Lebensverhältnisse Gestern Und Heute
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Gemeindeblatt Ausgabe 2, April 2021 | www.schmerikon.ch Lebensverhältnisse gestern und heute Die Auswirkungen von Bevölkerungswachstum und Pandemien heutzutage hohen Lebensstandard Anlass geben, auf das Wohlergehen der Menschen in verschiedenen Jahrhun- diesen zu estimieren und dann und wann zu über- denken. derten weisen Gegensätze und Parallelitäten auf. Missernten, Krieg und Hungersnot 1744 zählte Schmerikon 388 Einwohnerinnen und Brot und Brennholz Einwohner. Hundert Jahre später waren es bereits Hans-Peter Keller-Peyer beleuchtet vergangene 988. Die landwirtschaftlich nutzbare Bodenfläche Jahrhunderte blieb unverändert. Im gewerblichen Bereich er- gaben sich damals wenig Verdienstmöglichkeiten. Bevölkerungswachstum, Hungersnot, Missernten Aus Quellentexten ist zu entnehmen, dass die und die Besetzung durch fremde Armeen trugen Bevölkerung von Missernten geplagt wurde. Der zur Armut im 18. und 19. Jahrhundert bei. Die Durchmarsch von französischen, russischen und Auswirkungen waren bis über den Zweiten Welt- österreichischen Truppen, verbunden mit Raub krieg hinaus zu verspüren. Eine Wende ergab sich und Ausbeutung, traf die Bevölkerung um 1800 dank verstärkter Industrialisierung im 20. Jahr- stark. Besonders in höher gelegenen Gebieten der hundert. Ostschweiz grassierte eine arge Hungersnot. Zur Propagierung der Vernissage des Buches «Ge- «Hungernde sammelten Kartoffel- und Rüben- schichte der Gemeinde Schmerikon» hat Mitautor schalen, vermischten diese mit Heu, Heublumen, Hanspeter Keller-Müller, ehemaliger Schmerkner Kleie oder ‹Grüsch› und kochten zusammen mit Sekundarlehrer, im November 2000 einen bemer- Schwarzmehl und zerriebener Baumrinde Suppe.» kenswerten Vortrag gehalten. Aufgrund seiner umfassenden Recherchen gab er Einblick in die Le- Seuchen bensverhältnisse in Schmerikon während der ver- In den nämlichen Jahren starben viele geschwächte gangenen rund 300 Jahre. Die nachstehend aus- Menschen an Typhus und Pocken. Die Todesrate zugsweise wiedergegebenen Ausführungen sind war fast doppelt so hoch wie in normalen Jahren. insofern von Interesse, als sie im Vergleich zum Die Schmerkner Genossengemeinde bemühte 1912: Dorfplatz mit Brunnen sich, die Notleidenden nach Kräften zu unterstüt- und 100 Frauen auch 240 Kinder und eröffnete zu zen. An die Armen seien Erdäpfel, Reis und Geld deren Unterrichtung eine Fabrikschule. Die hohen abgegeben worden. Die Empfänger wurden ab- Sozialausgaben der Gemeinschaft schmälerten schätzig als «Gemeindefresser» verunglimpft. den Genossennutzen. Arme Leute waren nicht gerne gesehen. Kinderarbeit Dass die Kinder in den Broterwerb eingespannt Liebessteuer, Wegweisung, Auswanderung wurden, ist bekannt. Dass diese deswegen den Um die Bevölkerungsentwicklung einzudämmen, Schulbesuch versäumten auch. Die Spinnerei am die Sozialausgaben in Grenzen zu halten und den Postkarte von 1916 Uznaberg beschäftigte 1845 neben 80 Männern Ertrag des Landes für alle ausreichen zu lassen, er- 2 Gemeindeblatt Gemeindehaus-Splitter griffen unsere Vorfahren aus heutiger Sicht recht Liebe Schmerknerinnen und Schmerkner drakonische Massnahmen. Mit einer Heiratstaxe