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Zoologisch-Botanische Datenbank/Zoological-Botanical Database

Digitale Literatur/Digital Literature

Zeitschrift/Journal: Stapfia

Jahr/Year: 1998

Band/Volume: 0058

Autor(en)/Author(s): Bittermann Wolfgang

Artikel/Article: Der Steinkrebs (Austropotanobius torrentium Schrank) in Wien 29-36 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at

Der Steinkrebs Austropotamobius torrentium in Wien

W. BITTERMANN

Abstract by setting out 30 egg carrying females and 20 males in Hainbach in spring and 100 The Stone Crayfish Austropotamobius males and females in autumn, respectively. torrentium in Vienna. Between 1992 and 1995, the program was continued by restocking the , the Starting 1987, twenty brooks in Vien- Steinbach and the Halterbach in the same na were investigated to establish the exi- way. All animals were kept for 6 to 16 stence of stone crayfish Austropotamobius days in aquariums to eliminate sick indivi- torrentium populations, or whether duals. (re)stocking is possible. A. torrentium More recent observations in Halter- populations were detected in three water- bach demonstrated that natural restocking courses. In four other brooks, water qua- from small spring areas is possible even lity and soil structure seemed highly suita- after many years disappearance in the ble for stocking or restocking programs. main watercourse. Therefore the program The restocking program started 1991 was stopped 1995.

Stapfia 58, zugleich Kataloge des OÖ. Landesmuseums, Neue Folge Nr. 137 (1998), 29-36

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Einleitung Nachfolgende Beobachtungen im Halter- bach zeigten jedoch, daß trot: mehrjährigem Zwischen 1987 unj 1995 wurden die Wie- Verschwinden der Tiere aus dem Hauptbach ner Bäche im Auftrag der Wiener Magistrats- und den größeren Nebengerinnen eine natür- ahteilung 22 (Natur- und Umweltschutz) hin- liche Wiederbesiedlung durch Restpopulatio- sichtlich des Vorkommens des Steinkrehses nen aus den Quellbereichen durchaus mög- untersucht. Folgende 20 Bäche wurden lich ist. 1987/88 bezüglich des Vorkommens von Aus- tropoiamobius torrentium überprüft: Arhes- Populationserhebungen Abb. 1: Ein für den Steinkrebs ideal strukturierter Um Steinkrebspopulationen nachzuwei- Abschnitt des Eck- sen, wurden folgende Vorgangsweisen baches. gewählt: Begehen der Bäche, um ihre Eignung als l.ebensraum für A. torrentium :u überprüfen. Besonderes Augenmerk wurde dabei auf die ausreichende Existen: geeigneter Unter- schlupfmöglichkeiten gelegt, da diese neben der Wasserqualität das Hauptknterium für die Besiedelung eines Gewässers mit Steinkrebsen darstellen (Sc.HL'l.TZ & KlRCHLEHNER 1984). Suchen von A. turrentium in geeigneten Bachabschnitten durch Umdrehen von Stei- nen. Diese Methode dient zur raschen Orien- tierung und ist die sicherste Möglichkeit, auch Jungtiere zu erfassen sowie das Geschlechtsverhältnis unabhängig von mögli- chen Aktivitätsunterschieden zu erheben. Begehen geeigneter Bachabschnitte bei Nacht. Die aktiven Krebse sind im Lichtkegel einer Taschenlampe gut zu finden. Anködern und Fangen mittels Krebsteller und -reusen. Diese Methode sollte das Über- bach, Dornbach, Eckbach, Grenzbach, sehen von Populationen mit geringer Indivi- Grünauerbach, Gütenbach, Hainbach, Hal- duendichte verhindern und wurde daher bei terbach, Kräuterbach, Lainzerhach, Liesing, Bächen angewandt, bei denen die anderen Mauerbach, Petersbach, Rosenbach, Rotwas- Nachweismethoden negative Ergebnisse ser, Schreiberhach, Steinbach, , erbrachten. Sie wurde vor allem an Stellen Wienfluss und Wunbach. eingesetzt, an denen die Wassertiefe eine opti- Im Gütenbach, Kräuterbach und dem sche Kontrolle unterband. Dornbach konnten in diesem Zeitraum Stein- Drei Bäche, der Waldbach, der Schreiber- krebspopulationen nachgewiesen werden. bach und der Petersbach sind vollständig In 4 Bächen, in denen keine Populatio- reguliert und konnten nach einer einmaligen nen des Steinkrebses nachgewiesen werden Begehung ausgeschieden werden. Von den konnten, die aber hinsichtlich Bachstruktur restlichen untersuchten Bächen konnten nur und Wasserqualität jedoch für diesen gefähr- im Gütenbach, im Dornbach und im Kräuter- deten Vertreter der heimischen Fauna geeig- bach Steinkrebspopulationen nachgewiesen net waren, wurden Wiederansiedlungsversu- werden. Da bei allen übrigen untersuchten che mit niederösterreichischen Tieren durch- Bächen zwischen drei und fünf Nachtfänge an geführt. für Steinkrebse gut strukturierten Bachab-

