Jahrgang, Nr. 99 April 2006 ROTFUCHS T RIBÜNE FÜR K OMMUNISTEN UND SOZIALISTEN IN DEUTSCHLAND Vermächtnis der Arbeitereinheit ls ich, eben 16, am 28. Dezember 1948 im Demokratische Republik – schuf. In diesem AWestberliner Bezirk Steglitz Mitglied Sinne war die SED die erfolgreichste Partei der SED wurde, stieß ich auf eine Partei in in der Geschichte der deutschen Arbeiter- Aufbruchstimmung. Die Genossen waren bewegung. hoch motiviert. Noch immer in aller Mun- Die These wird Widerspruch hervorrufen: de: der Vollzug der Arbeitereinheit. Auch Ist das nicht viel zu viel Fanfare, ein uner- manche Sozialdemokraten in Westberlin laubter Überschwang an Nostalgie, wenn hatten daran Anteil. Noch vor der DDR- man bedenkt, daß das Kind am Ende in den Staatsgründung übersiedelten wir in den Brunnen gefallen ist? Haben nicht doch Osten, an den Treptower Dammweg. Unsere jene recht, die behaupten, der Sozialismus Nachbarn waren Genossen wie , sei ein für allemal gescheitert? der kampferfahrene Hans Jendretzky oder In der Tat hat die Konterrevolution, hinter auch Ruth Werner, die später „Sonjas Rap- der das gesamte Potential des BRD-Im- I NHALT port“ schrieb. Sogar Ernst Busch gehörte perialismus mit USA und NATO stand, zeitweilig zu unserer Wohngruppe. das Gras total versengt. Doch unter der Franz Neumanns giftige Saat S. 2 Die SED war etwas qualitativ Neues in der graubraunen Narbe liegen tiefgehende und Ich war Delegierter S. 3 deutschen Arbeiterbewegung. Nicht nur, weitverzweigte Wurzeln. Noch ist nicht Zwangsvereinigung? Man sollte die Beteiligten fragen S. 3 weil sie sich aus zwei Parteien mit eige- aller Tage Abend. Ein notwendiger Schritt S. 3 ner Tradition und konträrer Entwicklung Natürlich besteht die Chronik der SED, die „Genossen, das Brot kommt später!“ S. 4 zusammensetzte. Sie erwies sich auch als mit dem berühmten Händedruck Wilhelm Erinnerung an Otto Buchwitz S. 4 eine geschichtsmächtige Kraft, weil sie Piecks und Otto Grotewohls begann, nicht Lebenserfahrung einer Arbeiterin S. 4 die werktätigen Klassen in jenem Drittel nur aus Siegeszug und Triumph, sondern Emigrantenschwur S. 4 Deutschlands, das von der Roten Armee auch aus Irrtümern und aus der Bitterkeit In einer Reihe S. 5 befreit worden war, zur politischen Herr- einer schweren Niederlage, für die es in- Wie die DDR-Wirtschaft zerstört schaft führte. Ohne die den Weg bahnende nere und äußere, ökonomische, politische wurde S. 6 Tat der Sowjetunion wären die Antifaschi- und ideologische Ursachen gibt. Die SED Ermordet von der Adenauer-Polizei: sten – vor allem Kommunisten und Soziali- – das waren bisweilen „allwissende“ und Philipp Müller S. 7 sten – dort nicht freigesetzt worden, hätte selbstherrlich entscheidende Funktionäre, Das Elend der freien Erfinder in es keinen Raum für revolutionäre Um- auch ganze Schwärme von Karrieristen Deutschland (1) S. 8 gestaltungen und kein jahrzehntelanges und Trittbrettfahrern. Aber sie wurde vor KDT: Wie sich die technische Intel- erfolgreiches Voranschreiten auf der Bahn allem durch die aufopferungsvolle Ein- ligenz in der DDR organisierte S. 9 des Sozialismus gegeben. satzbereitschaft Zehntausender redlicher Vor 45 Jahren wurde das Gesetzbuch Natürlich hatten auch die anderen Block- Genossinnen und Genossen aller „Ebenen“ der Arbeit beschlossen S. 10 parteien ihren Anteil am demokratischen geprägt, die zuletzt an sich selbst dachten. „Heldenstädter“ boykottierten Aufbau. Aber man muß der Gerechtigkeit 1989 gab es einen Bruch. Nicht nur in der Wahlen S. 11 halber konstatieren: Wer heute von der Gesellschaft, sondern auch in der Partei. Kranke Gesellschaft – krankes DDR spricht, muß vor allem von der SED Er hatte seine Schatten vorausgeworfen. Gesundheitssystem S. 11 sprechen. Die Vereinigung von SPD und Eine viel zu schwache Führung stand einer Wird als nächstes der Fernsehturm KPD war das Schlüsselereignis, ohne das verzweifelten Situation gegenüber. Das ZK abgerissen? S. 12 sich der Sozialismus nicht durchgesetzt kapitulierte und löste sich selbst auf. Lügner am Pranger S. 12 hätte. Wenn von Zwangsvorstellungen Da erschienen Leute mit großen Besen und Vorkämpfer der bayrischen Räte- Geplagte weiterhin ihre These von der wollten uns plötzlich weismachen, nicht republik: Rudolf Egelhofer S. 13 „Zwangsvereinigung“ strapazieren, dann Lenin, sondern Bernstein sei in Wirklich- Die Bundeswehr – Geist und Wurzeln S. 14 muß man dem entgegenhalten: Bei allen keit unser „Vorvater“. Es gehe um einen Ein FU-Professor, der sich mit dem Widerständen, die natürlich zutage traten, „dritten Weg“. „Ich bin vom Marxismus System anlegt: Peter Grottian S. 15 gab es in der deutschen Geschichte nichts nur in zwei Fragen weg“, sagte einer von Hellersdorf: Zuspruch, Bibeln und „Arche“-Suppe S. 16 Freiwilligeres als den Zusammenschluß ihnen dem ND: „in der Frage der Macht Brutkasten für Topmanager S. 17 sozialdemokratischer und kommunisti- und in der Frage des Eigentums.