DAS SCHAUSPIELINSTITUT „HANS OTTO“

Neuer alter Name und ER

weitere Bemerkenswertes T Höhepunkte aus dem Schauspielinstitut MMERSEMES O Foto: KS S schule froh über diesen Schritt, der uns sprachiger Schauspielschulen. Vom 30. ünf Jahre ist es nun schon den Namen des Schauspielers wieder- April bis 2. Mai fand zunächst das inoffi- her, dass die Beilage des gab, der über viele Jahre der Schauspie- zielle Treffen statt, das jedes Jahr an un- lerausbildung in Leipzig einen ganz be- serer Hochschule gefeiert wird. Die be- MT-Journals Nr. 19 sich im

sonderen Geist verlieh. Freudige Rück- sondere Atmosphäre dieses Ereignisses 2 9 | 2 0 1 0 Sommer 2005 der Schau- meldungen kamen auch zahlreich von liegt darin, dass hier ohne Wettbewerb Fspielausbildung an unserer Hoch- ehemaligen Studierenden und Kollegen. gerade die jüngeren Jahrgänge der schule widmete. In der Beilage Prof. Bernd Guhr hat im Rahmen des In- deutschsprachigen Schauspielschulen dieses Heftes berichten wir darüber ternationalen Symposiums „Being On sich gegenseitig ihre Arbeiten vorstellen Stage“, das vom 11. bis 13. März 2010 an und ohne Leistungsdruck miteinander wieder ausführlicher, denn der unserer Hochschule stattfand, einen Vor- ins Gespräch kommen können. Vom 20. November 2009 war für die ehe- trag gehalten, der aus seiner Sicht wie- bis 26. Juni wird es dann offiziell. Das malige Fachrichtung Schauspiel dergibt, was die Kollegen, die mit der Ge- Schauspielinstitut Hans Otto ist Ausrich- der HMT ein wichtiger Meilenstein. schichte der Schauspielerausbildung in ter des Schauspielschultreffens, das jedes Gesetzt wurde er fast in aller Stille Leipzig vertraut sind, bewegt. Es wurde Jahr an anderen Hochschulen stattfindet ein vielbeachteter Vortrag, der mit dem und für die nominierten Studierenden und scheinbar unbemerkt: Nach 17 Nachdenken über den Namen auch eine einen Wettbewerb um die ausgelobten Jahren trägt die Schauspieleraus- Positionsbestimmung vornimmt und uns Preise der Jury bedeutet – und für alle bildung in Leipzig wieder den Na- allen Anregung gibt, unsere Arbeit er- anderen harte Arbeit bei der Vorberei- men HANS OTTO, den Namen, der neut zu durchdenken – nun am neu ge- tung und Durchführung. Der Beitrag von im November 1967 schon einmal gründeten Schauspielinstitut Hans Otto Prof. Wolf-Dietrich Rammler wird einen an der Hochschule für Musik und Theater Eindruck davon vermitteln, wie schwer verliehen wurde und der bei dem „Felix Mendelssohn Bartholdy“. uns auch in diesem Jahr die Nominie-

Zusammenschluss der ehemaligen Die Feierlichkeiten zu diesem Ereignis rung unseres Beitrages für dieses Treffen BEILAGE Theaterhochschule mit der Musik- wurden zunächst verschoben, waren und fiel. hochschule 1992 dann wegfiel. sind wir doch im Moment beschäftigt Last but not least: Prof. Anne-Kathrin mit anderen Höhepunkten wie zum Bei- Gummich und Antje Weber starten mit spiel mit dem erwähnten Symposium, den Studierenden des zweiten Studien- Nun hatten wir Kolleginnen und Kolle- von dem die Initiatorin Prof. Dr. Anja jahres die Proben zum diesjährigen Som- gen des Schauspielbereiches zunächst Klöck in ihrem Beitrag berichten wird. mertheater und stellen ihre Projekte andere Aufgaben zu bewältigen im Zuge Prof. Guhr, der im MT-Journal immer wie- kurz vor. dieser Vereinigung und scheinbar war der in interessanten Artikeln einen Blick Es wird also erst im nächsten Seme- das mit unserem fehlenden alten Namen hinter unsere oder die Kulissen der ver- ster der neue alte Name gefeiert werden nicht das größte Problem, aber doch gab schiedensten Spielorte vermittelte, wur- können. Dann werden auch die Broschü- es den einen oder anderen Kollegen, der de emeritiert und gefeiert im Kreise von re und die DVD zur Institutsgründung sich schmerzlich um ein Stück Identität Freunden und Kollegen – auch darüber fertiggestellt sein – auch daran wird zur- gebracht fühlte. So sind nicht nur die berichten wir. zeit hart gearbeitet. Kollegen und Studierenden des neu ge- Die nächsten Höhepunkte sind gleich Gilda Abbey gründeten Instituts an unserer Hoch- zwei Treffen von Studierenden deutsch- Schauspielinstitut Hans Otto

Juni 2010 No 29 BEILAGE 1 DAS SCHAUSPIELINSTITUT „HANS OTTO“ DAS SCHAUSPIELINSTITUT „HANS OTTO“

„Hans Otto“ – ein Programm?

tionen zu gelangen, machen die Runde, initiieren Grenz- Berliner Staatsheater gewählt. Außerdem leitet er Bildungs- Zur Umwandlung der überschreitungen – per Post; andere sind nur in Richtung zirkel, arbeitet an Texten für Vorträge, Artikel und Publikationen. Osten möglich. Im Dezember 1933 schreibt Bertolt Brecht aus der Emigra- Fachrichtung Schauspiel an der Die Theaterwissenschaftsstudenten haben es leichter, die tion einen offenen Brief an den berühmten Schauspieler Hein- Vielfalt der Wirklichkeit zu reflektieren als ihre Kommili- rich George: „Können Sie uns sagen, wo Ihr Kollege am Staat- HMT Leipzig in das tonen in der Schauspielabteilung. Diese sind in dieser Zeit lichen Schauspielhaus Hans Otto ist? ... Ihr Kollege Hans Otto aufgefordert, ausschließlich die Arbeiterklasse in den wusste, gegen was er ankämpfte. Er machte nicht leichtfertig Schauspielinstitut Hans Otto Fokus ihrer Beobachtung zu stellen. seine Wege. Er verschmähte nicht unüberlegt die Engagements. ER IST EIN MANN SELTENER ART, UNKÄUFLICH. Wo ist er?“ Hans Otto im November 2009 als Ferdinand II Hans Otto – Schauspieler, Mensch, Kommunist Brecht weiß es so gut wie alle, für die Hans Otto lebendige in Kabale Hoffnung auf ein besseres künftiges Deutschland ist. Er ist und Liebe tot. Eines der ersten Mordopfer der „neuen Zeit“. Goebbels von Friedrich „HANS OTTO WAR EIN MENSCH, DER IDEALE Hans Otto verbietet die Bekanntgabe des Todes, öffentlich darüber zu Schiller, Ein kleiner Exkurs in die Biografie Hans Ottos: HATTE, WEIL ER IDEEN HATTE, WEIL ER EINE privat, sprechen, an der Beerdigung teilzunehmen. Radio Moskau Frankfurter WELTANSCHAUUNG HATTE.“ (Viktor de Kowa) um 1932 strahlt den Brief Brechts aus. Künstler- 1 / Der Schauspieler Was ist geschehen? Zusammen mit allen Künstlern, die theater, 1920, n nur 10 Jahren seines Lebens erarbeitet und spielt er etwa nicht nationalsozialistischer Überzeugung oder die jüdischer Regie: Robert wunderung, Hochach- 100 Protagonisten-Rollen oder Titelfiguren (das sind im Jahr Abstammung sind, wird Hans Otto am 27. Februar 1933 am George eine Kollegin Anja Klöck, die Initiatorin I tung und Demut sind die ca. 10 Hauptrollen!). Kleine und mittlere Rollen bleiben unge- Preußischen Staatstheater chiv des Internationalen Symposiums dominierenden Haltun- r zählt. Premieren mit Hans Otto, nicht selten in monatlichen fristlos gekündigt. Er schlägt die