30 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at schnitten versucht wurden und auch mehrma- Tab. 1: lige Anköderung erfolglos blieb, wurde ein Siedlungsdichte von A. torrentium im Gütenbach, 10-m-Abschnitte. 1 = Untergrund vorwiegend Feinsediment, Strömung sehr gering. 2, 4, 6, 7 = stark strukturierte rezentes Vorkommen von A. torrentium :um Abschnitte mit Kolken und Stillwasserzonen. 3, 8 = gerade, seichte Bachabschnitte mit damaligen Zeitpunkt mit an Sicherheit gren- starker, gleichmäßiger Strömung, Bachbett gleichmäßig zugepflastert. zender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen. Abschnitt 1 2 3 4 5 6 7 8 A Spätere Beobachtungen am Halter-, Dorn- Individuen 2 15 0 9 13 21 8 3 8.5 und Gütenbach zeigten jedoch starke Popula- tionsschwankungen in den Hauptgerinnen. Tab. 2: Im Halterbach konnte nach dem Zusammen- Siedlungsdichte von A. torrentium im Dornbach, 10-m-Abschnitte. 1,2 = stark struktu- bruch einer gut etablierten Population Anfang rierte Abschnitte mit Kolken und Stillwasserzonen. 3, 4, 5 = gerade, seichte Bachab- der Achtzigerjahre mehrere Jahre kein Stein- schnitte mit gleichmäßiger Strömung. krebsvorkommen nachgewiesen werden. Abschnitt 1 2 3 4 5 A In zwei von drei Bachen, in denen Stein- Individuen 26 12 1 5 2 9.2 krebspopulationen nachgewiesen werden konnten, dem Gütenbach und dem Dornbach, Tab. 3: Tab. 4: Physikalisch-chemische Wasser- Geschlechtsverhältnis von A. torrentium. parameter. wurde eine semiquantitative Abschätzung der Populationsdichte durchgeführt, indem im m:w n Parameter Bereich Gütenbach 8 und im Dornbach 5 ausgewähl- Gütenbach Nachtfang 2,33:1 50 Temperatur in *C 1,9-21,6 Taqfanq 2,57:1 25 pH-Wert 8.1-«,4 te 10-m-Abschnitte besammelt wurden. Die Dornbach Nachtfang 2,75:1 45 °dH Carbonat 11,5-15 Fangstrecken wurden so gewählt, daß der °dH qesamt 18-23,5 Anteil unterschiedlicher Strukturen in diesem Chlorid mq/l 10-20 (BOHL 1986) nicht beobachtet werden. Inter- Bereich deren Zusammensetzung im gesamten O2 mq/l 9,4-12,2 essant ist allerdings, daß SCHULTZ & KlRCH- 0} % Sättiqunq 91-30 Bachbereich möglichst genau widerspiegelt. LEHNER (1984) im Spintikbach ein umgekehr- NH, mq/l 0,1-0,55 Die 8 Abschnitte im Gütenbach wurden in NO mq/l 0,0-0,04 tes Geschlechtsverhältnis feststellten. 2 der Nacht vom 23. auf den 24. Juli 1987, die 5 NO3 mq/l 1-15 Im Gütenbach konnten vier Fischarten PO4mq/l 0.0-0,11 im Dornbach in der Nacht vom 24. auf den nachgewiesen werden: Bachforelle (Salmo 25. Juli 1987 abgesucht. Bei beiden Populatio- m = männlich, trutta f. farin), Elritze (Phoxinus phoxinus), nen wurde das Geschlechtsverhältnis sowohl n = Anzahl der Individuen, Schmerle (Neomacheüus barbatulus), Koppe w = weiblich bei einem Nachtfang, im Gütenbach auch bei (Cottus gobio). einem Tagfang bestimmt, um etwaige geschlechtsspezifische Aktivitätsunterschiede zu erfassen (BOHL 1989a). Wasseranalysen Im Gütenbach wurde ferner versucht, die Zusammensetzung der Fischfauna durch mehr- Die Wasseranalysen wurden mit dem Ziel malige Begehung zu erfassen. durchgeführt, jene Bäche auszuweisen, die Die Ergebnisse der Populationsdichteerhe- neben geeigneten Strukturen auch eine aus- bung (Tab. 1,2) zeigen deutlich die inhomo- reichende Wasserqualität besitzen, um einer gene Verteilung von A. torrentium und unter- anzusiedelnden Steinkrebspopulation das streichen die entscheidende Rolle der Bach- Überleben zu ermöglichen. Als Referenz wur- struktur. Diese Ergebnisse stimmen weitge- de die Wasserqualität jener Bäche herangezo- hend mit jenen einer Untersuchung des Stein- gen, in denen A. torrentium vorkommt. krebses im Spintikhach in Kärnten überein Folgende physikalische und chemische (SCHULTZ &. KIRCHLEHNER 1984). Die in bei- Parameter wurden als Kenngrößen herangezo- den Bächen relativ hohe Dichte von durch- gen (Tab. 4): Temperatur, pH-Wert, Wasser- schnittlich 0,9 Individuen/Fließmeter und die härte, Sauerstoff- und Chloridgehalt sowie die augenscheinlich ausgewogene Größenvertei- Belastung mit Ammonium, Nitrit, Nitrat und lung lassen auf stabile Populationen schließen. Phosphat. Letztere sind gute Indikatoren für Das Geschlechtsverhältnis ist in beiden ein Belastung durch Haushaltsabwässer und Populationen in etwa gleich (Tab. 3). Signifi- Landwirtschaft. kante Unterschiede zwischen Tagfang (inakti- Diese Befunde decken sich mit den von ve Tiere) und Nachtfang (aktive Tiere) konn- BOHL (1987) in bayrischen Krebswässern ten trotz entsprechender Literaturhinweise gemessenen Werten.

