Inaugural-Dissertation Zur Erlangung Der Juristischen Doktorwürde In
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„Strafjustiz im Nationalsozialismus bei der Staatsanwaltschaft Ulm und den Gerichten im Landgerichtsbezirk Ulm.“ Inaugural-Dissertation zur Erlangung der juristischen Doktorwürde In dem Fachbereich Rechtswissenschaften der Philipps-Universität zu Marburg vorgelegt von Karl Ulrich Scheib Oberstaatsanwalt a. D. aus Ulm/Donau Marburg 2012 Als Dissertation des Fachbereichs Rechtswissenschaften Angenommen am: 26.01.2012 Berichterstatter: Professor Dr. Dieter Rössner Mitberichterstatter: Professor Dr. Christoph Safferling LL. M. (LSE) Tag der mündlichen Prüfung: 13. Juli 2012 „Druckreif“, einverstanden mit Änderung von Titel und Text. Tübingen, den ………….. Berichterstatter Prof. Dr. Rössner Mitberichterstatter Prof. Dr. Safferling (LL.M. LSE) VORWORT „Wir alle, ob schuldig oder nicht, ob alt oder jung, müssen die Vergangenheit annehmen. Wer sich der Unmenschlichkeit nicht erinnern will, der wird wieder anfällig für neue Ansteckungsgefahren. “ Richard von Weizsäcker 8. Mai 19851 In dem zu 87 % zerstörten Ulm sah man noch Jahrzehnte nach Kriegsende die blutige Spur der Zerstörung, aber ein subjektives Verschulden der Führungs- schicht, auch der die repressiven Gesetze ausführenden Strafjustiz, wurde lange Zeit nicht diskutiert. Dies erschien durch die Sühnen und Haftstrafen in den Ent- nazifizierungsverfahren abgegolten zu sein, weshalb das nationalsozialistische Unrecht in der Öffentlichkeit und der Justiz lange Zeit strafrechtlich unerörtert blieb. Erst mit dem Einsatzgruppen-Prozess vom 28.04.1958 vor dem Landge- richt Ulm – dem seinerzeit größten Strafverfahren in der noch jungen Bundesrepublik - begann die Aufarbeitung dieses Bereiches. Geahndet wurden die Ermordungen von tausenden Juden und Partisanen in Tilsit/Russland nach dem Einmarsch der Wehrmacht durch das „Einsatzkommando Tilsit“. Die Ange- klagten wurden wegen Beihilfe zum Mord an 5. 000 Juden und Bolschewisten bis zu fünfzehn Jahren Zuchthaus verurteilt. Dieses Pilotverfahren rief ein weltweites Echo hervor und führte zur Einrichtung der „zentralen Stelle der Landesjustiz- verwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen mit Sitz in Ludwigsburg“. Das nach Kriegsende in einem englischen Kriegsgefangenenlager wegen Fahnenflucht erlassene und vollstreckte Urteil des früheren Marinerichters Filbin- ger erweckte erneut die Frage nach strafrechtlicher Verantwortung der NS- Strafjuristen. Eine strafrechtliche Verfolgung blieb wegen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – wohl mit zwei Ausnahmen - erfolglos, was von der Öf- 1 Rede zum 40. Jahrestag des Kriegsendes. fentlichkeit als „Selbstamnestierung der Justiz für die von ihr verübten Verbre- chen“ bezeichnet wurde2. Nach meinem Eintritt in die Justiz begegnete ich Richtern, die ihre Strafur- teile in derselben abwertenden Terminologie zu begründen pflegten, wie ich diese später in manchen NS-Akten wieder fand. Über die weitere Fortdauer von vor 35 Jahren verhängte Sicherungsverwahrungen war zu entscheiden, die 35 Jahre zu- vor wegen Lappalien verhängt worden waren. Dies alles drängte zu der Frage, ob die Strafjustiz in Ulm vergleichbar gnadenlose Strafen verhängt hatte wie Volks- gerichtshof und Sondergerichte, oder ob sich einige Juristen gegen das Unrecht gestellt hatten. Eine Ausstellung „Ulmer Justiz 1933-1945“ sprach diesen Bereich ebenfalls an. In meinem Ruhestand befasste ich mich mit diesem Thema, dessen lokaler Bezug mich zusätzlich interessierte. Bei Herrn Prof. Dr. Rössner bedanke ich mich sehr herzlich für seine Be- reitschaft, mir diese Untersuchung im Rahmen einer Promotion zu ermöglichen und seine freundliche, verständnisvolle Unterstützung. Herrn Form, Forschungs- und Dokumentationszentrum für Kriegsverbre- cherprozesse, Philipps-Universität Marburg, bin ich insbesondere dafür dankbar, dass er mit seinem anerkannten Fachwissen auf diesem Gebiet die Erfassung der umfangreichen Daten vorbereitet hat. Anerkennend erwähnen möchte ich auch die stets hilfsbereiten Mitarbeiter des Staatsarchivs Ludwigsburg. Meinem Sohn danke ich für seine technische Unterstützung. Als bedauer- lich empfinde ich nur, dass meine Ehefrau und mein Enkel lange Zeit auf mich verzichten mussten, was ich nunmehr ausgleichen werde. 2 Zu diesem Begriff ist Eduard Dreher zu erwähnen, der in der großen Strafrechtskommission federführend bei der Reform des Einführungsgesetzes zum Ordnungswidrigkeitengesetz (EGOWiG) war, dessen Artikel 1 Nr. 6 mit Wirkung vom ab 1.10.1968 eine Verfolgung von NS-Mordgehilfen ohne persönliche Mordmotive fortan wegen Verjährung ausschloss. Dreher war Erster Staatsanwalt beim Sondergericht Innsbruck. (Klee, S. 118). Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung ............................................................................................ 