewiss. Doch bis heute als International Tracing Service tätig baute sich das politische Leben auch hier lang- ist. Ebenfalls 1946 wurde in Gießen ein Durch- sam wieder auf. Es wurden Parteien gegründet, gangslager errichtet, das später zu einem Not- im April 1946 in Ostberlin etwa die Sozialistische aufnahmelager für DDR-Flüchtlinge und -Über- Einheitspartei, die bald auf einen eigenen Staat siedler wurde und sich ebenfalls bis heute erhal- zusteuerte.2 ten hat.3 In Westdeutschland dauerte dies etwas länger Die Stadt Gießen selbst gehörte zu den am und war in seiner Ausrichtung weniger eindeu- schwersten zerstörten in ganz Deutschland. Mehrere Angriffe von alliierten Bomberverbän- * Vortrag im Rahmen der Vorlesungsreihe des Präsidenten den hatten Ende 1944 und Anfang 1945 nicht „Neubeginn in schwieriger Zeit“ anlässlich der Eröffnung der Justus-Liebig-Hochschule vor 70 Jahren, gehalten am 30. Mai nur die Stadt, sondern auch die Universität in 2016 in der Aula der JLU. Schutt und Asche gelegt. Deren Bestand an Ge- 61

GI-Uniblaetter_2017.indb 61 20.07.17 08:55 0061_5987200 - 07/20/2017 10:28:33 Die ausgebrannte Universitätsbibliothek Gießen im Zustand von 1945. (Quelle: Universitätsarchiv Gießen)

bäuden war bis zu 70 Prozent zerstört, die Uni- und gerungen worden, um einen neuen Begriff versitätsbibliothek meldete sogar 90 Prozent Ver- von Bildung und Erziehung zu Demokratie und luste.4 zu politischer Verantwortung.6 Zu all dem Elend gesellte sich dann noch die Schließung der Gießener Universität nach im- Vor 1945 merhin 339 Jahren ihrer Existenz – ein Tief- punkt der Stadt- und Universitätsgeschichte in Man muss sich zunächst vergegenwärtigen, dass Oberhessen. So wurde es in den Folgejahren die deutsche Universität in der Mitte des 20. gern formuliert, etwa vom Gießener Rektor Jahrhunderts noch die Bildungseinrichtung einer Heinz Hungerland, der bei der Wiedereröff- kleinen Minderheit der Gesellschaft gewesen ist. nung der Volluniversität 1957 in Anwesenheit Im Deutschen Reich gab es nicht mehr als von Ministerpräsident Georg-August Zinn be- 150.000 Studierende – nicht 2,7 Millionen, wie merkte, es sei der Ludoviciana ein schmerzlich es sie heute an Universitäten und Fachhochschu- empfundenes Unrecht widerfahren, das nun len als Ausdruck der sogenannten „Wissensge- wiedergutgemacht werde.5 sellschaft“ gibt. Dieser Umstand war für das Tatsächlich war Gießen die einzige deutsche Schicksal der Gießener Universität nicht unbe- Universität, deren Existenz so greifbar gefähr- deutend. In der Öffentlichkeit galt den Universi- det war und die dann tatsächlich fast vollstän- täten freilich stets eine besondere Aufmerksam- dig abgewickelt wurde. Damit trug sie freilich keit. Denn durch sie wurde jeweils ein bedeu- Konsequenzen, die man in dieser Zeit für alle tender Teil des gesellschaftlichen und administra- deutschen Universitäten diskutierte. Die Frank- tiven Führungsnachwuchses geprägt. In ihrer be- furter Historikerin Barbara Wolbring brachte sonderen Mischung aus Forschung und Lehre dies auf die Formel, die deutsche Universität sei galt diese Einrichtung und ihre leitende Idee seit nach dem Krieg generell als ein „Trümmerfeld den Reformen Wilhelm von Humboldts auch in- der bürgerlichen Welt“ erschienen. Leiden- ternational lange als vorbildlich, und sie wurde schaftlich sei über die „Umerziehung“ der etwa in den USA oder in Japan als ein Erfolgsmo- Front- und Flakhelfer-Generationen diskutiert dell kopiert.7

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GI-Uniblaetter_2017.indb 62 20.07.17 08:55 0062_5987200 - 07/20/2017 10:27:53 Schon im frühen 20. Jahrhundert war die deut- Respekt für wertfreie Wissenschaft und akade- sche Universität jedoch in Turbulenzen geraten. mische Bildung keinen Hehl machte.12 Denn einerseits stieg die Nachfrage nach uni- Als ein spezifisches Problem der Ludoviciana in versitärer Bildung und geriet der elitäre Habitus Gießen sollte es sich erweisen, dass sie ständig der Ordinarienuniversität dabei unter Beschuss. unter neue Verantwortlichkeiten geriet. Bis Andererseits wurde gesellschaftlich relevante 1918 war sie von den Großherzögen von Hes- Forschung nun auch in staatlich alimentierten sen-Darmstadt getragen worden. Dessen letz- Großforschungseinrichtungen wie den Kai- ter Vertreter, Ernst Ludwig von Hessen und bei ser-Wilhelm-Instituten betrieben, die heute als Rhein, hatte 1890/91 sogar ein Semester in Gie- Max-Planck-Institute firmieren.8 Die wechseln- ßen studiert und ein Zimmer im Alten Schloss den Zeitläufe zwischen Kaiserreich, Kriegen, bezogen. Der Schutz und die besondere Förde- Republik und Nationalsozialismus stürzten die rung der Landesuniversität durch die hessischen deutsche Universität nicht nur politisch in Fürsten fielen 1918 jedoch fort. Hernach war Wechselbäder, auch schien es angesichts der der Volksstaat Hessen zuständig, der als parla- Entwicklungen Näherliegendes zu geben als mentarisches System andere Kriterien an seine sich universitär zu bilden.9 Die Freiheit der For- Ausbildungsstätten anlegte und aufgrund sei- schung und Lehre bedürfen eben auch des Frie- ner prekären wirtschaftlichen Lage wohl auch dens und der Ruhe, um sich gedeihlich zu ent- stärker auf die Reichsmark achten musste.13 wickeln. Die Gießener Universität ist in der Weimarer Zeit Die in den vergangenen Jahrzehnten betrie- durchaus expandiert und hat sich dabei neuen bene kritische Erforschung der deutschen Uni- sozialen Schichten gegenüber geöffnet, etwa versitäts- und Wissenschaftsgeschichte des 20. den Söhnen der unteren und auch schon eini- Jahrhunderts hat dokumentiert, wie anfällig gen Töchtern der oberen Mittelschicht. Sie be- diese Institution, die sich mitsamt ihrer Profes- fand sich sogar auf dem Weg zu einem wissen- sorenschaft damals als weithin unpolitisch ver- schaftlichen Großbetrieb. Das blieb aber eine stand, gegenüber diesen Herausforderungen relative Größe, und zusammen mit anderen ver- war. Schon im Kaiserreich gab es bei vielen Uni- gleichsweise kleinen Universitäten wie Rostock versitätsangehörigen, auch und besonders bei oder Jena gab es schon in den 1920er Jahren den Studenten, nationalkonservative, völkische immer wieder Gerüchte, vereinzelt sogar parla- oder antisemitische Grundüberzeugungen. Pe- mentarische Vorstöße, sie ganz zu schließen. ter Moraw sprach in diesem Zusammenhang Denn man nahm an, dass ihr noch immer eine von einer „apolitisch-vordemokratische(n) Prä- kritische Masse zum Überleben fehlte. Insbe- disposition“ der Professoren, die im Herzen sondere nach der Gründung der Frankfurter weithin Monarchisten geblieben seien.10 Im Er- Universität schien es in Mittelhessen fast zu sten Weltkrieg glaubten dann viele Hochschul- viele Einrichtungen ihrer Art zu geben.14 lehrer, ihren Patriotismus durch einen Dienst an Ab 1934 übernahm dann das nationalsozialis- der Waffe oder – falls nicht mehr dienstfähig – tische Deutsche Reich mit seinem neu gegrün- mit der Feder dokumentieren zu müssen.11 deten Reichserziehungsministerium unter Einen Großteil der Lehrenden und der Ler- Bernhard Rust die formelle Verantwortung.15 nenden durchzogen anschließend auch deut- Das beurteilte die deutschen Universitäten liche Ressentiments gegen den Vertrag von Ver- dann nach erneut veränderten Maßstäben und sailles und die junge Weimarer Republik. Soge- ordnete sie in Bezüge ein, die eher von einer nannte „Vernunftrepublikaner“, geschweige zentralen Perspektive in Berlin aus schauten. denn überzeugte Demokraten, blieben demge- Und da ragte Gießen nicht besonders promi- genüber in einer ständig unbedeutender wer- nent hervor, auch wenn der Minister die Uni- denden Minderheit. Die der versität im März 1938 sogar einmal besuchen deutschen Universität vollzog sich nach 1933 sollte. Das musste nicht zwangsläufig auf eine dann relativ rasant, was umso mehr erstaunt, Schließung hinauslaufen, denn tatsächlich als das neue Regime aus seinem mangelnden wurden im „Dritten Reich“ ja auch Universi-

