Gemeinnützige Gesellschaft von Neumünster 175 Gegründet 1831 Jahre

2006Chronik Impressum

Herausgeber Gemeinnützige Gesellschaft von Neumünster (GGN), Zürich Text 175 Jahre Gemeinnützige Gesellschaft von Neumünster Bilder Archiv Antiquarische Gesellschaft Zürich Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich Archiv GGN Archiv J.E. Schneider Foto L. Brummer, Zürich Werner Pfister, Zürich Frau B. Zwahlen, APWH Abbildung Titelseite Zürichbergstrasse 15: Haus zum «Plattenhof», zweites Altersasyl der GGN ab 1911; Lithographie von 1864 Abbildung Umschlag hinten Der Plan der Kirchgemeinde Neumünster, datiert 1835–1839, stammt aus dem GGN-Archiv und ist vemutlich eine später erstellte Kopie. Der Plan wurde damals von Hofer & Burger Zürich hergestellt. Der gleiche Plan befindet sich auch in einer vollständigen Ausgabe der Chronik der Kirchgemeinde Neumünster. Gestaltung/Druck Fotorotar AG, Egg ISBN-Nr.: 3-905647-26-5

© 2006 GGN, Zürich

Bezugsmöglichkeiten Gemeinnützige Gesellschaft von Neumünster, Minervastrasse 144, CH-8032 Zürich Inhaltsverzeichnis

1 Vorwort Die GGN – eine Chronik von 175 Jahren

1 Vom Gemeinnutz des Bildungsbürgertums 9

2 Getrennte Wege – dasselbe Ziel 13

3 Die soziale Situation in «Neumünster» Mitte des 19. Jahrhunderts 17

4 Von Sparkassen, Sparmarken und einem Aktienbauverein 21

5 Die Frauen gehören eigentlich ins Haus und haben etwas «auf der Platte» 25

6 Von der Sonntagsschule zur Gewerbeschule 28

7 «Lese- und Leihbibliothek» erschliesst den Weg zur Bildungsliteratur 32

8 Kleinkinder- oder Spielschulen entstehen 36 2 9 Keine «Lösung durch einen Bruderkrieg»: Schweizer Patrioten stehen zusammen 39

10 Die Turnerbewegung will den gesunden Geist fördern 43

11 Der Weg Zürichs von der Fluss- zur Seestadt 47

12 Die Aufklärung wirkte im Vortragswesen nach 50

13 Alterspolitik – Herausforderung gestern und heute 54

14 Alterspolitik – eine Daueraufgabe 58

15 Atemholen, durchhalten und voranschreiten – wie seit eh und je 63

Die GGN 2006

Der Festakt 175 Jahre GGN 67

Die GGN 2006 – eine Standortbestimmung 71

Die Aktivitäten der GGN 2006 77 3 Statistische Angaben zum Alters- und Pflegewohnheim Neumünster 80 Vorstand und Kommissionen der GGN im Jubiläumsjahr 2006 81

Vorwort

Am 1. Februar 1831 wurde von Dr. med. sozialen Entwicklungen im Staatwe- Ulrich Bosshard, Arzt in , sen Bezug nehmen und so Verständnis Johann-Friedrich Sieber, Kaufmann in schaffen für den heutigen Stellenwert , und Johann-Jakob Streuli, der privaten gemeinnützigen Tätig- Fabrikant in Riesbach, die Gemein- keit. Der Vorstand beauftragte Dr. Jürg nützige Gesellschaft von Neumüns- E. Schneider, Archäologe und Historiker, ter (GGN) gegründet. Sie ist heute im mit der Erarbeitung von 15 Texten, die 175. Jahr ihres Bestehens eine der ältes- im Laufe des Jahres 2005 in loser Folge in ten privaten und gemeinnützigen Insti- der Zeitung «Zürichberg» erschienen. tutionen der Stadt Zürich und blickt auf Damit konnte im erweiterten Einzugs- eine überaus reiche und wechselvolle bereich von Neumünster, den Quartie- Geschichte zurück. ren Hottingen, Hirslanden, Riesbach, und , einer breiteren Unter den bisherigen GGN beschrei- Leserschaft aufgezeigt werden, was die benden Publikationen sticht die 1889 von GGN damals war und wie sie im heute ihr herausgegebene «Chronik der Kirch- dicht geknüpften sozialen Netz der Stadt gemeinde Neumünster» heraus: Ein ihren Platz behauptet. reich ausgestattetes Werk, das über die Tätigkeit der Gesellschaft weit hinaus- Diese Artikelserie ergänzt durch Texte greift und vor allem wegen des Bild- und über die heutige GGN und den Festakt Kartenmaterials heute noch sehr gesucht im Februar 2006 bildet den Kern der ist. Eine zeitgemäss eher bescheiden aus- nun vorliegenden und zur Generalver- gefallene «Denkschrift» erscheint 1931 sammlung erscheinenden Festschrift. zum 100-jährigen Bestehen; die detail- Wir wünschen dem Werk eine gute Auf- genaue und sehr lesenswerte Broschüre nahme bei seinen Lesern. Wie seine Vor- mit dem Titel «150 Jahre Gemeinnützige gänger möge es Zeugnis davon ablegen, Gesellschaft von Neumünster», verfasst wie sich die Tradition der Gemeinnüt- von Pfr. A. Ruhoff, macht 1981 den vor- zigkeit in der Stadt Zürich entwickelt hat läufigen Abschluss. und welchen Stellenwert Freiwilligkeit und Ehrenamtlichkeit in unserer Gesell- Wie nun angesichts dieser Publika- schaft auch heute noch einnehmen. tionen im Jahr des 175-jährigen Beste- hens zu verfahren sei, wurde in der mit den Jubiläumsarbeiten befassten Kom- mission des GGN-Vorstandes einge- Dr. Andreas Müller hend diskutiert. Schliesslich entschied Präsident der GGN seit 1996 man sich für eine mediengerechte, aktualisierte Gesamtschau der GGN- Leistungen. Sie sollte vor allem auf die Zürich, im Juni 2006

1 Vom Gemeinnutz des Bildungsbürgertums

Den Boden für die Gründung der «Gemeinnützigen Gesellschaft Neumünster» war die Aufklärung. Wie es in Zürich dazu kam, zeigt der folgende Beitrag auf.

Der Boden für eine Gesellschaft von meinnützige Gesellschaft Zürich- Menschenfreunden, die sich die Hilfe und kurz danach die Gemeinnützige zur Pflicht machte, war durch die Auf- Gesellschaft der Kreuzgemeinde (Neu- klärung des 18. Jahrhunderts und die münster), deren Anfänge ins Jahr 1830 Ideen der Französischen Revolution zurückreichen. vorbereitet. Unter dem Vorsitz des Zürcher Arztes Die Gründung der Gemeinnützigen Hans Caspar Hirzel traten im Mai 1810 Gesellschaft von Neumünster Dr. Jürg E. Schneider, in Zürich aus 13 Kantonen 63 Männer Am 1. Februar 1831 traten auf die Anre- Zürich, Historiker zusammen und gründeten die Schwei- gung der drei Initianten Dr. med. Ulrich und Archäologe zerische Gemeinnützige Gesellschaft. Bosshard von Hottingen, Johann Fried- Nach ihren ersten Satzungen wollte sie rich Sieber, Kaufmann von Hirslanden, gegen Unglück und Elend der Bewohner und Johann Jakob Streuli-Bleuler, Fa- der Schweiz ankämpfen und zu deren brikant von Riesbach, eine Anzahl fort- Linderung das Möglichste beitragen. schrittlich gesinnter Männer zusammen Hirzel hatte schon 1799 die zürcherische und gründeten – bezugnehmend auf ihre Hülfsgesellschaft ins Leben gerufen, die Pfarrkirche zum Kreuz (vgl. Abb. 1) die sich tatkräftig für die Kriegsopfer als Gemeinnützige Gesellschaft der Kreuz- Folge des Untergangs des Ancien Régime gemeinde, die sich aber bereits 1834 den einsetzte. Er war auch Mitglied der 1761 Namen Gemeinnützige Gesellschaft von gegründeten Helvetischen Gesellschaft, Neumünster gab. der auch Heinrich Pestalozzi angehörte «Die Motive zur Gründung» werden und die sich für ein überkonfessionelles im ersten Protokoll dargelegt: « … be- Zusammengehörigkeitsgefühl unter den sonders bezeichnet ist der wohltätige Eidgenossen stark machte. Einfluss, der sich von dem freundschaft- Bereits 1828 setzte sich die Gemein- lichen Zusammentreten und den freien nützige Gesellschaft der Schweiz zum Beratungen wohlgesinnter Männer der Zweck: die Förderung der Volksbildung, drei verschiedenen Ortschaften (Ries- des Gewerbefleisses und der Armen- bach, Hottingen und Hirslanden) für pflege. Hierin sah sie sich unterstützt das Beste der Gesamtgemeinde erhoffen durch die kantonalen gemeinnützigen lasse, ferner die Möglichkeit einer Ein- Gesellschaften, die nach 1810 allenthal- wirkung auf Erziehungswesen, Gewerbe, ben entstanden. Landwirtschaft und besondere Gemein- Im gleichen Sinn und Geist arbeite- deangelegenheiten.» ten die ebenfalls in diesem Zeitraum Eine erste «Ordnung» (Statuten) gegründeten Bezirks- oder städtischen gab sich die GGN im Jahre 1836 (vgl. gemeinnützigen Gesellschaften in den Abb. S.10). Der Zweckartikel lautete Kantonen Aargau, Bern, St. Gallen, So- damals: «Die Gesellschaft hat zum lothurn und Thurgau. In Zürich war Zweck, allen für das Gemeinwohl sich es als erste die 1831 gegründete Ge- interessierenden Einwohner der Kirch­

9 gaben, die uns gegenwärtig als selbst- verständliche Institutionen erscheinen in einem grösseren Gemeinwesen, die aber damals eine energische Initiative bedeuteten auf dem Wege, den dann die Staats- und Gemeindebehörden in späteren Zeiten einschlugen. Zudem darf nicht übersehen werden, dass in jenen Tagen die Gründung von Verei- nen und Gesellschaften nicht so leicht vonstatten ging wie heute, wo man vor lauter Vereinen bald die eigenen Fami- lienmitglieder nicht mehr kennt; es war damals eine Tat, und wenn unsere Väter sie unternahmen, so geschah es nur nach reiflichster Erwägung und Prüfung der gegebenen Verhältnisse.» Die GGN zählte von Anfang an­ 84 Mitglieder und erhöhte sich bis zur Jahrhundertwende auf über 1000. Das Präsidium wechselte anfänglich bei je­der monatlichen Sitzung, die jeweils am ers- ten Mittwoch eines Monats stattfand.

Das Gemeinwesen Neumünster Am 2. März 1831, anlässlich der zweiten Zusammenkunft, wird im Protokoll- buch eine von Johann Jakob Streuli- Bleuler erhobene Aufstellung «über Bevölkerung und Fremdarbeiter in der Kreuzgemeinde» aufgelistet. Es wird festgehalten: « … dass die Bevölkerung Seite 164 aus dem gemeinde Neumünster einander näher im Ganzen 3717 Seelen zählt; und zwar ersten Protokollbuch zu bringen und durch deren Gesamtheit 1584 Bürger und 2133 Ansässen». Hievon der GGN mit der 1836 wohltätige, dem jeweiligen Zeitbedürf- fallen auf Hottingen 1419 Einwohner: formulierten Ordnung nis angemessene, Institute ins Leben zu 426 Bürger beziehungsweise 993 Ansäs- (Statuten). rufen; überhaupt alles kräftigst fördern sen; auf Hirslanden 1060 Einwohner: Bild: Archiv GGN zu helfen, was zum Nutzen und From- 682 beziehungsweise 378; auf Riesbach men des ganzen Vaterlandes oder auch 1238 Einwohner: 476 beziehungsweise nur einzelner Korporationen oder Indi- 762. Der Gemeindepfarrer zum Kreuz, viduen dienen kann.» Johann Jakob Füssli, gab an derselben Die 1889 erschienene «Chronik der Sitzung eine weit geringere Zahl zu Pro- Kirchgemeinde Neumünster» stellt tokoll: Von der Gesamtheit von 2162 rückblickend zum Gründungsakt von Seelen in der Kreuzgemeinde fallen auf 1831 fest: «Jene Männer fühlten den Hottingen 648, auf Hirslanden 786 und Flügelschlag der neuen Zeit, die nach auf Riesbach 728. neuen Hilfsquellen für die Entwicklung Aufschlussreich und für die Zeit na- des kommunalen und wirtschaftlichen hezu einzigartig sind die weiteren Aus- Lebens suchten. Sie verbanden sich zur führungen: «Ausser der Landwirtschaft an Handnahme und Lösung von Auf- werden 112 verschiedene Gewerbsarten

10 betrieben: 27 zünftige Handwerker, tigkeit völlig selbständig auf mannig- 24 zum Fabrikwesen gehörend, 6 ins fache Weise dem Volkswohl dienend Gebiet der Wissenschaft und Kunst segensreiche Vorarbeit leisteten. ­einschlagend, 11 dem Handelswesen In der Gründungszeit der GGN stand zugehörend, 44 verschiedene besondere das Problem der Überalterung noch Arten von Handarbeit. nicht auf der Prioritätenliste. Die mitt- Am zahlreichsten sind die folgenden lere Lebenserwartung betrug 1840 nur Abteilungen: Seidenweberinnen 230, gerade 34 Jahre! Eine Zahl, die identisch Seidenwinderinnen 99, Zettlerinnen 41, ist mit derjenigen der Bevölkerung auf Näherinnen 119, Wäscherinnen 51. Zu- dem hochmittelalterlichen Fraumüns- sammen 540. Landwirte 209, Schuster 60, terfriedhof (10. bis 12. Jahrhundert), Schreiner 52, Schneider 43, Handlanger dem Ort des späteren Münsterhofes. Im in Färbereien 59, Taglöhner 110.» Weiter, Mittelalter wie noch in der ersten Hälfte aber ohne Zahlenangabe, werden noch des 19. Jahrhunderts lebten Alt und Jung die Berufe der Büchsenmacher, Gerber, in der Grossfamilie – meist auf engstem Gürtler, Hutmacher, Kammmacher, Raum – zusammen. Knopfmacher, Korber, Nadler, Sattler, Kupfer- und Zeugschmiede aufgeführt. Die ersten Unternehmungen Die Heimarbeit war – wie aus obigen der GGN (1831 bis 1839) Zahlen ersichtlich wird – noch in der In den neun Jahren ihres einheitlichen frühindustriellen ersten Hälfte des ­ Bestandes nahm die Gemeinnützige Ge- 19. Jahr­hunderts der wichtigste Wirt- sellschaft von Neumünster fünf grosse schaftszweig, der allerdings nur ein Unternehmungen an die Hand: ­kärgliches Einkommen brachte. – Der 1. Noch im Stiftungsjahr wurde 1831 Staat war damals noch weit davon ent- eine «zinstragende Ersparniskasse» er- fernt, für das wirtschaftliche Wohl der öffnet, die bereits 271 Einleger mit 7285 Gemeinschaft Sorge zu tragen. Hier Franken zählte und von da an in ein blü- waren es die gemeinnützigen Gesell- hendes Wachstum eintrat. schaften, die in ihrer landesweiten Tä-

Die Kreuzkirche, der häufige Sitzungsort der GGN, stand bis zum Abbruch von 1839 auf dem Kreuzplatz im Bereich der heutigen Tramwartehalle­ von 1917/18. Bild: Baugeschicht- liches Archiv der Stadt Zürich

11 2. 1832 wurde die «Arbeitsschule für 5. 1836 wurde die Gründung einer Mädchen» gegründet. Im Jahre 1859 erst «Waisengesellschaft» angeregt und im wurde durch das neue Unterrichtsgesetz Januar 1837 unter dem Vorsitz von Pfar- die Arbeitsschule als obligatorisches rer Füssli konstituiert, getreu dem mo- Lehrfach erklärt und gelangte damit in difizierten Bibelwort «Was Ihr einem die sorgende Aufsicht des Kantons. dieser Geringsten tut, das habt ihr mir 3. Als dritte Stiftung ist die Schaf- getan. Und wer ein solches Kind auf- fung einer «Lese- und Leihbibliothek» nimmt in meinem Namen, der nimmt im Jahre 1833 zu nennen. Damit wurde mich auf.» Damals wurde eine Wai- einem anderen vermeintlich fühlbaren senpflege ernannt, die aus zehn männ- Mangel abgeholfen. lichen und fünf weiblichen Mitgliedern 4. 1834 wurde durch Beschluss die bestand. «Führung einer Chronik» ins Leben ge- Mitglieder der Waisengesellschaft wur- rufen. Während knapp 50 Jahren wur- den alle Bewohner von Neumünster, die den unter der weitblickenden Leitung sich zu einem grösseren oder kleineren des Riesbacher Gemeindepräsidenten jährlichen Beitrag verpflichteten. Jedes Hans Konrad Bleuler geschichtliche Mitglied hatte die Aufsicht wenigstens Aufzeichnungen über die Entwicklung über eine Waise zu übernehmen. der drei Kreuzgemeinden gesammelt, Die von der Armenpflege übergebenen die dann 1889 im Selbstverlag der GGN Kinder wurden nicht in einer Anstalt als «Chronik der Kirchgemeinde Neu- untergebracht, sondern «in ehrbaren münster» herausgegeben wurde. Sie Haushaltungen in oder ausser der Ge- darf bis zum heutigen Tag als ein vor- meinde versorgt und unter die Aufsicht bildliches Werk einer Ortsgeschichte ge- von besonderen Waiseneltern gestellt». nannt werden. Von den 275 Waisen, die der Gesellschaft im Laufe der ersten 50 Jahre übergeben wurden, stammten 85 von Hottingen, 78 von Riesbach, 59 von Hirslanden, 45 aus andern Gemeinden des Kantons und 8 von auswärts. Unter den Letzteren waren zwei Knaben aus Buchs/St. Gallen, die bei der grossen Überschwemmung des Rheintals im September 1868 von der Waisenpflege hierher gebracht, ver- sorgt und gut erzogen wurden. Dasselbe geschah im Oktober 1881 nach dem Bergsturz von Elm mit einem weiteren Knaben. Im Jahre ihres 50-jährigen Be- stehens (1888) betreute die Waisenge- sellschaft 35 Zöglinge, von denen 11 in Neumünster und 24 auswärts unterge- bracht waren.

Der Plan der Kirchgemeinde Neumünster, datiert 1835–1839, stammt aus dem GGN-Archiv und ist vemutlich eine später erstellte Kopie. Der Plan wurde damals von Hofer & Burger Zürich hergestellt. Der gleiche Plan befindet sich auch in einer vollständigen Ausgabe der Chronik der Kirchgemeinde Neumünster.

12 2 Getrennte Wege – dasselbe Ziel

Die «Atheisten» gegen die «perfiden Aristokraten»? Der Züriputsch von 1839 führt zum Schwesternzwist: Die «Gemeinnützige Gesellschaft von Neumünster» spaltet sich auf.

Glaubensfreiheit bedeutet Freiheit vor kirchlicher Nötigung, aber auch vor staatlichem Zwang in religiösen und kirchlichen Fragen. Diese heute selbst- verständliche Aussage gehörte in der Zeit zwischen der Helvetik und der Gründung und Etablierung des Schwei- zerischen Bundesstaates von 1848 noch keineswegs zum gültigen Gedankengut. Ausgelöst wurde der Züriputsch durch die durch den seit 1830 amtierenden li- beral-radikalen Regierungsrat getrof- fene Wahl von David Friedrich Strauss zum Professor der Theologie an der eben erst gegründeten Zürcher Univer- sität. Der «Straussenhandel» – Strauss wurde von den Konservativen als Athe- ist bezeichnet, ja von vielen als Atheist verschrien – führte zu einer Spaltung der kirchlichen Bevölkerung und am 6. September 1839 zum Sturm der auf- gehetzten, konservativ eingestellten Land­bevölkerung über die neu eröffnete Münsterbrücke zu dem am Paradeplatz gelegenen Zeughaus. Zürich war an die- sem Tag im Kriegszustand. Es gelang den Kavalleristen des kantonalen Mili- tärs, die aufgebrachte Masse von Bauern in die Flucht zu schlagen. Der Tag for- derte 23 Tote, und die aus diesen Unru- hen resultierenden Neuwahlen brachten für einige Jahre eine konservative, die Situation wieder beruhigende Mehrheit Kirche Neumünster. Bedeutendste (spät-)klassizis- an die Macht. tische Kirche Zürichs, in beherrschender Lage auf einem sanften Moränenhügel, erbaut 1836–39 von Die Trennung Leonhard Zeugherr. Längsrechteckige Anlage Der im «Züriputsch» von 1839 vorüber- mit Frontturm und Quertrakten. Eine grosszügige gehend erfolgreiche Widerstand der Zür- Treppenanlage führt zur ionischen Antenhalle. Bild: Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich cher Konservativen – die NZZ nannte sie damals die «perfiden Aristokraten»

13 – gegen die liberalen Rationalisten und Gemeinnützigkeit Raum genug, um ne- «Atheisten» – wie sie von diesen geheis- beneinander Werke zu Schaffen hüben sen wurden – führte auch zu einer Tren- und drüben, die ihre Urheber ehrten nung der GGN in zwei Gesellschaften. und zum gemeinen Wohle dienten.» Es war «ein Gebot der Klugheit, dass Die Geschäfte der getrennt handeln- die beiden Flügel Liberale und Konserva- den Gesellschaften in der Zeit zwischen tive nun getrennt marschierten, jedoch 1839 bis 1887: beide bereit und willig waren, wie bisher in gemeinnützigem Sinne für das Wohl Gemeinnützige Gesellschaft der Gemeinde zu wirken», schreibt der von Neumünster Verfasser, alt Pfarrer Alfred Ruhoff, in der – 1840 Gründung einer Kranken-Unter- 1981 erschienenen Erinnerungsschrift stützungsgesellschaft, die sich jedoch «150 Jahre Gemeinnützige Gesellschaft bald selbständig machte. von Neumünster Zürich». Die neue Ge- – 1851 Schaffung einer Sonntagsschule, sellschaft nannte sich im Unterschied die später als Schreib- und Zeichen- zu der bisherigen GGN «Gemeinnützige schule als gewerbliche Fortbildungs- Gesellschaft des Wahlkreises Neumüns- schule galt. ter» (GGWN). Zum Wahlkreis gehörten – 1869 Eröffnung der ersten Spielschule ausser Hottingen, Riesbach und Hirs- (Kleinkinderschule) an der Feld- landen auch die Gemeinden Fluntern, eggstrasse 77 in Riesbach. Die zweite Zollikon und Witikon. Spielschule folgte 1872 an der Ham- «Interessanterweise», so schreibt Ja- merstrasse 4. kob Ritzmann, einer der Mitverfasser – 1874 wurde das Altersheim Helfenstein der knapp ein Jahrhundert früher, näm- für 15 Insassen geschaffen. lich 1889, erschienenen «Chronik der – 1880 folgt die dritte Spielschule an der Kirchgemeinde Neumünster», «war es Freiestrasse 100 in Hottingen. gerade das Jahr, da die neue Kirche ein- – 1886 wurde für kurze Zeit ein Spar- geweiht wurde (vgl. Abb. S.13) und die markensystem ins Leben gerufen. drei Gemeinden den Namen Kirchge- meinde Neumünster annahmen. Hier Gemeinnützige Gesellschaft ein Werk der Einigung, dort eines der des Wahlkreises Neumünster Trennung». Der Chronikschreiber fol- – 1842 gründete sie eine Sparkasse und gert dann weiter: «Die Probezeit von fast 1859 eine Vorschuss- und Leihkasse, einem halben Jahrhundert hat bewiesen, welche beide eine segensreiche Tätig- dass der damalige Entscheid gerechtfer- keit entfalteten. tigt war auf Grund der alten Wahrheit: – 1859 wurde ein Stipendienfonds für Besser getrennt marschieren und ver- Lehrlinge in Handel und Gewerbe ge- eint schlagen, als vereint marschieren gründet. mit heimlichem Kriegsgroll im Herzen. – 1862 erfolgte die Errichtung einer Ba- So marschierten denn die beiden Ge- deanstalt, die zehn Jahre später von sellschaften getrennt, nicht um sich ge- der Gemeinde Riesbach übernommen genseitig aufzureiben in törichtem Hass, wurde. sondern um im regen Wetteifer, die eine – 1864 wurde eine Pferdebahn zwischen in engen, die andere in weiteren Gren- Tiefenbrunnen und Hauptbahnhof zen, alles zu fördern, was in die Sphäre angeregt, die später dann auch ver- gemeinnütziger Tätigkeit einschlug. wirklicht wurde. Man lernte sich auch bei verschiedenen – 1872 entstand der Aktienbauverein, religiösen Überzeugungen als Männer der in Hottingen ein ganzes Quartier von Charakter und ehrlichem Streben einfacher, gesunder Wohnbauten ent- achten und fand auf dem weiten Feld der stehen liess.