“ Also Teddy lebt S. 18 scher Arbeiter. Das Schlimmste für die von allem. Manche, die sich für die an- Nicht aus Thälmannschem Holz S. 18 Bourgeoisie und ihre aufeinanderfolgen- gebliche Zwangsvereinigung bei der SPD „Kampf der Kulturen“? S. 19 den Schumachers war die Tatsache, daß entschuldigt haben, steuern offensichtlich Der Auftrag der Antifa-Schulen S. 20 die Vereinigung auf marxistischer Grund- einen Kurs, der letzten Endes zur Verei- Merkels Nahost-Politik S. 21 lage zustande kam. nigung mit der SPD – auf reformistischer Was 1939/40 in Litauen geschah S. 22 Es besteht – wie man sieht – kein Anlaß, Grundlage – führen soll. Das wäre dann Wahlprognose für Tschechien: sich wegen früherer Mitgliedschaft in für ehrliche Sozialisten tatsächlich eine Kommunisten auf Platz 3 S. 23 der SED, die für Genossen verschiedener Zwangsvereinigung. Was wollte Morgenthau? S. 24 Parteien und unzählige heute Parteilose Was uns betrifft, so bleiben wir an Deck. Der Raubfrieden von Brest-Litowsk S. 25 im Osten die gemeinsame Vergangenheit Wir verfolgen unbeirrbar und langfristig Warum Georg Weerth in Castros Kuba darstellt, ins Mauseloch zu verkriechen. das Ziel der Zusammenführung von Kom- eine würdige Ruhestätte fand S. 26 Im Gegenteil: Es gibt gute Gründe zum munisten und Sozialisten mit und ohne Schaum vorm Maul: Stolz darauf, in den Reihen der einzigen Parteibindung. Auf marxistischer Basis Biermann „ehrt“ Heine S. 27 Arbeiterpartei Deutschlands gestanden zu – wie 1946. Das ist das Vermächtnis der Hahnebüchenes S. 28 haben, die ihre Klasse für immerhin vier Arbeitereinheit. Übrigens: Mein SED-Buch Archies irdischer Alptraum S. 28 Jahrzehnte an die Macht brachte und ge- habe ich – wie viele andere Genossen –si- Leserbriefe S. 29 meinsam mit anderen Antifaschisten einen cher aufbewahrt. Ich halte es in Ehren. Anzeigen / Impressum S. 32 weltweit geachteten Staat – die Deutsche Klaus Steiniger Seite 2 ROTFUCHS / April 2006 ROTFUCHS / April 2006 Seite 3

ir waren seit der Befreiung in den Wletzten Apriltagen 1945 gut voran- Was sich 1945/46 gekommen bei der Versorgung der Bevöl- kerung mit Lebensmitteln, mit Brennma- terialien für den Winter 1945/46, mit dem in Reinickendorf zutrug: Ingangsetzen der Produktion einfacher Gebrauchsgüter, der Einrichtung von Kindergärten, dem Aufbau einer neuen, Franz Neumanns demokratischen Verwaltung. Kommuni- sten und Sozialdemokraten standen auch bei uns in der ersten Reihe, wenn es um giftige Saat die Schaffung der Voraussetzungen eines neuen Lebens ging. Der Ruf „Nie wieder Einheit, die andere mit Schumacher für als eine Etappe auf dem Weg zur Spal- Faschismus und Krieg!“ und die Lehren die Aufrechterhaltung der Spaltung. Die tung . Die Oktober-Wahlen 1946, aus dem verhängnisvollen Bruderkampf zweite endete mit tätlichen Auseinander- aus denen die SPD als Sieger hervorging, vor 1933 erwiesen sich für viele als Trieb- setzungen. Schumacher, der wiederholt gestalteten sich in Westberlin zu einem kräfte, um mit anzupacken. Mehr noch: mit einer britischen Militärmaschine weiteren Schritt auf diesem Kurs. Von nun Um mit der Spaltung der Arbeiterklasse eingeflogen wurde, ergoß sich in wüstem an prägten offener Antikommunismus Schluß zu machen. Antikommunismus und Antisowjetismus. und massive Hetze gegen die Sowjetunion Zweifellos fiel Jüngeren, die von Haus aus Die KPD hätte, so behauptete er, zusam- die Atmosphäre. einen richtigen politischen Kompaß mit- men mit den Nazis die Weimarer Republik Und was uns ebenfalls später bewußt bekommen hatten, das Miteinander leich- zerstört. Sie sei deshalb überflüssig und wurde: Schumachers Aktion gegen die ter als so manchem Älteren. Mit meinen solle sich selbst auflösen. Die westdeut- Vereinigung von KPD und SPD erfolgte gerade mal achtzehn