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NIELS WEISE

EICKE

Eine SS-Karriere zwischen Nervenklinik, KZ-System und Waffen-SS

Ferdinand Schöningh Paderborn · München · Wien · Zürich Der Autor: Dr. Niels Weise war Promotionsstipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung und ist Lehrbeauftragter für Neueste Geschichte an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.

Umschlagabbildung: Theodor Eicke besucht das KZ Lichtenburg, März 1936. (US Holocaust Memorial Museum, Washington, Photo Archives 51640)

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© 2013 Ferdinand Schöningh, Paderborn (Verlag Ferdinand Schöningh GmbH & Co. KG, Jühenplatz 1, D-33098 Paderborn) zugl. phil. Diss. Würzburg 2011 Internet: www.schoeningh.de

Einbandgestaltung: Evelyn Ziegler, München Printed in Germany. Herstellung: Ferdinand Schöningh GmbH & Co. KG, Paderborn

E-Book ISBN 978-3-657-77705-1 ISBN der Printausgabe 978-3-506-77705-8 INHALTSVERZEICHNIS

EINLEITUNG ...... 7

KAPITEL I PRÄGENDE JAHRE 1892-1932 ...... 29 1. Elternhaus, Kindheit, Jugend 1892-1909 ...... 29 2. Militärdienst 1909-1919 ...... 31 3. Ziellos 1919-1921 ...... 38 4. Schutzpolizist in Ludwigshafen 1921-1923 ...... 46 5. BASF und I.G. Farben 1923-1932 ...... 48 6. Pfälzischer Separatismus...... 53 7. Der Aufstieg des Nationalsozialismus in der Pfalz ...... 56

KAPITEL II »IM VORKAMPF« 1928-1933 ...... 63 1. Eintritt in die NSDAP, SA und SS...... 63 2. Der Aufbau der pfälzischen SA und SS ...... 72 3. Berni, Eicke und die 10. SS-Standarte ...... 77 4. Ursprung der Fehde mit Josef Bürckel ...... 84

KAPITEL III TREUE: DIE PIRMASENSER BOMBENAFFÄRE 1931-1933...... 95 1. Vorgeschichte, Verlauf und Hintergründe ...... 95 2. Eicke wird Führer der 10. SS-Standarte ...... 117 3. Prozess und Urteil ...... 121 4. Zur Einordnung der »Pirmasenser Bombenaffäre« ...... 131 5. Eskalation des Konflikts mit Bürckel ...... 146

KAPITEL IV ERZIEHUNG: EICKE IN DER WÜRZBURGER NERVENKLINIK 1933 ...... 177 1. Die Demütigung: Schutzhaft in der Psychiatrie...... 177 2. »Ich musste verrückt werden.« Begründung und Urheberschaft der Einweisung ...... 180 3. Eickes Briefe aus der Psychiatrie ...... 189 4. Die Auseinandersetzung um Eickes Freilassung ...... 194 5. Der Erzieher der SS...... 198 6. Erziehung durch »Papa Eicke« ...... 201 EXKURS: Vom Würzburger Psychiater zum Organisator der Euthanasie. Das symbiotische Verhältnis von Werner Heyde und Theodor Eicke ...... 206 6 Inhaltsverzeichnis

KAPITEL V VERPFLICHTUNG: DACHAU 1933-1934 ...... 214 1. Dachau unter Hilmar Wäckerle...... 215 2. Abhängigkeit, Verpflichtung und Bewährung ...... 218 3. Eicke und das »Musterlager« Dachau ...... 223 4. Eicke und die Ermordung Ernst Röhms...... 238

KAPITEL VI VON DACHAU NACH ORELKA 1934-1943 ...... 248 1. Die Reorganisation des KZ-Wesens durch Theodor Eicke...... 248 2. »Die Gefangenen bleiben.« Der Aufbau des KZ-Systems ...... 259 3. Von den SS-Wachmannschaften zu den SS-Totenkopfverbänden ...... 266 4. An die »äußere Front« ...... 274 5. Eicke und die SS-Division »Totenkopf« 1939-1943 ...... 282

KAPITEL VII TREUE, ERZIEHUNG, VERPFLICHTUNG. GRUNDLAGEN EINER EXEMPLARISCHEN SS-KARRIERE 1930-1943 ...... 319 1. Inszenierte Nähe. Heinrich Himmler und Theodor Eicke...... 319 2. SS-Mentalität ...... 344 3. Treue...... 345 4. Theodor Eicke und die Treue...... 358 5. »Papa Eicke«: Treue, Korpsgeist, Kameraderie ...... 364

KAPITEL VIII SCHLUSSBETRACHTUNG ...... 372

Drohbrief Eickes an Josef Bürckel, 12.3.1933 ...... 378 Briefentwurf Eickes an Hermann Göring, 18.5.1933 ...... 382 Quellen- und Literaturverzeichnis ...... 401 Abkürzungsverzeichnis ...... 434 Übersicht: W ehrmachts- und SS-Ränge im Vergleich...... 438 Zeittafel ...... 439 Dank ...... 444 Personenregister ...... 446 Ortsregister...... 452 »Jedes Menschenleben verdient eine Erzählung, wenn sich nur der Erzähler Rechenschaft giebt [sic], was er erreichen will.«1

EINLEITUNG

Vom 24. März bis zum 3. Juni 1933 befand sich unter der Nummer 1098 ein 40-jähri- ger Mann aus Ludwigshafen als Schutzhäftling »zur Beobachtung« in der Universitäts- Nervenklinik in der Würzburger Füchsleinstraße. In der »Krankengeschichte« füllte der behandelnde Stationsarzt die Spalte Beruf folgendermaßen aus: »ohne / SS. Oberführer«.2 Bei dem Patienten handelte es sich um den fanatischen Nationalsozialisten Theodor Eicke, bei dem Arzt um den ehrgeizigen, gerade 31-jährigen Privatdozenten für Psy- chiatrie und Neurologie, Dr. Werner Heyde. Eicke sollte in den kommenden Monaten und Jahren als Kommandant des KZ Dachau, als Inspekteur der Konzentrationslager und als einer der Mitbegründer der Waffen-SS furchtbare Berühmtheit erlangen, Hey- de als medizinischer Leiter des »Euthanasie«-Programms T4 mitverantwortlich für die Ermordung von über 100.000 Menschen werden. Wäre Eicke nicht im Februar 1943 an der Ostfront gefallen, hätte ihn ein Todesurteil in einem alliierten Kriegsver- brecherprozess erwartet.3 In der Geschichtswissenschaft wird der »Himmler-Günstling-Eicke«4 zutreffend als »rechtsradikaler Desperado«5, als »ein Zielloser, der erst unter den Nationalsozia- listen seine Aufgabe fand«6 charakterisiert, als ein »SS-Oberführer dubioser persönli- cher Konstitution«,7 oder gar als »Himmler’s faithful SS henchman«,8 »pulled off the psychiatrist’s couch«.9 Ungeachtet des (mal mehr, mal weniger) quellengestützten Urteils der Historiker wurde das Ansehen Theodor Eickes nicht als KZ-Organisator, sondern, gleichsam im luftleeren Raum als »hochverehrte[r] Divisionskommandeur SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS« auch nach Jahrzehnten von Teilen der Waffen-SS-Vete-

1 Richard Maria Werner: Biografie der Namenlosen, in: Biographische Blätter. Jahrbuch für lebens- geschichtliche Kunst und Forschung. 1. Jg. (1895), S. 115. 2 Vgl. die Patientenakte Theodor Eicke, UKW. Für den Rang eines SS-Oberführers gab es in der keine Entsprechung, er lag zwischen dem eines Oberst und eines Generalmajors. 3 Auch Heyde konnte für seine Verbrechen nicht zur Rechenschaft gezogen werden. 1964 erhängte er sich wenige Tage vor dem Beginn des Limburger Euthanasieprozesses, in dem er Hauptangeklag- ter sein sollte. 4 Günther Deschner: Reinhard Heydrich. Statthalter der totalen Macht. Biografie, Esslingen 1977, S. 108. 5 Bernd Wegner: Hitlers Politische Soldaten. Die Waffen-SS 1933-1945, Paderborn4 1990, S. 230. 6 Henry Friedlander: Der Weg zum NS-Genozid. Von der Euthanasie zur Endlösung, Berlin 1997, S. 366. 7 Deschner: Heydrich, S. 108. 8 Tim Newark: Killed by his comrades, in: Military Illustrated 189 (2004), S. 18. 9 Gunnar Charles Boehnert: A sociography of the SS officer corps, 1925-1939, phil. Diss. London 1978, S. 36. 8 Einleitung ranen unbeirrt hoch gehalten.10 Zwölf Jahre nach Kriegsende zeigte sich Kurt Meyer, der vor allem in Veteranenkreisen populäre frühere SS-Brigadeführer »Panzermeyer«, als Aktivist der »Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Angehörigen der ehema- ligen Waffen-SS« (HIAG) – »dankbar, von so hervorragenden Soldaten wie Papa Ei- cke« geführt worden zu sein.11 Mit den Worten »Wir sind stolz, dass er der Unserige war!« erinnerte der »Totenkopf-Melder« 1983 in Versalien an den 40. Jahrestag des »Heldentodes« von »Papa Eicke«.12 Allerdings war dieses geklitterte Eicke-Bild auch unter SS-Veteranen nicht unbestritten. 1979 urteilte ein ehemaliger Waffen-SS-Führer im Rückblick: »Persönliche[r] Mut war wohl seine einzige positive Eigenschaft, sein Charakter hingegen übel.«13 Ganz anders fiel eine Wertung Heinrich Himmlers aus, der den verstorbenen Eicke in einer Rede vor hohen Marineoffizieren im Dezember 1943 (neben Sepp Dietrich und Paul Hausser) zum Lehrmeister und zur Säule der Waffen-SS erhob und ihn als »sehr knorrige, manchmal recht unbequeme, aber herrliche Persönlichkeit« charakte- risierte.14 Im Sommer 1944 jedoch machte Himmler in einer Rede vor Wehrmachtsge- nerälen in Sonthofen deutlich, dass für ihn das Hauptverdienst des verstorbenen SS- Generals weniger in seiner Rolle als Divisionskommandeur im Krieg, sondern vielmehr darin lag, dass er »überhaupt diese Organisation dieses verdienstvollen Niederhaltens des Untermenschen geschaffen hat«.15 Himmler sprach vom Aufbau des Systems der Konzentrationslager. Offenbar hatte Heinrich Himmler an Theodor Eicke, den er zweifellos protegierte, regelrecht einen Narren gefressen. Aber was verband Eicke und Himmler? Worauf beruhte die erstaunliche SS-Karriere, die ausgerechnet Theodor Eicke – der zum Zeit- punkt der sog. »Machtergreifung« sozial und wirtschaftlich gescheitert war – zuerst an die Spitze des nationalsozialistischen KZ-Systems, dann zum Oberbefehl über eine der drei wichtigsten Divisionen der Waffen-SS führte? Wie wurden grundsätzlich innerhalb des SS-Führerkorps zwischen 1929 – dem Jahr, als Himmler die Reichsführung-SS übernahm – und 1934, als die SS sich endgültig von der SA lösen konnte und sie begann, ihre Macht zu arrondieren, Karrieren gemacht? Wie wichtig waren in der frühen SS persönliche Bindungen? Natürlich war Eickes Aufstieg in der SS objektiv und rational, wie zu zeigen sein wird, auch auf sein bis 1932 in der Pfalz bewiesenes Rekrutierungs- und Organisati- onstalent zurückzuführen. Dieses Buch, bei dem es sich um die leicht überarbeitete

10 »Totenkopf-Melder« Nr. 16, Juni 1983, BAM RS 7/v.444. 11 Rede Kurt Meyer auf dem TKT-Treffen in Arolsen v. 14.5.1957, BAM RS 7/v.384. Zu Meyer vgl. d. nicht unproblematische Untersuchung seines Sohnes: Kurt Meyer: Geweint wird, wenn der Kopf ab ist. Annäherungen an meinen Vater – »Panzermeyer«, Generalmajor der Waffen-SS, Freiburg 1998. 12 »Totenkopf-Melder« Nr. 16, Juni 1983, BAM RS 7/v.444. 13 BAM N 756/1.b. Bf. Joachim Ruoff an Erich H., 12.10.1979. R. war ab Mai 1942 Ia des SS-FHA u. des Kommandoamtes der WSS. 14 RFSS auf Tagung für Befehlshaber der Kriegsmarine in Weimar, 16.12.1943, IfZ MA 313, Bl. 3201ff. Auch NARA RG 242 T 175, R. 91. Seine berüchtigte Posener Rede auf der SS-Gruppenführertagung am 4.10.1943 hatte Himmler mit einer Schweigeminute für den gefallenen Eicke eröffnet, IMT Bd. XXIX, Dok. PS-1919, S. 110. 15 RFSS vor Generalen in Sonthofen, 21.6.1944, Bradley F. Smith u. Agnes Peterson (Hg.): Heinrich Himmlers Geheimreden 1933-1945, Berlin 1974, S. 200. Einleitung 9

