Relikte Mittelalterlicher Landwirtschaft in Den Hochlagen Des Sauerlandes Rudolf Bergmann

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Relikte Mittelalterlicher Landwirtschaft in Den Hochlagen Des Sauerlandes Rudolf Bergmann arbeitet hat, kannte Vorbilder für eine solche Summary Figur – und zwar wohl eher von den briti- The 13th century rock carving, which was dis- schen Inseln als aus Frankreich, denn auf den covered in 1912 in the Wiehen mountain gedrungenen französischen Sparrenköpfen gibt range on the Weser River near Porta Westfali- es keinen Raum für eine aufrecht stehende ca, was for a long time believed to depict a Frauendarstellung. male figure. 100 years later it has now been Was hat sich aber der dilettantische Künst- discovered that it shows a woman warning in ler von Barkhausen dabei gedacht? War seine a rather explicit manner against lascivious- Bildhauerei religiös motiviert? Obwohl Paral- ness. The relief is a cultural offshoot of the lelen hierfür in Deutschland bislang nicht be- British and Irish Sheela-na-gigs, which were kannt sind, ist dies nicht unwahrscheinlich. Im- in turn influenced by decorated rafter heads merhin sollen aus den angrenzenden Steinbrü- on churches along the Way of St. James in chen, in denen er gearbeitet haben könnte, die western France. AUSGRABUNGEN UND FUNDE UND FUNDE AUSGRABUNGEN Steine zum Bau der Mindener Kirchen gewon- nen worden sein – vielleicht im direkten Auf- Samenvatting trag des Bistums, das bei der Beauftragung mög- Het rotsreliëf uit de 13e eeuw, dat in 1912 in licherweise auf die Gesinnung des Bewerbers het Wiehengebirge aan de Midden-Weser bij achtete. Außerdem erscheint die fremdartige Porta Westfalica ontdekt werd, gold lange tijd und obendrein unvollendete Darstellung nicht als een afbeelding van een mannelijke figuur. ausgesprochen pornografisch. Der angedeute- 100 jaar later wordt duidelijk dat het hier om te Hinweis auf die Vulva ist dafür zu diskret een vrouw gaat, die met nadruk tegen ontucht und man würde wohl auch für das Mittelalter moest waarschuwen. Het reliëf is cultureel af- eine wesentlich deutlichere Ausformung des geleid van de Britse en Ierse Sheela-na-gigs, Busens erwarten. Der Bildhauer hat also ver- die zelf weer beïnvloed zijn door de versierde mutlich die Gedanken und die Formen im Fel- koppen aan daksparren van kerken langs de sen umgesetzt, die er auf den britischen Inseln Jacobs-route in West-Frankrijk. kennengelernt hat. Die benachbarte Weser weist auf die Möglichkeit einer solchen Reise Literatur hin. Françoise Brisset, Etude comparée des modillons des gale- Umso bedeutender ist das Felsrelief von ries de circulation de l'église Sainte-Radegonde et de la ca- thédrale Saint-Pierre de Poitiers. Bulletin de la Société des Barkhausen einzustufen – die Äußerung eines Antiquaires de l'Ouest et des Musées de Poitiers, 4° série, minderbegabten Künstlers, die so viel über das Bd. 14, 3° trimestre, 1978, 483–510. – Theresa C. Oakley, Alltagsleben des Mittelalters erzählen könnte Lifting the Veil: A New Study of the Sheela-Na-Gigs of Bri- und die, bisher kaum beachtet, der Witterung tain and Ireland. British Archaeological Reports, British Se- und dem Vandalismus überlassen wurde. Die ries 495 (Oxford 2009). – Frédéric Kurzawa, Les Sheela- na-gigs. Un