Lenzen ließ ich mich schen Kommunisten seien angetreten, um zu einer Zeit, als der kalte Krieg, der fak- von Antek, von Anton Jadasch (Bergmann auch diesen Landesteil für die Russen zu tisch mit dem US-Atombombenabwurf aus Oberschlesien, KPD-Reichstagsabge- erobern! auf Hiroshima und Nagasaki begonnen ordneter, KZ-Häftling über viele Jahre) Systematisch wurde die Atmosphäre hatte, durch Churchills Fulton-Rede vom davon überzeugen, neue Verwaltungs- zwischen Berliner Sozialdemokraten und 5. März 1946 offiziell wurde. In ihr war strukturen mit aufbauen zu helfen und Kommunisten vergiftet, in Reinickendorf die Forderung nach einem englisch-ame- vorzuleben. vor allem vom SPD-Kreisvorsitzenden rikanischen Militärbündnis gegen die Die Besetzung der Funktionen in der Ver- und stellvertretenden Bezirksbürger- Sowjetunion enthalten. waltung erfolgte paritätisch: Bezirksbür- meister Franz Neumann. Einheitswilli- Eine Nachbemerkung: In der Präambel germeister in -Reinickendorf war ge Sozialdemokraten setzte man unter der Koalitionsvereinbarung zwischen ein KPD-Mitglied (E. Böhm), sein Stellver- Druck, SPD-Kreistagungen wurden von SPD und PDS in Berlin vom 8. Januar treter ein SPD-Mitglied (F. Neumann). In Spaltern gesprengt, Flugblätter mit üblen 2002 wird u. a. diffamierend gesagt: „Die den Ortsteilen wurde entsprechend ver- Verleumdungen gegen die KPD in hoher Erfahrung des Sieges des Faschismus fahren. Bei uns in Wittenau-Süd wurden Auflage in Umlauf gebracht. Die US-Mi- über die gespaltene Arbeiterbewegung als Unterbezirksleiter (Unterbürgermei- litärregierung stellte den „Tagesspiegel“ führte in Teilen der Mitgliedschaft von ster) ein SPD-Mitglied, als Stellvertreter als Tribüne für die Spalter-Fraktion zur SPD und KPD nach 1945 zum Wunsch für die KPD ich eingesetzt. Auch im Freien Verfügung. nach Vereinigung. Dieser Wunsch wurde Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) Neumann sowie Klingelhöfer und Germer mißbraucht zu einer Zwangsvereinigung, galt dieses Prinzip. bereiteten gemäß Schumachers Plan eine ohne freie Entscheidung insbesondere der Es kam zu mehr oder weniger regelmäßi- Attacke gegen den vom Zentralausschuß Mitglieder der SPD, die sich im Westteil gen Zusammenkünften von Funktionären einberufenen SPD-Parteitag vor. Nicht die der Stadt in einer Urabstimmstimmung beider Parteien. An der einen oder ande- gewählten Delegierten sollten über die gegen die Vereinigung aussprachen und ren dieser Beratungen nahm auch mein Vereinigung entscheiden. Mit einer „Urab- im Ostteil an der freien Abstimmung ge- Nachbar Josef Orlopp teil. Er war ein ent- stimmung“ wollte man ein Votum gegen hindert wurden.“ schiedener Befürworter der Vereinigung die Vereinigung erreichen. Im gleichen Jahr schoben die Bundesvor- und mit wichtigen Aufgaben im Berliner Tatsächlich gelang Neumanns Coup: Auf sitzende der PDS, Gabriele Zimmer und Magistrat betraut. einer SPD-Funktionärskonferenz am die Berliner PDS-Vorsitzende Petra Pau Ja, die Weichen beider Parteien waren auf 1. März 1946 beantragte er, eine solche – angesichts wiederholter Forderungen Einheit gestellt. 6113 KPD-Mitglieder und „Urabstimmung“ durchzuführen. Der Vor- von SPD-Politikern, die PDS müsse mit 5200 SPD-Mitglieder gab es Ende 1945 in schlag wurde mit Mehrheit angenommen. der SED-Diktatur rigoros brechen – eine Berlin-Reinickendorf. Vielfach hatte sich Aufschlußreich waren die zur Abstim- Erklärung nach, in der es u. a. hieß: „Denn im Zusammenwirken von Sozialdemokra- mung gestellten Fragen und das Ergebnis die Gründung und Formierung der SED ten und Kommunisten eine Vertrauens- der Aktion, die am 31. März 1946 über die wurde auch mit politischen Täuschungen, beziehung, ja, nicht selten ein kamerad- politische Bühne ging: Es widerspiegelte Zwängen und Repressionen vollzogen.“ schaftliches Verhältnis herausgebildet. die Stimmung innerhalb der Berliner SPD Ich habe mir daraufhin das Berliner Das schloß nicht aus, daß es hier wie dort und zeigte, daß die Initiatoren der Aktion Programm der SPD vom 20. 12. 1989 in Mitglieder gab, die Vorbehalte gegen die sich immerhin veranlaßt sahen, danach seiner auf dem Parteitag in Leipzig am Vereinigung hegten. Diese wurden nicht zu fragen, ob das jeweilige Mitglied für 17. 4. 