Fassung meiner im Januar 2012 unter dem Titel »Eicke. Eine SS-Karriere« verteidigten Würzburger Dissertation handelt, geht jedoch von der Forschungshypothese aus, dass zwischen Eicke und dem Reichsführer-SS ein spezifisches Verhältnis bestand, welches für Eickes Karriere von erheblicher Bedeutung war und anhand dessen sich unsere Kenntnisse über die Binnenstruktur der SS erweitern lassen. Dieses Verhältnis und damit die frühe SS-Karriere Theodor Eickes basierte vor allem auf den drei Säulen Treue, Erziehung und Verpflichtung. Der Schlüssel der besonderen Beziehung von Eicke und Himmler liegt darin, dass Eicke Himmlers unausgegorenem romantischen Treueideal in nahezu perfekter Weise gerecht wurde. »Was sich hier vollzog und noch weiter vollzieht, ist weiter nichts als eine ›Tragödie der Treue‹«, klagte Theodor Eicke Ende März 1933 wehleidig in dem Entwurf eines nie abgeschickten Briefes an Heinrich Himmler.16 Eicke war sich während seiner po- litischen Kaltstellung in der Würzburger Psychiatrie keiner persönlichen Schuld be- wusst. Seiner Meinung nach hatte ihn seine Treue zum Führer, zum Reichsführer-SS und zu den Vorgaben der »Bewegung« in seine missliche Lage gebracht. Diese subjek- tive Wahrnehmung war nicht völlig ungerechtfertigt, denn Eicke war Himmler in den Monaten zuvor vor allem durch die, aus SS-Perspektive vorbildliche, Umsetzung des Treueideals aufgefallen. Natürlich ist der Topos der Treue ein Versatzstück verquaster SS-Romantik. Jedoch haben irrationale oder irreale Phänomene, die als real wahrgenommen werden, auch reale Konsequenzen. Eickes Auffassung von »Treue« ist der zentrale Motor seines Agierens bis 1933 und spielt auch danach eine große Rolle. Dieses Buch arbeitet heraus, inwiefern der Treu- ebegriff, der innerhalb des Wertekanons der Schutzstaffel – mit ihrem durch Hitler verliehenen Wahlspruch »SS-Mann, deine Ehre heißt Treue« – eine zentrale Rolle spielte, von Himmler und besonders von Eicke mit Substanz gefüllt wurde – und welche Konsequenzen die unbedingte Befolgung der notorischen, pathetischen SS- Floskeln für Theodor Eicke bis 1933 hatte.17 Seine Karriere, sein gesamtes politisches Leben ab 1931, basierte auf seiner per- sönlichen Treue zu Heinrich Himmler. Karrierenetzwerke spielten für Eicke – anders als für die späteren »Absolventen« seiner »Dachauer Schule«, sowie eine große Zahl von späteren Waffen-SS-Führern – keine Rolle. Sein Netzwerk war Heinrich Himm- ler, der Eicke im November 1941 versicherte: »An Ihrer persönlichen Treue habe ich noch nie in meinem Leben auch nur einen Augenblick gezweifelt.« 18 Insofern leistet die vorliegende Untersuchung auch einen Beitrag zum Verständnis Heinrich Himm- lers. Die zweite Säule des besonderen Verhältnisses von Eicke und Himmler bildet der Faktor »Erziehung«.

16 Handschriftl. Entwurf eines achtseitigen Bf. v. 28.3.1933, Patientenakte, UKW. 17 Zum nationalsozialistischen Wertekanon vgl. Raphael Gross: Anständig geblieben. Nationalsozia- listische Moral, Frankfurt a.M. 2010, S. 69-92. Mithilfe des von Harald Welzer entwickelten Modells der »partikularen Moral« werden in der vorliegenden Untersuchung Eickes Werte und Moralvor- stellungen analysiert, vgl. ders. (unter Mitarbeit v. Michaela Christ): Täter. Wie aus ganz normalen Menschen Massenmörder werden, Frankfurt a.M.2 2005, S. 31. 18 Bf. RFSS an Eicke v. 28.11.1941, BArch SSO 180 Eicke (Mikrofilm), Bl. 302. 10 Einleitung

Im Rahmen dieser Untersuchung kann erstmals zweifelsfrei nachgewiesen werden, dass Heinrich Himmler als Politischer Polizeikommandeur Bayerns jederzeit die Möglichkeit gehabt hätte, Theodor Eicke – der im März 1933 im Verlauf einer Intrige des pfälzischen Gauleiters Josef Bürckel als vermeintlich »gemeingefährlich geistes- krank« in die Würzburger Psychiatrie eingewiesen worden war – wieder auf freien Fuß zu setzen. Dass Himmler bei der Einweisung und Freilassung Eickes eine höchst ambivalente Rolle spielte, stützt das Bild des Reichsführers als Erzieher und »Schul- meister« seiner SS, das auch Peter Longerich unlängst in seiner Himmler-Biografie zeichnete.19 An Eickes vorübergehender Schutzhaft in der Nervenklinik lassen sich wie unter einem Brennglas Erkenntnisse über Himmlers Führungsstil gewinnen. In den Perso- nalakten des SS-Führerkorps finden sich etliche Beispiele für teils skurrile »Erzie- hungsmethoden« Himmlers, vom drohenden Zeigefinger, über Alkoholverbote, Er- nährungsmaßregeln, bis hin zu Bewährungsfristen und letzten Chancen.20 Bestrafung und Bewährung waren die wichtigsten Erziehungsmethoden Himmlers gegenüber seinem Führerkorps.21 Es ist belegt, dass Himmler sogar einen vorübergehenden KZ- Aufenthalt als »Erziehungserlebnis« bewertete.22 Diese erzieherische Attitüde wurde zwischen März und Juni 1933 auch an Theodor Eicke exerziert, der sie später selbst gegenüber seinen SS-Männern anwandte. Dass Eickes Psychiatrieaufenthalt von Himmler zu Erziehungszwecken benutzt und ver- längert wurde und dass daraus ein Dreh- und Angelpunkt seiner SS-Karriere wurde, begründet die vielleicht etwas grell wirkende Übernahme der »Nervenklinik« in den Titel dieses Buches. Die dritte Säule des Sonderverhältnisses zwischen Eicke und Himmler bestand aus einem spezifischen Verpflichtungsverhältnis, das die Klientelismus-Theorien von Ro- bert Lewis Koehl, Herbert F. Ziegler und Peter Black stützt, die den Nationalsozia- lismus und besonders die SS als neofeudales, bzw. Klientelsystem beschrieben.23 Schon 1932 hatte Theodor Heuss die Kombination von irrationalen (Führerlegende, Gefolg- schaftshingabe, Treue) und rationalen Tendenzen im Nationalsozialismus treffend als »bürokratisierte[r] Romantik« charakterisiert.24 Dasselbe Phänomen bezeichnete Pe- ter Black fast 60 Jahre später noch präziser als »ideologischen Klientelismus«.25 Die große Bedeutung persönlicher Bindungen und Verpflichtungen innerhalb der SS kann anhand der Biografie und Karriere Eickes nachdrücklich verifiziert werden.

19 Vgl. Peter Longerich: Heinrich Himmler. Biografie, München 2008, S. 327-364. 20 Vgl. etwa die Stammrollen Michael Lipperts, IfZ Gm 07.06/10, Friedrich Bernis, BArch SSO 063 oder Christoph Diehms, BArch SSO 149. 21 Vgl. etwa Helmut Heiber: Reichsführer! Briefe an und von Himmler, Stuttgart 1968, S. 53f, S. 70f. u. S. 145f. 22 George C. Browder: Hitler’s Enforcers. The Gestapo and the SS Security Service in the Nazi Re- volution, New York/Oxford 1996, S. 77. 23 Robert Lewis Koehl: Feudal Aspects of National Socialism, in: Henry A. Turner, jr.: Nazism and the Third Reich, New York 1972, S. 151-174; Herbert F. Ziegler: ’s New Aristocracy: The SS Leadership 1925-1939, Princeton 1989 sowie Peter Black: Ernst Kaltenbrunner. Vasall Himmlers. Eine SS-Karriere, Paderborn 1991. 24 Theodor Heuss: Hitlers Weg. Eine Schrift aus dem Jahre 1932. Neu herausgegeben und mit einer Einleitung versehen von Eberhard Jäckel, Tübingen 1968, S. 118. 25 Black: Kaltenbrunner. Vasall Himmlers, S. 17ff. Einleitung 11

Als Eicke von Himmler als Kommandant des im Aufbau begriffenen Konzentrations- lagers Dachau eingesetzt wurde, war ihm bewusst, dass er sich in einer spezifischen Bewährungssituation befand, und dass er Himmler zu Dank und bedingungsloser Loyalität persönlich verpflichtet war. Es passt genau in dieses Bild, dass Eicke am 1. Juli 1934 – ein Jahr nach seiner Ein- setzung als Kommandant des KZ Dachau – auf Befehl Himmlers im Gefängnis Sta- delheim Ernst Röhm, den bisherigen Stabschef der SA eigenhändig ermordete. Eine Verpflichtung zur Loyalität durch vorweggenommene Belohnung ist im Grun- de eine banale Führungspraxis und mit Sicherheit keine nationalsozialistische Erfin- dung. Himmler hatte 1933 sicherlich kein rational ausgearbeitetes Personalkonzept, weder für die SS insgesamt, noch für den sich noch in der frühesten Entwicklungspha- se befindlichen Bereich der Konzentrationslager-SS.26 Es fällt jedoch auf, dass sich gerade im Nationalsozialismus für die spezifische Methode der Personalführung, Er- nennungen quasi mit Bewährungsverpflichtungen zu verbinden, zahlreiche Beispiele finden lassen.27 Weiter steht fest, dass sich Himmler, worauf Peter Longerich zu Recht hinwies, in der Ausbauphase der SS gezielt mit Männern umgab, die sich in einem »geradezu existentiellen Abhängigkeitsverhältnis« zu ihm befanden.28 Theodor Eicke entsprach diesem Muster nahezu vollkommen.29 Eicke wäre auf vielen anderen administrativen Posten in der SS ähnlich erfolgreich gewesen. Natürlich war er, wie Bernd Wegner ihn charakterisierte, ein Desperado. Aber er war Himmler vor dem Sommer 1933 keineswegs als ein Sadist, brutaler Men- schenschinder oder gar Psychopath aufgefallen, der für die Leitung eines menschen- verachtenden Gefangenenlagers völlig neuen Typs geradezu prädestiniert gewesen wäre. Dass Theodor Eicke Kommandant des KZ Dachau wurde, war bei genauerer Betrachtung Zufall. Die Sentenz, dass die Forschung zum Nationalsozialismus inzwischen ganze Bib- liotheken füllt, stellt eine zwar abgedroschene, dennoch gern verwendete Plattitüde dar. Jedoch muss sich jeder Historiker der Realität stellen, dass auch die Literatur über die SS, vor allem über die SS-Totenkopfverbände und das Terrorsystem der national- sozialistischen Konzentrationslager, in den vergangenen Jahrzehnten zu einer fast unüberschaubaren Flut angeschwollen ist.

26 Berechtigterweise lässt sich zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht von einer »Konzentrationslager- SS« sprechen, genauso wenig, wie von einem »System der Konzentrationslager«. Es ist in der neueren Konzentrationslagerforschung umstritten, inwiefern der Begriff des »Systems« ziel- und nicht eventuell sogar irreführend ist. Für die Frühphase der Konzentrationslager ist es angebrachter, von einem »Terror ohne System« auszugehen, vgl. den Titel: Wolfgang Benz u. Barbara Distel (Hg.): Terror ohne System. Die ersten Konzentrationslager im Nationalsozialismus 1933-1935 (= Ge- schichte der Konzentrationslager 1933-1945, Bd. 1), Berlin 2001. 27 Vgl. hierzu auch Dietrich Orlow: The History of the Nazi Party 1919-1933, Pittsburgh 1969, S. 8 u. Steiner: SS Yesterday and Today, S. 430. 28 Longerich: Himmler, S. 145. 29 Interessant wird der Fall Eicke dadurch, dass sich in der Biografie des SS-Obergruppenführers Friedrich-Wilhelm Krüger, den ein ähnliches Loyalitätsverhältnis mit Himmler verband, durchaus Parallelen finden lassen, die es erlauben, die frühe SS-Karriere Eickes als aussagefähige Fallstudie zu analysieren, vgl. Larry V. Thompson: Friedrich Wilhelm Krüger. Höherer SS-und Polizeiführer Ost, in: Ronald Smelser u. Enrico Syring (Hg.): Die SS. Elite unter dem Totenkopf. 30 Lebensläufe, Paderborn u.a.2 2003, S. 327. 12 Einleitung

Die vorliegende Arbeit baut (selbstverständlich) auf diesen Forschungen aus mitt- lerweile sieben Jahrzehnten auf. Unter dem Hinweis auf das bekannte Bild der Zwer- ge, die auf den Schultern der Riesen weiter zu sehen vermögen, als die Riesen selbst, soll ein Anspruch dieses Buches darin bestehen, die verstreut vorliegenden und nur teilweise publizierten Informationen über Eicke zusammenzuführen, den bekannten Bildern neue Mosaiksteine hinzuzufügen, dabei tradierte Fehler zu korrigieren und so der Forschung neue Perspektiven zu öffnen.30 Mit den Arbeiten von Ernst Fraenkel und Franz Neumann erschienen die ersten Untersuchungen zur SS von wissenschaftlichem Rang noch während des Krieges.31 Sie wurden in Deutschland allerdings ähnlich spät rezipiert wie die bahnbrechenden Ar- beiten und Quellensammlungen der Holocaust-Überlebenden Léon Poliakov und Joseph Wulf, die von der deutschen Geschichtswissenschaft, ebenso wie die wegwei- sende Studie zur Vernichtung der europäischen Juden von Raul Hilberg, jahrzehnte- lang ignoriert wurden.32 Bereits ab 1946 hatten Eugen Kogon und Benedikt Kautsky, geprägt von ihren eigenen Erlebnissen als KZ-Häftlinge, in ihren Arbeiten die Kon- zentrationslager-SS-Männer als sozial deklassierten Abschaum, Psychopathen und notorische Kriminelle charakterisiert. Sie zeichneten quasi eine Negativauslese inner- halb der SS und prägten die Forschung (und auch das Bild Eickes) dauerhaft.33 Kogons Darstellung der SS als »Staat im Staate« dominierte das Bild der Schutzstaffel über zwei Jahrzehnte. Die weitsichtige Darstellung der SS als »Alibi of a nation« von Gerald Reitlinger aus demselben Jahr, in Deutschland bezeichnenderweise als »Tragödie einer deutschen Epoche« übersetzt, wurde hierzulande kaum wahrgenommen.34 Noch 1962 folgte Robert Lewis Koehl, der wichtige Pionierarbeit zur Geschichte der SS leistete, weitgehend der Einschätzung des SS-Personals von Kogon und Kautsky, ähnlich wie auch Manfred Wolfson und Robert Arthur Gelwick in ihren Dissertationen von 1965 bzw. 1971.35 Doch diese Darstellung ist widerlegt – spätestens seit der gründlichen Analyse des soziologischen Hintergrunds des frühen SS-Führerkorps durch Gunnar

