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FEUILLETON GENERAL-ANZEIGER Donnerstag, 16. Juni 2016 9

Hasenmeister „Ich habe sie alle überholt“ NACHRICHTEN und rosa Neuer Anlauf für das Polohemden Der Rapper Sido eröffnet in der nächsten Woche die Bonner Kunst!Rasen-Saison Einheitsdenkmal Das seit Jahrzehnten geplante Tilman Strasser bei ido warder Mannmit der To- len, und ich gönne ihm seinen Er- Freiheits- und Einheitsdenkmal in „Import/Export“ ten-, mit 35 Jahren ist folg, aber privat höreich ihn nicht. soll nach Wunsch der Mit- S Paul Würdig, so sein bürger- initiatoren Günter Nooke(CDU) licher Name,erwachsen gewor- Fertigmacher-Sprüche wie die von und Wolfgang Thierse (SPD) eine VONHAGEN HAAS den. Mit dem Alter verändern sich Kollegahgehören zur Rap-Kultur. neue Chance bekommen. Zwei private und musikalische Prioritä- Sido: Klar,das sind Texte,die bei Monate nach dem Veto des Haus- Er fühle sich „unwohl“,sagt Til- ten. Heute lebt Sido in „harmoni- sehr jungen Leuten ankommen. haltausschusses im Bundestag man Strasser gleich zu Beginn. Er schen Verhältnissen“.Erkonnte Man freut sich darauf, wenn ein gegen die begehbareWippe am glaube „an dieses Bühnenkarma- seine Traumfrau Charlotte Wür- Rapper den anderen Rapper ge- Berliner Schloss unternehmen ding“, und dassignalisiere ihm, dig, ehemals Engelhard,heiraten. disst hat. Ich wende mich mit mei- beide Politiker wieder einen ge- dass der Abend „übel“ werde. Do- Mit ihr hat er zwei Söhne.Mit ihm ner Sprache bewusst an die,de- meinsamen Anlauf. Gleichzeitig rian Steinhoff, Gastgeber dersze- sprach Ronald Krüger. nenRapauchinmeinemAlternicht fordertensie am Mittwoch vor nigen, jungen Literaturshow„Im- peinlich sein muss.Das andere ist Journalistendie zuständige Kul- port/Export“ in der Fabrik 45, Sie sind jetzt 35 Jahrealt, IhreSing- Rapfür Kinder. turstaatsministerin MonikaGrüt- scheint nicht einmal ansatzweise le „Astronaut“ mit Andreas Bou- ters(CDU) dazu auf, Farbe zu dem überrascht. Man kennt sich halt, es rani wurde 2015 ein Nummer-eins- Der „Mann mit der Maske“ hat ge- Projekt zu bekennen. dpa ist auchnicht das erste öffentliche Hit. Sie sind Mainstream, haben nau das gemacht. Gespräch zwischen den beiden, aber bei Jugendlichen immer noch Sido: Ja, da warich auch ein Kind. und außerdem sichert man sich mit eine hohe Glaubwürdigkeit. Wie Heute ist das nichts für mich. Frü- Diogenes kommt wieder solch dramatischen wie kokettie- schaffen Sie das? her habe ich aus purem Neid nach zur Frankfurter Buchmesse renden Auftaktbekenntnissen so- Sido: Ich glaube,das hängt mit oben gedisst. fort eine hohe Aufmerksamkeit. meiner Herkunft und meiner Ehr- Nach einjähriger Pause ist der Strasser weiß, wiedas Geschäft lichkeit zusammen. Man kann sich Und wie haben Sie den Neid ver- Schweizer Diogenes-Verlag im funktioniert –beim Kölner Litera- weiter mit mir identifizieren. loren? Herbst wieder mit eigenem Stand turhaus ist er für Kommunikation Trotzdemhabe ich viel vonder Sido:Ichhabesiealleeingeholtund auf der Frankfurter Buchmesse und Programm zuständig.Jetzt hat ‚Credibilty“ in der HipHop-Jugend überholt! vertreten. Dies teilte das Haus er seinen Debütroman mitdem ori- verloren. Junge Leute mögen mich gesternmit. Wegen des starken ginellen Titel„Hasenmeister“ (Sa- zwar,aber