14 So sah das Titelblatt des Festspiels die «Zwei Schwestern» aus, welches am 16. Februar 1887 stattfand. Bild: Archiv GGN

– 1885 wurden Kurse für erste Hilfe des «Hülfsvereins Neumünster», der bei Unglücksfällen und sachgemässe sich die Aufgabe freiwilliger Liebestätig- Krankenpflege durchgeführt. Dieses keit für Arme und Kranke stellte. Angebot führte zur Gründung des Sa- maritervereins Neumünster. Die Wiedervereinigung – 1885 folgten ebenfalls Kochkurse für An der Stiftungsfeier vom 16. Februar Töchter. 1887 im Restaurant Ochsen am Kreuz- Der Inhaber der Pfarrstelle an der Neu- platz haben 76 Mitglieder und 68 Da- münsterkirche, der 1860 im Amt ein- men teilgenommen. Der Höhepunkt gesetzte freisinnige Pfarrer Gottfried nach dem Festakt stellte das eigens Hiestand, förderte die Idee der Wieder- für diesen Anlass geschaffene Fest- vereinigung und unterstützte 1880 brü- spiel, die «Zwei Schwestern», von Emil derlich die Wahl von Adolf Ritter, eines Aeppli dar. Pfarrkollegen der positiven Richtung. Im Prolog der «Zwei Schwestern» tritt Vornehmlich auf Hiestands Betreiben die Gestalt der «Liebe» auf und spricht unterstützten beide Gemeinnützige Ge- über den Beweggrund der Stiftungs- sellschaften bereits 1862 die Gründung feier:

15 Doch Euer Feste ist weder Tand noch Spiel, Der neue Präsident, der positive Theo­ Ein höher Streben adelt Euer Ziel – loge Adolf Ritter, welcher als zweiter Und wenn in Stahl und Eisen starrt die Welt, Pfarrer an der Neumünsterkirche 1880 Die Liebe ist’s, die sie erwärmt, erhält. in sein Amt eingesetzt worden war, gab «Zwei Schwestern» so ist dieses Spiel genannt – Die Schwestern sind Euch allen längst bekannt; hernach in seiner Ansprache der Freude «Wahlkreis» und «Kirchgemeinde» sind es wohl, Ausdruck: «Die Zeit heilt Wunden und die sie allhier vertreten als Symbol, gleicht die Gegensätze aus, sie einigt Wahlkreis und Kirchgemeinde, wie sie nun Getrenntes, sie versöhnt die Herzen, sie Verwoben sind, gemeinsam wohlzutun. – stiftet Frieden und bringt sogar Gemein- Die Schwestern sind’s, die mit des Morgens Glüh’n nützige Gesellschaften wieder zusam- Am Ort erschienen, deren stetes Müh’n men!» Eingedenk dessen, was die beiden Dem Kampfe gegen Sorg’ und Elend gilt einst getrennt hatte, hielt er apodiktisch Und deren Tat viel Leid, viel Kummer stillt. weiter fest: «Die neue Gesellschaft soll nie religiöstheologische Lebensfragen Im Stück treten dann die beiden seit diskutieren, die damals zur Trennung knapp 50 Jahren getrennten Schwestern geführt und Verwirrung und Missver- auf, begleitet von der Göttin der Hu- ständnis verursacht haben. Auch die manität. Die «Humanität» nennt in der Lärmtrommel der Politik soll unter uns Folge die beiden Schwestern «Priesterin- weder Raum noch Tor finden.» nen» und fasst in ihrem vorletzten Auf- Die Wiedervereinigung der beiden tritt die Zeit der Trennung zusammen Gemeinnützigen Gesellschaften führte und bittet, ja fordert sie auf, zu gemein- zu einem Bestand von 254 Mitgliedern. samem Tun: Die GGN gab sich am 4. Juli 1894 neue Statuten. Der Zweckartikel lautet seither Noch vieles schuft Ihr, mir blieb nichts verborgen, kurz und bündig: «Die Gesellschaft stellt Ob’s Euer Mund bescheiden auch verschweigt, sich zur Aufgabe, im Sinne gemeinnüt- Im Kampf habt gegen Elend, gegen Sorgen zigen Strebens tätig zu sein.» Ihr Mannesmut und Männerkraft gezeigt; Doch Euer Fühlen, Euer zartes Sinnen, Erschafft hienieden schon das Himmelreich; In Eurem Fühlen seid, o Priesterinnen, Ihr teure Schwestern, Kindern, Engeln gleich – Allein ist Jede ihren Pfad geschritten, Auf dem sie nur das Schönste, Beste schuf – Lasst, holde Priesterinnen, heut’ Euch bitten, Und übt vereint den göttlichen Beruf. Denn was Ihr einzeln mühsam nur erschafft, Das wirkt mit leichter Müh’ vereinte Kraft.

16 3 Die soziale Situation in «Neumünster» Mitte des 19. Jahrhunderts

In der Kirchgemeinde Neumünster herrschte Mitte des 19. Jahrhunderts in weiten Bevölkerungskreisen grosse Armut. Doch die Gemeinnützige Gesellschaft Neumünster kämpfte dagegen an.

Im kantonalen «Gesetz über die Ver- an die Bedürftigen wieder zu verkaufen hältnisse der Fabrikarbeiter» vom (vgl. Abb. 1). 24. Oktober 1859 wurde die tägliche Im harten Winter 1854/55 bildeten ­Arbeitszeit für Kinder unter 16 Jahren beide gemeinnützigen Gesellschaften auf höchstens 13 Stunden, an Samstagen je eine weitere Aktiengesellschaft für auf 12 Stunden und für Alltagsschüler den Ankauf grosser Quantitäten von auf 5 Stunden eingeschränkt. Kinder Lebensmitteln, um diese anschliessend «durften» erst nach dem zurückgelegten wieder an arme Haushaltungen un- 14. Altersjahr in die Fabrik gehen. ter den Marktpreisen zu verkaufen. So In der Abstimmung vom 24. April konnte damals das Viertel Kartoffeln (ca. 1870 wurde der «Entwurf eines kanto- 15 Kilo) zu Fr. 1.50 veräussert werden, nalen Fabrikgesetzes», welcher unter während der Marktpreis Fr. 1.75 betrug. anderem die Arbeitszeit für Erwachsene auf zwölf Stunden festsetzte, die Nacht- Dirnenwesen, Konkubinat arbeit beschränkte und Frauen und Kin- und allgemeine Liederlichkeit der vor Anstrengungen schützen sollte, Der Visitationsbericht von 1825 hält im Kanton mit 27 000 gegen 18 000 Stim- nüchtern fest: «Manches bleibt zu wün- men wuchtig verworfen; auch die Neu- schen übrig in Hinsicht auf zweideutige münster-Gemeinden legten beträchtlich Pintenschenken.» mehr Nein als Ja in die Urne. Der Visitationsbericht von Pfarrer Im März 1877 wurde dann ein «Bun- Füessli aus dem Jahre 1830 wird in die- desgesetz betreffend die Arbeit in den sem Punkt deutlicher: «Schlechte Wirt- Fabriken» erlassen, das die tägliche Ar- schaften hat es eine Menge; aus der Stadt beitszeit auf elf Stunden, für Vorabende werden die Dirnen allerdings kurzweg von Sonn und Feiertagen auf zehn fortgewiesen, aber die guten Landge- Stunden normierte und bezüglich der meinden müssen dieses Ärgernis gedul- Beschäftigung von Frauen und Min- dig tragen. Die Wirte rechtfertigen sich derjährigen schützende Bestimmungen mit dem Ohmgeldgesetz (eine Steuer aufstellte (1868 wurde die Volljährigkeit auf den Alkoholausschank), das sie dar- von 24 auf 20 Jahre gesenkt). auf anweise, so viel zu verdienen als nur Angesichts der grossen Armut in möglich.» ­weiten Bevölkerungsschichten wurde Im Protokoll der GGN vom 3. Juli 1844 1846 auf Anregung der GGN und unter forderte der Vorstand die «Errichtung Mitwirkung der drei Gemeindepräsi- eines Korrektionshauses … und findet denten eine Aktiengesellschaft gegrün- die (kantonalen) Gesetze so weitherzig, det mit dem Zweck, Lebensmittel zu dass sogar das Konkubinat im Kanton möglichst billigen Preisen anzuschaf- ungestraft geduldet werde, was mit eine fen und sie dann zum Selbstkostenpreis wesentliche Quelle der Armut sei … weil

17 (oben erwähnten informellen) Berich- ten erwähnt: die unverschämteste Be- gehrlichkeit des müssigarmen Schlem- mers, die Unzuchtsünden des armen Wollüstlings, der unnatürliche Leicht- sinn des liederlichen Familienvaters, der Weib und Kinder im Stiche lässt und un- gestraft das Konkubinat übt, plündern die Armengüter, brandschatzen die Ge- meinden, und der leichtsinnigste, empö- rendste Trotz und Hohn dieser Nichts- würdigen lähmen die Massnahmen der Behörden und machen sie überdrüssig, weil sie keine Autorität haben. Geben Sie diesen Behörden endlich gesetzliche Au- torität gegen diese Räuber, verwahren sie diese wüsten Unholde in Zuchtanstalten und applizieren Sie denselben die Wahl- sprüche: ‹Bete und arbeite› und ‹Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen› – und es wird besser werden.» Das Protokollbuch der GGN hält in den 50er und 60er Jahren des 19. Jahr- hunderts erneut fest, dass die Trunk- Notleidende ­Fami­lie. durch diesen lasterhaften Leichtsinn … sucht, die Spielsucht (Lotto- und Hasard- Der Kupferstich und durch dessen Folge eine Menge un- spiele), das Übersitzen in den Kneipen erschien 1817 ehelicher Kinder die Armengüter be- und die Liederlichkeit weitverbreitet im XVII. Neujahrsblatt lästige». Bereits früher hatte die GGN seien. Die Folge davon seien Armut und der Zürcherischen in mehreren informellen Berichten den Zerfall der Familie und führe allenthal- ­Hülfs­gesellschaft. Bild: Archiv Grossen Rat (heutiger Kantonsrat) auf ben zu lästigem «Gassenbettel» durch J. E. Schneider dieses Malaise aufmerksam gemacht, im Kanton umherziehendes Bettelvolk. aber offenbar keine Antwort darauf er- Dies zu ahnden lag damals in der halten. Am 9. September 1844 ging die Kompetenz der Kirchenpflege. Sie hatte GGN in den Angriff über und reichte bis 1876 die Befugnisse einer Polizeibe- dem Grossen Rat eine in scharfem Ton hörde und sorgte für die Sonntagsruhe abgefasste Petition ein. Darin steht unter und den Anstand auf den Strassen, aber anderem: «Wir können nur bedauern, auch für Frieden und gute Sitte in den dass Sie bis anhin keine Zeit gefunden Häusern. Sie war auch die erste Versöh- haben, in dieser nötigsten Sache zu han- nungsinstanz für strittige Ehen und die deln, da Sie die beste Zeit über Motionen häufigen Vaterschaftsklagen. und unerquickliche Parteienfragen ver- wenden müssten, währenddem verschie- Prunksucht dene wirkliche Volksinteressen in den Im Protokoll vom 2. März 1842 wird Hintergrund kämen … Nun müssen wir erstmals im Zusammenhang mit einem (Sie) noch auf die äusserst nachteiligen weitverbreiteten Personalmangel in der Folgen aufmerksam machen, die bei län- Landwirtschaft das Thema der Prunk- gerem Fortdauern dieser Zustände für sucht angesprochen und festgestellt: die Armengüter und die Armenbehör- «Weil auch bei dem weiblichen Ge- den ganz gewiss anbrechten (auftreten schlechte eine arge Abneigung gegen den würden). Die sind zum Teil auch in den Bauernstand vorherrsche, weil auch sie

18 glauben, zur Landwirtschaft brauche es den Töchtern in einer solchen, Religi- nur Leute, die sonst zu nichts taugen und onsunterricht erteilt. Auf Ostern und die Verbindung mit einem Landwirte für Weihnachten wird konfirmiert, beide die schlechteste Partie halten …: Daher Geschlechter getrennt … Die Lehrer kommt denn auch, dass selten ein Land- sind brave und wackere Männer und wirt eine gute Partie, das heisst eine geben auch in sittlicher Beziehung den Heirat mit Mitgift machen könne … Der Kindern ein gutes Beispiel.» Bauer kann so ehrlich und gerade heraus Bei den Schüler- und Lehrerzahlen seinen Antrag machen, (er) finde keinen beschränken wir uns auf Hottingen: Eingang mehr: Die Menschen werden – 1834/1837: 160 Alltagsschüler/2 Lehrer nach den Kleidern gemessen, und wenn – 1857: 265 Alltags- und 126 Repetier- dann eben so einer in einem schönen schüler/4 Lehrer Anzuge bei einer Tochter erscheine und – 1869/1870: 320 Alltags- und 92 Repe- recht gut lügen könne, so habe er schon tierschüler/6 Lehrer die Eroberung gemacht, und der Bauer – 1887/1888: 633 Alltags- und 224 Repe- müsse abziehen.» tierschüler/10 Lehrer. In der Chronik der Kirchgemeinde Die grosse Zunahme der Schülerzahl Neumünster ist ein Bericht von 1863 macht in der Gemeinde einen Schul- zitiert, der unter anderem die Genuss- hausneubau nötig, der 1887 eingeweiht und Prunksucht geisselt: «Das Leben ist werden konnte (vgl. Abb. S. 20). in Bezug auf die Beschaffung der man- Der Besuch der Sekundarschule war nigfaltigen Bedürfnisse im Allgemeinen mit hohen Kosten verbunden. Für mit- teurer geworden, besonders aber für die tellose Kinder gab es eine beschränkte Vielen, welche äusserlich prunken, alle Anzahl von Freiplätzen. Erst 1872 wurde Vergnügungen, die sich darbieten mit- der Besuch kostenlos, und das Jahr 1886 machen wollen, ein Streben, das sich in brachte die Unentgeltlichkeit der Lehr- allen Schichten der menschlichen Ge- mittel und Schreibutensilien auf allen sellschaft bemerkbar macht. So veran- Stufen der Volksschule. stalteten jetzt Handwerksgesellen und Übrigens gingen nur knapp fünf Pro- Dienstboten so gut ihre Bälle, wie die zent der Sekundarschüler an höhere Begüterten, und lassen sich mit ihren Lehranstalten, die andern machten den Tänzerinnen nach dem betreffenden «Schritt ins praktische Leben». Lokale hin- und zurückfahren … und Der Sekundarlehrer von Neumünster sie begnügen sich nicht mehr mit ein- und Erziehungsrat Heinrich Näf umriss facher, dauerhafter Kleidung: an Sonn- in seiner Eröffnungsrede zur Schulsyn- tagen hält es schwer, aus der Kleidung ode im Jahr 1868 das Ziel des Schulwe- den Meister vom Knecht, die Hausfrau sens: «Eine gute Volksbildung besteht von der Magd zu unterscheiden.» nicht nur in einer entwickelten Intelli- genz, welche allenfalls zur egoistischen Schule und Religionsunterricht Berechnung des eigenen Vorteils ausrei- Der bereits erwähnte Visitationsbericht chen würde, es gehöre vor allem dazu ein aus dem Jahre 1825 hält dazu kurz und veredeltes Gemüt, aufopfernder Bürger- bündig fest: «Das Verhalten der Lehrer sinn, warme Liebe zur Gesamtheit, zum ist recht, das der Schüler natürlich ver- Vaterlande!» schieden. Die Stillständer (Schulpfleger) erfüllen im Ganzen ihre Pflichten.» Wachsende Bevölkerung Der Visitationsbericht von Pfarrer Die Volkszählung von 1838 ergab für die Füessli aus dem Jahre 1830 ist etwas Kirchgemeinde Neumünster 5411 Ein- ausführlicher: «Am Samstag wird den wohner: Riesbach zählte 1968 (476 Bür- Knaben in einer besonderen Stund, und ger/1492 An- oder Hintersässen), Hirs-

19 landen 1358 (568/790) und Hottingen Fr. 1.50, ein Handlanger Fr. 2.– bis 2.20. 2085 Bewohner (418/1667). In den Seidenfärbereien und im Bau- Und die Bevölkerung wuchs schnell gewerbe erhielten die Arbeitenden noch 1 weiter. 1870 zählte «Neumünster» 13 438 eine Mundportion: nebst ⁄2 Kilo Brot 1 Einwohner: Riesbach zählte 6844, Hirs- pro Person und Tag und 1 ⁄2 Liter Wein, 3 landen 2406 und Hottingen 4192 Be- die Minderjährigen ⁄4 Liter Wein. Zu wohner. Zum Vergleich: Die gesamte diesem «luggen Wein» muss aber gesagt Stadt Zürich hatte 21199, der Kan- werden, dass er damals höchstens 7 bis ton 284 867 Bewohner und die ganze 9 Volumenprozente erreichte und säure- Schweiz 2 670 945 Einwohner. reicher als der heutige war. In Neumünster betrug die Zahl der In der Landwirtschaft erhielt damals Nichtbürger 90 Prozent, davon 16 Pro- ein Knecht Fr. 3.20 bis 5.– Wochenlohn zent Ausländer. und eine Magd Fr. 2.– bis 2.20 neben der Zur Bebauung der drei Gemeinden lie- Verköstigung. gen für 1832 folgende Zahlen vor: In Ries- 1872 kostete 1 Kilo Weissbrot zwi- 1 bach zählte man 361, in Hirslanden 299 schen 50 und 53 Rappen und ⁄2 Kilo und in Hottingen 295 Gebäude. (jes.) vom besten Rindfleisch 75 Rappen. Ein

Der Neubau des Schul- hauses Hottingen aus dem Jahr 1887. Bild: Archiv GGN

Löhne und Lebenshaltungskosten Eimer Wein (120 Liter) zwischen 25 bis Der Unterschied der Tagesentlöhnung in 40 Franken, 1 Viertel Kartoffeln (ca. der Fabrik gegenüber der Hausindustrie 15 Kilo) Fr. 4.50 bis 5.50 und 1 Tanse betrug 1872 in zwei grossen Neumüns- Äpfel (ca. 50 Kilo) Fr. 4.– bis 20.– ter-Betrieben der Seidenindustrie: Der Fleischkonsum betrug 1870 in Weber: 12-stündige Arbeitszeit/ Riesbach 36,5 Kilo, 1880 45,3 Kilo und Fa­brikbetrieb: Fr. 2.– bis 3.50; Hand- der Bierkonsum in der Schweiz 1870 14,1 arbeit/Hausindustrie: Fr. 1.16. Zettle- Liter und 1880 36,2 Liter pro Kopf und rin: Fr. 2.– bis 2.80; Fr. 2.09. Winderin: Jahr. Dies wird auch in den Neumüns- Fr. 1.80 bis 2.40; Fr. 1.56. ter-Gemeinden in etwa das Mass gewe- Im Baugewerbe verdiente 1870 ein sen sein. Vorarbeiter (Polier) Fr. 4.50, ein guter Maurer Fr. 2.70, ein geringer Maurer Fr. 2.50, ein Pflasterbub (Lehrling)

20 4 Von Sparkassen, Sparmarken und einem Aktienbauverein

Zürich war früher kein Bankenplatz. Die GGN machte sich daran, den ­armen Menschen zu helfen. Bereits in ihrem Gründungsjahr schuf die GGN deshalb eine zinstragende Ersparniskasse.