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GI-Uniblaetter_2017.indb 63 20.07.17 08:55 0063_5987200 - 07/20/2017 10:28:59 Rektor Heinrich Wilhelm Kranz (rechts) mit Jakob Sprenger (Mitte), Oberbürgermeister Heinrich Ritter (2. von links) bei einem Festakt am 2. November 1940. (Quelle: Universitätsarchiv Gießen)

täten wie Posen, Breslau oder Straßburg aufge- man im neuen deutschen Staat fortan nicht wertet. Diese sogenannten „Stoßtrupp-“ oder mehr dulden wollte.16 „Grenzlanduniversitäten“ dienten jedoch nach Der Kreis Gießen und Vogelsberg hatte sich Kriegsausbruch vornehmlich als Brückenköpfe schon in den frühen 1930er Jahren durch einen in die von Deutschen besetzten Gebiete. In besonders starken Wähleranteil für die NSDAP Deutschland selbst ließ diese Neuordnung des ausgezeichnet.17 Die Gießener Studenten emp- „Großdeutschen Reichs“ Gießen eher als Fak- fanden überwiegend ebenso deutsch-national tor einer räumlichen „Übersetzung“ erschei- wie die Professoren.18 Dessen ungeachtet ver- nen. lor die Ludoviciana schon bald ihren Status als Diese Marginalisierung vorausahnend, hatte Landesuniversität. Eine neue Universitätsver- sich die Universität Gießen wie viele andere fassung stärkte am 13. Oktober 1933 die Posi- Universitäten schon bald nach der Machter- tion des Rektors und definierte ihn als „Führer“ greifung damit beeilt, Ergebenheitsadressen an der Universität. Ihm wurde vorsichtshalber die neue Regierung auszusenden, zunächst an noch ein politisch ausgerichteter „Zweitführer“ den Gauleiter und von Hes- und das Amt des Universitätsrichters zur Seite sen-Nassau, Jakob Sprenger. Schon am 8. Mai gestellt, während der Senat faktisch entmach- 1933 legte die Ludwigs-Universität auf der tet wurde. Mit dem „Gesetz über die Bildung „Großen nationalen Kundgebung“ ein de- von Studentenschaften“ vom 22. April 1933 monstratives Bekenntnis zum neuen Staat ab. zog auch auf dieser Ebene das Führerprinzip Bei einer begleitenden „Aktion wider den un- ein, sollten die Studenten auf diejenigen „deut- deutschen Geist“ kam es auch bereits zu einer scher Abstammung und Muttersprache (…) Verbrennung von sogenannten „Zersetzungs- unbeschadet ihrer Staatsangehörigkeit“ be- schriften“ solcher Personen und Parteien, die schränkt werden.19 Am 25. April 1933 kam