wurden mittellose Leute von einer Heirat abge- Auf dem Umweg über die Urne haben die Stimm- halten. Bei Fehlverhalten irgendwelcher Art wur- berechtigten am 11. April 2021 den Anträgen zu- den Familien aus der Gemeinde weggewiesen. gestimmt, die Gegenstand der ordentlichen Bür- Die Auswanderung vor allem nach Amerika gerversammlung gewesen wären. Sie haben die wurde angeboten und finanziell unterstützt. Das Jahresrechnung 2020 und das Budget 2021 ge- «St. Galler Volksblatt» berichtete 1880: «Nachdem nehmigt sowie einer Strassenbau- und Kanali- im Laufe der letzten Jahre über 70 Personen von sationsvorlage mit deutlichem Mehr zuge- hier nach Amerika auswanderten, sind wiederum stimmt. Ich bedanke mich im Namen des Ge- sieben junge Männer dorthin abgereist. Es wird meinderats, der Mitarbeitenden der Gemeindeverwaltung, nun drüben über dem grossen Bach bald eine extra des Hallenbads und des Werkdienstes sowie aller Lehrpersonen Kolonie geben, Neuschmerikonesien genannt.» und der übrigen schulischen Mitarbeitenden für das entgegen- gebrachte Vertrauen. Diese Zustimmung darf nicht als selbst- Obst- und Holzfrevel verständlich angenommen werden, denn letztendlich ist dieser In den Ratsprotokollen des 19. Jahrhunderts fällt Akt der Bürgerschaft in direktdemokratischen Strukturen mit der gemäss den Ausführungen von Hanspeter Keller- Zustimmung der Legislative in einer parlamentarischen Demo- Müller auf, wie häufig sich die Behörden mit Obst- kratie gleichzusetzen. Sie bedeutet gleichermassen Decharge und Holzfrevel zu befassen hatten. Dies sei ein und Anerkennung, die Arbeit im Sinne der Auftraggeberinnen deutliches Zeichen dafür, dass viele Einwohnerin- und Auftraggeber erbracht zu haben. nen und Einwohner kaum über das Nötigste zum Lügen haben bekanntlich kurze Beine. Am Vortag der Abstim- Leben verfügt haben. Die Ratsprotokolle berich- mung äusserte ich mich in der Presse dahingehend, dass die ten von verhängten Geldstrafen, wenn Einwoh- Legitimation einer Urnenabstimmung aufgrund der deutlich nerinnen und Einwohner beim Sammeln von dür- höheren Teilnahme im Vergleich mit der Bürgerversammlung ren Ästen, Laub oder sogar Moos ertappt wurden. eine höhere Legitimation aufweise. Gänzlich falsch war diese Aussage nicht. Mit lediglich 23.5% Stimmberechtigten, die sich Armut, Weltkriege und Wirtschaftskrise durch die drei Vorlagen zum Gang zum Gemeindehaus-Brief- Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Armut un- kasten motiviert fühlten, wurde meine Aussage, dass sich jeweils vermindert. Zahlreiche Belege berichten über 30 bis 40% an die Urne begeben, als äusserst kühn gestraft. Dies arme Familien, die in einem Fall über kein einziges sind jedoch immer noch deutlich mehr als die jeweils rund 5% Bett verfügten. Not brachten auch die beiden an Bürgerversammlungen. Weltkriege. Die Männer weilten monatelang im Bestätigt hingegen wurde meine Aussage, dass durch das feh- Militärdienst. Während der Weltwirtschaftskrise lende Stimmgeheimnis, die Bürgerversammlung kritische Hal- verdreifachten sich die Gemeindebeiträge zur Ar- tungen eher behindert. Das Budget wurde an der Urne immerhin beitslosenunterstützung allein von 1933 bis 1935. durch jede siebte abstimmende Person abgelehnt. Nun