HipHop-affine Leute Der Verdacht bei Rappern liegt na- Frankens hatte Diogenes 2015 sei- lis,240 S., 24,95 Euro) vorgelegt. Es eher nicht. Die Lanxess-Arena und he,ihnen gehe es nur um die Koh- nen eigenen Auftritt auf der Bü- liegt an dem vonSteinhoff mona- das Palladium bekommt man nicht le. cherschau aus Kostengründen ge- telang ausgebrüteten Konzept, mit engstirnigen HipHop-Fans al- Sido: Man muss unterscheiden, strichen. Zu den prominentesten dass die Zuhörer über dieses Buch leinevoll.Werheutezumirkommt, worum geht es einem in seiner Mu- Autoren vonDiogenes auf der kaum etwas erfahren.Sowar es kann sich auch ein Coldplay-Al- sik und waswill ich mit ihr errei- Messe gehören DonnaLeon und schon beider Premiere von„Im- bum kaufen. chen. In den ruhigen Songs rede ich Leon de Winter. dpa port/Export“ im April mit Merce- mir Dinge vonder Seele.Gehen die des Lauenstein,und so ist es auch Bekommen Sie mit, wie viele frü- Stückenach vorne,will ich ein- jetzt in der zweitenAusgabe.Statt- hereFans Sie verloren haben? fach unterhalten. Das sind meine dessen wirdviel ausführlicher über Sido: Den größten Teil. Da gibt es Intentionen beim Songschreiben. PERSONALIEN das derzeitige Lieblingsbuch des auch viele,die mich früher Mist Er ist erwachsen geworden: Sido in der Grugahalle in Essen. FOTO:DPA Natürlich will ich Erfolg. Daraus Gastes debattiert; es ist dies die fanden, und heute auch Mist fin- mache ich keinen Hehl, auch wenn Nach der künstlerischen Direkto- „Bestattung einesHundes“ von den (lacht). Die,die mit mir er- Leben führen. Paul Würdig hatte Größten und Coolsten. Bei Ihnen anderedas nicht offen ausspre- rin Marion Ackermann verliert die Thomas Pletzinger.Zwarversucht wachsen geworden sind, können Glück. Aufihn hat man nicht so ein fallen Ihr Humor und das Augen- chen. Kunstsammlung Nordrhein-West- Steinhoff mehr schlecht als recht, meine Entwicklung verstehen und Auge geworfen. ist Mig- zwinkernauf.IstRapeineMusikfür falen auch ihren kaufmännischen Verbindungslinienzuziehen. Aber sich damit identifizieren. Aber es rant,dastürztmansichmehrdrauf. Angeber? Wenn man RAP-Texten glaubt, sind Direktor. Hagen Lippe-Weißenfels warum überBande gespielt wer- gibt auch die,die damals in be- Das hat mit einem leichten Ras- Sido: Humor warimmer meine Art, Frauen „Bitches“.Wie haben Sie (41) wechsele zum 1. September sonderen Verhältnissen aufge- sismus zu tun. mit schlechten Dingen umzuge- Frauen erlebt? in die Privatwirtschaft, teilte das wachsen sind und bis heuteda hen. Du kannst nicht immer be- Sido: Für mich wardas nie so. Ich NRW-Kulturministerium gestern nicht rausgekommen sind. Denen Rapper sind in ihren Texten die haupten,dassduderKrassestebist, habe auch nicht so über Frauen ge- mit. dpa kann ich nicht den Soundtrack für denn es gibt immer jemanden,der schrieben. Vielleicht, wenn ich mal ihr Leben bieten, weil meine Mu- krasser ist, ein Vorbild ist. Sich über voneiner Freundin abgeturnt war. Der amerikanische Schriftsteller sik immer so ist, wie ich bin. Zur Person alle zu stellen, macht man mal ger- Aber ich hatte immer feste Bezie- Richard Ford (Foto) erhält den re- ne und das gehört zum Rapdazu, hungen. Ich warnicht immer treu, nommierten Prinzessin-von-Aus- Sie sind den Aggro-Berlin-Zeiten Der deutscheRapper Sido wurde 1980 aberdannhöreichSachen,damuss aber kein Schürzenjäger.Für He- turien-Preis für Literatur.Die zu- entwachsen und sozial aufgestie- in Ost-Berlin geboren. Zu Beginn seiner ich sagen: „Mann, das hätte ich ranwachsende,die täglich Pornos ständige spanische Stiftung wür- gen. Andere–wie Bushido –sind Karrieretrug er durchgehend eine To- auchgernegemacht!