30 Walter Haug: Die Zwerge auf den Schultern der Riesen. Epochales und typologisches Geschichts- denken und das Problem der Interferenzen, in: ders.: Strukturen als Schlüssel zur Welt. Kleine Schriften zur Erzählliteratur des Mittelalters, Tübingen 1989, S. 86-109. 31 Ernst Fraenkel und Franz Neumann untersuchten in ihren im Exil publizierten Studien das Ver- hältnis von Staat und Partei im Nationalsozialismus, besonders anhand der SS, vgl. Ernst Fraenkel: The dual state. A contribution to the theory of dictatorship, 1941 [deutsch: Der Doppelstaat, Frankfurt a.M./Köln 1974] u. Franz Neumann: Behemoth. The structure and practice of National Socialism 1933-1944, 1944 [deutsch: Struktur und Praxis des Nationalsozialismus 1933-1944 (hg. v. Gert Schäfer), Frankfurt a.M. 1993]. 32 Léon Poliakov: Bréviaire de la haine. Le IIIe Reich et les Juifs, Paris 1951; ders. u. Joseph Wulff: Das Dritte Reich und die Juden. Dokumente und Aufsätze, Berlin 1961; Raul Hilberg: The De- struction of the European Jews, Chicago 1961. 33 Eugen Kogon: Der SS-Staat. Das System der deutschen Konzentrationslager, München11 1983 [EA 1946] u. Benedikt Kautsky: Teufel und Verdammte. Erfahrungen und Erkenntnisse aus sieben Jahren in deutschen Konzentrationslagern, Wien 1948. In einer der ersten in Deutschland entstan- denen wissenschaftlichen Betrachtungen zur Geschichte der SS ging Ermenhild Neusüß-Hunkel 1956 auch kurz auf Theodor Eicke ein, vgl. dies.: Die SS, Hannover/Frankfurt 1956. 34 Gerald Reitlinger: The SS. Alibi of a nation. 1922-1945, New York 1956. [deutsch: Die SS. Tragödie einer deutschen Epoche, Wien u.a. 1957] 35 Robert Lewis Koehl: The Character Of The Nazi SS, in: Journal of Modern History 34 (1962), S. 281 u. ders.: The Black Corps. The Structure and Power Struggles of the Nazi SS, Madison 1983 [populärwissenschaftliche Zusammenfassung unter d. Titel: The SS. A history 1919-1945, Stroud2 Einleitung 13

Charles Boehnert 1978 und vollends seit den brillanten Arbeiten Herbert F. Zieglers und Detlef Mühlbergers.36 Der populärwissenschaftliche Bestseller »Der Orden unter dem Totenkopf« des Spiegel-Journalisten Heinz Höhne beschrieb 1966 die SS als heterogene Organisation mit teilweise disparaten Zielen und setzte trotz einiger Fehler und tradierter Legenden Maßstäbe.37 Analytisch wurde er weitgehend durch die (nur auf Englisch vorliegende) Gesamtgeschichte der SS von Robert Lewis Koehl abgelöst,38 in jüngster Zeit durch Peter Longerichs Himmler-Biografie, die zum Standardwerk auch hinsichtlich der Geschichte der Schutzstaffel wurde.39 Zu Heinrich Himmler als beherrschender Figur, die vor allem aus exkulpatorischen Gründen in der Nachkriegszeit als abnormer Dämon charakterisiert wurde, entstand früh eine Vielzahl von seriösen und populärwissenschaftlichen Darstellungen, die je- doch die Widersprüche zwischen Himmlers Sozialisation und seinen Taten nicht zu- friedenstellend erklären konnten.40 In den neueren Biografien Peter Padfields und vor allem Richard Breitmans blieb Eicke in den 90er Jahren eine Randnotiz.41 Neue Impulse in der biografischen SS-Forschung gingen ab der zweiten Hälfte der 80er Jahre vor allem von Ruth Bettina Birn, die sich den Höheren SS- und Polizei- führern widmete, Peter Black, der eine herausragende Kaltenbrunner-Biografie schrieb, Ulrich Herbert, der 2001 mit seiner Arbeit über Werner Best, in der er die Bedeutung der radikalisierten Kriegsjugendgeneration herausarbeitete und Robert Gerwarth mit seiner aktuellen Heydrich-Biographie aus.42 Herberts Erkenntnisse

2004] sowie Manfred Wolfson: The SS leadership, phil. Diss. Berkeley 1965 u. Robert Arthur Gel- wick: Personal Policies and Procedures of the Waffen SS, phil. Diss. Nebraska 1971. 36 Boehnert: Sociography; Herbert F. Ziegler: Elite Recruitment and National Socialism. The SS- Führerkorps. 1925-1933, in: HSF 22 (1989), S. 223-237 u. ders.: Nazi Germany’s New Aristocracy, S. 123, sowie Detlef Mühlberger: The social bases of Nazism 1919-1933, Cambridge 2003. Es ist bezeichnend, dass alle grundlegenden Untersuchungen zur Soziologie der SS von – vermutlich deutschstämmigen – Amerikanern vorgelegt wurden. 37 Heinz Höhne: Der Orden unter dem Totenkopf. Die Geschichte der SS, München 2002 [unverän- derter Nachdruck der Ausgabe von 1967]. 38 Koehl: Black Corps. 39 Peter Longerich: Heinrich Himmler. Biografie, München 2008. 40 Willi Frischauer: Himmler. The evil genius of the Third Reich, London 1953; Joseph Wulf: Heinrich Himmler. Eine biographische Studie, Berlin 1960; Joachim Fest: Das Gesicht des Dritten Reiches. Profile einer totalitären Herrschaft, München 1963; Heinrich Fraenkel u. Roger Manvell: Himmler. Kleinbürger und Massenmörder, Frankfurt a.M. 1965; Bradley F. Smith: Heinrich Himmler. A nazi in the making. 1900-1926, Stanford 1971 [deutsch: Heinrich Himmler 1900-1926. Sein Weg in den Faschismus, München 1979]. Einen ideengeschichtlichen Ansatz verfolgte Josef Ackermann: Hein- rich Himmler als Ideologe, Göttingen 1970. 41 Richard Breitman: Der Architekt der Endlösung. Himmler und die Vernichtung der europäischen Juden, Paderborn u.a. 1996; Peter Padfield: Himmler. Reichsführer-SS, London 1991, vgl. auch Johannes Tuchel: Heinrich Himmler. Der Reichsführer-SS, in: Smelser/Syring: Elite, S. 234-253. Vgl. auch: Peter Witte u.a.: Einleitung, in: ders. u.a. (Hg.): Der Dienstkalender Heinrich Himmlers. 1941/42 (=Hamburger Beiträge zur Sozial- und Zeitgeschichte. Hg. von der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg. Quellen. Bd. 3), Hamburg 1999, S. 19-96, sowie aktuell: Karl-Günter Zelle: Hitlers zweifelnde Elite. Goebbels, Göring, Himmler, Speer, Paderborn u.a. 2010, S. 175-247. Himmlers Aufstieg vor 1933 analysiert die aktuelle Untersuchung von Klaus Mües-Baron: Heinrich Himmler. Aufstieg des Reichsführers SS (1900-1933), Göttingen 2011. 42 Ruth Bettina Birn: Die Höheren SS- und Polizeiführer. Himmlers Vertreter im Reich und in den besetzten Gebieten, Düsseldorf 1986 u. Black: Kaltenbrunner. Vasall Himmlers. Im selben Zeitraum 14 Einleitung wurden durch Jens Banachs Kollektiv-Biografie des Führerkorps von Sipo und SD und Michael Wildts breit angelegte Studie zum Führungspersonal des RSHA bestä- tigt.43 Ein wichtiges Kompendium biografischer Studien zum höheren SS-Führer- korps stellt der im Jahr 2000 von Ronald Smelser und Enrico Syring herausgegebene Sammelband »Die SS. Elite unter dem Totenkopf« dar, in dem sich auch ein Aufsatz Sydnors zu Eicke findet.44 Den aktuellen Stand der SS-Forschung fasst ausführlich ein im Rahmen einer impulsgebenden Tagung auf der Wewelsburg entstandener Sam- melband zusammen.45 Die erste biografische Skizze zu Theodor Eicke entstand in kommunistischen Exil- kreisen bereits 1939. Eicke wurde hier als Sadist beschrieben, dem es bereits als Kind Vergnügen bereitet habe, Vögeln Flügel und Beine auszureißen und Frösche aufzu- blasen. Wegen eines »geistigen Defektes« habe er in Würzburg in der Psychiatrie ge- sessen und sei nur aufgrund politischen Drucks wieder entlassen worden.46 Während der Vorbereitung der alliierten Kriegsverbrecherprozesse entstanden in den Vernehmungen früherer SS-Führer erste Charakterstudien Eickes, von besonde- rem Quellenwert sind hier die 1946/47 in polnischer Haft entstandenen und vom IfZ publizierten Aufzeichnungen des ehemaligen Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höß,47 sowie die zur selben Zeit entstandenen Äußerungen des Chefs des SS-Haupt- amtes, Gottlob Berger, und des Chefs des SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamtes, Oswald Pohl über Eicke in amerikanischen Verhören.48 Die ersten wissenschaftlichen Betrachtungen finden sich 1946 bei Eugen Kogon, der Eicke und die Angehörigen der KZ-Wachmannschaften als abnorme Gewalttäter beschrieb und damit den Diskurs auf Jahrzehnte prägte.49 Die vom Münchner Institut für Zeitgeschichte (IfZ) 1964 für den Frankfurter Auschwitz-Prozess unter dem Titel »Anatomie des SS-Staates« pub- lizierten Gutachten von Hans Buchheim, Martin Broszat, Hans-Adolf Jacobsen und Helmut Krausnick wurden zur Grundlage der sich entwickelnden westdeutschen SS-

auch Deschner: Heydrich u. Jochen v. Lang: Der Adjutant. Karl Wolff. Der Mann zwischen Hitler und Himmler, Frankfurt a.M. 1989. Ulrich Herbert: Best. Biographische Studien über Radikalismus, Weltanschauung und Vernunft 1903-1989, Bonn 2001. Robert Gerwarth: Reinhard Heydrich. Bio- graphie, München 2011. 43 Jens Banach: Heydrichs Elite. Das Führerkorps der Sicherheitspolizei und des SD 1936-1945, Pa- derborn u.a. 1998 u. Michael Wildt: Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichs- sicherheitshauptamtes, Hamburg 2002. 44 Ronald Smelser u. Enrico Syring (Hg.): Die SS. Elite unter dem Totenkopf. 30 Lebensläufe, Pader- born u.a.2 2003. 45 Vgl. besonders Jan Erik Schulte: Zur Geschichte der SS. Erzähltraditionen und Forschungsstand, in: Ders. (Hg.): Die SS. Himmler und die Wewelsburg (= Schriftenreihe des Kreismuseums Wewels- burg, Bd. 7), Paderborn u.a. 2009, S. XI-XXXV. 46 Anonym: Theodor Eicke. Aus dem Leben eines der größten Sadisten und Mörder aller Zeiten, undatierte Flugschrift [zwischen Januar u. Sept. 1939], StALu, Antifa-Archiv Morweiser, SLU 132. 47 Rudolf Höß: Kommandant in Auschwitz. Autobiographische Aufzeichnungen des Rudolf Höß, hg. von Martin Broszat, München13 1992. Zur berechtigten Kritik an Broszats Interpretationen vgl. Gerhard Paul: Von Psychopathen, Technokraten des Terrors und »ganz gewöhnlichen« Deutschen. Die Täter der Shoah im Spiegel der Forschung, in: ders. (Hg.): Die Täter der Shoah. Fanatische Nationalsozialisten oder ganz normale Deutsche? (Dachauer Symposien zur Zeitgeschichte Bd. 2), Göttingen 2002, S. 21f. 48 Vgl. zu Pohl: NARA Microfilm Publications RG 238 Records of the US Nuremberg War Crimes Trials Interrogations M1019 R.53f.; zu Berger: Vernehmung Gottlob Berger, 3.12.1946, ebd. R. 6. 49 Kogon: SS-Staat. Einleitung 15

Forschung.50 Sie erweiterten das Bild von Eickes Rolle beim Aufbau des KZ-Systems, enthielten biografisch jedoch kaum Neues. Einige, seitdem vielzitierte, sehr knappe biografische Angaben zu Eicke lieferte 1966 die Dissertation des israelischen Histori- kers Shlomo Aronson über Reinhard Heydrich und die Frühphase des SD.51 Aronson, der als Journalist vom Eichmann-Prozess in Jerusalem berichtet hatte, stützte sich zu Eicke lediglich auf die im Berlin Document Center (BDC) liegende SS-Personalakte. Dem amerikanischen Historiker Charles W. Sydnor, jr. kommt das Verdienst zu, im Rahmen seiner 1977 erstmals erschienenen, umfassenden Geschichte der 3. SS-Pan- zerdivision »Totenkopf« die erste wirkliche Biografie Theodor Eickes vorgelegt zu haben.52 Sydnor stellt den Marsch von der »inneren zur äußeren Front« der KZ- Wachmannschaften dar und belegt die personellen Kontinuitäten zwischen Toten- kopfverbänden und Waffen-SS. Der Schwerpunkt seiner Arbeit liegt auf Eickes Bio- grafie nach 1933 und der Rolle der Totenkopf-Division im Krieg.53 Im selben Jahr ging der israelische Historiker Tom Segev in seiner Bostoner Disser- tation, in der er mit Hilfe eines gruppenbiografischen Ansatzes die Geschichte der KZ-Kommandanten untersuchte, ausführlich auch auf die Biografie Eickes ein.54 Segev führte Interviews mit Eickes Schwiegersohn und seiner ehemaligen Haushälterin, ließ es jedoch gelegentlich an der nötigen Quellenkritik mangeln. Sowohl Sydnor als auch Segev leisteten wertvolle Grundlagenforschungen, die nicht dadurch geschmälert wer- den, dass ihre Darstellung nach über 30 Jahren in der vorliegenden Untersuchung in einzelnen Aspekten revidiert oder leicht korrigiert werden muss. 1983 legte Klaus Drobisch in einem Aufsatz in Leipzig kurze, allerdings leicht ideologisch geprägte und teilweise ungenaue, biografische Informationen zu Eicke vor.55 Tuwiah Friedman, der seit den 50er Jahren ähnlich wie Simon Wiesenthal akribisch Informationen über NS-Verbrecher zusammentrug, publizierte 1994 eine auf der SS- Personalakte basierende Dokumentation über Eicke.56 Diese ist als Quellenedition

