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Die Großwohnsiedlung ein Ghetto? Wie Hiphop- Videos Raumbilder generieren und so die Gesellschaft ordnen Diehl, Nicola

Veröffentlichungsversion / Published Version Zeitschriftenartikel / journal article

Empfohlene Zitierung / Suggested Citation: Diehl, N. (2014). Die Großwohnsiedlung ein Ghetto? Wie Hiphop-Videos Raumbilder generieren und so die Gesellschaft ordnen. Europa Regional, 20.2012(2-3), 103-118. https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-423972

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Die Großwohnsiedlung ein Ghetto? Wie Hiphop-Videos Raumbilder generieren und so die Gesellschaft ordnen

Nicola Diehl „Lausch den Geräuschen der Stadt. Hör meine Lieder der Straßen“ ( u. 1998; zit. nach 2009, S. 32)

Carrer Shapiro Wagner Zusammenfassung Abstract Der Künstler MC Nick rappt in einem seiner Songs „Ja ihr habt Large housing estates as a ghetto? How hip-hop Recht, wir haben in Deutschland keine Ami-Ghettos, das hier ist videos generate images of space and hence order Deutschland, wir haben andere Ghettos“; die Kulisse seiner society Performance bildet eine Plattenbausiedlung. Der junge Hiphop- Artist MC Nick raps in one of his songs „Yes, you are right, in Interpret beklagt in einem seiner Lieder „Junge denn we don’t have Ami-Ghettos, but this is Germany, we ich leb’ im Gheddo, Grembranx1 oder Tempelhof (...) und ich have different ghettos“; sourrounded by a large housing estate. bete jeden Tag, dass ich nicht hier bleiben muss“. Dazu erschei- The young Hiphop-performer Eko Fresh complains in one of his nen im Videoclip Schwarzweißbilder, in denen Plattenbausied- songs, „Man, I’m from the ghetto, Grembranx2 or Tempelhof (...) lungen, Waffen, Drogenkonsum und kriminelle Jugendliche zu and I pray each day, not to live here any longer“. Black-and- sehen sind. Viele Videoclips aus der Sparte Hiphop bzw. white-pictures showing large housing estates, weapons, drugs Gangsta-Rap bedienen sich solcher Darstellungskonventionali- and criminal kids appear in the videoclip. A lot of clips out of täten und tragen so zur Manifestierung oder gar Etablierung hiphop-genre or gangsta-rap use these pictures. By using these eines stigmatisierenden Ghetto-Diskurses bei. Innerhalb generalized pictures, the stigmatizing ghetto-discourse is Deutschlands sind es vor allem Großwohnsiedlungen wie strengthened or even created. Especially large housing estates -Marzahn, München-Neuperlach oder Bremen-Tenever, like Berlin-Marzahn, München-Neuperlach or Bremen-Tenever die mit diesem Image gekennzeichnet sind. Durch die Videoclips are labeled with this ghetto-image. The above described bzw. die immer wiederkehrenden Bildkommunikate (Platten- videoclips and their elements (large housing estates, weapons, bauten, Hochhäuser, Waffen, Kampfhunde, Drogen, Polizei) fighting dogs, drugs, plolice) create places of violence, neglect werden sie zu Orten der Gewalt, Verwahrlosung und Unsicher- and insecurity. People living in these large housing estates are heit konstituiert. Dieses Negativimage haftet folglich auch den also stigmatized with this image, which implements other in den jeweiligen Bezirken lebenden BewohnerInnen an und problems (e.g. when looking for a job). It shows – images of führt zu weiteren Problemen (bspw. bei der Arbeitsplatzsuche). places are able to seperate society. So sind Raumbilder fähig, die Gesellschaft zu ordnen. Der The essay examines with a special focus on discourse theory Aufsatz betrachtet aus diskurstheoretischer Perspektive die the constitution of knowledge by popular culture with a stress Konstitution von Alltagswissen innerhalb der Populärkultur on visual communication. The essay shows, how particular und setzt einen besonderen Fokus auf die visuelle Ebene. Es urban spaces are created by popular youthculture media like geht darum herauszufinden, wie spezifische Stadträume videoclips and how these videopclips are part of creating innerhalb popkultureller Jugendmedien medial definiert realities. Music-videoclips out of hiphop or gangsta-rap are werden und welchen Einfluss sie auf gesellschaftliche Wirklich- examined with a semiotic visual discourse-analyses. The keitskonstitutionen haben. Dazu werden Musikvideoclips des question is, how and in which way the music-clips are part of Genres Hiphop/Gangsta-Rap einer semiotischen Bilddiskurs- creating an image of large housing estates. Another question is, analyse unterzogen und auf ihren Beitrag zur medialen whether the story told by the videoclips breaks or strengthens Produktion des Images städtischer Großwohnsiedlungen hin the hegemonial ghetto-discourse. untersucht. Inwieweit die erzählten Bildergeschichten zur Reproduktion oder zum Aufbrechen des hegemonialen Ghetto- Stigmatisation, Ghetto discourses, prefabricated housing estates, pop- Diskurses beitragen, soll ebenfalls Überlegung finden ular culture, image discourse analysis

Stigmatisierung, Ghetto-Diskurse, Plattenbausiedlungen, Populärkul- tur, Bilddiskursanalyse

1 Grembranx steht für Köln-Gremberg, Stadtteil in der Nachbarschaft von Köln-Kalk. 2 Grembranx means Cologne-Gremberg, a district in Cologne, near Cologne-Kalk

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Populärkultur und Bilder spielten in der seiner Songs „Ja ihr habt Recht, wir haben Hiphop als Subkultur und Sprach- wissenschaftlichen Auseinandersetzung in Deutschland keine Ami-Ghettos, das rohr der Jugend um Räume lange Zeit eine eher unterge- hier ist Deutschland, wir haben andere Um den in den Videos gezeichneten Dis- ordnete Rolle. Die „Neue Kulturgeogra- Ghettos“; die Kulisse seiner Perfomance kurs kulturtheoretisch einordnen zu kön- phie“ bietet seit geraumer Zeit jedoch in- bildet eine Plattenbausiedlung. Stadträu- nen, ist ein kurzer Abriss des Hiphop als novative Ansätze, auch diese Aspekte in me wie die Großwohnsiedlung (Marzahn, Subkultur und Jugendbewegung hilfreich. die Raumforschung zu integrieren. Denn Gropiusstadt), aber auch innerstädtische Er gibt Aufschluss über die Beweggründe sie betrachtet Räume als diskursiv herge- Altbauquartiere (, Kreuzberg) der Jugendlichen, ihr Viertel so darzustel- stellt ( u 2009, S. 11). werden dadurch Zielscheibe gesellschaft- len, wie sie es in den Videos tun. Als Mu- lich produzierter Stigmata. Sie werden sik- und Jugendkultur schaut Hiphop auf Glasze . Mattissek sondern werden in gesellschaftlichen zum sogenannten „Problem-Viertel“ – eine lange und sehr wandlungsreiche Räume sind damit keine fixen Gebilde, Diskursen durch Sprache und Zeichen- zum „Ghetto“ – umgedeutet. Die Wohnor- Entstehungsgeschichte zuruck. Von den systeme jedweder Art immer wieder neu Anfängen in den 1970er Jahren in den werden stigmatisiert – Raumbilder be- schwarzen Wohnvierteln New Yorks bis te sowie indirekt ihre BewohnerInnen von und heute haben sich viele verschiedene Hip- definiert. Insbesondere Überlegungen (2009a, b, c) zu Bilddiskursen ermögli- Der Hiphop präsentiert sich vor die- hop-Stile mit differenzierten Subkulturen Miggelbrink Schlottmann einflussen die soziale Ordnung. chen es, auch Bilder als diskursive Aussa- sem Hintergrund in Deutschland als entwickelt, die alle einen Bezug zum Ur- gen zu analysieren. Denn Diskurs „kann Stimme zumindest einiger dieser Stig- banen, zum Großstädtischen aufweisen. als eine Gruppe nicht nur von sprachli- matisierten. Es stellt sich daher die Fra- Hiphop gilt als „kulturelle Äußerung von chen, sondern auch von bildlichen Aussa- ge, wie die Rapper die Hochhaussied- gesellschaftlich marginalisierten Jugend- gen verstanden werden“ (ebd. 2009, S. lungen in ihren Videoclips über Bildaus- lichen im urbanen Raum der Metropolen“ 185). Dabei können diskursive Grenzzie- ( u. 2003, S. 215). Die hungen innerhalb der Sprache oder visu- den Hiphop-Videos mit der Großwohn- Geschichte des Hiphop ist also eng ver- sagen definieren und welche Bilder in Kerscher Richard elle Darstellungen soziale Ordnungen siedlung verknüpft werden? Brechen sie knüpft mit Marginalisierung und Stigma- herstellen. den massenmedial erzeugten hegemo- tisierung bestimmter Bevölkerungsgrup- Ein Raum, der in hohem Maße über nialen, sich stigmatisierend auswirken- pen. Denn Hiphop entwickelte sich im (massen-)mediale Erzählungen (Bilder, den Diskurs auf oder füttern sie ihn? New York der 1970er Jahre, wo zu einer Müssten sie im Sinne der Diskustheorie Zeit der Deindustrialisierung amerikani- die im städtischen Randgebiet verorteten nicht andere Geschichten erzählen oder scher Großstädte, von deren Folgen vor Texte) definiert wird, sind in Deutschland Groß(wohn)siedlungen. So zitiert bei- andere Bilder sprechen lassen als die allem die afroamerikanische und hispa- spielsweise die Frankfurter Allgemeine vom Ghetto mit tristen Straßen, wo vie- nische Bevölkerung betroffen war, im - - - nenverwaltung initiierte Studie mit den gendlichen ohne Perspektive sind, um bewegung entsteht. „Hiphop entwickelte Sonntagszeitung eine von der Berliner In le MigrantenInnen wohnen und die Ju Stadtteil South Bronx eine neue Jugend Worten „eine Ghettobildung wie in ame- den Diskurs respektive ihre Lage zu ver- rikanischen oder französischen Groß- ändern? Gibt es vielleicht Hiphop-Vi- unter Jugendlichen aus den Schwarzen- sich zu einer Form von ,Straßenkulturˊ städten sei vorstellbar“ ( deos, die positive Geschichten vom Le- und Migranten-Ghettos“ ( 2009, S. 3). Der Mythos „Ghetto“, wie er ben in der Platte erzählen? Vor diesem S. 12). Seit den 1980er Jahren breiten Eppelsheim Weller 2003, einst in den USA entstanden ist, gepaart Hintergrund soll das Medium „Musikvi- sich die Formen des Hiphop aufgrund der mit dem aktuellen Banlieue-Diskurs in deoclip“ auf Basis von s Dis- Kommerzialisierung der Musik auch in Frankreich hat seinen Weg nach Deutsch- kurstheorie als Produzent von Aussagen Deutschland aus und werden sowohl von Foucault land längst gefunden. über bestimmte Orte in seiner Funktion jungen Deutschen als auch von Jugendli- - als Konstrukteur von raumbezogenen chen mit Migrationshintergrund adap- besondere in Musikvideoclips der Sparte tiert, wodurch in Deutschland ebenfalls Dies gilt auch für die Kunstszene: Ins - Wie sieht der Bilddiskurs über die verschiedene Hiphop-Stile entstehen. Wirklichkeit(en) identifiziert werden. Großwohnsiedlung aus, der innerhalb spricht bei den Hiphop oder Gangsta-Rap findet man Bil der Populärkultur des Gangsta-Rap ge- turkisch-stämmigen Jugendlichen von der, die sich dem Ghetto-Image bedienen. Weller (2003, S. 30) Fresh in einem seiner Lieder beklagt zeichnet wird? Bei der Analyse und an- der Herausbildung eines „Oriental Hip- Wenn der junge Hiphop-Interpret Eko „Junge denn ich leb’ im Gheddo, Gremb- schließenden Beurteilung soll auch ana- hop“, (1998) nennt es deutsch- - lysiert werden, warum die Rapper die turkischen Hiphop und (2003, Caglar den Tag, dass ich nicht hier bleiben Großwohnsiedlung so darstellen, wie S. 49) unterteilt in Message-Rap und ranx oder Tempelhof (...) und ich bete je Kimminich muss“, dann verknüpft er konkrete Orte sie sie in ihren Videoclips visuell prä- Gangsta-Rap. mit bestimmten Bildern und Vorstellun- sentieren. Neben dem Wie soll also auch Studien zu Folge adaptieren jugendli- gen. Der Künstler MC Nick rappt in einem das Warum che Migranten in Deutschland US-ameri-

