Sprachkontakt, Kulturkontakt Und Die Niedergermanischen Matronen
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Martin Hannes Graf Sprachkontakt, Kulturkontakt und die niederger¬ manischen Matronen-GottheitenMatronen-Gottheiten11 1. Einleitendes Die rheinischen Matronen(bei)namen des zweiten und dritten Jahrhunderts bilden in der Sprachkontaktforschung und der historischen Sprachwissen¬ schaft eher ein Randthema/ Auch in der vergleichenden Religionsgeschichte (der römischen Provinzen) wird dem Matronenkult erst in jüngerer Zeit ver¬ mehrte Aufmerksamkeit geschenkt.' Dabei sind, Varianten nicht berücksich¬ 1 Die vorliegende Studie konnte im Rahmen des Nationalen Forschungsschwerpunkts „Medienwandel - Medienwechsel - Medienwissen. Historische Perspektiven“ (Universität Zürich) erarbeitet werden. Eine nennenswerte Ausnahme bildet in der jüngeren Standard- und Lehrbuch¬ literatur wohl nur Scardigli, Piergiuseppe: Der Weg zur deutschen Sprache. Von der indogermanischen zur Merowingerzeit (Germanistische Lehrbuchsammlung 2), Bern 1994, S. 163-174. Spezialliteratur wird an Ort und Stelle genannt. Besonders erwähnt sei jedoch bereits vorab Mees, Bernard: „Early Rhineland Germanic“, in: North-Western European Language Evolution 49 (2006) S. 13-49 Vgl. Gschlößl, Roland: Im Schmelztiegel der Religionen. Göttertausch bei Kelten, Römern und Germanen, Mainz 2006, passim sowie besonders S. 47-59. Zentral sind die Beiträge des Göttinger Akademiekolloquiums von 1987 in dem Sammelband Matronen und verwandte Gottheiten. Ergebnisse eines Kolloquiums veranstaltet von der Göttinger Akademiekommission für die Altertumskunde Mittel- und Nord¬ europas (Bonner Jahrbücher des Rheinischen Landesmuseums in Bonn und des Rheinischen Amtes für Bodendenkmalpflege im Landschaftsverband Rheinland und des Vereins von Altertumsfreunden im Rheinlande, Beihefte 44), Köln 1987. Daneben siehe insbesondere Spickermann, Wolfgang: „Die germanischen Provin¬ zen als Feld religionsgeschichtlicher Untersuchungen“, in: Wolfgang Spickermann (Hg.): Religion in den germanischen Provinzen Roms, Tübingen 2001, S. 3-47; Spickermann, Wolfgang: Germania Superior. Religionsgeschichte des römischen Germanien I (Religion der Römischen Provinzen 2), Tübingen 2003. Es scheint zudem, dass mit dem Projekt F.E.R.C.A.N. der Österreichischen Akademie der Wissenschaften die Matronenreligion jedenfalls in ihrer keltischen Ausprägung wachsende Beachtung erfährt. Vgl. dazu etwa Häussler, Ralph: „Alte und neue Götter in der Römischen Provence“, in: Wolfgang Spickermann / Rainer Wiegels (Hg.): Keltische Götter im Römischen Reich. Akten des 4. Internationalen Work¬ shops „Fontes Epigraphici Religionis Celticae Antiquae“ (F.E.R.C.A.N.) vom 4,- 6.10.2002 an der Universität Osnabrück (Osnabrücker Forschungen zu Altertum und Antike-Rezeption 9), Möhnesee 2005, S. 59-93, besonders S. 79f., und andere in demselben Tagungsband veröffentlichte Beiträge. Einen ganz wesentlichen For¬ schungsfortschritt bietet darin insbesondere Spickermann, Wolfgang: „Keltische Götter in der Germania Inferior? Mit einem sprachwissenschaftlichen Kommentar 399 *5 tigt,schiedene in einem Kultnamen* verhältnismäßig 45 großen Raum zwischenvon Rhein,Matronengottheiten Maas und