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GI-Uniblaetter_2017.indb 64 20.07.17 08:55 0064_5987200 - 07/20/2017 10:28:05 noch ein „Gesetz gegen die Überfüllung an unter Druck, während politisch erwünschte Fä- deutschen Hochschulen und Universitäten“ mit cher oft auf forsche Weise ihren Platz bean- Quoten für jüdische Studenten hinzu, die in spruchten. Neue Institute entstanden im Be- Gießen sogar noch unterschritten wurden.20 reich der Erb- und Rassenpflege, der Runenfor- Das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufs- schung, der Kautschukforschung, aber auch beamtentums“ vom 7. April 1933 bot die der Zahnmedizin. Die Zahl der Ordinarien sank Grundlage für die Entlassungen von Dozenten von 60 im Jahr 1933 auf 51 im Wintersemester auf der Basis von relativ willkürlichen Zuschrei- 1943/44, die Zahl der Nichtordinarien von 114 bungen rassischer Zugehörigkeit oder poli- im Jahr 1933 auf 83 im Wintersemester tischer Unzuverlässigkeit.21 Insofern trug es da- 1936/37. Nicht alle davon wurden entlassen, zu bei, die deutsche Universität, die bis heute manche schieden auch schlicht aus Altersgrün- ein Geflecht aus rechtlichen Bestimmungen, den aus oder wurden fortberufen. Karriere- politischen Erwartungen, akademischen Tradi- chancen schienen sich hingegen für vormals tionen und Usancen darstellt, aber eben auch blockierten Nachwuchs zu eröffnen, wenn er ein Sozialkörper von hoher Komplexitätsdichte sich denn politisch nach rechts radikalisierte ist, zu einem Einfallstor fataler Veränderungen oder aus Wissenschaften kam, die von den In- zu machen. Diese konnten sich individuell teressen des Nationalsozialismus am meisten durchaus zu Tragödien steigern. profitierten.23 Generell muss man sich die zwölf Jahre Als politisch besonders überzeugt unter den NS-Herrschaft wohl als eine Phase vorstellen, in Gießener Dozenten galten etwa die Rassehygi- der es vor dem Hintergrund der simplen Be- eniker Philaletes Kuhn und Wilhelm Heinrich hauptung eines notwendigen Wandels zu einer Kranz, der Geologe Karl Hummel, der Agrar- schubhaften Neuausrichtung von Wertorientie- wissenschaftler Hermann Vogel, der Veterinär- rungen und zur Infragestellung vieler Instituti- mediziner Karl Beller oder der Pädagoge Ger- onen kam, die das System vorher stabilisiert hard Pfahler. Insgesamt traten 47,1 % der Gie- hatten. In den entstehenden Spielräumen griff ßener Hochschullehrer der NSDAP bei – der An- ein Aktivismus Platz, der sich auf vermeintlich teil ist fachlich jedoch zu differenzieren, er war überzeitlich gültige Gesetze berief. Sie sollten bei den Medizinern besonders hoch, bei den sich am Leben als „Kampf“ orientieren, boten Theologen fast erwartungsgemäß sehr niedrig. tatsächlich jedoch niederen Instinkten enorme Die Mitgliedschaft war generell jedoch keines- Räume zur Entfaltung. Die wurden von Per- falls zwingend. sonen in mehr oder weniger verantwortlicher Zu den entfernten Ordinarien zählten umge- Position zwar nicht notwendigerweise ergrif- kehrt der Philosoph Ernst von Aster, der Physi- fen, verführten aber doch oft diejenigen, die ker George Jaffé, der Geologe Hermann Har- glaubten, bislang zu kurz gekommen zu sein rassowitz, die Nationalökonomen Friedrich oder sich schon immer in einer führenden Rolle Lenz und Paul Mombert oder der Orientalist Ju- gesehen hatten. Dozenten erschienen nun bis- lius Lewy. Die Archäologin Margarete Bieber weilen in Uniformen zur Vorlesung, oft verän- ging ebenso in die Emigration wie der Germa- derte sich ihre Sprache, die martialischer und nist Karl Viëtor. Als eine besonders subtile Form patriotischer im Ton wurde. Ob das, wie es spä- der „bürokratischen Verfolgung“, wie Peter ter meist hieß, „notwendige Anpassungslei- Chroust sie bezeichnete, erwies sich die Entzie- stungen“ waren, sei dahingestellt. Bis heute hung von in Gießen erworbenen Doktor- sorgt die breite Willfährigkeit dieser Spitzen graden. Denn ihre Träger, so hieß es, hätten deutschen Geistes jedenfalls international für sich aus rassischen, politischen oder Gründen ungläubiges Erstaunen.22 der Emigration ihrer als unwürdig erwiesen. Dabei litten die Fächer, die zum klassischen Bil- Seit 2006 nennt eine Tafel im Gustav-Krüger- dungskanon gehörten, auch in Gießen am mei- Saal die Namen von 49 Personen, die dies be- sten. Die Geistes-, aber auch die Wirtschafts- traf. Vor einigen Jahren erinnerte eine Ausstel- und die Rechtswissenschaften gerieten stark lung und eine Vortragsreihe der Justus-Lie-

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GI-Uniblaetter_2017.indb 65 20.07.17 08:55 0065_5987200 - 07/20/2017 09:29:03 Dokument der akademischen „Ertüchtigung“ im Krieg: Plan einer Vortragsreihe im Frühjahr 1940. (Quelle: Universitätsarchiv Gießen)

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GI-Uniblaetter_2017.indb 66 20.07.17 08:55 0066_5987200 - 07/20/2017 10:28:16 big-Universität an eine der schillerndsten Per- auch auszeichnet. Das Verhältnis von Opportu- sönlichkeiten, denen der Titel 1938 entzogen nismus und Resistenz lässt sich letztlich aber wurde, den Juristen und Schriftsteller Robert nur im Detail und individuell klären. Im Gesam- Frank.24 ten dürfte sich die Geschichte der Universität Die Neuausrichtung der Universität betraf aber Gießen im „Dritten Reich“ nicht wesentlich natürlich auch die Studenten. Sie ließen in Gie- von der anderer deutscher Universitäten unter- ßen zugleich wenig Widerstand hiergegen er- schieden haben. In der Aufklärung darüber kennen.25 Studentische Verbindungen wurden braucht sich Gießen jedenfalls nicht zu verste- nach und nach in „Kameradschaften“ umge- cken. Gerade im Umfeld des 400. Geburtstags wandelt, jeder Studierende musste jetzt eine der Justus-Liebig-Universität im Jahr 2007 wur- Grundausbildung in Leibesübung absolvieren. de viel von dem aufgearbeitet, was zur Grund- Der örtliche Studentenführer beanspruchte für lage dieses Beitrags werden konnte.28 sich ein entscheidendes Mitspracherecht. Im Die Rivalität, ja der Kampf unterschiedlicher Sommersemester 1939 gab es in Gießen nur Moralvorstellungen und Rechtsauffassungen noch 557 Studierende, fast 60 % davon waren und unterschiedlicher Kriterien für Menschlich- in den medizinischen Fächern eingeschrieben. keit in der Zeit zwischen 1933 und 1945 sind Im Krieg drohte sogar die Instrumentalisierung weiterhin unerschöpfliche Felder der Forschung der Ludwigs-Universität zu einer Medizinischen und des Lernens. Dennoch sollte der Blick zeit- Militärakademie. Ab 1940 wurden „wehrwis- lich erweitert werden, um die Nachkriegszeit senschaftliche“ Vortragsreihen angeboten, sti- als eine Phase der personalengen Verwoben- lisierten manche die Hochschule sogar zu heit, der damit verbundenen Umorientierung einem eigenen „Frontabschnitt“.26 und Umdeutung, der Einkapselung oder des Genützt hat der Ludoviciana diese Umorientie- aktiven Lernens aus der jüngsten Geschichte rung im neuen politischen Geiste, ihre Ausrich- mit einzubeziehen. Hierbei sollten institutio- tung auf rassepolitische, sozialdarwinistische nelle und personelle Geschichten stets auf- und militärische Lehrinhalte letztlich nichts. einander bezogen bleiben, damit auch die per- Vielmehr durchzogen Gerüchte über eine be- sonale Prägung von Institutionen wie auch die vorstehende Schließung der Universität nicht institutionelle Rahmung persönlicher Schick- nur die Presse, sondern auch die Gespräche der sale sichtbar wird. Verantwortlichen. NS-Gauleiter Jakob Sprenger In Bezug auf den Magistrat Gießens und ande- sprach im Januar 1939 sogar von einer „ster- rer Gemeinden, aber auch in Bezug auf das benden Universität“. Von den 1942 nominell hessische und andere Länderparlamente ist das 607 eingeschriebenen Studenten befanden in den vergangenen Jahren auch erneut aufge- sich mehr als die Hälfte bei der Wehrmacht, in griffen worden.29 Dabei darf man sich aber ins- den Geisteswissenschaften studierten nur noch besondere der Tatsache einer Ambivalenz nicht 33 Studenten, in der evangelischen Theologie verschließen, kommt man nicht immer zu ein- war es noch ein einziger Student. Sofern man deutigen Bewertungen. So muss man beispiels- die krisengeschüttelte Ludoviciana der letzten weise zugestehen, dass auch NS-Rektoren wie Jahre zum Maßstab nehme, so Peter Moraw in Wilhelm Heinrich Kranz zum Überleben der seiner Geschichte der Universität Gießen, sei Gießener Universität in den frühen 1940er Jah- der sich abzeichnende Einschnitt so tief nicht ren durchaus Entscheidendes beigetragen ha- gewesen, hätten sich die Verhältnisse der ben. Auch der Fall Otto Eger zeigt solche Am- Nachkriegszeit in den 1930er und frühen bivalenzen. Und wenn man beklagt, dass sich 1940er Jahren längst angebahnt.27 die Universitäten und Marburg in den Die Universität Gießen versuchte, ihrer pre- Jahren 1945 wenig solidarisch mit der Gie- kären Situation durch ein Anschmiegen an die ßener Schwester gezeigt haben, so muss man neuen Verhältnisse zu begegnen, zeigte aber auch erwähnen, dass im Zuge der drohenden im Einzelnen eine spezifische Beharrungskraft, Schließung der Juristenfakultät zugunsten wie sie solche komplexen Sozialkörper eben Frankfurts 1938 von Gießener Seite auch kal-