Beachtung finden. 104 Nicola Diehl: Die Großwohnsiedlung ein Ghetto?

kanischen Hiphop durchaus aufgrund ih- schlechtem baulichem Zustand der schriebene Wort, auch Bilder sind fähig, rer prekären Lebenssituation. Sie nutzen Wohnstätten. Diskurse zu prägen oder gar zu erschaf- den Hiphop als eine Form von Protest. Diesen „Ghetto-Mythos“ haben die Ju- „Dabei wurde insbesondere Rap zu einer gendlichen in Deutschland adaptiert. Wie die die Wende zum 21. Jahrhundert mar- fen: „Es sind nicht Texte, sondern Bilder, Form der Artikulation von Kritik gegen - kieren und sich in unsere Köpfe einge- den desolaten Zustand der Wohnbezirke“ gestaltet wird, soll die folgende Diskurs- brannt haben“ ( 2004, S. 11). Wenn dieser Mythos im deutschen Kontext aus ( ). Studien uber die analyse klären. Welche Darstellung erfah- Burda Hiphop-Szene in Berlin werfen den ju- ren die Stadträume, erfahren die Groß- Weltbilder in einer Gesellschaft zu einer Weller 2003, S. 12 wir folglich herausfinden wollen, welche - wohnsiedlungen und wie wirkt sich das bestimmten Zeit vorherrschend sind oder - Bild sozial, d.h. gesamtgesellschaftlich, waren, müssen wir uns dazu hinbewegen, gendlichen Interpreten turkischer Her u. ; zit. und räumlich aus? Warum präsentieren auch visuelles Material diskursanalytisch kunft jedoch eine „unreflektierte Identi nach ) mit amerikani- die Rapper die Großwohnsiedlungen in zu untersuchen. Audiovisuelle Medien- fikation“ (Henkel Wolff 1996 schen Gruppen sowie dem New-Yorker dieser Form? formate wie Film, Fernsehen und Foto- Weller 2003, S. 30 Ghettoleben vor, denn es handelt sich graphie werden zunehmend bedeutsa- Zur Theorie von Bild, Diskurs mer für gesellschaftliche Kommunika- virtuell verbreiteter (Bilder-)Welten, und Raum tionsprozesse und die Diskursanalyse hier um eine Übernahme und Aneignung Die Diskursforschung kennt traditionel- muss sich daher mit solchen Medien be- den tatsächlichen Zuständen im eigenen fassen ( - Identitäten und Lebensweisen, die von (deutschen) Milieu weit entfernt sind. als zu untersuchendes Element. Jeder schaftlich manifestiert wird diese Forde- lerweise maßgeblich Sprache und Text Keller³2007, S. 76-77). Wissen Denn das Leben in den ethnisch homoge- Diskurs besteht demnach aus Aussagen, rung in einem von (2008, S. nen Ghettos der USA lässt sich nicht ohne die ihn hervorbringen. Die dem Diskurs 101ff.) postulierten philosophie-ge- Mitchell weiteres auf jene deutsche Stadtviertel zugehörigen Aussagen bezeichnet man schichtlichen Stadium, dem „Pictorial übertragen, in denen man mit einer sehr als „seriöse Sprechakte“, denn sie sind Turn“ der sich als Nachfolger des „Lingu- differenzierten Multikulturalität konfron- - istic Turn“ der zunehmenden Bedeutung tiert ist. Dennoch wurde die im US-ame- ses als wahr anerkannt. Aussagen können von Bildern in der öffentlichen Kommu- durch ihre Existenz innerhalb des Diskur rikanischen Rap dargestellte Lebenswei- auch in Form von Graphiken, statisti- nikation widmet. Denn „das Gezeigte hat se auf das eigene Umfeld übersetzt und schen Tabellen oder visuellen Zeichen (...) den Status eines höheren Wahrheits- medial reproduziert. „Vor dem Hinter- (Icons) [Herv. N.D.] auftreten ( gehaltes als das Geschriebene“ ( grund des neuen Turken-Bildes von dem ³1988, S. 120, 123; vgl. 2002, - Foucault Arber problematischen Jugendlichen hatte sich S. 79). Nach diesem Verständnis wird es clips erscheinen als Bilder wie die Wirk- Diaz-Bone 2007, S. 268-269) und vor allem „Video in der deutschen Öffentlichkeit ein My- möglich, auch visuelles Material auf sei- lichkeit selbst“ ( u. 2003, thos vom Rap der Marginalisierten fest- ne (Bild-)Aussagen hin zu untersuchen, S. 94). Sie erscheinen glaubwürdiger als Klein Friedrich gesetzt. Das rassistische Schimpfwort denn „Bilder als Elemente von gesell- - ‚Kanake‘ wurde analog zum amerikani- schaftlichen und kulturellen Sinn gene- nitionsmacht und Diskursrelevanz. Sie Texte und besitzen damit eine hohe Defi rierenden Prozessen der Diskursivierung, können Wahrheiten produzieren und türkischen Ghettokultur stilisiert“ ( - Semantisierung und Visualisierung brin- müssen als „Teil von (Raum-) Diskursen schen ‚Nigger‘ zur Devise einer fiktiven 2003, S. 30-31; 1998, S. 44- gen Wirklichkeit (...) überhaupt erst her- - Wel vor“ ( - struktionen“ ( u. - ler Caglar und Instrumente machtvoller Raumkon oder das „mentale Ghetto“ ( betont, dass ein Diskurs nicht „a 2009b, S. 1) betrachtet werden. 47). Diese fiktiv erzeugte Ghettokultur Mayerhauser 2006, S. 83). Fou Miggelbrink Schlott - priori als Abbild einer äußeren Wirklich- Denn auch Räume werden durch Zei- Kimminich cault man - keit“ ( 2008, S. 35) begriffen wer- chensysteme (Sprache, Bilder, Filme, etc.) 2006a, S. 515) sind demnach im deut en zu verstehen, eine Geschichte aus der den kann, sondern dass der Diskurs hergestellt ( u. 2009, schen Kontext als ein Produkt der Medi Pundt Lebenswelt afroamerikanischer und his- selbst konstitutiv Wirklichkeit(en) pro- S. 35). Sie werden als „Ausdruck und Kon- Glasze Mattissek panischer Jugendlicher, die in Hiphop- duziert. „So kann zugespitzt formuliert sequenz gesellschaftlicher Praktiken und - werden, dass Bilder (...) eben nicht als Strukturen gedacht – als sozial konstru- de und so ihren Weg nach Deutschland Abbilder der Realität zu behandeln sind, iert“ ( u. 2009, S. 40- Texte und Videoclip-Bilder verpackt wur gefunden hat. Zunächst einmal also grün- sondern unter Berücksichtigung von Fou- - Glasze Mattissek dete die Entstehung dieser vermeintlich caults diskurs-, macht- und subjekttheo- formation über einen Ort produziert des- 42). Nicht der Ort selbst, sondern die In in Deutschland vorhandenen Ghettokul- sen Bedeutung. Als „über die Medien tur auf musikalischen Wurzeln, die me- Mittel zur Konstruktion gesellschaftlicher verbreitete Deutungsregeln und somit als retischen Überlegungen als ein wichtiges dial verbreitet wurden und nicht etwa auf Wirklichkeit“ ( Diskursformen“ generieren sie Raumwis- (wenn auch tatsächlich) vorherrschen- Die Diskursmacht beschränkt sich also Meier 2008b, S. 267). den prekären Lebensumständen oder nicht nur auf das gesprochene oder ge- Orten. Soziale Gegebenheiten werden fest sen und beeinflussen so das Image von