1998 geänderten Fassung angesehen zuletzt durch antikommunistische Tira- die sofortige Verschmelzung oder für ein und nachstehende Formulierung gefun- den rechter SPD-Funktionäre genährt. Bündnis mit der KPD sei. den: „Unter Täuschung, Druck und Zwang In der Berliner SPD, also auch bei uns in Zwei Drittel der Berliner Sozialdemokra- vollzog sich die Gründung der SED als Reinickendorf, spielte sich seit Anfang ten nahmen an der Abstimmung nicht künftige Staatspartei der DDR.“ 1946 eine regelrechte Zerreißprobe ab. teil. Über 19 000 sprachen sich gegen Wie man sieht, sind die beiden zuletzt Während die Mehrheit der Mitglieder eine sofortige Vereinigung aus, mehr als genannten Zitate in ihrer Wortwahl fast des Zentralausschusses der SPD unter 14 000 votierten für ein Bündnis mit der identisch. Otto Grotewohl entschieden den Kurs der KPD. Nur rund 5500 Mitglieder waren Prof. Dr. Georg Grasnick Vereinigung mit der KPD vertrat, kämpf- gegen jede Zusammenarbeit mit den Kom- te Kurt Schumacher als Chef der SPD in munisten. Unser Autor war Intendant des Ber- den Westzonen verbissen und haßerfüllt Die rechten Führer der SPD nutzten dieses liner Rundfunks, Chefredakteur des gegen alle Einheitsbestrebungen. Unver- Ergebnis, um die Spaltung der Arbeiterbe- Deutschlandsenders und dann Stell- geßlich bleiben für mich zwei Großkund- wegung in Westberlin aufrechtzuerhalten. vertreter des Direktors des Instituts gebungen: eine mit Wilhelm Pieck für die Die „Urabstimmung“ erwies sich später für Politik und Wirtschaft (IPW). Seite 2 ROTFUCHS / April 2006 ROTFUCHS / April 2006 Seite 3 Ich war Delegierter n diesen Tagen denke ich erneut an den sowie durch eigene Fehler zerschlagen IApril 1946. Vor 60 Jahren beschlossen wurde. Ich weiß, daß es sehr schwer sein die Delegierten von KPD und SPD die Ver- wird, eine neue revolutionäre Situation einigung zur SED, und ich war als 18jähri- in Deutschland zu erreichen, die nur mit ger Genosse aus der SPD in Berlin dabei. einer revolutionären Partei an der Spitze Es tut furchtbar weh miterleben zu müs- denkbar ist. Solange ich noch lebe, will sen und nicht verhindern zu können, daß ich mit gleichgesinnten „RotFüchsen“ in diese größte Errungenschaft der deut- diesem Sinne wirken. schen Arbeiterbewegung durch die natio- nale und internationale Konterrevolution Dr. Gerhard Lier, Leipzig

Zwangsvereinigung? Man sollte die Beteiligten fragen ein Vater war Vorsitzender der den gemeinsamen Aktivitäten wuchs die MSPD-Ortsgruppe in unserem Dorf Zustimmung zur Vereinigung, entstanden Asbach (Thüringen),. Die sozialdemo- persönliche Freundschaften. Ich war ge- kratische Tradition reicht in unserer rade 16. Mein Vater riet mir, nicht in eine Familie bis zum Kampf gegen Bismarcks der beiden Arbeiterparteien einzutreten, Sozialistengesetz zurück. Die Beratungen sondern gleich in die SED, „denn die Ein- des SPD-Vorstandes fanden in unserer heitspartei muß von Anfang an stark sein“. Wohnküche statt, denn die war geheizt. Im Oktober 1946 bat ich um Aufnahme. Oft kamen Genossen der SPD wie der KPD Es gibt über die damalige Zeit viele Ver- zum Gespräch vorbei, und ich konnte fast öffentlichungen, leider aber kaum eine, in immer zuhören. „Wenn sich KPD und SPD der nicht von „Zwangsvereinigung“ ge- zusammen gegen Hitler gestellt hätten, sprochen wird, auch in offiziellen Texten wären uns dieser Krieg und das ganze der PDS. Ich habe einen Vorschlag: Soll Elend erspart geblieben“, sagten sie. Vor man doch eine Umfrage unter den Genos- allem SPD-Mitglieder hatten aber auch sen machen, die vor dem 21../22. April 46 die Sorge: „Werden wir bei einer Vereini- bereits der SPD oder der KPD angehörten gung nicht durch die KPD und die Russen und sie fragen, ob sie in die SED gezwun- untergebuttert?“ Der SPD-Bürgermeister gen wurden – ich bin sicher, daß es eine informierte über seine Sorgen zur Siche- einhellige Antwort geben wird: Wenn es rung des Lebens im Dorf: Mehl für die Zwang gab, dann war es der Zwang der Bäckerei, Sicherung des Schulbetriebs, historischen Erfahrung. Franz Preiß Unterbringung der vielen Umsiedler. Im- Unser Autor, ehemals Neulehrer, war mer wieder wurde deutlich: Wenn wir die bis 1989 Parteisekretär im VEB Ber- Probleme lösen wollten, dann müßten wir liner Wälzlagerwerk „Josef Orlopp“. vereint handeln. Ein Aktionsausschuß mit Wie Kurt Schumacher die Arbeiter Er ist heute aktives Mitglied der paritätischem Vorsitz wurde gebildet. Aus täuschte Linkspartei.PDS.

