H-01: Bern-Entsorgt: Ein Rundgang Durch Den Stadtorganismus
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H-01: Bern-entsorgt: Ein Rundgang durch den Stadtorganismus 1Armand Baeriswyl, 2Nicole Mathys, 2Regula Nussbaum 1Erziehungsdirektion des Kantons Bern, Amt für Kultur / Archäologischer Dienst 2StadtLand Bern, Sulgenbachstrasse 10, 3007 Bern Einleitung schlossen werden können (Topographie, Kos- ten). Dort sind Entwässerungsmöglichkeiten wie, Der Umgang mit Abfall und Reststoffen bleibt abflusslose Gruben oder mechanisch-biologische auch nach der Umsetzung effektiver Vermei- Kleinkläranlagen installiert (Quelle: https://www. dungsstrategien eine Herausforderung für Städte bve.be.ch). und Kommunen. Historisches Abwassermanagement Vom Ehgraben zur Abwasserreinigungsanlage (Entnommen aus: „Berns kluges Wassermanage- (ARA), vom Wochenmarkt zum Warenhaus: Die- ment“ Barbara Büttner und Armand Baeriswyl, ser Rundgang erzählt Geschichten rund um Um- Mittelalterarchäologe beim Archäologischen welt- und Ressourcenaspekte, den Konflikt zwi- Dienst des Kantons Bern und Privatdozent an der schen Verbrennung und Recycling, Reststoffver- Universität Bern. Journal B, 14. März 2014) meidung, Abwasser und Trinkwasser, Klär- schlamm, Nahrung, Sauberkeit und Licht aus der Stadtbach und Brunnen zur Trinkwasserver- Geschichte und Gegenwart Berns. Ein Rundgang sorgung durch den Stadtorganismus, der mit den Kli- Als die Zähringer vor über 800 Jahren die Stadt schees vom finsteren Mittelalter und von der sau- Bern gegründet haben, richteten sie ein besonde- beren City der Gegenwart aufräumt. res Augenmerk auf die Wasserversorgung. Ihr Wir berichten, warum der Stadtbach unter den durchdachtes System der Zu- und Abflüsse war Boden musste und wie die hygienische Revolu- für die Entwicklung der Stadt von grosser Bedeu- tion die Stadt eroberte. Was es auf dem Jahr- tung. Vieles davon ist heute noch in Gebrauch. markt zu sehen gibt und weshalb das Gaswerk an Das heutige Wasserversorgungs- und Kanalsys- der Aare liegt. tem in der unteren Altstadt von Bern ist die Wei- Entsorgung, Recycling und Abwasser Stadt terentwicklung des Wasserkonzepts der Stadt- Bern gründer und funktioniert vom Prinzip her noch wie vor über 800 Jahren. Jedes Jahr sammelt die Stadt Bern über 33'000 Tonnen Abfälle aus Haushaltungen, Gewerbe Unter den Granitplatten der Altstadt fliesst der und Industrie und führt über 25'000 Tonnen Ma- Stadtbach. Dieser Bach druchfliesst die Stadt terial wie Altpapier und Grüngut in Separat- und schon seit ihrer Gründung, wie die Grabungen bei Sondersammlungen ab. Auf den Entsorgungshö- der Sanierung der Kram- und Gerechtigkeits- fen werden jährlich 12'000 Tonnen Abfallgüter al- gasse 2004/5 gezeigt haben. Der Bach hat die ler Art entgegengenommen. An rund 45 Standor- Stadt über Jahrhunderte hinweg sauber gehalten ten werden Quartierentsorgungsstellen sowie hat, weil sein Brauchwasser auch die Ehgräben Glas- und Büchsencontainer betrieben (Quelle: durchspült und Abfälle und Abwasser in die Aare https://www.bern.ch/politik-und-verwaltung/stadt- schwemmt. Darüber hinaus liefert der Bach, das verwaltung). Löschwasser für die Stadtfeuerwehr. Abwassertechnisch ist der Kanton Bern gut er- Seit 800 Jahren