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GI-Uniblaetter_2017.indb 67 20.07.17 08:55 0067_5987200 - 07/20/2017 09:29:59 Reparaturen am zerstörten Hauptgebäude der Universität nach 1945. (Quelle: Universitätsarchiv Gießen)

kuliert darauf hingewiesen wurde, dass diese versitären Lehrbetriebs noch bis Ende Februar Neugründung einen „stark jüdischen Ein- 1945 aufrechterhalten werden können. Am schlag“ besitze.30 27. und 28. März kam die amerikanische Ar- mee in die Stadt an der Lahn – und sollte über Nach 1945 60 Jahre bleiben.32 Nach dem 8. Mai wurde auf Anordnung der Besatzungsmächte in allen Dies alles vorausgeschickt, geht es im Fol- deutschen Universitäten der Lehrbetrieb einge- genden um die Vorgänge der unmittelbaren stellt. Einige Professoren, darunter auch der Nachkriegszeit.31 Diese sind wiederum nicht zu letzte Gießener Rektor Alfred Brüggemann, ge- verstehen ohne die eingangs erwähnten Zer- rieten in automatic arrest, insgesamt wurden störungen, die Gießen als Garnisonsstandort anschließend 59 Universitätsmitglieder von den und als Verkehrsknotenpunkt zu verzeichnen Amerikanern entlassen. Im Sommer 1945 riet hatte. Erstaunlicherweise hatten Reste des uni- der neue Rektor, der Physiker Karl Bechert, al-

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GI-Uniblaetter_2017.indb 68 20.07.17 08:55 0068_5987200 - 07/20/2017 10:28:21 len Angehörigen der Universität sogar, sich au- ßerhalb Gießens eine Beschäftigung zu suchen. Die Gebäude waren zu 60 % zerstört, auch das Hauptgebäude war eine Ruine und konnte erst 1953 wieder genutzt werden. Bis dahin war Improvisation das Gebot der Stunde. In dieser Situation drängte sich abermals die Frage auf, wer sich für die Gießener Universität eigentlich zuständig fühlt. Das am 19. Septem- ber 1945 gegründete Land Groß-Hessen wand- te sich zunächst den anderen Hochschulen zu. Die Technische Universität Darmstadt bediente in diesem Moment viele der für den Wiederauf- bau besonders zukunftsträchtigen Fächer. Die Stiftungs-Universität in Frankfurt war zwar noch jung, aber bereits zu groß und zu renom- miert, um sie anzutasten, sie wurde daher ebenfalls vom Land gestützt.33 Die Universität Marburg schließlich war zwar nur unwesentlich älter als die in Gießen. Sie war aber im Krieg weitgehend unzerstört geblieben und konnte daher schon im Oktober 1945 ihren Betrieb wieder aufnehmen. Darmstadt und Frankfurt folgten Anfang 1946. Während also der Theologe Martin Niemöller im Mai 1946 in Marburg längst wieder über „Die politische Verantwortung des Christen im Der Physiker Karl Richard Bechert (1901–1981), der erste akademischen Stand“ referierte34 und am 12. (und letzte) Nachkriegs-Rektor der Ludwigs-Universität. Juni die Marburger Hochschulgespräche mit einem Appell an die Freiheit der Wissenschaft langten wohl auch deswegen seine Unterstüt- und der Lehre endeten, kämpfte die Ludovici- zung, weil Hartshorne in der Stadt seinen ana um ihr Überleben. Ein weiterer ungün- Wohnsitz nahm. Die Ludwigs-Universität blieb stiger Faktor kam hinzu: In dem nun zur fran- hingegen auch bei deutschen Behörden wie zösischen Besatzungszone gehörenden Mainz der Hessen-Darmstädter Regierung Ludwig war am 15. Mai 1946 eine zusätzliche Univer- Bergsträssers und der entstehenden Landesre- sität gegründet bzw. wiederbegründet wor- gierung in ohne großen Rückhalt. den. Sie trug dazu bei, im Rhein-Main-Gebiet Zwischenzeitlich war der Jurist Otto Eger zum erneut eine relativ dichte Hochschullandschaft Sonderbeauftragten der amerikanischen Mili- entstehen zu lassen, so dass die alte Frage nach tärregierung für die Auflösung der alten Lud- einer „Übersetzung“ der höheren Bildungsein- wigs-Universität ernannt worden.35 richtungen erneut auf Gießen lastete. Während Rektor Bechert in Stadt und Land Die fortgesetzten Anträge zu einer Wiederer- Geld und Unterstützung für eine mögliche öffnung der Gießener Universität wurden zu- Wiedereröffnung sammelte, wanderten einzel- nächst hinhaltend beschieden. Der US-Hoch- ne Universitätsmitglieder längst an andere Uni- schuloffizier Edward Y. Hartshorne war aus ei- versitäten der näheren oder weiteren Umge- gener Anschauung ein guter Kenner und auch bung ab, auch weil sie vom Land kein Gehalt Bewunderer deutscher Universitäten. Er wollte mehr bekamen. Einzelne Veterinärmediziner aber eher Einrichtungen ab einer bestimmten zogen daraus die Konsequenz, einen Zusam- Größe gefördert sehen. Die Marburger er- menschluss ihres Instituts mit der entspre-

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GI-Uniblaetter_2017.indb 69 20.07.17 08:55 0069_5987200 - 07/20/2017 09:29:51 Eine der letzten Amtshandlungen Karl R. Becherts: Der Antrag auf Eröffnung der „Hochschule für Bodenkultus und Veterinärmedizin“ vom 12. April 1946. (Quelle: Universitätsarchiv Gießen)