Im April 1755 nahm in Zürich die Bank zeichnete bereits im ersten Jahr 271 Ein- «Leu et Compagnie» ihr Geschäft auf leger mit umgerechneten 7285 Franken. und eröffnete im Rathaus eine Stube. Die eidgenössische Frankenwährung Thomas Ribi schreibt zum 250-Jahr- trat am 1. Januar 1852 ein und löste den Jubiläum der Bank Leu: «Das Kapital zürcherischen Gulden ab. von 50000 Gulden kam vom Zürcher Nach der Trennung in der GGN er- Staatsschatz; den Namen hatte die da- öffnete die Gemeinnützige Gesellschaft malige Staatsbank vom Säckelmeister des Wahlkreises Neumünster (GGWN) und späteren Bürgermeister Johann eine eigene Sparkasse auf den 1. Januar Jakob Leu. Der Weg Zürichs zum in- 1843. Der Zweck war derselbe: «die An- ternationalen Bankenplatz war damals legung und Äufnung von Ersparnissen überhaupt nicht vorgezeichnet. Anders zu ermöglichen und zu fördern, indem als in anderen Schweizer Städten war sie Geldbeträge in Verwahrung nimmt das Geld- und Kreditgeschäft an der und verzinst». Hier wie dort fungierte Limmat wenig entwickelt; kommerzi- eine Anzahl Mitglieder ehrenamtlich elle Kredite beispielsweise waren unbe- als Einnehmer. kannt, lukrative Geschäftssparten wie Die GGWN gründete 1849 noch einen Zahlungen über Wechsel wurden von Sparverein mit dem Zweck, unbemittelte Auswärtigen gepflegt. Das Zürcher Ins- Einwohner zu veranlassen, Sommerer- titut machte sich rasch einen Namen. sparnisse zu machen, um im Winter für Bald gehörten Klöster und Fürstenhäu- den Betrag derselben verbilligte Nah- ser zum Kundenkreis … 1798 wurde das rungsmittel zu beziehen. Allein diese Institut privatisiert …» (NZZ, 21. Januar Institution hatte nur vorübergehenden 2005, Nr. 17). Bestand: Zwei Sparkassen in der Neu- münstergemeinde waren – bei aller ge- Geld arbeitet auch auf dem Land priesenen Spareuphorie – vorerst genug. Zur Zeit der Gründung der GGN gab es In finanziellen Fragen und auf der Su- viel mehr Familien mit bescheidenem che nach Lösungen, wie die finanzielle Einkommen als heute. Diesen armen Besserstellung der Bevölkerung zu er- Leuten zu helfen, war eine der Hauptauf- reichen sei, war die GGWN innovativer. gaben der Gesellschaft. Im Gründungs- 1859/60 gründete sie eine «Vorschuss- jahr wurde denn auch als erstes Werk und Leihkasse». Das Aktienkapital be- eine «zinstragende Ersparniskasse» ge- trug bei der Gründung 380 000 Franken. schaffen, mit dem Zweck, bei der Be- Die Darlehen sollten nach Massgabe völkerung den Sparsinn zu wecken und der Statuten dem Zweck dienen, «den auch in ökonomischer Sicht das Volks- Verkehr, namentlich des Handwerker- wohl zu fördern. Das Institut nahm am und Gewerbestandes, durch Befriedi- 1. Mai 1831 seine Tätigkeit auf und ver- gung der Kredit- und Geldbedürfnisse

21 Paragraph 1 der 1888 zusammengeführten «Sparkasse Neumüns- ter». Bild: Archiv GGN

und durch die Annahme verzinslicher 40 bis 600 Franken im Gesamtbetrag Gelder zu erleichtern». Im ersten Jahr von 6190 Franken ausgerichtet. An wurden 156 Gesuche im Gesamtbetrag Rückzahlungen gingen indes nur 861 von 189130 Franken behandelt, 1888 Franken ein. waren es bereits 1663 Gesuche im Ge- Die zinstragende Sparkasse der GGN samtbetrag von 4 504 791 Franken. führte 1886 Sparmarken im Wert von In das gleiche Jahr fiel auch die Er- 10 Rappen ein, um den Sparsinn auch richtung eines Stipendienfonds für der kleinen Leute zu wecken. Im ers- Lehrlinge, aus welchem junge Bürger- ten Jahr wurden 39 121 Stück verkauft; söhne aus dem Wahlkreis Neumüns- 1887 waren es dann noch 34 576 Stück. ter, auch Kantonsbürger, zur weiteren Der Sparmarkenverkehr führte zu einer Ausbildung für Handel und Gewerbe derart grossen Mehrbelastung des Ver- unterstützt werden sollten. Die Unter- waltungsapparates, dass die Übung ab- stützten verpflichteten sich – bei einer gebrochen wurde. ökonomischen Verbesserung ihrer Si- tuation – zur Rückzahlung der Beträge Sparkasse Neumünster (1887 bis 1910) bei einem Zinssatz von 4 Prozent. Jeder Am 6. Juli 1887 reifte der Entschluss zur Stipendiat stand unter der Aufsicht eines Zusammenlegung der beiden 57 (GGN) Patrons, der über die statutengemässe beziehungsweise 45 (GGWN) Jahre Verwendung der Unterstützungsgelder ­getrennt handelnden Sparkassen (vgl. zu wachen hatte. Abb. 1). Im darauffolgenden Jahr sah die Die Statutenrevision von 1876 erwei- Bilanz der neuen Sparkasse Neumünster, terte die Berechtigung zum Stipendi- die ihren Sitz in Hirslanden, Ecke Eid- engenuss auch auf junge Frauen. – Die mattstrasse/Langasse hatte, wie folgt aus: jungen Leute mussten sich über den – neue Einlagen: 245 722 Franken Abschluss des Sekundarschulbesuchs – zurückbezahlte Guthaben: 225 171 Fran- ausweisen. In der Regel berücksichtigte ken die Stipendienkommission «nur vor- – gutgeschriebene Zinsen der Einleger: zügliche Zeugnisse». 63939 Franken In der Zeit von 1859 bis 1887 wurden – Schuld an die Einleger: 1 924 913 Fran- an 44 junge Leute Stipendien zwischen ken

22 – Zahl der Einleger: 4122 – Vermögen der Anstalt: 2 110 085 Fran- ken – Verwaltungskosten: 6608 Franken – Reservefonds: 184 079 Franken. Mit der Eingemeindung der Vororte 1893 in die Stadt Zürich sah sich die GGN im- mer mehr mit der Tatsache konfrontiert, dass ihr die Grossbanken mit ihren Fi- lialgründungen in den neuen Stadtkrei- sen zu einer echten Konkurrenz heran- wuchsen. Zudem hatten sich seit den 70er Jah- ren die Aufgaben der GGN verlagert. Im Vordergrund standen jetzt vermehrt die freiwillige Liebestätigkeit für Arme und Kranke und die Betreuung alter Men- Ein Bild aus dem Jahr 1890: Sozialer Wohnungsbau schen. Letztere führte zum Erwerb und des «Aktienbauvereins» in Hottingen, Veilchen- Ausbau zweier Liegenschaften, «Helfen- strasse 8–16. Die vorderen und die hintersten beiden stein» (1874) und «Plattenhof» (1911), Häuser (Nr.16/18) wurden 1875 beziehungsweise 1877 errichtet. Die mittleren beiden gehören der zu Altersheimen. zweiten Generation des sozialen Wohnungsbaus in 1910 war es dann so weit: Die seit Neumünster von 1889/90 an. längerem ungünstigen Verhältnisse auf Bild: Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich dem Geldmarkt verschärften den Kon-

23 kurrenzkampf noch weiter und führten gung und Einfriedung belief sich auf: die GGN dazu, die Sparkasse Neumüns- – 7000 bis 9000 Franken für die kleins- ter zu verkaufen. Am 1. Juli wurde sie ten Einfamilienhäuser der Schweizerischen Kreditanstalt ein- – 10 000 bis 13 500 Franken für die mitt- gegliedert. Alt Pfarrer Alfred Ruhoff, leren Zweifamilienhäuser der Verfasser der Festschrift «150 Jahre – 16 500 bis 18 500 Franken für die gros- Gemeinnützige Gesellschaft von Neu- sen Dreifamilienhäuser. münster», schrieb 1981: «Für die Spar- Die Anzahlung betrug bescheidene kasse mit ihren 5200 Einlegern mit über 10 Prozent und die jährliche Amortisa- vier Millionen Spargeldern entstand tion 2 Prozent des Kaufpreises. kein Verlust. Zuletzt blieb der GGN ein Von den zwischen 1873 bis 1880 er- Barbetrag von 20 000 Franken, der spä- richteten 124 Häusern in Neumüns- ter für den Ankauf eines zweiten Alters- ter, Aussersihl und Wiedikon standen heimes Verwendung finden sollte.» 55 soziale Wohnungsbauten auf Hot- tinger und vier auf Hirslander Boden. Im Ein Schrittmacher Jahr 1882 wurde jedem Hausbesitzer in des sozialen Wohnungsbaus Neumünster 900 Franken gutgeschrie- Angesichts der damals herrschenden ben, da sich durch die Liquidation eines Wohnungsnot und der daraus resul- nicht benutzten Teils des Baugeländes tierenden hohen Mietzinse wurde am für den Aktienbauverein ein Mehrerlös 24. April 1872 auf Anregung von Natio- ergeben hatte. nalrat Heinrich Fierz, einem Mitglied der In der Chronik der Kirchgemeinde GGWN, ein Aktienbauverein gegründet. Neumünster wird 1889 stolz festgehal- Dieser sollte auf verschiedenen Plätzen ten: «Unter diesen 50 Hausbesitzern in der Umgebung Zürichs «eine grössere sind so ziemlich alle Stände vom ein- Anzahl einzelner Häuschen in möglichst fachen Arbeiter bis zum Staatsbeamten ökonomischer und rationeller Weise er- vertreten. Wer einen Gang durch diese stellen lasen» und sie hernach zum Selbst- Quartiere macht, wird mit Vergnügen kostenpreis an Arbeiter, Angestellte oder wahrnehmen, wie sauber diese Heimwe- kleine Handwerker verkaufen. sen gehalten sind, ein Beweis dafür, dass Der Preis für diese schlüsselfertigen die Eigentümer sich darin wohl fühlen Liegenschaften mit 2000 bis 3000 Qua- und stets weitere Opfer darauf verwen- dratfuss Bodenfläche, Wasserversor- den.»

24 5 Die Frauen gehören eigentlich ins Haus und haben etwas «auf der Platte»

Dieser provokative Titel soll die Stellung, aber auch das Selbstbewusstsein der Frau im 19. Jahrhundert aufzeigen.

Noch kurz vor dem Übergang zum auf 350 Franken festgesetzt. Über die 20. Jahrhundert konnte 1895 in der hart geleistete Arbeit der «fleissigen Kinder» geführten Diskussion über die Teil- und die Vielfalt der Erzeugnisse gibt uns nahme der Frauen am alljährlichen Stif- das Protokoll vom 3. September 1834 tungsfest der GGN ein gewichtiges Mit- Auskunft: glied aus der Reihe der altväterischen «Hemden 81, Strümpfe 396, grosse, Opposition seiner Überzeugung Aus- gesäumte Fürtücher (Schürzen) 126, druck geben: «Die Frauen sind der Ruin Halstücher 175, Nastücher 285, Ab- des wahren und echten Stiftungsfestes!» tröchner 75». Als dann die Wortführer der Öffnung Das Erlernte sollte nun zu Hause die Mehrheit für sich beanspruchen auch Anwendung finden. Indes waren konnten, meinte ein anderer: «… die die Preise für gutes Arbeitsmaterial und Frauenknechte haben gesiegt.» die dazu notwendigen Werkzeuge ge- Ebenso uneinig war man sich we- rade für die eben erst Ausgebildeten in nig früher im 1851 privat gegründeten den meisten Fällen zu hoch. Erschwe- «Leseverein Neumünster», der seinen rend kam in den 60er Jahren noch dazu, Mitgliedern und ihren Familien Beleh- dass durch Absatzschwierigkeiten in der rungsliteratur zugänglich machen sollte Seidenindustrie der Hausverdienst stark und sich erst 1880 dazu durchringen zurückging. Aus diesen Gründen wurde konnte, den Eintritt in den Verein auch in der Gemeinnützigen Gesellschaft des «einzeln stehenden Damen» zuzugeste- Wahlkreises Neumünster (GGWN) ge- hen. handelt und 1869 ein Verein gegründet.

Arbeitsschule für Mädchen Hausverdienstverein Am 24. Juli 1832 nahm das Projekt «die Die von Nationalrat Heinrich Fierz der Errichtung einer Arbeitsschule für är- Neumünstergemeinde gestifteten 1000 mere kleine und grössere Kinder» Ge- Franken bildeten einen Fonds, der zur stalt an. In der Diskussion wurde damals Anschaffung von Näh- und Seidenwind- deutlich, dass «an der Notwendigkeit maschinen verwendet werden sollte. Die einer solchen gewiss niemand zweifle; Werkzeuge waren nicht als Geschenk man müsse nur auf manche Familie hin- an die bedürftigen Familien gedacht, blicken, deren Mütter nicht imstande sondern wurden ihnen leihweise oder seien, einen Strumpf zu lismen, noch ein käuflich gegen kleine Ratenzahlungen Kleid auszubessern …». überlassen. Die zu Anfang geäusserten Im Spätherbst desselben Jahres öff- Befürchtungen, dass die monatlichen nete die Arbeitsschule ihre Pforte und Amortisationen von 2.50 Franken, spä- fand sogleich in allen drei Gemeinden ter 3 Franken, nicht oder nur mühsam grossen Anklang. Die jährliche Besol- einzutreiben seien und dass manche Ma- dung der Handarbeitslehrerin wurde schine übel behandelt würde, bewahr-

25 heitete sich nicht, dank den Kontrollen durchsetzten. Dies wird vor allem deut- der eigens eingesetzten Hausverdienst- lich in der Einrichtung und dem Betrieb kommission. 1882 waren 353 Maschinen der Suppenanstalten. in Neumünster in Betrieb. Vom Stifter und von weiteren wohl- Suppenanstalten tätig gesinnten Mitbürgern wurde der Auf Anregung der GGN und der GGWN Fonds zur Hebung der Heimarbeit wei- wurde im strengen Winter 1846/47 die ter aufgestockt und betrug Ende 1887 erste Suppenanstalt im Kreuzhof in rund 35 000 Franken. Hirslanden eröffnet. Vom 7. Dezember bis zum 30. Juni wurden 36185 Suppen- Frauen machen es möglich portionen à ca. 3 Rappen (1 Schilling) 1872 erweiterte die Hausverdienstkom- verabreicht. Schlag auf Schlag folgten mission im Einvernehmen mit Natio- sich nun Suppenanstalten, eine zweite nalrat Fierz ihren Wirkungskreis. Bis und dritte in Hirslanden und eine neue zur Auflösung des Vereins im Jahre 1899 in Hottingen (1854 beziehungsweise umfasste dieser neben den Neumüns- 1867/68). Im gleichen Jahr eröffnete der tergemeinden auch die Stadt Zürich, «Frauen-Armenverein von Riesbach» , , , die erste Suppenanstalt und gab vom Enge, Wiedikon, Küsnacht, Erlenbach 11. Februar bis 13. April 1868 6034 Sup- und . Die Höhe der Ein- penportionen à 5 Rappen ab. kaufssumme für die neu eintretenden Nahezu ohne Unterbruch wurden Gemeinden richtete sich nach dem ­diese Anstalten jeden Winter betrieben, mutmasslichen Bedürfnis der zu ver- und ganz Arme erhielten Gutscheine gebenden Maschinen, betrug aber min- zum Gratisbezug. In den Wintermona- destens 500 Franken. ten Dezember bis März 1879/80 wurden Die 1889 erschienene «Neumünster- gesamthaft 45 884 Portionen abgegeben, chronik» lobte das Wirken der Stiftung davon über die Hälfte unentgeltlich an mit den Worten: Bedürftige. «Die soziale Bedeutung des Haus- verdienstvereins ist eine grosse und Frauen-Armenvereine segensreiche. Der Verein verschafft ar- In allen drei Gemeinden gründeten men Leuten gegen billigen Preis gutes in den 50er bis 80er Jahren wohltätige Arbeitsmaterial zu möglichst leichten Frauen «Hülfsvereine», die arme Fami- Zahlungsbedingungen. Dabei macht er lien am Christfest mit Lebensmitteln für sich keinen Gewinn, sondern stellt und Kleidern beschenkten. Eine der den Preis der einzelnen Maschine so, Hauptaufgaben dieser Institutionen dass er aus dem bescheidenen Gewinn bestand im Besuch und der Unterstüt- seine Spesen decken kann. Somit hilft zung von armen und kranken Frauen, er, ohne ökonomische Opfer bringen die man mit stärkenden, gesunden Le- zu müssen, dem bedürftigen Publikum bensmitteln versah und ihnen über die und erspart diesem das beschämende harten Wintermonate Näh- und Strick- Gefühl, ökonomische Unterstützung zu arbeit verschaffte. Diese Frauenvereine geniessen.» arbeiteten ganz im Stillen, ohne Statu- Auch wenn die Frauen in beiden Ge- ten, aber mit viel Segen. sellschaften lange Zeit nicht im Vor- stand vertreten waren und bis 1895 von Mägdeherberge den alljährlichen Stiftungsfeiern ausge- Im März 1864 waren es auch Frauen, schlossen waren, waren sie es, die die die im Haus «Iris» am Mühlebach eine Männerbeschlüsse in den Neumünster- Mägdeherberge einrichteten. Die Ab- gemeinden an die Hand nahmen und sicht war es, den von aussen kommen-

26 Magdalenenstift Gerade diese Stiftung von 1873/74 zeigt die täglichen Bemühungen der Neu- münsterfrauen zur Hebung der sozialen Stellung der meist ortsfremden Mägde, auch der «gefallenen». Der Zufluchtsort oder «Refuge» mit dem biblischen Na- men «Magdalenenstift» (omen est no- men!) wurde an der Eidmattstrasse 21 in Hottingen eingerichtet. Die Eintretenden sollten nicht älter als 30 und nicht jünger als 14 Jahre sein. Der Eintritt geschah aus freien Stücken und aus dem Wunsch heraus, ein bes- seres Leben anzufangen. Der Aufenthalt der Mädchen und Frauen war unent- geltlich und dauerte in der Regel zwei Jahre. Während dieser Zeit wurden sie in den nötigsten «weiblichen Arbeiten» unterrichtet und arbeiteten ohne Lohn für das Asyl. Hatte sich eine «Gefallene» zwei Jahre gut gehalten, so wurde sie von der Anstalt mit anständigen Klei- dern versehen und den Angehörigen zu- rückgegeben, oder es wurde für sie eine Dienststelle gesucht. Die Mehrzahl der Aufgenommenen waren Schweizerinnen, vor allem Zür- cherinnen reformierten Bekenntnisses. Das 1874 errichtete den Frauen «eine christliche Herberge» Der Zufluchtsort stand aber auch Aus- «Magdalenenstift» an zu bieten. Die Einrichtung entsprach länderinnen und Katholikinnen offen. der Eidmattstrasse 21 einem echten Bedürfnis, wurden doch In den 14 Jahren seines Bestehens sind in Hottingen wurde von April bis Dezember 1864 schon 170 «Magdalenenfrauen» aufgenommen 1877 erweitert und 128 Mägde beherbergt. Einzelne Frauen worden. 1967 abgetragen. Bild: Baugeschicht- blieben nur wenige Tage, fanden dann liches Archiv der Stadt eine Arbeit, und andere blieben bis zu Zürich fünf Wochen. Wenn sie für sich selbst arbeiteten, hatten sie ein tägliches Kost- geld von 60 Rappen zu entrichten; arbei- teten sie für die Herberge, lediglich eines von 30 Rappen. Im März 1866 wurde die Mägdeher- berge in das neu errichtete Haus «Hel- fenstein» in Hottingen verlegt. Diese Liegenschaft wurde im Sommer 1874 an die GGN verkauft, die darin noch im sel- ben Jahr ihr erstes Altersasyl eröffnete.

27 6 Von der Sonntagsschule zur Gewerbeschule

In der Mitte des 19. Jahrhunderts wuchs das Bedürfnis nach einer ­Fachschule für junge angehende Handwerker. Eine solche Gewerbe­ schule nach dem Vorbild der Stadt sollte bald einmal die bisherigen Schreib-, Rechen- und Zeichenschulen ablösen.

Am 3. Dezember 1843 wurde in der Der Besuch des Unterrichts war freiwil- 142. Sitzung der GGN von weitblickenden lig, und der Unterricht wurde längere Männern «der Wunsch bezüglich Errich- Zeit ausschliesslich am Sonntagmorgen tung von Sonntagsschulen» eingebracht. erteilt. In dieser gewerblich orientierten Sie zeigten auf, «wie zweckmässig und Schule wurde jeweils eingangs auch der wohltätig diese seien und wie oft junge Gesang gepflegt, war man doch um Leute vorzüglich von allerlei Müssiggang die künstlerisch-religiöse Gesamtausbil- durch den Besuch derselben abgehalten dung der Schulentlassenen bemüht. werden». Sie verwiesen auf «die Existenz Die Institution entsprach einem ech- eines solchen Institutes in der Stadt Zü- ten Bedürfnis, so besuchten 1864 bereits rich» und führten weiter aus, dass «das- 279 Schüler den Unterricht der Lehran- selbe des starken Zudranges halber er- stalt, die ihrem Ausbildungszweck ent- weitert werden müsse». Die anwesenden sprechend nun «Schreib-, Rechen- und Mitglieder bestellten eine fünfköpfige Zeichenschule» genannt wurde. Kommission, «welche über diese Sonn- tagsschulen Erkundigungen einzuziehen Riesbach zieht nach und allfällige Anträge bis zur nächsten Im Jahre 1859 eröffnete der privat orga- Zusammenkunft der Versammlung zu nisierte Gewerbeverein des Bezirks Zü- hinterbringen habe». Die Kommission rich in der Stadt eine Gewerbeschule für erkundigte sich, arbeitete Vorschläge aus die Ausbildung junger Handwerker. Der und orientierte jahrelang … Lehrstoff war dort vielfältiger als in der Sonntagsschule der GGN. Angesichts der Sonntagsschule bzw. Schreib-, Tatsache, dass von diesem Angebot viele Rechen- und Zeichenschule Lehrlinge der Neumünstergemeinden Auf den Tag genau acht Jahre später, am Gebrauch machten, unterstützten diese 3. Dezember 1851, wurde in der 231. Sit- denn auch die Gewerbeschule durch fi- zung der GGN festgehalten, «dass die nanzielle Zuwendungen bis 1879. Eröffnung der Anstalt am vergangenen ­ Um den Lehrlingen von Riesbach, 16. November mit neun Schülern voll- Hottingen und Hirslanden die Gelegen- zogen worden sei und am heutigen Tag heit zur theoretischen Ausbildung etwas (3. Dezember) bereits auf 48 angestiegen näher zu bringen, gründete der seit 1877 sei». bestehende Gewerbeverein Riesbach im Die Anstalt stand zunächst Knaben, Herbst 1879 eine eigene Gewerbeschule. die das 15. Altersjahr erreicht und die Der ehrgeizige Lehrplan gestaltete sich Alltagsschule besucht hatten, und we- damals wie folgt: nig später auch Lehrlingen und Gesellen • Freihandzeichnen: 3 Stunden offen. Unter Aufsicht und Leitung von • Bauzeichnen: 2, vom Herbst 1883 an bewährten Lehrern konnten sie sich im 3 Stunden Schreiben, Rechnen und Zeichnen üben.

28 • Maschinenzeichnen: 2, vom Herbst so hält die Neumünsterchronik von 1883 an 3 Stunden 1889 fest, «dass für die meisten Fächer • Französische Sprache (in zwei Abtei- die Abendstunden, wenn die Lehrlinge lungen): 3 Stunden müde sind, benutzt und dass am Sonn- • Deutsche Sprache: 3 Stunden tag das technische und das Freihand- • Rechnen und Buchführung: 3 Stunden zeichnen gleichzeitig gegeben werden • Modellieren in Ton: 2, vom Herbst müssen, was die Schüler in dem einen 1883 an 4 Stunden Fache dann verhindert, auch das andere • Schreiben: 2 Stunden zu besuchen. Alle Versuche, den Unter- Die Zeichenstunden der Gewerbeschule richt auf eine frühere Zeit das Abends zu fanden auch am Sonntagmorgen statt, verlegen, scheiterten an der Hartnäckig- die übrigen Stunden wurden auf die keit der Meister, die ihren Lehrlingen Wochenabende von 19.30 Uhr bis 21 Uhr diese Zeit nicht freigeben wollen». verlegt. In den 80er Jahren wurden an der Die Konkurrenz zur alten «Sonntags-» Riesbacher Gewerbeschule erstmals auch beziehungsweise der «Schreib-, Rechen- frauenspezifische Kurse in den Fächern und Zeichenschule» der GGN war damit «Schneiderei und Haushalt» angeboten. gegeben und wuchs rasch an. Diese wurden im Schuljahr 1888/89 von «Als ein wunder Fleck an dieser (Ge- gut 20 Töchtern aus den Neumünsterge- werbe-)Schule erscheint der Umstand», meinden besucht.