„The Politics of Being on Stage“ vom gen. Und – viele nehmen Foto: a Abständen, versprechen per se herausragende künstlerische Theater Wien, München, Prag als M den vermittelten Auftrag Ereignisse. Wirkungsstätten aus, arbeitet in 11. bis 13. März 2010, hat mich gebeten, einige wörtlich, durch Kunst, durch Theater die sozialistische Die namhaftesten Schauspieler Deutschlands sind seine der Illegalität, wird denunziert Bemerkungen zu Hans Otto und seine Bedeutung Gesellschaft schneller ihrer Vollendung zuzuführen. Dem Partner: z. B. Elisabeth Bergner, Ernst Deutsch, Gustaf Gründ- und inhaftiert, ist brutalster Fol- für die Schauspielerausbildung in Leipzig zu Faschismus für immer jeglichen Lebenskeim zu entziehen, gens. Während Hans Otto Partner der wichtigsten Regisseure ter ausgesetzt. Vergeblich ver- ist indessen Herzenssache aller. der Zeit ist: Leopold Jessner, Jürgen Fehling, Leopold Lindt- sucht die Gestapo, die Namen machen. Ich komme dem gern nach, bietet das Mit der Persönlichkeit Hans Otto kann sich jeder an- berg. Er ist verheiratet mit der Schauspielerin Mia Paulun. seiner Mitkämpfer aus ihm her- die Chance, Vergangenes an der Gegenwart zu freunden, wenn er das will. Auch mit dem wunderbaren auszupressen. Nach neun Tagen Schauspieler und seiner unerschütterlichen antifaschisti- stürzt sie ihn aus dem 3. Stock messen und vielleicht Impulse für Künftiges – in 2 / Der Mensch schen Lebenshaltung. ihrer Zentrale, täuscht so einen subjektivem wie institutionellem Tun – zu geben. Zweifel treten auf, ob sich die Kulturpolitik der DDR eitzeugen kennzeichnen seine Lebenshaltung mit einem Selbstmord vor. Zwei Tage später immer zu Recht auf Hans Otto beruft, wenn es um papier- unstillbaren Interesse an allen menschlichen, sozialen, verstirbt Hans Otto im Staats-

Z chiv ne Phrasen oder starre Wettbewerbsnormen für das Thea- gesellschaftlichen Belangen. Das gilt gleichermaßen für Kolle- krankenhaus Berlin infolge eines r

ter- und Kulturschaffen geht. gen auf und hinter der Bühne des eigenen wie denen anderer „doppelten Schädelbruchs“. Foto: a I 1967 – Die Theaterhochschule Hans Otto Leipzig Fragen an die Zeit und die Welt sind generell vom unum- Theater, den Genossen von Gewerkschaft und Partei sowie de- stößlichen Standpunkt der Arbeiterklasse aus zu stellen. ren Familien, besonders aber den Spielern und Freunden im ch erinnere mich, als am 18. November 1967 in einem Fragen nach den widersprüchlichen Tatsachen der Realität Arbeitertheater. Über ihn wird gesagt, er sei absolut zuverläs- III 1979 – Veränderungen Festakt des Ministeriums für Kultur der DDR der tra- werden beargwöhnt. sig, auf die Minute pünktlich, „sein eigentliches Lebensele- Iditionsreichen Theaterhochschule Leipzig der Ehren- Streitbarer Widerspruch also verkümmert, ehe er geäu- ment ist der Dialog“, also Kommunikation, Offenheit, Zuwen- titel „Hans Otto“ verliehen wird. Es ist der 20. Gründungs- ßert wird – oder aber er wird ungewollt explizit befördert dung. Hans Otto lebt ohne Aufhebens nach den Maximen sei- wölf Jahre nach der denkwürdigen Namensgebung, tag des Deutschen Theaterinstitutes Weimar-Belvedere – in der verborgenen Nische oder unter konspirativen Be- ner klassischen Heldenrollen – wie Egmont, Posa, Max Picco- 1979, kehre ich als künstlerisch-pädagogischer Mit- – „des Instituts zur methodischen Erneuerung des deut- dingungen. Oftmals ist das der Nährboden für bestes lomini ... Zarbeiter an die Theaterhochschule Hans Otto zu- schen Theaters“ – nach der faschistischen Diktatur. Aus DDR-Theater, für seine namhaftesten Autoren, Regisseu- rück. Manches hat sich geändert bzw. befindet sich im Um- dem Theaterinstitut geht 1953 die Leipziger Theaterhoch- re, Schauspieler – und für Inszenierungen, die die Zeitläuf- 3 / Der Kommunist bruch. Geplant sind drei Jahre in der Schauspieleraus- schule hervor, die bis in die 90er Jahre die einzige Hoch- te überdauern. – Das allerdings ist zu Beginn des Studiums bildung, es werden über dreißig. schule Deutschlands ist, die Theorie und Praxis des Thea- 1967 kaum einem Studenten bewusst. r tritt 1924 der KPD bei – nach den ihn prägenden Ereignis- Brecht ist neben Stanislawski als zweite, unverzichtbare ters unter einem Dach vereint. E sen des Arbeiteraufstands in . Hier erkennt er methodische Säule etabliert. Meine erste direkte Berüh- Alle Studenten werden feierlich auf Hans Otto vereidigt. Die Schauspielerausbildung in Leipzig beschränkt sich in auch die politische und künstlerische Bedeutung für ein revo- rung mit Schauspielausbildung ist das schauspielmetho- Ich gehöre 1967 zu denen des 1. Studienjahres Theaterwis- jener Zeit im Wesentlichen auf Stanislawski. Brecht hat lutionäres deutsches Arbeitertheater. dische Grundlagenseminar (Grusi). Ich hospitiere und ar- senschaft. große Mühe, sich als Denk-, Spiel-, Theatermodell durch- 1930 wird er in Berlin 1. Vorsitzender des Arbeiter-Theater- beitete mit in der Gruppe von Peter Förster, dem Leiter der Jeder setzt sich auf seine Weise mit dem neuen Namen zusetzen. Das beflügelt wiederum Eigeninitiative, Neugier, Bundes, übernimmt die Leitung der Revolutionären Gewerk- Fachrichtung Schauspiel. Eine meiner ersten Aufgaben ist in Beziehung. Unkenntnis, Gleichgültigkeit, aber auch Be- Mut zum Widerspruch. Listige Initiativen, um zu Informa- schaftsopposition und wird zum Gewerkschaftsobmann der es, ein Arbeitspapier zu vervollständigen über die „Begeg-

2 BEILAGE No 29 Juni 2010 Juni 2010 No 29 BEILAGE 3 DAS SCHAUSPIELINSTITUT „HANS OTTO“ DAS SCHAUSPIELINSTITUT „HANS OTTO“