9 1.1 Allgemeines ........................................................................................ 9 1.2 Juristen und Rechtsordnungen im Systemwandel ................................... 10 1.3 Gegenstand der Arbeit ........................................................................ 13 2. Quellenlage ...................................................................................... 16 2.1 Allgemeines ...................................................................................... 16 2.2 Verfahrensakten ................................................................................ 17 2.2.1 Staatsarchiv Ludwigsburg ................................................................ 17 2.2.2 Staatsarchiv Sigmaringen ................................................................ 19 2.3 Personalakten ................................................................................... 19 2.3.1 Staatsarchiv Ludwigsburg ................................................................ 20 2.3.2 Hauptstaatsarchiv Stuttgart.............................................................. 20 2.3.3 Justizministerium Stuttgart .............................................................. 20 2.4. Ersatzakten ...................................................................................... 21 2.4.1 Spruchkammerakten ....................................................................... 21 2.4.2 Wiedergutmachungsakten ................................................................ 21 2.4.3 Gefangenenbücher ......................................................................... 21 2.5 Sonstige Archive .............................................................................. 22 2.5.1 Bundesarchiv Berlin ......................................................................... 22 2.5.2 Stadtarchiv Ulm .............................................................................. 23 3 Einflussnahme im Dritten Reich auf die Justiz ................................... 23 3.1 Allgemeines ...................................................................................... 23 3.1.1 Ausgangslage der Justiz in der Weimarer Republik .............................. 24 3.1.2. Nationalsozialistische Lenkung der Justiz ........................................... 25 3.1.2.1 Personalpolitik ............................................................................. 26 3.1.2.2 Unbeschränkte Macht zur Normgebung ........................................... 29 3.1.2.3 Direkte Lenkungsmaßnahmen ........................................................ 31 3.1.2.4 Mittelbare Einwirkungen ................................................................ 33 3.1.2.5 Direkte Urteilskorrekturen ............................................................. 34 3.1.3 Umsetzung der Maßnahmen in der Alltagpraxis ................................... 35 4. Die Staatsanwaltschaft ..................................................................... 37 4.1 Allgemeines ...................................................................................... 37 1 4.2 Entwicklung der Verfahrenseingänge und Gründe für Änderungen ........... 41 4.2.1 Entwicklung der Verfahrenseingänge ................................................ 42 4.2.2 Gründe für die Veränderungen ......................................................... 43 4.3 Arten der Verfahrenserledigungen ...................................................... 47 4.3.1 Allgemeines .................................................................................... 48 4.3.2 Erledigungen ohne Gericht .............................................................. 49 4.3.2.1 Einstellungen wegen fehlenden Tatverdachts ................................... 52 4.3.2.2 Erledigungen durch Abgaben ......................................................... 53 4.3.2.3 Einstellung wegen geringen Verschuldens u.a. ................................. 58 4.3.2.4 Erledigungen zum Gericht mit Anklagen und Strafbefehlen ................ 59 4.3.3 Zusammenfassung: ........................................................................ 64 4.4 Die Staatsanwaltschaft–Einfallstor zur Beeinflussung politischer Verfahren 65 4.4.1 Allgemeines .................................................................................... 65 4.4.2 Quellenlage und Anfall politischer Verfahren ...................................... 67 4.4.3 Erledigungsarten nach erhaltenem Aktenbestand ............................... 68 4.4.3.1 Allgemeines ................................................................................. 68 4.4.3.2 Verfahrenseinstellungen bei NS-Sympathisanten bzw. NS-Kritikern .... 68 4.4.3.3 Einstellungen wegen unzureichenden Anfangsverdachts .................... 70 4.4.3.4 Einstellung wegen geringen Verschuldens ........................................ 70