Moselbezeugt,dieGesamtzahlallein mit einem Zentrum zwischen Köln, Bonn und Aachen weit über hundert ver¬ schiedene Kultnamen 4 von Matronengottheiten bezeugt, die Gesamtzahl allein der niedergermanischen und keltischen Matronennamen beläuft sich auf über 1300 Belege. Die Namen liegen zudem, da sie in Stein gemeißelt sind, in Ori¬ ginalüberlieferung vor und bedürfen zu ihrer Beurteilung keiner überliefe¬ rungsgeschichtlichen Kunststücke, wenngleich die epigraphische Arbeit an gut 1700 Jahre alten Denkmälern mit mancher Schwierigkeit der Wiederher¬ stellung und korrekten Lesung konfrontiert ist. Was die Edition der Denkmä¬ ler anbelangt, so ist man zu einem großen Teil auf die verstreuten Fundberich¬ te und Einzeluntersuchungen angewiesen; immerhin sind aber äußerst viele der Inschriften unter anderem in den Teilbänden von CIL XIII sowie in der „Epigraphischen Datenbank Heidelberg“ (EDH) leicht aufzufinden, und nebst der Monographie von Siegfried Gutenbrunner von 193681936 8 liefert insbesondere 6 Reicherts Lexikon6Lexikon*zu den germanischen undzudeneinemgermanischenTeil derundkeltischeneinemTeilderkeltischen Namen die detaillierten Angaben zu Fundorten, zum Dedikantenkontext, zu Lesarten sowie weitere kleine Hilfen für die Arbeit an den Namen. Im Folgenden soll ein Ausschnitt aus der reichen Überlieferung von Matro¬ nennamen unter kontakt- respektive interferenzonomastischen Gesichtspunk¬ ten betrachtet werden, wobei insbesondere real- beziehungsweise kultur- und religionshistorische Hintergründe mit zu berücksichtigen sein werden, da das betreffende Gebiet in den ersten Jahrhunderten nach Christus in ganz besonde¬ rem Ausmaß von einer sprachlichen, ethnischen und religiösen Vielfalt ge¬ 8 prägt war.8war . von Patrizia de Bemardo Stempel“, in: ebd., S. 125-148. 4 Nach der Terminologie von Hainzmann, Manfred: „Götter(bei)namen - Eine An¬ näherung“, in: Wolfgang Spickermann / Rainer Wiegels (Hg.): Keltische Götter im Römischen Reich. Akten des 4. Internationalen Workshops „Fontes Epigraphici Religionis Celticae Antiquae" (F.E.R.C.A.N.) vom 4.-6.10.2002 an der Universität Osnabrück (Osnabrücker Forschungen zu Altertum und Antike-Rezeption 9), Möhnesee 2005, S. 1-14, hier S. 5. 5 Gutenbrunner, Siegfried: Die germanischen Götternamen der antiken Inschriften. (Rheinische Beiträge und Hülfsbücher zur germanischen Philologie und Volks¬ kunde 24), Halle a. d. Saale 1936. 6 6 Reichert, Hermann: Lexikon der altgermanischen Namen. 1. Teil: Text (Thesaurus Palaeogermanicus 1), Wien 1987. Manche Einträge bei Reichert (wie Anm. 6) sind jedoch mit Vorsicht zu genießen, vgl. dazu Graf, Martin Hannes: Schaf und Ziege im frühgeschichtlichen Mittel¬ europa - Sprach- und kulturgeschichtliche Studien (Archaeolingua, Main Series 19), Budapest 2006, S. 69. x Vgl. Weisgerber, Leo: Die Namen der Ubier (Wissenschaftliche Abhandlungen der Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen 34), Köln / Opladen 1968, S. 268 und passim. 