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mit räumlichen Kategorien verknüpft, es Ordnung durch die Bild-Diskurse ko-kon- resultiert eine „Verräumlichung des So- stituiert wird (ebd., S. 8). Auch Bilder hergestellten Raum-Diskurses ist von be- S. 221). Im speziellen Fall eines visuell zialen“ ( 2007, S. 25; vgl. u. sind hier nicht als Abbilder von Realität - Pütz 2007). Dies kann so weit gehen, dass zu verstehen, sondern sie beteiligen sich nikate (als eine besondere Form der Aus- Arber Glasze sonderem Interesse, welche Bildkommu - - sage) wie mit dem Raum Großwohnsied- rungseffekt“ ( 1991, S. 72; zit. mittelnden Medien an der Konstruktion lung verknüpft sind. Darüber hinaus soll durch Reifikation und den „Naturalisie neben Texten und anderen wissensver nach - gesellschaftlicher Realität(en) (ebd., S. diskutiert werden, warum diese Aussa- Bourdieu benheiten auf das Räumliche reduziert gen seitens der Sprecher (Rapper) ge- Arber 2007, S. 260) soziale Gege werden, der Raumbegriff also zum Syno- können Orte zu eindimensionalen Stereo- macht werden und inwieweit die Diskur- 19). „Über die Vermittlung von Bildern nym für soziale Verhältnisse wird (vgl. typen reduziert werden. Auf Grund ihrer sproduktion räumliche und soziale Diffe- et al. 2012) – Raumbilder be- Suggestivkraft, ihrer Unmittelbarkeit und - ihrer herausragenden Funktion bei der Brailich renzierungen manifestiert oder aufbricht. ziale Ordnung. Stabilisierung von diskursiv vermittelten Korpusbildung und Gang der Unter- einflussen respektive generieren die so Bedeutungen, sollte den Bildern und Kol- suchung sich insbesondere Tom sowie lektivsymbolen in der Diskursanalyse ein Im deutschsprachigen Raum machen Uwe für eine wissenschaftliche besonderer Platz eingeräumt werden, in- Videoportal Youtube im Schneeballprin- Holert In einem ersten Schritt wurden über das Hinwendung zum Visuellen stark. Sie dem man die Systeme kollektiver Symbo- zip 42 Hiphop-Videos recherchiert, die Pörksen fordern, dass auch Bilder auf deren le in ihrer Verbundenheit zu erfassen sich visuell mit dem Bildthema Groß- Mitwirkung an Wissensproduktionen hin sucht“ ( u. 2001, S. 23). wohnsiedlung (Hochhäuser, Plattenbau- untersucht werden müssen ( Es interessiert konkret, wie in Hiphop-Vi- ten, große Wohnsiedlungen, Wohnblocks Best Gebhardt u. deos räumliche und soziale Differenzie- Maasen, Uwe thematisiert mit dem Be- rungen hergestellt und miteinander ver- dass die visuelle Darstellung der Groß- Mayerhuser Renggli 2006, S. 18). etc.) auseinandersetzten. Dabei fiel auf, griff des „Visiotyps“ die Problematik knüpft werden. Analyseergebnisse geben wohnsiedlung oft kongruent mit der Ver- Pörksen hochstandardisierter und stereotypisier- dann Aufschluss darüber, auf welche Wei- ter Bildmuster. Er hat beobachtet, dass se diskursive Raumproduktionen zu ei- auftaucht. Es handelt sich demzufolge um wendung des Ghetto-Begriffs im Songtext wissenschaftliche Sachverhalte, politi- ner vorherrschenden sozialen Ordnung einen Diskurs über Großwohnsiedlungen, - geführt haben ( u. der gegenwärtig mit dem Ghetto-Begriff tionen zunehmend auf Visualisierungen 2009, S. 42-43). verknüpft ist. Zur Bezeichnung des zu un- sche Themen und viele weitere Informa Glasze Mattissek zurückgreifen. Graphiken, Luftbilder, Kar- tersuchenden Diskurses über Großwohn- ten oder Diagramme seien nur einige we- Methodik und Forschungsdesign: siedlungen wurde daher der Begriff nige Beispiele dafür, dass Visualisierun- Die semiotische (Bild-) Diskurs- „Ghetto-Diskurs“ gewählt. Das Bildmus- gen omnipräsent sind und sich nicht sel- analyse ter „Großwohnsiedlung“ blieb dennoch ten als „globale visuelle Zeichen“ Mit der semiotischen Diskursanalyse Diskursthema und war relevantester Be- ( 1997, S. 28) etablieren. Ein Bei- nach (2008a, b) ist es möglich, Vi- standteil eines Videos, um in den Analy- spiel sei die Berichterstattung über die deoclips zu untersuchen. Sie kombiniert sekorpus aufgenommen zu werden. Pörksen Meier Terroranschläge des 11. September 2001, Ansätze von s Diskursanalyse Ziel war es, einen Korpus von 10-20 in der immer wieder das Bild der in die mit Konzepten der Semiotik und Bildwis- Videoclips zu bilden, um eine annä- Foucault - senschaft. Monoperspektivische For- hernd verallgemeinerbare Aussage über zeigt wird. Dieser Visiotyp hat dazu ge- schungsansätze werden der Analyse die Bildkommunikation in Hiphop-Vi- Twin Towers einfliegenden Flugzeuge ge führt, dass heute die Bildkomposition von - deos machen zu können. Die 42 Video- Hochhaus und Flugzeug zum Sinnbild des deoclips es sind, nicht gerecht. Daher be- clips wurden schließlich mit Hilfe der komplexer Medientypen, wie Musikvi Terroranschlags geworden ist und damit dient sich der Synthese zweier Me- Datenanalysesoftware Atlas.ti kodiert. ihre ganz eigene Sprache spricht. thoden und nennt sie die semiotische Meier Es geht nun darum, die Ordnung von Diskursanalyse. Die grundlegende Frage- konnten dabei Darstellungen von Mig- Als häufig auftauchende Bildmuster Bilddiskursen zu entschlüsseln. An die stellung einer solchen Analyse ist „Wel- ration, Gewalt, Unsicherheit, Religion, Stelle der Frage, „wer, was, warum, zu ei- - Ethnizität, Drogenmissbrauch, Verwahr- ner bestimmten Zeit an einem bestimm- beln, Wendungen, Argumentationen, che Signifikanten (Ausdrücke, Leitvoka ten Ort sagt“ tritt die Frage, „wovon sich - losung und Tristesse ausfindig gemacht wer auf welche Weise zu welchem Zeit- tionen, Bewegtbilder, Stil etc.) sind für die ausgewählt, weil sie eine Vielfalt an Bilder, Grafiken, Sprache-Bild-Komposi werden. 19 Videos wurden daraufhin punkt an welchem Ort (k)ein Bild ma- - Bildaussagen beinhalteten und eine be- chen kann“ ( u. verhalte, Positionen, Haltungen, Wissens- Bezeichnung welcher Signifikate (Sach bestände, kollektive Deutungsmuster Bildmuster vorweisen konnten. Um eine Maasen, Mayerhuser sondere Häufigkeit der oben genannten etc.) im Diskurs etabliert?“ ( 2008a, Vergleichbarkeit der Videoclips zu ge- Renggli 2006, S. 8). Demzufolge gilt es herauszufinden, welche soziokulturelle Meier 106 Nicola Diehl: Die Großwohnsiedlung ein Ghetto?

währleisten, sollte der Korpus relativ kursanalyse nach a) - Sinn): Schritt drei widmet sich schließlich homogen sein. plarisch für jede Codegruppe wurden ein- der Bestimmung der bildlichen Diskursi- Meier (2008 . Exem zelne Videostills interpretativ analysiert. - 19 Videos erneut gesichtet und neben den Nicht Schlüsselbegriffe und Schlagworte terpretationsarbeit am Bild statt, die da- In einem zweiten Schritt wurden diese vität. In diesem Abschnitt findet die In bereits vorhandenen wenige neue mar- - rauf abzielt, „die zum Ausdruck kommen- - führenden Bild-Diskursanalyse, sondern de überindividuell geltende Weltan- sind der Interessenbereich der durchzu sis aller Themen wurden Codes formu- Schlagbilder und Schlüsselszenen ( schauung“ ( b, S. 271) heraus- kante Bildmuster herausgefiltert. Auf Ba liert, anhand derer der Korpus dann einer 27-29). zuarbeiten. Dabei ist das Wissen über Barn- Meier 2008 qualitativen Bilddiskursanalyse unterzo- Schritt 1: Der Phänomensinn: den Diskurs hilfreich, um diese Elemente well 2009, S. - Schritt der ikonographisch-ikonologi- zu erkennen. An dieser Stelle wird die Ge- Im ersten tern von markanten Themen war dabei schen Bildanalyse gilt es, den Phänomen- samtbedeutung des Bildes, also seine Be- gen wurde. Leitgedanke für das Herausfil unter anderem der hegemoniale (Ghetto-) sinn der Videostills zu beschreiben. Hier- deutungskonstruktion im gesellschaft- Diskurs über Großwohnsiedlungen (vgl. - - et al. 2012). Denn um Diskurse skriptiven Ebene, die der Beschreibung siert, indem man die Wechselwirkung al- bei befindet man sich auf einer rein de lichen Kontext interpretiert. Dies pas und deren Musterhaftigkeit untersuchen des Dargestellten dient und versucht, frei Brailich zu können, ist immer auch ein gewisses - aufeinander bezogenen Elemente und ler im Bild befindlichen kommunikativ Maß an Diskurswissen nötig, um über- mittelten Denotate sind die „üblichen“, Zeichensysteme sowie deren holistische von Interpretation zu sein. Die hier er haupt einen Zugang zu erhalten. das heißt allgemein gebräuchlichsten Be- Bedeutungsgenerierung betrachtet deutungen von Zeichen, die auf einer ge- ( 2004, S. 15; 2008b, S. Videos schließlich anhand der endgültig - 272). In einem dritten Schritt wurden die 19 Stöckl Meier formulierten Codes (Bildmuster/Bild- ruhen (Mediamanual.at 2009). Dabei samtgesellschaftlichen Übereinkunft be codes) analysiert. Dabei wurde in räum- - Verräumlichung durch raumbezoge- liche Codes (R1-R2) und themenbezoge- kanische Währung Dollar (dabei sei ne Bildkommunikate denotiert das Signifikat $ die US-ameri ne Codes (T1-T7) unterschieden. Da es ♀ Die Großwohnsiedlung als physiognomi- sich im Fall der vorliegenden Arbeit um steht für eine Frau (dabei sei „F r a u“ der sche Erscheinung taucht in allen 19 Vi- „D o l l a r“ der Signifikant), das Symbol eine Analyse von Videoclips handelt, be- - deos des Analysekorpus auf. Dadurch ge- men der visuellen Zeichen , ☼, ♥ in die- schieht eine Verortung aller im Videoclip Signifikant). Man würde also das Vorkom Anlehnung an ein von (o.J.) vor- sem Analyseschritt als die Darstellung erzählten Geschichten an den „Raum durfte es einer speziellen Methodik. In geschlagenes Analysevorgehen für Mu- von einem Fahrrad, einer Sonne oder ei- Großwohnsiedlung“. Dieses erste Bildthe- Richard sikvideoclips wurden aus allen 19 Videos nem Herz beschreiben. Mögliche Symbol- ma garantiert im Sinne der diskursiven zu jedem Code mehrere Videostills aus gehalte können schon an dieser Stelle be- Formation die diskursive Aussagefunk- dem Clip herausgezogen. Stills sind trachtet werden (♥ für Liebe,  für tion eines Videoclips bzw. seine Legitimi- Standbilder bestimmter Szenen in den Vi- Sport), lassen sich aber zweifellos erst im tät als diskurskonstituierendes Element deos, die im konkreten Fall in Form von Eingang in den Bild-Diskurs über Groß- Screenshots aus dem Video herausgezo- Schritt 2: Der Bedeutungssinn: - wohnsiedlungen zu erhalten. Das Bildthe- zweiten Analyseschritt ausfindig machen. gen wurden. Für jeden Code wurde dann sem Schritt werden symbolhafte Gehalte ma der Großwohnsiedlung tritt in ver- In die eine Still-Sammlung angelegt, in der die (Konnotate) aus den zuvor beschriebe- schiedenen Variationen auf. Ein erstes codezugehörigen Bildmuster zitiert sind. nen Denotaten ermittelt. Dazu gilt es, die Muster ist die reine Darstellung der phy- Zu jedem Code (Bildmuster/Bildcode) visualisierten Sachverhalte, Konzepte siognomischen Erscheinung. Dies ge- gibt es dementsprechend eine Sammlung und möglichen Absichten des Bildautors schieht über die Abbildung von Hochhäu- relevanter Schlüsselbilder. Je Code wur- zu interpretieren (steht das ♥ wirklich sern, Plattenbauten oder die Darstellung für Liebe oder wendet es der Autor im ganzer Siedlungen (vgl. Abb. 1, A-C). Der Bildkommunikat(e) („multimodales Mus- - Phänomensinn gleicht sich in den ge- den spezifische Schlüsselbild(er)/ ter als Symptom des Diskurses“; zit. nach zeichnung eines Organs). Zudem werden wählten Bildbeispielen durch das Bild- biologischen Kontext an, etwa zur Be die gestalterischen Mittel des Bildes ana- motiv „Hochhaus“, das in allen drei Bil- die gesamte Codegruppe einer wie folgt lysiert, die eine Beziehung zwischen Bild- dern auftaucht und durch die in jedem Meier 2008b, S. 272) exemplarisch für beschriebenen semiotischen Bild-Dis- rezipient und den bildlich dargestellten Stockwerk gleich großen und in gleicher kursanalyse unterzogen. Objekten evozieren. Gesten, Aufnahme- Höhe positionierten Fenster Monotonie winkel, Kamerapositionen, Einstellungs- ausstrahlt. Ein weiteres Bildelement ist Bilddiskursanalytisches Vorgehen größe, Bildausschnitte, Perspektiven und der Himmel im Hintergrund der Hoch- Die durchzuführende Diskursanalyse er- Beleuchtung sind damit gemeint ( folgt in folgenden drei Schritten einer 2004, S. 15). Richtung Graufärbung, in Bild B (Abb. 1) Stöckl häuser. In allen drei Fällen tendiert er in ikonographisch-ikonologischen Bilddis- Schritt 3: Der Wesenssinn (Ikonologischer ist er wolkenverhangen. Er wirkt sehr