«Mechanische Seidenzwirnerei bei Zürich» der Firma Beder & Bleuler. Die beiden Fabrikgebäude wurden 1839/49 bzw. 1851 an der Hammerstrasse 20 in Riesbach erbaut. Zu dieser Zeit betrug die Arbeiter- zahl gut 200 Personen, davon nur wenige Lehrlinge, die zu künftigen Vorarbeitern ausgebildet wurden. Bild: Stich um 1855, Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich

29 Im selben Jahr wurde eine Vereinba- Allerdings stellten sich zu Beginn rung mit dem städtischen Gewerbever- diesen immer noch privatrechtlich or- ein getroffen und die Anforderungen für ganisierten und freiwilligen Prüfungen die freiwilligen Lehrlingsprüfungen im nur ganz wenige Schüler. – So konnten Bezirk Zürich vereinheitlicht. Diese Ab- beispielsweise von der Gewerbeschule schlussprüfungen bestanden – gemäss Riesbach im Jahre 1887 lediglich sechs den reglementarischen Vorschriften des Diplome ausgestellt werden. kantonalen Gewerbevereins – aus einem praktischen und einem theoretischen Zuschneidekurse für Töchter Teil: Der Lehrling hatte – seinem Ge- Um unbemitteltere Töchter in den werbe entsprechend – ein Gesellenstück Stand zu setzen, das in den öffentlichen auszuführen, das öffentlich ausgestellt Arbeitsschulen Erlernte zu vervollstän- und von Fachexperten geprüft und digen und soweit möglich ihren Bedarf beurteilt wurde, und weiter sich über an Kleidern für sich und ihre Angehö- seine Berufstüchtigkeit in Material- rigen selbst anzufertigen, beschloss der und Werkzeugkenntnissen und dessen Gewerbeverein Riesbach im Frühjahr Handhabung auszuweisen. 1885, erstmals einen Zuschneidekurs anzubieten. Bei der knapp ausgefallenen Beschlussfassung stimmten namentlich die Handwerker dagegen; zustande kam sie durch die geringe Mehrheit der anwe- senden Nichthandwerker! Schmucke Riesbachermädchen am Jugendfest von 1891/94. Die älteste der Töchter könnte den Kurs «Kleidermachen» besucht haben. Bild: Foto Hana 1891/94, Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich

30 Seit dem Jahre 1887 leistete der Bund Der Konkurrenzdruck erhebliche Beiträge an die Kurse und wird übermächtig ermöglichte damit, die Zahl der Teil- Die Konkurrenz durch die städtische Ge- nehmerinnen an diesem nunmehr un- werbeschule und diejenige von Riesbach entgeltlichen Angebot zu steigern. So wurde für die Schreib-, Rechen- und besuchten im erwähnten Jahr den Kurs Zeichenschule der GGN zunehmend er- «Kleidermachen» 16 und denjenigen in drückender. Die Schülerzahl derselben «Weissnähen» 15 Töchter (vgl. Abb. dünnte aus, auch wenn die GGN durch S. 30). belehrende und unterhaltende Vorträge zusätzlich anregende Abwechslung in Knabenarbeitsschule den Unterricht zu bringen versuchte. Im Dezember 1886 beschloss der rüh- 1894 wurde der Betrieb nach 23 Jahren rige Gewerbeverein Riesbach, für noch eingestellt. Der Einsatz hatte sich aber schulpflichtige Knaben einen Kurs in gelohnt, vor allem in der ersten Zeit ih- Kartonagearbeiten anzubieten. Von den res Bestehens, wo Gemeinden und der knapp 140 Angemeldeten konnten – der Kanton für die gewerbliche Fortbildung beschränkten Mittel wegen – vorerst der Schulentlassenen und Lehrlinge nur gut ein Drittel aufgenommen wer- noch nichts taten. den. Die Kosten wurden durch freiwil- Deutlich wird rückblickend aber auch, lige Beiträge und durch Zuwendungen dass das Überangebot an Bildungsmög- der Schulpflege und des Gewerbevereins lichkeiten, das die gemeinnützigen Ins- gedeckt. Der Unterricht erfolgte in drei titutionen und anderen wohltätigen Abteilungen vom 17. Januar bis zum Stiftungen in buntem Wettbewerb un- 9. April 1887 je an einem Wochenabend tereinander kreierten, sich zunehmend von 17 bis 19 Uhr. Im zweiten Jahr wa- konkurrenzierend, ja oftmals gegensei- ren es bereits 90 Schüler, die in den drei tig lähmend ausgewirkt hatte. Monaten gut 1000 Arbeiten anfertigten, welche dann am Schluss des Kurses stolz Selbsthilfeorganisationen der Öffentlichkeit vorgestellt wurden. der ersten Stunde Im ausgehenden 19. Jahrhundert Die oben geäusserte Tatsache schmälerte wurde das Angebot der Zuschneidekurse die Leistungen der GGN und weiterer für Töchter und das der Knabenarbeits- wohltätigen Institutionen sowie der Ge- schule eingestellt. werbevereine in keiner Weise. Sie waren die unverzichtbar nötigen Anreger und Betreiber von Vorschuleinrichtungen und Ausbildungsangeboten in einer Zeit, wo das junge Staatswesen sich erst in dieses soziale Erfahrungsfeld einzu- denken begann.

31 7 «Lese- und Leihbibliothek» erschliesst den Weg zur Bildungsliteratur

Das Lesen als Kulturgut kräftig zu fördern, war das Ziel einer ganzen ­Anzahl von Vereinen und Institutionen im frühen 19. Jahrhundert. Breiten Schichten den Zugang zu Büchern und «guten Schriften» zu ermöglichen, wurde auch der GGN zu einem wichtigen Anliegen.

Als dritte Stiftung der GGN ist die Aus dem Bericht über die Verwaltung «Lese- und Leihbibliothek» zu nennen. wie über die Benutzung der Leihbiblio- Anlässlich ihrer 24. und 25. Sitzung thek von Juli 1837 bis Dezember 1838 … vom 9. Januar und 6. März 1833 wurde ergibt sich, dass die Leihbibliothek erstmals in Erwägung gezogen, dass 87 Werke in 136 Bänden umfasst. Zur man «einen Lesezirkel bilden möge», Benutzung wurden ausgegeben: an Ge- von dem man sich «durch die geistige sellschafter 177 Bände, an Abonnenten und sittliche Bildung einen grossen 331 Bände, an Schüler, worunter drei Nutzen» versprach. Der Lesezirkel sollte von Hirslanden und 35 von Riesbach, zusammen mit einer Bibliothek bald- 348 Bände – total an 78 Personen möglichst der Neumünster-Öffentlich- 856 Bände. keit zugänglich gemacht werden, was am «Die Leselust sei bei den Gesellschaf- 1. Mai desselben Jahres bereits Wirk- tern selbst zwar nicht in der Personen- lichkeit geworden war. zahl, wohl aber in der Bändezahl, welche gelesen worden, gewachsen» (Protokoll Lese- und Leihbibliothek vom 9. Januar 1839). Der Start war vielversprechend, die Re- In derselben Sitzung suchte man alität aber eine andere. Am 2. Dezember nach Gründen der Stagnation und fand 1835 wurde festgestellt, dass «die Lese­ sie auch: «Als auffallend wird bemerkt, lust von lehrreichen Schriften in der dass unter den Abonnenten nur eine Neumünstergemeinde nur schwach vor- Lehrerin sich finde, mithin das weibli- handen sei». In einem Aufruf an die Öf- che Geschlecht kein Bedürfnis geistiger fentlichkeit gab der Vorstand der Über- Nahrung und Ausbildung zu fühlen zeugung Ausdruck, «dass die Verbreitung scheint». Nahezu in jeder Sitzung der anerkannt nützlicher Schriften unter das GGN in den 30er bis frühen 50er Jah- Volk sehr wohltätig auf seinen Geist und ren war die Leihbibliothek ein Thema, sittliches Wohl wirken müsse». an welchem man sich offensichtlich sehr Ein Jahr darauf, am 7. Dezember schwer tat. 1836, wurde indes im Protokoll ent- täuscht wiederholt, «dass die Leselust Die GGN gibt auf in der Neumünstergemeinde eher ab- Wie in unseren früheren Artikeln zu als zugenommen habe». Die Leihbiblio­ anderen Stiftungen und wohltätigen thek erfuhr wohl viele Zuwendungen Institutionen der GGN festgestellt wor- und Bücherschenkungen, aber auch den ist, leistete diese auch im Bereich der das durch Ankauf erweiterte Angebot Erschliessung von Bildungsliteratur auf derselben sprach die Bevölkerung nicht Gemeindeebene Pionierarbeit – wenn sonderlich an. auch mit wechselndem Erfolg.

32 Ohne ihr Beispiel wäre die Grün- Nach einer längeren Zeit der Sta- dung des «Lesevereins Hirslanden» am gnation, die alljährlichen Klagen über 23. November 1851 wohl kaum möglich «den Mangel an der Leselust der Bevöl- gewesen. Der Verein gab sich im Jahre kerung» verstummten nicht, ging die 1863 den Namen «Leseverein Neumüns- «Lese- und Leihbibliothek» der GGN im ter» und trat mit dieser Erweiterung sei- Jahre 1879 sang- und klanglos ein. Es ist nes Einzugs- und Ansprechgebiets noch heute schwer zu entscheiden, ob die Füh- mehr in Konkurrenz zu demjenigen der rung derselben oder das Angebot – oder GGN, zumal der Zweckartikel sich von beides – zu diesem Schritt geführt ha- Letzterem in keiner Weise unterschied, ben; darüber geben die Protokolle keine nämlich: «seinen Mitgliedern und ihren Auskunft. Vielleicht hatte die GGN sich Familien durch eine nach und nach an- mit ihrer Tätigkeit auf fast allen Gebie- zuschaffende Bibliothek von guten, po- ten des Gemeinnutzes einfach zu stark pulären Zeitschriften und Büchern An- verausgabt. lass zu einer würdigen und nützlichen Es wurde aber wenig später für Hot- Unterhaltung und Belehrung über die tingen und auch über die beiden andern Beziehung des Bürgers zum Staat und Gemeinden hinaus Ersatz geschaffen. zu seinen Mitmenschen zu bieten».

Seite 239 aus dem 1. Protokollbuch der GGN mit dem Bericht über die Sitzung vom 9. Januar 1839. Bild: Archiv GGN

33 Der am 4. November 1882 gegründete «Verein für die Verbreitung «Lesezirkel Hottingen» «erachtete es als guter Schriften» seine schönste und hauptsächlichste Nicht direkt auf unseren GGN geht im Aufgabe», so schreibt die Neumünster- Jahre 1890 die Gründung des «Vereins chronik von 1889, «für die geistigen Be- für die Verbreitung guter Schriften in dürfnisse der Familien besorgt zu sein Zürich», Bern und Basel zurück. Das und in dieser Weise an seinem Orte nach Bedürfnis nach einer solchen deutsch- Kräften an der Hebung und Förderung schweizerischen Institution hatte aber des sozialen Lebens mitzuwirken». – wie schon verschiedentlich angespro- Wenige Jahre zuvor konstituierte chen – seinen Ursprung in den landes- sich der «Cercle français Neumunster» weiten Pionierleistungen von gleichge- (1879), der sich allwöchentlich am Don- sinnten Vorgängerorganisationen, die nerstagabend um 20 Uhr im «Ochsen» gutes Schrifttum zum Lesen angeboten am Kreuzplatz einfand, um das «welsche und hier nun zum günstigen Erwerb Idiom» anhand der Grammatik und feilgeboten haben. guter französischer Literatur zu pflegen. 1. «Der Verein hat die Verbreitung Es wurde grosses Gewicht darauf ge- guter und billiger Volksschriften zum legt, dass man sich in diesem «Cercle» Zwecke. Er will dadurch die geistige und ausschliesslich in französischer Sprache sittliche Bildung fördern und der Ver- unterhielt. breitung schlechter Schriften entgegen- treten.»

Ein Zeugnis aus alten Tagen: Tabelle über den Schriftenverkauf im vierten Berichtsjahr (1893) des «Vereins für Verbreitung guter Schriften in Zürich». Bild: Archiv GGN

34 2. «Der Verein sucht seinen Zweck zu worüber von dieser und jener Seite neu- erreichen durch periodische Vervielfäl- erdings Kunde uns zukam, war Gegen- tigung guter Schriften unterhaltender stand der Beratung sowohl in unserem und belehrender Art in grossen Aufla- Vorstand wie im Zentralausschuss. Soll gen und durch den Verkauf derselben zu freilich dieses Krebsübel in der mensch- möglichst wohlfeilen Preisen. Bei Aus- lichen Gesellschaft gründlich beseitigt wahl der Schriften hält sich der Verein werden, so muss der theoretischen Be- von allen religiösen und politischen Par- kämpfung desselben der kräftige Arm teibestrebungen ferne.» der staatlichen Polizei energisch zur Im 4. Bericht zum Vereinsjahr des Seite stehen. Zürcher Zweiges wird 1893 mit Genug- Es hat auch dieses Jahr nicht an gif- tuung festgehalten: «Der beste Beweis tigen und plumpen Ausfällen gegen die der zunehmenden Tätigkeit und Leis- Publikationen unseres Vereins gefehlt. tung unseres Vereins wird wohl der Um- … Es scheint aber, diesem Benehmen stand sein, dass sich in dem Berichtsjahr liege nicht immer der an und für sich die Zahl der Verkaufsstellen (Ablagen) unberechtigte Gedanke zu Grunde, es um 101 vermehrt hat, so dass gegen- enthalten unsere Schriften etwas Geist- wärtig deren 368 bestehen. Auch unter schädigendes, sondern die Triebfeder der Arbeiterschaft der Maschinenfabrik mag sein, dass man beim Vertrieb ei- in fanden unsere Schriftchen gener, natürlich einzig ‹guter› (katho- Eingang, indem von Seiten der Vorste- lischer) Schriften einen Konkurrenten herschaft auf die Nützlichkeit dieser aus dem Weg schaffen will. Darum ge- Lektüre aufmerksam gemacht und der hen wir ganz ruhig über solche Maul- Bezug derselben erleichtert wurde.» wurfsarbeiten hinweg; wir dürfen das Die Anfangsschwierigkeiten blieben umso eher und umso getroster, als uns – wie einst bei der «Lese- und Leihbiblio­ von anderer Seite, mündlich, brieflich thek» der GGN – auch diesem Verein und durch die Presse, recht vielfach nicht erspart, der lange Zeit von der GGN Sympathie bezeugt wird; zudem beweist mit einer jährlichen Zuwendung von die Zunahme der Verbreitung unserer 50 Franken unterstützt worden war. Schriften, dass das Publikum dieselben Wir lesen uns weiter in den erwähnten richtig zu schätzen weiss und sich durch Jahresbericht ein, der noch im späten borniertes Geschwätz nicht so leicht be- 19. Jahrhundert unter anderem von den irren lässt.» Der Verein übte seine lan- Widerwärtigkeiten des Kulturkampfes desweite Tätigkeit noch bis nach dem zu berichten weiss: «Die Bekämpfung 2. Weltkrieg aus. der Verbreitung unsittlicher Literatur,

35 8 Kleinkinder- oder Spielschulen entstehen

Kinderspielschulen wurden zum ersten Mal 1833 zum Thema in «Neumünster». Schon vor 170 Jahren waren die Beweggründe für solche Horte die gleichen wie heute.

«Kinder in diesem Alter sind sehr ent- Dieser «Zweckartikel» ist nicht dem deckungsfreudig und von einer uneinge- Protokollbuch der GGN entnommen, schränkten Kreativität. Die Spielgruppen sondern einem Beitrag über zeitgemässe orientieren sich an den Bedürfnissen der Spielschulen im «Quartier-Anzeiger von Kinder und an deren Entwicklungsstand. Witikon und Umgebung» (April 2005). Im sicheren, überschaubaren Rahmen Die Beweggründe der GGN zur Errich- einer Spielgruppe kann das Kind eine tung von «Kleinkinder- oder Spielschu- langsame Ablösung von seinen engsten len» waren – 160 Jahre früher – weitge- Bezugspersonen üben. Kleine Kinder hend dieselben. sind in besonderem Masse auf Spiel- und Lebensraum für ihre Aktivitäten ange- Der lange Weg wiesen. Für eine gesunde Entwicklung Am 6. März 1833 wurde in der GGN ist es unerlässlich, dass dem zu diesem erstmals die Anregung zur Errichtung Alter gehörenden Bewegungs-, Tätig- einer «Kleinkinderschule» gemacht und keits- und Erforschungsdrang Raum darauf hingewiesen, dass in der Stadt gegeben wird. Zum Spielen, Streiten, Zürich bereits eine solche bestünde, Freundschaftenschliessen sind kleine in welcher Kinder von zweieinhalb bis Kinder auf den Kontakt mit anderen fünfeinhalb Jahren aufgenommen wür- Kindern angewiesen.» den. Das Geschäft wurde immer wieder

Die Spielschule an der in der Zürcher . So fröhlich und ausgelassen ging es auch in den Kleinkinder- schulen der Neumünster­ gemeinden zu. Bild: Baugeschicht- liches Archiv der Stadt Zürich

36 aufgegriffen und vertagt. 1837 wurde Die ersten beiden Kleinkinder- eine Kommission gegründet, die fest- oder Spielschulen stellte, dass es bislang «an geeigneten Lo- Die wirkliche Eröffnung der ersten kalen fehle und die Ausgaben hiefür zu «Spiel- oder Kleinkinderschule» liess hoch seien», und «zudem würde die An- noch drei Jahrzehnte auf sich warten: schaffung der Bestuhlung, Bilder­bücher, 1869 wurde sie von der GGN in Riesbach Spielzeug usw. noch einige Louis d’or eröffnet, der 1872 eine zweite in dieser erfordern, deren Aufbringung gegen- Gemeinde folgte. wärtig aber nicht sehr leicht sein dürfte» Mittlerweile gelangte aber auch die (Protokolle vom 1. November 1837 und Idee der «Fröbel’schen Kindergärten und 5. September 1838). Erziehungsweise» zum Durchbruch. Die Schulgenossenschaft Riesbach eröffnete 1872 zwei solche Einrichtungen bei freiem Eintritt für 60 Kinder. Gleich- zeitig wurde von der Schulpflege der Wunsch laut, die GGN möge ihre beiden Spielschulen ebenfalls ihrer Aufsicht unterstellen. Dieses Ansinnen führte zu langwierigen Diskussionen in der GGN. Die Verfechter des Alleingangs gaben der Befürchtung Ausdruck, dass durch eine solche Zusammenlegung «das reli- giöse Moment» Schaden erleiden könne. Am 3. November 1875 erteilten sie denn auch dieser politischen Behörde eine Absage. In der Festschrift «150 Jahre Gemein- nützige Gesellschaft von Neumünster Zürich» (1981) schreibt der Autor, alt Feldeggstrasse 77: Eine private Gruppe von «Jugend- Pfarrer Ruhoff, zu diesem «Sturm im Ort der ersten freunden» kam der GGN zuvor. Die Er- Wasserglas»: «Von Anfang an haben viele Spielschule der GGN öffnung der beiden ersten Kleinkinder- Eltern, denen an einer religiösen Erzie- (1869–1961) schulen in Neumünster fiel ins Jahr 1838 hung sehr gelegen war, ihre kleinen Kin- respektive 1843. Beide wurden aber aus der den Kleinkinderschulen der GGN Mangel an geeigneteren Lokalen und lieber anvertraut als den Fröbel’schen tüchtigen Lehrerinnen in den 50er Jah- Kindergärten der Schulgenossenschaft ren wieder geschlossen. Deren Existenz Riesbach.» gab in der GGN den Anstoss zur erneu- ten Projektierung einer eigenen «Klein- Die zweiten beiden Kleinkinder- kinderschule». oder Spielschulen Am 9. Januar 1839 wurde eingehend In der Gemeinde Hottingen eröffnete darüber gesprochen. Einig war man sich die GGN 1879 zunächst in einem ge- erneut, «dass die Errichtung von Klein- mieteten Lokal ihre dritte Spielschule. kinderschulen nicht bloss sehr wünsch- Diese Lokalität erwies sich jedoch bald bar, sondern dass sie gegenwärtig schon als unzulänglich. 1880 schritt man zum wirkliches Bedürfnis geworden» sei, und Bau eines eigenen Gebäudes, in welches dass «die Besoldung der Lehrerin einer die Kleinkinderschule im Juli 1881 ein- Kleinkinderschule wenigstens 150 Gul- ziehen konnte. den» im Jahr betragen müsse.

37 schaftskrise die finanziellen Probleme, die Spendefreudigkeit bei der Bevöl- kerung ging damals rapide zurück. Im Protokoll der GGN vom 2. Oktober 1930 heisst es: «Dass wir noch Spiel- schulen unterhalten, die von der Öf- fentlichkeit benutzt werden können, ist in Zürich ein Unikum – wir befinden uns mit den Spielschulen in einer De- fizitwirtschaft.» Nach der Abwertung des Schweizerfrankens 1933 musste mit ihrer Aufhebung in absehbarer Zeit ge- rechnet werden. Bereits in den Jahren 1934 und 1941 wurden eine der Spiel- schulen in Riesbach und diejenige in Hirslanden geschlossen. 1951 musste auch die Spielschule an der Freiestrasse in Hottingen geschlossen werden. «So verblieb der Gesellschaft der letzte Kin- Freiestrasse 100: «Seither» – so hält die Neumünster- dergarten an der Feldeggstrasse 77 in Hier wurde 1880/81 chronik 1889 fest – «haben sich die Riesbach», schreibt alt Pfarrer Ruhoff in die dritte Spielschule Fröbel’schen Kindergärten trotz man- der obenerwähnten Festschrift, «der im der GGN eingerichtet. cher Anfechtungen bei uns eingelebt Frühjahr 1961 bedauerlicherweise seine Bild: Baugeschicht- und hauptsächlich für die ärmere Bevöl- Pforten schliessen musste. 25 Jahre lang liches Archiv der Stadt Zürich kerung als Bedürfnis erwiesen. Im Jahre hat bis zu ihrer Pensionierung Fräulein 1887 betrug die Zahl der Kinder 98, Marianne Beringer diesen Kindergarten welche in drei Abteilungen unterrichtet in vorbildlicher Weise geleitet und alles wurden. Eines fast noch grösseren Be- getan, um die ihr anvertrauten Kinder suches erfreuen sich die Spielschulen der geistig und seelisch zu fördern. Sie durfte Gemeinnützigen Gesellschaft, welche, den wohlverdienten Dank der GGN und unter vortrefflicher Leitung stehend, im auch vieler Eltern entgegennehmen. Im Jahre 1887 127 Kinder beherbergten.» Zeitraum von 74 Jahren haben rund 4000 1889 wurde die vierte Spielschule der Kinder unsere Spielschulen besucht und nunmehr wiedervereinigten Gemein- unter der Leitung ausgezeichneter Leh- nützigen Gesellschaft von Neumünster rerinnen reichen Segen empfangen dür- in Hirslanden eingerichtet. fen. Auch heute noch kann und darf die GGN in Dankbarkeit auf diese reiche Unbill der Zeit steht gegen Wirkungszeit Rückschau halten.» private Vorschuleinrichtungen Alle vier Spielschulen überstanden die Eingemeindung der drei Neumünster- gemeinden Hirslanden, Hottingen und Riesbach in die Stadt Zürich von 1893. Sie überlebten auch die schwierigen Kriegsjahre von 1914/18, und auch in den Jahren danach waren sie mit je 40 Kleinkindern – gemäss den Vor- schriften der städtischen Gesundheits- behörde – stets voll besetzt. Allerdings häuften sich in der Zeit der Weltwirt-

38 9 Keine «Lösung durch einen Bruderkrieg»: Schweizer Patrioten stehen zusammen

Drohender Krieg, politische Wirren und verheerende Brandkata­strophen: Die GGN war Mitte des 19. Jahrhunderts stark gefordert. Die GGN richtete­ für verschiedene Bedrohungen­ Kassen ein und bereitete sich auch auf die Einquartierung von Soldaten vor. Grund: Nicht nur mit Preussen war man uneins. Auch innerhalb der Schweiz gab es einige Probleme.