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Wiederansiedlung des Stein- Populationsdichte aufwies, welche die Ent- krebses Austopotamobius torren- nahme einer ausreichenden Individuenzahl tium in Hain-, Eck-Stein- und Hal- erlaubte, ohne den Bestand zu gefährden. terbach 1991-1995 Am 1. April 1991 wurden 30 eiertragende Weibchen (Abb. 2) und 20 mittelgroße Die 1987 und 1988 durchgeführten Bach- Männchen (ca. 8-9 cm Körperlänge) gefangen begehungen und die Wasseranalysen wiesen 5 und in Hainbachwasser gehalten. Die Hälte- Bäche - den Eckbach, Grünauerhach, Hatn- rung wurde einerseits durchgeführt um die bach, Halterbach und Steinbach - für eine Tiere an den Hainbach zu gewöhnen - aus der Literatur war zu entnehmen, daß die Krebse an den Wasserchemismus ihrer Wohngewäs- ser geprägt sind und beim Umsetzen abzuwan- dern versuchen (HOFFMANN 1980) - und andererseits um mögliche Infektionen noch vor dem Aussetzen zu diagnostizieren. Die Gesamthälterungsdauer betrug zwischen 6 und 22 Tagen, die Eingewöhnung in Hain- bachwasser zwischen 0 und 16 Tagen. Bei kei- nem der Tiere konnten Krankheitssymptome beobachtet werden, die Tiere erweckten einen äußerst vitalen Eindruck. Eiertragende Weibchen wurden ausge- setzt, da mit wenigen Individuen ein maxima- ler Ansiedlungserfolg garantiert wird. Die Jungkrebse schlüpfen im wiederzubesiedeln- den Gewässer und sind daher auf jedenfall an den vorherrschenden Wasserchemismus geprägt. Die Männchen wurden ausgesetzt um nach der angestrebten erfolgreichen Adapta- tion schon im nächsten Jahr neuerlich Nach- wuchs zu produzieren. Der Besatz erfolgte im Oberlauf, der Quelle, um den Schlupf Abb. 2: Wiederansiedlung von A. uirremium als geeig- der Krebsbrut im Hainbach auch bei einer Eiertragendes Weibchen des net aus (BITTERMANN 1991). Steinkrebses. nicht auszuschließenden Abwanderung der Nach einer nochmaligen Überprüfung im ausgebrachten Weibchen zu garantieren. Frühjahr 1990, bei der vor allem auf das Vor- Da mittlerweile eigene Beobachtungen kommen und die Vielfalt geeigneter Struktu- und Wiederansiedlungsversuche des Stein- ren geachtet wurde (Abb. 1), fiel die Ent- krebses in Bayern - 4 von 6 Projekten verlie- scheidung für einen ersten Wiederansied- fen erfolgreich (BOHL 1989b) - gegen eine lungsversuch auf den Hainbach, einen Seiten- Abwanderung von A. lorrentium aus geeigne- bach des Mauerbaches im 14. Wiener ten Bachabschnitten sprachen, wurde ein Gemeindebezirk (BlTTERMANN 1992). Nachbesatz mit je 100 Weibchen und Männ- chen vorgenommen. Ein anfängliches Problem war die Tatsa- che, daß viele Populationen in der näheren Da die Ansiedlung im Hatnbach erfolg- Umgebung Wiens in den letzten Jahren erlo- versprechend verlief, wurde 1992 mit einem schen bzw. die Populationsdichte so stark Besatz des Eckbaches nach der selben Metho- abgenommen hat, daß eine Entnahme von de begonnen. Im Gegensatz zum Hainbach eiertragenden Weibchen nicht zu vertreten handelt es beim Eckbach eindeutig um eine war. Im Erlauftal in der Nähe von Scheibbs Wiederbesiedlung, da frühere Fundmeldungen konnte jedoch ein Bach - der Saffenbach - aus diesem Gewässer vorliegen und in zwei gefunden werden, der eine genügend hohe benachbarten und mit dem Eckbach verbun-