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bedrohlich, als würde er etwas Schlech- drückender Monotonie“ und „Uniformi- Rapper positionieren sich vor tes (Gewitter, Regen) bringen. Das mar- tät“ ( - Hochhäusern kanteste Element des Bildkommunikats stellt, an dem man nicht gerne verweilen Richter 2006, S. 64) einen Ort dar „Großwohnsiedlung als physiognomi- möchte, der eine bedrohlich bedrücken- A schen Erscheinung“ ist jedoch die ge- de Atmosphäre ausstrahlt. „Gesichtslose wählte Kameraperspektive in Bild A und Wohnkästen mit winzigen Fenstern (...), B (Abb. 1). Beide greifen auf die Flucht- in denen mehr als eine halbe Million le- punktperspektive zurück, Bild 1A auf ho- ben müssen“ ( - rizontaler Ebene, Bild 1B in vertikaler den hier visuell inszeniert. Richter 2006, S. 64) wer Richtung. Die sowieso schon sehr großen, Die Fluchtpunktperspektive wird in ei- monotonen Bauten wirken dadurch noch nem weiteren Kommunikationsmuster Loco-D, Loco-D, Sequ.: 1:27-1:30min länger, noch größer und vermitteln das aufgegriffen und durch die Positionie- „... scheiß Bulle, komm verhaft' mich, ich scheiß' auf Blaulicht und box' dich mit Absicht ...“ Gefühl einer nicht mehr enden wollenden rung des Künstlers im Vordergrund er- B Monotonie und Tristesse. Damit rekur- gänzt (vgl. Abb. 2, A-B). Dadurch tritt die riert das hier gewählte Bildkommunikat Verortung an den Raum Großwohnsied- auf die im hegemonialen Diskurs vor- lung noch stärker zu Tage, da der Rapper herrschende Vorstellung vom „öden sich wahrhaftig im Raum der Großwohn- siedlung bewegt. Auch hier spielt die nach - Wahl der Fluchtpunktperspektive eine Ghetto“ (Die ZEIT/Zimmer 1992; zit. wichtige Rolle, denn in beiden Bildkom- Richter 2006, S. 62), das mit „be Die GWS in ihrer physiogno- munikaten der Abbildung 2 wird die von MC Nick / DoppelB, Dort wo ich herkomm', mischen Erscheinung - Sequ.: 0:32-0:33min „... Das sind Straßen, die ich liebe zu hassen. ...“ A tive (Froschperspektive) gewählt und IfL 2014 unten heraufblickende Kameraperspek Quelle: Entwurf: N. Diehl durch ein weiteres Bildelement, nämlich siehe Literaturverzeichnis Grafik: T. Zimmermann den sich vor dem Hochhaus positionie- - Abb. 2 (A-B): Rapper positionieren sich vor ken durch den gewählten Kamerawinkel Hochhäusern renden Interpreten, ergänzt. Beide wir sehr groß und mächtig und blicken auf

den Betrachter herab. Dies wird vor al- bewusst vor die Kamera halten. Dabei lem durch den Blickkontakt zwischen Be- Izan & Fazzad, Bleib Stark, Sequ.: 0:00-0:05min - verschiedener Flaggen, die unterschied- handelt es sich häufig um eine Vielzahl B mittelbar die Kamera fokussiert und ei- liche Nationalitäten repräsentieren. Mal trachter und Interpreten erreicht, der un nen fordernden bis aggressiven tauchen sie sehr vordergründig auf (vgl. - Abb. 3A), können aber auch im Bildhin- ziert das Bild eine sehr bedrohliche Wir- Gesichtsausdruck besitzt. Insgesamt evo kung beim Betrachter, die durch die in tergrund als Kulisse dienen. In beiden bewusst in Szene gesetzt. Fällen werden die Nationalflaggen sehr Mit diesen Bildkommunikaten wird Be- den Texten mitschwingende Aggression Absicht“, vgl. Abb. 2) um ein Vielfaches zug auf die Thematik Ethnizität oder Mi- („scheiß Bulle“, „hassen“, „box’ dich mit , Tage des Regens, Sequ.: 0:19-0:19min potenziert wird. Damit rekurrieren diese C beiden ersten Bildmuster auf den hege- die visuelle Präsentation der ethnischen gration genommen. In Abbildung 3A wird monialen Ghetto-Diskurs, der die Groß- - wohnsiedlungen als „nicht auf Verweil- lichen Flaggen Albaniens, Deutschlands, Vielfalt durch die im Vordergrund befind dauer angelegte Orte“ ( 2001, Polens und der Kurden (von vorne nach - hinten) kommuniziert und durch die Altrogge drohung darstellt. Wortschöpfung „Mischling Allee“ im S. 46) als Angsträume und Orte der Be - Die Großwohnsiedlung als Ort des gen Bildkommunikaten tauchen mehrere Tilos, Der neue Ausgangspunkt, Sequ.: 1:10-1:11min Songtext zusätzlich untermauert. In eini kulturell Fremden IfL 2014 Quelle: Entwurf: N. Diehl Abb. 3A). Es wird demzufolge ausgesagt, siehe Literaturverzeichnis Grafik: T. Zimmermann verschiedene Nationalflaggen auf (vgl. dass an diesem Ort offenbar viele ver- Ein anderes häufig auftretendes Bild- 3, A-B). Meist tauchen sie in Verbindung schiedene Ethnien zusammenleben. Da- Abb. 1 (A-C): Die Großwohnsiedlung in element sind Nationalflaggen (vgl. Abb. ihrer physiognomischen Erscheinung mit Personen auf, die diese Flaggen ganz mit wird das Diskurselement „Multikulti/

108 Nicola Diehl: Die Großwohnsiedlung ein Ghetto?

Die Konstitution von Subjekten durch Darstellung ethnischer Vielfalt Diskurse ist dabei ein sehr machtvoller (Multikulturalität) belt sind, verdinglichen, reifizieren: das Russen. Zudem wird eine Art Grenze zwi- - Ghetto SIND Türken, Albaner, Araber, A schen „wir hier“ und „ihr dort“ visuali- - Prozess, denn Diskurse definieren mitun siert. Denn in Abbildung 3A und B for- gibt sich eine Brisanz dahingehend, dass ter Identitäten. Im konkreten Beispiel er mieren sich die Träger der (verschiede- durch die bilddiskursive Verknüpfung der Elemente Stärke, Abgrenzung, Provoka- Form einer Mauer, die niemanden hin- tion mit dem Element Ethnizität ein Sub- nen) Nationalflagge(n) als Gruppe, fast in durchlässt. Sie transportiert die Aussage jekt des „provokanten Migranten“ kons- „Wir hier sind Multikulti“ und stehen tituiert wird. Naturalisierungseffekte, die „euch dort“ gegenüber. Sie grenzen sich diskursiven Verknüpfungen inhärent Lichtenberger Boys, Mischling Allee, Sequ.: 2:31-2:40min damit vom Betrachter ab und formieren sind, sorgen dafür, dass junge, männliche „... merke dir eins: wir sind Mischling Allee ...“ sich als eigene Gruppe, die einer anderen Migranten in der öffentlichen Wahrneh- B Gruppe gegenüber steht und den Raum mung als hart, patriarchalisch und pro- für sich einnimmt. Durch den Einsatz des vokant erscheinen. Es formiert sich ein stereotypes Bild des männlichen Migran- diskursive Verknüpfung von Aggressivi- ten aus der Großwohnsiedlung ( Ikons „Kampfhund“ findet zudem eine tät und Ethnizität statt (siehe Abb. 3B). Schoch Bildmuster, in denen die Großwohn- 2006, S. 105-107). siedlung als „von Männern dominierter Die Großwohnsiedlung als Ort der Ort“ präsentiert wird, sind ebenso ty- (Un-)Sicherheit und Kriminalität , Ausländer, Sequ.: 0:49-0:49min „... Deswegen lebe ich heute da, wo das größte Ghetto pisch. Härte und Stärke werden vermit- Birgit erklärt mit ihrer Bezeich- ist. Dort wo nur Kurden, Russen, Araber und Türken wohnen. ...“ telt, indem sich eine Gruppe von Männern nung des „Gangsterism“ das folgende Richard IfL 2014 wie in Abbildung 4 als Wand oder un- Bildmuster sehr treffend, wenn sie sagt Quelle: Entwurf: N. Diehl siehe Literaturverzeichnis Grafik: T. Zimmermann durchdringbare Mauer positioniert. Der oft verwendete direkte Blick in die Kame- (…), Schießereien, Schlägereien, Drogen- „Gezeigt werden Langeweile, Überfälle, Abb. 3 (A-B): Darstellung ethnischer Vielfalt deals, Glücksspiel und Posing mit der ei- (Multikulturalität) wirkt im Sinn der fordernden Bilder nach ra findet auch hier seine Anwendung und Multikulturalität“ aufgegriffen. Hier ent- und (2001) provo- steht ein Bruch zum ursprüngliches Ver- kant bis herausfordernd. Männlichkeit Mauerartige Formation männ- Kress Van Leeuwen licher Personen ständnis von Ghetto, der Diskurs verän- und Stärke werden visuell verknüpft und dert sich: Denn nicht die ethnisch homo- durch den unten stehenden Standpunkt A gene Gruppe lebt heute im Ghetto, der Kamera verstärkt. Durch die Schwarz- sondern hier leben Menschen mit den un- Weiß-Optik wirkt die Szenerie noch här- terschiedlichsten Migrationshintergrün- ter und rauer ( u. den, so die Bildaussage. Durch die diskur- Kerscher Richard soeben beschriebene Bildsprache mit 2003, S. 215). In Abbildung 4B wird die „Ghetto“ mit „Kurden, Russen, Araber und - sive Verknüpfung der Begrifflichkeit - ment „Ethnizität“ verknüpft. Wir sehen dem im Hintergrund befindlichen Bildele Eko Fresh feat. , Gheddo, Sequ.: 3:06-3:07min dert sich der ursprüngliche Sprachsinn die albanische Flagge, die aufgrund ihrer Türken“ (vgl. Abb. 3B, Songtext) verän B des „Ghetto“. Es entsteht ein Ghetto-My- roten Farbe trotz hintergründiger Positi- thos mit einer eigenen Logik, der als Teil onierung ins Auge fällt. Auf der Analyse- des gesamtgesellschaftlichen Diskurses Ebene des Bedeutungssinns kann man da- über Großwohnsiedlungen Bedeutungen raus schließen, dass die jungen Männer konstruiert. Durch die Verwendung des einen albanischen Migrationshintergrund Ghetto-Begriffs für Stadtteile, in denen haben. Auf diese Weise werden die Ele- wir auf eine ethnische sowie kulturelle mente Männlichkeit, Dominanz und Eth- Heterogenität treffen, entsteht ein neues nizität respektive Migrant miteinander Lichtenberger Boys, Mischling Allee, Verständnis vom Ghetto, bekommt der verknüpft. Diese diskursive Verknüpfung Sequ.: 2:12-2:22min