chenden Marburger Einrichtung anzuregen. dieser Zeit an keiner anderen hessischen Hoch- Der dortige Rektor Julius Ebbinghaus griff diese schule gab.37 Rektor Bechert war inzwischen zu- Idee auf und erweiterte sie sogar, so dass in die- rückgetreten, im Mai 1946 der Physiker Paul sen Monaten bereits von einer Ludwigs-Phi- Cermak zu seinem Nachfolger gewählt worden. lipps-Universität Gießen-Marburg die Rede Die Berufung der Hochschule auf Justus Liebig war, die von Bechert aber kategorisch verwor- war im Rückblick sicher kein ungeschickter fen wurde. Schachzug. Denn es handelte sich hierbei im- Nachdem sich die drei übrigen Rektoren Ende merhin um eine Person von internationaler Be- März dezidiert für eine Schließung Gießens aus- kanntheit, die gerade in Bezug auf die nun noch gesprochen hatten, war es wohl Edward vertretenen Fächer Wegweisendes geleistet Hartshorne, der den entscheidenden Anstoß in hatte. Ob jedoch die Beschränkung auf Land- Wiesbaden gab, den für Gießen dilatorischen wirtschaft und Veterinärmedizin einen Bezug Zustand endlich zu beenden.36 Im April 1946 besaß zur „agrarwirtschaftliche(n) Zukunft, die beschloss das Landeskabinett unter Minister- Deutschland damals zugestanden wurde“, wie präsident , eine Wiedereröffnung der Rektor Karl Alewell dies rückblickend noch Gießens nur in reduzierter Form zuzulassen. Als 1982 feststellte, die Gießener Hochschule also „Hochschule für Bodenkultur und Veterinärme- indirekt eine Konsequenz des legendären Mor- dizin“ nahm diese im Sommersemester 1946 genthau-Plans von 1944 gewesen ist, darf da- ihre Tätigkeit auf. Sie bestand aus acht veteri- bei bezweifelt werden.38 Denn dieser Plan närmedizinischen und acht agrarwissenschaft- existierte im Wesentlichen als ein Propagan- lichen Lehrstühlen, dazu sieben weiteren Pro- da-Produkt in deutschen Köpfen und war nie fessuren aus den Naturwissenschaften. Damit Gegenstand realistischer Planungen der Alliier- war Gießen auf das Wenige reduziert, was es zu ten gewesen.39

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GI-Uniblaetter_2017.indb 70 20.07.17 08:55 0070_5987200 - 07/20/2017 09:29:23 Das schmale Fächerspektrum der Hochschule endlich doch wieder zu einer vollständigen Uni- wurde nach und nach ergänzt durch die Hu- versität aufgewertet zu werden. Die Hochschu- manmedizin. An ihr lässt sich so etwas wie eine le zeigte sich hier gleichsam resilient gegen- institutionelle Beharrungskraft oder eine über- über den Zumutungen der Zeit, indem sie die schießende Pfadabhängigkeit dokumentieren. Gene einer Volluniversität beibehielt, sich tak- Die medizinische Fakultät existierte in Gießen tisch um eine ständige Erweiterung ihrer Hand- nach 1945 de facto weiter, weil die stark zer- lungsspielräume bemühte und schließlich auch störten Kliniken zunächst als Landeseinrich- Erfolg damit hatte. Von Seiten der Stadt Gie- tungen weiter betrieben wurden. Die entspre- ßen scheint es hierbei stets kräftige Unterstüt- chenden Hochschullehrer – namentlich der zung gegeben zu haben. Im zweiten Semester Anatom Ferdinand Wagenseil als Dekan – un- gab es schon wieder 535 Studenten, im Som- ternahmen immer wieder vergebliche Anläufe, mersemester 1948 bereits 821. auch wieder akademisch forschen und ausbil- den zu können. Erreicht wurde zunächst nur ei- Verhaltensweisen zum Vergangenen ne medizinische Akademie, deren ungeklärte Rechtslage dann später zum Ausgangspunkt für Abschließend sei auf Aspekte eingegangen, die das umstrittene Gesetz von 1950 und die Erwei- sich mit 1946 als einem Wendejahr verknüpfen terung zur „Justus-Liebig-Hochschule“ wurde.40 und die eingangs schon kurz angedeutet wur- Ähnlich verhielten sich die Naturwissenschaf- den: auf die politische und moralische Erneue- ten, die mit einer offenbar geradezu subver- rung der Universität. Auch hier zeigt sich ein siven Energie nach und nach das Spektrum ihrer Bild, das kaum anders als ambivalent gezeich- Themen und ihrer akademischen Abschlüsse er- net werden kann. In zahlreichen deutschen weiterten, um ihren lediglich zuarbeitenden Universitäten wurde nämlich nach 1945 auch Status für die anderen Fächer zu überwinden daran gearbeitet, möglichst ungebrochen an und wieder eigenständig zu werden. die Zeit vor 1933 anzuknüpfen. Wer sich die Nach ihrer Eröffnung im Sommer 1946 fand universitätsnahe Publizistik der Nachkriegszeit sich dann doch noch eine Person, die sich das vergegenwärtigt, wird oft mit einer Deutung weitere Schicksal der Justus-Liebig-Hochschule konfrontiert, die das seit 1933 Geschehene besonders angelegen sein ließ: der Landtags- gleichsam aus der Geschichte herausdefinierte. abgeordnete, spätere Kultusminister und Gie- Stattdessen wurde nahegelegt, dass für die ßener Alumni Erwin Stein.41 Zwischen Ende Barbarei des Nationalsozialismus vor allem die 1946 und Anfang 1948 ließ er Pläne für einen Abwendung von den antik-christlichen oder neuen, amerikanisch anmutenden Campus auf „abendländischen“ Traditionen verantwortlich dem Seltersberg sondieren. Im Universitäts-Ar- sei.42 Der erwähnte Vortragstitel von Martin chiv lagern entsprechende Architekten-Ent- Niemöller war in dieser Hinsicht sehr charakte- würfe für eine Hochschule, die durch den Aus- ristisch. bau eines ernährungswissenschaftlichen Diese exkulpatorischen Neigungen machten Schwerpunkts aufgewertet werden sollte. politisch wache Geister wie Erwin Stein durch- Doch kam ein realistisches Finanzierungsmo- aus misstrauisch und ließen sie am politischen dell hierfür nicht zustande. Orientierungssinn deutscher Ordinarien zwei- Diese Pläne dokumentieren aber einmal mehr, feln. Das war einer der Gründe dafür, in der dass die Gießener Hochschule sich in ihre Redu- hessischen Landesverfassung von 1946 Hoch- zierung auf das Allernotwendigste nicht ein- schulen unter staatliche Aufsicht zu stellen. Ei- fach fügen wollte. Vielmehr zeigt sich auf zahl- ne weitere Maßnahme war es, in Darmstadt, reichen Ebenen, wie an einem ständigen Auf- Frankfurt und Marburg Lehrstühle für poli- und Ausbau der Möglichkeiten gearbeitet wur- tische Wissenschaft einzurichten, die mit Eu- de, um ihren Status zu erhöhen, die akademi- gen Kogon, Carlo Schmid und Wolfgang schen Spielräume zu erweitern und durch die Abendroth dann auch mit sehr markanten Per- Stärkung von Alleinstellungsmerkmalen letzt- sönlichkeiten besetzt wurden.43

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GI-Uniblaetter_2017.indb 71 20.07.17 08:55 0071_5987200 - 07/20/2017 10:28:46 Das Auditorium Maximum aus den von Erwin Stein 1948 initiierten Entwürfen für einen neuen, amerikanisch anmu- tenden Campus der Justus-Liebig-Hochschule.