Eingang zur nung des Schauspielers mit einem dramatischen benarbeit. Am 10. November 1989 lese ich in meinem Ar- Am Vorabend der Gründung der vereinigten Hochschule früheren Text“ auf der Grundlage der Theaterschriften Bertolt beitsbuch: „Lasst uns mit arbeiten anfangen“ (Sebastian für MUSIK UND THEATER (HMT) errichten Studen- Leipziger Brechts. Walch). ten im Hof der alten Schule ein großes schwarzes Holz- Theater- Namhafte, sehr unterschiedliche Theaterpraktiker Ängste, Irritationen, grenzenlose Freuden, Besuche aus kreuz – und gedenken des Verlustes der Theaterhochschule hochschule der DDR unterrichten als Gäste in der Schauspiel- aller Welt und Einladungen in alle Welt! Medienfluten in Hans Otto Leipzig. Bis heute pilgern Absolventen immer Hans Otto, abteilung. Eine gewisse Weltoffenheit, auch hin- Schrift, Bild, Ton, Video – ein Königreich für eine Video- wieder an die Stätte ihrer Studienzeit in den Villen Wächter- sichtlich der Stücke, setzt ein. Es gibt immer weni- kamera!! – sind zu selektieren, zu sortieren, zu verarbeiten. Wächterstraße 15/Beethovenstraße 16 – gegenüber dem straße ger diese ideologische Freund-Feind-Wertung, diese Sich nicht blenden zu lassen ist Tagesaufgabe. Nicht immer Hof des HMT-Hauptgebäudes, Grassistraße 8. schwarz-weiß-Doktrin – bist du nicht Mitglied der helfen unsere DDR-Biografien. Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft (DSF), dann bist du nicht für den Frieden ... Die Ich werde oft gefragt, was nach der Wende an der Theater- IV Die Zeit zwischen 1992 und 2009 DSF hat bis 1990 im Dittrichring 21, dem späteren hochschule Hans Otto anders geworden sei. Die Ant- Standort der Fachrichtung Schauspiel, einem ehe- wort: Im Wesentlichen nichts. Es geht unverändert um maligen Bankgebäude der Dresdner Bank, ihren Menschen und ihre Beziehungen, in unterschiedlichen so- ach 1992 verkleinert sich das Kollegium um drei Hauptsitz. Und ich bin auch ohne ständige Mitglied- zialen Abhängigkeiten und Konflikten ... Um konkrete Ge- Planstellen, die Sachmittel erhöhen sich – in der schaft ein Freund der Sowjetunion. schichten in konkreter Geschichte. Nneuen Hochschule ist eine Erstausstattung mög- Vieles, was dem Lehrprinzip von der – nach Brecht Die Stücke bleiben dieselben, einige fallen weg, andere lich. Wir machen die ersten Schritte in einer nicht zentralis- – grundsätzlich möglichen und notwendigen Ver- kommen hinzu. tischen Leitungsform, üben uns in demokratischer Mitbe- änderbarkeit der Welt nahe kommt, wird künstlerisch- Manches schillernde Angebot – illustre Kurse, Work- stimmung, getragen von Mehrheitsentscheidungen. pädagogisch untersucht und geprobt. Die Bedingun- shops – erweist sich als nicht zu uns passend. Keith John- Die Zahl der Studienanfänger verringert sich unwesent- gen dafür sind: humanistische Positionen, mensch- stone und sein Theatersport wird ein obligatorisches Fach lich. Die Bewerberzahlen erreichen nach einem anfäng- liche Würde, sozialer Anspruch, Wahrheit und im Grundstudium. lichen Knick wieder das Vorwendeniveau – etwa 1000. Gerechtigkeit; wie kompliziert und streitbar das im Und es gibt zahlreiche Einladungen an versierte Fach- Das gilt bis heute. Einzelfall auch immer sein muss. kollegen aus Bochum, Hannover, Hamburg, München ... Die Fülle der Marxismus-Leninismus-Fächer wird ge- Hans Otto wirkt unverändert weiter, nach außen in der Illega- In dieser Zeit wird auch das Einvernehmen mit cancelt. Dessen ungeachtet bleibt die grundlegende Denk- lität – sein Name ist vom steinernen Eingangstor entfernt – Hans Otto greifbarer, „familiärer”. Dazu trägt der methode bei der Erschließung von Texten, Geschichte und nach innen in der Bestätigung seines Berufsverständnisses. epochale Film István Szabós bei, Mephisto von 1980, Lebensrealität die materialistisch-dialektische. 18 Jahre lang ziert die Kopfbögen unserer Fachrichtung gedreht nach Klaus Manns berühmtem Roman einer der höchst ehrenwerte Name Felix Mendelssohn Barthol- Karriere, Modellfall künstlerischer Verantwortung Überraschend erhalten wir eine vielstimmige Akzeptanz, dy. Für die Schauspieler hat er keine programmatische schlechthin. Der Roman wird bereits 1971 im Auf- Solidarität und tätige Hilfe in administrativen Belangen Ausstrahlung. Das Kollegium bleibt sehr wach, immer of- bau-Verlag Berlin verlegt. Die DDR ist lange der aus den alten Bundesländern. Wir sind eingeladen, uns in fen für Streit, Veränderung und Pilotversuche, interessiert einzige deutsche Staat, der ihn veröffentlicht. der Ständigen Konferenz deutschsprachiger Schauspiel- an den Studenten einer neuen Generation – und auch an Hans Otto tritt uns nun als Film- und Romanfigur schulen (SKS) tatkräftig einzubringen, u.a. deshalb, weil den Konzerten der musikalischen Fachrichtungen. Otto Ulrich lebendig entgegen. In Ariane Mnouch- die Leipziger Ausbildungsquantität und -qualität „Standard kines Stückadaption Mephisto von 1980 wird die für die meisten deutschen Schauspielschulen sein müsste“, Es ist von Wolfgang Heinz überliefert, einer der bedeu- Figur Otto Ulrich weiter ausgebaut. wie es heißt. tendsten Persönlichkeiten des Deutschen Theaters Berlin, Das sympathisch vergilbte Großfoto im Rondell der einst angetreten ist, immer mehr an Glaubwürdigkeit Hans Otto habe auf seinen Protest gegen die Kündigung alten Schule signalisiert ideelle Verbundenheit, Verwandt- verlieren. Wie geistige Enge Kreativität blockiert und den Dennoch sind wir alle besorgt um den Fortbestand unserer die Offerte erhalten, dass man von ihm nicht verlange, schaft. Exodus des Landes befördert. Wirkungsstätte – um die Institution im Ganzen wie um Nationalsozialist zu werden, nur von der kommunistischen Par- Ich spreche für mich, wenn ich dabei grundsätzlich Soweit ich mich erinnere, erscheint nur zu den Märchen- jede Arbeitsstelle im Einzelnen. tei müsse er sich distanzieren, weil ein Schauspieler „naiv und denke an: wertende Beschreibungen in der szenischen Arbeit, geltend proben im Oktober 1989 mehrere Tage hintereinander ein gläubig der nationalen Kunst ergeben“ sein müsse (Hanns für Lehrer und Studenten, fachliche Kritik und Hilfe, vertrauensvoll- Student weniger – die „Flüchtigen“ sind auf dem Weg über Ich sitze 1990 in der Evaluierungskonferenz des Bundes- Joost, Dramaturg des Preußischen Staatstheaters). Hans kritische Bande zwischen Studenten- und Dozentenschaft, ein stän- Ungarn in den „Westen“. ministeriums für Bildung und Forschung, neben Ministerial- Otto antwortet: diger Dialog über Politik und Welt, die Chance zum Ausprobieren – Alle anderen bleiben, aus unterschiedlichen Gründen, beamten und Vertretern westlicher Wirtschaft und Finanz- und Fehler machen. Über den „richtigen Klassenstandpunkt“ ähnlich Hans Otto, weil hier unser Platz ist. Nicht wenige welt: „Hans Otto – ist das nicht ein Kommunist gewesen?“ „DASS EIN KÜNSTLER NICHT KRITIKLOS GE- gibt es in der Spanne von Dogma und Zeitgenossenschaft sehen auch die einmalige Chance, diesen Staat zu revolutio- Ist das eine Sachfrage – oder eher ein Vorurteil? STALTEN DÜRFE, DASS SUBJEKTIVE, NAIVE gegensätzliche Positionen. nieren. Die Geschichte der D-Mark lehrt sie sehr schnell, Es führt kein Weg daran vorbei, die Theaterhochschule GLÄUBIGKEIT KEINESWEGS VORAUSSETZUNG dass diese vornehme Aufgabe Illusion bleiben muss ... Hans Otto Leipzig ist abzuwickeln. Die Schauspielabtei- FÜR OBJEKTIVE NACHGESTALTUNG EINER Es ist folgerichtig, wenn Studenten wie Dozenten zehn lung geht am 1. Oktober 1992 ein in die damalige Hoch- DICHTERISCHEN FIGUR ... SEI.“ Jahre später – 1989 – bei den Montags-Demonstrationen In den Tagen, Wochen, Monaten gewaltloser Veränderun- schule für Musik „Felix Mendelssohn Bartholdy“, die in Leipzig dabei sind. Die meisten sehen mit Sorge, wie die gen von 1989/90 fällt nicht eine Stunde Unterricht aus! Es Theaterwissenschaftliche Abteilung an die Universität Leip- Es sei erlaubt, wenn ich hier als Kronzeugen Ulrich Mühe Ideale, mit denen die DDR – und die Schauspielschule – besteht die dringende Forderung der Studenten nach Pro- zig – nach der bewährten Hochschulstruktur der BRD. erwähne, Absolvent der Theaterhochschule Hans Otto