50 Hans Buchheim e.a. (Hg.): Anatomie des SS-Staates, München8 2005. 51 Shlomo Aronson: Heydrich und die Anfänge des SD und der Gestapo. 1931 bis 1935, phil. Diss. Berlin 1966, publiziert unter d. Titel: Reinhard Heydrich und die Frühgeschichte von Gestapo und SD, Stuttgart 1971. Siehe auch: Ders.: Beginnings Of The Gestapo System, Jerusalem 1969. 52 Charles W. Sydnor, jr.: Soldiers of Destruction. The SS Death’s Head Division 1933-1945, Princeton N.J. 1977. Dt.: Ders: Soldaten des Todes. Die 3. SS-Division »Totenkopf« 1933-1945, Paderborn3 2003. Siehe auch: Ders.: The History Of The SS Totenkopfdivision And The Postwar Mythology Of The Waffen SS, in: Central European History 6 (1973), S. 339-362. Es ist bezeichnend, dass Sydnors Studie in Deutschland erst nach 25 Jahren übersetzt wurde. 53 Im Jahr 2000 fasste Sydnor seine Ergebnisse zu Eicke als Aufsatz in einem Sammelband noch einmal aktualisiert zusammen, ders.: Theodor Eicke. Organisator der Konzentrationslager, in: Smelser/ Syring: Elite, S. 147-159. 54 Tom Segev: The Commanders of Nazi Concentration Camps, phil. Diss. Boston 1977 [deutsch als populärwissenschaftliche Übersetzung: Die Soldaten des Bösen. Zur Geschichte der KZ-Komman- danten, Hamburg 1992.] Zu Segev vgl. auch Karin Orth: Die Konzentrationslager-SS. Sozialstruk- turelle Analysen und biographische Studien, Göttingen 2000, S. 11. 55 Klaus Drobisch: Theodor Eicke. Verkörperung des KZ-Systems, in: Helmut Bock u.a. (Hg.): Sturz ins Dritte Reich. Historische Miniaturen und Porträts 1933/1935, Leipzig e.a. 1983, S. 283-289. 56 Tuwiah Friedman (Hg.): Der Personalakt des SS-Obergruppenführers Theo Eicke, Chef der Kon- zentrations-Lager im Dritten Reich, seine Briefe an SS-Reichsführer Himmler in den Jahren 1933- 1943. Eine dokumentarische Sammlung von SS-Dokumenten, Haifa 1994. [Das unveröffentlichte, aber in Kopie in verschiedenen Bibliotheken vorhandene Manuskript wurde v. Vf. in der Bibliothek 16 Einleitung sehr hilfreich, jedoch als Analyse zu quellengläubig. Abgesehen von den genannten Titeln existieren lediglich Kurz-Biografien Eickes.57 In allen biografischen Studien wird die Zeit vor 1933 nur kursorisch behandelt, die Hintergründe der Pirmasenser Bombenaffäre und der Psychiatrie-Einweisung sowie die Frage, warum Himmler gerade Eicke zum Kommandanten des Konzentrationslagers Dachau ernannte, wer- den nur gestreift. In seiner 2010 veröffentlichte Augsburger Dissertation analysiert Franz Josef Merkl die Biografie Max Simons, der aus Eickes »Dachauer Schule« stammte und 1943 vorüberge- hend einer seiner Nachfolger als Kommandeur der SS-Panzergrenadierdivision Totenkopf wurde. Eine profunde biografische Studie über einen weiteren engen Mitarbeiter Eickes legte Dirk Riedel im selben Jahr mit seiner Dissertation über Hans Loritz vor.58 Die Veröffentlichungen zu den nationalsozialistischen Konzentrationslagern sind Legion, daher können an dieser Stelle nur die wichtigsten (mit einem direkten Bezug zu Eicke) angeführt werden. Günther Kimmel betrieb 1979 im Rahmen der verdienst- vollen Dokumentation »Bayern in der NS-Zeit« des IfZ wertvolle Grundlagenfor- schung zur Geschichte des Konzentrationslagers Dachau und Eickes dortiger Rolle ab dem Sommer 1933.59 Im selben Band untersuchte Lothar Gruchmann die Ausein- andersetzungen zwischen Himmler und der bayerischen Justiz um die Strafverfolgung von Morden in Dachau 1933, die auch nach der Einsetzung Eickes als Lagerkomman- dant (die Folge der Ermittlungen war) anhielten.60 Der Journalist Hans-Günther Richardi orientierte sich in seinen vielzitierten, jedoch naturgemäß eher journalisti- schen Arbeiten ab 1983 zu Eicke und dem KZ Dachau überwiegend an Höhne und Broszat und verzichtete weitgehend auf eigene Quellenrecherche.61 Als Standardwerk zur Rolle Theodor Eickes beim Aufbau der Konzentrationslager gilt seit 1991 Johan- nes Tuchels detaillierte Untersuchung zur Inspektion der Konzentrationslager, die gleichzeitig wertvolle Vorarbeiten zu Eickes Biografie leistete.62

des United States Holocaust Memorial Museum in Washington, D.C. eingesehen.] Zu Friedman vgl. Tom Segev: Simon Wiesenthal. Die Biografie, München2 2010, passim. 57 Vgl. etwa Israel Gutman (Hg.): Enzyklopädie des Holocaust. Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden. Bd. 1. A-G, München/Zürich 1993, S. 391f.; Wolfgang Benz, Hermann Graml u. Hermann Weiß (Hg.): Enzyklopädie des Nationalsozialismus, Stuttgart3 1998, S. 832; Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, Frankfurt a. M. 2005, S. 130; Stephen Pope u. Elisabeth-Anne Wheal: Dictionary of the second world war, Barnsley 2003, S. 150 u. Hermann Weiß: Biographisches Lexikon zum Dritten Reich, Frankfurt a. M. 1998, S. 107f.; Robert Wistrich: Wer war wer im Dritten Reich?, Frankfurt a.M. 1987, S. 78f. 58 Dirk Riedel: Ordnungshüter und Massenmörder im Dienst der »Volksgemeinschaft«. Der KZ- Kommandant Hans Loritz, Berlin 2010. 59 Günther Kimmel: Das Konzentrationslager Dachau. Eine Studie zu den nationalsozialistischen Konzentrationslagern, in: Martin Broszat u. Elke Fröhlich (Hg.): Bayern in der NS-Zeit. Bd. 2. Herrschaft und Gesellschaft im Konflikt, München/Wien 1979, S. 349-413. 60 Lothar Gruchmann: Die bayerische Justiz im politischen Machtkampf 1933/34. Ihr Scheitern bei der Strafverfolgung von Mordfällen in Dachau, in: Broszat/Fröhlich: Bayern in der NS-Zeit. Bd. 2, S. 415-428. 61 Hans-Günther Richardi: Schule der Gewalt. Das Konzentrationslager Dachau 1933-1945, München 1983; Ders.: Die verhängnisvolle Karriere des Theodor Eicke, in: SZ Nr. 160 (13.7.1984) u. SZ Nr. 167 (21./22.7.1984). 62 Johannes Tuchel: Konzentrationslager. Organisationsgeschichte und Funktion der »Inspektion der Konzentrationslager« 1934-1938 (Schriftenreihe des Bundesarchivs, Bd. 39), Boppard 1991 u. ders.: Die Kommandanten des Konzentrationslagers Dachau, in: DH 10 (1994), S. 69-90. Einleitung 17

Im Jahr 2001 schließlich publizierten Barbara Distel und Wolfgang Benz eine Un- tersuchung der Geschichte der frühen Konzentrationslager, aus der sich in unserem Zusammenhang der Aufsatz von Stanislav Zámecˇnik zu Eickes Übernahme des KZ Dachau als sehr hilfreich erwies.63 Die bislang wohl bedeutungsvollste Studie zur Konzentrationslager-SS stellt die Freiburger Dissertation von Karin Orth dar, in der sie die Existenz einer kleinen, hochspezialisierten KZ-Expertengruppe innerhalb der SS nachwies, die Eickes Dach- auer »Schule« als Initiationsritus durchlaufen hatte, sowie auf den Personalaustausch zwischen »innerer« und »äußerer« Front hinwies.64 Zu einem Meilenstein der NS-Forschung wurde die faktenreiche, zwischen 2005 und 2009 von Barbara Distel und Wolfgang Benz herausgegebene, neunbändige Ge- samtgeschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager.65 »Der Ort des Ter- rors« wird zweifellos in den nächsten Jahren das zentrale Standardwerk zum natio- nalsozialistischen Lagersystem bleiben. Eine wichtige, aber nicht unproblematische Quelle stellt die (teilweise noch zeitge- nössische) Erinnerungsliteratur von KZ-Häftlingen dar, die Eicke 1933/34 in Dachau, in selteneren Fällen auch noch als Inspekteur der Konzentrationslager erlebten. Die Überlebendenliteratur liefert beklemmende Eindrücke, wie Eicke als KZ-Komman- dant und allgewaltiger Inspekteur der Konzentrationslager von den Häftlingen wahr- genommen wurde. Exemplarisch seien hier die Werke von Hugo Burckhard, Ludwig Göhring, Walter Hornung, Martin Andersen Nexö, Fritz Ecker, Wenzel Rubner, Hans Schwarz und Benedikt Kautsky66 genannt, im weitesten Sinn auch »Der SS-Staat« von

63 Stanislav Zámecˇnik: Das frühe Konzentrationslager Dachau, in: Wolfgang Benz u. Barbara Distel (Hg.): Terror ohne System. Die ersten Konzentrationslager im Nationalsozialismus 1933-1935 (= Geschichte der Konzentrationslager 1933-1945, Bd. 1), Berlin 2001, S. 13-39. 64 Karin Orth: Die Kommandanten der nationalsozialistischen Konzentrationslager, in: Herbert: Na- tionalsozialistische Konzentrationslager. Bd. 2, S. 756-786; dies.: Konzentrationslager-SS; dies.: Das System der nationalsozialistische Konzentrationslager. Eine politische Organisationsgeschichte, Zürich 2002. Zentral hier auch: Miroslav Kárný: Waffen-SS und Konzentrationslager, in: Herbert: Nationalsozialistische Konzentrationslager. Bd. 2, S. 787-799. Bereits ein Jahr zuvor hatte French L. MacLean in einer ergänzenden Studie reichhaltiges statistisches Material zum Personal der KZ- SS geliefert, vgl. ders: The Camp Men. The SS Officers who ran the Nazi Concentration Camp System, Atglen PA 1999. 65 Wolfgang Benz u. Barbara Distel (Hg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Bd. 1-9, München 2005-2009. Ulrich Herbert, Karin Orth und Christoph Dieckmann gaben bereits 1998 eine grundlegende Aufsatzsammlung zu den nationalsozialistischen Konzentrationslagern heraus, in der sie den aktuellen Stand der Forschung bündelten, dies.: Die nationalsozialistischen Konzentrationslager. Entwicklung und Struktur. 2 Bde. Göttingen 1998. 66 Im bekanntesten Bericht aus der Frühzeit Dachaus taucht Eicke nicht auf, da dem Verfasser noch vor dessen Ankunft die Flucht gelang, vgl. Hans Beimler: Four weeks in the hands of Hitler’s hell hounds. The Nazi Murder Camp of Dachau, London 1933. Hugo Burkhard: Tanz mal Jude! Von Dachau bis Shanghai. Meine Erlebnisse in den Konzentrationslagern Dachau, Buchenwald, Ghetto Shanghai. 1933-1945, Nürnberg2 1967; Ludwig Göhring: Dachau Flossenbürg Neuengamme. Eine antifaschis- tische Biografie, Schkeuditz 1999; Walter Hornung (alias Julius Zerfass): Dachau. Eine Chronik, Zürich 1936; Internationales Zentrum für Recht und Freiheit in Deutschland (Hg.) (Martin Andersen Nexö): Nazi-Bastille Dachau. Schicksal und Heldentum deutscher Freiheitskämpfer, Paris 1939. Die ehemaligen Häftlinge Fritz Ecker und Wenzel Rubner berichteten bereits 1934 über die Verbrechen in Dachau und überlieferten die bekannten Eicke-Zitate »Wir haben noch genug deutsche Eichen, um jeden daran aufzuhängen, der sich uns entgegenstellt«, und »Wer Prügel bekommt, erhält sie zurecht.« Fritz Ecker: Die Hölle Dachau. Betrachtungen eines gemarterten nach sieben Monaten Dachau, in: 18 Einleitung