Unmittelbarer wirksam war jedoch das am 5. beendet. Wie sich diese Vorgänge insgesamt März 1946 von der Militärregierung erlassene auch auf die Universität Gießen auswirkten, „Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus muss ebenso weiter erforscht werden wie der und Militarismus“, mit dem die sogenannte Umstand, dass deutsche Universitäten in der „Entnazifizierung“ in die Hände deutscher Einschätzung von Michael Stolleis „oft in be- Spruchkammern gelegt wurde. Wie sich später schämender Passivität gegenüber denjenigen“ erweisen sollte, neigten diese nach einer ersten verblieben sind, „die 1933 vertrieben worden Phase durchaus energischer Durchleuchtung waren.“45 jedoch zu immer größerer Milde, je länger die- Tatsächlich ist bislang nicht bekannt, dass sich se bürokratisierte und von Schematismen nicht die Universitätsleitung dabei exponierte, sich freie Maßnahme dauerte.44 Schon Mitte 1948 aktiv an die nach 1933 vertriebenen ehema- war diese Selbstreinigung faktisch, durch hes- ligen Dozenten der Universität zu wenden. sische Gesetze kurze Zeit darauf auch juristisch Kontaktaufnahmen zu Margarete Bieber, Edgar

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GI-Uniblaetter_2017.indb 72 20.07.17 08:55 0072_5987200 - 07/20/2017 10:29:36 Jaffé oder Karl Viëtor sind bislang nicht doku- mentiert.46 Dank eines Fundes von Frau Eva-Ma- rie Felschow im Gießener Universitätsarchiv kann hier aber abschließend dennoch von einer Episode berichtet werden, die sich aus alten Be- rufungsakten rekonstruieren lässt.47 Tatsächlich sind es solche Vorgänge, über die sich die gan- ze Breite der Wechselwirkung zwischen Per- sonen und Institutionen in diesen Jahren aus- leuchten ließe. Am 2. Juli 1946 wandte sich der vormalige Pri- vatdozent für Alte Geschichte und geborene Gießener, Fritz Moritz Heichelheim, aus dem britischen Nottingham an den Rektor der Uni- versität Gießen. In seinem Schreiben bat er darum, seine am 5. Mai 1933 vorgenommene Entlassung aus rassischen Gründen in eine offi- zielle Entlassung in Ehren umzuwandeln. Denn die damalige Maßnahme einer verfassungswid- rigen Regierung, so Heichelheim, habe er nie- mals anerkannt. Nun sei er britischer Staatsbür- ger und als University Lecturer dort pensionsfä- hig angestellt. Seiner Auffassung nach müsse „um die Ehre unserer Universität willen“ darü- ber hinaus eine individuelle Entschuldigung an Der Physiker Paul Cermak (1883–1958), ab 1946 der erste Rektor der „Justus-Liebig-Hochschule“. diejenigen gerichtet werden, die „in der Nazi- (Quelle: Universitätsarchiv Gießen) zeit zu Unrecht entlassen worden“ seien. Im Übrigen bot er „Rat und Hilfe für einen Wie- Währenddessen war am 22. August das Ersu- deraufbau“ der Universität an und bat, seine chen um eine ehrenvolle Entlassung von dem alten Lehrer Karl Kalbfleisch und Otto Eger so- hessischen Ministerialdirektor Willi Viehweg wie alle Übrigen, die ihn noch kennen würden, abschlägig beschieden worden. Die Begrün- zu grüßen. dung war vielsagend für den bürokratisch-ab- Rektor Paul Cermak antwortete Heichelheim weisenden Ton, mit dem sich viele Exilierte in höflich dankend, schilderte die desolate mate- Deutschland nach 1945 konfrontiert sahen: rielle Lage der Universität und der Stadt, kündi- Die Entlassung sei „rechtswirksam“ gewesen, gte die Übersendung der entsprechenden Be- außerdem habe der Antragsteller inzwischen scheinigung an und bedeutete, dass man sich eine „fremde“ (sic!) Staatsbürgerschaft erwor- in Bezug auf die Beschaffung englischspra- ben. Von einer individuellen Entschuldigung sei chiger Literatur gegebenenfalls wieder mit ihm nicht nur aufgrund einer daraus folgenden in Verbindung setzen werde. Am 16. August „Belastung der Behörden“ abzuraten. In aus- äußerte Heichelheim seine „aufrichtige Befrie- drücklichem Widerspruch zum vorher Festge- digung“ über die Antwort aus Gießen und sah stellten äußerte der Repräsentant des Ministe- „sein Verhältnis zu seiner Heimatuniversität riums überdies, die „damalige willkürliche Ent- wieder auf eine ehrenhafte Basis gebracht“. lassung“ stelle doch immerhin „eine ehrenvolle Zugleich gab er die Anregung, ihn zum außer- Anerkennung demokratischer Gesinnung“ dar. planmäßigen Honorarprofessor mit Sitz und Am 20. Dezember meldete sich Heichelheim Stimme im Senat zu ernennen, um mit voller erneut in Gießen und verlieh seinem Befrem- Legitimation für die Ludoviciana eintreten und den Ausdruck, dass er in der Angelegenheit wirken zu können. nichts mehr gehört habe. Dabei legte er nun ei-

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GI-Uniblaetter_2017.indb 73 20.07.17 08:55 0073_5987200 - 07/20/2017 10:29:19 Der Wiederaufbau bleibe ansonsten durch ein „nicht unberechtigtes Ressenti- ment“ gegen die Deut- schen ständig weiter ge- fährdet. Am 12. März 1947 wurde ihm dann vom Kultusmini- sterium doch noch eine Honorarprofessur angetra- gen. Eine entsprechende Urkunde konnte ihm aber erst im Februar 1948 aus- gestellt werden. Das Be- gleitschreiben verwies aus- drücklich darauf, dass eine offizielle Entschuldigung durch die hessische Regie- rung aber nicht in Frage kä- me, da sie keine Rechts- nachfolgerin des NS-Staats sei und sie die damaligen Maßnahmen schließlich ebenfalls missbillige. Die Übermittlung der Urkunde bestätigte Heichelheim am 8. April 1948 dennoch mit geradezu überschwäng- lichen Hoffnungen auf den „Anfang einer langen und ersprießlichen Zusammen- Fritz Moritz Heichelheim (1903–1968) im Jahr 1961 anlässlich einer durch Rektor August Schummer vollzogenen Ehrenpromotion der Justus-Liebig-Universität. arbeit (…) auf der Basis der (Quelle: Universitätsarchiv Gießen) humanitas und der concor- dia omnium bonum“. nen deutlich schärferen Ton in seine Forderung, Bei diesem Briefwechsel hat man es sicher mit „die Dinge in Ordnung zu bringen“ und ließ einem eher ungewöhnlichen Vorgang zu tun, auch erkennen, dass er über einen einfluss- weil Heichelheim hier ebenso selbstbewusst wie reichen Freundeskreis verfüge. Der Rektor ant- beharrlich sein Recht einforderte und er seiner wortete am 10. Januar 1947 in einem etwas Alma mater zugleich aus der Ferne seine Hilfe betretenen Ton, dass er den Unwillen des Kul- anbot. Damit legte er eine über persönliche und tusministeriums durchaus bedaure. Stattdessen institutionelle Brüche hinweg reichende Ver- schlug er Heichelheim die Übernahme einer bundenheit an den Tag, die dokumentierte, was Gastprofessur vor, weil „dazu die Regierung eine Universität über alle zeitgeschichtlichen wohl leichter zu haben sein“ werde. Heichel- Brüche hinweg eben auch sein konnte: ein fort- heim antwortete am 6. März seinerseits, er an- wirkender Faktor der Identifikation. Dies wurde erkenne die Bereitschaft der Universität und besonders und auf geradezu rührende Weise stellte einen Gastaufenthalt in Hessen in Aus- durch einen von Heichelheim abschließend ge- sicht. Eine echte Wiedergutmachung könne äußerten Wunsch an den Rektor bekräftigt, freilich „durch schöne Worte nicht erfolgen“. nämlich bei akademischen Feiern in angelsäch-