4 BEILAGE No 29 Juni 2010 Juni 2010 No 29 BEILAGE 5 DAS SCHAUSPIELINSTITUT „HANS OTTO“ DAS SCHAUSPIELINSTITUT „HANS OTTO“

mokratie der Bundesrepublik? Einem Staat, der sehr sie haben weder Angst vor der großen Bühne noch vor ungleich mit den Grundrechten Arbeit, Bildung, Teilhabe einem Praxisschock. Sie haben es oft genug gemeinsam er- am gesellschaftlichen Reichtum umgeht? – Das schmerz- probt, Haltung zu zeigen, Haltung zu haben, Haltung zu liche Defizit von Ideal und Wirklichkeit ist aktuell wie eh vertreten ... und je und bietet politischen Stoff in Fülle. Im Frühjahr 2010 spitzt sich die existentielle Sorge für Zum Abschluss sei der wenige Wochen alte Beweis dafür acht (!) Theater neben Wuppertal zu. Neben einschnei- hinzugefügt, dass parteiliche, Partei nehmende Schauspiel- denden Etatkürzungen allerorten und beschlossenen Stu- studenten zwar im geschützten Raum der Schule, nicht diengebühren – nun auch an unserer Hochschule! Der verfas- aber im Elfenbeinturm neutraler Unverbindlichkeit heran- sungsmäßige Bildungsauftrag gilt nicht für tausende Kinder wachsen: von sozial Schwachen, Hartz-IV-Empfängern, Arbeitslosen, Hans Otto, der antifaschistische Künstler, wird 1900 in die sich 30 Euro für einen berufsberatenden Test der Eig- Dresden geboren. – Zum Jahrestag der Zerstörung Dres- nung unter Garantie nicht leisten können. dens am 13. Februar laufen seit einigen Jahren Neonazis und Rechtsradikale in der Stadt an der Elbe auf, durch die Ein schauspielerisches Berufsbild im Sinne Hans Ottos an- Verfassung der Bundesrepublik Deutschland geschützt, zustreben, sich als politische Persönlichkeit zu begreifen, um ihren verfassungsfeindlichen Parolen Stimme zu geben, heißt in Leipzig zuvorderst: Raum zu geben für Eigenver- vor den Kameras der Welt. antwortlichkeit und kritische Wertungsfähigkeit. Erstmals 2010 formiert sich eine breite Bürgerfront ge- 1979, 2008 kurz nach der Oscar-Verleihung für den Film V 2009 – Das Schauspielinstitut Hans Otto Das heißt: taube Nachsprecher, blinde Nachmacher, brave gen die braune Gefahr: Bürgermeisterin, Vertreter aller Das Leben der anderen viel zu früh verstorben. Nachahmer, gefühllose Spielautomaten haben keine Chance. demokratischen Parteien, Arbeiter, Rentner, Künstler, Stu- Ulrich Mühe spielt neben vielen anderen Rollen die Pro- Unter behutsamer bis fordernder Anleitung vermag denten vereinen sich. Unter ihnen sind auch Studenten un- tagonisten der Deutschen Klassik auf allen großen deut- m Sommer 2009 beschließt der Senat der Hochschule jeder Studierende seine eigene, verändernde – vielleicht seres Institutes. Sie treten wie 1989 vor der Wende aus schen Bühnen. Er setzt bis heute Maßstäbe in der leben- für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“, revolutionäre – Kraft, Sensibilität und Antwort finden, um „ihren Rollen heraus“, bekennen öffentlich, auf welcher digen ideellen Durchdringung und aktuellen politischen Idem einstimmigen Antrag der Fachrichtung Schauspiel sich künstlerisch seiner Zeit zu stellen. Seite sie stehen. Interpretation klassischer Texte. Er ist ein Meister der stattzugeben, sich ab November 2009 als Schauspielinstitut Jeder Student ist für sich und sein Künstlertum verant- Sprache. Jede Inszenierung mit ihm als Darsteller ist ein Hans Otto der Hochschulöffentlichkeit und der Theater- wortlich, es ist nicht die Schule! Er ist Subjekt, nicht Ob- „Hans Otto – ein Programm?“ schauspielerischer Höhepunkt. Die Rollenbreite ist so weit welt zu stellen. jekt der Ausbildung. – wie seine Gestaltungsmittel unerschöpflich sind ... Die Freude ist überwältigend. Absolventen alter Jahr- Ich weiß nicht, ob Ulrich Mühe sich Hans Otto, den gänge gratulieren und fühlen sich der Ausbildungsstätte Ich möchte zwei Beispiele nennen: s ist das bewährte Programm der Schauspielerausbil- Namenspatron seiner Schule, ausdrücklich zum Vorbild neu verbunden, Kollegen aus Jahrzehnten gemeinsamer dung Leipzig, des Schauspielinstitutes Hans Otto. gemacht hat. Die Analogien aber sind in vielerlei Hinsicht Arbeit sehen sich bestätigt. Den Absolventen des Jahrganges 2009/10, die mit hoher ENicht verordnet. Nicht bronzen verklärt. Kein Zins- signifikant: Talent, Professionalität, gewerkschaftliches, Die Studenten der aktuellen Jahrgänge spüren etwas Wahrscheinlichkeit wie ihre Vorgänger zu 100 % an ein versprechen, keine materielle Sicherheit für das Leben – menschliches, gesellschaftliches Engagement. Ein Signal Ungewohntes, so etwas wie einen historischen Atem. Sie Stadt- oder Staatstheater vermittelt werden, sind zwei in eher eine sehr lebendige, unbequeme gedankliche und kör- ist seine Rede am 4. November 1989 auf der machtvollen sehen sich in einer lebendigen Tradition. Ich merke ihnen diesem Sinne hervorzuhebende Arbeiten gelungen. perliche Orientierung, eine mögliche Option für das Leben. Demonstration der Kulturschaffenden der DDR auf dem die Neugierde an, daraus etwas für sich zu machen. Zum einen: Das Projekt Widerstand zwecklos? 2009 am Jeder Student ist eingeladen, sie für sich und sein Tun, für Berliner Alexanderplatz. Studio . Schauspiel-, Literatur-, Bühnenbildstu- Theater und Gesellschaft zu handhaben; ausgestattet mit Ein Beleg für Veränderung ist der Hinweis, dass der Name denten entwickeln ein zur Premiere hochaktuelles Stück Handwerk, subversiv im Denken, leidensfähig – und fröhlich. Für jeden Schauspielstudenten zu jeder Zeit bedeutet Klas- „Hans Otto“ 2009 nicht verliehen wird wie 1967 vom Minis- über vermeintliche revolutionäre Haltungen ihrer Genera- Die Garantie für einen dauerhaften kranken- und ren- sik „die Stunde der Wahrheit“; in allen Berufsvorsprechen ter für Kultur der DDR. Er wird nach demokratischen tion rund um die Protestbewegung zum G 8-Gipfel in Hei- tenversicherten Arbeitsplatz gibt es nicht. wird namentlich Klassik „getestet“. Spielregeln beantragt, in verschiedenen Hochschulgremien ligendamm. Daraus folgt, Klassik ist eine Herausforderung für Stu- diskutiert und bestätigt. Zum anderen: Die Inszenierung Ego-Shooter: Generation Ich begann mit dem Zitat: dent wie für Schauspieler, für Dozent wie Regisseur. Klas- Gibt es seit dem Umzug 2002 aus besagten Villen in das Peer 2009 am Studio Leipzig. Sie erschließt Ibsens Stück sik verlangt in besonderem Maße die Fähigkeit, alte Texte gut funktionierende Gebäude Dittrichring 21 konspirativ sehr überzeugend aus aktuellen menschlichen Beziehungs- „HANS OTTO WAR EIN MENSCH, DER IDEALE heutig, politisch aktuell zu interpretieren – ohne sie äußer- schon eine kleine Hans-Otto-Bühne und eine Ulrich- mustern – getragen vom unkonventionellen Blickwinkel der HATTE, WEIL ER IDEEN HATTE, WEIL ER EINE lich zu modernisieren. Hans Otto und Ulrich Mühe ermun- Mühe-Bühne, ist die Eigenständigkeit der Schauspieleraus- Studenten. WELTANSCHAUUNG HATTE.“ tern dazu: Keine Karikaturen, Achtung vor den Figuren in bildung nach fast 60 Jahren in Leipzig nunmehr für alle Beide Aufführungen erwachsen aus kritischer Sicht von ihrem noch so kleinen Potential an Menschsein, an Soziali- eine einfache und unzweideutige Tatsache. Die Schauspieler- Realität, legen vielfältige spielerische Potentiale frei – und Ich ende: tät! – Nach Brecht sind die Texte immer wieder neu zu ausbildung in Leipzig hat mit der Gründung des Schau- bestehen beim Publikum. lesen und neu zu entdecken, naiv wie beim ersten Mal. Die spielinstituts Hans Otto einen ihr gebührenden Rahmen Und ich füge aktuell hinzu, die Studioinszenierungen EIN SCHAUSPIELSTUDENT IST EIN MENSCH, Schauspielschule trägt eine Mitverantwortung, der will- und das sie prägende Gesicht zurück erhalten. 2010 vom Studio Halle (DNA) sowie vom Studio Dresden DER IDEALE HAT, WEIL ER IDEEN HAT, WEIL ER kürlichen Zertrümmerung von klassischen Stücken in der (Italienische Nacht) stehen dem in nichts nach (Anm. d. EINE WELTANSCHAUUNG HAT. Theaterpraxis entgegenzuwirken. Wie aber kann ein Schauspieler 2010 ein politischer Schau- Red.: siehe Beilage, S. 8 f.). spieler sein? Angesichts der durch die Verfassung ver- Die Absolventen der Leipziger Schule haben mit Sicher- Prof. em. Bernd Guhr bürgten Freiheit und Gleichheit jedes Einzelnen in der De- heit das kleine und große Einmaleins ihres Berufes erlernt, Schauspielinstitut Hans Otto