Eugen Kogon. Fabian Stietencorn bezeichnete Eicke 1936 aus dem Pariser Exil als »eine[n] der schlimmsten Bluthunde unseres Jahrhunderts«, und beschrieb ihn als »dicke[n] Kerl mit […] unglaublich gemeinen widerwärtigen Zügen, aus denen seine ganze Rohheit und Schuftigkeit« sprach.67 Bei Alfred Andersch fand Eicke auch einen belletristischen Niederschlag.68 Den wissenschaftlichen Diskurs zur Waffen-SS bestimmten über Jahrzehnte die Standardwerke von George H. Stein,69 der schon 1966 auf Verbrechen der Waffen-SS hingewiesen und sich gegen die Legende der »Soldaten wie andere auch«70 gewandt hatte, und vor allem von Bernd Wegner, der überzeugend auch die Rolle Theodor Eickes und seiner SS-Totenkopfverbände als Personalreservoir und damit für die Ent- stehung der Waffen-SS herausarbeitete.71 Sie wurden unlängst durch eine voluminöse, akribische und quellengesättigte Studie von Jean-Luc Leleu ergänzt, die zweifellos die Forschung in den nächsten Jahren bestimmen wird.72 Der – angesichts der Karriere Theodor Eickes nur als bizarr zu bezeichnende – apo- logetische Mythos, dass die Fronttruppen der Waffen-SS nichts mit dem Personal der Konzentrationslager zu tun gehabt hätten, wurde in den letzten Jahren von der For- schung vollständig widerlegt.73 Ein aus zwei Tagungen in Dresden und Würzburg entstandener Sammelband wird demnächst den aktuellen Forschungsstand zur Geschichte der Waffen-SS zusammen- fassen.74 Vor allem auf die angelsächsische populärwissenschaftliche Literatur üben die mi- litärischen Leistungen der Waffen-SS offensichtlich unverändert eine mit gruselndem

Konzentrationslager. Ein Appell ans Gewissen der Welt. Ein Buch der Greuel. Die Opfer klagen an (Probleme des Sozialismus. Sozialdemokratische Schriftenreihe Nr. 9. Konzentrationslager), Karlsbad 1934, S. 15. DaA A-1325. Wenzel Rubner: Dachau im Sommer 1933, in: ebd, S. 76ff. Hans Schwarz: Wir haben es nicht gewusst. Erlebnisse, Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Konzentrationslager Dachau, S. 201f. Unveröffentl. MS, in: DaA A-1960 u. Kautsky: Teufel und Verdammte. 67 Der Quellenwert der farbigen Schilderung Stietencorns wird allerdings dadurch gemindert, dass der Verfasser im selben Text einen unterirdischen Geheimflugplatz unter dem KZ beschreibt. Fa- bian Stietencorn: Reichslager Dachau 1936. Bericht eines, der es kürzlich erlebte. (Pariser Tageblatt, ab März 1936.) 68 Alfred Andersch: Die Kirschen der Freiheit. Ein Bericht, Zürich 2006. 69 George H. Stein: The Waffen-SS. Hitler’s elite guard at war. 1939-1945, Ithaca 1966 [deutsch: Ge- schichte der Waffen-SS. Hitlers Elitetruppe im Krieg 1939-1945, Düsseldorf 1967]. 70 Vgl. Paul Hausser: Waffen-SS im Einsatz, Göttingen2 1953. 71 Wegner: Politische Soldaten. 72 Jean-Luc Leleu: Soldats politiques en guerre. Sociologie, organisation, rôle et comportements des formations de la Waffen-SS en consideration particulière de leur présence en Europe de l’Ouest 1940-1945 (phil. Diss. Caen/Hamburg 2005), publiziert unter d. Titel: Ders.: La Waffen-SS. Soldats politiques en guerre, Paris 2007. Zur Totenkopf-Division und Theodor Eicke vgl auch ders.: La division SS-Totenkopf face à la population civile du Nord de la France en mai 1940, in: Revue du Nord 83/342 (2001), S. 821-840. 73 Als zwei Beispiele unter vielen seien hier die Dissertation von Martin Cüppers, der die Beteiligung der Waffen-SS (in unserem Kontext speziell der Totenkopfverbände) am Holocaust akribisch nach- zuweisen vermochte, ders.: Wegbereiter der Shoah. Die Waffen-SS, der Kommandostab RFSS und die Judenvernichtung 1939-1945, Darmstadt 2005 und Alexander B. Rossino: Hitler strikes Poland. Blitzkrieg, Ideology and Atrocity, Lawrence 2003 angeführt, der Kriegsverbrechen der Waffen-SS während des »Polenfeldzuges« analysierte. 74 Peter Lieb/Jan Erik Schulte/Bernd Wegner (Hg.): Neue Forschungen zur Geschichte der Waffen-SS, Paderborn u.a. 2013 [in Vorbereitung]. Einleitung 19

Schauer verbundene Faszination aus. Die SS-Totenkopf-Division als vermeintliche Elitedivision der Waffen-SS und Theodor Eicke, dessen Bild teilweise grotesk verzerrt, verharmlost oder diabolisiert wird, spielen hier eine wichtige Rolle.75 Die in den letz- ten 15 Jahren entstandenen Publikationen von Jean Mabire, Rupert Butler und Mas- similiano Afiero (mit ausgezeichnetem Bildmaterial) zur SS-Totenkopf-Division sind populärwissenschaftlich, orientieren sich weitgehend an Sydnor und tragen zur For- schung nichts Neues bei.76 Äußerst aufschlussreich ist die Rezeption und auch Nicht-Rezeption Eickes in apologetischer Waffen-SS-Veteranenliteratur und in der revisionistischen, rechtsradi- kalen Publizistik. Bereits 1956 stellte der neben Sepp Dietrich ehemals ranghöchste Offizier der Waffen-SS Paul Hausser in seinem apologetischen Werk »Waffen-SS im Einsatz« allen Ernstes die Frage, ob man Eicke als »Parteisoldaten« bezeichnen kön- ne.77 Ein Jahr später gelang Ernst-Günther Krätschmer das beachtliche Kunststück, die Biografie Eickes über vier Seiten zu schildern, ohne auch nur ein einziges Mal den Begriff Konzentrationslager zu benutzen.78 Dies ist typisch für die Tendenz revisio- nistischer Literatur, Eickes Verbrechen als KZ-Kommandant und Inspekteur der Kon- zentrationslager entweder zu leugnen, oder seine Biografie praktischerweise erst mit seiner Übernahme des Kommandos über die SS-Totenkopf-Division, die sich angeb- lich in keiner Hinsicht von anderen Kampfeinheiten unterschied, beginnen zu lassen.79

75 Vgl. u.a. Christopher Ailsby: Die Geschichte der Waffen-SS. In Wort und Bild. 1923-1945, Wien 1999; Chris Bishop: SS: Hell on the Western Front. The Waffen-SS in Europe 1940-1945, St. Paul, Min, 2003; Bruce Quarrie: Hitler’s Samurai. The Waffen-SS in action, o.O.3 1986 u. ders.: Hitler’s Teutonic Knights. SS Panzers in Action, Wellingborough 1987; Tim Ripley: Hitler’s Praetorians. The History of the Waffen-SS 1925-1945, Staplehurst 2004 u. ders.: SS Steel Storm. Waffen-SS Panzer Battles on the Eastern Front 1943-1945, Osceola 2000; Gordon Williamson: Die SS. Hitlers Instrument der Macht. Die Geschichte der SS von der Schutzstaffel bis zur Waffen-SS, Klagenfurt 1998; Gordon Williamson: Waffen-SS Handbook 1933-1945, Stroud 2003; Ders.: The blood-soaked soil. The Battles of the Waffen-SS, London 1995. 76 Jean Mabire: La Division »Tête de mort«. Sur le front de l’Est 1941-1945, Paris 1994. Kritische Anmerkungen zu Jean Mabire bei Leleu: La Waffen-SS, S. 823, Anm. 1.; Rupert Butler: Hitler’s Death’s Head Division. SS-Totenkopf-Division, Barnsley 2004 u. Massimiliano Afiero: Totenkopf. La Divisione Testa Di Morto della Waffen SS, Voghera 2005. Noch am ehesten zu verwenden ist hier die Publikation von Butler. 77 Paul Hausser: Waffen-SS im Einsatz, Göttingen2 1953, S. 22. 78 Ernst-Günther Krätschmer: Die Ritterkreuzträger der Waffen-SS. Göttingen2 1957, S. 55-61. 79 Als weitere Beispiele seien hier die Publikationen von Josef Folttmann u. Hanns Möller-Witten: Opfergang der Generale. Die Verluste der Generale und Admirale und der im gleichen Dienstrang stehenden sonstigen Offiziere und Beamten im Zweiten Weltkrieg (=Schriften gegen Diffamierung und Vorurteile, Bd. 3), Berlin4 1959 sowie von Erwin Lenfeld u. Franz Thomas: Die Eichenlaubträ- ger 1940-1945. Im Gedenken an die Männer die durch ihre Taten ein Stück deutscher Geschichte verkörpern, Wiener Neustadt 1983, genannt, sowie Franz Thomas u. Günter Wegmann: Die Ei- chenlaubträger 1940-1945, 2 Bde., Osnabrück 1997f. Dass Franz Schönhuber Haussers Legende folgte und die Waffen-SS 1981 als reine Kampftruppe darstellte, kann kaum überraschen. Schönhu- ber argumentierte, dass man Eicke ebenso wenig auf seine Verbrechen reduzieren und dabei seine angeblichen militärischen Leistungen unterschlagen dürfe, wie man die Verschwörer des 20. Juli auf ihren Widerstand reduzieren könne. Vgl. Franz Schönhuber: Ich war dabei, München/Wien9 1981, S. 208f. Eine eingehende Auseinandersetzung mit den Thesen Schönhubers findet sich bei Rolf Düsterberg: Ich war dabei. Franz Schönhuber und die Waffen-SS, in: Krieg und Literatur 1/2 (1989), S. 9-46. Nikolaus von Preradovich vertuschte Eickes KZ-Vergangenheit in einer Publikation mit dem Euphemismus, dieser sei in »führender Stellung in der SS« tätig gewesen, an anderer Stelle führte er perfider weise die Dachauer Lagerordnung als Beleg an, dass im KZ eine klare Ordnung 20 Einleitung

Jost W. Schneider suggerierte 1977 groteskerweise gar, Eicke sei in der Psychiatrie gewesen, weil er nicht mehr KZ-Bewacher habe sein wollen.80 Zwischen 1983 und 1990 erschien unter dem Titel »Soldaten, Kämpfer, Kameraden« Wolfgang Vopersals zwar umfangreiche, wissenschaftlichen Mindestanforderungen aber in keiner Weise genügende Geschichte der SS-Totenkopf-Division, in der der Verfasser plump versuchte, Eicke weiß zu waschen.81 Selbst innerhalb der HIAG war die Arbeit ihres langjährigen Dokumentars höchst umstritten.82 Als direkte Reaktion auf Vopersals Fleißarbeit publizierte Karl Ullrich – ehemaliger SS-Oberführer und »Eichenlaubträger«, Kommandeur des SS-Panzergrenadierregiments »Theodor Ei- cke« – zwischen 1984 und 1987 unter dem Titel »Wie ein Fels im Meer« eine weitere Divisionsgeschichte.83 Ullrich wählte bewusst (nachweisbar in den HIAG-Korrespon- denzen) eine andere Strategie als Vopersal und verschwieg, anstatt zu leugnen. Ullrichs Publikation entstand auch als Antwort auf die Forschungen Sydnors, die in der »Trup- penkameradschaft Totenkopf« aufmerksam registriert wurden.84 Die Veröffentlichungen der HIAG und andere sind aufgrund ihres apologetischen, revisionistischen und teilweise manipulativen Inhalts für eine wissenschaftliche Un- tersuchung nicht zu gebrauchen und werden an dieser Stelle allein deshalb erwähnt, weil sie einen reichhaltigen Fundus an Propaganda-Bildmaterial bereitstellen.85 Selbst- verständlich stellt sich die Frage, inwiefern bestenfalls populärwissenschaftliche,

