Müggelsee-Report 16-4.Indd
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1 2017 GESCHICHTE UND GESCHICHTEN FrühlingsImpressionen AUS TREPTOW-KÖPENICKMüggelseeREPORT ADLERSHOF ENTDECKEN Im Spannungsfeld zwischen Heute und Morgen TAUT PASSAGE Die Einkaufsadresse im Südosten Berlins Bruno-Taut-Straße 1 12524 Berlin-Grünau Tel.: (0 30) 67 99 05 30 | [email protected] www.taut-passage-berlin.de Auf gute Nachbar- schaft! INHALT Adlershof entdecken! In dieser Ausgabe Liebe Leserin, lieber Leser. Bedrohung der Geschichte 4 Wohl kaum ist im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts die Entwicklungsgeschich- Wie man Häuser misshandelt te eines Ortsteils im Bezirk Treptow-Köpenick vom Verlauf der preußischen Ge- Das 18. Jahrhundert 5 schichte so abhängig gewesen wie die von Adlershof. Adlershof hing wie Grünau Von kleinen gefräßigen Tierchen an der Nabelschnur der Görlitzer Eisenbahn. So musste der Ort ein „Kind“ der Architektur des Ortes 6 „Gründerzeit“ werden, die in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts unter den „Was ist Was“ der Häuser Vorzeichen einer liberalistisch-spekulativen Bau- und Wirtschaftspolitik zunächst mit einem ungeahnten wirtschaftlichen Aufschwung begann. Der „Börsenkrach“ Gründerzeit 7 Bauen gegen den Wohnungsmangel von 1873 löste jedoch eine folgenschwere Krise aus, die ab etwa 1880 sogar eine politisch-konservative Grundhaltung in Gesellschaft und Politik zur Folge hatte. Warenverkehr 13 Dieser Umschwung begründete sich zum Teil auch aus der Notwendigkeit, die Die Industrie und die Wasserwege heimische Wirtschaft gegenüber der ausländischen Konkurrenz wie etwa den Ge- Geschichte 14 treideimporten aus den Vereinigten Staaten abzuschirmen. ... und Geschichtsbewahrung Mit dem Beginn der Gründerzeit hatte sich in den späten sechziger Jahren die Industrie 15 Grundstücksspekulation in der Umgegend Berlins vor allem auf die großen Flächen Die wirtschaftliche Entwicklung der inzwischen nicht mehr rentabel zu bewirtschaften Rittergüter gerichtet. Bei er- Die Vergangenheit 16 heblicher Gewinnerwartung der jetzt in Erscheinung tretenden Spekulanten wollte Wie geht man heute mit ihr um? man mit deren Bebauung dem steigenden Bedarf an Wohnraum gerecht werden. Die landwirtschaftlichen Flächen wurden parzelliert und stückweise verkauft. Be- Die Zukunft 18 kannteste Beispiele wurden die Rittergüter in Lichterfelde oder in Tempelhof. Das Politiker versprechen so einiges ... relativ bescheidene Gut in Adlershof war in diesem Entwicklungsprozess von eher geringerer Bedeutung. Trotzdem begann die neuere Geschichte des Ortes durch die Spekulation mit den Ackerfl ächen des Gutes Adlershorst. Aufruf des Zimmermeisters Helbig zum Bau von Helmut Engel Amtsgebäude von Adlershof in der Dörpfeld- Arbeiterhäusern in Adlershof (Ausschnitt), um 1885. straße (ehemals Bismarckstraße 11). Impressum Die Autoren in diesem Heft Herausgeber: Nebelhorn Verlag UG, Jörg Luthardt (Geschäftsführer) Hartwig Pommer Redaktion: Stefan Förster (V.i.S.d.P), Tel.: 0170-728 48 85, Helmut Mitglied im Bezirksdenkmalrat Treptow-Köpenick Engel, Uwe Creutzmann Prof. Dr. Helmut Engel Anzeigenredaktion: tour‘s Magazin, Tel: 030/53010710 Landeskonservator a. D. Gestaltung: Christoph