6 BEILAGE No 29 Juni 2010 Juni 2010 No 29 BEILAGE 7 DAS SCHAUSPIELINSTITUT „HANS OTTO“ DAS SCHAUSPIELINSTITUT „HANS OTTO“

NOCH MEHR NEUES AUS DEM SCHAUSPIELINSTITUT <

Ensemble: „... Die Dynamik in Jugend- Inszenierung strahlt eine ungeheure cliquen, die Mechanismen der Macht Energie aus, und ihre zehn fulminanten liegen in den teils beeindruckenden Darsteller, obwohl noch Schauspielschü- er g

Charakterzeichnungen der Nachwuchs- ler, begeistern mit beeindruckendem in- e schauspieler offen wie in einem Buch ... tensiven und differenziertem Spiel ... alph z

Leipziger r : Sie zeigen Brutalität und Psychose, die Aufführung besitzt hohen Unterhal- s

Machtmissbrauch und Aggression mit tungs- und Aufklä- Foto derselben Genauigkeit und Konsequenz rungswert und beweist wie die Verletzlichkeit, die Skrupel und sich als modernes po- jenes tief im Herzen lauernde Mitgefühl, litisches Theater auf an dem die Täter brechen …“ hohem schauspieleri- Da nur eine Insze- 1 Brisantes Im Frizz-Halle gar steht zu lesen: „Das schem Niveau. Ein nierung pro Schule Zeitstück DNA aktuelle Schauspielstudio beweist dabei Glücksfall! ... “ im Wettbewerb ge- des britischen eindrucksvoll, dass es wohl die beste zeigt werden kann, Erfolgsautors Truppe ist, die seit der Einführung des Was sich im Falle des musste sich das Kol- Dennis Kelly am Studios am nt zu sehen ist ...“ Spielplanes der Theater legium für einen Bei- Theater Halle Die Rezension der FAZ endet: „... Kein auch als Glücksfall er- trag entscheiden. Ent- mit den Studie- Schau Grund zur Sicherheit, stellt dagegen die weist, denn beide Aufführungen werden sprechend der auszeichnungswürdigen renden Johanna kurzweilige, geschliffene Inszenierung ... vom Publikum hervorragend angenom- Qualität beider Inszenierungen dauerte Steinhauser und spiel mit dem herzerfrischenden, entschlos- men, wird für das Kollegium des Schau- die Diskussion darüber sehr lang, und al- Frank Pätzold sen aufspielenden Nachwuchsensemble spielinstituts zum Fall einer schweren le Argumente wurden bedächtig in die studenten fest – und hat damit, wenngleich heiter Entscheidung, denn alljährlich bildet die Waagschale geworfen. 2 DNA mit und schmuck, leider recht … (Anm.: in Be- Studioinszenierung auch den Beitrag der Schließlich aber fiel die Entscheidung Cornelia Grö- zug auf die Ereignisse in Dresden am Jah- HMT zum Wettbewerb zur Förderung auf die Inszenierung DNA vom Studio schel, Jeremias restag des schweren Bombenangriffs von des Schauspielnachwuchses im Rahmen Halle, die somit das diesjährige Schau- Koschorz (vorne) auf Reisen 1945 – WDR).“ des Theatertreffens deutschsprachiger spielschultreffen im Juni 2010 im Großen sowie Johanna Das Fazit des Rezensenten vom Deutsch- Schauspielstudierender. In diesem Jahr Saal der HMT eröffnen wird. Wir sagen Steinhauser landfunk zur Dresdner Inszenierung lau- findet dieses Treffen erstmals in Leipzig schon heute herzlich toi-toi-toi!!! und Alois tet: „... Die pausenlose, zweistündige statt. WDR Steinmacher er

Ein Stück als ie Studio-Inszenierung des 3. Die beim 20. Theatertreffen deutsch- Theateraufführungen mit ausschließlich z T Warnung vor Studienjahres Schauspiel am sprachiger Schauspielstudierender 2009 studentischen Ensembles Premiere, die – der eigenen D Staatsschauspiel Dresden Italie- ausgezeichnete Inszenierung des Stu- jede natürlich auf eigene Weise – den Trägheit: nische Nacht von Ödön von Horváth (Re- dios Leipzig Ego Shooter: Generation Peer Finger am Puls der Zeit hatten. Foto: david bal Italienische gie: Tilmann Köhler) gastierte auf Einla- nach Ibsen (Regie: Martina Eitner-Ach- In Halle wurde das brisante Zeitstück Nacht des dung der Deutschen Akademie der Dar- rampong) gastierte am 17. April 2010 im DNA des britischen Erfolgsautors Dennis österreichisch- stellenden Künste zur „Woche junger Rahmen des 6. Sächsischen Theatertref- Kelly umgesetzt. In Dresden setzte sich ungarischen Schauspieler“ vom 10. bis 20. Mai 2010 fens mit großem Erfolg in Chemnitz. das Inszenierungsteam mit Horvaths Ita- Schriftstellers in Bensheim. Die Inszenierung gewann lienischer Nacht auseinander und nutzte Ödön von ünther ühle reis den G -R -P 2010 und konn- Glücksfälle politischen Theaters fast 80 Jahre nach der Uraufführung den Horváth am te sich gegen Produktionen der Hoch- Text als Warnung vor der eigenen Träg- Staatsschau- schule für Schauspiel Ernst Busch Berlin, heit und politischen Vergesslichkeit vor Italienische spiel Dresden des Nationaltheaters Weimar, des Thea- Studioinszenierungen des dem Hintergrund der aktuellen Aufmär- Nacht mit mit den ters Erlangen und der theaterperipherie 3. Studienjahres Schauspiel an den sche der Neonazis in dieser Stadt. Eike Wein- Studierenden /Main durchsetzen. Theatern in Halle und Dresden Im Spiegel der zahlreich angereisten reich, Sarah Christian Seit 1996 veranstaltet die Stadt Bens- Presse (MZ, DNR, SZ, FAZ, nachtkritik.de, Bonitz, Clauß und heim in Zusammenarbeit mit der Akade- Deutschlandfunk) werden neben der Benedikt Sophia Löffler mie dieses Festival, das inzwischen zu in ganz normaler Abschnitt im Rah- konsequenten, stilsicheren Regie durch Kauff, einem Begriff bei den deutschsprachigen E men der Leipziger Schauspieleraus- Heike Frank (Halle) und Tilmann Köhler Christian er z

