Betriebsbeauftragter Eines Beckensystems Von Werner Zacharides
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46 Fachbeiträge 2. Erfahrungsaustausch 1997 Betriebsbeauftragter eines Beckensystems von Werner Zacharides Sucht man im Duden nach der Erklärung für den Begriff „System“, so wird man belehrt, daß ein System ein aus mehreren Teilen zusammengesetztes und gegliedertes Ganzes ist. Wissenschaftlich heißt dieses “eine Einheit aus technischen Anlagen, Bauelementen, die eine gemeinsame Funktion haben“. Das paßt schon besser zusammen: Eine Einheit aus mehreren Stauanlagen, die den Hochwasserschutz gewährleisten sollen. Die Definition für den Betriebsbeauftragten lautet: Der Betriebs- beauftragte ist der bestellte Sachverständige vom Betreiber, der den Betrieb der Stauanlage auf der Grund- lage einer Betriebsvorschrift in enger Abstimmung mit dem Stauwärter verantwortlich leitet. 1. Vorstellung des Wasserverbandes Sulm gebundenen Arbeitsplätze im Unterland nicht dem Hochwasser opfern. Mitglieder des Wasserverban- Der Wasserverband Sulm wurde 1973 als Folge des des sind sämtliche Sulmtalkommunen und der Land- gewaltigen Sulmhochwassers vom Februar 1970, kreis Heilbronn. Zur Zeit beschäftigt der Wasserver- das allein im Neckarsulmer AUDI-Werk Schäden in band Sulm drei hauptamtliche Stauwärter für sieben Millionenhöhe verursacht hat, gegründet. Schlimmer Stauanlagen mit insgesamt 3,4 Mio. m 3 Hochwas- Abb.1: Oberirdisches Einzugsgebiet der Sulm noch als die Schäden war jedoch die Überlegung der serstauraum. Außerdem ist ein hydrologisches Meß- Ingolstädter Werksleitung, den hochwassergefähr- netz, bestehend aus sieben Niederschlagsschreibern deten Standort Neckarsulm aufzugeben. Da war Eile und sechs Abflußpegeln zu betreuen. geboten, wollte man die insgesamt 10.000 standort- Berichtsband 2. Erfahrungsaustausch HRB, WBW Fortbildungsgesellschaft, Heidelberg 1997 47 Fachbeiträge 2. Erfahrungsaustausch 1997 2. Hochwasserschutzkonzeption Sulmtales ist die Sulmdole in Neckarsulm. Wie der Name der AUDI-Stadt schon verrät, mündet hier die Aufgabe des Wasserverbandes Sulm ist die Hochwas- Sulm in den Neckar. Nach dem Hochwasser von 1970 serfreilegung der im Zusammenhang bebauten Gebie- wurde die Sulm 1975 im Stadtbereich auf einer Länge te des Sulmtales mit dem Schwerpunkt Neckarsulm von ca. 2,5 km verdolt und oberhalb des Doleneinlaufs (Abb. 1). Das 1978 erstellte hydrologische Gutachten ein Hochwasserrückhaltebecken (HRB) mit einem Abb. 2: Schematischer Längsschnitt des Ableitungssystems der Sulm des IHW der Universität Karlsruhe wurde 1996 überar- Hochwasserstauraum von rund 1 Mio. m 3 gebaut (Abb. beitet und um eine hydraulische Wirksamkeitsunter- 2). Der Auslauf des HRB und der Einlauf der Sulmdole suchung erweitert. Die sogenannte Achillesferse des sind durch ein trapezförmiges Freispiegelgerinne ver- * in Abhängigkeit vom Einstau ** in Abhängigkeit von der Leistungsfähigkeit der Sulmdole *** Angabe in Klammer bei Ausbauzustand 12 HRB Tabelle 1: Stauanlagen des Wasserverbandes Sulm Berichtsband 2. Erfahrungsaustausch HRB, WBW Fortbildungsgesellschaft, Heidelberg 1997 48 Fachbeiträge 2. Erfahrungsaustausch 1997 bunden. Die Leistungsfähigkeit dieses hydraulischen QR = 20 bis 13 m 3/s (in Abhängigkeit vom Ausbauzu- Systems wird durch den Wasserstand im Altneckar stand), Erlenbach QR = 0,2 bis 0,8 m 3/s, Neckarsulm bestimmt. Durch Rückstau in die Sulmdole wird die QR = 36 bis 17 cbm/s in Abhängigkeit von der Lei- Abflußleistung je nach Wasserstand im Neckar um stungsfähigkeit der Sulmdole (Tabelle 1). Aus dieser bis zu 50% vermindert. Das aus dem Gesamteinzugs- Aufzählung wird der Schwerpunkt des Einsatzes des gebiet von rund 120 km 2 abfließende Hochwasser mit Betriebsbeauftragten und Stauwärters bereits er- der Wiederkehrzeit 100 muß vom Beckensystem zu- kennbar. Es sind die beiden Schlüsselbecken! Nach- rückgehalten bzw. so reduziert werden, daß es von der dem das Tiefbauamt der Stadt Neckarsulm im Hoch- Sulmdole schadlos in den Altneckar abgeleitet werden wasserfall die Steuerung des Beckens Neckarsulm in kann. Dafür sind insgesamt 12 HRB mit einem Ge- enger Abstimmung mit dem Betriebsbeauftragten Abb. 3: Blindschaltbild samtstauraum von 4,4 Mio. m 3 erforderlich. Beckens- übernimmt, bleibt noch das Becken Weißenhof. Fol- tandorte und Ausbaureihenfolge wurden durch das hy- gerichtig wurde die Steuerzentrale, d. h. der Punkt, drologische Gutachten vorgegeben. Ein auf Landes- wo sämtliche Informationen zusammenlaufen, in das und Bundesebene gleichermaßen rekordverdächtiges Betriebsgebäude des HRB Weißenhof verlegt. Auf hydrologisches Sondermeßnetz, bestehend aus 18 den ersten Blick eine unkomplizierte Angelegenheit, Niederschlagsmeßstationen und 16 Abflußpegeln, wären da nicht die Trockenbecken, die mit dem er- sorgte für die detaillierte Erfassung der Niederschlag- sten Hochwasserschwall tonnenweise Geschwemm- Abfluß-V erhältnisse im Einzugsgebiet der Sulm. sel angeliefert bekommen. Da kann es leicht vor- kommen, daß entgegen der Steuerkonzeption und Die Steuerstrategie sieht eine Kombination aus Bek- der Betriebsvorschrift ein Regelabfluß Null eintritt, ken mit konstantem Regelabfluß und Becken mit ge- weil der Rechen vor dem Grundablaß total versetzt steuertem Abfluß vor. Nach dem letztgenannten Sy- ist. Hier ist zunächst der Stauwärter und dann der stem werden die beiden Schlüsselbecken am Unter- Betriebsbeauftragte gefordert. lauf der Sulm, Weißenhof und Neckarsulm, mit insge- samt 1,7 Mio. m 3 Hochwasserstauraum, d. h. knapp 3. Ausrüstung des Wasserverbandes mit Meß-, 40 % des gesamten erforderlichen Stauraums im Ein- Regel- und Steuertechnik und Nachrüstung zugsgebiet gesteuert. mit Datenerfassung und - fernübertragung Im einzelnen werden die bestehenden HRB von der Das erste Becken des Wasserverbandes Sulm, Nek- Quelle bis zur Mündung wie folgt gesteuert: Breitenau/ karsulm, wurde 1971, das bislang letzte, Ellbach, Nonnenbach QR = 0, Wilhelmsbach QR = 0,2 bis 0,8 1997 in Betrieb genommen. In den dazwischen liegen- 3m/s, Ellbach QR = 2,0 m 3/s, Weißenhof den 26 Jahren hat die Technik im allgemeinen und die Berichtsband 2. Erfahrungsaustausch HRB, WBW Fortbildungsgesellschaft, Heidelberg 1997 49 Fachbeiträge 2. Erfahrungsaustausch 1997 Meß-, Regel- und Steuertechnik sowie die Datenerfas- Weiterhin wird die Hochwasserentwicklung des Nek- sung und -fernübertragung im besonderen riesige Fort- kars benötigt, um abschätzen zu können, wie sich die schritte