Ein notwendiger Schritt

ein Vater kam Ende November 1945 – gegenüberstanden. Wir haben uns sogar ten, andere persönliche Schwächen und Mgesundheitlich schwer angeschlagen gekloppt, und die Nazis sperrten uns am unterschiedliche Auffassungen darüber – aus amerikanischer Gefangenschaft in Ende gemeinsam ein.“ ab, wie demokratisches Vorgehen im Ort der „Goldenen Meile“ von Remagen nach Bei diesen aktiven Sozialdemokraten gab zu bewerkstelligen sei. So legte z. B. mein Hause zurück. es auch viel Enttäuschung über die Hal- Vater wegen anderer Demokratievorstel- Er war seit Februar 1919 Mitglied der tung der SPD-Führung, von der sie sich lungen das errungene Gemeindevertre- SPD gewesen und im März 1933 wegen Anfang 1933 im Stich gelassen fühlten. termandat ein Jahr nach der Wahl nieder, seiner aktiven politischen Tätigkeit aus Sie waren oftmals Mitglieder im Reichs- übernahm aber viele andere Aufgaben, dem Schuldienst entlassen worden. Jetzt banner Schwarz-Rot-Gold gewesen, das ohne jemals am Weg und der Notwendig- griff er wieder ins politische Geschehen die SPD zum Schutz der Weimarer Repu- keit der neuen Einheitspartei zu zweifeln. ein. Aus dieser Zeit, ich stand im 16. Le- blik gegründet hatte. Einige – auch mein Auch meine Mutter, die vor 1933 parteilos bensjahr, sind mir viele Diskussionen zur Vater – besaßen eine Pistole. Sie hatten war und im August 1945 der SPD beitrat, Vereinigung von SPD und KPD in Erinne- an gewagten antifaschistischen Aktionen war von der Unausweichlichkeit einer ge- rung. Teilnehmer waren sozialdemokrati- teilgenommen, über die sie jetzt wieder meinsamen Partei der Arbeiter und Werk- sche Holz- und Metallarbeiter, langjährig sprechen durften. tätigen überzeugt. Sie blieb bekennende vor 1933 und zum Teil vor 1914 organi- Nicht bewerten konnte ich damals, warum Sozialistin bis an ihr Lebensende. siert. Der Tenor war immer der gleiche: einzelne Mitglieder der KPD und der SPD Jürgen Schewe „Wie dumm waren wir doch, daß wir die Vereinigung nicht mitmachen wollten. Unser Autor war bis 1989 SED-Parteise- uns als SPD- und KPD-Leute ablehnend Sicher zeichneten sich auch Engherzigkei- kretär im Berliner Kabelwerk Oberspree. Seite 4 ROTFUCHS / April 2006 ROTFUCHS / April 2006 Seite 5

war ich 18. Nach amerikani- 1945 scher Kriegsgefangenschaft „Genossen, das Brot fand ich Beschäftigung als Landarbeiter in Mecklenburg. Ein besonders eifriger CDU-Anhänger war mein „Brotherr“ Dr. kommt später!“ Pohl, Arzt, Großbauer und Landtagsab- geordneter in einer Person. Er ließ nichts der Zufall, daß ich den Film „Lenin im erst Arbeit geleistet werden muß, bevor unversucht, uns junge Landarbeiter für Oktober“ sah, der mich sehr beeindruckte, man Wohlstand erwarten kann. Von da seine Partei zu gewinnen. Da ich streng und entscheidend für meinen Entschluß an hatte ich nur einen Wunsch: der revo- religiös erzogen wurde, war es zunächst war, am 18. Dezember 1946 Mitglied der lutionären Kraft der Arbeiterklasse, ihrer nicht leicht, mich richtig zu entscheiden. SED zu werden. Eine Szene in diesem Film Partei, der SED, als aktives Mitglied anzu- Ich sprach darüber mit meinem Vater. Der prägte sich mir besonders ein: „Genos- gehören. Georg Behrendt war Maurer von Beruf und meinte, für sen, das Brot kommt später!“, ruft Lenin Unser Autor war Vorsitzender der einen Arbeiterjungen komme nur eine den Arbeitern zu. Das verstand ich nicht Kreisparteikontrollkommission der Arbeiterpartei in Frage. Dann wollte es sofort, doch mit der Zeit begriff ich, daß SED in Berlin-Weißensee.

