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SWR2 OPER

Moderationsmanuskript von Reinhard Ermen

Domenico Cimarosa: „Il Matrimonio segreto“

Sonntag, 03.02.2019, 20.03 Uhr

Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.

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Auf dem Spielplan steht „Il Matrimonio segreto“ von , ein Dramma giocoso per musica in due atti. Libretto von nach der Komödie "The Clandestine Marriage" von George Colman d.Ä. und David Garrick. Sie hören eine Aufnahme des belgischen Rundfunks aus der Opéra Royal de Wallonie-Liège vom 27. Oktober des letzten Jahres, die uns über die EBU, die Europäische Rundfunkunion erreichte.

Noch vor 30 Jahren galt „Il Matrimonio segreto“, also: „Die heimliche Ehe“ als Repertoirestück. Ja, Domenico Cimarosa, der 1801 im Alter von 52 Jahren in Venedig starb, war einer der wenigen Komponisten aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, der sich später neben dem allgegenwärtigen behaupten konnte. Mittlerweile hat sich das etwas geändert, eine ausgrabungsfreudige Elite historisch informierter Musiker hat die Zeit gründlich erforscht und Vieles neu verlebendigt. Dabei ist Cimarosas köstliche Buffa etwas in den Hintergrund getreten. Der Mitschnitt aus Lüttich erlaubt mit einer attraktiven Besetzung eine angemessene Wiederbegegnung mit dem Stück. Bei dieser Gelegenheit darf man getrost festhalten, dass die Ausnahmeerscheinung Mozart vielleicht nicht die richtige Bezugsgröße für Cimarosa ist. Der sieben Jahre Ältere ist zwar ein Zeitgenosse, doch Mozarts hochkomplexes musikdramatisches Verhandlungsniveau ist nicht seine Sache. Gemeint ist damit keinesfalls eine Abwertung, sondern ein ganz anderes Konzept. Ideal für Cimarosa und anderen Zeitgenossen war eine unangestrengte Leichtigkeit, die sich beim ersten Hören erschließt. Das ist aus der unmittelbaren Publikumsperspektive eine ausgesprochene Tugend. Mozart erscheint von da aus betrachtet durchaus wie ein „Verkomplizierer“. Cimarosa, man könnte auch einen Namen wie Antonio Salieri nennen, erfindet federleichte Arien, er schreibt witzige Ensembles, ein ironisches ‚Als Ob‘ geistert ständig durch das Stück, das von Komödientypen beherrscht wird. Zu keiner Zeit fällt eine dieser Figuren aus ihrer Rolle; der Himmel der Wahrhaftigkeit, der sich in Mozarts Musikkomödien gelegentlich auftut, bleibt den Figuren verschlossen. Gebettet ist das Ganze in ein geistvolles Parlando, das gerne und effektvoll gegen schlau aufgestellte Hindernisse anrennt. Friedrich Lippmann verweist in seinem Artikel über „Il Matrimonio segreto“ in Piepers Enzyklopädie des Musiktheaters darauf, dass Cimarosa in gewisser Weise ein Wegbereiter Rossinis war.

Wie gesagt, das sind Tugenden einer unterhaltenden Schwerelosigkeit, die im späten 18. Jahrhundert beim Publikum ankam. Cimarosa, ab 1791 Hofkapellmeister in Wien, schrieb das Stück in weniger als zwei Monaten. Das war nicht ungewöhnlich, er war ein Profi, gut 50 Opern hatte er bis dahin zu Papier gebracht. Er sollte im Übrigen nicht lange in Wien bleiben. Als sein Gönner, Leopold II. starb, ging er zurück nach Italien. Zuvor hatte er vier Jahre in St. Petersburg am Hof der Zarin gewirkt. „Il Matrimonio segreto“ wurde am 7. Februar 1792 in Wien uraufgeführt. Mozart war zwei Monate zuvor gestorben. Der Erfolg muss geradezu exorbitant gewesen sein. Überliefert ist, dass Leopold II. so begeistert von dem Stück war, dass er nach dem Besuch der zweiten Vorstellung eine Wiederholung noch am gleichen Tag befahl. Der Erfolg ist dem Werk lange Zeit treu geblieben; heute sind wir dabei, diese inspirierte Unterhaltungskunst wieder zu entdecken. Es geht um das Leichte, das so schwer zu machen ist, die Aufführung aus Lüttich ist dem ohne Frage gewachsen. Die Ausführenden sind:

Geronimo, ein reicher Kaufmann: Patrick Delcour Elisetta, seine ältere Tochter: Sophie Junker Carolina, seine jüngere Tochter: Céline Mellon Fidalma, Schwester Geronimos, eine reiche Witwe: Annunziata Vestri Graf Robinson: Mario Cassi Paolino, ein junger Handlungsgehilfe im Haus Geronimos: Matteo Falcier Chor und Orchester der Opéra Royal de Wallonie Leitung: Ayrton Desimpelaere

Sie haben es ganz zu Beginn in der Kopfansage schon gehört, der Librettist Giovanni Bertati bezog sich auf eine englische Komödie von Colman & Garrick. Dieses Stück sei wiederum 2 von William Hogarth inspiriert, bzw. von dessen Bilderfolge „Marriage à la Mode“, heißt es gelegentlich. Mitte des 18. Jahrhunderts entstanden die sechs Bilder des englischen Malers, sie zeigen eine Hochzeit in der besseren Gesellschaft, von der geschäftlichen Eheanbahnung bis zum theatralischen Tod der ehemaligen Braut. Wörtlich kann man diese Idee bei Cimarosa nicht wiederfinden, aber vielleicht den Drang nach Aufstieg und Nobilitierung mit einer entsprechenden repräsentativen Optik; wiederzufinden in der Oper in der Figur des steinreichen Kaufmanns Geronimo, der davon träumt, seine beiden Töchter glanzvoll zu verheiraten, am besten an Männer von Adel. Doch das läuft in der Komödie natürlich ganz anders.

Carolina, die jüngere der beiden Töchter hat sich bereits verheiratet, sozusagen an den Absichten von Vater Geronimo vorbei. Paolino heißt der Erwählte, und da der Vater das niemals dulden würde, haben sich die beiden still und heimlich das Jawort gegeben. Paolino ist nämlich ein gewöhnlicher Handlungsgehilfe im Geschäft des Alten. Inzwischen bereitet den beiden das aber ernste Sorgen: Wie kann man das dem sturen Vater erklären? Der pfiffige Paolino hat schon eine Lösung anberaumt, doch es ist keinesfalls sicher, ob die funktioniert. Es ist ihm nämlich gelungen, einen Mann von Adel, den verarmten Grafen Robinson anzulocken. Der soll Elisetta, die ältere Schwester heiraten. Damit wäre der gesellschaftliche Aufstiegstraum Geronimos befriedigt, und beide (Paolino & Carolina) könnte guten Gewissens vor den Alten treten und die längst vollzogene Ehe öffentlich machen. Neben Elisetta und dem Vater gibt es eine weitere Figur, die später noch Verwirrung stiften wird: Fidalma, die Schwester Geronimos, die immerhin eine reiche Witwe ist. Vater Geronimo gefällt die Idee mit dem Grafen, auch Elisetta findet sich mit der anberaumten Heiratsperspektive gut zurecht und sieht sich schon als Frau Gräfin.

Natürlich kommt es anders! Graf Robinson trifft im Haus Geronimo ein, aber er interessiert sich überhaupt nicht für Elisetta, stattdessen verliebt er sich stehenden Fußes in Carolina. Als die ihm erklärt, dass sie schon gebunden ist, will er nichts hören. Lieber verzichtet er auf die Hälfte der Mitgift, das könnte ihm als Argument bei Geronimo helfen. Elisetta ist empört. In einem turbulenten Aktfinale schlägt diese Gemengelage schöne Wogen. – Noch ein kurzes Wort zu den Komödientypen. Robinson ist ein schrulliger Engländer, er singt , wie der alte Geronimo, der zudem etwas schwerhörig ist. Die beiden Töchter sind selbstverständlich Soprane und die komische, ältliche Tante ist ein Mezzo. Der Junge Handlungsgehilfe Paolino ist ein .

„Il Matriminio segreto“; der erste Akt dauert 81 Minuten.

„Il Matrimonio secreto“, 1. Akt = 81.08

SWR2 Opernabend, Sie hören „Il Matrimonio segreto“ von Domenico Cimarosa in einer Aufnahme vom Oktober 2018 aus der Royale de Wallonie Liege. Mit Patrick Delcour als Geronimo, mit Sophie Junker & Céline Mellon als die Schwestern Carolina und Elisetta. Fidalma wird von Annunziata Vestri gesungen, und Mario Cassi ist Graf Robinson. Matteo Falcier ist Paolino, ein junger Handlungsgehilfe im Haus Geronimos. Chor und Orchester der Opéra Royal de Wallonie, Leitung: Ayrton Desimpelaere.