ist der Stadtbach die Hauptader schlossen. Rund 98% der Bevölkerung sind an der bernischen Wasserversorgung. Die zähringi- die Kanalisation/ARA angeschlossen. Trotz die- schen Stadtgründer führen ihn von Anfang an sem hohen Anschlussgrad gibt es jedoch im länd- ganz bewusst und mit grossem Aufwand in die lichen Raum des Kantons Gebiete, die nicht er- Stadt: Hergeleitet in einer künstlichen Rinne aus dem Wangental im Westen weit vor der Stadt, 210 überwindet er über hölzerne Brücken und Aquä- Zunächst lieferten grundwassergespeiste Sod- dukte die drei natürlichen Gräben der Stadt beim brunnen das Trinkwasser für die Stadt. Der Stett- ehemaligen Christoffelturm, beim Käfigturm und brunnen unterhalb der Brunngasse etwa oder der beim Zytglogge. Durch die Hauptgasse und die später in einen Keller umgewandelte Lenbrunnen angrenzenden Längsgassen der Altstadt fliesst in der Postgasse (Abb. 2). Doch weil die junge der Stadtbach abwärts. Die Zähringer hatten die Stadt Bern immer mehr Zuwanderer anzieht, wird Aarehalbinsel eben nicht nur aus strategischen die Wasserversorgung schon bald prekär. und verteidigungstechnischen Gründen für ihre Stadtgründung gewählt, sondern auch erkannt, wie ideal das natürliche Gefälle für die Wasser- ver- und -entsorgung ist: Die Neigung vereinfacht den Zu- und Abfluss des Wassers. Der Stadtbach hat nie die Brunnen gespeist, son- dern nur ihr überschüssiges Wasser aufgenom- men und abgeleitet. Der Bach liefert Brauchwas- ser, und fliesst noch bis ins späte 19. Jahrhundert in offenen Rinnen durch die Mitte der Altstadtgas- sen. Sein Wasser ist zum Trinken ungeeignet, da- rum wird das Trinkwasser separat geliefert. Diese frühe Trennung von Brauch- und Trinkwasser ist ein Schlüssel zum Erfolg des Berner Wasserver- sorgungssystems (Abb. 1). Abb. 2: Im Untergrund des Lenbrunnens unter der heutigen Staatskanzlei. Um 1252 als dreigeschossiger Turm erbaut war er einer der ältesten Sodbrunnen der Stadt. (Foto aus: Berns kluges Wassermanagement, Journal B, 14. März 2014, Barbara Büttner) Nach dem Hitzesommer von 1395 reicht das Grundwasser definitiv nicht mehr aus. Die Berner müssen ihr Brunnensystem umstellen: Neue höl- zerne Röhrenbrunnen, aus denen stetig Wasser fliesst, werden gebaut. Ihr Wasser kommt erst- mals aus Quellen ausserhalb der Stadt, herange- führt wird es in geschlossenen Rohrleitungen, so- genannten Teuchelleitungen: Miteinander ver- bundene Holzstämme, die mit sogenannten Löf- felbohrern nach dem Korkenzieherprinzip ausge- höhlt werden. 1585 gelingt es zum ersten Mal, Wasser aus einer tiefer gelegenen Quelle mittels eines mechanischen Pumpwerks in die Stadt zu leiten. Insgesamt fünf Frischwasserleitungen stel- len jetzt die Trinkwasserversorgung bis ins 19. Abb. 1: Die Granitplatten in der Brunngasse decken eine Jahrhundert sicher. Entwässerungsrinne für Strassen- und Dachabwässer. Das städtische Tiefbauamt spült diese Rinne noch heute regel- mässig mit Stadtbachwasser durch. (Foto aus: Berns kluges Wassermanagement, Journal B, 14. März 2014, Barbara Büttner) 211 Ehgraben Schlamm- und Fäkalienrückhaltesystem Im Stadtbach durften keine Abfälle entsorgt wer- Bevor Stadtbach und Ehgräbeninhalte in die Aare den, denn der Stadtbach war ein Brauchwasser- münden, am