uf dem letzten Landesparteitag wur- Aden die Delegierten zum sächsischen Erinnerung an Vereinigungsparteitag gewählt. Einer von ihnen, knapp 17 und KPD-Mitglied seit dem 1. September 45, war ich. Später habe Otto Buchwitz ich erfahren, wer den Vorschlag gemacht hatte: unter anderen Bruno May, der drei verflog die letzte Müdigkeit. Die Losung Unter stürmischem Beifall sprach Otto Jahre in Sachsenhausen gewesen war. „Auf, Sozialisten, schließt die Reihen!“ Buchwitz allen aus dem Herzen, als er Endlich war es soweit: Es kam der 7. April grüßte von der Stirnseite des Saales. sagte: „Zur Einheit JA, JA und nochmals 1946. Wir fuhren mit der Straßenbahn Es herrschte hektische Bewegung, denn JA!“ Wilhelm Koenen von der KPD ging nach Bühlau. In den Fenstern der meisten viele Genossen trafen sich wieder – Frau- auf Buchwitz zu und sagte: „Im Kampf Wagen befanden sich anstelle von Glas- en, Männer und dazu viele Jugendliche. um die Macht besitzen wir Arbeiter kei- scheiben noch Pappe oder Sperrholz. Aber Diese 1200 Delegierten vertraten die Mit- ne wichtigere Waffe als die Organisation die ersten Schritte des Aufbaus konnte glieder beider Parteien im Lande Sachsen. – in Sachsen sind es mit dem heutigen Tag man schon sehen, die Straßen wurden An einige Genossen im Präsidium kann 400 000 und dazu Millionen Sympathisan- schrittweise von Trümmern beräumt. ich mich noch erinnern: Otto Buchwitz, ten.“ Wolfgang Ritter Wir kamen im Bühlauer Kurhaus an. Mit Rudolph Friedrichs, Hermann Matern, voller Lautstärke hörten wir Kampf- und Kurt Fischer, Wilhelm Koenen, Olga Kör- Unser Autor lebt in Bautzen und ist Arbeiterlieder. Ein schöner Empfang. Da ner, Fritz Große ... dort politisch aktiv. Lebenserfahrung Emigrantenschwur alter Sack, vor kurzem 90 Nach Erfüllung organisatori- einer Arbeiterin Wgeworden, erinnert sich: scher Aufgaben im Zusammen- „Wir, eine Gruppe von deutschen hang mit den Beratungen konn- enossin Marga Reuter, 88 Dörfern unterwegs. In den Emigranten aus Schweden, ka- te Walter Sack von einer Loge GJahre, gehört zum Urge- gemeinsamen Versammlun- men am 8. März 1946 zurück in im heutigen Metropol-Theater stein der deutschen Arbeiter- gen der beiden Parteien ging die Heimat.“ den Verlauf des Parteitages bewegung. Nach dem Ersten es lebhaft zu, „aber solche Er, Kommunist und Jude, eine verfolgen. Er schildert, daß die Weltkrieg in einem kommuni- Probleme mit den Gegnern tödliche Kombination im fa- Stimmung vom gemeinsamen stischen Elternhaus im Rhein- der Arbeitereinheit wie hier in schistischen Staat, war 1939 Aufbruch bestimmt war. Wie land aufgewachsen, erfuhr sie Berlin hatten wir dort nicht“, gezwungen worden, Deutsch- es sich die Genossen in den vom Vater, daß er vor Verdun erzählte sie. „Ich erinnere land zu verlassen. In Schweden Konzentrationslagern und in mit Krupp-Munition beschos- mich an eine Zusammenkunft leistete er Widerstandsarbeit, der Emigration geschworen sen worden war, und wie in Waltershausen. Da sprach wobei es keine Rolle spielte, ob hatten, wollten sie zusammen deutsche und französische ein schmächtiger, ausgehun- der Kampfgefährte an seiner an den Aufbau eines friedli- Soldaten sich zu verbrüdern gerter Genosse; der Anzug Seite Kommunist oder Sozialde- chen Deutschland gehen. Es suchten – gegen die deut- schlotterte ihm am Leibe. Er mokrat war. Diese Erfahrungen gab aber auch jene, die auf schen und die französischen war gerade erst aus dem KZ galt es beim Aufbau eines neu- dem Parteitag der Vereinigung Militärs und vor allem gegen Buchenwald befreit. Er redete en Deutschland zu nutzen. zustimmten und später die Krupp und seinesgleichen. mit einer solchen Begeiste- Als die Gruppe aus Schweden Partei und die sowjetische Be- Später, schon im Kommuni- rung, daß einfach allen klar ankam, wurde sie von Wilhelm satzungszone verließen. Dabei stischen Jugendverband und war: Der Bruderzwist muß Pieck empfangen. Ein Satz von spielte der Einfluß gewisser dann im antifaschistischen ein Ende haben, wir gehören ihm ist Walter Sack bis heute Medien eine große Rolle. Be- Widerstand, vor allem aber zusammen. „Dieser Mann im Gedächtnis geblieben. „Geht sonders die Westberliner an die Arbeit, Genossen, und Blätter „Tagesspiegel“ und „Te- nach der Befreiung war Mar- würde sich im Grabe umdre- kümmert euch besonders um legraf“ taten sich bei der Hetze gas Hauptbetätigungsfeld die hen, wenn er gehört hätte, die Jugend.