geherrscht habe, vgl. ders.: Die Generale der Waffen-SS, Berg am See 1985; ders.: General der Waffen-SS Theodor Eicke, gefallen am 26.02.1943, in: Deutsches Soldatenjahrbuch (1993), S. 9, sowie ders.: Die Schutzstaffel der NSDAP. Eine Dokumentation, Stegen 2004. Ein weiteres typi- sches Beispiel apologetischer Vertuschungstaktik lieferte Peter Stockert 1996, der in einem mehr- bändigen Werk über die »Eichenlaubträger« zwar Eickes Dienst als »Führer der SS-Wacheinheiten« erwähnt, aber nicht erklärt, wer hier, wo und warum, bewacht wurde. Eickes Leistungen in Dem- jansk und selbst der heldenhaften Bergung seiner Leiche räumt der Verfasser ungleich mehr Zeilen ein, ders.: Die Eichenlaubträger 1940-1945, Bad Friedrichshall 1996. In den Erinnerungen von Erich v. Manstein wird Eicke nicht namentlich, sondern nur als Divisionskommandeur und »tapferer Mann« erwähnt. Manstein klammerte die Biografie Eickes, die ihm bekannt gewesen sein muss, völlig aus. Vgl. ders.: Verlorene Siege, Bonn 1955, S. 187f. 80 Jost W. Schneider: Verleihung genehmigt! Eine Bild- und Dokumentargeschichte der Ritterkreuz- träger der Waffen-SS und Polizei, San Jose 1977. 81 Wolfgang Vopersal: Soldaten, Kämpfer, Kameraden. Marsch und Kämpfe der SS-Totenkopfdivision, 5 Bde., Osnabrück 1983-1990. 82 Vgl. BAM N 756/135. 83 Karl Ullrich: Wie ein Fels im Meer. Bd. 1. 3. SS-Panzer-Division »Totenkopf« im Bild, Osnabrück 1984 u. Bd. 2. Kriegsgeschichte der 3. SS-Panzerdivision »Totenkopf«, Osnabrück 1987. 84 Bf. Karl Ullrich an Munin-Verlag v. 16.3.1977, BAM RS 7/v. 384. »Stichproben aus Division Toten- kopf von C.W. Sydnor«. Auch Karl H. Theile übte 1997 polemische Kritik an Sydnor und versuch- te die personellen Verbindungen zwischen Konzentrationslager-SS und Waffen-SS zu verschleiern, vgl. ders.: Beyond »Monsters« and »Clowns«. The Combat SS. De-Mythologizing Five Decades of German Elite Formations, Lanham 1997. 85 Bundesverband der Soldaten der ehemaligen Waffen-SS e.V. (Hg.): Wenn alle Brüder schweigen. Großer Bildband über die Waffen-SS, Osnabrück3 1981. Der 1973 erstmals herausgegebene Band ist als eine direkte, revisionistische Antwort auf die Arbeiten George H. Steins zu verstehen; ders. (Hg.): Befehl des Gewissens. Charkow Winter 1943, Osnabrück 1976, sowie rechtsradikal: Deutsche Verlagsgesellschaft (Hg.): Vorbildliche Männer der Waffen-SS. Leistungen und Taten, Rosenheim 1996 u. dies. (Hg.): Sepp Dietrich: Kommandeur Leibstandarte SS Adolf Hitler und seine Männer, Rosenheim 1995, sowie: Roger H. Hunt (Hg.): Death’s Head. Combat Record of the SS Totenkopf Division in France 1940, Madison, Wis. 1979, vollst. Übersetzung u. Neuauflage von: Damals. Erinnerung an grosse Tage der SS-Totenkopf-Division im Französischen Feldzug 1940, Stuttgart Einleitung 21 schlimmstenfalls revisionistische Publikationen für die vorliegende Untersuchung überhaupt relevant sind. Ihre Bedeutung liegt darin, dass sie – trotz ihrer Fehler, Un- genauigkeiten und teilweise rechtsextremen Geschichtsklitterungen – durch ihre ho- hen Auflagen Geschichtsbilder prägen und Mythen tradieren, was besonders im Falle Theodor Eickes problematisch ist. Ein Nachlass Theodor Eickes ist nicht bekannt.86 Die Quellendecke zu Eickes Mi- litärzeit von 1909 bis 1919 ist (im Bayerischen Hauptstaatsarchiv Kriegsarchiv in München) dünn, aber aussagekräftig. Eickes familiärer Hintergrund konnte nur aus – allerdings umfangreichen – Egodokumenten sowie aus Abstammungsnachweisen, die Eicke, sein Sohn und sein Neffe Heinz für die SS anfertigten, rekonstruiert werden. Durch Aktensplitter aus dem Universitätsarchiv Ilmenau und dem örtlichen Stadtar- chiv, das über eine Personalakte Eickes als Polizeivolontär verfügt, ließen sich einige Lücken in Eickes Biografie schließen, seine Aufenthalte in Cottbus, Weimar und Sorau schlugen sich in den dortigen Archiven leider nur marginal, oder überhaupt nicht nieder. Quellen zu Eickes Wirken in der Pfalz finden sich im Stadtarchiv Ludwigsha- fen a. Rh., dessen umfangreiche Sammlung zeitgenössischer Tageszeitungen sich als sehr hilfreich erwies. Im Firmenarchiv der BASF war seine Tätigkeit nicht mehr nach- zuweisen. Ein umfangreiches Aktenkonvolut vor allem zur Pirmasenser Bombenaf- färe befindet sich in Form der »Gestapoakte Eicke« im rheinland-pfälzischen Landes- archiv Speyer. Grundlegend für die Rekonstruktion der Bombenaffäre und deren juristische Aufarbeitung sowie für den Aufbau der SS in der Pfalz waren die Akten des Staatsministeriums des Innern im Hauptstaatsarchiv München. Kopien dieser Bestände wurden auch in den amerikanischen National Archives in College Park, Washington, D.C. eingesehen. Einen für diese Arbeit zentralen und von der Forschung bislang nicht beachteten Quellenbestand bildet die Patientenakte Eickes im Archiv der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Würzburg. Im Universitätsarchiv Würzburg befindet sich die höchst aufschlussreiche Personalakte des Psychiaters Wer- ner Heyde, der die Bekanntschaft mit dem früheren Patienten für seine skrupellose SS-Karriere im Euthanasieapparat nutzte. Im Archiv des IfZ in München erwiesen sich für die vorliegende Untersuchung besonders die Quellen zur juristischen Aufarbeitung der Morde im Zuge des soge- nannten »Röhm-Putsches« als ergiebig. Zu Eickes Wirken in Dachau und als Inspek- teur der Konzentrationslager wurden die Bestände der Archive der KZ-Gedenkstätten Dachau und Flossenbürg, Ermittlungsakten der Münchner Staatsanwaltschaft im Staatsarchiv München sowie die Bestände des Bundesarchivs Berlin-Lichterfelde zu Rate gezogen. Die dortigen Bestände des ehemaligen amerikanischen Berlin Document Center (BDC) bilden den umfangreichsten bekannten Quellenfundus zu Theodor Eicke. Zentral für diese Untersuchung waren vor allem die SSO-Bestände des BDC,

1943. Zur HIAG Karsten Wilke: Die »Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit« (HIAG). 1950-1990. Veteranen der Waffen-SS in der Bundesrepublik, Paderborn 2011. 86 Als Übersetzungsfehler erwies sich Heinz Boberachs Hinweis auf einen angeblichen Nachlass Ei- ckes im Archiv der KZ-Gedenkstätte Stutthof, hier handelt es sich lediglich um einen Nachruf. Vgl. ders.: Inventar archivalischer Quellen des NS-Staates. Die Überlieferung von Behörden und Ein- richtungen des Reichs, der Länder und der NSDAP, Bd. 3/2, Berlin 1991, S. 102-105 u. Auskunft d. Panstwowe Muzeum Stutthof v. 23.5.2006 u. 6.6.2006. 22 Einleitung die äußerst umfangreichen Personalakten des SS-Führerkorps, der Bestand NS 19 mit den Akten des Persönlichen Stabes Reichsführer-SS sowie die Bestände NS 3, 4 und 31 (zu den Konzentrationslagern). Für die Geschichte der SS-Totenkopf-Division und das Verhältnis von Himmler und Eicke war der Bestand NS 32 (SS-Führungshaupt- amt) nützlich, für die Rekonstruktion der pfälzischen Parteiquerelen die NSDAP- Parteikorrespondenzen (PK) und die Akten des Obersten Parteigerichts der NSDAP (OPG). Die SS-Personalakte Theodor Eickes liegt im Bundesarchiv im Original (das grundsätzlich nicht an Nutzer ausgegeben wird, vom Verfasser jedoch eingesehen werden konnte), in Kopie in Ordnern, auf Mikrofiche und Mikrofilm vor. Wie ein Vergleich mit der Originalakte ergab, ist der Inhalt der verschiedenen Reproduktions- formen nicht völlig identisch. Daher wird die Personalakte in dieser Arbeit mit Hin- weis auf die jeweilige Provenienz zitiert. Die Mikrofilmkopie der amerikanischen National Archives weist eine deutlich höhere Qualität und damit Lesbarkeit auf, als die Berliner Kopien, vereinzelt wird daher auch auf die Washingtoner Signatur ver- wiesen. Im Bestand NS 31 finden sich im Bundesarchiv fünf Fassungen einer offiziellen SS-Biografie Eickes, die kriegsbedingt nie veröffentlicht wurde.87 Die Änderungen, die Himmler immer wieder am Manuskript vornehmen ließ, erlauben interessante Rück- schlüsse auf das Eicke-Bild, das er tradieren wollte. Die sehr umfangreichen einschlägigen Bestände zur SS-Totenkopf-Division befin- den sich im Bundesarchiv, Abteilung Militärarchiv in Freiburg. In den amerikanischen National Archives in College Park, Washington, D.C. wur- den die überlieferten Bestände des NSDAP-Hauptarchivs (T581) eingesehen, die in- teressantes Material zum Aufbau der SS in der Pfalz und zur Bayerischen Politischen Polizei lieferten, Kopien der BDC-Bestände (s.o.), Verhörprotokolle der Nürnberger Prozesse (IMT Interrogations) sowie Ermittlungsakten zu Verbrechen im KZ Dachau (Dachau files). Eine in Washington offensichtlich existierende Akte des amerikani- schen Geheimdienstes OSS über Theodor Eicke konnte leider nicht eingesehen wer- den.88 Im Archiv des United States Holocaust Memorial Museum in Washington wurden Kopien von Beständen unter anderem aus dem tschechischen Kriegsarchiv in Prag und aus Yad Vashem ausgewertet. Eine große Bedeutung für die vorliegende Untersuchung haben die Briefentwürfe, die Theodor Eicke unter der Aufsicht Werner Heydes in der Würzburger Psychiatrie verfasste, und die vermutlich zu Dokumentationszwecken in der Füchsleinstraße ar- chiviert wurden. Hochspannend ist hier vor allem der bislang unbekannte, 48-seitige Brief Eickes an Hermann Göring aus dem Mai 1933. Eickes autobiografische Angaben sowie die offizielle SS-Biografie und andere Quellen sind bezüglich seines Lebenslaufs notorisch unzuverlässig und widersprechen sich wiederholt.89

87 Für den Hinweis auf diese Quelle danke ich Dr. Gabriele Hammermann, Leiterin der KZ-Gedenk- stätte Dachau. 88 Ein Antrag auf Einsichtnahme gemäß des Freedom-of-Information-Act blieb ergebnislos. Ob der OSS eine Akte über jeden Divisionskommandeur anlegte, oder ob Eicke aufgrund seiner Rolle als Inspekteur der Konzentrationslager besondere Bedeutung beigemessen wurde, ist unbekannt. 89 Selbst in der Urteilsbegründung des Schöffengerichts beim Amtsgericht Pirmasens vom Juli 1932 finden sich nachweislich inkorrekte Angaben zu Eickes Biografie. Vgl. BayHStA MInn 81618, Bl. 551. Einleitung 23

Selbstverständlich müssen vor allem Eickes Egodokumente einer gründlichen Quel- lenkritik unterzogen werden. Die Problematik biografischer Selbstentwürfe ist dem Verfasser bewusst, sie sind in diesem Kontext weniger Quellen für authentische Ab- läufe, als vielmehr für Eickes Sichtweise derselben.90 Gerade diese autobiografischen Selbststilisierungen Eickes sind ein wichtiges Erkenntnismittel biografischer Arbeit.91 Golo Mann kritisierte Anfang der 70er Jahre den Hitler-Biografen Joachim Fest scharf mit dem Argument, dass jede Biografie ihr Objekt durch Neugier adele.92 Den- noch wies – gerade im Bereich der Konzentrationslager-SS – die sogenannte Täterfor- schung in den vergangenen Jahren eindrucksvoll ihre Berechtigung und Notwendigkeit nach. Die Biographiewürdigkeit, die Relevanz einer wissenschaftlichen biografischen Untersuchung, erweist sich nicht nach moralischen Kriterien, sondern zum einen durch das erkenntnisleitende Interesse, zum anderen durch die Quellengrundlage. Biografische Ansätze sind immanent perspektivisch.93 Daher bergen sie zwangsläu- fig das Risiko, in einem Tunnelblick die Bedeutung, Position und Gestaltungsmacht der betrachteten Person zu überhöhen. Auch wenn Eicke eine der zentralen Figuren der SS war, darf seine Gesamtbedeutung für den Nationalsozialismus dennoch nicht überbewertet werden. Eine zentrale Anforderung an eine wissenschaftliche Biografie besteht darin, die richtige Balance zwischen den personalen und strukturellen Elemen- ten zu finden, die das Handeln der analysierten Person bestimmen. Die neuere Biographieforschung verabschiedete sich vom Mythos der geschlosse- nen historischen Persönlichkeit, die konsequent einem kohärenten Lebensentwurf folge. Wegweisende Ansätze lieferte hier der französische Soziologe Pierre Bourdieu, der in seinem Habitus-Konzept nachwies, dass spezifisches Handeln immer als indi- viduelle Reaktion auf historische und milieuspezifische Bedingungen innerhalb der gegebenen Handlungskontexte zu verstehen ist.94 Krisensituationen sind besonders gut geeignet, Handlungsoptionen der beschriebe- nen Person zu betrachten und so personale Elemente innerhalb struktureller Zwänge