Wer die Opéra Royal de Wallonie im Internet besucht, sieht Bilder einer witzig übertriebenen Inszenierung im Gewand eines etwas überdrehten Rokokozeitalters. Es wird wunderbar übertrieben, aber das Original muss keine Haare lassen. Als Regisseur verantwortlich zeichnet der Intendant Stefano Mazzonis di Pralafera. Hörbar ist eine ausgesprochene Zugewandtheit, also die Fähigkeit zur Leichtigkeit, die gerade hier verlangt wird. Sie werden auch bemerkt haben, dass die Rezitative von einem aufgeweckten Cembalo begleitet werden, das gelegentlich falsche aber passende Töne einstreut, etwa eine Andeutung des Walkürenritts, wenn der Graf auftritt. Das Szenenfoto zeigt zahllose Koffer und Taschen, die 3 im Vestibül abgestellt werden. Gleich, wenn es weiter geht, werden sie in der Rezitativeinleitung das Schicksalsmotiv aus Beethovens Fünfter wiedererkennen, um ironisch anzudeuten, dass es jetzt ernst wird.

Der Graf verklickert Geronimo, dass er nicht Elisetta sondern Carolina heiraten will. Das Argument mit der halbierten Mitgift leuchtet dem Alten ein. Aber es wird für Paolino noch schlimmer. Fidalma hatte im ersten Akt bereits von ihrem Liebsten geschwärmt, der allerdings noch nichts von seinem Glück weiß: Es ist Paolino, der fällt in Ohnmacht, als er das erfährt; direkt in die Arme Fidalmas. Carolina traut ihren Augen kaum, als sie das sieht. Und so geht es weiter Schlag auf Schlag, wir haben es sozusagen mit einer additiven dramaturgischen Kette zu tun. Elisetta will unbedingt diesen Grafen. Der erklärt ihr alle seine schrecklichen Marotten. Elisetta ist nicht zu verscheuchen, ja sie sinnt auf Mittel, den Grafen für sich allein zu gewinnen. Mit Fidalma überlegt sie gar, die lästige Konkurrentin Carolina aus dem Haus zu schaffen. Geronimo willigt ein: Ja, Carolina soll ins Kloster. Da bekommt selbst der Graf Mitleid. Carolinas Verzweiflung geht ihm zu Herzen. Die heimlich verheirateten Eheleute wollen fliehen und ziehen sich zur Vorbereitung des Plans in ein Zimmer zurück. Elisetta glaubt indessen, dass der Graf mit Carolina aufs Zimmer ging. Und und und. Alles kommt anders zugunsten eines glücklichen Komödienschlusses. Elisetta hat das Ensemble zum Finale zusammengetrommelt. Der Graf tritt indessen aus einem anderem Zimmer. Hinter der bewussten Tür stecken die heimlich Verheirateten. Sie bitten den alten Vater um Verzeihung und um den offiziellen Segen. Als der gute Graf Robinson schließlich doch bereit ist, Elisetta zu ehelichen, steht dem schönen Schluss nichts mehr im Wege. Alle sind zufrieden, auch das Publikum in Lüttich, das gerne in die Schlussmusik hineinklatscht.

„Il Matriminio segreto“; der zweite Akt dauert 70 Minuten.

„Il Matrimonio segreto“, 2. Akt = 70.00

SWR2 Opernabend, sie hörten „Il matrimonio segreto“ von Domenico Cimarosa, ein Dramma giocoso per musica in due atti. Libretto von Giovanni Bertati nach der Komödie "The Clandestine Marriage" von George Colman d. Ä. und David Garrick. Das war eine Aufnahme des belgischen Rundfunks aus der Opéra Royal de Wallonie-Liège vom 27. Oktober des letzten Jahres, die uns über die EBU, die Europäische Rundfunkunion erreichte. – Die Ausführenden waren:

Geronimo, ein reicher Kaufmann: Patrick Delcour Elisetta, seine ältere Tochter: Sophie Junker Carolina, seine jüngere Tochter: Céline Mellon Fidalma, Schwester Geronimos, eine reiche Witwe: Annunziata Vestri Graf Robinson: Mario Cassi Paolino, ein junger Handlungsgehilfe im Haus Geronimos: Matteo Falcier

Chor und Orchester der Opéra Royal de Wallonie-Liège Leitung: Ayrton Desimpelaere

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