IfL 2014 Ghetto-Begriff ein neues Gesicht. Er er- führt zu einer Subjektkonstitution, welche Quelle: Entwurf: N. Diehl hält neue Zuschreibungen, die sich fest die Personen als provokante, männliche siehe Literaturverzeichnis Grafik: T. Zimmermann mit ihm verbinden und folglich an den und dominante Migranten (albanischer Abb. 4 (A-B): Mauerartige Formation Orten, die mit dem Ghetto-Begriff gela- männlicher Personen Herkunft) definiert. 109 Europa Regional 20, 2012 (2014) 2-3

genen Gang. Die Szenarien sind aggressiv: geballte Fäuste und verhüllte Gesichter Zeichen wird nach (1997) dann wir uns aufgrund der gewählten Kamera- hier als Index für Gewalt auf, denn ein mus trifft auch auf Abbildung 6C zu, wo Pörksen und Zerstörung erhellen die meist dunk- kausalen Beziehung zum Objekt steht, es Tathergang beobachten, ohne vom Täter der Gangsta, Waffen, Kampfhunde. Feuer zum Index, „wenn es in einer realen, auch perspektive im „Off“ befinden und den len, zerfallenen Räume, in denen sich die anzeigt: wie Rauch das Feuer, Flecken auf entdeckt zu werden. Wir werden Zeuge Gangsta präsentieren“ ( 2003, S. der Haut die Masern“ (ebd., S. 145). einer kriminellen Handlung. 82). Sie bezeichnet den visuell repräsen- Die geballte Faust, die das Messer fest Anders funktioniert die Bildkomposition Richard tierten Gangsterism als eines von vier in in der Hand hält oder der bewusst in die der Videoclip-Stills in Abbildung 7. Hier Hiphop-Videoclips auftauchenden, inhalt- Kamera gehaltene Schlagring an der wird zwar thematisch das Gleiche wie in Hand (vgl. Abb. 5B, C) wirken dann im Vergleich zum reinen Abbild von Waffen lichen Grundmustern. Insbesondere das Darstellung von Gewalthand- aufgegriffen und durch verschiedene sehr viel bedrohlicher und vermitteln lungen (beobachtende Kamera- Bildthema Gewalt wird dabei sehr häufig Bildmuster dargestellt. Beispielsweise eine weitaus aggressivere Stimmung. Die perspektive) durch Gegenstände, die eindeutig auf das visuelle Verknüpfung von Waffen und A Thema Gewalt verweisen. Auf der Phäno- Personen scheint in ihrer kommunikati- menebene sind dabei Schusswaffen, Mes- ven Funktion bedrohlicher, da durch die ser, Schlagringe und Ähnliches zu sehen. Erweiterung des Bildelements „Mensch“ ein Verweis auf eine tatsächliche Gewalt- werden dadurch zum Hauptthema des handlung vollzogen wird. Durch die ge- Sie befinden sich im Bildmittelpunkt und Bildes (vgl. Abb. 5, A-C). Die Waffe tritt wählte Kameraperspektive in Abbildung 5C ist der Betrachter zudem unmittelbar mit dem in die Kamera gerichteten ag- Benyo Hussain, Hier in Porz, Sequ.: 0:19-0:20min Waffen als Indizes für Gewalt gressiven Blick des Rappers konfrontiert. B

A Neben der visuellen Verknüpfung von Mensch und Waffe verstärkt die gewähl- te Kameraperspektive die bedrohliche Stimmung. - handlungen werden dargestellt. Sie rei- Auch tatsächlich stattfindende Gewalt

Alpa Gun, Ausländer, Sequ.: 2:06-2:06min Schläger- und Messerstechereien bis hin chen vom „harmlosen“ Boxkampf über C , Straßenjunge, Sequ.: 0:59-0:59min zu brennenden Autos oder gar Schieße- B reien. Dabei wird der Betrachter entspre- chend der gewählten Kameraperspektive entweder zum Zeuge oder sogar zum Op-

- fer dieser Gewalthandlungen (vgl. Abb. 6 lichen diesen Unterschied sehr treffend. und 7). Die Abbildungen 6 und 7 verdeut Izan & Fazzad, Bleib Stark, Sequ.: 0:39-0:40min der Gebrauch einer Schusswaffe visuali- IfL 2014 Benyo Hussain, Hier in Porz, Sequ.: 2:59-3:00min In den Bildern 6A und 7A wird jeweils Quelle: Entwurf: N. Diehl - siehe Literaturverzeichnis Grafik: T. Zimmermann C waffneten Person quer durch das Bild siert. Im ersten Bild läuft der Arm der be und ist auf eine andere Person gerichtet, Abb. 6 (A-C): Darstellung von Gewalthand- die sich rechts außerhalb des Bildrandes lungen (beobachtende Kameraperspektive)

Beobachter, zum Zeugen der Gewalthand- befindet. Wir als Betrachter werden zum lung, wodurch eine Art Realitätsbeweis, wird jedoch durch den Blickkontakt mit Abbildung 6 dargestellt, der Betrachter eine „visuelle Zeugenschaft“ ( der Bildperson in die Handlung mitein- u. - bezogen. Der Betrachter wird zum Opfer TZA, Wut, Sequ.: 0:31-0:32min Maasen, reicht wird, denn wir haben ja selbst ge- der Gewalthandlung, denn die Waffe ist IfL 2014 Quelle: Entwurf: N. Diehl Mayerhauser Renggli 2006, S. 21) er siehe Literaturverzeichnis Grafik: T. Zimmermann sehen, dass eine Waffe im Spiel war, wir direkt auf den Betrachter gerichtet und waren dabei, als es geschehen ist und die Faust schlägt direkt ins Gesicht. Auch Abb. 5 (A-C): Waffen als Indizes für Gewalt können es „bezeugen“. Dieser Mechanis- -

hier findet wiederholt der „Unten-Stand 110 Nicola Diehl: Die Großwohnsiedlung ein Ghetto?

chenen „geballten Fäuste und Darstellung von Gewalthand- verhüllte(n) [eingefügt, N.D.] Gesichter Visualisierung von Aggressivität lungen (frontale Kameraper- durch Vermummung und spektive, Opferrolle) der Gangsta“ sowie die direkt in die Ka- aggressive Gesichtsausdrücke mera gerichteten, aggressiven Gesichts- A - A gers (vgl. Abb. 8). Neben den bereits be- ausdrücke oder das Zeigen des Mittelfin schriebenen Effekten, die durch die gewählte Kameraperspektive entstehen, lassen sich ebenso Verortungstendenzen durch direkte Verknüpfung zwischen Ge-

waltindizes (Baseballschläger, aggressi-

Loco-D, Loco-D, Sequ.: 1:59-2:01min MC Nick / Doppel B, Dort wo ich herkomm', konkreten räumlichen Bildkomponenten Sequ.: 2:58-3:02min B ver Gesichtsausdruck, Mittelfinger) und (konkreter Raumbezug: Schriftzug „Ober- B hauser Str.“ in Abb. 8A) erkennen. Als neues, aussagekräftiges Bildelement fällt die Nahaufnahme der Gesichter auf, wo- durch die Mimik der Personen sehr gut erkannt werden kann. Dabei wirkt die Naheinstellung der Kamera durch ihre Alpa Gun, Ausländer, Sequ.: 1:26-1:26min minimale Distanz zwischen Bildperson Eko Fresh feat. Bushido, Gheddo, Sequ.: 3:14-3:15min C und Betrachter ungleich emotionaler als die Aufnahme einer Totalen, die der C

über eine Filmsituation verschaffen soll. Orientierung dient und einen Überblick Durch die Nahaufnahme können Ge- sichtsausdrücke erkannt werden. Die ag- gressive Mimik wird dementsprechend in ihrer Wirkungsstärke potenziert (vgl. Loco-D, Loco-D, Sequ.: 1:27-1:31min Abb. 8B). MC Nick / DoppelB, Dort wo ich herkomm', IfL 2014 Sequ.: 4:10-4:10min Quelle: Entwurf: N. Diehl Gleiches gilt für die Visualisierung von siehe Literaturverzeichnis Grafik: T. Zimmermann Aggressivität durch das Bildelement „Mit- IfL 2014 Quelle: Entwurf: N. Diehl siehe Literaturverzeichnis Grafik: T. Zimmermann Abb. 7 (A-C): Darstellung von Gewalthand- lungen (frontale Kameraperspektive, Nahaufnahme und die Positionierung des telfingerzeigen“ (Abb. 8C). Durch die Opferrolle) Abb. 8 (A-C): Visualisierung von Aggressivi- tät durch Vermummung und aggressive wird die Ablehnung, die Beschimpfung gezeigten Mittelfingers in der Bildmitte Gesichtsausdrücke punkt“ der Kamera seine Anwendung. zur zentralen Aussage des Bildkommuni- Die abgebildeten Personen wirken noch kats, die durch den konfrontativen Unten- - überlegener und der Betrachter fühlt sich Standpunkt der Kamera direkt an den Be- lativ großformatig abgebildet ist. Auch sich im Bildmittelpunkt befindet und re dementsprechend noch kleiner, unter- trachter gerichtet ist (vgl. Abb. 8, A-C) hier wird durch die Verbindung von Nah- worfener und schwächer als es bei einer ( 1984, S. 78-80). Wiederholt aufnahme und Unten-Standpunkt der Ka- Augenhöhe-Perspektive der Fall wäre - Kandorfer ( - meraperspektive in der Opferrolle, in der beim Betrachter erreicht. Die Bildhinter- befindet sich der Zuschauer durch die Ka mera ein hohes Bedrohungsempfinden tergrund sind Hochhäuser zu erkennen. er zudem beschimpft und bedroht wird. gründe unterstreichen das Unwohlsein Kanzog 2007, S. 146-148). Im Bildhin Das Bildmuster Großwohnsiedlung und Zu den Bildmustern „Waffe“, „Gewalt- aufgrund ihrer kühlen Architektur (nichts das Bildmuster Gewalt verschmelzen so handlung“ und „Aggressivität“ gesellt sich sagende Betonfassaden). Auf der Ebene zu einem Kommunikat, was eine zweifel- noch ein weiteres hinzu, das dem über- des Bedeutungssinns erschließt sich der lose Assoziation der beiden Bildthemen geordneten Bildthema Gewalt zuzuord- – Großwohnsiedlung und Gewalt – ent- Denn es handelt sich hier um eine ganz Hund wie die Waffe als Index für Gewalt. stehen lässt. Ein weiteres Bildmuster, das (vgl. Abb. 9). Es funktioniert ähnlich wie bestimmte Hunderasse, die sehr bewusst nen ist: das Bildmuster „Kampfhund“ sich ebenfalls der soeben beschriebenen visuell inszeniert wird. Nicht der Rauhaar- Kameraperspektive bedient, sind die von Bildelement „Waffen“. Auf Phänomenebe- dackel oder der Pudel sind zu sehen, son- das oben beschriebene indexikalische Birgit (2003, S. 82) angespro- ne sehen wir zunächst einen Hund, der dern jene Bullterrier-Rassen, die im ge-