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GI-Uniblaetter_2017.indb 74 20.07.17 08:55 0074_5987200 - 07/20/2017 10:28:53 sischen Ländern die alte Gießener Universi- 5 Heinz Hungerland: Universität und Staat. Festrede tätstracht, ein hellbraunes Plüschwams nebst anlässlich der 350-Jahr-Feier bei dem akademischen Festakt der Ludwigs-Universität/Justus-Liebig-Hoch- Kappe, tragen zu dürfen. schule Gießen, Gießen 1957, S. 5. Solche Vorgänge in ihrer ganzen Komplexität zu 6 Barbara Wolbring: Trümmerfeld der bürgerlichen rekonstruieren bietet sehr lohnende Felder für Welt. Universität in den gesellschaftlichen Reformdis- 48 kursen der westlichen Besatzungszonen (1945–1949), zukünftige Forschungen. Denn sie erlauben Göttingen 2014. Vgl. auch Corine Defrance: Deutsche es, die Tiefe der persönlichen und institutio- Universitäten in der Besatzungszeit zwischen Brüchen nellen Brüche dieser Jahre wirklich zu ermessen, und Traditionen 1945–1949, in: Dietrich Papenfuß/ auch die tatsächlichen Wandlungen des Jahres Wolfgang Schieder (Hg.): Deutsche Umbrüche im 20. Jahrhundert. Köln u.a. 2000, S. 409–428. 1946, das in diesem Beitrag im Mittelpunkt 7 Sylvia Paletschek: Die Erfindung der Humboldtschen stand. Sie zeigen auch, wo eine Universität sich Universität. Die Konstruktion der deutschen Universi- als besonders anfällig, aber auch in einem posi- tätsidee in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in: Historische Anthropologie 10 (2002), S. 183–205. tiven Sinn als besonders konstant erweisen Wolfgang E. J. Weber: Geschichte der europäischen konnte. Universität, Stuttgart 2002. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die 8 Gerhard A. Ritter: Großforschung und Staat in Deutschland. Ein historischer Überblick, München Gießener Hochschule zwischen Ludwig und Lie- 1992. big weder „besonders braun“ noch ein Opfer 9 Michael Grüttner u.a. (Hg.): Gebrochene Wissen- dunkler Machenschaften oder weltpolitischer schaftskulturen. Universität und Politik im 20. Jahrhun- Konstellationen war. Der vorübergehende Rück- dert, Göttingen 2010. 10 Peter Moraw: Kleine Geschichte der Universität Gie- bau der Universität lässt sich vielmehr aus vor- ßen. 2. Aufl. Gießen 1990, S. 207. nehmlich vier Gründen erklären: Erstens war 11 Vgl. Jürgen von Ungern-Sternberg/Wolfgang von Un- diese Konsequenz seit langem erwogen und in gern-Sternberg: Der Aufruf „An die Kulturwelt!“ Das Manifest der 93 und die Anfänge der Kriegspropagan- der Tendenz schon weit vor 1946 vorgezeich- da im Ersten Weltkrieg, erw. Auflage, Frankfurt/Main net, um in der Situation von 1946 nicht wieder u.a. 2013. aufzuleben. Zweitens erforderten die massiven 12 Vgl. Konrad Jarausch: Deutsche Studenten 1800– Zerstörungen Gießens einen Investitionsbedarf, 1970, Frankfurt/Main 1984. 13 Peter Moraw: Kleine Geschichte der Universität Gie- der in der Situation von 1946 akut nicht zu ßen. 2. Aufl. Gießen 1990, S. 199–210. leisten war. Drittens waren die Gießener in der 14 Peter Moraw: Kleine Geschichte der Universität Gie- oft verborgen bleibenden Konkurrenz zwischen ßen. 2. Aufl. Gießen 1990, S. 222. 15 Anne C. Nagel: Hitlers Bildungsreformer. Das Reichs- den Universitäten den Nachbarn aufgrund ihrer ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbil- damaligen Schwäche weit unterlegen. Und vier- dung 1933–1945, Frankfurt/Main 2012. tens hatte sie in dieser Situation zu wenige Für- 16 Thomas Kailer/Christian Schwöbel: Unterwerfung mit Schriftenverbrennung: Die „Große nationale Kund- sprecher auf den politisch relevanten Ebenen. gebung“ der Ludwigs-Universität am 8. Mai 1933, in: Umso erstaunlicher ist es, wie beharrlich sich die Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins, Universität in den anschließenden Jahrzehnten Bd. 92 (2007), S. 81–115. 17 zurück „ins Spiel“ gekämpft hat und wie ver- Vgl. hierzu die Forschungen von Jörg-Peter Jatho (Gießen). Zur Gießener Universitätsgeschichte vgl. gleichsweise stark vor diesem geschilderten Hin- ders./Gerd Simon: Gießener Historiker im Dritten Reich, tergrund ihre Position sich heute darstellt. Gießen 2008. 18 Hierzu Peter Chroust: Gießener Universität und Fa- schismus. Studenten und Hochschullehrer 1918–1945. Anmerkungen: 2 Bde. Münster/New York 1994. Allgemeiner Helmut 1 Victor Sebestyen: 1946. Das Jahr, in dem die Welt neu Heiber: Universität unterm Hakenkreuz. Teil 1: Der Pro- entstand, Berlin 2015. fessor im Dritten Reich: Bilder aus der akademischen 2 Vgl. vor allem Tony Judt: Die Geschichte Europas von Provinz, München 1991; Teil 2: Die Kapitulation der Ho- 1945 bis zur Gegenwart, München/Wien 2006. hen Schulen: das Jahr 1933 und seine Themen. 2 Bde., 3 Jeannette van Laak: Sehnsuchtsort Gießen? Zur Ge- München 1992/94. schichte des Notaufnahmelagers nach dem Mauerbau, 19 Reichsgesetzblatt I, 1933, S. 215. in: Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins 20 Reichsgesetzblatt I, 1933, S. 225. Gießen, 99. Jg. (2014), S. 185–194. 21 Reichsgesetzblatt I, 1933, S. 175–177. 4 Ludwig Brake/Eva-Marie Felschow: 50 Jahre Kriegsen- 22 Vgl. Michael Güttner/John Connelly (Hg.): Zwischen de. Stadt und Universität Gießen im Wiederaufbau Autonomie und Anpassung. Universitäten in den Dikta- 1945–1960, Gießen 1996, S. 13. turen des 20. Jahrhunderts, Paderborn 2003.