“Aberichmag gucken, ist das ein Thema. Aber digte den 72-Jährigen gestern als es auch, müssen aber weiter den bö- tenkopfmaske.Ein halbes Jahrvor dem es nicht, wenn Rapper nicht über dafür bin ich zu erwachsen. großartigen Chronisten der viel- Hört auf sein Karma: Romandebü- sen Jungen spielen. Warum müs- Fall der Mauer zog er mit seiner Mutter das schreiben, wassie wirklich an- fältigennordamerikanischen Ge- tant TilmanStrasser. FOTO:VERLAG sen Sie das nicht? nach Lübeck, kehrte aber ein paar geht. ist ein Beispiel da- 0 Bonner Kunst!Rasen, 24. Juni, 19 sellschaft. Sie pries die Ernsthaf- Sido: Alle,die wie wir aus schwie- Jahrenach der Wende zurück nach für.Erselbst gibt an, alles sei ge- Uhr: Sido,special guest: MoTrip,Kar- tigkeit, Präzision und extreme den muss,wenn man doch direkt rigen Verhältnissen stammen, Berlin,woerheute mit Frau und den spielt. Dabei ist er witzig, schlag- ten in den Bonnticket-Shops der GA- Schlichtheit über das Werk des noch dazu an- wollen später ein harmonisches beidengemeinsamen Kindern lebt. ga fertig, weiß mit Worten zu spie- Zweigstellen. seines Stils wesenden Autorssprechen kann, und stellte ihn bleibt Steinhoffs Geheimnis. in eine Reihe Außerdem hält er an denzwar mit Autoren unergiebigen, aber achsolustigen wie Ernest Spielchen mitkleinen Zetteln fest, Auf den Spuren eines Komponisten Hemingway auf denen Stichworte stehen. Mit Das Quartett Beathovenund Andreas Schütte mit einem Wagner gewidmeten Abend im Opernfoyer und William seiner Geburtsstadt München, ei- Faulkner.Am nem derStichwörter,assoziiert VONTHOMAS KÖLSCH ehrte zwar den dafür verantwort- Andreas Schütte,der die Biografie cher und Caroline Steinerinwei- bekanntesten Strasser „hochgestellte rosa La- lichen Violinisten RobertRans- Wagnerseher stolpernd denn flüs- ten Teilen gelang, erschien der in ist Fordsvier- coste-Polohemdkrägen“.Ist ja ganz Bach trifft James Last, Heidi auf burg, offenbarteaber zugleich sig referierte und trotz Textvorlage eine Mönchskutte gewandete teilige Ro- nett, gewiss,aberauch so furcht- Hava Naghila und alle auf jede Schwächen an anderenessenziel- immer wieder aus dem Konzept Schütte an diesem Abend mit den manserie um den gescheiterten erregend belanglos. Schauspieler Menge Wagner: Keine Frage,die len Stellen. kam, sorgte beim fachkundigen Gedanken woanders. Schriftsteller Frank Bascombe. Birger Frehsesitzt für seine einge- vielseitigen Arrangementsdes Das Streichquartett selbst, das Publikum für Unmut. Nur an einigen wenigen Stellen Dazu zählt das 1995 erschienene streuten„Literaturclips“ erneut Quartetts Beathoven, das auf Ein- beim ein oder anderen Stück noch Dabei spricht nichts dagegen, ging er über eine lockereWieder- Buch „Unabhängigkeitstag“, für viel zu dichtvor demMikrofon – ladung des Wagner-Verbands nicht so ganz aufeinander einge- WagnersLeben einwenigpeppi- gabe reiner Daten hinaus,amdeut- das Ford bereits den Pulitzer-Preis man ist ständig in Sorge, dasseres Rhein-Sieg am Dienstag im Foyer stimmt wirkte, nur um sich dann ger darzustellen, doch bedarf es ei- lichsten in der Verurteilung des erhielt. Die insgesamtacht Asturi- verschlucken könnte.