Engel Mitglied im Bezirksdenkmalrat Treptow-Köpenick Abbildungen: Titelbild: Jörg Luthardt / S. 3: 125 Jahre Berliner Stefan Förster Baugenossenschaft, Hinte, Rudi: Adlershof / S. 4: Archiv Engel, Archiv Pommer / S. 5: Archiv Engel, Ur-Messtischblatt 1839 / S. 6: Vorsitzender Heimatverein Köpenick e.V. 125 Jahre Berliner Baugenossenschaft, Archiv Engel / S. 7: Adlersho- Vorsitzender Bezirksdenkmalrat Treptow-Köpenick fer Zeitung (1994, Nr. 6) / S. 8: Archiv Heimatstube Adlershof, Hinte, Andreas Paul Rudi: Adlershof / S. 12: Hinte, Rudi: Adlershof, Archiv Engel / S. 13: Heimatforscher und Fotograf Hinte, Rudi: Adlershof / S. 14: Hinte, Rudi: Adlershof / S. 15: 125 Jahre Berliner Baugenossenschaft, Archiv Heimatstube Adlershof / S. 16: Archiv Engel / S. 17: Archiv Engel / S. 18: Archiv Engel Müggelsee-Report 3 BEDROHUNG DER GESCHICHTE Adlershof heute Ein Neubau morgen? Allzulange lag die Adlershofer Dör- Das Foto dokumentiert schlagend den derzeitigen Zustand ist es zunächst pfeldstraße im Dornröschenschlaf. Verfall eines historischen Vorstadthau- keine Zierde für das Erscheinungsbild Verkommen zur Durchgangspiste mit ses nicht irgendwo in Adlershof, son- der wichtigen Dörpfeldstraße: off ene Megastaus ging neben der Lebensqua- dern an der Hauptstraße des Ortes, der Fenster, eine erdgeschosshohe Bema- lität auf der einstigen Haupteinkaufs- Dörpfeldstraße, die gleichzeitig der lung, die Plakatierungen bezeugen das und Vorzeigestraße auch zunehmend wirtschaftliche Mittelpunkt des Ortes unübersehbare Desinteresse des Eigen- die historische Bausubstanz verloren. ist. Das Haus steht leer, die Haustür tümers, das Haus in einem angemesse- Zu lange kümmerte sich die Obrigkeit ist verrammelt, in der Dacheindeckung nen Zustand zu erhalten und zu unter- nicht um das Wohl des Gemeinwesens klaff t eine große Lücke, die wohl kaum halten. Unterstellt man den Abbruch, in Adlershof. ein Sturm bewirkt hat, sondern nach dann ergibt sich eine ebenso missliche Mit dem Niedergang des einst wohl- Ausweis ihres Umrisses auf Vandalismus Folge: Unter natürlich wirtschaftlich proportionierten Handels verödete die zurückzuführen sein dürfte. Das Re- maximaler Ausnutzung des leeren Straße, Häuser verfi elen, wurden ver- genwasser dringt somit in Menge und Grundstücks die maximale Anzahl von äußert und eifrige Investoren füllten über Jahre hinweg ungehindert in das Geschossen – Folge: der städtebauliche die Baulücken mit unproportionierten, Hausinnere, Schäden können beson- Maßstab des Straßenraumes verändert gesichtslosen Gebäuden. Aber werten ders an Decken nicht ausbleiben ( Je- sich drastisch und zwar negativ, denn diese kalten Klötze das Straßenbild der Architekt, aber schon der gesunde sie nimmt zunehmend den Charakter wirklich auf und laden zum Verweilen Menschenverstand weiß: „Wasser weg einer engen dunklen Straßenschlucht auf der Straße ein? vom Bau“!). Der bereits jetzt erreichte an. Auf eine qualitativ gute Architek- Ein Beispiel von Abrissmentalität für Zustand führt den Abriss des histori- tur kann man nur hoff en. einen Neubau mit mehr als 50 WE ist schen Bauwerks vor Augen. Aber im Helmut Engel das Eckhaus Dörpfeldstraße 70 mit seiner reich untergliederten gründer- zeitlichen Fassade als ein das