antidote contre la luxure. Archéologia 495, 2012, LWL-Archäologie für Westfalen ist für jeden 56–64. Bild- und Deutungshinweis besonders aus Deutschland, wo der Begriff Sheela-na-gig bis- her kaum bekannt war, sehr dankbar. Relikte mittelalterlicher Landwirtschaft in den Hochlagen des Sauerlandes Rudolf Bergmann, Maja Thede Mittelalter Hochsauerlandkreis, Regierungsbezirk Arnsberg Im Hochsauerland bestanden im Mittelalter rische Quellen vergleichsweise gut rekonst- zwei verschiedenartige Landwirtschaftssyste- ruieren. Klösterlichen Abgabenverzeichnissen Lippe 2012 - me. Die Situation auf der Briloner Hochfläche, ist der Anbau von Hafer, Gerste und Roggen im Marsberger Raum, in der Hallenberger und zu entnehmen. Darüber hinaus erfolgte im der Medebacher Bucht lässt sich durch histo- Marsberger Raum, für den zudem eine spät- Archäologie in Westfalen 128 Abb. 1 Das topografisch do- kumentierte Stufenrainsys- tem des 13./14. Jahrhunderts am Böhlen nördlich der Stadt Medebach repräsen- tiert einen Ausschnitt aus der agrarischen Nutzfläche der Ortswüstung Alreslar. Aufgrund des Bestehens charakteristischer Versatz- stücke der Ackerterrassen lässt sich seine Aufteilung in hangsenkrechte Besitz- streifen rekonstruieren (Vermessung: Straßen NRW und LWL-Archäologie für Westfalen; kartografische UND FUNDE AUSGRABUNGEN Bearbeitung: LWL-Archäo- logie für Westfalen/R. Berg- mann, G. Helmich). mittelalterliche Spezialisierung auf Hopfenbau fer als Sommergetreide angebaut worden, ist erkennbar ist, ein nennenswerter Anbau von falsch, denn die wenigen aussagekräftigen Quel- Spelt/Dinkel, welcher der agrarhistorischen len sprechen zudem für einen untergeordne- Forschung bislang weitgehend unbekannt ge- ten Anbau des Roggens als Brotgetreide. Hin- blieben ist. Die Bauern (mansionarii) dieser sichtlich der Produktivität lagen die Erträge Landwirtschaftsregionen rekrutierten sich häu- weit hinter denen agrarischer Gunstlandschaf- fig aus der Schicht der Unfreien, teilweise wa- ten zurück; auszugehen ist von einem primär ren sie Ackerbürger. auf eine Eigenversorgung ausgerichteten Ge- Abweichende Verhältnisse haben in der Mit- treidebau. Umso bedeutender ist die tierische telgebirgsregion des Astengebirges mit den Produktion gewesen. Zu den Kleinsiedlungen tief eingeschnittenen Tälern des Rothaargebir- des Raumes gehörten ausgedehnte Wald- und ges geherrscht. Die Masse der Bevölkerung Hudemarken. In ideelle Nutzungsanteile, so- war persönlich frei und stand somit außerhalb genannte Echtwerke, aufgeteilt wurden sie ge- grundherrschaftlicher Bindungen und Zwän- nossenschaftlich bewirtschaftet und waren für ge. Charakteristisch für die von Freibauern eine Eicheln- und Eckernmast der Schweine Lippe 2012 bewirtschafteten Höfe war die sogenannte Som- von Bedeutung. Eine intensive Schafzucht wur- - haferabgabe, kurz Zome genannt. Daraus schlie- de vom Kloster Glindfeld bei Medebach be- ßen zu wollen, in den Hochlagen sei nur Ha- trieben; bekannt ist dies nur, weil das Kloster 129 Archäologie in Westfalen Abb. 2 Das Ackerterrassen- system der Ortswüstung Ekkerinchusen im Rothaar- gebirge östlich von Mede- bach-Glindfeld überliefert die gesamte getreidebau- liche Nutzfläche eines klei- nen Ortes des Sauerlandes. Die rund 13 ha großen, ehemaligen Getreidefelder sind