ÜberFreh- der Oper denSpuren des großen wieder herrlichdynamisch und nes souveränen Auftretens,um Pamphlets „Das Judentum in der en-Preise werden jährlich vonei- ses Reich-Ranicki-Parodie decken Komponisten folgte,waren ebenso humorvoll zu präsentieren, hätte diesen Witz auch zur Geltung Musik“,das er als „eineder größ- ner nach Kronprinzessin Leonor wir den Mantel des Schweigens. unterhaltsam wie brillant. sein Zusammenspiel sicherlich kommen zu lassen. Während dies ten Scheußlichkeiten“ bezeichne- benannten Stiftung vergeben. Der Und freuen uns diebisch auf die Um genau zu sein warensie das noch ein wenig verbessern kön- dem Quartett aus Hitoshi Ooka, te,die vorBeginn der NS-Zeitge- Literaturpreis ist mit 50 000 Euro dritte Ausgabe am 14. September. Beste am gesamten Abend –das nen;doch vorallem Moderator Robert Ransburg, Thomas Plüma- schrieben wurden. dotiert. ap/FOTO:AP Geister in Fleischhüllen Tanzcompagnie Cie Bertha mit „Kabarais Bâtard“ im Theater im Ballsaal VONTHOMAS KÖLSCH Dupont, die unter anderem bei den animationstanz mitall seinem aufge- CocoonDance-Stücken „Re-Play–The ladenen Mystizismus erstaunlicher- Sie reden undtanzen in Zungen: Wirr, Swan“ und „Revisiting Wonderland“ weise nachvollziehbar wirkt. konfusund zugleich bedeutungs- auf derBonner Bühne zu sehen war, hat Stark auch das permanente Spielmit schwanger bewegen sich die Besesse- mitihrem Regie-Debüt ein tänzeri- den vonSimonRouby geschaffenen Vi- nen der Compagnie Bertha durchdas sches Kaleidoskop geschaffen, das im- deosequenzen –aneiner Stelle wirdso- Theater im Ballsaal. Geister in Fleisch- merwieder Bilderbrichtund verzerrt, gar der Tänzer selbst zur Projektions- hüllen, die alle Sprachenbeherrschen nur um diesedannirgendwie aneinan- flächefürschwirrendeMusterundsozu und doch keine.„Kabarais Bâtard“ lau- derzureihen.Soerweist sich das 90-mi- einer Erscheinung aus einer anderen tet derTiteldes Stücks vonChoreogra- nütige Stück als ungeheuer vielfältig: Welt. Es ist ein Tanz zwischen Wahn phin Laure Dupont, inspiriert vondem Einige Passagen überzeugen durch ihre und Sinn, zwischen Traum undWirk- umstrittenen ethnographischen Film immense Intensität, anderedagegen lichkeit, zwischen Ordnung und Cha- „Les Maîtres Fous“ vonJean Rouch, ein wirken nur albern, ein choreografi- os.Exemplarisch steht dafür die immer mitunter groteskes,überzeichnetes, sches Kauderwelsch, dessenSinn sich wieder auftretende „Poltergeist“-Rein- karnevaleskes Treiben irgendwozwi- nur selten erschließt. Wenn etwaein karnation: Sie ist derpersonifizierte Ri- schen Ritus undZirkus,indem kultu- Schweizer Journalist mit klischeehaf- tus und das Ergebnis einer babyloni- relle Identitäten und derenTravestien tem Akzent auf ein alkoholkrankes schen Sprachverwirrung, die die Ver- austauschbar erscheinen. Genau dies Kung-Fu-Paar trifft, herrscht die Pein- ständnisschwierigkeiten noch ver- macht die Stärkeder Ta nzdarbietung lichkeit vor, während unmittelbar im stärkt.Vielleicht muss man sich ein- aus –und ihreSchwäche. Anschluss ein ekstatisch-kultischer Re- fach maldarauf einlassen.