Richard 111 Europa Regional 20, 2012 (2014) 2-3

samtgesellschaftlichen Sprachgebrauch ken diese Bilder sehr bedrohlich und be- einhergehenden Generalisierungs- und ängstigend. Durch Verortungselemente Naturalisierungstendenzen, also der Ein- - (Straßenschilder, Hochhäuser) erfährt schreibung der soeben beschriebenen so- als „Kampfhunde“ bezeichnet werden und hunde“ werden im Videoclip gezielt aus- der Betrachter die Großwohnsiedlungen zialen Phänomene in den Raum der Groß- ein spezifisches Image tragen. Die „Kampf gesucht, um einen Verweis auf „Kampf“ als Orte der Gewalt, als Angsträume, als wohnsiedlung, passiert eine Verräumli- und „Gewalt“ herzustellen (vgl. Abb. 9). bedrohliche Orte, in denen er auf Gewalt chung sozialer Gegebenheiten. Die Zusammenfassend bleibt festzuhalten, trifft oder sogar Opfer von Gewalt wer- Großwohnsiedlung wird zum Ort der Ge- dass sich das Bildthema Gewalt gezielt den kann – eine Vorstellung, die dem he- walt, der Unsicherheit, zum Angstraum den Bildelementen „Waffe“, „Gewalthand- gemonialen Diskurs über Großwohnsied- konstituiert. Es ist dann nicht mehr ein lungen entspricht und sich in und durch die Videoclips des Analysekorpus mani- die zu Problemen führen, sondern die Der Kampfhund als Index der Ort, an dem bestimmte Dinge stattfinden, Gewalt festiert. - - A Großwohnsiedlung IST Gewalt, IST Unsi Die Großwohnsiedlung ein - cherheit und IST Angst: die Großwohn Ghetto? Ergebnisse der Bild- schreibungen vereinen sich zu einem siedlung IST das Problem. All diese Zu diskursanalyse Ghetto-Mythos, der sich als etablierte Er- Wie präsentiert sich also der Bild-Diskurs zählung über den Raum Großwohnsied- über Großwohnsiedlungen innerhalb der lung stülpt, so dass der Diskurs visuell Musikvideoclips? Welche Kommunika- spricht und sagt: die Großwohnsiedlung

tionsmuster und bildgrammatischen

Eko Fresh feat. Bushido, Gheddo, Sequ.: 3:16-3:16min Stereotype Bildgrammatiken in den IST das Ghetto. durch Wiederholungen und Regelhaftig- Videoclips emotionalisieren das diskur- B Strukturen lassen sich finden? Entstehen keiten manifeste Deutungsmuster? Liegt siv Erzählte. Der Visiotyp der raumbe- vielleicht sogar ein bestimmter Visiotyp zogenen Bildkommunikate (vgl. Abb. 10, vor, der sich als standardisierte Visuali- innerer Kreis) bedient sich einer farblo- sierung der Großwohnsiedlungen durch- sen Darstellungsweise der Wohnhoch- gesetzt hat und so bestimmte Weltbilder häuser, die Monotonie, Tristesse und transportiert? Eine visuelle Darstellung Kälte vermitteln. Beliebter Kamerawin- des Bilddiskurses zeigt zusammenfas- kel ist die Frosch- oder Fluchtpunktper- TZA, Wut, Sequ.: 0:54-0:57min send, wie das mythische Bild „vom deut- spektive, um die Hochhäuser noch höher C schen Ghetto Großwohnsiedlung“ kons- und die Siedlungen noch endloser er- tituiert wird (vgl. Abb. 10). Die einzelnen scheinen zu lassen. Ähnliche Grammati- Bildkommunikate treten als Aussagen auf ken werden auch bei der Visualisierung und konstituieren zusammen den vor- themenbezogener Bildkommunikate herrschenden Diskurs. Er stellt damit eingesetzt, zum Beispiel bei der Visuali- eine standardisierte Form des Zugriffs sierung männlicher Dominanz oder der auf Wirklichkeit dar, von (1997) heroischen Darstellung der Rapper als Visiotyp bezeichnet. Neben den ver- selbst. Denn „bei den Gangstervideos be- TZA, Wut, Sequ.: 0:56-0:57min Pörksen ortenden Bildkommunikaten (R1-R2) im IfL 2014 Quelle: Entwurf: N. Diehl Zentrum der Abbildung 10, tauchen in Froschperspektive, um den Respekt vor siehe Literaturverzeichnis Grafik: T. Zimmermann findet sich die Kamera gerne in der den Videos wiederholt jene themenbezo- dem Gangster auch formal auszudrü- genen Bildmuster (T1-T7) auf, die Ge- cken“ ( u 2003, S. Abb. 9 (A-C): Der Kampfhund als Index der schichten von ethnischer Fremdheit, 215). Sei es die Froschperspektive, die Gewalt Kerscher . Richard den Betrachter in eine Opferrolle gegen- Alkohol, Diebstahl, Polizei, Vandalismus über dem groß und mächtig erscheinen- männlicher Dominanz, Islam, Drogen und bedient, die in allen Videos immer wie- und Gewalt (vgl. äußerer Kreis der Abb. den Gangsta-Rapper positioniert oder lung“, „Aggressivität“ und „Kampfhund“ der und im Vergleich zu anderen Bildele- die frontal konfrontative Bildperspekti- - statt. Teilweise verorten Straßenschilder ve, die durch den Blickkontakt zwischen 10) erzählen – eine Verknüpfung findet men mit der oft gewählten Bildgramma- die Erzählungen sogar an ganz konkrete Betrachter und Bildperson sehr for- menten sehr häufig auftauchen. Zusam tik des Unten-Standpunktes, kombiniert Großwohnsiedlungen (Berlin-Marzahn, dernd bis aggressiv wirkt – bei den Bild- mit Naheinstellungen bis hin zu Großauf- Köln-Porz) oder Straßenzüge (Oskar-Ma- kommunikaten „Gewalt“, „männliche Do- nahmen, die den Betrachter meist in die ria-Graf-Ring, München-Neuperlach). minanz“ und auch bei dem Bildthema Rolle des bedrohten Opfers stellen, wir- „Ethnizität“ tauchen diese Bildgramma-

Durch den Prozess der Reifikation mit 112 Nicola Diehl: Die Großwohnsiedlung ein Ghetto?

Bild-Raum-Diskurs deutscher Großwohnsiedlungen als Ghetto-Diskurs in Hiphop-Videoclips

Ethnizität

Männliche Dominanz

Verortung

Gewalt

Religion / Islam

Drogenmissbrauch / Alkohol Staatliche Sicherheitsdienste ko nkreter Raumbezug

Vandalismus

Diebstahl / Raubüberfall

IfL 2014 Entwurf: N. Diehl Grafik: N. Diehl Quelle: eigene Darstellung editiert: T. Zimmermann

Abb. 10: Bild-Raum-Diskurs deutscher Großwohnsiedlungen als Ghetto-Diskurs in Hiphop-Videoclips tiken immer wieder auf und sorgen für rend schon die inhaltlichen Erzählungen ein stark emotionalisiertes Bedrohungs- Bedrohung vermitteln, potenziert sich ist, dass die jugendlichen Rapper, (die Beachtung finden. Denn verwunderlich diese Wahrnehmung aufgrund der ge- - durch die Kombination des Bildelements wählten Bildgrammatiken und -kompo- men, über die sie rappen), den stigmati- empfinden beim Betrachter. Besonders häufig aus der Großwohnsiedlung kom Ethnizität mit der bedrohlich wirkenden sitionen. Sie sorgen für eine emotiona- - Bildgrammatik entstehen diskursive lisierte Rezeption der dargestellten dern ihn viel mehr bestärken. Dabei sierenden Diskurs nicht aufbrechen, son - Bildinhalte und verstärken das Bedro- müsste es doch deren Motivation sein, kation ideologische Aussagen transpor- hungsgefühl. eben gerade einen Gegendiskurs zu je- Verknüpfungen, die in Form einer Reifi nem hegemonialen Diskurs zu entwerfen, auch die Darstellung von Waffen, das Jugendliche Identitäten im Hip- um eine Veränderung ihrer sozialen Lage tieren (Ethnizität IST Bedrohung!). Aber hopvideo – Interpretation und herbeizuführen. Stattdessen rezitieren sowie vermummte Gesichter und eine Einordnung der Ergebnisse sie ihn – bestehende Disparitäten und so- ständig auftauchende Ikon „Kampfhund“ Bildgrammatik, die den Betrachter im- Die Analyse hat gezeigt, welchen Diskurs ziale Ungleichheiten werden dadurch un- mer wieder in die Opferrolle der Gewalt- die Hiphop-Videos hervorbringen und termauert statt aufgebrochen. handlungen steckt, tragen zur wie sie diesen Diskurs durch visuelle Erklärung könnten postkoloniale An- Konstitution der Großwohnsiedlung als Raumbezüge an konkrete Orte knüpfen. sätze der Cultural Studies liefern, die sich Angstraum und Ort der Gewalt bei. Wäh- Neben dem Wie soll nun auch das Warum

mit Fragen der Identität beschäftigen. Sie 113 Europa Regional 20, 2012 (2014) 2-3

Überblick über den Datenkorpus

Stadt / Stadtteil Anzahl der Auswahl als Vd.-Nr. Interpret Songtitel Label (Herkunft des Views (01.07.2009) Favorit (01.07.2009) Interpreten) Youtube Youtube 1 Weck mich auf unter Eimsbush Entertain- (Berlin) 3 319 285 14 182-mal ment (Independant) 2 Alpa Gun Ausländer Sektenmuzik (Independant) Berlin-Schöneberg 2 065 361 4 802-mal 3 Sido Straßenjunge / Universal Berlin- 948 229 2 161-mal Music Group (Major) (Märkisches Viertel) 4 Sido Aggro Berlin / Universal Berlin-Reinickendorf 715 361 1 599-mal Music Group (Major) (Märkisches Viertel) 5 Benyo Hussain Hier in Porz Komekaté Entertainment Köln-Porz 251 158 558-mal (Independant) 6 Lichtenberger Mischling Allee k.A. Berlin-Lichtenberg 118 263 144-mal Boys 7 TZA Wut Headhunt-Records München-Milbertshofen 107 478 297-mal (Independant) 8 Boykott Marzahn Boykott Records Berlin-Marzahn 68 697 177-mal (Independant) 9 DkOne Richtsberg k.A. Marburg-Richtsberg 54 384 100-mal 10 Eko Fresh Gheddo (Major / Sony Köln-Kalk / 49 501 85-mal feat. Bushido BMG) Berlin-Tempelhof 11 Ostmob Plattenbauten Ostmob (Independant) Cottbus 44 884 158-mal 12 Serk, Amun Kein Weg zu weit MainTheme Records Berlin-Neukölln 34 612 167-mal & She-Raw (Major) 13 Loco-D Loco-D Rapkilla Records Freiburg i. Breisgau 34 323 97-mal (Independant) 14 Tilos Der neue München 83 Records München-Neuperlach 32 003 114-mal Ausgangspunkt (Independant) 15 Azad Tage des Regens bozz-muzik (Major / Sublabel -Nordweststadt 25 067 107-mal Universal Music) 16 MC Nick / Dort wo ich 203 Records Bremen-Osterholz und 23 635 57-mal DoppelB herkomm' (Independant) -Blockdiek / Bremen-Ost 17 Sinan Sohn seiner Aggro Berlin / Universal Berlin-Kreuzberg 23 057 98-mal Klasse (Snippet) Music Group (Major) 18 OgDok feat. Von der Straße Original Ghetto Sound Berlin-Neukölln 2 385 7-mal Cero & Krystal bis ans Mic (Major) 19 Izan & Fazzad Bleib Stark (Blood Diamondz, unsigned) Bremen-Tenever und 2 105 10-mal Neue Vahr / Bremen-Ost