wahrscheinlich in Käm- pe untergliedert gewesen. Die Ortsstelle (Punkt) lag am Fuß der Ackerfläche; die zahlreichen Hohlwege gehören zu einem Weg, der AUSGRABUNGEN UND FUNDE UND FUNDE AUSGRABUNGEN die Städte Medebach und Winterberg miteinander ver- bunden hat (Vermessung und kartografische Bear- beitung: Vermessungs- und Zeichenbüro Thede). Lippe 2012 - Archäologie in Westfalen aus einer Notsituation heraus im 14. Jahr- Schiefer-Verwitterungslehme an, aus denen hundert die Wolle all seiner Schafe verpfän- sich Braunerden geringer bis mittlerer heuti- den musste. ger Ertragsfähigkeit entwickelt haben. Die Das Astengebirge bietet aus archäologi- fossile Flur umschließt eine Fläche von rund scher Sicht nicht nur herausragende Bedingun- 13,3 ha, besitzt somit eine Ausdehnung von gen für die Erhaltung von montanen Relikten knapp zwei mittelalterlichen Landhufen und (Bergmann 2010) und von Strukturen der ist durch 20 größere Stufenraine gegliedert. Ortswüstungen (Bergmann/Thede 2012), son- Die bis zu 210 m langen Raine verlaufen weit- dern gerade auch von Relikten der mittelal- gehend parallel zu den Höhenlinien, und zwar terlichen Landwirtschaft. Aus der begrenzten sowohl näherungsweise in West-Ost-Richtung Anzahl der unter Waldbedeckung nur schein- als auch in Nord-Süd-Richtung, letzteres aus- bar auf Dauer konservierten Objekte sollen schließlich im Bereich der Verebnungsfläche. Abb. 3 Die Flurrelikte im nachfolgend die Terrassenackersysteme in der Innerhalb des Flursystems lassen sich mehr- Umfeld der Ortsstelle UND FUNDE AUSGRABUNGEN Mark Alreslar nördlich von Medebach und in fach hangsenkrechte Versatzstellen der Stufen- Schmedlingkausen bei der Mark Eckeringhausen westlich von Me- raine erkennen. Offensichtlich liegt bei der Hallenberg-Liesen gehören debach-Glindfeld sowie in den Hochtälern von Wüstungsflur des spätmittelalterlich aufgelas- zwei unterschiedlichen Zeitstufen an. Das mittel- Liese und oberer Ruhr vorgestellt werden. senen Weilers Ekkerinchusen etwas ganz an- alterliche Rainstufensystem Bei den Flursystemen handelt es sich vorwie- deres vor als in der Mark Alreslar, nämlich die wird von den ehemaligen gend um solche des ausgehenden hohen und vollständige einstige ackerbauliche Nutzfläche Gräben eines Wiesenbe- des späten Mittelalters. Die Nutzflächen sind eines sehr kleinen Ortes. Sie ist nicht in Be- wässerungssystems (grün) überlagert, mittels dessen im Verlauf der exzessiven Wüstungsphase des sitzstreifen, sondern wahrscheinlich in block- man in der Neuzeit versucht 14. Jahrhunderts aufgegeben worden und artige Ackerkämpe untergliedert gewesen. hat, den Heuertrag durch nachfolgend verwaldet. Andere Totalwüstungen der Hochlagen, wie gezielte Maßnahmen zu Das Stufenrainsystem in der Mark Alres- Schmedlingkausen bei Hallenberg-Liesen, zei- steigern (Vermessung und kartografische Bearbeitung: lar überzieht die nach Südosten exponierten gen nur minimalistische Ansätze mittelalter- Vermessungs- und Zeichen- Hänge des 586 m hohen »Böhlen«. Ackerbau lichen Terrassenackerbaus (Abb. 3) und ver- büro Thede). wurde bis in rund 580 m Höhe betrieben und die Flurrelikte setzen bereits talnah in rund 470 m Höhe ein. Die einstige Ackerflur besteht nur scheinbar aus einem Gewirr strukturlos
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