32 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at denen Gerinnen, dem Dorn- und dem Kräu- und es kam zum Ausbruch der Seuche. terbach, noch im wesentlichen stabile Stein- Eine weitere Gefahr droht den heimischen krebspopulationen existieren. Die Eignung des Krebspopulationen von Aquarianern. Im Zoo- Eckbaches konnte ferner bereits 1991 durch fachhandel wird seit einigen Jahren der deko- einen Besät: mit 30 Steinkrebsmännchen im rative Amerikanische Sumpfkrebs (Procamba- September und 2 Kontrollen im Spätherbst, rus clarkü) angeboten (Abb. 3). Dieser im bei denen jeweils mehrere Individuen wieder- Südosten der (Louisiana swamps) behei- gefunden wurden, praktisch nachgewiesen matete Flußkrebs ist wie alle amerikanischen werden. Ein Abwandern war mit an Sicher- Arten weitgehend gegen die Krebspest resi- heit grenzender Wahrscheinlichkeit aus:u- schließen. Durch intensive Suche war es ferner gelungen drei weitere Populationen in Nie- derösterreich nachzuweisen, die dicht genug waren, um eine Entnahme größerer Individu- enzahlen problemlos zu verkraften. Aufbauend auf den in den letzten Jahren gewonnen Erfahrungen wurde die Erneuerung der Steinkrebspopulationen in Wiener Bächen 1993 mit der Wiederbesiedlung des Steinbaches fortgesetzt und 1995 mit der des Halterbaches abgeschlossen. Der seither kontinuierliche Nachweis von Steinkrebsen im Eck- und Steinbach deutet auf einen Erfolg der Wiederhesiedelungsmaß- nahmen hin. Vor allem im Eckbach kann die hohe Populationsdichte durchaus als Erfolg gewertet werden. Im Gegensatz dazu ist die Population im Hainbach zusammengebro- chen. Die große Anzahl toter Individuen im stent und meist damit infiziert. Wenn nun Frühjahr 1994 läßt das Auftreten der Krebs- Abb. 3: Aquarianer die Krebse, die als stark grabende Der im Zoofachhandel immer wieder pest als nicht unwahrscheinlich erscheinen. Form das Aquarium umpflügen, auf „tier- angebotene Procambarus clarkü ist ein Da ein Nachweis dieser Pilzerkrankung nur an gefährlicher Überträger der Krebspest. freundliche" Art in Bächen „entsorgen", ist frisch toten Tieren gelingt und in Österreich bei einer vorhandenen Krebspopulation der derzeit aufgrund fehlender Infrastruktur nicht Ausbruch der Seuche garantiert. Darüber hin- möglich ist, konnte dieser Verdacht nicht aus besteht die Gefahr, daß die Tiere in wär- verifiziert werden. Da die Krebspest durch ver- meren Gewässern überleben und eingebürgert schiedenste organische Substanzen übertragen werden. werden kann, sind auch Fische und Wasser- vögel mögliche Infektionsquellen. Damit sind Andererseits bedeutet selbst das Auftreten auch isolierte Populationen wie die im der Krebspest nicht unbedingt das Erlöschen Hainbach potentiell gefährdet. Untersuchun- der Population, da der Infektionsdruck nur gen in Bayern belegen darüber hinaus, daß ein wenige Tage besteht. In stark durchströmten Befall durchaus verzögert auftreten kann. Dort Gewässern ist daher der Weiterbestand einer wurden weitgehend krebspestresistente Kam- Restpopulation - vor allem bachaufwärts des herkrebse gemeinsam mit hochempfindlichen Infektionsherdes - durchaus möglich. Das wür- Edelkrebsen gehältert. 17 Tage geschah de das Auffinden von 3 Tieren nach dem Auf- nichts. Dann häuteten sich die Kamberkrebse treten der vermuteten Epidemie im Hainhach und 2 Tage später waren alle Edelkrebse tot. erklären. Diese Beobachtung läßt den Schluß Verletzungen, die bei der Häutung auftraten, zu, daß die Population zwar stark ausgedünnt setzten offensichtlich die Sporen von Aphano- wurde aber nicht vollständig zusammengebro- myces astaci, dem Erreger der Krebspest, frei, chen ist. Dies insbesondere unter dem Aspekt,