Ensembletheatern und Schauspielschu- bildung an den Studiotheatern gestalte- (Dresden) immer wieder die homoge- T Clauß len geworden ist. Gefördert wird dieses te sich in diesem Jahr zu einem beson- nen Ensembleleistungen der Studenten- Treffen von der Sparkassen-Kulturstif- deren Höhepunkt. Anfang März hatten schauspieler gewürdigt. So bescheinigt

tung Hessen-Thüringen. sowohl in Halle als auch in Dresden der Rezensent der Hallenser MZ dem Foto: david bal

8 BEILAGE NoNo 29 JJuniuni 20102010 JuniJuni 2010 NoNo 29 BEILAGE 9 DAS SCHAUSPIELINSTITUT „HANS OTTO“ DAS SCHAUSPIELINSTITUT „HANS OTTO“

Internationales Symposium: The Politics Of Being On Stage 1

om 11. bis 13. März 2010 fand an der Hochschule am neu gegründeten Schauspielinstitut Hans Otto ein internationales Symposium zum Thema Macht, Öffentlichkeit und (Schau)spiel statt. Ausgerichtet wurde die Tagung vom Forschungsprojekt Systemische Körper? Kulturelle und politische Konstruktionen des Schauspielers in schauspielmethodischen Programmen Deutschlands 1945 – 1990, das unter der Leitung von Prof. Dr. Anja Klöck an der Symposiums- eröffnung Hochschule am Schauspielinstitut angesiedelt ist und seit 2006 von der durch Kanzler Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird. Oliver Grimm

as Symposium nahm den zentralen ums forderte unter anderem eine kriti- aus, die aus dem In- und Ausland ange- Michal Kobialka von der Universität tigen Tendenzen der Besetzung von Zuschauen proben: die Figur des D Punkt gegenwärtiger Theater- und sche Reflexion der Beziehung zwischen reist waren. Der Freitag stand unter der Minnesota in Minneapolis (USA) wid- Laien in professionellen Theaterproduk- Zuschauers im Forum Theater durch ihre Performance-Forschung sowie -ausbil- Theaterdiskurs und Theaterpraxis. Überschrift Zur Ästhetik des Politischen mete sich am Nachmittag mit The tionen in Litauen. Ihre Ausführungen Ausführungen zur Rolle des Zuschauers dung in den Blick: den Schauspieler/ / das Politische der Ästhetik. Politics of Being on Stage: Tadeusz lieferten viel Stoff für Diskussionen, die in Augusto Boals Forum Theater noch Akteur und die Frage nach seiner perfor- as über drei Tage laufende Sympo- Willmar Sauter, Professor der Theater- Kantors annektierte Realität dem sich unter anderem an der Problematik einmal eine andere Perspektive auf die mativen Verhandlung von normativen D sium wurde am Donnerstag durch wissenschaft an der Universität Stock- Theater Tadeusz Kantors. Dieses Theater der Gleichzeitigkeit des Schauspielers Ästhetik des Politischen / das Politische Strukturen. Ausbildungsstätten wie Grußworte von Kanzler Oliver Grimm holm (Schweden), thematisierte in zog, wie Theodor Adornos negative mit seiner zu spielenden Figur und der der Ästhetik. Ähnlich Tiina Rosenberg auch Probenprozesse statten den Akteur eröffnet und erfuhr eine weiterführen- seinem Vortrag Rolle und Selbst: Schau- Dialektik, Aufmerksamkeit auf sich und Definition von Schauspielern und Nicht- von der Universität Lund (Schweden), nicht nur mit ästhetischen Werten aus, de Einleitung durch eine Rede von Prof. spieltheorien für das 21. Jahrhundert machte von Realität Gebrauch, die nicht Schauspielern entzündeten. Der Vortrag die mit ihrem Beitrag Zur feministischen sondern auch mit spezifischen Vorstel- Bernd Guhr zur im November 2009 die Bühnenhaftigkeit und Inszeniert- länger von den vorherrschenden (politi- verdeutlichte, dass Fragen wie: Gibt und aktivistischen Ästhetik entlang der lungen von Zeit, Raum und Körpern. vollzogenen Umwandlung der Fachrich- heit von Alltagssituationen und von sich schen oder kulturellen) Konventionen es überhaupt eine Figur? Wie müssen kritischen Theorie und aktivistischen Diese kollektiven künstlerischen Prozesse tung Schauspiel in das Schauspielinsti- in der Öffentlichkeit bewegender und angeeignet werden konnte. Kantors dabei Real-Figuren gesehen werden? Ästhetik ihr Hauptaugenmerk auf eine beteiligen sich mit der Hilfe des Schau- tut Hans Otto.2 Diese Rede zur Fachge- darstellender Menschen. Diese, so Gründe, Realität zu annektieren und zu Und wie ist das Wechselspiel zwischen feministische Haltung richtete, die zum spielers an Fragen, wie beispielsweise, schichte der Leipziger Schauspielausbil- Sauter, verlangten danach die gebräuch- erweitern waren zahlreich – von seinen Rolle und Selbst (des Schauspielers) zu Beispiel zu der Frage führen kann: Wie was es bedeutet ein Mensch zu sein, dung, die historisch immer wieder in lichen Begrifflichkeiten neu zu über- Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg in betrachten? in ihren jeweiligen kultu- äußert sich eine feministische Haltung was es bedeutet auf einer Bühne zu Wechselwirkung mit unterschiedlichen denken. Sein Modell versucht darum Kraków über seinen Wunsch den Wert rellen Kontexten verhandelt werden eines Mannes bei seiner Präsenz auf der sein, zu spielen, darzustellen oder zu Aneignungen des Namens des Schau- Begriffe zu etablieren, die neben dem von Realität (und Illusion) herabzuset- müssen. Während im Litauischen Bühne? Verändert es zum Beispiel die performen; was es bedeutet zu erin- spielers Hans Otto stand, sowie auch theatralen Rahmen auch für Personen zen durch das Erforschen ihrer unbe- Kontext der Darsteller des Hamlet als Anlage seiner Rolle und sein Verständnis nern; und was es bedeutet präsent zu die nachfolgende Vorstellung des gebraucht werden können, die auf kannten, bis dahin verborgenen oder Nicht-Schauspieler im Sinne von „nicht eines klassischen Textes? sein (und für wen). Forschungsprojekts zur Schauspielaus- einem beliebigen, öffentlichen Podium alltäglichen Aspekte des Lebens, in den im Stanislawski-System ausgebildet“ für bildung in Deutschland seit 1945 boten hervortreten. Autonomen, der informellen Kunst, in öffentliches Aufsehen sorgte, erkannten m Abend stellte Juliano Mer Khamis ines der Ziele dieses Symposiums einen konkreten Einstieg in die Frage- Kati Röttger von der Universität Zero, Happening, und in Impossible die internationalen Fachleute in der A aus Jenin im West Bank im Erfri- E war es, die Verstrickung des Schau- stellungen des Tagungsthemas. Auch Amsterdam (Niederlande) hatte mit Der Theatres, die den Wert der Realität Inszenierung durchaus Mittel, die Sta- schungsfoyer des Central Theaters seine spielers/Akteurs in eine Vielzahl von der von Prof. Alena Fürnberg und Prof. Schauspieler im Zeitalter des Klonens durch die Erforschung der unbekannten, nislawski in seinen späteren Schriften Arbeit mit dem Freedom Theatre in Jenin normalisierenden Praktiken zu erkunden Dr. Romy Baumgarten mit Studierenden ihren Fokus auf den Schauspielerkörper bis dahin verborgenen oder alltäglichen beschrieb, und dem nicht ausgebildeten vor, die aktuell im Projekt Mein Land und anhand von konkreten Beispielen des zweiten Studienjahres Schauspiel und seine Ontologie gelegt und Aspekte des Lebens herabgesetzt haben. Darsteller zu einer professionellen Biladi eine Kooperation mit dem Central seine Fähigkeit zu diskutieren, diese erarbeitete Brecht-Chor (Bertolt Brecht, beleuchtete in diesem Zusammenhang Ru¯ta Mažeikiene˙ von der Universität Bühnenpräsenz verhalfen. Theater Leipzig erfährt. Hier kamen zu verändern oder aufzubrechen. Die Das Manifest. Lehrgedicht von der das „lebende Bild“ und seine Verände- in Kaunas (Litauen) beschäftigte sich unter anderem auch jugendliche Teil- thematische Ausrichtung des Symposi- Natur des Menschen.) leuchtete den rung in zeitgenössischen Diskursen zum in ihrem Beitrag Spielen oder nicht en Abschluss des wissenschaftli- nehmer aus Leipzig zu Wort, die einen Raum des Politischen auf der Bühne in menschlichen Körper. spielen? Veränderungen von zeitge- D chen Programms des ersten Sympo- belebten Einblick in das Projekt gaben. seiner historischen Tiefe und theatralen nössischem Schauspiel aus der Sicht siumstags bildeten zwei Kurzbeiträge 1) Für diesen Bericht sind alle Titel in Deutsch Gegenwärtigkeit aus. Nekrošius’ Hamlet mit den gegenwär- zu Activist Acting: Sruti Bala von der angegeben. Das Symposium wurde in englischer 2) Diese ist ungekürzt in der Beilage dieses MT-Journals Sprache abgehalten. Die zwei Folgetage zeichneten sich abgedruckt (vgl. S. 2–7). Universität Amsterdam (Niederlande) durch hochwertige Beiträge der Redner brachte mit dem Beitrag Aktives