gemacht. Während man im Falle der neuen Entwässerung der kleinen Einzugsgebiete im Ver- Becken agiert, d. h. die neueste Technik anwendet, so gleich zu der des Neckars verhält. muß man gleichermaßen im Falle der älteren Becken reagieren d. h. die Becken entsprechend nachrüsten. Für die Beantwortung der ersten Frage wird der Be- triebsbeauftragte die Hochwasservorhersagezentra- Das in Abb. 3 gezeigte sogenannte Blindschaltbild war le (HVZ) mit ihrem Niederschlagsprognosepro- bei der Einweihung des HRB Breitenau 1980 der letzte gramm zu Rate ziehen. Wenn Komplikationen auf- Schrei der Technik. Heute wird das großflächige Blind- treten, wird er Herrn Dr. Homagk oder die Fachleute schaltbild (Abmessungen 1,5 m Ÿ 1,2 m) von einem vom Deutschen Wetterdienst (DWD) anrufen. Die 15“- Bildschirm verdrängt (anliegende Anlage 1). Man Neckarentwicklung wird über das Internet im HVZ- kann zwar nicht pauschal behaupten, daß früher alles Programm abgefragt. Anhand dieser Daten wird er schlechter war, aber mit der heutigen Datenerfassung, die richtige Entscheidung treffen müssen, so daß die Datenvisualisierung und Datenfernübertragung ist dies Sulmtäler trockene Füße behalten. eine prima Sache. Vorausgesetzt, der Computer stürzt nicht ab! 5. Probleme und Zusammenfassung Konzept und Aufbau der Datenerfassungstechnik so- Aus Erfahrung wissen Insider, daß Hochwässer die wie der Datenfernübertragung wird in anliegender schlechte Angewohnheit haben, an Sonn- oder Fei- Anlage 2 verdeutlicht. Was die Systemdarstellung ertagen und dazu noch nachts zu kommen. Wenn nicht zeigt, sind die vielfältigen Plausibilitätsquerver- dazu noch der eine oder andere Stauwärter oder Be- bindungen zwischen den Datenlieferanten. Ein Wert triebsbeauftragte krankheitsbedingt ausfällt, kann es oder eine Information wird mehrfach und auf ver- in solchen Situationen eng werden. Ruf- und Dienst- schiedenen Wegen auf ihre Richtigkeit geprüft. Ganz bereitschaft sind Grundvoraussetzung für den zeit- anders als die bisherige Technik! Beim Abhören des nahen Einsatz des Betriebsbeauftragten. Ein Anrufbeantworters „Hier ist der automatische Anruf- Schichtplan muß entwickelt werden, denn Übermü- beantworter Breitenau ... Wasserstand in cm ...“ dung relativiert die Richtigkeit der Entscheidungen. konnte man dem mitgeteilten Meßwert vertrauen, Kälte, durchnäßte Kleidung, durch Blitzschlag aus- oder auch nicht. Eine Überprüfung war nicht mög- gefallene Meßstationen und nicht zuletzt der Kata- lich! strophentourismus tun ein übriges. Einige Worte zum „Vater“ des Konzeptes für Daten- Hochwassereinsatz kann nicht simuliert werden. Die erfassung, -fernübertragung und Steuerung. Der tatsächliche Entwicklung reicht vom gewitterbeding- Wasserverband Sulm leistet sich einen anerkannten ten Strom- und Telefonausfall, über das Versagen Fachmann als Berater und tut gut daran, da gerade von Verschlußorganen bis hin zum Anspringen der vor dem Hintergrund einer zunehmenden Anzahl von Hochwasserentlastung und dem damit verbundenen Becken und einem gleichbleibenden Personalstand unkontrollierten Hochwasserabfluß. Jede der aufge- gesicherte, entscheidungsrelevante Daten lebens- führten Situationen erfordert eine adäquate und vor wichtig sind. Die Aufstellung