Straßen- bild bestimmendes Objekt. Es stellen sich hier die Fragen: Hat die Baubehörde ein Gespür für Stadtbild- pfl ege? Gibt es Vorlagen zur Ästhetik neuer Bauten hinsichtlich Traufhöhen, Fassadenstruktur, angepasster Farbig- keit, Dachgestaltung oder Gebäude- nutzung etc.? Nicht zuletzt aufgrund von Bürgeren- gagement gibt es nun einen Lichtblick durch Einbindung von Adlershof in das Stadtplanungsprogramm „Aktive Zentren“. Hartwig Pommer Stillschweigend „über Nacht“ verschwunden – das klassizistische Eck- haus Dörpfeldstraße Ecke Wassermannstraße – ein bedeutendes Beispiel aus der Gründerzeit des Ortes 4 Müggelsee-Report DAS 18. JAHRHUNDERT Gut, Kolonie und die Maulbeerbaumplantage Die Anfänge der Geschichte von Adlershof Nicht zufällig erfolgte 1753 die „Ver- nicht sachverständig genug in Zucht und bereits im späten 17. Jahrhundert eine schreibung“ für eine vom Amt Köpenick Pfl ege der Seidenraupen waren. Deshalb mächtige Maulbeerbaumplantage einge- angelegte Maulbeerbaumplantage, im folgte am 24. März 1751 eine weitere richtet. April 1754 gefolgt von der Überschrei- Order über die bessere Pfl ege der Sei- Das Ur-Messtischblatt von 1839 zeigte bung eines Gutes von 406 Morgen an nicht nur die Lage der Plantage, sondern den Berliner „Lampenkommissarius“ ließ ebenso die regelmäßige Pfl anzung Sieweke, gebunden an die Aufl age, dass der Bäume in einem Raster erkennen. er auf eigene Kosten acht Büdnerfamili- Die frischen Austriebe der Maulbeer- en anzusetzen hatte. Das Gut lag rechts baumblätter durften nicht einmal welk der Straße nach Köpenick (der heuti- werden, weshalb die Aufzucht der Rau- gen Dörpfeldstraße), die Anwesen der pen an den Standort der Plantage gebun- acht Kolonisten von „Süßengrund“ auf den war. Der Arbeitsablauf der Zucht hat der gegenüber liegenden Straßenseite. sich stets in eigens errichteten Gebäuden Die Plantage schloss sich an der Straße wohl auf dem Gutshof abgespielt. Richtung Köpenick unmittelbar an die Eine erfolgreiche Zucht war an penibel Kolonistengrundstücke an. einzuhaltende Arbeitsabläufe gebunden: Die Illustration zum Seidenbau aus dem Ausbreiten der Samen, der „Graines“, 18. Jahrhundert schildert von der Ernte der wenige Tage vor dem Grünwerden der Maulbeerbaumblätter und der Fütterung der Maulbeerbäume, tägliche Steigerung der in Gestellen einzeln untergebrachten Raupen Raumtemperatur um jeweils 1° bis auf den gesamten Arbeitsablauf. 22°/25°, nach dem Schlüpfen der Raupen sorgfältiges Auslegen jeder Raupe mit ei- denraupen., mit dem Reglement vom 7. nem Maulbeerblatt auf Hürden, Füttern September 1752 folgte für die Prediger, der Raupen alle zwei Stunden, sauber Darstellung der Maulbeerbaumplantage in Küster und Schulmeister eine Anweisung halten der Hürden, ständiger Luftwech- Schöneberg, 18. Jh. Die Maulbeerbäume ste- über das Pfl anzen von Maulbeerbäumen. sel. Nach 30-35 Tagen begannen sich die hen in Reihen, um die frischen Triebe mithilfe Die Adlershofer Erbzinsverschreibung Raupen einzuspinnen, die Kokons waren von Leitern ernten zu können. von 1753 reihte sich also nahtlos in diese nach 8 Tagen fertig ausgebildet. Die Ko- Folge von Vorschriften mit dem Unter- kons wurden dann zur Herstellung der Die Maulbeerbaumplantage entstand schied