“ gegen die Einheitspartei her- Arbeit unter Frauen. Das blieb daß der PDS-Parteivorstand Walter wohnte damals im vor. Sie verunglimpften sie als so – übrigens auch in ihren sich für die Herstellung der amerikanischen Sektor Berlins, „Russenpartei“. Solche Kräfte letzten fast 25 Berufsjahren Arbeitereinheit entschuldigt in Rudow. Er organisierte und haben in ihrem Haß nie nach- als Arbeiterin, Meisterin, hat. Ist es nicht interessant: führte viele Gespräche, vor gelassen. Heute stellen sie die Parteigruppenorganisator im Unter Werner Eggerath fand allem auch mit der Jugend, Vereinigung von KPD und SPD Berliner Kabelwerk Oberspree. die Vereinigung in Thüringen darüber, wie es in Deutschland als Zwangsvereinigung dar. In Vorbereitung der Vereini- bereits statt, bevor die Berli- weitergehen sollte. Er warb da- Walter Sack, dessen Erin- gung von KPD und SPD aber ner Führung sie beschlossen bei, wie es die Emigration ge- nerungen eine langjährige war sie im Auftrag von Werner hatte. Und Werner bekam so- lehrt hatte, für die Einheit von Kampfgefährtin notierte, war Eggerath, des späteren Lan- gar Ärger deswegen ...“ Kommunisten und Sozialdemo- über Jahrzehnte Stadtbezirks- des-Ministerpräsidenten, vor Mit Marga Reuter sprach kraten. Die Meinungen prallten bürgermeister von Berlin-Trep- allem in den thüringischen Dr. Ernst Heinz. durchaus aufeinander. tow. Seite 4 ROTFUCHS / April 2006 ROTFUCHS / April 2006 Seite 5

s bedarf heute der eindeutigen EKlarstellung: Was den sogenannten In einer Reihe Zwang beim Zusammenschluß von SPD und KPD betrifft, so stimmt das mit zialdemokraten Paul Bismark und Franz re sich nur an den Rummel von Westber- den Realitäten nicht überein. Ich habe Rüschen; dazu kamen die verantwortli- lin aus, an Franz Neumann, das Ostbüro alles zum Teil in Hessen, zum Teil in chen Staatsfunktionäre. Hier wie in den der SPD und die sogenannte UGO („Unab- erlebt. Für das Zusam- Kreisen war das eine Gemeinsamkeit auf hängige Gewerkschaftsopposition“). Was mengehen der Arbeiterbewegung waren Dauer unter zunehmender Einbeziehung Wunder, wenn da nicht jeder dieser Wühl- die Genossen auch in Hessen in vielen jüngerer Kräfte. In Wittenberge (Perle- tätigkeit standhielt! Aber der Wille zur Betrieben, Städten und Gemeinden, ja berg) übernahmen ehemalige Sozialdemo- Einheit war stärker. Es gereicht zur Ehre in ganzen Regionen. In Sehnde, Kreis kraten die Verantwortung im Staatsappa- der überwältigenden Mehrheit der kom- Burgdorf-Lehrte bei Hannover, war der rat, in der Gewerkschaft und im Konsum, munistischen und sozialdemokratischen SPD-orientierte Betriebsrat der Zucker- im Zellwolle-Betrieb war es ein Genosse Genossen, mit ihrer Haltung den Weg fabrik fest zur Einheit entschlossen. Nach der KPD, in der Singer-Nähmaschinen- der Gemeinsamkeit geöffnet zu haben. der bekannten Schumacher-Konferenz in Fabrik einer aus der früheren SPD, in Die Vereinigung von SPD und KPD war Wennigsen (Niedersachsen) war er jedoch der Ölmühle ein neues Mitglied der SED, historisch notwendig und richtig. Möge völlig verunsichert und führte zu seiner in der Brauerei ein Kommunist, im RAW man sich heute daran erinnern, wenn Entschuldigung immer nur Vorbehalte KPD- und SPD-Genossen. Wir wuchsen in die widersprüchlichen Debatten um die gegenüber „Rußland“ an. Ähnlich entwik- einem längeren Prozeß zusammen – wer Bildung einer neuen Linkspartei in ganz kelte sich Schritt für Schritt die Lage im will da behaupten, das wäre alles „von Deutschland hohe Wellen schlagen! dortigen Kalibergbau. Erneut mußte der oben“ angeordnet worden und von einem Hans Nieswand, Potsdam Antikommunismus herhalten. Es begann Tag auf den anderen geschehen? ja bereits der ideologische Feldzug im Zur Wahrheit gehört vielmehr, daß von Unser Autor, der im März 1946 der Kalten Krieg mit einer regelrechten Hatz der Bi- und Trizone bis in die BRD hinein SPD beitrat und seit ihrer Gründung gegen die einheitswilligen antifaschi- alles unternommen wurde, um unsere SED-Mitglied war, arbeitete in den stischen Kräfte, die beim Wiederaufbau Arbeitereinheit in Mißkredit zu bringen. 70er und 80er Jahren als Sekretär der öffentliche Verantwortung übernommen Mit unablässigem Beeinflussen ließ man SED-Bezirksleitung Potsdam. Er gehört hatten – so gegen den Landrat und beson- so manchem ehemaligen Funktionär und heute zur Kommunistischen Plattform ders gegen die Kommunisten. Man konnte Mitglied der SPD keine Ruhe; man erinne- der Linkspartei.PDS. sich sogar des Eindrucks nicht erwehren, daß die geschlagenen Nazis im Bemühen, dem völligen Untergang zu entgehen, eine einheitliche Arbeiterbewegung durch ihr Aus Anlaß des 60. Jahrestages Hinzutun zu verhindern suchten. Was 1933 gelang, sollte sich wiederholen. der Gründung der SED Welche Haltung man auch zur damali- gen Position der westlichen SPD-Spitze findet am 22. April einnehmen mag, es war unverzeihlich, wie sie sich zum Schwur der gefangenen im großen Hörsaal der Antifaschisten beider Parteien in den faschistischen KZs und Gefängnissen Hochschule für Wissenschaft und Technik verhielt; ganz abgesehen davon, daß sie ihre Genossen im Osten im Stich ließ, die in Berlin-Karlshorst, Treskowallee 8, sich bereits Ende Juni 45 für die Verei- nigung aussprachen. Dafür gibt es keine eine festliche Veranstaltung statt.     