Bedarf Im November 1935 zählte Schmerikon 30 ausge- es zahlreiche Kaffeetassen, um aus dem Kaffeesatz die Hinter- steuerte Arbeitslose. Diese wurde in Arbeitsbe- gründe für die Ablehnung zu erforschen. Aber vielleicht gilt auch schaffungsprogramme einbezogen und erstellten hier die Weisheit, das Glas halbvoll und nicht halbleer zu sehen. Ich wünsche nun uns allen, dass sich der Frühling über uns ergiessen und der Lebensfreude Vorschub leisten möge. Inhalt Aus dem Gemeinderat 6 Mit herzlichem Gruss aus dem Gemeindehaus Aus dem Einwohneramt 13 Aus der Finanzverwaltung 14 Aus der Wasserversorgung 16 Allgemeines und Wissenswertes 18 Aus der Feuerwehr Uznach-Schmerikon 20 Félix Brunschwiler | Gemeindepräsident Aus dem Bereich Kultur 21 Aus der Kantonspolizei: Sicherheitsberatung 22 Aus dem Kanton St. Gallen 24 Aus der Schule 25 Aus der Rubrik Gesellschaft und Religion 30 Jubilare/Hochzeit 31 Handänderungen in der Gemeinde 32 Aus dem Grundbuchamt 33 Erteilte Baubewilligungen 34 Veranstaltungen Mai & Juni 2021 35 Gemeindeblatt 3 Dorfansicht 1920 den Strandweg bis zur projektierten Badeanstalt. zufällig als geplant, gleichzeitig zahlreiche Neu- Sie erweiterten ebenso das Hydrantennetz im Ge- überbauungen an den Markt. Demgegenüber ist biet Kanzel. die Geburtenrate ziemlich konstant. Schmerikon ist in den letzten 20 Jahren mit Bevölkerungsentwicklung im 20. Jahrhundert rund 1% pro Jahr im Gleichschritt mit der gesam- Ein starkes Wachstum verzeichnete die Gemeinde ten Schweiz gewachsen. Das Besondere daran ist, von 1950 bis 2000 mit einer Steigerung der Ein- dass dies ganz im Sinn der heutigen Raumplanung wohnerzahl auf 3220 Personen. Heute zählt weitestgehend durch Bebauung leerstehender Schmerikon 3971 Einwohnerinnen und Einwohner. Grundstücke und durch Innenverdichtung, ohne Vergrösserung der Bauzonen erfolgte. Ein solches Wachstum ist nachhaltig, ohne dass dadurch Wohlstand und Wachstum «Dichtestress» entsteht. Schmerikon ist noch mei- Félix Brunschwiler beleuchtet die aktuelle Entwick- lenweit von städtischen Dichten entfernt. lung Standortfaktoren nur bedingt lokal Bevölkerungswachstum geht im 21. Jahrhundert beeinflussbar nicht mit Armut einher. Trotz medizinischer Fort- Es verhält sich wie schon seit jeher so: der Beitrag schritte sind jedoch auch wir nicht vor Pandemien der lokalen Behörden ist bestenfalls «good gover- gefeit. nance». Das allgemeine Wohlergehen ist jedoch Schmerikon ist 2020 die Gemeinde im Kanton weitestgehend von externen Faktoren abhängig. St. Gallen mit dem grössten Bevölkerungs-Wachs- Die heutigen positiven Standortfaktoren sind tum (+ 5.4%, + 205 Personen). Dies darf als erfreu- naturgegeben oder werden vor allem extern be- licher Ausdruck einer attraktiven Wohngemeinde einflusst: die Lage eingebettet in eine wunder- verstanden werden. Die hohen Besucherfrequen- schöne Landschaft, die Nähe zu Zürich, die Anbin- zen in den letzten Monaten haben die Qualitäten dung an das übergeordnete Strassen- und Schie- Impressum Schmerikons als Naherholungsgebiet bestätigt. nennetz und allem voran die konjunkturelle Herausgeberin Gemeinde Schmerikon Insofern liegt Schmerikon im Trend: «Leben, wo Entwicklung der Schweiz und Europas. Redaktion andere sich erholen». Claudio