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Warum aufhören, wenn es am schönsten ist? – Prof. Bernd Guhr denkt nicht daran! Zur Emeritierung eines langjährigen Schauspielprofessors er

Eröffnungs- id ne

rede von ch s t

Prof. Bernd Bre

s Guhr (da- ie Häppchen, die wir zur Verabschiedungsfeier unseres langjährigen Mitarbeiters bestellt hatten, waren schnell Mathia

neben Gregor s alle, denn die Resonanz auf die Einladung zu dieser Feierstunde war überwältigend. Es kamen über 100 Freunde, Knop, der o-Still e ehemalige Studenten und Kollegen aus ganz Deutschland angereist, um am 1. Februar dieses Jahres einen die englische id V : s Menschen zu ehren, der seit 1979 sein Herzblut für die Ausbildung junger Schauspielstudenten an der Leipziger Übersetzung Foto DHochschule gab: Professor Bernd Guhr. Nachweisbar ist diese Liebe zum Theater jedoch schon früher, zu Zeiten des vortrug) Amateurtheaters Leipzig, das er mit großem Erfolg führte. Immer blieb er der Förderung des Amateurtheaters verbunden und war als Regisseur oder Jurymitglied zahlreiche Male auch in diesem Bereich tätig. Immer wieder hat er unsere Hochschule er Samstag war dem Thema Hoogland von der Universität Stockholm as Symposium bestach durch das auch an anderen staatlichen Schauspielschulen repräsentiert wie als Gastdozent in Rostock, Salzburg, Bern, Lüttich/Belgien, D Körpernahe Begegnungen: Praxis (Schweden) rückte mit seinem Beitrag D hohe wissenschaftliche Niveau der Temeswar/Rumänien und Knoxville/USA. In zahlreichen anschaulichen Beiträgen hat er darüber im MT-JOURNAL berichtet. und Strukturen der Normalität ge- (Ver)Störende Gäste oder Mitwirkende Beiträge und durch die auch kontrovers widmet. Elain Aston, Professorin von an einer Entwicklung des schwedischen geführten Diskussionen, die sich durch der Universität Lancaster (U.K.), lieferte Theaters? stärker Ausbildungssituatio- die heterogene Struktur der Teilnehmer- mit Kreative Zukünfte / Zukünfte nen und deren Einflüsse in den Vorder- gruppe ergaben: Mit Vertretern sowohl kreieren: Körpernahe Begegnungen der grund. aus Wissenschaft als auch aus der praktischen Art eine gute Einführung Die Schauspielerin Ludmila Ryba Theaterpraxis und mit den unterschied- in den Tag, indem sie sich in ihren Aus- (Florenz/Marseille), ehemals Mitglied lichen kulturellen und gesellschaft- führungen der Kluft zwischen Theorie des Ensembles von Tadeusz Kantor, lichen Perspektiven der Vortragenden und Praxis widmete und diese als durch führte durch die DVD-Version von sowie auch des Publikums ergab sich ein produktive Begegnungen zwischen Kantors Produktion Ich kehre nie mehr außerordentlich produktives Arbeits- künstlerischen und akademischen Be- zurück (1988) in seine Inszenierungs- klima und ein weites Spektrum je spezi- Prof. Guhr hat es wie kaum ein ande- beit als Vorstandsmitglied des Inter- kritischer Beobachter und dann Be- reichen überwindbar schilderte. Damit arbeit ein, die sie durch einen kurzen fischer Definitionen von Theater und rer unseres Instituts geschafft, immer nationalen Theaterinstituts Zentrum richterstatter tätig – unter anderem nahm sie vorweg, was sich später durch Live-Workshop mit Schauspielstudie- Politik. wieder über den eigenen Tellerrand zu Bundesrepublik Deutschland. Als Lei- auch wieder für das MT-Journal. Vortrag und Demonstration Ludmila renden des zweiten Studienjahres Joe Kienast schauen und mit anderen schauspieler- ter der Fachrichtung Schauspiel von Die Liste der szenischen Arbeiten, Rybas anschaulich zeigen sollte. praktisch veranschaulichte. Im Rahmen Wissenschaftlicher Mitarbeiter im ausbildenden Hochschulen im stän- 1992 bis 1998 war er automatisch in die Bernd Guhr betreut hat, ist lang Zuvor erhellten noch zwei Kurzbei- des öffentlichen Workshops kristalli- DFG-Projekt „Systemische Körper“ digen fachlichen Austausch zu bleiben, das alljährliche Treffen der deutsch- und ruft nicht nur unzählige Namen träge den Schwerpunkt Theater und sierte sich auch der Vermittlungsbedarf Prof. Dr. Anja Klöck sich nicht zuletzt selber immer wieder sprachigen Schauspielschulen invol- ehemaliger Studierender ins Gedächt- Soziokultureller Wandel. Birgitta an den Grenzen zwischen Wissenschaft Schauspielinstitut Hans Otto anregen zu lassen. Erwähnenswert ist viert, aber darüber hinaus weitere nis (wie z. B. Prof. Dirk Vondran – zur Johansson von der Universität Göteborg und Praxis heraus. hier Bernd Guhrs langjährige Mitar- unzählige Male als aufgeschlossener, Zeit noch als Prorektor für künstle- (Schweden) sprach über Theorien Den Abschluss dieses auf Praxis sozialer Bewegungen und das Politische fokussierten Symposiumstags bot Wolf- an Aufführungspraktiken, wobei sie sich Dieter Ernst von der Ludwig-Maximilians- ebenfalls einer Differenz widmete: der Universität in München mit einem Vortrag zwischen den Praktiken der Bühne und über Schauspieltraining, Probenprozes- der politischen Landschaft. Und Rikard se und der politische Körper im post- er hillig dramatischen Theater. René Polleschs f : ola

Ping Pong d’Amour (2009). s Foto

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VORSCHAU

Unterfangen. Denn es kann nicht da- dingt der Grund, der jeden Einzelnen rum gehen, einfach nur als möglichst dazu brachte, sich an diesem Tag auf Was bleibt, wird das Gefühl der vorteilhaft arrangierte Marionette im die Reise nach Leipzig zu machen. Theater- und Mediengeschäft funktio- Letztendlich lag es doch wohl eher da- nieren zu wollen. Er ist ein streitbarer ran, dass Bernd Guhr für jeden von ➼ Lust am Leben sein Mensch also, der so viele Leben beein- diesen anwesenden Menschen einmal flusst, Menschen gefördert und unter- wichtig war, sie beeinflusst hat und stützt hat und dem an jenem Montag- dass alle Gäste ihn auf die eine oder Zwei rasante Komödien beim Sommertheater des Schauspielinstituts abend gedankt wurde in verschie- andere Art einfach gern haben und densten Reden, u. a. von unserem Danke sagen wollten für alles dies. Hans Otto vom 4. bis 13. Juli 2010 im Innenhof des Grassimuseums Kollegen Prof. Ulf Manhenke und Jan Das konnte jeder spüren und wird uns Jochymski. Beide wurden in besonde- lange in Erinnerung bleiben. rer Weise von ihm gefördert und un- Schön und auch durchaus verständ- wei rasante Komödien inszeniert aufbereitet durch Frank Raschke als auch heißen Monate Leipzigs. Ein Spektakel terstützt, beide haben ihren künstle- lich ist, dass Prof. Guhr nach diesem von zwei erfahrenen Regisseu- sprecherzieherisch betreut von Nikola mit Wortwitz, Akrobatik, Fechtkunst und rischen Weg auf den Brettern des Abschied natürlich nicht einfach in rinnen. Antje Weber, Schauspie- Theuer und Prof. Alena Fürnberg. überraschenden Tanzeinlagen, frech und Amateurtheaters Leipzig unter seiner den wohlverdienten Ruhestand ab- lerin, Regisseurin und Dozentin In diesem Jahr fegen am gleichen unterhaltsam. Leitung begonnen. taucht, sondern noch weitermacht mit im Lehrauftrag an der HMT und Abend der Eingebildete Kranke (Moliére) Es gibt Menschen, gerade in unserer dem, was er meint und kann: Das Anne-Kathrin Gummich, Regis- und die Dame Kobold (Calderon) über die