Das politische Geschehen der 40er weise» die gespaltenen Patrioten ihren Jahre des 19. Jahrhunderts erweckte in konfessionellen und politischen Hader der GGN und in der abgespaltenen Ge- für einige Zeit zurückstellen und zu- meinnützigen Gesellschaft des Wahl- sammenrücken. kreises Neumünster (GGWN) echte Besorgnisse. Die Berufung der Jesuiten «Mailänder Aufstand» nach Luzern (1841), die Freischarenzüge und «Neuenburgerhandel» (1844/45) und der Sonderbund mit der Die mehrheitlich radikale Bevölkerung kurzlebigen Kriegsfackel (1847) brach- des Tessins unterstützte ganz offen die ten die beunruhigten Patrioten zur Bestrebungen des italienischen Risorgi- Überzeugung, dass der Radikalismus mentos gegen die österreichische Fremd- einerseits und der Jesuitismus sowie der herrschaft in Oberitalien. Das Kaiser- Sonderbund andererseits abzulehnen reich reagierte scharf und wies nicht nur sei. Um das Wohl des Vaterlandes be- die am «Mailänder Aufstand» beteilig- sorgt, sprach man sich klar gegen eine ten Tessiner, sondern alle Südschwei- «Lösung durch einen Bruderkrieg» aus zer aus der Lombardei aus. Für die am und machte sich durch Aufklärung der 15. November 1853 über 6000 vertrie- Mitbürger für eine doch mögliche eid- benen Tessiner wurde allein in Neu- genössische «Vereinigung von echtem münster eine Sympathiespende von Konservatismus und echtem Liberalis- 2248 Franken zusammengetragen. mus» stark. 1856/57 eskalierte der «Neuenbur- Ein Aufruf der Gemeinnützigen Ge- gerhandel» zwischen der Schweiz und sellschaft des Wahlkreises Neumünster dem Königreich Preussen, das seine zur Unterstützung der liberalen Unter- verbrieften Rechte über Neuenburg walliser, die sich 1844 einer eigentlichen gewahrt sehen wollte und diese allen- Hatz und Gewalttaten ihnen gegenüber falls mit Waffengewalt durchzusetzen ausgesetzt sahen, brachte 253 Franken drohte. Die Schweiz liess sich nicht ein- ein. Gesammelt wurde auch für den im schüchtern und war gewillt, unter dem Umfeld der Freischarenzüge in Luzern Oberbefehl von General Dufour gegen eingekerkerten und zum Tode verurteil- den preussischen Feind den Abwehr- ten liberalen Staatsrat Dr. Fischer. Nach kampf zu führen. seiner abenteuerlichen Befreiung und Auch die GGN traf vorsorgliche Flucht über Zürich nach Winterthur Massnahmen und sah für den Ernstfall konnte ihm die GGWN den stolzen die Einquartierung von 350 Mann in Betrag von 924.80 Franken übergeben. Neumünster vor. Ein eigens rekrutier- Äussere Ereignisse liessen «glücklicher- tes Komitee berechnete für deren Ein-

39 quartierung in den Schulhäusern und tete gewesen, so ist sie es heute noch … die Unterhaltskosten pro Manntag 1.05 Diese Erziehung des einzelnen Mannes Franken (für Brot 20, Wein 15, Fleisch für das Gefecht, speziell für die Handha- 35, Suppe 15 und Kartoffeln 10 Rap- bung seiner Waffe in demselben, ist das pen). Ziel und der Endzweck unserer Schiess- Dank der diplomatischen Interven- vereine» (Neumünsterchronik, 1889). tion des Königreichs England konnte In der Zeit zwischen 1855 und 1887 eine kriegerische Auseinandersetzung wurden sieben Schützenvereine in Neu- verhindert werden, und der Kanton münster gegründet. Einer der letzten Neuenburg blieb bei der Schweiz. war der Armbrustschützenverein «Pro Unter dem Eindruck des glückhaft ab- Tell». Auch im 1864 gegründeten Ka- gewendeten Krieges wurde 1857 ein Mi- dettenkorps Neumünster waren für die litärunterstützungsfonds Neumünster Sekundarschüler die Waffenübungen ins Leben gerufen, der auch für künftige und das Armbrustschiessen ein fester Notsituationen geäufnet werden sollte. Bestandteil des militärischen Vorunter- Wenige Jahre später, im Deutsch-Fran- richts. zösischen Krieg schon, war man allent- halben froh über diese Einrichtung. Der Brand von Glarus In der Nacht vom 10. auf den 11. Mai 1861 Deutsch-Französischer Krieg fachte der Föhn in Glarus einen kleinen Am 1. Februar 1871 überschritt die Brandherd zum zerstörerischen Feuer- Bourbaki-Armee bei Les Verrières die sturm an: 600 Häuser wurden in Schutt Schweizer Grenze und wurde interniert und Asche gelegt, 8 Opfer waren zu be- (vgl. Abb.). Von den etwa 87 000 Mann klagen und 3000 Menschen verloren ihr mit 11 800 Pferden wurden 11 000 Sol- Obdach. Der Bundesrat versäumte es, daten und 1000 Pferde dem Kanton Zü- sich zur Katastrophe zu äussern. Die rich zur Unterbringung zugeteilt, davon Initiative zu Hilfsmassnahmen gingen gelangten 480 Mann nach Neumünster. von der Presse und von zahlreichen Ge- Während eines Vierteljahres wurden meinnützigen Gesellschaften aus. Be- ­diese in der Kirche und in der Turn- reits am 16. Mai konnten die Neumüns- halle der Sekundarschule untergebracht. tergemeinden die «Liebessteuer für die Nach ihrer Rückkehr am 16. März er- Abgebrannten in Glarus» im Betrag von stattete Frankreich mit 5500 Franken 8672.80 Franken in der arg gebeutelten einen Teil der Unterhaltskosten zurück. Hauptstadt abliefern. Nicht genug, am Neben dem bereits bestehenden und 21. Mai gingen 72 Freiwillige nach Gla- in dieser Zeit sehr aktiven Militärun- rus, um während dreier Tage Hilfe zu terstützungsverein wurde am 8. August leisten. 1870 in Neumünster noch eine «Kom- Solche kommunale und interregio- mission zur Linderung der Leiden des nale Solidarität hat Tradition: Von den Krieges» bestellt. Neumünstergemeinden wurden seit der Noch im 1. Weltkrieg (1914/18) half Gründung der GGN und auch auf Ver- der Militärunterstützungsfonds vie- anlassung der abgespaltenen GGWN len minderbemittelten Familien, deren zwischen 1834 und 1882 beträchtliche Ernährer an der Grenze standen, mit Spendengelder zusammengetragen. grossherzigen Zuwendungen. Choleraepidemie 1867 Ausdruck erstarkten Wehrwillens Angesichts der damals schlechten hy- «Wie die Pflege der edlen Schiesskunst gienischen Verhältnisse grassierte 1867 seit Jahrhunderten rings im ganzen die Cholera in der Schweiz und for- Schweizerlande eine allgemein verbrei- derte zahlreiche Opfer. Allein im Kan-

40 ton ­Zürich starben in den Monaten Juli Der Kirchhof beim Grossmünster bis Oktober 499 Menschen. Für die Be- (heutiger Zwingliplatz) war zu klein, um troffenen in den Neumünstergemein- alle die Opfer in der Stadt aufzunehmen. den wurden – nebst vielen Gaben an Sie wurden auf Anregung der GGN/ Wein, Brot und anderen Lebensmitteln GGWN auf dem 1862 erweiterten Fried- – 8075.70 Franken zusammengetragen. hof der Neumünsterkirche bestattet. Dem regionalen Hilfskomitee gingen Die letzte Choleraepidemie suchte die von auswärts 118 000 Franken zu, davon Schweiz im Jahre 1884 heim. erhielten die Cholerakranken in Neu- Die Hilfe am Nächsten wie auch die münster 17 715.80 Franken zugeteilt. überregionale Solidarität mit an von Krieg und Katastrophen Betroffenen hat Tradition und ist bis heute ein schweize- risches Markenzeichen.

Entwaffnung der Bourbaki-Armee in Les Verrières, Januar 1871. Nach einer Zeichnung von Gustave Roux.

41 GGN-Beiträge nach Schweizer Katastrophen

1834, 5. Juli, an Brandgeschädigte in Ge- 1859, 13. November, an Hochgewitterge- roldswil: 135.11 Gulden; schädigte im Kanton Zürich: 1011 Fran- ken; 1834, 30. November, an Wettergeschä- digte in Höngg und Birmenstorf: 200 1863, 17. Februar, Spende für die Fami- Gulden; lie eines verunglückten Arbeiters in der Dampfsäge am Klosbach/Hirslanden: 1838, 2. September, an vom Hochgewit- 1546 Franken; ter betroffene Gemeinden im Bezirk Re- gensberg: 46.28 Gulden; 1868 für die Überschwemmten im Tes- sin, in Graubünden und im Rheintal: 1839, 20. Januar, an Brandgeschädigte in 17 715.80 Franken, dazu Lebensmittel Neumünster: 938.25 Gulden; und Kleider im Wert von 2863 Franken;

1840, 23. Februar, an Wettergeschädigte 1871 für die Überschwemmten im obe- in Uri und im Tessin: 476.30 Gulden; ren Rheintal: 1800 Franken;

1841, 11. Juli, an Wettergeschädigte in 1876, 30. November, an Brandgeschä- Bubikon und in Rüti: 1088.25 Gulden, digte in Airolo: 950 Franken; 1 dazu 28 Mütt Weizen, 24 ⁄4 Mütt Rog- gen, 111 Viertel Erdäpfel, 7 Eimer Wein 1879, 25. Februar, an Brandgeschädigte und 16 Obstbäumchen; in Meiringen: 1619.21 Franken;

1846, 4. Oktober, an Brandgeschädigte 1882 an Wettergeschädigte im Tessin, in Hottingen, nebst vielen Kleidern und im Wallis, in Tirol und in Italien: 2955 Hausrat aller Art: 252.16 Gulden; Franken. (jes.)

42 10 Die Turnerbewegung will den gesunden Geist fördern

Erste Badeanstalten bieten in «Neumünster» völlig neue Möglichkeiten der Freizeitgestaltung. Männer und Frauen frönten dem Vergnügen jedoch strikt getrennt.

Getreu der Devise der Alten, «dass war das Zürichhorn ein Ort früher «Ba- ein gesunder Geist in einem gesunden dekultur». Allerdings witterten schon Körper innewohne», entwickelte sich hier die bigotten Zürcher Apostel wegen um die Mitte des 19. Jahrhunderts die des freien Badens Sittenverderbnis und Turn- und Sportbewegung – «gesund sprachen gerne von einem öffentlichen und gestählt», und die Hygienebewe- Ärgernis, da keine Aufsicht bestand. gung – «sauber und arbeitsam». Der Vorstand der GGWN fasste am 10. Juli 1862 den Beschluss, dieses neue Erste Badeanstalt in Riesbach Bedürfnis in geregelte Bahnen zu lenken, Die Idee der Errichtung einer Badeanstalt und stellte an die drei Gemeinderäte den war nicht neu. Es wurde schon früher im Antrag, in Riesbach eine Badeanstalt zu See und der Limmat gebadet. Bereits der errichten, die hauptsächlich der Jugend Stadtprospekt von Jos Murer von 1576 aller drei Gemeinden zugute kommen zeigt Schwimmer in der Limmat, und in sollte. der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts

Frauenbadeanstalt Enge/Mythenquai, 1887 erbaut, 1959 abgetragen. So mag es auch in der «Riesbacherbadi»­ ausgesehen haben. Bild: Baugeschicht- liches Archiv der Stadt Zürich

43 nehmend schwieriger. Einmal standen kostspielige Reparaturen an, zum an- dern liess die Wasserqualität – wegen der benachbarten Färbereien – zu wün- schen übrig. Zudem stand dieses erste Seebad dem Stadtrat von Zürich und den planerischen Absichten der Direk- tion der Quaibauten im Weg. Infolge Letzterer musste die Badeanstalt 1885 geschlossen und 1887 abgebrochen wer- den. Das Wasser wurde durch den feinen Schlamm der Aufschüttungen zusätzlich so sehr getrübt, dass ein Baden hier nicht mehr als angenehm empfunden werden Vor der Turnhalle Der Landerwerb belief sich auf 35 000 konnte. des 1862 erstellten Franken, und die Erstellungskosten der 1886 und 1889 schuf Riesbach mit Sekundarschulhauses schwimmenden Badeanstalt in gefälliger dem Bau neuer Badeanstalten am süd- Neumünster­ erkennt Holzkonstruktion wurden auf 15000 lichsten Ende des Gemeindebanns, in man eine Knaben- Franken berechnet. Letztlich beliefen sich Tiefenbrunnen beziehungsweise bei der gruppe bei der körper- lichen Ertüchtigung. die Gesamtkosten auf 67200 Franken. Ein Färbergasse, Ersatz. Die Neumünster- Bild: Archiv GGN Teil derselben konnte durch die Ausgabe chronik von 1889 schreibt zum schwim- von 168 unverzinslichen Obligationen menden Holzbau vor Tiefenbrunnen: von je 100 Franken beschafft werden. «Behufs möglichster Trennung der Ge- Trotz der nicht unbedeutenden schlechter öffnet sich das Bassin des Schwierigkeiten konnte am 26. Juni 1864 Männerbades in der Richtung nach Sü- das fertig gestellte Bad im See vor der den, während der Ausgang aus dem ge- Klausstrasse 39 dem Publikum zur Be- schlossenen Frauenbadbassin in den of- nützung übergeben werden. Die Bade- fenen See gegen Westen angebracht ist.» anstalt wies zwei geschlechtergetrennte Die Statistik der Betriebsjahre 1886 Flügel mit je einem Baderaum auf, der aus und 1887 macht deutlich, dass die Bade- drei verschieden tiefen Bassins bestand, anstalt mit 7953 beziehungsweise 7822 dazu kamen noch acht separate Badezel- männlichen sowie 7045 beziehungsweise len hinzu. Die beiden Abteilungen mit 5997 weiblichen Besuchern bei Ersteren den offenen Garderoberäumen standen grösseren Anklang gefunden hatte. während der ganzen Badezeit täglich von 16 bis 18.30 Uhr ausschliesslich Vom Exerzierplatz zur Turnhalle den schulpflichtigen Kindern der Neu- Am Anfang stand die militärische Er- münstergemeinden und von 18.30 Uhr tüchtigung der männlichen Jugend. bis zum Einbruch der Dunkelheit für Das Kadettenwesen entwickelte sich in Erwachsene zur unentgeltlichen Benüt- den 50er und 60er Jahren enorm und zung offen. hatte mit seinen Marsch-, Exerzier- und Acht Jahre lang wurde das Seebad von Schiessübungen mit Gewehr und Arm- der GGWN mit bedeutenden Defiziten brust – vor allem in der Sekundarschule betrieben. Angesichts dieser weiterhin – einen wichtigen Stellenwert. unzumutbaren Belastung erklärte sich Das Turnen wurde 1863 erst in den 1872 die Einwohnergemeinde Riesbach Lehrplan der Sekundar- und wenig bereit, die Badeanstalt mit den darauf später in denjenigen der Primarschule stehenden Passiven zu übernehmen. aufgenommen. Zuvor wurden hier wie Das Betreiben derselben gestaltete sich dort gelegentlich auf dem Schulhaus- aber auch für das Gemeindewesen zu- platz Marsch- und Freiübungen durch-

44 geführt. Die Errichtung von Turnhallen gibt nicht manche Gebiete, die im Ver- mit geeigneten Geräten hatte die Ent- laufe von wenigen Jahrzehnten einen wicklung dieses Fachs mächtig gefördert: so eminenten Aufschwung von für die 1862 wird von allen drei Gemeinden das Volkskraft so tiefgehender Bedeutung Sekundarschulhaus Neumünster mit ei- aufzuweisen haben, wie das Turnwesen ner zugehörigen Turnhalle gebaut (vgl. … Ausdauer, Anstrengung sind, wie Abb. S. 44); 1862 wird auf einem Gar- auch der Sinn für Ordnung, Faktoren tenareal beim umgebauten Schulhaus im Kampf ums Dasein, und es gibt kein von Hirslanden ein Turnplatz herge- Volk, das ohne sie eine hohe Stufe erringt stellt; 1871 wird neben dem Schulhaus … Von weit grösserer Bedeutung aber, von 1853 an der Seefeldstrasse in Ries- als für die uns umgebenden Staaten ist bach eine Turnhalle errichtet; 1878 wird das Turnen für unser Schweizervolk, in Hottingen das neue Schulhaus mit weil es einem Militärdienst ausserdem Turnhalle eröffnet; 1880 wird neben Militärdienst gleichkommt und jenen dem Schulhaus von 1876 an der Mühle- gegenüber in ausgleichendem Sinne bachstrasse eine Turnhalle errichtet. wirkt, wo wir mit andern Mitteln nicht auszugleichen in Stande wären.» Turnverein-Gründungswelle 1869 übernahm der Turnverein Neu- Tagsüber standen diese neuen Gebäu- münster die Durchführung des zürche- lichkeiten, bei jedem Wetter und jeder rischen Kantonalturnfestes. Festpräsi- Jahreszeit, meist noch geschlechterge- dent war das rührigste Vorstandsmitglied trennt der Schuljugend zur Verfügung, der GGWN, Pfarrer Gottfried Hiestand, und abends wurden sie von den ebenso welcher, so wurde berichtet, «den Anlass in dieser Zeit gegründeten Männer- zur unbestrittenen Zufriedenheit aller turnvereinen benützt: 1862 Turnverein durchgeführt hatte». Neumünster, 1872 Männerturnverein, Im Jahre 1879 wurde dem Turnver- Ein gesunder Ort für die später Männerriege Neumünster, 1877 ein der Vorsitz der «Schweizerischen Jugend: Wandergruppe Turnverein Hottingen. Die Neumünster- Hülfskasse für verwundete Turner» zu- auf der Kennelalp chronik von 1889 gibt zu Bedenken: «Es erkannt.

45 1884 griff der Turnverein Neumünster Ferienheim auf der Kennelalp ob Mollis. zu hoch und bewarb sich für die Durch- Ganz offensichtlich hatten die Betreiber führung des eidgenössischen Turnfestes in den Anfängen aber die stählerne Latte von 1886. Basel machte ihm allerdings zu hoch angesetzt. Pfarrer Gottlieb We- den Rang streitig und blieb Sieger. Da- ber machte den Vorstand der GGN auf mals zählte der Verein 55 Aktiv-, 36 Eh- diese dort oben geübte Zucht mit dem ren-, 33 Passiv- und 23 freie Mitglieder. Worten aufmerksam: «Es will mir schei- nen, als ob die Hast des Grossstadtlebens Das Ferienheim Kennelalp auch auf die Alpen übertragen worden Angeregt durch die Sportbewegung sei.» Die Ferienheimkommission un- wollte die GGN der Schuljugend der terstützte die Bedenken und meinte, es Neumünstergemeinden einen gesunden möchten doch weniger anstrengende Ort der körperlichen Ertüchtigung ge- Ausflüge unternommen werden, da sich ben, das 1897 eröffnete und weit über die die Kinder und Jugendlichen ja im Feri- Zeit des 1. Weltkriegs hinaus betriebene enheim zur Erholung aufhalten würden.

Das von der GGN betriebene Ferienheim Kennelalp ob Mollis, Kanton Glarus

46 11 Der Weg Zürichs von der Fluss- zur Seestadt

Riesbach, Hottingen und Hirslanden verlieren ihre Selbständigkeit: Aus den drei Neumünster-Gemeinden werden Stadtquartiere, aus der Stadt am Fluss wird die Stadt am See.

Zürich war bis weit ins 19. Jahrhundert Bereits seit 1837 wurde der See südlich eine Flussstadt. Die Limmat war alles: der heutigen Börsenstrasse mit Abbruch- Ihr Wasser wurde zur öffentlichen Ver- schutt, der bei der Schleifung der Schan- sorgung der Stadtbevölkerung genutzt, zen anfiel, aufgeschüttet. Jahrzehnte wie die Schöpfräder zeigen, und trug später, 1878, lag dann auch ein bereinig­ auch die Last der Entsorgung; sie wurde tes Projekt für den Bau der Quaianlagen gelegentlich Reichsstrasse genannt, das vor. Der ausgearbeitete Vertrag zwi- heisst, auf ihr wickelte sich der Trans- schen den Beteiligten, den Gemeinden port- und Fernverkehr ab; sie war die Zürich, Enge und Riesbach, umschrieb Bühne für das Schifferstechen, und das Projektziel mit den Worten: «Zweck auf ihren Brücken wurden Feuerwerke dieser Unternehmung ist es, die Vorteile gezündet, und sie wurde möbliert mit der Lage der Stadt und der beiden Aus- Mühlestegen und Fischerhüttli. Eigent- gemeinden am Seeufer hinsichtlich des lich war sie – da das Alte Zürich kei- Verkehrs wie der Schönheit der Gegend nen Platz für Plätze hatte – der zentrale zur vollen Geltung zu bringen. Es ist da- Platzraum inmitten der Stadt. her bei Anordnung der neuen Anlagen den beiden Gesichtspunkten der Ver- Mit dem Bau des Limmatquais fing kehrerleichterung und der Schönheit in der Schritt zum See an gleicher Weise Rechnung zu tragen.» Mit der durchgehenden Erschliessung Am 4. September 1881 wurde in al- des rechten Limmatufers entstand zwi- len drei Gemeinden gleichzeitig über schen 1826 und 1891 in Etappen der das Geschäft, dem vor allem in der Stadt gleichnamige Quai. Gleichzeitig mit eine lautstarke Opposition erwuchs, dem Bau der Münsterbrücke von Aloys abgestimmt. Die Stadtzürcher geneh- Negrelli (1836–1839) wurde der südliche migten den Vertragsentwurf mit 1576 Teil, der Sonnenquai, vom Bellevue bis Stimmen. Die Minderheit verzichtete zur Grossmünstertreppe erstellt. Mit darauf, die Nein-Stimmen auszählen den Quaianlagen war der erste Schritt zu lassen. In der Enge und in Riesbach von der mittelalterlichen Flussstadt zur fiel der Entscheid zugunsten des Quai­ «freien Limmat», aber auch zur Stadt am vertrags einstimmig aus. Mit Kanonen- See getan. donner wurde hernach der Entscheid Mit dem Bau der Münsterbrücke gemeinsam gefeiert. wird der Schwung der Regenerations- Die Gesamtkosten dieses Grosspro- politik deutlich und spiegelt die Ver- jekts unter dem leitenden Ingenieur Ar- kehrspolitik der sich öffnenden Stadt nold Bürkli beliefen sich auf 9 Millionen wieder: 1835 kreuzt das erste Dampf- Franken und konnten mehr als zur Hälfte schiff, die «Minerva», auf dem See, und durch den Verkauf der neu gewonnenen 1847 rollte aus dem neu erbauten Bahn- Grundstücke und aus den Mehrwert- hof die erste «Spanisch-Brötli-Bahn» beiträgen der Anstösser eigenfinanziert nach Baden. werden. Als weithin sichtbares Zeichen