heutigen Längmauerweg, stellte die und kein Abwasserkanal. Er diente zum Spülen Stadt bereits im Mittelalter einen grossen des Ehgrabens. Nur in die offenen Ehgräben durf- Schlammsammler auf. Er hielt organische Fest- ten Abfälle geworfen werden. Und auch nur orga- stoffe zurück, damals allerdings noch nicht, um nische Abfälle, keine Gegenstände. Denn die hät- den Fluss vor Wasserverschmutzung zu bewah- ten die Gräben verstopfen und das Wasserablei- ren. Die Fäkalien wurde aufgefangen, um Dünger tungssystem zum Erliegen bringen können. Die für die Felder zu liefern. Der Verkauf brachte der bewässerten Ehgräben sind, neben der getrenn- Stadt gutes Geld ein. ten Zufuhr von Trink- und Brauchwasser, der Modernes Abwassersystem der Stadt Bern zweite Pfeiler der wohldurchdachten mittelalterli- chen Wasserinfrastruktur Berns (Abb. 3). Gleich- Mit dem Bau der Abwasserreinigungsanlage zeitig markieren die Ehgräben in Bern den Grund- Neubrück, an die heute insgesamt zehn Gemein- besitz, also die Grenze zwischen Häusern und den angeschlossen sind, wurde bis 1972 der Parzellen. Der Ehgraben ist Eigentum der Haus- erste Ausbau der modernen Abwasseranlagen besitzer. Sie zahlen für Unterhalt und Reinigung. der Gemeinde Bern vollendet. Zu diesen Abwas- Nicht die Stadt. Für die Beschaffenheit dieser zu- seranlagen gehören auch Spezialanlagen wie nächst mit Holz, später dann mit Stein ausgeklei- Abwasserpumpwerke, Regenbecken, Niveau- deten Abwasser-Rinne gibt es im Prinzip nur eine messstellen, Regenmessstationen, Regulier- und Vorschrift: Ein einjähriges Schwein muss sich be- Entlastungsschützen und die Rechenanlagen. quem im Ehgraben drehen können. Doch nicht Die Gesamtlänge der öffentlichen Kanalisation nur Hof-, Haus- und Küchenabfälle landen im Eh- auf dem Gebiet der Gemeinde Bern beträgt heute graben, sondern auch die Fäkalien. Damit der rund 320 km. Der Kanalnetzbetrieb unterhält eine Dreck nicht aus den Ehgräben quillt, werden sie Infrastruktur im Wert von 1 Milliarde Franken. regelmässig mit Stadtbachwasser durchgespült. Die ARA Region Bern AG Inzwischen ist der Ehgraben natürlich überall in (Entnommen aus: https://www.klimaplattform.ch/ der Altstadt – längst nicht mehr offen. Weniger partnerunternehmen/alle/partner_detail/show/ der Gerüche wegen werden die Ehgräben bereits ara-region-bern-ag.html) seit dem späten Mittelalter überwölbt, sondern um mehr Platz zu erhalten. Im 16./17. Jahrhun- Die ara region bern ag (arabern) entstand 1996 dert werden auch die bis dahin offenen Zwischen- aus der Abwasserreinigungsanlage Bern-Neu- gässchen überdeckt, um mehr Wohnraum zu brück. Sie reinigt heute das Abwasser von zehn schaffen (Abb. 3). Aktionärsgemeinden sowie von zwei Dienstleis- tungsnehmergemeinden. In der arabern fliesst Abwasser aus über 240'000 Haushalten sowie aus den Industrie- und Gewerbebetrieben im Ein- zugsgebiet zusammen. Täglich werden rund 100 Millionen Liter Abwasser soweit gereinigt, dass sie ohne Vorbehalte in die Aare zurückfliessen können. Die Abwasserreinigungsanlage ist die grösste im Kanton Bern und gehört zu den bedeu- tendsten in der Schweiz. In der arabern entsteht aus Industrie-, Speiseab- fällen und Klärschlamm Biogas. Dieses wird auf der arabern mittels