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bereits begonnenen Besat:maßnahmen im Halterbach wurden danach sofort abgebro- chen. Au>sagen über einen Erfolg aber auch ein Scheitern von Besatzmaßnahmen können frühestens drei bis fünf Jahre nach deren Durchtührung gemacht werden und auch ein scheinbar gutes Autkommen der eingesetzten Tiere ist, wie das Beispiel Hainbach beweist, kein 100%iger Erfolgsnachweis. In einer sich gut entwickelnde Population steigt die Gefahr Jes Ausbruches der Krebspest stark an. So konnten etwa im Frühjahr 1997 in jenen Bereichen des niederösterreichischen Saffen- baches, in denen noch im Herbst 1996 eine extrem dichte Population existierte, kein ein- ziger Steinkrebs gefunden werden. Da jedoch auch keine der als Infektionsherde anzusehen- den nordamerikanischen Arten nachzuweisen daß auch in anderen Wiener Bachen - aber waren, besteht die Hoffnung, daß sich die Abb. 4: nicht nur in diesen - starke Populations- Population, ausgehend von quellnahen Rest- Steinkrebsmännchen bei einem nächt- beständen, wieder etabliert. lichen "Landausflug". schwankungen und hohe Sterheraten im Frühjahr ohne erkennbare Ursache zu beob- achten waren (Gütenbach 1985 und 1986). Aquarienbeobachtungen Ferner konnte im Hauptgerinne des Halter- baches trot: intensiver Suche mehrere Jahre Während der Kartierung 1987/88 lang kein einziges Exemplar gefunden werden, beschränkten sich die Laborarbeiten auf die während die Population bis 1995 wieder im Haltung von Steinkrebsmännchen unter- Hauptgerinne nachzuweisen war. Diese natür- schiedlichen Alters in einem Freilandaquari- liche Wiederbesiedlung erfolgte, wie bereits um, um mögliche Haltungsprobleme bezüg- Abb. 5: oben erwähnt, durch Restpopulationen aus lich Temperatur, Nahrungsangebot, Wasser- Sohlschwellen wie diese im Hainbach den Quellbereichen einiger Zubringer. Die qualität und Aquariengestaltung rechtzeitig zu stellen für bachaufwärts wandernde Steinkrebse kein ernstliches Hindernis dar.