47 Die Quaibrücke steht 1884 vollendet da, die Männerbadeanstalt ist errichtet, und die Dampfschiffe können anlegen. Dahinter ge- hen die Auffüllarbeiten für den Bau des Alpen- quais, des heutigen General-Guisan-Quais, unvermindert weiter. Bild: Schmid, 1884/Archiv­ AGZ

des Aufbruchs hatte man 1894 die Quai- alte Stadtgebiet mit 169 Hektaren um- oder Bellevuebrücke fertig gestellt. fasste nun neu 4499 Hektaren. Die neue In einem aufwendigen Verfahren Gemeindeverfassung mit Stadtpräsident, wurden in den Jahren 1882–1887 dem 9 Stadträten und dem grossen Stadtrat See 216 256 Quadratmeter Land abge- (ein Mitglied auf 800 Einwohner), dem rungen. Die mit den Aufschüttungsar- heutigen Gemeinderat, trat an die Stelle beiten beauftragten Bauunternehmer der Gemeindeversammlungen. schafften insgesamt 1240 000 Kubik- Erst mit der zweiten Eingemeindung meter Gestein und Seeschlamm herbei, von 1934 wuchs die Stadt geographisch 340 000 Kubikmeter mehr als angenom- zur jetzigen Grösse heran. men. Strassen binden «Neumünster» Erste Eingemeindung von 1893 an die Stadt Eigentlich als eine logische Konsequenz Mit dem Schleifen der Schanzen- und aus diesem Ausgreifen zum See hin folgte Wallanlagen und dem Einebnen der da- dann am 1. Januar 1893 die Stadtvereini- vor liegenden trockenen Gräben (1833 bis gung, bei der elf Vorortsgemeinden zur 1860) wurden die Neumünstergemein- Stadt kamen: Aussersihl und Industrie- den von zwei städtischen Ausfallachsen quartier, Enge mit , Fluntern, durchzogen: erstens vom Strassenzug die drei Neumünstergemeinden Ries- Zeltweg (Ausbau 1834/37) – Kreuzplatz bach, Hottingen und Hirslanden, weiter – Forchstrasse (Ausbau 1844/46) nach Oberstrass und Unterstrass, Wiedikon, der Forch und ins Zürcher Oberland und Wipkingen und . Auf einen zweitens vom Strassenzug Hottinger- Schlag wurde aus der früheren Altstadt strasse (Ausbau 1871/72) – Asylstrasse mit 28 099 Einwohnern Gross-Zürich – Witikonerstrasse. Ab 1873 führte ein mit nunmehr 121057 Einwohnern. Das Pferdepostkurs auf dieser Achse bis

48 nach Maur. 1925 wurde dieser durch ei- fusses und des Moränenhügels der hohen nen Autobusbetrieb ersetzt. Im unteren Promenade die rechtsufrige Seebahn er- Teil dieser Ausfallachse wurde 1894 das öffnet. Deren Bahnhöfe Stadelhofen und «Hottingertram» als erste elektrifizierte Tiefenbrunnen lagen an der Nord- und Strecke in Betrieb genommen. Zwischen Südspitze des damaligen Stadtkreises V, 1836 bis 1906 bestand ein Pferdepostkurs zu dem neben Riesbach auch die sich Zürich – Forch – Wald, der 1905 durch zum neuen Stadtquartier bildenden eins­ einen Autobusbetrieb und ab 1912 durch tigen Gemeinden Hottingen, Hirslanden die Forchbahn ersetzt wurde. und Fluntern gehörten. Die Neumünstergemeinde Riesbach rückte bereits 1865 mit dem Pferdeom- Die Kreuzkirche nibusbetrieb Tiefenbrunnen – Haupt- 1895 beschloss die Kirchgemeindever- bahnhof zeitlich näher an die Stadt. Auf sammlung Neumünster, eine zweite der gleichen Seeachse verkehrte ab 1882 Kirche zu bauen. Für das über 20 000 eine Rösslitramlinie, die 1900 elektrifi- Einwohner zählende Quartier war die ziert wurde. 1839 eingeweihte Kirche Neumünster Ein Jahr nach der Eingemeindung zu klein geworden. Am 26. Februar 1905 schliesslich wurde 1894 mit der unterir- wurde die auf einem steil ansteigenden dischen Durchquerung des Zürichberg- Hügel stehende Kreuzkirche eingeweiht. Erschlossen wird der majestätische Kup- pelbau mit den Jugendstilblöcken durch eine monumentale Treppenanlage mit einer Brunnengrotte. «Ein repräsenta- tiver Bau also», schreibt Thomas Ribi (NZZ, 26./27. Februar 2005, Nr. 48), «der ganz bewusst auf seine Wirkung im Stadtbild angelegt war. Pfleghard und Haefeli selbst wiesen selbstbewusst darauf hin, dass sie mit der Kreuzkirche ein Pendant zur 1894 vollendeten Kirche Enge schaffen wollten.»

Die Kreuzkirche der Zürcher Architekten Pfleghard und Haefeli nach Abschluss der Bauarbeiten im Jahr 1905. Bild: Baugeschicht- liches Archiv der Stadt Zürich

49 12 Die Aufklärung wirkte im Vortragswesen nach

Die Förderung der Bildung war seit je ein Kernanliegen der GGN. Noch bis gegen den 2. Weltkrieg hin und bis zur grösseren Verbreitung des Radios waren Vorträge mit einer reichen Anzahl von Themen gut besuchte und überaus beliebte Veranstaltungen.

Die Förderung der Volksbildung war Dies im Gegensatz etwa zu der 1832 ge- eines der wichtigsten Anliegen der GGN gründeten «Antiquarischen Gesellschaft und der zwischen 1839 bis 1887 von ihr in Zürich», die ihre Vortragssitzungen abgespaltenen GGWN. Um dies zu er- lange Zeit nur einem exklusiven Kreis reichen, verfolgten sie beide zwei Wege: von Gelehrten und handverlesenen Laien Einmal durch das Anbieten und Vertrei- des Bildungsbürgertums geöffnet hatte. ben guter Bücher und Schriften in den Auch der 1882 ins Leben gerufene Lese- und Leihbibliotheken und zum «Lesezirkel Hottingen» sprach eher eine anderen durch das abwechslungsreiche literarisch gebildete Schicht an und Angebot von Vorträgen aus allen Le- spielte damals im gesellschaftlichen Le- bens- und Wissensgebieten. ben – nicht nur in der namengebenden Gemeinde beziehungsweise dem spä- teren Vorstadtquartier, sondern von ganz Zürich – eine grosse Rolle.

Kreuzplatz (Forch- strasse 4): Im 1947 abgebrochenen Restaurant­ «Ochsen» ­ fanden in den Winter­ monaten jeweils die Vortragsabende der «Gemeinnützigen» statt. Bild: Baugeschicht- liches Archiv der Stadt Zürich

50 Bildungshorizont erweitern Konkurrenz führt zu Vernunft Dies war eines der Hauptanliegen der In den Wintermonaten führte jeweils «Gemeinnützigen». So erstaunt es denn die GGN, dann auch die von ihr abge- eben nicht, wenn der erste Vortrag der spaltene GGWN und hernach die wie- GGN im Herbst 1831 von Thomas Scherr dervereinigten «Gemeinnützigen», ihre dem Thema des segenreichen «Volks- öffentlichen Vorträge im «Ochsen» am schulwesens» gewidmet war. Im Winter Kreuzplatz oder im «Wilden Mann» in 1833 hielt Johann Friedrich Sieber in sei- Hirslanden durch. nem Vortrag, dem er das «Volksbüchlein Eine Zeitlang wurden auch zusätz- von Salzmann» zugrunde gelegt hatte, lich Vorträge an den Sonntagabenden fest, «wie in den meisten Fällen ungera- angeboten. Diese wurden 1896 fallen- tene Kinder gezogen zu haben, die Sünde gelassen, da man zur Einsicht gelangte, auf den Eltern haftet durch schlechtes dass der «Lesezirkel Hottingen» mit Beispiel, Mangel an Aufsicht und andere seiner Tätigkeit für reichlich guten Er- Erziehungsfehler». Vielen Vorträgen in satz sorgte. Die Themata deckten das den Anfängen muss – aus heutiger Sicht ganze damalige lexikalische Wissen ab. – eine oft allzu moralisierende Absicht «Die Vorträge wurden», so schreibt 1981 nachgesagt werden. der Verfasser der «Hundertfünfzigjahr- Festschrift» der GGN, der Pfarrer Al- fred Ruhoff, «gut besucht, besonders, da bekannte und bedeutende Professoren und Gelehrte als Referenten gewonnen werden konnten. Es seien in diesem Zu- sammenhang genannt: Prof. Dr. Oswald Messina, 28. Dezember 1908: Eine Postkarte (1909) Heer, der weltbekannte Geologe, den zeigt die vom Erd­beben zerstörte sizilianische Stadt. manche von uns Älteren in Erinnerung Bild: Archiv JES haben, wenn er, hochbetagt, mit seinen

51 In schwindelnde Höhen und entlegene Gebiete entführten die Referenten jeweils die «Gemein­ nützigen»: Luganersee mit San Salvatore – Monte Generoso aus 2500 Metern Flughöhe. Bild: (zvg.)

riesigen Neufundländern durch die Ge- Den bestbesuchten Vortrag hielten meinde Hottingen zog. Noch viele Na- im Frühjahr 1909 vor gut 100 Mitglie- men wären zu nennen, die seit den 50er dern die Gebrüder Hug über das «Erd- Jahren des letzten Jahrhunderts das Wis- beben von Messina». Die schreckliche sen der Mitglieder der GGN bereicher- Naturkatastrophe vom Vorjahr haftete ten: so auch Prof. Johann Spyri, der allenthalben noch in der Erinnerung: Schwager von Johanna Spyri, seit 1869 Am 28. Dezember 1908 zerstörte ein Diakon am Neumünster, hernach Sta- gewaltiges Erdbeben Messina fast ganz tistiker der Nordostbahn, Erziehungsrat und forderte rund 60000 Opfer. und während vieler Jahre Präsident der «Schweizerischen Gemeinnützigen Ge- Ausländerintegration – sellschaft». noch keine Aufgabe Allerdings wird in den Protokollbü- In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahr- chern immer wieder die Konkurrenz der hunderts hatte sich die Schweiz in eine beiden Gemeinnützigen Gesellschaften riesige Baustelle verwandelt. Vor allem in Sachen Vortragstätigkeit beklagt und in und um Zürich zogen die öffentlichen vor allem von der GGWN der Vorschlag und privaten Bauvorhaben Scharen von gemacht, die Vorträge gemeinsam zu ausländischen Arbeitskräften an, haupt- gestalten. Dieses «Ansinnen» scheiterte sächlich Italiener und Tiroler. auf der anderen Seite Mal für Mal. – Erst In Aussersihl war in dieser Zeit eine ab 1883 war es möglich geworden, die Mietskasernen- und Barackenstadt ge- öffentlichen Vorträge gemeinsam zu wachsen, wo die Abertausenden von organisieren und zu finanzieren, zwei Arbeitern, die auf den Baustellen und Jahre vor der Wiedervereinigung am in den Fabriken beschäftigt waren, un- 16. Februar 1887. ter misslichsten Verhältnissen hausten.

52 Diese Massierung führte in Zürich und sie im fremden Land nicht auf Schwie- auch anderswo in der Schweiz zu frem- rigkeiten stossen. Unsere Staatsverträge denfeindlichen Kundgebungen und es- sind derart, dass wir aus Italien für ihre kalierte in der Nacht vom 25. auf den Angehörigen, die bei uns der Unterstüt- 26. Juli 1896 in Zürich Aussersihl zu zung anheimfallen, keine Entschädi- einer eigentlichen Strassenschlacht zwi- gungen erhalten können. Der Kanton schen Italienern auf der einen Seite und Zürich gab in den letzten Jahren per Schweizern und Elsässern auf der ande- Jahr durchschnittlich 15 000 Franken ren Seite. für hilfsbedürftige Italiener aus.» Erst als die Armee eingriff, trat unter Die Reihe der Vortragstitel würde der Vermittlung des Schweizerischen sicher noch bunter, wenn nicht im Ar- Gewerkschaftsbundes eine Art Waffen- chivbestand der GGN eine Lücke von stillstand ein. Die latenten Spannungen August 1914 bis Oktober 1929 bestehen und das gegenseitige Misstrauen blieben würde. Nach diesem schmerzlichen ar- aber über lange Zeit hinaus bestehen. chivalischen «Loch» wird aus den wie- Dies wurde 1901 und 1907 auch aus der vorhandenen Gesellschaftsakten den beiden Vorträgen des Sekretärs der ersichtlich, dass sich die öffentlichen kantonalen Einwohnerarmenpflege,Vorträge in die Altersheime «zurückge- einem Dr. Schmidt, zu den Themen «Die zogen» und sie nunmehr vorab den Pen- Ausländerfrage in der Schweiz» und sionären Wissen vermittelt und Freude «Der Einfluss der italienischen Einwan- bereitet hatten. So konnte beispielsweise derung im Kanton Zürich» deutlich. 1933 noch der Aviatikpionier Walter Mit- Im Protokollbuch der GGN vom telholzer für den Vortrag «Im Flugzeug 7. Februar 1907 lesen wir: «Vorzüglich vom Montblanc bis zum Grossglockner» wusste der Referent zu schildern, wie gewonnen werden. in Italien Staat, Gemeinde und Kirche Deutlich wird aus den Akten aber die Auswanderung organisieren, und in auch, dass im Zeitalter des damals auf- welch geschickter Weise die Auswande- kommenden Radios das Vortragsange- rungslustigen instruiert werden, damit bot allmählich ausdünnte.

Ausflug der GGN auf die Halbinsel Au, 1912

53 13 Alterspolitik – Herausforderung gestern und heute

Um 1875 begann die heute bedeutendste Tätigkeit der GGN: Die Schaffung von Altersheimplätzen für betagte «Asylgenossen», Mitbürgerinnen und Mitbürger aus den Neumünstergemeinden.

Die mittlere Lebenserwartung betrug «Helfenstein», 1840 in Zürich nur 34 Jahre. In dieser das erste Altersasyl der GGN Zeit lebten Alt und Jung meist noch in Aus den Protokollbüchern der GGN der Grossfamilie auf engstem Raum. Das wird deutlich, dass sich der Vorstand seit rasante Fortschreiten der Industrialisie- 1865 mit der Planung und dem Bau eines rung und das Einbeziehen der beiden El- «Alters-Asyls» beschäftigt hatte. ternteile in den Arbeitsprozess führten Am 7. Juli 1874 konnte vom «Weib- in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhun- lichen Verein für Armen- und Kranken- derts zum Auseinanderbrechen dieser pflege» die diesem als Mägdeherberge weit über das Mittelalter zurückrei- dienende Liegenschaft zum «Helfen- chenden Lebensform. Die zunehmend stein» in Hottingen (Freiensteinstrasse 5, armutsbedingte Enge der Behausung Abb. S. 55) für 40 000 Franken erwor- «vertrieb» die wenigen noch lebenden ben werden. Nach einer Innensanie- und von der harten Arbeit gezeichneten rung wurde am 11. September 1874 das Grosseltern ausser Haus und die Kinder erste Alters­asyl mit vier schon vorher im auf die Strasse oder seltener in die vor- Hause wohnenden Frauen eröffnet, zu schulischen Spielgruppen. – Damals war denen bis Ende des Jahres noch weitere Alters- und Sozialpolitik noch weitge- sechs eintraten. 1875 bereits waren die hend Sache von privaten Vereinigungen, 19 Plätze bei einem jährlichen Pensions- Stiftungen und Wohltätern. preis von 400 Franken besetzt, und die Heute steigt die Zahl der über 65-Jäh- Liste der Bewerber wuchs stetig an. rigen kontinuierlich an. Gleichzeitig hat Statuten und Hausordnung von April sich das Spektrum der älteren Menschen 1892 halten in § 1 fest, das «in Hottingen um die grosse Gruppe der fitten Rentne- errichtete Altersasyl hat zum Zweck, rinnen und Rentner erweitert. Im Unter- minderbemittelten älteren Personen schied zu früher hat die Gleichung «alt beiderlei Geschlechts Versorgung und gleich arm» in dieser absoluten Form an Verpflegung zu gewähren. Kranke, die Gültigkeit verloren. So sind heute nur grösserer Pflege bedürfen, können nicht gerade 1 Prozent aller Sozialhilfebezü- aufgenommen werden». ger über 65 Jahre alt, ja 65-Jährige und Geführt wurde das Heim von einer ältere Steuerpflichtige versteuern zu- Hausmutter, die «nach allen Kräften da- sammen 52 Prozent des Vermögens im hin zu wirken hat, dass die Bestimmungen Kanton Zürich (vgl. NZZ, 25. Novem- der Hausordnung erfüllt und das Zusam- ber 2005). – Die soziale Integration der menleben aller Hausbewohner im Geiste älteren Menschen ist zur Daueraufgabe der Ordnung, der Freundlichkeit und des der Gesellschaft geworden. Friedens geführt werden» (§ 16).

54 Freiensteinstrasse 5: Das Haus zum «Helfenstein», wurde 1874 zum ersten GGN-Altersasyl. Foto um 1910, Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich

«Die Asylgenossen erhalten, ausser Die Hausordnung hält in § 1 fest: «So- der Wohnung, gesunde, bürgerliche wohl in den Zimmern als in den übrigen Kost, Wäsche, Licht und Beheizung. In Räumen des Hauses soll Reinlichkeit Hinsicht auf das ihnen anzuweisende und Ordnung walten. … Auf die Rein- Zimmer haben sie sich den Anord- haltung der Küche und des vorhandenen nungen der Asylpflege zu unterziehen. Geschirrs ist streng zu achten … Die Die Eintretenden müssen eigenes Mo- Asylgenossen sollen, soviel ihnen mög- biliar mitbringen, nicht mehr als der lich, dabei mithelfen.» Raum gestattet» (§ 18). «Die Tagesordnung ist folgende: Mor- 1 «Der jährliche Pensionspreis beträgt genessen im Sommer um 7 ⁄2 , im Win- in der Regel 500 Franken. Die Asylpflege ter um 8 Uhr; Mittagessen um 12 Uhr; hat das Recht, je nach den Verhältnissen Abendkaffee um 4 Uhr; Nachtessen Erhöhung oder Ermässigung desselben um 7 Uhr. Die Hausgenossen essen an zu lassen» (§ 21). (Ein Aufschlag von gemeinsamer Tafel, ausgenommen die 100 Franken gegenüber dem Startjahr Kranken, denen ihr Essen auf dem Zim- 1874 ist nicht ohne. Man kann sich fra- mer zu reichen ist. In der Essstube darf gen, wie die meist bedürftigen «alten nicht geraucht werden» (§ 4). Leutchen» – so werden sie in den Jahres- «Die Kost ist folgende: Frühstück: berichten liebevoll genannt – diesen auf Kaffee und Milch und Brot; Mittags- den ersten Blick geringen Betrag, was mahl: an 5 Tagen Suppe und Fleisch und er aber für die damalige Zeit überhaupt Gemüse (Sonntags Braten), an 2 Tagen nicht war, zusammenkratzen konnten.) mit Mehlspeisen; Abends: Kaffee mit

55 Milch und Brot, des Nachts kräftige «Ende 1889», in 13 Jahren des Be- Suppe in gehöriger Abwechslung und stehens, wird im Rechenschaftsbericht Brot. Die Männer erhalten täglich 5 dl, festgehalten, «kamen insgesamt 28 To- die Frauen 4 dl Wein, den sie nach Be- desfälle vor, also jährlich zwei, bei einem dürfnis geniessen mögen» (§ 7). Personalbestand von 20. Davon erreich- «Die Asylgenossen haben freien Aus- ten 12 ein Alter von über 80 und 8 ein gang, doch ist zu wünschen, dass sie da- Alter von über 85, gewiss ein günstiges von der Hausmutter Mitteilung machen Resultat.» und nicht nach dem Nachtessen zurück- Das Jahr 1893 wird im Rechenschafts- kehren. Zu Hause sollen sie sich in der bericht «als ein ausserordentlich güns- Regel auf ihren Zimmern aufhalten und tiges» bezeichnet und ausgeführt: «Es nicht durch zu häufige Besuche Belästi- ist das erste Jahr seit dessen Bestehen, gung und Friedensstörung verursachen. dass kein Todesfall vorgekommen ist. Der Besuch der in der Anstalt abzu- Von den 19 Insassen (6 männliche und haltenden Erbauungsstunden wird den 13 weibliche) am 1. Januar 1893 traten im Asylgenossen freundlichst empfohlen» Laufe des Jahres 4 aus, ein Ehepaar sowie (§ 9). 1 Mann und 1 Frau, wogegen 4 Männer, darunter ein Ausländer, eintraten, so dass der Stand am 31. Dezember 1893 8 Männer und 11 Frauen, zusammen 19 Personen beträgt.»

Zürichbergstrasse 15: Das Haus zum «Plattenhof», wurde 1911 zum zweiten Altersasyl der GGN umgenutzt. Lithographie nach 1864, Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich

56 Ecke Zürichberg- strasse/Freiestrasse: Der «Plattenhof»

«Plattenhof», und Frl. Johanna Wipf und einem Komi- das zweite Altersasyl der GGN tee … liebevoll betreut und gepflegt. Angesichts der grossen Warteliste an Die Errichtung von Telefon und Ra- Bewerbern sah sich der Vorstand der dio in beiden Altersheimen und die GGN nach einer zweiten Liegenschaft Beschaffung einer Waschmaschine für um, die sich für die Nutzung als Alters­ den Plattenhof seien noch besonders er- asyl eignen würde. Am 28. Juni 1911 wähnt.» konnte das Haus zum «Plattenhof» (Zü- Vorausschauend wird im selben Jah- richbergstrasse 15) «behufs Einrichtung resbericht festgehalten: «Die beiden eines zweiten Altersasyles» für 140 000 Altersheime beschäftigen uns beson- Franken erworben werden. Zuzüglich ders deswegen etwas intensiver, weil der Kosten von weiteren 10 000 Franken die Aufnahmegesuche immer mehr als für Reparaturen und die Möblierung zehnfach so zahlreich sind wie die ver- wurde die Liegenschaft für 33 Pensio- fügbaren Plätze und weil der Weiter- näre wohnlich eingerichtet und eröffnet. bestand des Plattenhofes durch projek- Im Juni 1914 lebten im «Plattenhof» be- tierte Strassenbauten gefährdet ist. Nach reits 72 Personen (Pensionäre und An- einlässlicher Prüfung aller Verhältnisse gestellte). kam der Vorstand zum Schlusse, dass es Für die Zeit von August 1914 bis Ok- sich empfehlen dürfte, das ‹Projekt eines tober 1929 fehlen alle schriftlichen Un- Neubaues› ins Auge zu fassen und die terlagen der GGN, eine schmerzliche Mittel hierfür aufzubringen zu suchen. Archivlücke.­ – Das reine Vermögen der Altersheime Im Rechenschaftsbericht für das Jahr beträgt auf Ende 1929 141142.50 Fran- 1929 steht geschrieben: «Unsere beiden ken.» Altersheime Plattenhof und Helfenstein waren andauernd voll besetzt. Einzig bei zwei Todesfällen und drei Austritten er- gab sich Gelegenheit für neue Aufnah- men. Die 48 Insassen werden von den beiden Hausmüttern, Frau Emilie Heer

57 14 Alterspolitik – eine Daueraufgabe

Der Betrieb von Altersheimen wird zur Kernaufgabe der GGN. In sieben Heimen werden um das Jahr 1900 über 200 Personen betreut. Die privaten Heime müssen sich neu positionieren und ihre Rolle finden, im grossen und stets wachsenden Angebot der Stadt.