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GI-Uniblaetter_2017.indb 75 20.07.17 08:55 0075_5987200 - 07/20/2017 09:29:07 23 Peter Moraw: Kleine Geschichte der Universität Gie- 35 Ludwig Brake/Eva-Marie Felschow: 50 Jahre Kriegsen- ßen. 2. Aufl. Gießen 1990, S. 210–225. de. Stadt und Universität Gießen im Wiederaufbau 24 Helmut Berding: Doktorgradentziehungen an der 1945–1960, Gießen 1996, S. 49f. Universität Gießen 1933–1945, in: Mitteilungen des 36 Peter Chroust: Gießener Universität und Faschismus. Oberhessischen Geschichtsvereins Gießen, 94. Bd. Studenten und Hochschullehrer 1918–1945. 2 Bde. (2009), S. 177–185. Peter Chroust: Die bürokratische Münster/New York 1994, S. 304ff. Verfolgung. Doktorgradentziehungen an der Universität 37 Peter Moraw: Die Universität Gießen von den Anfän- Gießen 1933–1945 im Kontext der gen bis zur Gegenwart, in ders.: Gesammelte Beiträge nationalsozialistischen Verfolgungspolitik, Gießen zur deutschen und europäischen Universitätsgeschichte. 2006. Michael Breitbach: Das Amt des Universitätsrich- Strukturen – Personen – Entwicklungen, Leiden/Boston ters an der Universität Gießen im 19. und 20. Jahrhun- 2008, S. 251–294. dert. Zugleich ein Beitrag zu den Doktorentziehungsver- 38 Karl Alewell: 375 Jahre Universität Gießen – 25 Jahre fahren zwischen 1933 und 1945, in: Archiv für hes- Justus-Liebig-Universität, in: Gießener Universitätsblät- sische Geschichte, Bd. 59 (2001), S. 267–334. ter, Jg. 15 (1982), S. 8–20, hier S. 8. 25 Michael Grüttner: Studenten im Dritten Reich. Ge- 39 Bernd Greiner: Die Morgenthau-Legende. Zur Ge- schichte der deutschen Studentenschaften 1933–1945, schichte eines umstrittenen Plans, Hamburg 1995. Paderborn 1995. 40 Vgl. hierzu den Beitrag von Franz Reimer in diesem 26 Eva-Marie Felschow/Carsten Lind/Neill Busse: Krieg, Heft. Krise, Konsolidierung. Die „zweite Gründung“ der Uni- 41 Vgl. die Ausstellung „Erwin Stein (1902–1992). Rich- versität Gießen nach 1945, Gießen 2008, S. 9–34. ter, Minister, Stifter. Ein bewegendes Leben in bewegter 27 Peter Moraw: Kleine Geschichte der Universität Gie- Zeit“ in der Universitätsbibliothek Gießen vom 31. Okto- ßen. 2. Aufl. Gießen 1990, S. 214. ber bis 16. Dezember 2016. Eine umfassende Biographie 28 Eva-Marie Felschow/Carsten Lind/Neill Busse: Krieg, Erwin Steins wird momentan von Anne C. Nagel erarbei- Krise, Konsolidierung. Die „zweite Gründung“ der Uni- tet. versität Gießen nach 1945, Gießen 2008. Horst Carl u.a. 42 Vgl. Erich Meuthen: Kleine Kölner Universitätsge- (Hg.): Panorama. 400 Jahre Universität Gießen: Akteure schichte (eingesehen am 13. Januar 2017). 2007. Zum argumentativen Umfeld vgl. Dirk van Laak: „Nach 29 Wolfgang Helsper: Der demokratische Wiederaufbau dem Sturm schlägt man auf die Barometer ein …“ in Gießen nach 1945. Politische Weichenstellungen und Rechtsintellektuelle Reaktionen auf das Ende des „Drit- der Umgang mit der Vergangenheit, Gießen 2016. Nor- ten Reiches“, in: WerkstattGeschichte 17, 6. Jg., August bert Kartmann (Hg.): NS-Vergangenheit ehemaliger hes- 1997, S. 25–44. sischer Landtagsabgeordneter. Dokumentation der 43 Peter Chroust: Gießener Universität und Faschismus. Fachtagung 14. und 15. März 2013 im Hessischen Studenten und Hochschullehrer 1918–1945. 2 Bde. Landtag, Wiesbaden/Marburg 2014. Münster/New York 1994, S. 304ff. 30 Eva-Marie Felschow/Carsten Lind/Neill Busse: Krieg, 44 Lutz Niethammer: Die Mitläuferfabrik. Die Entnazifi- Krise, Konsolidierung. Die „zweite Gründung“ der Uni- zierung am Beispiel Bayerns. 2. Aufl. Bonn 1982. versität Gießen nach 1945, Gießen 2008, S. 18. 45 Michael Stolleis: Vom Optimismus einer „Befreiung“ 31 Zum Folgenden vgl. Eva-Marie Felschow/Carsten Lind/ war wenig zu spüren, in: Forschung Frankfurt, Heft Neill Busse: Krieg, Krise, Konsolidierung. Die „zweite 2/2014, S. 157f., hier S. 157. Gründung“ der Universität Gießen nach 1945, Gießen 46 Peter Chroust: Gießener Universität und Faschismus. 2008, S. 37ff. Peter Moraw: Kleine Geschichte der Uni- Studenten und Hochschullehrer 1918–1945. 2 Bde. versität Gießen. 2. Aufl. Gießen 1990, S. 225ff. Markus Münster/New York 1994, S. 304ff. Bernhardt: Gießener Professoren zwischen Drittem 47 Für das Folgende: Universitätsarchiv Gießen, Beru- Reich und Bundesrepublik. Ein Beitrag zur hessischen fungsakten 1. Lieferung, Karton 4: Fritz Heichelheim, Hochschulgeschichte 1945–1957, Gießen 1990. Peter Blatt 123–173 (1946–1948). Chroust: Gießener Universität und Faschismus. Stu- 48 Dies gilt freilich auf andere Weise, als dies Uwe Walter denten und Hochschullehrer 1918–1945, Bd. 2, Mün- in einer sehr spekulativen Zeitungsnotiz über Heichel- ster/New York 1994, S. 304ff. heim vorschlug, ders.: Heichelheim, ausgesondert. Eine 32 Vgl. Gundula Bavendamm (Hg.): Amerikaner in Hes- traurige Geschichte aus der Uni-Bibliothek, in: Frankfur- sen. Eine besondere Beziehung im Wandel der Zeit, Ha- ter Allgemeine Zeitung, Nr. 197 vom 24. August 2016, nau 2008. S. N3 (mit Verweis auf Klaus Altmayer: Fritz Moritz Hei- 33 Notker Hammerstein: Die Johann Wolfgang Goe- chelheim (1901–1968), in: Marburger Beiträge zur anti- the-Universität. Von der Stiftungsuniversität zur staatli- ken Handels-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, 33. Jg., chen Hochschule, Frankfurt/Main 1989. 2016, S. 1–31). 34 Martin Niemöller: Die politische Verantwortung des Christen im akademischen Stand. Vortrag, gehalten auf Einladung der evangelischen Studentengemeinde vor Kontakt: Studierenden der Philipps-Universität zu Marburg an der Lahn am 4. Mai 1946, Gießen 1946. [email protected]

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GI-Uniblaetter_2017.indb 76 20.07.17 08:55 0076_5987200 - 07/20/2017 10:28:02