kr-

34 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at erfassen. Dies erschien nötig, um Ausfällen bei Zusammenfassung geplanten Besiedlungsprojekten vorzubeugen. Die eiertragenden Weibchen, die zur Einge- Seit 1987 wurden zwanzig Wiener Bäche wöhnung einige Zeit in (mit Wasser der Ziel- auf Vorkommen bzw. die Möglichkeit der bäche beschickten) Aquarien gehalten wur- Wiederansiedlung des Steinkrebses (Aitstro- den, durften nur in geringer Zahl entnommen potamobius lonerxtium) untersucht. In drei werden, um die Spenderpopulation nicht Wasserläufen wurde der Steinkrebs nachge- unnötig zu belasten; Ausfällen muß daher wiesen, vier weitere erschienen in Wasser- möglichst vorgebeugt werden. Die Hälterung qualität und Bodenstruktur für eine Wieder- von Steinkrebsen erwies sich als vollkommen ansiedlung geeignet. unproblematisch. Im Frühjahr 1991 begannen die Wieder- Beobachtungen an den gehaltenen Stein- ansiedlungen mit 30 eitragenden Weibchen krebsen ergaben, daß die Tiere während ihrer nächtlichen Aktivitätsphasen regelmäßig das und 20 Männchen im Hainbach, im Herbst Wasser verließen und den (Abb. 4) Algen- folgten 100 Männchen und Weibchen. 1992 und Pilzaufwuchs (?) auf den Steinen und bis 1995 wurde das Programm im Eckbach, Ästen, die als Strukturelemente in die Hälter- Steinbach und Halterbach in gleicher Weise becken eingebracht wurden, abweideten. Die- durchgeführt. Dabei wurden alle Tiere 6-16 ses Verhalten konnte auch bei parallel gehal- Tage in Aquarienquarantäne gehalten, um tenen Edelkrebsen beobachtet werden und die Einschleppung von Krankheiten zu ver- stimmt mit Beobachtungen bei Dohlen- meiden. krebsen Austropotamobius pallipes in Kärnten Jüngere Untersuchungen im Halterbach überein, die in vegetationslosen Bächen vor- zeigten, daß eine natürliche Wiederbesied- kommen und nachts zum „Grasen" an Land lung durch Restpopulationen aus den Quell- gehen (SCHULZ 1984). Dieses Verhalten ist bereichen einiger Zubringer erfolgte. Die eine mögliche Erklärung dafür, wie scheinbar unüberwindbare Hindernisse wie gemauerte bereits begonnenen Besatzmaßnahmen im Schwellen mit frei abstürzendem Wasser - wie Halterbach wurden daher 1995 abgebro- im Hainbach tatsächlich beobachtet - über- chen. wunden werden können (Abb. 5).

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Literatur BOHL E. (1989b): Untersuchungen an Flußkrebsbe- ständen. — Bericht Bayr. Landesanstalt Wasser- BITTERMANN W. (1991): Der Steinkrebs (Astacus tor- forschung, Wielenbach. rentium SCHRANK) in Wien: Vorkommen und (Wieder)Ansiedlungsmöglichkeiten. — Österr. HOFFMANN J. (1980): Die Flußkrebse. — P. Parey, Ham- Fischerei 8/9: 200-205. burg, Berlin. BITTERMANN W. (1992): (Wieder)Ansiedlung des Stein- SCHULZ N. (1984): Dohlenkrebs - Verbreitung und krebses (Astacus torrentium SCHRANK) im Hain- bach. — Österr. Fischerei 2/3: 54-57 Lebensweise. — Sportfischer in Österreich, Heft

BOHL E. (1987): Gewässereigenschaften als Voraus- 1: 11. setzung für den Erhalt von Fluß-Krebsbestän- SCHULZ N. & W. KIRCHENLEHNER (1984): Der Steinkrebs- den. — Innsbruck Alpen-Fisch '87: 114-128. bestand Astacus torrentium (SCHRANK) im Spin- BOHL E. (1989a): Neuere Erkenntnisse über die Situa- tion der Flußkrebse in Bayern. — Bayerische tikbach (Kärnten, Österreich). — Österr. Fische- Fischereigespräche, Heft 6: 105-111. rei 2/3: 47-57.

Anschrift des Verfassers: Dr. Wolfgang BiTTERMANN ÖSTAT, Abt. 8 - Umwelt Hintere Zollamtstr. 2b A-1033 Wien Austria e-mail: wbittermann@oestat. gv. at

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