90 Vgl. Beatrix Borchard: Lücken schreiben. Oder: Montage als biographisches Verfahren, in: Biogra- fie schreiben (= Göttinger Gespräche zur Geschichtswissenschaft, Bd. 18), hg. von Hans Erich Bödeker, Göttingen 2003, S. 236. 91 Vgl. Alf Lüdtke: Funktionseliten. Täter, Mit-Täter, Opfer? Zu den Bedingungen des deutschen Faschismus, in: ders. (Hg.): Herrschaft als soziale Praxis. Historische und sozial-anthropologische Studien (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 91), Göttingen 1991, S. 559- 590. 92 Vgl. ZEIT online v. 5.3.2010. 93 Vgl. zur Entwicklung der Biografik Christian Klein (Hg.): Handbuch Biografie. Methoden, Tradi- tionen, Theorien, Stuttgart/Weimar 2009, S. 1-6; Hans Erich Bödeker: Annäherungen an den ge- genwärtigen Forschungs- und Diskussionsstand, in: ders: Biografie schreiben (= Göttinger Gesprä- che zur Geschichtswissenschaft, Bd.18), Göttingen 2003, S. 9-63: Peter Chroust: Überlegungen zur Analyse von NS-Biografien, in: Mitteilungen der Dokumentationsstelle zur NS-Sozialpolitik 1 (1985), S. 101-115; Michael Harscheidt: Biografieforschung: Werden und Wandel einer komplexen Methode, in: HSR 14 (1989), S. 99-142 sowie Thomas Etzemüller: Die Form »Biografie« als Modus der Geschichtsschreibung. Überlegungen zum Thema Biografie und Nationalsozialismus, in: Mi- chael Ruck u. Karl Heinrich Pohl (Hg.): Regionen im Nationalsozialismus (=IZRG-Schriftenreihe, Bd. 10), Bielefeld 2003, S. 71-90. 94 Vgl. Pierre Bourdieu: Die biographische Illusion, in: BIOS 6 (1993), S. 75-81; zum Habitus-Konzept vgl. auch ders: Der Habitus als Vermittlung zwischen Struktur und Praxis, in: Ders.: Zur Soziologie der symbolischen Formen, Frankfurt a.M. 2000 [Nachdruck v. 1974], S. 125-158, sowie Etzemüller: Form »Biografie«, S. 80-82. 24 Einleitung aufzudecken. Als Dreh- und Angelpunkte der frühen SS-Karriere Theodor Eickes werden in der vorliegenden Untersuchung die Pirmasenser Bombenaffäre und Eickes Schutzhaft in der Würzburger Psychiatrie identifiziert. Sie bilden daher die Schwerpunkte dieses Buches, das sich durch neue Quellen und Quellendeutungen legitimiert. Dem Verfasser ist der vorläufige Charakter jeder bio- grafisch angelegten wissenschaftlichen Studie (die Authentizität letzten Endes auch nur inszenieren kann) bewusst. Dieses Buch erhebt ausdrücklich nicht den Anspruch, eine vollständige Biografie Theodor Eickes zu liefern. Im Stile einer Schwerpunktbio- grafie werden in dieser Arbeit vor allem die Grundlagen und die Ausgangssituation der bemerkenswerten SS-Karriere Theodor Eickes vor 1934/35 untersucht, die bezüg- lich des Treue- und Verpflichtungsverhältnisses zu Heinrich Himmler durchaus para- digmatisch war. 1970 stellten der Historiker George M. Kren und der Psychologe Leon Rappoport in der Tradition der angelsächsischen Psychohistorie95 ironisch eine Alice-im-Wun- derland-Regel auf: »like Alice going through the looking glass, anyone who goes into the world of the SS soon discovers that it is nonsense to search for sense where it does not exist«, und postulierten, dass der Historiker die SS untersuchen sollte, wie ein Psychiater einen Schizophrenen.96 Zwar belegt auch dieses Buch, dass frühe Persona- lentscheidungen Heinrich Himmlers (gerade auch im Fall Eicke) höchst irrationale Züge trugen. Dennoch war das Handeln Himmlers und Eickes innerhalb des Werte- kanons der SS rational und konsequent. Bereits wenige Jahre nach dem Krieg hatte der amerikanische Gefängnispsychologe in Nürnberg, Gustave M. Gilbert, in einer etwas holzschnittartigen Studie, in der er die psychische Abartigkeit der Nürnberger Angeklagten zu belegen suchte, unter anderem noch die mittlerweile in Verruf geratenen Rorschachtests eingesetzt.97 Gilbert war typischer Exponent einer vor allem angelsächsischen Methode, die Handlungen nationalsozialistischer Massenmörder anhand psychopathologischer Ansätze zu er- klären. In der Bundesrepublik der 50er Jahre diente die dämonisierende Interpretation der SS-Täter als psychisch abnorme Kriminelle auch der gesellschaftlichen Distanzie- rung und trug teilweise apologetischen Charakter. Diese Ansätze gelten mittlerweile als weitgehend untauglich, da heute bekannt ist, dass der überwiegende Teil der NS- Täter sich weder hinsichtlich der Herkunft, der Sozialisation, des Alters, der sozialen Schicht noch der Religion oder anderer Merkmale von der übrigen Gesamtbevölke- rung unterschied.98 Die Täter waren durchaus normal. Dies trifft auch für Theodor

95 Psychohistorie bzw. Psychobiographik waren in den 60er Jahren v.a. in d. angelsächsischen Ge- schichtsschreibung weit verbreitet, vgl. Christian Klein u. Falko Schnicke: 20. Jahrhundert, in: Klein: Handbuch Biografie, S. 252. Zur Problematik psychohistorischer Ansätze vgl. Hagen Schulze: Die Biografie in der »Krise der Geschichtswissenschaft«, in: GWU 29 (1978), S. 512. 96 George M. Kren u. Leon Rappoport: and crisis of human behaviour, New York 1970, S. 40. 97 Vgl. G. M. Gilbert: The Mentality of the SS Murderous Robots, in: Yad Vashem Studies 5 (1963), S. 35-41. 98 Welzer: Täter, S. 42. Grundlegend zur Täterforschung in Deutschland wurde die leider nur wenig beachtete kriminologische Studie von Herbert Jäger, in der er unter anderem mit der Legende vom Befehlsnotstand aufräumte. Herbert Jäger: Verbrechen unter totalitärer Herrschaft. Studien zur nationalsozialistischen Gewaltkriminalität, Olten/Freiburg i. Br. 1967. Zur Rezeption Jägers vgl. auch Paul: Psychopathen, S. 33. Einleitung 25

Eicke zu, bei dem keine Anzeichen für eine etwaige psychiatrische Erkrankung diag- nostiziert wurden. Die Bedeutung allgemeiner Autoritätshörigkeit – und nicht der psychischen Dis- position – für das Handeln auch von SS-Tätern in nationalsozialistischen Konzentra- tionslagern wiesen Stanley Milgram (1961) und Philip Zimbardo (1971) in ihren be- rühmten psychologischen Experimenten nach.99 Auch Henry V. Dicks, der unter anderem die Beziehung zwischen »Papa« Eicke und seinen Männern untersuchte, sah das Milgram-Experiment durch seine Interviews mit KZ-SS-Angehörigen bestätigt und wies nach, dass SS-Täter keineswegs klinisch auffällig, sondern »ordinary men«100 waren. Dirk Riedel wies allerdings auch völlig zu Recht darauf hin, dass so normal nicht sein könne, wer sich freiwillig zum Konzentrationslagerdienst melde und die Einstufung als »ordinary men« auch auf einer apologetischen Selbstinszenierung an- gesichts drohender Strafverfolgung beruhte.101 In seiner bahnbrechenden Untersuchung der Motive von Angehörigen eines Reser- ve-Polizeibataillons, sich an Massenerschießungen in Polen zu beteiligen, verfolgte Christopher Browning 1992 einen multikausalen, behavioristischen Ansatz, bei dem er strukturelle Rahmenbedingungen ebenso wie individuelle Voraussetzungen und Motive berücksichtigte, und nachwies, dass die Bedeutung von Gruppendruck, Korps- geist und Abstumpfung für nationalsozialistische Massenverbrechen erheblich größer war, als ideologischer Fanatismus oder gar psychische Dispositionen.102 Einen zentralen Beitrag zur Täterforschung leistete der Soziologe Harald Welzer.103 Konrad Kwiet und Jürgen Matthäus erarbeiteten wichtige Grundlagen zur ideologi-

99 Vgl. Michael Walter: Über Machtstrukturen, aus denen Kriminalität entsteht. Folgerungen aus dem Stanford-Prison-Experiment für Kriminologie und Kriminalpolitik, in: Frank Neubacher u. Mi- chael Walter (Hg.): Sozialpsychologische Experimente in der Kriminologie. Milgram, Zimbardo und Rosenhan kriminologisch gedeutet. Münster 2002, S. 93-102; vgl. auch John P. Sabini u. Mau- ry Silver: Destroying the Innocent with a clear Conscience: A Sociopsychology of the Holocaust, in: Dimsdale: Survivors, S. 329-358. 100 Henry V. Dicks: Licensed mass murder. A socio-psychological study of some SS Killers, London 1972. Somit führte Dicks diesen Begriff lange vor Browning ein, vgl. Christopher R. Browning: Ganz normale Männer. Das Reserve-Polizeibataillon 101 und die »Endlösung« in Polen, Reinbek4 2007. 101 Riedel: Ordnungshüter, S. 16. 102 Browning: Ganz normale Männer. Brownings Arbeit war für die Forschung erheblich fruchtbarer, als die gleichzeitig publizierte, jedoch stärker rezipierte Untersuchung Daniel Jonah Goldhagens, deren intentionalistischer, monokausaler Ansatz in der Geschichtswissenschaft zu Recht auf schar- fe Kritik stieß, vgl. ders.: Hitlers willige Vollstrecker. Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holo- caust, Berlin3 1996. Zu Goldhagen-Debatte vgl. Klaus Große Kracht: Die zankende Zunft. Histo- rische Kontroversen in Deutschland nach 1945, Göttingen 2005, S. 139-160 sowie : Der NS-Staat. Geschichtsinterpretationen und Kontroversen im Überblick, Hamburg 1999, S. 376-391. Dennoch sorgten die Debatten um Goldhagens provokante These eines genuin deutschen »eliminatorischen Antisemitismus« sowie die Kontroversen um die sogenannte »Wehrmachtsaus- stellung« dafür, dass der Täter-Diskurs erstmals in eine breite deutsche Öffentlichkeit getragen wurde. Zur sog. »Wehrmachtsausstellung« vgl. Landeshauptstadt München, Kulturreferat (Hg.): Bilanz einer Ausstellung. Dokumentation der Kontroverse um die Ausstellung »Vernichtungs- krieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944« in München, Galerie im Rathaus, 25.2. bis 6.4.1997, München 1998. 103 Welzer: Täter u. ders.: Wer waren die Täter? Anmerkungen zur Täterforschung aus sozialpsycho- logischer Sicht, in: Paul: Täter der Shoah, S. 237-254. 26 Einleitung schen Prägung und Schulung von NS-Tätern, die zum Verständnis Theodor Eickes von eminenter Bedeutung sind.104 Die neuere Täterforschung nach Klaus-Michael Mallmann und Gerhard Paul sucht nach prägenden Einflüssen und Sozialisationen, biografischen Kontinuitäten und Brü- chen sowie individuellen Handlungsspielräumen.105 In einer detaillierten und sorgfäl- tigen Bilanz des Standes der Täterforschung urteilte Gerhard Paul 2002, dass lineare Erklärungsansätze (psychologische Disposition oder soziale Herkunft der Täter) sich als untauglich erwiesen hätten, ein allgemeingültiger Tätertypus nicht zu identifizieren sei.106 An diese Erkenntnisse anknüpfend gehört zu den Zielen dieser Untersuchung, in Eickes Biografie die prägenden Einflüsse in der Sozialisierung und politischen Ra- dikalisierung zu identifizieren. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf die spezi- fische Verpflichtungs- und Bewährungssituation gelegt, in der er sich befand. Eicke ist hier von besonderer Relevanz, da er nicht »nur« Täter war, sondern in seiner »Dach- auer Schule« auch zum Multiplikator und »Tätervater« wurde. Eine vollständige wissenschaftliche Biografie Eickes zu verfassen, ist derzeit nicht möglich, da für die Jahre vor 1909 praktisch keine Überlieferung besteht. Die vorlie- gende Untersuchung ist daher als Schwerpunktbiografie konzipiert und konzentriert sich auf die Voraussetzungen und Grundlagen von Eickes SS-Karriere, die schon lan- ge vor der Übernahme des Kommandos über das Konzentrationslager Dachau ange- legt worden waren. Im ersten Kapitel wird die Biografie Eickes bis zu seinem Eintritt in die NSDAP rekonstruiert. Auf der Suche nach prägenden Einflüssen werden sein zehnjähriger Militärdienst und seine Kriegsteilnahme untersucht, sein mehrfaches Scheitern beim Versuch, in den Polizeidienst übernommen zu werden, geschildert sowie das Aufkom- men des Nationalsozialismus in der Pfalz unter besonderer Berücksichtigung von französischer Besetzung und Separatismus analysiert. Eickes Zeit in Ludwigshafen wird einer eingehenden Untersuchung unterzogen, weil sie neben dem Militärdienst die längste Konstante in seinem Leben bis 1933 darstellt. Das zweite Kapitel, das seinen Eintritt in die NSDAP, SA und SS behandelt sowie den Blick auf die Wurzeln des Konflikts mit Bürckel richtet, greift mit der Überschrift »Im Vorkampf« eine pathetische Formulierung aus Eickes SS-Biografie auf. Kapitel Drei, Vier und Fünf rekonstruieren Eickes Karriere zwischen 1931 und 1934 anhand der Oberbegriffe Treue, Erziehung und Verpflichtung. Das zentrale Ereignis in Eickes Biografie vor 1933 war, abgesehen von seiner Dienstzeit in der Bayerischen Armee, die in Kapitel Drei untersuchte sogenannte Pirmasenser Bombenaffäre, die einen Schwerpunkt dieses Buches bildet. Die Bedeutung der Affäre, die in ihrer Brisanz mit der Entdeckung der Boxheimer Dokumente zu vergleichen ist, wurde in der For-