Alter Wunsch geht in Erfüllung Der damals in Aussicht stehende Kauf ei- ner Liegenschaft mit zirka 5600 m2 Land von der Evangelischen Gesellschaft zum Preis von 850 000 Franken an der Forch- strasse konnte 1931 getätigt werden. «Da die Häuser ursprünglich andern als für uns geeigneten Zwecken gedient hat- ten, mussten grössere Umbauten vorge- nommen werden. Der Bauaufwand von 420 000 Franken war bedeutend, und wäre die Stadt Zürich in verdankens- werter Weise uns nicht mit einem an- sehnlichen Betrag von 150 000 Franken zu Hilfe gekommen, so wäre unsere Ge- sellschaft in eine unangenehme finan- zielle Notlage geraten» (Jb. 1958). Ein Jahr nach der 100-Jahr-Feier (1932) konnten die beiden südlichen Häuser Forchstrasse 85 und 93 bezogen werden und erhielten die sprechenden Namen «Frieden» und «Sonnenschein». Gleich- zeitig wurden die beiden nördlichen Häuser Forchstrasse 77 und 91 mit den Namen «Daheim» und «Abendruhe» eröffnet. So betrieb nun die GGN, zu- sammen mit den beiden bereits beste- henden Altersheimen «Helfenstein» (Freiensteinstrasse 5) und «Plattenhof» Die GGN erwirbt Im Jahresbericht der Gemeinnützigen (Zürichbergstrasse 15) und dem noch 1931 die Liegenschaft Gesellschaft Neumünster für 1930 gab 1938 neu errichteten «Ruhesitz» (Forch- der Kranken- und sich der Vorstand im Hinblick auf «das strasse 81), sieben Altenheime. Diakonissenanstalt Projekt der Schaffung eines neuen Al- Neumünster zwi- tersheims» zuversichtlich und hält darin Vom Alltag in den Altenheimen schen Forch- und Minervastrasse.­ fest: «Es besteht also die Aussicht, dass «Das Kriegsjahr 1941», so hält der Jahres­ wir zur Feier des 100-jährigen Bestehens bericht fest, «mit seiner zunehmenden unserer Gesellschaft ein der Fürsorge für Verknappung und Verteuerung der Le- das Alter dienendes schönes Werk schaf- bensmittel, Brennstoffe und aller Bedarfs- fen können.» Was ist geschehen? artikel hat unsere sieben Altersheime mit

58 195 Pensionären und 30 Angestellten vor «Die Aufnahme von neuen Pensio- schwierige Aufgaben gestellt. Es brauchte nären», so gibt der Jahresbericht von viele Verhandlungen mit den zuständi- 1953 zu bedenken, «erfordert grosse gen Behörden, viel guten Willen und Ent- Aufmerksamkeit, und nicht selten ist es gegenkommen, um alles Notwendige für ein Problem. Waren es vor zehn Jahren die Verpflegung tagtäglich hereinzubrin- Sechzigjährige, die sich bei uns mel- Ehemalige Neumüns- gen und dafür zu sorgen, dass bei allen deten, so sind es jetzt die Siebzigjäh- terkapelle auf dem Einschränkungen doch niemand Mangel rigen. Dies zwingt uns, bei der Auswahl Gelände der GGN an leiden müsse und jedes sein warmes ge- einen strengeren Massstab anzulegen, der Minervastrasse mütliches Stübchen habe.» denn wir sind nicht eingerichtet, Kranke und Altersschwache beständig pflegen zu können; auch möchten wir nicht un- sere Pensionäre enttäuschen, wenn sie kurz nach ihrem Einzug bei uns pfle- gebedürftig werden und wir sie dann in ein Krankenhaus oder ein Pflegeheim einliefern müssen. Die Eigenarten unserer Pensionäre äussern sich gelegentlich in unlieb- samen Episoden. Spannungen zwischen ihnen und der Verwaltung verursachen öfter Schwierigkeiten. Es ist nicht im- mer leicht, zu schlichten und das Rich- tige anzuordnen. Geduld und Ruhe, verbunden mit Takt und verständnis- vollem Einfühlen in die Gedankenwelt unserer Pensionäre, allein vermögen die Gemüter zu besänftigen …»

59 Im Mittelpunkt der Tätigkeit der den schwierigen Zeitverhältnissen, un- GGN stand und steht seit den 30er Jah- ter andauernden Reibereien und Krän- ren zweifelsohne die Verwaltung der kungen, unter Entfremdung von den (sieben) Altersheime sowie die Betreu- Mitmenschen, unter finanziellen Sor- ung der Pensionäre. Eine Standortbe- gen und so weiter. Wir versuchen wohl stimmung zu dieser wichtigsten Aufgabe durch Sprechstunden und Besuche mit gibt der Jahresbericht von 1956 wieder: ihnen in engere Fühlung zu treten, um «Wenn auch unsere Organisation mit durch offene Aussprachen ihnen über Bezug auf das leibliche Wohl unserer ihre Schwierigkeiten hinwegzuhelfen. Bewohner ordentlich funktioniert, so Doch häufig fehlt ihnen das nötige Ver- vermögen wir zu unserem grossen Be- trauen und der Mut für eine Aussprache. dauern ihren geistigen Belangen nicht in Sie sind befangen und scheuen sich, über dem Masse zu genügen, wie wir es gerne ihre innere Nöte auszusagen, obwohl sie täten. Sind doch gerade für betagte Men- fühlen, dass ein Sich-Aussprechen ihnen schen diese Anliegen von ausschlagge- Erleichterung bringen würde.» Gedan- bender Bedeutung. Wie oft leiden sie an ken, die zur Morgenandacht aller Insas- Einsamkeit, an Depressionen, an Angst, sen sowie des Pflegepersonals gereichen an seelischen Konflikten, leiden unter würden …

Forchstrasse 93: Eines der Altersheime der Gemeinnützigen Gesellschaft­ ­Neumünster. Das ursprünglich als Krankenhaus 1884/86 gebaute Haus wurde 1932 zum Altersheim «Sonnenschein» der GGN umfunktioniert. 1972 wurde das Gebäude verkauft und 1974 dann abgebrochen. Bild von 1933, Baugeschicht- liches Archiv der Stadt Zürich.

60 1970 wurden die Eine Bestandesaufnahme hält der Neubau greift in den Himmel Altersheimbauten aus Jahresbericht von 1960 fest: «Die Zahl Seit dem Jahr 1963 dachte der Vorstand dem 19. Jahrhundert unserer Pensionäre belief sich Ende laut nach, die Altersheime an der Forch- abgebrochen. 1960 auf 203 Personen. Davon wohnten strasse neuzeitlich umzubauen. Die in unseren zwei Pensionshäusern ‹Son- Baukosten, so wurde hochgerechnet, nenschein› 9 Herren und 28 Frauen, im würden sich auf rund fünf bis sechs Mil- ‹Frieden› 3 Herren und 10 Frauen. In lionen Franken belaufen. Der Vorstand unseren fünf Altersheimen waren in der hoffte, dass sich die Finanzierung des ‹Abendruhe› 3 Herren und 43 Frauen, Neubaus in einem vernünftigen Rah- im ‹Daheim› 3 Herren und 12 Frauen, men halten und dass die Öffentlichkeit im ‹Ruhesitz› 4 Herren und 39 Frauen, das gemeinnützige Vorhaben unterstüt- im ‹Plattenhof› 6 Männer und 28 Frauen zen würde. Man rechnete 1966 für die und im ‹Helfenstein› 15 Frauen unterge- Planungsphase und die Bauzeit fünf bis bracht, alle in Einzelzimmern. Die Mahl- sechs Jahre. zeiten in unseren fünf Häusern an der Es war geplant, die Häuser «Abend­ Forchstrasse werden an grösseren und ruhe», «Daheim» und die Kapelle abzu- kleineren Tischen in zwei geräumigen brechen und auf dem frei gewordenen Sälen eingenommen. Eine Bibliothek Areal zwei Hochhäuser zu erstellen mit und Aufenthaltsräume stehen unseren sechs und zehn Stockwerken, um darin Insassen zur Verfügung. Im ‹Plattenhof› zirka 150 Pensionäre unterzubringen. und ‹Helfenstein› sind die Speisesäle et- Der «Ruhesitz» sollte in eine Pflege­ was einfacher. Dort sitzt man an langen abteilung mit 20 Betten umgebaut wer- Tischen, weil die Räume zu klein sind, den. Zwei Speisesäle würden sich an die um Einzeltische zu stellen. Das Alter un- bestehende Küche des «Ruhesitzes» an- serer Pensionäre liegt zwischen 65 und schliessen. Sie sollten trockenen Fusses 95 Jahren, im Durchschnitt beträgt es von den beiden Hochhäusern erreichbar 79 Jahre.» sein. Auch ein Vortragssaal wird an der Forchstrasse erstellt werden. Die da- malige Liegenschaft umfasste 8960 m2. Es wurde beabsichtigt, davon zirka

61 2000 m2 Land abzutrennen («Sonnen- nuar einigen Behördenmitgliedern und schein» und «Frieden») und sie zu ver- der Presse vorstellen. Eine ganz beson- äussern. Der Verkaufserlös sollte als dere Freude war es, Herrn Regierungsrat Baukredit Verwendung finden. Dr. U. Bürgi, Frau Stadträtin Dr. E. Lie- 1970 wurde mit den Abbruch- und berherr und Herrn Stadtrat H. Frick bei Neubauarbeiten begonnen, und der Jah- uns begrüssen zu können … Wir freuten resbericht von 1975 hält stolz fest: «Schon uns über ihr grosses Interesse und auch bald nach Jahresbeginn hatten wir einen darüber, dass sich beim Rundgang so- grossen Tag im Heim Neumünster. Wir fort ein guter Kontakt mit unseren Pen- durften unsere neuen Häuser am 14. Ja- sionären und dem Personal einstellte.»

1973 war das Alters- und Pflegewohnheim Neumünster fertig gestellt.

62 15 Atemholen, durchhalten und voranschreiten – wie seit eh und je

Gemeinnützige Gesellschaften sind wie alle Institutionen des öffentlichen Lebens aufgefordert, sich stets neu auf ihr Umfeld auszurichten. Die GGN zeigt sich dieser Aufgabe auch in den letzten 25 Jahren gewachsen.

Im selben Jahr 1975, in welchem der eine angenehme Sitzgelegenheit zu fin- himmelwärts greifende Neubau des den, sei es, dass auch einige Jassteppiche «Neumünsters» eröffnet worden war, samt Karten aufgelegt werden. Das Spiel stand die aufgeschobene bauliche Sa- ist für den Menschen eine Lebensnot- nierung des «Plattenhofes» an. Diese wendigkeit, es schenkt ihm die Chance, konnte im darauffolgenden Jahr bereits wieder einmal zu siegen. Diese Spiele abgeschlossen werden, und zufrieden sollen aber nicht durch die Heimleitung hält der Vorstand der GGN als Mieter organisiert werden, sondern spontan er- des der Stadt gehörenden Heimes im folgen. Bei dieser Gelegenheit möchten Jahresbericht fest: «Danken möchten wir aber auch auf die Bibliothek hinwei- wir dem städtischen Hochbauinspek- sen, die allen Pensionären offen steht. Die torat, das die Renovation mit grosser Literatur ist sehr vielseitig und hilft, sich Sorgfalt und mit grossem Verständnis ein wenig vom Alltag zu lösen.» – Mir für die Bedürfnisse eines Altersheimes ist, als höre ich einen Auszug aus den durchgeführt hat.» Protokollen der 24. und 25. Sitzung vom Ebenfalls im Jahre 1976 wurde die 9. Januar und 6. März 1833 der Gründer- Pflegeabteilung im «Neumünster» mit generation der GGN (vgl. S.32ff.). den 12 Betten von der Gesundheitsdi- Die Pensionspreise gaben und geben rektion des Kantons Zürich als Spital immer wieder Anlass zu Diskussionen, anerkannt, was dazu geführt hat, dass da beide Heime oft einen Ausgaben­ mit dem Krankenkassenverband ein überschuss aufweisen, der zu Lasten Vertrag über die Leistungen der Kassen der Gesellschaftsrechnung ausgeglichen abgeschlossen werden konnte. werden musste. So sah sich der Vorstand Der Jahresbericht 1977 führt nach der genötigt, in den Jahren 1990 bis 1994 die Vorbemerkung «Gestatten Sie uns zu- monatlichen Pensionspreise um 160 bis erst einige generelle Bemerkungen zum 200 Franken anzuheben, was bei eini- Thema Altersheime» eine Standortbe- gen Insassen wohl hart an die Schmerz- stimmung durch: «Unsere Heime sollen grenze geführt hat. keine starre Institution bleiben, sondern sich auch den gesellschaftlichen Verän- Spenden und Legate derungen anpassen können. Wir möch- Ohne Spenden und Legate wäre es für ten die Türen noch weiter öffnen und die GGN schwierig, ihre gemeinnüt- unsern Pensionären die Verbindung mit zigen Aufgaben ungeschmälert auch in der Umwelt erleichtern, sei es, dass wir Zukunft zu erfüllen. Besuchern ermöglichen, mit den Ange- 1980 erhielt die GGN von der 1979 hörigen im Heim nicht nur im Pensio- verstorbenen Frau Johanna Kiefer-Figi närzimmer zusammen zu sein, sondern testamentarisch fünf Mehrfamilien- auch in öffentlich zugänglichen Räumen häuser an der Hofackerstrasse vermacht.

63 Hofackerstrasse 1–5a: Häuser aus der Schenkung Parkend- fonds an die GGN

Dieses grösste bislang erhaltene Legat Kinder sind, denen es neben anderem beinhaltet 46 Wohnungen, deren Sanie- vor allem an Zuwendung und liebe- rung 1984 für den Betrag von 2,5 Mio. voller Betreuung mangelt, haben wir es Franken abgeschlossen werden konnte. für einmal gewagt, zwei neu gegründe- Die Liegenschaften mit den preisgüns- ten Kinderkrippen in unserem Quartier tigen Wohnungen werden im «Park­ Starthilfe zu leisten. Sie suchen Kinder, endfonds» verwaltet. Neben diesem die von ihren Eltern nicht rund um die neu geschaffenen Fonds werden heute Uhr selbst betreut werden können, Auf- noch fünf weitere separate Fonds und enthalt und Wärme zu geben. Mögen Stiftungen, die zum Teil in die Anfänge unsere Gaben für ihr Wirken Hilfe und der GGN zurückreichen, verwaltet: Ansporn sein!» Sennhauser-Hilfsfonds, Personalwohl- fahrtsstiftung, Susanna Baumann-Stif- Aus im «Plattenhof» tung, Hilfsfonds für Angestellte und die Das 1975 sanierte Altersheim Platten- Waisenstiftung Neumünster (s. S. 77f.). hof gab immer wieder Anlass zu Diskus­ Zu Letzterer hält deren Quästor, Pfarrer sionen. Die Überwälzung der vor allem Ernst Irniger, im Jahresbericht 1999 fest: wegen der Erhöhung des städtischen «Das Hauptproblem der Waisenstiftung Mietzinses massiv gestiegenen Kosten ist nicht, wie sie zu Geld kommt. Das auf die Pensionspreise war im Jahre Stiftungskapital hat sich im Laufe des 1987 nicht vertretbar. Die Vermietung Berichtsjahres wiederum um gut 10 000 der nur einen sehr bescheidenen Kom- Franken (auf knapp 250 000 Franken) fort bietenden Zimmer bot ohnehin vermehrt. Aber wie werden wir das Geld schon Schwierigkeiten. Die Tatsache, wieder los? Eigentlich ist es zum Brau- dass fortan mit extrem hohen Defiziten chen da gemäss Reglement! Nur eben: zu rechnen war, zwang den Vorstand zu Bedürftige Waisenkinder klopfen selten einer grundsätzlichen Überprüfung der an, auch nicht deren Rechtsvertreter. So Situation. Nachdem die Abklärungen er- ist Phantasie gefragt für einen sinnge- geben hatten, dass eine Mietzinssenkung mässen Einsatz der Mittel. Ausgehend nicht möglich war und auch ein Gesuch von der Überlegung, dass Waisenkinder zur Weiterführung des Heims durch das

64 Sozialamt von den Behörden abschlägig seren Pensionären ein gutes Mass an zu- beantwortet wurde, beschloss die GGN sätzlicher Lebensqualität bringt. «schweren Herzens die Auflösung des Das grösste bauliche Vorhaben bildete Heims». der Einbau von 15 rollstuhlgängigen Du- Auf den 1. April 1988 konnte sich die schen und von zwei Hebebadewannen. GGN vom «für sie unhaltbar gewor- Wir glauben damit künftige Komfor- denen Altersheim Plattenhof» befreien. tansprüche zu befriedigen und vor allem Dies nun ohne Skrupel, da nach wech- dem Pflegepersonal die Betreuung der selhaften Verhandlungen mit der Stadt immer grösser werdenden Zahl an hilfs- Zürich der Stadtrat auf seine früheren bedürftigen Pensionären zu erleichtern.» getroffenen Entscheidungen zurückkam und das Sozialamt mit der einstweiligen Frontberichte Weiterführung beauftragte. In den jüngsten Jahresberichten wird wiederholt festgestellt, dass die Anmel- Standortbestimmung delisten (Wartelisten) immer kleiner Befreit vom Pferdefuss «Plattenhof» hält werden, obwohl die Lebenserwartung der Vorstand im Jahresbericht 1991 zum der Menschen seit Jahrzehnten kontinu- Betrieb des Altersheimes Neumüns- ierlich gestiegen ist. «Je länger je mehr», ter fest: «1991 stand das Heim erstmals so folgert der Präsident der Betriebskom- während des ganzen Jahres unter der mission, Albert Moser, «spürt auch das Leitung der Ehegatten Dörig, die sich Altersheim Neumünster Konkurrenz. ihrerseits auf ein unverändertes Kader Heute prüfen und suchen Interessenten stützen konnten. Im übrigen Personal- ihr Altersheim genau aus. Pensionspreis, bereich bestand immer noch das Pro- Lage und Komfort werden genau ge- blem der häufigen Wechsel. Vor allem prüft, und dann wird zwischen zwei bis in den Pflegeberufen dauerten die Eng- drei Heimen entschieden» (Jber. 1994). pässe an. Die Heimleitung, die erstmals mit Das Heim war wiederum voll besetzt. dem Ehepaar Dörig in den Jahresbe- Die Mutationen hielten sich im üblichen richten eine Stimme erhält, doppelt in Rahmen. Anmeldungen für Heimplätze ihrem «Frontbericht» nach: «Viele alte sind zwar nach wie vor in grösserer Zahl Menschen bleiben jedoch lieber in ihrer vorhanden, jedoch zum grossen Teil auf gewohnten Umgebung zu Hause und entferntere Termine. Kurzfristige Ver- werden dabei, wenn nötig, von der Spitex mietungen sind daher hie und da nicht unterstützt. Wenn wir im Altersheim einfach zu realisieren. Neumünster verpassen, unsere Synergien Die Plätze in der Pflegeabteilung wa- zu nutzen, sind die Warte­listen versiegt, ren wiederum voll belegt. Es blieb daher und wir müssen ebenfalls mit Inseraten unser Bestreben, hilfsbedürftige Pensio- versuchen, die Leerstände zu füllen. näre so lang als möglich in ihren Zim- Das Eintrittsalter steigt, und oft mit mern zu betreuen. ihm sind die Neueintretenden vermehrt Der Heimbetrieb funktionierte er- auf Hilfeleistungen durch das Personal freulicherweise während des ganzen angewiesen, und die Pflegebedürftigkeit Jahres sehr gut. Besondere Anstrengun- tritt früher ein. Vermehrt mussten auch gen galten der Aktivierung der Pensio- Anfragen für einen Altersheimplatz zu- näre. Die angebotenen Teilnahmemög- rückgewiesen werden, da das Aufnah- lichkeiten gingen vom Altersturnen, mekriterium der «Selbständigkeit» nicht Vorlesen, Singen, Spielen, Basteln, Ma- mehr erfüllt wurde. len bis zu Kursen in Gedächtnistraining. Im Betreuungsalltag stösst das Pflege­ Wir glauben, dass dieses Angebot neben personal vermehrt auf Probleme und guter Unterkunft und Verpflegung un- Grenzen im Umgang mit dementen Pen-

65 sionären, bedingt durch das Fehlen der Ausblick ihren Bedürfnissen angepassten speziell An der Schwelle zum 3. Jahrtausend und benötigten Infrastrukturen. kurz vor der 175-Jahr-Feier formuliert Auch die heute gebotene Infrastruk- der Präsident der GGN, Dr. Andreas tur unserer Pflegeabteilung ist nicht Müller, die Zukunftsperspektiven: «Die mehr zeitgemäss in Bezug auf Wohn- GGN will in ihren Aufgaben keinem lichkeit und Wahrung der Privatsphäre unnötigen Luxus das Wort reden. Wir der Pflegebedürftigen. Dies führte 1995 müssen aber den Zeichen der Zeit fol- vermehrt zu Übertritten in andere Pfle- gend konkurrenzfähig sein und blei- geheime. ben. Im Altersheim wird es zunehmend Trotz diesen Begebenheiten und der wichtig, dass die Selbständigkeit der in letzter Zeit durch die Medien öfter Pensionärinnen und Pensionäre geför- verbreiteten kritischen Töne gegen die dert und erhalten wird. Ein frühzeitiger Altersheime, werden Heime wie das un- Einbezug in die Entscheidungsfindung, sere, einen wichtigen Stellenwert in der überall dort den Entscheidungsspiel- Altersbetreuung beibehalten, sofern wir raum belassen, wo es nur irgendwie be- bereit sind, unsere Personalstrukturen trieblich möglich ist, das sind Ziele, die und die Betreuungskonzepte dem stän- wir nie aus den Augen lassen dürfen» digen Wandel in der Alterspolitik anzu- (Jber.1999). passen (Jber.1995).

66 Der Festakt 175 Jahre GGN

Die gemeinnützigen Gesellschaften hatten sich in ihrer Ge- schichte nur wenig mit ihrer Wahrnehmung in einer weiteren Öffentlichkeit befasst. Noch bis vor wenigen Jahren war es auch in der GGN üblich, die eigenen Leistungen eher unter den Scheffel zu stellen und ruhig aber verlässlich die ange- stammten Aufgaben zu erfüllen. Eine gewisse Bescheidenheit – durchaus sympathisch und nachvollziehbar – und der Stolz darauf, ohne Staatskrücken existieren zu können, regierte. Der Autor: Bekanntheitsgrad der GGN war eher gering; über den engeren Dr. Andreas Müller Mitgliederkreis hinaus wussten nur wenige um deren Rolle als Trägerschaft des viel besser bekannten Altersheims an der Mi- nervastrasse.

Mit dem Ausbau des Sozialstaates verloren viele gemeinnüt- zige Institutionen an Bedeutung. Die Mitgliederzahl sank, es gab kaum mehr Neueintritte. Eine Tagung der schweizerischen gemeinnützigen Gesellschaft, SGG, stand denn auch unter dem bezeichnenden Titel: «Sind die gemeinnützigen Gesellschaften ein Auslaufmodell?». Von einer umfassenden Beunruhigung oder gar einer Sinnkrise im non-profit-Bereich, wie er sich mittlerweile nannte, kann allerdings keine Rede sein: Viele der traditionellen Institutionen hatten sich in ihrer langen Ge- Predigt zum Fest­ schichte einen guten finanziellen Hintergrund geschaffen, oft gottesdienst von geäufnet durch Spenden und Legate. Pfarrer Torsten Stelter, Vorstandsmitglied der GGN

67 Grussworte Die voll besetzte der Kirchenpflege­ Kirche mit dem Neumünster: Für die GGN mit ihrer stark operationell ausgerichteten Neumünster-Orchester Frau A. Vollenweider Tätigkeit wurde indes schon länger erkennbar, dass die An- sprüche an die eigenen Leistungen zusehends wachsen und die Finanzen in Zukunft massiv beanspruchen würden. Die Vorgaben an die Führung eines Heims und die dazu gehörigen administrativen Auflagen liessen die Fortführung der Aufga- ben ebenfalls nicht einfacher werden.