Quelle: eigene Zusammenstellung

Tab 1.: Überblick über den Datenkorpus gehen davon aus, dass die jugendlichen halten kann durchaus auch als Konse- Rapper (Subalterne) versuchen, sich mit quenz eines – zunächst durch Politik und nicht mehr bloß die „Ausgegrenzten“ und aus dem Ghetto identifizieren und sind dem Erzählen ihrer Ghetto-Geschichte Presse etablierten – Ghetto-Stigmas be- „Marginalisierten“ ( 2001, - trachtet werden. Denn schließlich ist die - Scharenberg tät zu erschaffen. Das funktioniert über Selbstzuschreibung der Jugendlichen als ein kollektives Bewusstsein, eine Identi S. 246-248). Der strategische Essentialis eine eigens kreierte Hiphop-Ghetto-Kul- „Ghetto-Gangster“ eine Konsequenz eines oder Subkulturkonstruktion, um auf Ba- mus spricht von strategischer Identitäts- zunächst von außen an sie herangetrage- - (Marzahn, Neuperlach, etc.). Man spricht nen, also fremdzugeschriebenen Stigmas. tive ein Gehör im diskursiven Feld tur, verortet in spezifischen Stadtteilen sis dieser Identität eine Stimme respek Die Fremdzuschreibung transformieren hegemonialer Diskurse zu erhalten ( - gezielt geschaffen wird, um eine Spre- die Jugendlichen in eine Selbstzuschrei- o.J., S. 7-8). Das Strategische daran hier auch von strategischer Identität, die Be cherposition im diskursiven Feld zu er- bung und gründen darauf eine eigene, ist, dass die Subalternen (Jugendlichen) dorf halten ( o.J., S. 7-8). Als „Stimme neue, man kann sagen – gettozentrische zumindest für eine gewisse Dauer jene der Anderen“ versuchen sich die jugend- - Bedorf lichen Rapper im Sinne der „Postcolonial Marginalisierung von sich schütteln. So men, die ihnen seitens des hegemonialen – Identität, wodurch sie das Stigma der Identität oder Subjektposition überneh Studies“ Gehör zu verschaffen. Das Ver- können sie sich über ihre eigene Herkunft Diskurses zugeschrieben wird, um als

114 Nicola Diehl: Die Großwohnsiedlung ein Ghetto?

Teil des Diskurses gesellschaftlich hand- 2009, S. 27). Das Problem liegt den Jugendlichen nachgefragt, also be- lungsfähig zu werden. Sie entwickeln da- nun in dem essentialistischen Moment, dient man die Nachfrage mit einem ent- dantz dass aus einer zunächst strategischen sprechenden Angebot (dem Ghetto- von der aus es ihnen möglich wird, eine - raus eine eigene Identität und Subkultur, diskursive Sprecherposition einzuneh- Verlauf der Zeit eine soziale Tatsache ben. Hiphop ist folglich beides: ein Rollen- oder Identitätsübernahme im Image), um ökonomischen Erfolg zu ha men, diskursive Aussagen machen zu wird, die es unmöglich macht, die ange- können und so – möglicherweise – Ein- aber gleichzeitig auch ein Werkzeug zur Instrument der Kritik und des Protests (was ja die ursprüngliche Motivation Reproduktion und Manifestation sozialer nommene Identität wieder zu verändern auf soziale Ordnungen nehmen zu kön- war). Daraus resultiert, dass den Subal- - fluss auf bestehende Diskurse und damit ternen die Chance, eine diskursmächtige- lich, wenn man beide Erklärungen zu- Ungleichheit (ebd., S. 267). Und schließ des zunächst von außen zugeschriebenen re Position zu erhalten, verwehrt bleibt, sammenführt, so kann man fast sagen, nen. Übersetzt heißt das, dass sie das Bild aggressiven, gewalttätigen Jugendlichen, und die Möglichkeit zur gesellschaftli- dass das Ghetto-Stigma von den Jugend- der im verwahrlosten Plattenbau-Block chen Teilhabe und Handlungsfähigkeit lichen übernommen wird, um mit Hilfe lebt, bedienen, um eine Sprecherposition dadurch erneut negiert wird. Die Ein- zu erhalten. Denn nur von dieser, vom ökonomischen Erfolg zu haben und so ei- dieser Geschichten als mahnende Instanz Diskurs zugewiesenen Position aus, kön- Ordnung bleibt damit genauso unmöglich nen Ausweg aus dem Ghetto-Leben errei- flussnahme auf die bestehende soziale nen sie innerhalb des Diskurses sprechen wie eine Veränderung der eigenen sozia- chen zu können. Ein enormer Unter- ( 2008, S. 13). Homi Bhabha len Lage ( 2008, S. 13). schied zwischen den ersten Rappern der (2000; zit. nach 2007, S. 41) sagt Ein weiterer Punkt, der Erklärung da- 1970er Jahre in den USA und dem aktu- Steyerl Steyerl in dem Zusammenhang, dass eben nicht für bietet, warum die stigmatisierten Ju- ellen deutschen Gangsta-Rap besteht also Winter das Schaffen einer Opposition zum hege- gendlichen den stigmatisierenden Dis- dahingehend, dass man bei letzterem monialen Diskurs, sondern seine „mime- kurs reproduzieren, ist sicherlich ökono- nicht ausschließlich von politischer Mo- tische Aneignung, Neu-Verortung und mischer Natur. So muss die Musik, um tivation ausgehen kann. Auch der Aspekt Neu-Einschreibung“ den Subalternen die nachgefragt und konsumiert zu werden, des Erfolgs in Form von ökonomischem Möglichkeit biete, gehört zu werden, um - auf diese Weise Diskurse verändern zu halt eines Videoclips muss bestimmte ständig wiederkehrenden Erzählungen bestimmten Kriterien genügen. Der In Profit ist eine weitere Motivation für die können. Man muss also Teil des Diskur- Stereotype der entsprechenden Subkul- vom Ghetto. Sie verschaffen Authentizität ses oder Dispositivs werden, um den Dis- tur aufgreifen, um wahrgenommen, nach- und bedienen jene Subkultur, die den kurs verändern zu können. Ein Gegendis- gefragt und konsumiert zu werden. „Die Gangsta-Rap nachfragt mit Geschichten kurs kann den bestehenden Diskurs nicht inhaltlichen Kriterien speisen sich zu gro- von Drogen, Polizei und der Chancenlo- - ßen Teilen aus dem populärkulturellen sigkeit im Plattenbau-Block. kursiv zugeschriebenen Position wird da- verändern. Die Identifikation mit der dis bei zunächst anerkannt, dann aber nach ist: Mode, Film, Werbung, Jugendkultur“ Wenn Raumbilder die Gesell- Kontext, in dem das Musikvideo verortet und nach unterwandert, um sich schließ- ( - schaft ordnen – Konsequenzen lich neu positionieren zu können. Das - etablierter Ghetto-Diskurse Schoch 2006, S. 72). Wesentliches Ele Phänomen der „Selbststigmatisierung“ nen dabei die durch die Bild-Diskurs- Die aktuelle mediale Konstruktion deut- ment im Kontext des Gangsta-Rap schei der jugendlichen Rapper scheint diesem Analyse herausdestillierten Themen oder scher Großwohnsiedlungen in Hiphop- Prinzip zu folgen. Durch die Akzeptanz Geschichten zu sein (T1-T7), die in den Videos labelt jene Orte mit einem Ghetto- der vom hegemonialen Diskurs zuge- Videoclips immer wieder auftauchen. - schriebenen Position erhält man eine Auch das ist sicherlich ein nicht unerheb- rung bei. Während die Großwohn- Image und trägt so zu deren Stigmatisie Sprecherposition im Diskurs, ist also Teil siedlung in den 1950er Jahren gleichzei- des Diskurses, und kann von hier aus dis- den Videos immer wieder auftaucht und tig Wohlstand, sanitärer Fortschritt, be- licher Grund, warum das Ghetto-Image in kursive Aussagen produzieren. Ange- damit zum Mainstream innerhalb der grüntes, sonniges Wohnen mit Balkon strebt wird jedoch, auf lange Sicht diese Hiphop-Branche wird ( war, ist sie im hegemonialen Diskurs der Position zu verlassen respektive sie in 2000er Jahre gleichzeitig Armut, Ver- Scharenberg eine andere, „bessere“ (diskursmächtige- Subkultur – der Gangsta-Rap gilt als er- 2001, S. 266). Dieses Mainstreaming der re) Position zu verwandeln. Mit dem Ein- folgreichste Hiphop-Subkategorie unse- sich die Videoclips Bildern des durch wahrlosung, Hartz IV, Ausgrenzung. Da zug des „anderen“ Wissens in den vor- rer Zeit – trägt mit dazu bei, dass der My- Massenmedien konstituierten hegemo- herrschenden Diskurs sollen so „die thos aufrechterhalten wird, Stereotype nialen Diskurses bedienen, tragen sie mit Grundfesten der Autorität des Machtdis- und damit soziale Ordnungen fortbeste- dazu bei, dass Großwohnsiedlungen zu kurses erschüttert und der Prozess der hen. Er ist in diesem Sinne ein Schlüssel Orten der Gewalt und Unsicherheit um- Umkehrung und Unterwerfung somit zum Erfolg. Denn die Musik mit den Ge- gedeutet werden. Durch massenmediale strategisch umgekehrt“ werden ( - schichten vom „Ghetto-Leben“ wird von Verbreitung auf Plattformen wie Youtou-