400 12 2. Die religiöse Welt der Spätantike am Rhein Über die Religionen und die Religiosität in den römischen Nord- und West¬ provinzen sind wir dank schriftlicher Aufzeichnungen und insbesondere materieller Hinterlassenschaften im Allgemeinen recht gut unterrichtet, ob¬ schon sich dem heutigen Betrachter die Kultpraktiken selten in allen Einzel¬ heiten erschließen. Die Religion der römischen Antike nördlich der Alpen ist nebst ihrer unbestreitbaren intellektuellen Seite immer auch stark von materi¬ ell-sichtbaren Aspekten geprägt, von Praktiken, die ins Spektakel, in die öffentliche, kollektive Frömmigkeit mündeten, deren Überreste sich dem mo¬ dernen Betrachter noch immer in den monumentalen Sakralbauten, den Kult¬ stätten oder auch den filigranen Votivgaben präsentieren. Prominente Denk¬ mäler einer solchen wenig privaten und vielfach prunkvollen und politisch und militärisch instrumentalisierten Religiosität sind beispielsweise die häufi¬ 9 gen, viele Meter hohen Jupitergigantensäulen.9Jupitergigantensäulen . Glaubenspraktiken und Litur¬ gien' sind schwer zu rekonstruieren, doch tritt uns in vielen der Steindenkmä¬ ler auch eine reiche Bilderwelt entgegen, die, so nimmt die Forschung an, auch tatsächliche religiöse Aktivitäten wie Opferhandlungen, Kultmahlzeiten und ähnliches wiedergebenwiedergeben1010 und damit einen kleinen, doch nicht unbedeuten¬ den Einblick in die Welt der spätantiken Religiosität ermöglichen. Die äußerst komplexen und beweglichen ethnischen Verhältnisse in den Nord- und West¬ 11 provinzen offenbaren eine bemerkenswerte Vielzahl von Religionsformen,11Religionsformen , ein Nach-, Neben- und Miteinander religiöser Praktiken und Moden, Hundert¬ schaften von Göttern, die in ihrer demonstrativen Publizität gleichzeitig wiederum eine Art ,Religion als Privatsache' markieren, insofern die Durch¬ führung von und die Teilnahme an religiösen Praktiken zwar zur römischen Bürgerpflicht gehörte, es aber einer Vielzahl von Personen freigestellt blieb, welche Götter sie in welchem Zusammenhang zu verehren gedachten. Ein Söldner aus dem Orient durfte problemlos Mithras verehren oder andere dii patrii,patrii , ja Soldaten scheinen in ihren Mannschaftsunterkünften gar private Kultnischen oder ganze dem Privatkult vorbehaltene Sakralbezirke zur Verfü¬ 1 ' gung gehabt zu haben,1'haben, während sie in ihrer Eigenschaft als römische Bürger 9 Dazu vgl. Bauchhenss, Gerhard / Noelke, Peter: Die Iupitersäulen in den germa¬ nischen Provinzen (Bonner Jahrbücher des Rheinischen Landesmuseums in Bonn und des Vereins von Altertumsfreunden im Rheinlande/Beiheft 41), Köln 1981. 10 Zu letzteren etwa vgl. Herz, Peter: „Matronenkult und kultische Mahlzeiten“, in: Peter Noelke (Hg.): Romanisation und Resistenz in Plastik, Architektur und Inschriften des Imperium Romanum. Neue Funde und Forschungen. Akten des VII. internationalen Colloquiums über Probleme des provinzialrömischen Kunst¬ schaffens, Köln, 2. bis 6. Mai 2001,2001 , Mainz 2003, S. 139-148 11 11 Vgl. Gschlößl: Schmelztiegel (wie Anm. 3), S. 12-26. 12 Vgl. Höpken, Constanze: „Ein Lamm im Topf: Zeugnisse von Kultausübung im Flottenlager Köln-Alteburg“, in: Archäologisches Korrespondenzblatt 36 (2006) S. 401 *151617 gleichzeitig am Kaiserkult teilzunehmen hatten. Bestimmte Berufsgruppen durften ihre genii verehren, und einheimische lokale mitteleuropäische Reli¬ derdurften Gestalt ihre dergenii inschriftlich verehren, undbelegten einheimische Epiklesen* lokale 1417 mitteleuropäische Reli¬ aufmehrerenEbenenals