Wie immer die künftige Rolle der privaten Trägerschaften im Alters- und Fürsorgebereich sein wird: Eine vorausschau- ende Haltung und damit verbunden eine Öffnung der GGN nach aussen drängte sich immer deutlicher auf. Der Vorstand sah deshalb das Jubiläumsjahr 2006 als eine ideale und über- aus willkommene Gelegenheit, die GGN ins Bewusstsein der Bevölkerung zu rücken. Von Anfang an stand aber auch fest, dass es im Jubiläumsjahr auch nach innen zu feiern galt, vorab die Tatsache, dass von den vielen freiwilligen Mitwirkenden und den Mitarbeitenden eine grosse und wertvolle Leistung erbracht wird. Das gemeinsame Tun und der Zusammenhalt nach innen sollten in den Feierlichkeiten ebenfalls ihre gebüh- rende Beachtung finden.

Den Auftakt zu einem ganzen Reigen von Aktivitäten machte der Festakt am 5. Februar 2006. Ein sonntäglicher Festgottes- dienst sollte die historische Verbundenheit zur Kirchgemeinde Neumünster bekräftigen. Diese Idee fiel bei der Kirchenpflege Neumünster auf guten Boden, und so fand sich denn eine grosse, festlich gestimmte Gemeinde in der Kirche Neumüns- ter ein und genoss eine von Grussworten des Präsidenten der GGN und der Präsidentin der Kirchenpflege umrahmte Pre-

68 digt von Pfr. Torsten Stelter, Mitglied des Vorstands der GGN, zum Thema der Solidarität und der Gemeinnützigkeit. Auch die Kirchgemeinden Witikon, Balgrist und Hottingen war zu diesem geschichtsträchtigen Festgottesdienst geladen. Das Neumünster-Orchester und der schöne Blumenschmuck gaben dem Ganzen einen besonders feierlichen Rahmen.

Bereits im Vorfeld hatten sich die Tageszeitungen ausführ- lich und durchwegs wohlwollend in Interviews und eigenen Artikeln mit dem Jubiläum befasst. Die «Neue Zürcher Zei- tung» titelte «Von der Badeanstalt zum Altersheim, 175 Jahre Gemeinnützige Gesellschaft Neumünster». Der «Tages-Anzei- ger» würdigte «eine der ältesten Institutionen in der Stadt» und die Tatsache, dass das Altersheim dank der Defizitübernahme der GGN ohne Subventionen auskommt und dennoch keine höheren Gebühren verlangt als die städtischen Einrichtungen. Das «Tagblatt» stellte das «Interview des Tages» unter den Titel «Bürger wollten die Not lindern, 175 Jahre GGN».

Die an den Festgottesdienst anschliessende Feier im Kirch- gemeindehaus Neumünster im Kreis der Mitglieder und vieler Gäste gab reichlich Gelegenheit zu gemütlichem Beisammen- sein. Grussadressen von Stadtrat Robert Neukomm, zuständig für das Gesundheits- und Sozialamt der Stadt, und verschie- dener Vertreter von Vereinen und auch der Zünfte von Ries- bach, Hottingen und Witikon wurden mit viel Interesse auf- genommen. Eine fortlaufende Dia-Schau gestaltet von Werner Pfister, Mitglied des Vorstands, zeigte eine bunte Vielfalt an Bildern aus der Geschichte der GGN. Die Kirchgemeinde Neu- münster reihte sich mit einer von Pfr. Stelter verfassten Fest- Stadtrat Robert Neukomm

69 Köstlichkeiten aus Küche und Keller für die Festgemeinde gabe zum Thema «175 Jahre Solidarität und gelebte Gemein- nützigkeit» in die Reihe der Gratulanten ein. Diese grosszügige Geste wurde besonders gewürdigt. Als weitere Marksteine des Jubiläumsjahrs werden folgen: ein Tag der Begegnung im Altersheim an der Minervastrasse und eine festliche Generalversammlung im Juni, zu der diese Festschrift erscheint.

Spenden zum Jubiläum Aus Anlass des 150-jährigen Bestehens der Credit Suisse durfte die GGN eine bedeutende Spende entgegennehmen, und zwar leistet die «Jubiläumsstiftung der Credit Suisse Group» eine Teilfinanzierung von CHF 50 000 an die Ausstattung un- seres Heims an der Minervastrasse mit Sonnenstoren. Damit kann ein Projekt realisiert werden, das schon länger auf der Wunschliste der Heimleitung und der Pensionäre stand, aber aus finanziellen Gründen zurückgestellt werden musste. Zu- sätzlich sind auch einige kleinere Spenden eingegangen, und verschiedentlich wurden von Lieferanten aber auch Vorstands- mitgliedern gemachte Aufwendungen nicht verrechnet. Die GGN ihrerseits hat aus Anlass ihres Jubiläums einen lang gehegten Wunsch des Altersheims erfüllen können: Am «Tag der Begegnung» wird ein Teich auf dem Heimgelände ein- geweiht, der mit japanischen Zierfischen bestückt ist und ohne Zweifel zu einer ganz besonderen Attraktion werden wird. Auch hier wurde tatkräftig mitgespendet, auch vom Personal des Heimes und Vereinen und Zünften aus den angrenzenden Quartieren.

70 Die GGN 2006 – eine Standortbestimmung

Die Verdienste der überaus aktiven Gründergeneration wur- den weiter vorne ausführlich dargelegt. Wo der Staat noch kaum über soziale Angebote verfügte, stiess die private Initia- tive in die Lücke und knüpfte direkt an augenfällige Notstände und soziale Probleme an. Aus den selbständigen Gemeinden wurden Stadtquartiere, die Zeiten änderten sich und mit ihnen auch die GGN. Entsprechend dem Ausbau des modernen Sozi- alstaates reduzierte sich die Vielfalt der ehemals von der GGN wahrgenommenen Aufgaben und die Mitgliederzahl der GGN fiel im Laufe der Zeit von über 1000 auf heute noch rund 160.

Der Betrieb des Alters- und Pflegeheims ist zurzeit recht gut abgesichert. Das Heim geniesst über das engere Umfeld von Neumünster hinaus einen sehr guten Ruf und ist entsprechend gut belegt. Dies ist zum einen sicher das Ergebnis einer sorg- samen Investitionspolitik mit einer umsichtigen Anpassung an die heutigen Bedürfnisse der älteren Mitmenschen, ohne unnötigen Luxus, aber immer auf der Höhe der Zeit. Im Kern entscheidend ist aber die Kontinuität im personellen Bereich: Das Heimleiter-Ehepaar Anton und Barbara Dörig sorgt seit sechzehn Jahren mit ungebrochenem Elan für die Sicherheit, die Geborgenheit und das Wohlbefinden unserer Pensionäre. Vorstand und Mitglieder der GGN wissen diesen glücklichen Umstand entsprechend zu schätzen.

Was aber wird morgen die Aufgabe einer GGN sein? Diese Frage muss vor allem den Vorstand immer wieder beschäftigen. Einige Konstanten dieser Überlegungen seien hier angeführt.

A. Moser, Vizepräsident der GGN

71 Haben private gemeinnützige Altersheime noch eine Zukunft? Die Zahl der über 65-jährigen Personen steigt bekanntlich auch in der Schweiz stark an. Gleichzeitig sind die heutigen Rentner und Rentnerinnen fitter denn je. Das hat eine Studie, die die Regierung des Kantons Zürich kürzlich im Rahmen der Überprüfung ihrer Sozialpolitik veröffentlich hat, deutlich bekräftigt.

Damit bestätigt sich eine Entwicklung, die die GGN in ihrer ganzen Geschichte mitverfolgen konnte. Noch um 1960 war es z.B. die Regel, dass man sich um die 70 bereits mit dem Ge- danken an einen Heimeintritt ernsthaft befasste und sich auch gleich auf Wartelisten für die knappen Heimplätze setzen liess. Seither ist das Angebot an Heimen in der Stadt Zürich stark angewachsen, gleichzeitig ist das durchschnittliche Eintritts- alter der immer rüstigeren älteren Personen dauernd angestie- gen. Bei Eintritt in unser Altersheim an der Minervastrasse ist man heute im Schnitt 84 Jahre alt. Das Ziel der alternden Bevölkerung ist es heute nicht mehr, sich den Heimplatz zu sichern, sondern möglichst lange im eigenen Haushalt blei- ben zu können. Die sehr erfolgreichen und breit ausgebauten Spitexdienste tragen wesentlich dazu bei, dass dies nicht nur ein Wunsch bleibt. «Möglichst lange gesund bleiben und unab- hängig sein» ist die Devise in der zweiten Lebenshälfte.

Ein höheres Eintrittsalter heisst aber wiederum, dass der Gesundheitszustand unserer Pensionäre und Pensionärinnen beim Eintritt weniger gut ist als früher. Die kostenintensiven Pflegeleistungen werden früher und intensiver beansprucht. Dem Ausbau der Pflegeabteilungen und dem Bau einer Ab- teilung für begleitetes Wohnen für Demente galt denn auch die volle Aufmerksamkeit des Vorstands in den vergangenen Jahren. Aus Wohnen wird Pflegen, aus Pflege wird Betreuung rund um die Uhr; der Alltag in den Heimen hat sich deutlich

72 verändert. Was früher «Altersasyl» hiess, wurde zum Alters- und Pflegewohnheim, aus «Insassen» wurden Pensionäre, aus dem Tagestarif eine «Hotel- und Pflegetaxe».

Markant gestiegen sind die an ein konkurrenzfähiges Heim gestellten Komfortansprüche: Individuelle Frühstückszeiten, Cafeteria, Wahlmenus, ­Diät­küche, ein Internetcorner, eine Vielzahl von kulturellen und gesellschaftlichen Anlässen, all das wird heute erwartet, einerseits von den Pensionären selbst, aber noch viel mehr von ihren Angehörigen. Grosszügige Grundrisse der Zimmer, komfortable Lifts, nettes und jeder- zeit gut gelauntes, verständiges Personal erwartet man mit ei- niger Selbstverständlichkeit. Dass die Pflege­leistungen auch in medizinischer und fürsorglicher Leistungen rund um die Uhr verfügbar sein müssen, wird vorausgesetzt.

Auch an die Führung eines Heimes werden heute vielfäl- tige Ansprüche gestellt. Dass ein Altersheim eine eigentliche Unternehmung darstellt und Managementkenntnisse und -fähigkeiten auf allen Ebenen unerlässlich sind, wird schon aus

73 den aktuellen Personalbeständen klar: Im Heim an der Miner- vastrasse arbeiten über 115 Personen aus gegen 20 Nationen für das Wohl der 151 Pensionärinnen und Pensionäre. Auch nimmt die administrative Last einer Heimleitung durch das KVG und umfassende statistische Erhebungen aller Art dau- ernd zu.

Neben dem Personal und der Heimleitung wird aber auch die Trägerschaft mehr denn je gefordert. Weniger für revolu- tionäre Projekte, wie sie in den Anfangszeiten der GGN die Regel waren. Die Zeiten haben sich geändert, und die GGN konzentriert sich wohl auf Jahre hinaus sinnvollerweise auf das einzige ihr verbliebene Heim und die diversen Vergabungen. Zukunftssicherung heisst heute, die eigenen Ressourcen mit Augenmass, d. h. gezielt und kontrolliert einzusetzen. Sollten sich indessen unerwartet neue Aufgaben stellen, die von Inter- esse sein könnten, wird die GGN sich die Sache sicher genau ansehen wollen.

Gemeinnützigkeit bleibt aktuell Es ist wie oben mehrfach erwähnt, alles andere als selbstver- ständlich, dass es immer noch gelingt, ein Heim dieser Grösse auf privater und gemeinnütziger Basis zu betreiben. In der Altersversorgung hat die Konkurrenz zugenommen, auch gewinnstrebige Unternehmungen haben sich einen Platz ver- schafft und werben aktiv für ihre Heime. Dem Heimeintritt geht heute ein eigentliches «shopping» voraus: Erst nach ein- gehendem Abwägen und eventuell gar einem «Probewohnen» wird entschieden, welches Heim zum Zuge kommt.

Die GGN kann, wenn nicht grössere unvorhergesehene Er- eignisse eintreffen, dank langjährigem sorgsamem Umgang mit den Finanzen wohl auf einige Zeit noch unabhängig bleiben. Die Pensionspreise im Heim liegen in etwa im Mittel der öf- fentlichen städtischen Heime, dies dank der Defizitübernahme

74 durch die GGN. Beibehalten wollen wir auch in Zukunft so lange es nur geht die vermögensunabhängigen Pensionspreise: Der Aufenthalt im Heim ist für alle gleich teuer, Abstufungen gibt es lediglich für den Grad der Pflegebedürftigkeit.

Verkennen wir aber dennoch nicht, dass angesichts der ste- tig steigenden Kosten es schwieriger werden wird, künftig ohne Drittmittel auszukommen. Die vor rund vierzig Jahren erstell- ten Gebäude an der Minervastrasse kommen in die Jahre, und so hat ein intensiver Diskussionsprozess in den Gremien der GGN eingesetzt, wie die Zukunft zu sichern ist. Kostenkon­ trolle, Langfristplanung, Verhinderung von Leerständen sind neben der Bauplanung nur einige der Stichworte. Besondere Aufmerksamkeit werden wir auch darauf richten, dass GGN und Heim für private Spender und Zuwendungen jeder Art attraktiv bleiben. Wir sind auf Spenden und Legate dringend angewiesen und haben die dazu nötige Aufklärungsarbeit be- gonnen. Ein bedeutendes Legat einer Pensionärin und eine grössere Spende eines Bankhauses nebst vielen kleineren Zeit- und Sachspenden sind erste erfreuliche Ergebnisse. Durch ak-

75 tivere Mitgliederwerbung versuchen wir zudem, den Kreis der uns nahe stehenden Personen wieder zu erweitern.

Mit der Geschichte von 175 Jahren allein ist den Herausfor- derungen der Zukunft nicht zu begegnen. Es wird vor allem auch weiterhin diejenigen Personen brauchen, die bereit sind, sich in ihrer Freizeit in den Dienst des Nächsten zu stellen. Die freiwillige Mitarbeit, eine eigentliche Zeitspende, leistet auch bei uns einen nicht zu unterschätzenden Beitrag: Eine kleine Überschlagsrechnung, vor einigen Jahren angestellt, hat einen Betrag ergeben, der jährlich mindestens eine halbe Million Franken ausmacht. Der Wille zur ehrenamtlichen Arbeit ist, wie ich meine, in der Bevölkerung immer noch weit verbreitet, er muss jedoch geweckt werden, und es braucht immer wieder neue, zeitgemässe Formen. Wir werden auch in Zukunft das unsrige dazu beitragen, dass Eigenverantwortung und Frei- willigkeit ihren hohen gesellschaftlichen Stellenwert behalten. Mit den Aktivitäten im Jubiläumsjahr wollen wir nicht zuletzt all jenen danken, die sich uneigennützig für unsere gute Sache einsetzen.

76 Die Aktivitäten der GGN 2006

Das Alters- und Pflegewohnheim Neumünster, erbaut 1973 an der Minervastrasse 144 in Zürich Hirslanden, zählt mit seinen 157 Betten zu den grössten privaten gemeinnüt- zigen Alters- und Pflegeheimen der Stadt Zürich. Neben den Altersheimabteilungen umfasst es eine Pflegeabteilung und eine Abteilung «Begleitetes Wohnen für Demente».

Der Sennhauser-Hilfsfonds geht auf ein Legat von Herrn Heinrich Sennhauser-Kraut, alt Seidenfabrikant in Zürich Hirslanden, zurück. Ursprünglicher Empfänger war die Kirchgemeinde Neumünster, die dieses Legat von CHF 10000 der GGN zu Eigentum überliess. Der seinerzei- tige Zweck war die Errichtung einer «Anstalt für arme, verun- glückte oder gebrechliche­ Personen». Der heutige Zweck des Fonds ist es, Pensionäre des Altersheims oder generell in Not geratene Personen zu unterstützen.­

Die Waisenstiftung Neumünster ist eine selbständige Stiftung nach ZGB Art. 80ff. und bezweckt die Förderung und Unterstützung der Erziehung und beruflichen Bildung von Waisenkindern. Sie wurde am 11. Juli 1900 gegründet.

77 Die Susanna Baumann-Stiftung, neben dem Sennhauser-Hilfsfonds die zweite grosse Einrichtung der GGN zur Unterstüt- zung Bedürftiger, ist wie diese ein separat ver- walteter Teil des GGN-Vermögens. Sie geht zurück auf eine Schenkung des 1946 verstor- benen Rudolf August Baumann, Kaufmann in Zürich Hottingen, im Gedenken an seine Tochter. Die von der GGN zur Verwaltung eingesetzte Kommission kann aus diesem Sondervermögen Jugendliche und Erwach- sene in Notlagen, insbesondere während ih- rer Aus- und Weiterbildung unterstützen.

Der Parkendfonds wurde 1980 errichtet zum «Andenken an Dr. Adolph Kiefer-Figi». Das Vermögen besteht insbe- sondere aus den fünf um 1930 erstellten Liegenschaften mit 46 Wohnungen an der Hofackerstrasse 1–5a in 8032 Zürich. Dieses bedeutende Legat ermöglicht kostengünstiges Wohnen an guter Lage in der Nähe des Hegibachplatzes.

1980 erhält die GGN den Parkendfonds: 46 preisgünstige Wohnungen an der Hofacker­ strasse.

78 Präsidenten der GGN und Heimleitung seit 1976

Präsidenten des Vorstandes: Heimleitung Alters- Dr. oec. Andreas Müller seit 1996 und Pflegewohnheim Neumünster: Oskar Schaufelberger, a. Bankverwalter ZKB 1981–1996 Anton und Barbara Dörig seit 1990 Karl Hirs, a. Bankverwalter ZKB 1977–1981 Hans und Viola Heiz 1980–1990 Dr.iur. Max Felix, a. Dir. SKA 1969–1977 Walther und Esther Schlegel 1976–1980 Herr und Frau Bachmann –1976

Präsident und Vizepräsident

Dr. A. Müller A. Moser

Vorstandsmitglieder und Heimleitung

G. Buchli Th. Mettler Dr. M. Caioni Dr. iur. H.R.Grendelmeier H. Dubler

W. Pfister M. Spillmann Pfarrer T. Stelter B. und A. Dörig

Frau H. Meyer ist nicht abgebildet

79 Statistische Angaben zum Alters- und Pflegewohnheim Neumünster

Anzahl Pensionärenzimmer, bzw. Betten Altersverteilung der Pensionäre per 31.12. 2005 Zimmer Betten

Haus A Altersheim 66 66 60 Haus B Altersheim 56 56 Pflegestation / Haus C 15 21 Begl. Wohnen für Demente 13 13 50 Temporärzimmer 1 1 Total 151 157 40

30

Anzahl Pensionärinnen und Pensionäre 20 Stand 31. Dezember 2004 151 Todesfälle und Austritte 24 10 Eintritte 24 Stand 31. Dezember 2005 151 0 60 70 75 80 85 90 95 100 Alter bis davon alleinstehende Frauen 120 Frauen alleinstehende Männer 15 Männer Ehepaare 8

Altersschichtung der Pensionäre im Durchschnitt Pflegetage, Durchschnittsalter 31.12.2004 85 Jahre alle Abteilungen nach BESA 2005 Durchschnittsalter 31.12.2005 85,2 Jahre Jüngster Pensionär 58 Jahre 80 Ältester Pensionär 101 Jahre Durchschnittsalter beim Eintritt 84 Jahre 70

60

50 Durchschnittliche Aufenthaltsdauer (per 31.12.2005) im Altersheim und Pflegetage 40 in der Pflegestation und BW-Demente.

30 Altersheim 20 durchschnittliche Aufenthaltsdauer 4,2 Jahre längster Aufenthalt 15,6 Jahre 10

51 39 18 18 25 Pflegestation Pflegetage Bettenbelegung % 0 Belegt 7613 21 99,3 Keine Geringe Leichte Mittlere Schwere BESA 0 BESA 1 BESA 2 BESA 3 BESA 4 Begleitetes Wohnen für Demente Belegt 4719 13 99,5 Pflegeeinstufung nach BESA 2.0 Anzahl Pensionäre 31.12.2005 Durchschnittliche Verweildauer bis zum Austritt (alle Abteilungen) 4,5 Jahre

80 Vorstand und Kommissionen der Gemeinnützigen Gesellschaft von Neumünster im Jubiläumsjahr 2006

Ehrenpräsident Herr Oskar Schaufelberger 8053 Zürich Parkendfonds-Kommission Ehrenmitglieder Herr lic. oec. Max Amberg 8053 Zürich Präsident Herr dipl. Arch. ETH Werner Pfister 8032 Zürich Frau H. Isliker-Meier 8803 Rüschlikon Quästor Herr Heini Dubler 8053 Zürich Herr Hugo Meier 8022 Zürich Mitglieder Frau Marina Spillmann 8053 Zürich Herr Dr.med. W. Zollinger 8044 Zürich

Vorstand Susanna Baumann-Stiftung / Waisenstiftung Neumünster Präsident Herr Dr.oec. Andreas Müller 8001 Zürich Vizepräsident Herr Albert Moser 8032 Zürich Präsidentin Frau Cornelia Schmidhauser 8032 Zürich Aktuar Herr Theodor Mettler 8053 Zürich Vizepräsident Herr Dr.iur. Hans-Rudolf Grendelmeier 8008 Zürich Quästor Herr Heini Dubler 8053 Zürich Aktuarin Frau Vreni Burren-Baumann 8008 Zürich Mitglieder Frau Gertrud Buchli 8032 Zürich Mitglieder Frau Erika Bärtschi 8008 Zürich Herr Dr.med. Massimo Caioni 8820 Wädenswil Frau Pfarrerin Henrike Stauffer 8053 Zürich Herr Dr.iur. Hans-Rudolf Grendelmeier 8008 Zürich Herr Otto Meier 8008 Zürich Frau Heidi Meyer 8032 Zürich Frau Heidi Meyer 8032 Zürich Herr dipl. Arch. ETH Werner Pfister 8032 Zürich Herr Pfarrer Leonhard Suter 8008 Zürich Frau Marina Spillmann 8053 Zürich Herr Pfarrer Torsten Stelter 8034 Zürich Stiftungsrat Personalwohlfahrtsstiftung der GGN Präsident Herr Theodor Mettler 8053 Zürich Rechnungsrevisoren Aktuarin Frau Marina Spillmann 8053 Zürich Revisoren Herr Willy Lutz (Vorsitz) 8127 Forch Quästor Herr Heini Dubler 8053 Zürich Frau Sabine Beeler 8132 Hinteregg Herr Mario Bontadi 8123 Ebmatingen Herr Walter Scheifele 8846 Willerzell

Betriebskommission Präsident Herr Albert Moser 8032 Zürich Vizepräsident Herr Dr. med. Karl U. Mülly 8008 Zürich Mitglieder Herr Dr. iur. Guido Buchli 8032 Zürich Herr Theodor Mettler 8053 Zürich Herr Hansjörg Sörensen 8053 Zürich Frau Irene Stammbach 8044 Zürich Frau lic. oec. publ. Denisa Tildy 8008 Zürich

Heimkommission Präsident Frau Gertrud Buchli 8032 Zürich Frau Irma Hottinger 8810 Horgen Frau Margrit K. Hottinger 8032 Zürich Frau Yvonne E. Müller-Schweizer 8700 Küsnacht Frau Frieda Neidhardt 8008 Zürich Frau Dr.med. Lina Perk 8008 Zürich Frau Heidi Rathgeb 8032 Zürich Frau Beatrice Schnetzler 8008 Zürich Frau Marina Spillmann 8053 Zürich Frau Leni Wunderlin 8037 Zürich

81 Jahresbericht 2005 GGN 19.5.2006 11:42 Uhr Seite 2 Jahresbericht 2005 GGN 19.5.2006 11:42 Uhr Seite 2 Jahresbericht 2005 GGN 19.5.2006 11:43 Uhr Seite 27 Gemeinnützige Gesellschaft von Neumünster