ivat Der eingebildete Kranke r Zeit, die sind unaufhörlich damit be- nächste Szenenstudium mit dem ersten Zseurin, Schauspielerin, Professorin und Bühne im Innenhof des Grassimuseums. Komödie von Molière Foto: p schäftigt, ihre Karriere zu organisieren Studienjahr ist erfolgreich beendet, Dekanin an der HMT Leipzig, sowie Men- Das Sommertheater der Schauspielstu- und jede noch so kleine Aktion ins ge- und vielleicht hat Bernd Guhr wieder torin des 2. Jahrgangs. Choreografisch denten des 4. Semesters ist ein jährlicher hörige Licht zu setzen. Prof. Bernd einmal eine sehr erfolgreiche Karriere unterstützt von Prof. Silvia Zygouris, ver- Treffpunkt für alle Altersgruppen der er Chef leidet! Und immer wenn ein Der Student rische Praxis unserer Hochschule tä- Guhr hat sich die Achtung der Men- mit auf den Weg gebracht? vollständigt mit Fechtkunst und Akroba- Stadt und ihrer Gäste. Diese Tradition Kater schwächelt, tanzen die Mäuse Bernd Guhr tig, Hasko Weber – zur Zeit Intendant schen, die so zahlreich mit ihm feiern Lieber Bernd, wir wünschen Dir tik von Prof. Claus Großer, musikalisch belebt seit mehreren Jahrzehnten die D auf dem Tisch. So geht es Argan, beim Ernte- des Stuttgarter Schauspielhauses, Ju- wollten, gewiss durch andere Quali- und Deiner Familie alles Gute! einsatz 1979 lia Jäger – allen bekannt aus Film und täten erworben: durch sein unermüd- Gilda Abbey Fernsehen und Jan Jochymski – zur liches Wirken für die Schauspieleraus- Schauspielinstitut Hans Otto Verabschie- Zeit Schauspieldirektor des Theaters bildung in allen erwähnten und noch dung von Magdeburg). Erinnerungen werden unzähligen weiteren unerwähnten Fa- Prof. Bernd auch wach an die vielen Geschichten, cetten. Aber das war wohl nicht unbe- Guhr (links) die erzählt wurden, an die Büh- im Rektorat nen damals in den Villen der durch Prof. Wächterstraße und dann hier im Robert Ehr- Dittrichring, an die Auswer- lich am 31. tungen und die heißen Diskussi- März 2010 onen über das Gesehene, an un- zählige Begebenheiten, die mit diesen Szenenstudien, Mono- logen oder dem Sommertheater wieder lebendig werden … Was war es, das er über alle Jahre seines Wirkens den jun- gen Menschen, mit denen er ge- arbeitet hat, mit auf den künstle- rischen Weg geben wollte? Durch sein Vorbild auf jeden Fall einerseits das Brennen für den Beruf, aber andererseits auch das Begreifen ihres Wir- kens als ein zutiefst politisches Foto: KS

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Was bleibt, wird das Gefühl der Lust am Zwei rasante Komödien beim Sommertheater des Schauspielinstituts Leben sein Hans Otto vom 4. bis 13. Juli 2010 im Innenhof des Grassimuseums

einstmals glamouröser Boss auf allen Dame Kobold mit viel Witz leicht genommen wird, ist Tanzböden, jetzt nur noch ein kranker, Komödie nach Calderon de la herzlich eingeladen. Rhythmisch. Rasant. sich selbst bemitleidender Mann. Jeder Mit einer frischen Brise jugendlichen macht in seinem Haus was ihm passt, Barca (Deutsche Bearbeitung Übermuts. Nach gut 70 Minuten fällt Arzt und Apotheker ziehen ihm das Geld Duryn/Gummich) dann hier der Vorhang und die Lichter aus der Tasche, Klistiere plagen seinen gehen aus. Was bleibt, wird das Gefühl Darm, die Dienstmagd spielt die Herrin, err, der Mensch ist eine Plage, / der Lust am Leben sein. das Töchterchen rebelliert gegen den vä- Unzulänglich, unvollkommen. / terlichen Willen und seine Ehefrau war- „H Hätt sich nur der Herr da oben / alderon de la Barca (1600–1681) tet frohgemut auf ein üppiges Testa- Beim Erschaffen Zeit genommen, / Aber schrieb 29-jährig in barocker Tradi- ment. Was für üble Zeiten, denkt Argan, nein, in Sieben Tagen / Schafft er Welt C tion diese heiter-poetische Mantel- und leidet sich genüsslich noch tiefer hi- und Mensch und Vieh. / Und, weil wir und-Degenkomödie. Verwirrspiel, Intrige,

nein in seine teure Krankheit. Als jedoch verderblich sind, / Alles ohne Garantie.“ Happy End. Gespickt mit Aberglaube und n y r u

ein neuer Wunderdoktor auftaucht und In wenigen Zeilen bringt der Diener Effekten. Die Bearbeitung folgt der stu- D

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ihm einen zweiten Darmausgang mitten Cosme auf den Punkt, wofür Gelehrte dentischen Tradition des Sommerthea- d Hen

auf der Stirn setzen will und dies mit ei- und Philosophen ein ganzes Leben brau- ters mit einer Verbeugung vor dem spa- : s

ner hochmodernen Bolzenschusstechnik, chen. Es geht in diesem Stück um die nischen Meister. akg Foto ändern sich die Verhältnisse im Hause zentrale Frage des Lebens, die alle Men- Argan so rasant wie radikal. Ein Blinder schen umtreibt: „Wer angelt sich wen & wird wieder sehend, und ein Chef räumt wie?“ Wer aber in dieser Inszenie- auf. rung den Beginn der Emanzi- pationsbewegung sehen ie Komödie Der eingebildete Kranke will, Weiber, die mit Witz ist ein Meisterwerk und Molières Te- und Klugheit, auch mit D stament. Er selbst spielte bei der Ur- Solidarität, die ar- aufführung 1673 den Argan und starb chaischen Männertra- nach der vierten Vorstellung. Noch ein ditionen ad absurdum letztes Mal geht es Molière um seine führen wollen und da- Lieblingsthemen: Manie des Protagonis- bei Frauen werden, ten, väterliche Tyrannei, die vergeblich Kerle, denen dabei ih- Carolin schreiende Stimme der Vernunft. In der re Felle wegschwim- Haupt als Inszenierung von Antje Weber wird die- men und die trotzdem Dame ser Molière zum „gefundenen Fressen“ ihren Mann stehen oder Kobold für spielwütige Schauspielstudenten, die wer einfach nur Lust auf im gleich- auf atemberaubende Weise ein altes den alltäglichen Ärger namigen Stück auf eine Bühne und ins Hier und hat, der gekonnt und Stück Jetzt befördern.

Aufführungen: 4.–13.7.2010 (8.7. spielfrei), jeweils 19.30 Uhr, Innenhof des Grassimuseums, Johannisplatz 5–11 Karten zu 9 Euro / ermäßigt 6 Euro unter Telefon 0341 2144 926 oder [email protected]

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