Rohr 115 Europa Regional 20, 2012 (2014) 2-3

be oder Myspace generieren sie so einen den“ haben und ihre Gestaltungskonven- sozialer Problemlagen sind – aber sie tra- prominenten Bild-Diskurs vom deut- tionalitäten auf einem bereits bestehen- gen dazu bei und sorgen dafür, dass spe- schen Ghetto. Soziale Gegebenheiten wer- den hegemonialen Diskurs über Groß- - den durch die Einbettung in räumliche lichkeit entstehen, sich verstärken, mani- zifische Wahrnehmungen in der Öffent Kategorien verdinglicht. Die Großwohn- dennoch dafür, dass das den Stadtvierteln festieren und etablieren. Denn es gibt wohnsiedlungen aufbauen, so sorgen sie siedlung steht nicht mehr nur zur Be- - durchaus positive Entwicklungen in den petuiert wird. „Der Ghetto-Diskurs steht hier betrachteten Großwohnsiedlungen, anhaftende Image manifestiert und per Wohnform, sie ist fest verknüpft mit den für die Verräumlichung einer sozialen sie scheinen für die Presse jedoch nicht zeichnung einer spezifischen Bau- oder ihr zugeschriebenen sozialen Phänome- Frage“ ( u 2009, berichtenswert sowie für die Rapper kei- nen. Daneben spielt der so etablierte S. 25), was verheerende Folgen für die ne Authentizität, also keinen Respekt und Ronneberger . Tsianos Raumdiskurs auch eine Rolle, wenn man Entwicklung der stigmatisierten Viertel keinen Erfolg zu bringen. Auch für ihre respektive deren Bewohnerschaft haben etablierte Kollektividentität und als Denn „Diskurse wirken zum einen bin- kann. Denn die Spaltung der städtischen - über raumbezogene Identitäten spricht. dend, zum anderen ausgrenzend. Es wer- Gesellschaft wird im Rahmen des Ghetto- gegrenzten wäre ein solches Bild wenig Grundlage für die sich auflehnenden Aus den – in den Medien – soziale Gruppen Diskurses räumlich eingeordnet – die ei- dienlich, denn sie würden keine Spre- mit Verhaltensweisen und Orten verbun- nen wohnen hier, die anderen wohnen cherposition erhalten. Die Folge des eta- den“ ( u 115). dort – dadurch polarisiert und verstärkt. blierten Ghetto-Diskurses: einmal stig- Was auf der einen Seite identitätsstiftend Stadtplanung und Politik reagieren mit matisierte Orte oder Personen kommen Best . Gebhardt 2001, S. wirkt und durch das Schaffen einer raum- verstärkter Quartiersarbeit in den „Pro- nur noch sehr schwer aus dem Schatten - blem-Vierteln“, mit lokalen Sicherheits- der Diffamierung hervor, soziale Un- wusstsein, ein Gemeinschaftsgefühl ent- diensten sowie gesonderten Belegungs- gleichheit wird diskursiv verstärkt. Die- bezogenen Identität ein Kollektivbe stehen lässt, wirkt auf der anderen Seite politiken. Soziale Differenzierungen wer- ser medialen Diskursmacht gilt es sich stigmatisierend und ausgrenzend. Dis- den in räumliche Differenzierungen bewusst zu werden. Denn auch in Fragen kurse bringen auf diese Weise soziale eingebettet, resultierende Handlungen von Stadtentwicklung kann diese Er- Ordnungen hervor, die sich gesamtgesell- und Politiken verstärken die Polarisie- kenntnis von großer Bedeutung sein. schaftlich auswirken, Ausgrenzung und rung und Stigmatisierung. Dementsprechend hat auch die Stadt- Literatur entwicklungsplanung erkannt, wie mäch- - Exklusion hervorrufen oder verstärken etablieren wissen. Bei dem in den Clips tig Raumbilder für die Entwicklung von terdisziplinäre Studie zu Musik und Bil- können, aber auch kollektive Identität zu Altrogge, M. (2001): Tönende Bilder. In konstituierten Ghetto-Diskurs offenbart Orten sind. Sie antwortet mit imagebil- dern in Videoclips und ihrer Bedeutung sich eine konventionelle Darstellungs- denden Maßnahmen wie Stadtmarketing für Jugendliche, Bd. 2 – Das Material: form, die die männlichen, meist jugend- oder Neighbourhood Branding, um stig- Die Musikvideos. Berlin. lichen Personen mit Migrationshinter- matisierte Viertel von ihrem Schattenda- (2007): Medien, Regionalisie- grund als aggressive, gewalttätige und sein zu befreien. Letztere Methode wird rungen und das Drogenproblem. Zur Arber, G. kriminelle Subjekte konstituiert. Diese Verräumlichung sozialer Brennpunkte. soziale Gruppe mit ihren zugeschriebe- Großwohnsiedlungen zu verbessern (vgl. , B. (Hrsg.): Zur Sozialgeogra- gezielt eingesetzt, um das Image von nen Verhaltensweisen wird ebenso fest u. phie alltäglicher Regionalisierungen, In: Werlen mit dem Ort Großwohnsiedlung verbun- Bd. 3: Ausgangspunkte und Befunde Zimmer-Hegmann Fasselt 2006, S. wird für entsprechende Siedlungen eine empirischer Forschung – Erdkundli- 203-214). Über das so genannte Branding respektive den Großwohnsiedlungen ge- Marke entwickelt, die das Unverwechsel- ches Wissen 121. , S. 251-270. den, also räumlich reifiziert: zum Ghetto hören aggressive, gewalttätige und krimi- bare und Einzigartige des Viertels betont (2009): Grundlagen der nelle Jugendliche mit Migrationshinter- und so die öffentliche Wahrnehmung des Filmgestaltung. München. Barnwell, J. grund a priori hinzu. Raumes verändern soll. Es ist jedoch frag- - Auch wenn es nachvollziehbare Grün- lich, inwieweit ein über kurze Dauer ins Bedorf. T. (o.J.): Interkulturelle Anerken de und wissenschaftliche Erklärungen - und der postkoloniale Diskurs (= Sek- nung, die Verkennung von Identität (siehe vorheriges Kapitel) für die gewähl- schaftlich fest verankerten hegemonialen tionsvortrag auf dem Deutschen Kon- Leben gerufenes Image einen gesell te Ausdruckform der Jugendlichen gibt, so ist dennoch eines zentral: Musikvideos kann. - Diskurs beeinflussen oder gar aufbrechen gress für Philosophie). Internet: http:// Es bleibt jedoch abschließend zu sagen: load/Sektionsbeitraege/08-1_Bedorf. www.dgphil2008.de/fileadmin/down deutscher Großwohnsiedlungen und tra- Nein, es sind nicht die Medien (allein), pdf (7.04.2010). werden zu Teilproduzenten des Images gen so zur Konstitution des Raumes bei. die ein Stadtviertel zum „Ghetto“ machen, u. (2001): Ghetto- Und auch wenn die jugendlichen Rapper die schuld an der Verwahrlosung Jugend- Diskurse. Geographie der Stigmatisie- Best, U. D. Gebhardt den Ghetto-Diskurs nicht selbst „erfun- licher oder Verursacher vieler weiterer

rung in Marseille und Berlin. (= Praxis 116 Nicola Diehl: Die Großwohnsiedlung ein Ghetto?

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118 Nicola Diehl: Die Großwohnsiedlung ein Ghetto?

Résumé Peзюме

Une cité est-elle un ghetto? Comment les vidéos de hiphop Район массовой жилой застройки - гетто? Как видео- Nicola Diehl Николя Диль créent une image et répertorient la société клипы хип-хопа генерируют пространственные обра- L’artiste MC Nick rappe dans ses chansons “Oui, vous avez rai- зы и таким образом структурируют общество - MC Nick lemagne et nous avons d’autres ghettos”. Son spectacle se dé- son, nous n’avons pas de ghetto de type américain. Ici, c’est l’Al В одной из рэповских композиций ( ) звучит: «Да, roule sur fond d’immeubles des cités. Le jeune interprète de - вы правы, у нас в Германии нет американских гетто, здесь hiphop Eko Fresh se plaint dans ses chansons “Je suis un jeune - Германия, у нас есть другие гетто»; фоном этого перфо Eko Fresh - манса является район панельной жилой застройки. Моло tous les jours pour ne pas y rester.” Ces paroles sont accompa- Gheddo, qui habite à Gheddo, Grembranx ou Tempelhof (...) et je prie дой исполнитель в стиле хип-хоп в одной из сво gnées d’images en noir et blanc où on voit des grands en- Grembranx их песен жалуется: «Парень, так как я живу в sembles, des armes, des consommateurs de drogue et des или Темпельхофе (...), то молюсь каждый день, jeunes délinquants. Un grand nombre de vidéos de style hiphop - чтобы мне здесь не пришлось оставаться». В видеоклипе ou font référence à ces conventions illustratives et - появляются чёрно-белые кадры, которые изображают рай contribuent ainsi au phénomène ou même à la création d’un - оны массовой панельной застройки, оружие, употребле discours stigmatisant les ghettos. En Allemagne, ce sont sur- - ние наркотиков и криминальную молодёжь. Многие ви tout les grandes cités comme Berlin-Marzahn, Munich-Neuper- део-ролики хип-хопа и соответственно в стиле гангста-рэ lach ou Brème-Tenever qui sont porteuses de cette image. Par па используют эти традиционные представления о гетто le biais des clips vidéo ou des images de communication récur- и таким образом вносят свой вклад в манифестирование rentes (barres d’immeubles, grands ensembles, armes, chiens - или даже этаблирование стигматизированного дискурса. - Berlin-Marzahn), В Германии это прежде всего районы массовой жилой за lence, de perte des valeurs et d’insécurité. Cette image négative München-Neuperlach de combat, drogues, police), ils deviennent des lieux de vio стройки, такие как Марцан в Берлине ( Bremen-Tenever Нойперлах в Мюнхене ( ) или Тенефер - - colle en conséquence aux habitants peuplant ces quartiers et в Бремене ( ), имеющие подобный имидж. С cherche d’un emploi). Les images sont donc capables de clas- leur occasionne d’autres problèmes (par exemple lors de la re помощью таких видеоклипов или постоянно повторяю щегося видиоряда (панельная застройка, многоэтажные théorie thématique, l’acquisition d’un savoir touchant à la vie ser la société. L’exposé considère, depuis une perspective de дома, оружие, бойцовые собаки, наркотики, полиция) они quotidienne au sein de la culture populaire et met tout parti- конституируются в качестве мест, где отсутствует порядок - и безопасность, царят насилие и разруха. Cледовательно - culièrement l’accent sur le plan visuel. Il s’agit de déterminer этот негативный образ прилипает и к жителям соответ comment les espaces urbains spécifiques sont définis par les ствующих районов и приводит к другим проблемам (на médias de culture populaire s’adressant aux jeunes et quelle пример, при поиске работы). Вот так пространственные - est leur influence sur les structures sociales réelles. Pour ce образы в состоянии структурировать общество. В статье soumis à une analyse sémiotique du discours convoyé par faire, les vidéoclips musicaux de style hiphop/gangsta rap sont с точки зрения теории дискурса структурируется повсед l’image et on étudie aussi leur contribution à la production mé- невное знание в рамках поп-культуры с концентрацией в первую очередь на визуальном уровне. Речь идёт о том, dans quelle mesure les histoires racontées par les images ou - diatique d’images des cités urbaines. Il faut également étudier чтобы выяснить, как конкретные городские пространства destinées à saper l’hégémonie du thème du ghetto y contri- - выделяются в средствах массовой информации молодёж buent. ной поп-культуры и какое влияние они оазывают на ре - альные процессы в обществе. При этом семиотически Stigmatisation, thématique du ghetto, barres d’immeubles, culture popu- - анализируются музыкальные видеоклипы хип-хопа/ганг laire, analyse thématique des images ста-рэпа, исследуется их вклад в создание имиджа райо нов массовой жилой застройки в СМИ. Следует также выяснить, в какой степени этот визуальный ряд способствует развитию гегемонистского дискурса гетто. -

Стигматизация, дискурсы гетто, районы панельной застройки, мас совая культура, дискурсивный анализ видеоряда

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