104 Konrad Kwiet: Erziehung zum Mord. Zwei Beispiele zur Kontinuität der deutschen »Endlösung der Judenfrage«, in: Michael Grüttner, Rüdiger Hachtmann u. Heinz-Gerhard Haupt (Hg.): Ge- schichte und Emanzipation. Festschrift für Reinhard Rürup, Frankfurt New York 1999, S. 435-457 u. Jürgen Matthäus, Konrad Kwiet, Jürgen Förster u. Richard Breitman: Ausbildungsziel Juden- mord? »Weltanschauliche Erziehung« von SS, Polizei und Waffen-SS im Rahmen der »Endlösung«, Frankfurt a.M. 2003. 105 Klaus-Michael Mallmann, Gerhard Paul (Hg.): Karrieren der Gewalt. Nationalsozialistische Täter- biografien, Darmstadt 2004. 106 Vgl. Paul: Psychopathen, S. 62. Einleitung 27 schung bisher übersehen. Im Zuge der Affäre wurde Eicke wegen der Herstellung von knapp 100 Sprengkörpern zu einer zweijährigen Zuchthausstrafe verurteilt. Es deuten zahlreiche Indizien darauf hin, dass der Befehl zum Bombenbau tatsächlich vom pfäl- zischen Gauleiter Josef Bürckel ausging und auch von Himmler gutgeheißen wurde. Dies wirft ein bezeichnendes Licht auf den sogenannten Legalitätskurs der NSDAP. Eickes Verhalten während der Bombenaffäre und vor allem seine mustergültige Um- setzung des SS-Treuekodexes vor Gericht trugen ihm Himmlers Hochachtung ein und legten, so eine These dieser Untersuchung, den Grundstein für das besondere Loya- litätsverhältnis zwischen ihm und dem Reichsführer-SS. Die Pirmasenser Bombenaf- färe war der Dreh- und Angelpunkt in Eickes früher SS-Karriere, weshalb ihrer Be- trachtung viel Raum gegeben wird. Der Konflikt mit Josef Bürckel führte dann zu Eickes vorübergehender Ausschaltung als Schutzhäftling in der Würzburger Psychi- atrie und wurde damit zum entscheidenden Wendepunkt seiner Karriere. Das vierte Kapitel analysiert die Gründe, warum Himmler im Frühjahr 1933 vorü- bergehend das Vertrauen in Eicke verlor und belegt erstmals, dass der Reichsführer bereits frühzeitig die Möglichkeit gehabt hätte, Eicke wieder in Freiheit zu setzen, dies aber entsprechend seines abstrusen Erziehungskonzeptes bewusst nicht tat. Ein Ex- kurs richtet den Blick auf das symbiotische Verhältnis zwischen Eicke und dem be- handelnden Psychiater Werner Heyde, der seine spätere SS-Karriere auf der Bekannt- schaft mit Eicke aufbaute. Kapitel Fünf betrachtet die Frühphase des Aufbaus des Konzentrationslagersystems und steht unter der Leitfrage der Verpflichtung. Eickes stand im Frühsommer 1933, als Himmler seinen zehnwöchigen Zwangsaufenthalt in der Würzburger Psychiatrie beenden ließ und ihn zum Kommandanten des Konzentrationslagers Dachau machte, unter erheblichem Bewährungsdruck. In Dachau schuf Eicke ein nationalsozialisti- sches Musterlager, dessen Lagerordnung später in allen Konzentrationslagern über- nommen wurde. Mit der eigenhändigen Ermordung Ernst Röhms im Sommer 1934 bestand er seine entscheidende Bewährungsprobe. Das sechste Kapitel, »Von Dachau nach Orelka« beschreibt Eickes Biografie bis zu seinem Tod an der Ostfront 1943. Da dieser Zeitabschnitt schon mehrfach an anderen Stellen erschöpfend behandelt wurde, wird hier der aktuelle Stand der Forschung zusammengefasst und die Relevanz des besonderen Treueverhältnisses zwischen Eicke und Himmler noch einmal unter dem Aspekt der Belohnung mit seiner Rolle als Ins- pekteur der Konzentrationslager, als Mitbegründer Waffen-SS und als Divisionskom- mandeur im Krieg skizziert. Das siebte Kapitel greift als Grundlagen der SS-Karriere Theodor Eickes die Fak- toren Treue, Erziehung und Verpflichtung aus Kapitel Drei bis Fünf wieder auf. Es analysiert, ob sich anhand verschiedener Indikatoren im Vergleich mit dem übrigen höheren SS-Führerkorps eine überdurchschnittliche Nähe Theodor Eickes zu Hein- rich Himmler erkennen lässt. In Kapitel Acht folgt eine resümierende Schlussbetrach- tung. Im Anhang finden sich ein Drohbrief Eickes an Josef Bürckel sowie der bislang unbekannte 48-seitige Entwurf seines Briefes, den er aus der Würzburger Nervenkli- nik an Hermann Göring schrieb. Als Hilfsmittel für den Leser wurde auch eine Über- sicht über - und SS-Ränge im Vergleich aufgenommen und eine Zeittafel zur Biografie Eickes erstellt.

KAPITEL I PRÄGENDE JAHRE 1892-1932

1. ELTERNHAUS, KINDHEIT, JUGEND 1892-1909

Theodor Eicke wurde am 17. Oktober 1892 in dem kleinen Dorf Hampont, etwa 30 Kilometer nordöstlich von Nancy, im damaligen Reichsland Elsaß-Lothringen, gebo- ren.1 Sein Vater Heinrich Eicke war dort Bahnhofsvorsteher, stammte ursprünglich aus Gittelde im Harz und war als Veteran nach dem Krieg von 1870/71 in Lothringen geblieben.2 Seine Mutter Josefine, geb. Henning hatte französische Wurzeln.3 Ein Sohn von Eickes Schwester Margarete kämpfte im 2. Weltkrieg auf Seiten der Franzosen, nach 1940 der Briten.4 Theodor war das elfte Kind seiner Eltern, sein Vater bei seiner

1 Zwischen 1915 u. 1918 trug der Ort Hampont den eingedeutschten Namen »Hudingen«, von 1940 bis 1944 »Hüdingen«. Sowohl in der Literatur, als auch von Zeitgenossen wurde das lothringische Ham- pont/Hudingen/Hüdingen häufig mit dem elsässischen Huningue, eingedeutscht Hüningen nahe Ba- sel, verwechselt oder ins Elsaß verlegt, vgl. den Eintrag »Theodor Eicke« v. 15.7.1943 im Archiv für publizistische Arbeit (Intern, Biogr. Archiv), BArch ZM 1397 A.10. So stammt Eicke z.B. in der ins- gesamt fragwürdigen und revisionistischen Darstellung von Preradovich: Schutzstaffel der NSDAP, mal aus Lothringen (S. 26), mal aus dem Elsaß (S. 252). Bei Andreas Schulz u. Günter Wegmann: Die Generale der Waffen-SS und der Polizei. Die militärischen Werdegänge der Generale, sowie der Ärzte, Veterinäre, Intendanten, Richter und Ministerialbeamten im Generalsrang (Deutschlands Generale und Admirale, Bd. 1), Bissendorf 2003, S. 280 heißt es gar »Hampont bei Hudingen«. In einer zwischen 1942 u. 1943 v. Reichsführer-SS veröffentlichten Kurzbiografie wurde Hudingen im Elsaß verortet, vgl. Reichsführer-SS (Hg.): Die Ritterkreuzträger der Waffen-SS, Folge 2, Berlin o.J., BAM B I 59. Auch Tom Segev: Die Soldaten des Bösen. Zur Geschichte der KZ-Kommandanten, Hamburg 1992, S. 135; Stockert: Eichenlaubträger, S. 97 u. Drobisch: Verkörperung, S. 283 verlegen Hampont ins Elsaß. Nach dem Tode Eickes u. den damit verbundenen Nachrufen schrieb das Mühlhauser Tagblatt kons- terniert an den Persönlichen Stab Himmlers, dass es kein Hüdingen im Elsaß gäbe, nur ein Hüningen – und dort sei die Familie Eicke völlig unbekannt, BArch SSO 180 Eicke (original), Bl. 1394. In einem Nachruf auf Eicke in der NSZ Westmark v. 5.3.1943 war von Hueningen im Elsaß die Rede. Eicke selbst verwendete in diversen Lebensläufen sowohl die Namen Hudingen, als auch Hampont, vgl. den handschriftl. Lebenslauf v. 15.3.1937, in: BArch SSO Eicke (Ordner). Diesen Lebenslauf verfasste Eicke auf der Rückseite von Schutzhaftformularen. 2 Vgl. Lebenslauf v. 15.3.1937, in: BArch SSO Eicke (Ordner); Bf.-Entwurf Eickes an Hermann Göring v. 18.5.1933, in Patientenakte, UKW. Nach anderen Schreibweisen »Gittelda«. Die Biogra- fie Theodor Eickes ist in Ansätzen schon vielfach beschrieben worden, s. S. 14-16 der vorliegenden Untersuchung. 3 Vgl. den Ariernachweis v. Eickes Sohn Hermann, (undatiert, 1934/35), BArch RS (ehem. BDC) B 0149, Bl. 2764. Eickes Mutter entstammte einer deutsch-französischen Handwerkerfamilie, die seit mehreren Generationen im Elsaß lebte. 1834 änderte die Familie den Namen von Hennig in Hen- ning, das erklärt, warum sich in diversen Lebensläufen Eickes beide Schreibweisen finden. Schon die Urgroßeltern Theodor Eickes waren in Gittelda im Harz geboren, sein Großvater u. Urgroß- vater waren Tagelöhner. Heinrich Eicke (6.9.1849-13.6.1926), Josefine (12.3.1855-7.11.1935) vgl. Lebenslauf Eickes v. 15.3.1937, BArch SSO 180 Eicke (Mikrofilm), Bl. 1325 u. Ariernachweis Her- mann Eicke BArch RS B 0149. 4 Vgl. den von Eickes Neffen, SS-Oberscharführer Heinz Eicke verfassten Stammbaum der Familie, BArch SSO 181 Eicke (Mikrofilm), Bl. 194. 30 Kapitel I

Geburt 43 Jahre alt, die Mutter 37.5 Er wurde, wie sein Vater protestantisch getauft, seine Mutter war katholisch. Als Protestanten lebten die Eickes im katholisch gepräg- ten Lothringen in der Diaspora. Heinrich Eicke soll 1898 Stationsvorsteher im unte- relsässischen Keskastel geworden sein, er sei dort auch für die Post zuständig gewesen.6 Später sei die Familie nach Wolfskirchen, dann nach Neuweiler umgezogen.7 Bis zum zwölften Lebensjahr besuchte Theodor Eicke die »Volksschule zu Keskastel und vom 12. mit 15. Lebensjahre die Realschule zu Saargemünd«8, die er 1909 ohne Abschluss verließ.9 Zu Eickes schulischen Leistungen liegen keine Quellen vor.10 Eicke selbst erklärte 1933, er habe die Realschule nach fünf Jahren abbrechen müssen, weil sein Vater pensioniert worden sei und daher das Geld für den Schulbesuch nicht mehr ausgereicht habe.11 Anschließend »sei er ein Jahr bei seinem Vater in der Postagentur beschäftigt gewesen.«12 Theodor Eicke bezeichnete seine Herkunft, beziehungsweise Abstammung, mal als lothringisch, mal als niedersächsisch, mal als braunschweigisch. Im biologistischen SS-Jargon vereinte sein Elternhaus »zwei Blutströme«: »Das schwere, beharrliche Wesen des Niedersachsen hat vom Vater her Gestalt und Geist wesentlich bestimmt, von der Mutter her, einer geborenen Elsässerin, ist die sinnfrohe und dem Leben ge- öffnete Heiterkeit als Einschlag ins Blut gegeben worden.«13 Dem israelischen Histo- riker Tom Segev zufolge, der Mitte der 70er Jahre Interviews mit Eickes früherer Haushälterin Amalie Müller sowie seinem Schwiegersohn Karl Leiner führte, erlebte Theodor keine glückliche Kindheit, sondern litt unter den Konflikten zwischen seiner angeblich frankophilen Mutter und dem deutschnationalen Vater.

5 Cornelius v.d. Horst: SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS Theodor Eicke. Ein Le- bensbild. 1. Fassung, BArch NS 31/433, Bl. 10f. behauptet, Eicke sei das elfte von zwölf Kindern gewesen, seine Mutter habe 15 Kinder geboren. Auf S. 8c ist von acht Söhnen, vier Töchtern die Rede, laut Stammbaum der Familie, BArch SSO 181 Eicke (Mikrofilm), Bl. 194 sieben Söhne, vier Töchter. 6 Im heutigen Département Bas-Rhin. 7 Heute: Neuwiller-les-Saverne. So zumindest die illegale Flugschrift »Theodor Eicke. Aus dem Leben eines der größten Sadisten und Mörder aller Zeiten«, StALu SLU 132, die teilweise fehlerhaft, teilw. aber auch sehr präzise ist. Sie ist die einzige Quelle für die angebl. Umzüge. Für den Umzug nach Wolfskirchen spricht, dass Th. Eicke dort 1914 heiratete, vgl. den Ariernachweis v. Hermann Eicke, BArch RS B 0149, Bl. 2764. Eine Tätigkeit Heinrich Eickes in Keskastel bzw. »Käskastel« erwähnt Eickes (häufig unzuverlässige) SS-Biografie, vgl. Lebensbild, BArch NS 31/433, Bl. 11. 8 Lebenslauf Eicke v. 18.12.1919, Personalakten der Stadt-Gemeinde Ilmenau über den Volontärs [sic!] Theodor Eicke, StAIl 400164, Bl. 2. Dieser Lebenslauf ist genauer und, aufgrund der zeitlichen Nähe, von höherem Quellenwert als die geschönten Lebensläufe der 30er Jahre. 9 Lebenslauf vom 15.3.1937, in: BArch SSO Eicke (Ordner). Die Darstellung Sydnors, die Realschu- le habe sich in Hampont befunden, ist falsch. Hampont hat heute um die 200 Einwohner, außerdem lebte die Familie E. dort nicht mehr, vgl. Sydnor: Soldaten des Todes, S. 6. 10 Daher lässt sich das Urteil Sydnors, er sei ein schwacher Schüler gewesen, nicht belegen. Der vor- zeitige Schulabbruch spricht aber dafür, vgl. ebd. 11 So schilderte Eicke dem behandelnden Psychiater im März 1933 in der Würzburger Uni-Klinik seine Jugend. Selbstverständlich sind gerade diese Ausführungen mit entsprechender Quellenkritik zu behandeln, schließlich hätte Eicke ein Motiv gehabt, gegenüber dem Psychiater (der seinen Geisteszustand zu prüfen hatte) einen Schulabbruch zu beschönigen, vgl. Patientenakte, UKW, 24.3.1933. Eickes Vater wurde im Juni 1908 59 Jahre alt, es bleibt fraglich, ob er in diesem Alter schon pensioniert wurde. Heinrich Eicke starb 1926. Im Lebenslauf v. 18.12.1919 werden die Grün- de des Schulabbruchs nicht thematisiert. 12 Heyde in Patientenakte, UKW, 24.3.1933. 13 Lebensbild, BArch NS 31/433, Bl. 10.