Rechtfertigung, denn von Zwang konnte Einlaß ab 9.30 Uhr, Beginn: 10.00 Uhr überhaupt keine Rede sein. In Brandenburg stellten sich solche Nach einem Konzert des bekannten Persönlichkeiten der Sozial- Singeclubs Ernesto Che Guevara (Dresden) demokratie wie (junior), spricht Prof. Dr. Götz Dieckmann zum Thema: Paul Bismark, Otto Meier, Karl Steinhoff, Eugen Ernst, Franz Rüschen und viele andere aus Kreisen und Kommunen in den gemeinsamen Gruppen und Ausschüssen zur Verfügung. Das verstärkte sich nach der ersten Sechziger-Konferenz (30 Ge- nossen der KPD und 30 von der SPD) im Dezember 1945. Sozialdemokraten und Kommunisten reichten sich die Hand: „Nie wieder lassen wir zu, daß der Gegner uns teilt, um uns zu beherrschen!“ Das war ein Treueschwur! Es folgen Kurzansprachen und Wer nun glaubt, die Kommunisten mit ein zeitgenössischer Dokumentarfilm. der sowjetischen Besatzung im Rücken hätten ihre sozialdemokratischen Partner Veranstalter sind außer dem „RotFuchs“ ausgegrenzt, der irrt. Die genannten SPD- (Zeitschrift und Förderverein, Regionalgruppe Berlin) Genossen besetzten die Funktionen als die Tageszeitung „junge Welt“ sowie Landtagspräsident, Ministerpräsident, die DKP (Berlin), Ge-werkschaftsvorsitzender, Justizmini- die Kommunistische Plattform der Linkspartei.PDS, ster, im Konsum, an der Spitze der neuen die KPD und der volkseigenen Güter, der Volksbildung usw. Marxistische Arbeitskreis zur Geschichte Und im Landesvorstand der SED galt nach der deutschen Arbeiterbewegung bei der PDS. dem Vereinigungsparteitag die Parität. Neben den bewährten Kommunisten Willi Der Eintritt ist frei. Sägebrecht und Kurt Seibt standen die So- Seite 6 ROTFUCHS / April 2006 ROTFUCHS / April 2006 Seite 7 Wie die DDR-Wirtschaft zerstört wurde is 1989 war die kleine DDR der acht- auf Werkzeug- und Textilmaschinenbau, bäude und Anlagen und des dazugehöri- Bstärkste Industriestaat der Welt. Sie Polygraphie, Carl Zeiss Jena u. a. – tech- gen Bodens. Die Kunden unserer Industrie lag etwa auf gleicher Höhe mit Italien. nisch rückständig, rasch modernisiert in Ländern mit Verrechnungsabkommen Hinzu kam: Der Agrarsektor prosperierte, werden können. mußten dann auf dem „freien Weltmarkt“ was nicht zuletzt der Fortbestand vieler Doch es kam anders. Unmittelbar nach der buchstäblich über Nacht gegen konver- Genossenschaften – wenn auch unter „Vereinigung“ hat die Bonner Regierung tierbare Währungen kaufen und um- kapitalistischem Vorzeichen – beweist. als erste Maßnahme auf diesem Gebiet gekehrt ihre Waren dort absetzen, was Bei einer solchen Sachlage erfolgte die alle zwischenstaatlichen Abkommen der auch bei ihnen zu schweren Einbrüchen Vereinnahmung des sozialistischen deut- DDR in Wirtschafts- und Finanzfragen geführt hat. schen Staates und seiner „maroden“ Wirt- gekündigt und damit der Industrie der Die Vernichtung der Industrie in der Ost- schaft. In den sogenannten Einigungs- DDR oder dann der Ostzone (die Bezeich- zone hatte auch verheerende politische vertrag (es handelt sich um eine Tauto- nungen „alte“ und „neue“ Bundesländer Konsequenzen. Die aus ihr resultierende logie, da jeder Vertrag im Zeichen einer lehne ich ab, weil sie nur der Illusion Arbeitslosigkeit, lokal manchmal bis zu Einigung steht und zwar unabhängig von dienen, daß wir alle gleichberechtigte 50 % und mehr, führte einerseits zur Auf- der Art seines Zustandekommens), ist mit Bundesbürger wären), die Märkte abge- lösung der Betriebskollektive, die in der Art. 2 eine für die DDR und deren Wirt- schnitten. DDR mit ihrem sozialistischen Arbeits- schaft durchaus vorteilhafte Bestimmung Damit wurden die betreffenden Betrie- recht und ihrer Praxis sozialistischer aufgenommen worden. Sie verpflichtet be auch in eine Schuldenfalle gestürzt. Wirtschaftsleitung sehr weitgehende Mit- die BRD nämlich, die gesamten Außen- Entsprechend dem durch Lenin vermut- wirkungsmöglichkeiten besessen hatten. wirtschaftsbeziehungen der DDR fortzu- lich nach dem Beispiel des Wirkens des Sie wären eine ernstzunehmende Kraft im führen und auszubauen. Das entsprach Finanzkapitals entworfenen System der Widerstand gegen die Politik der BRD-Re- der selbstverständlichen Erwartung der Kontrolle der Wirtschaft durch den Ru- gierung und der großen kapitalistischen DDR-Bürger als eines wesentlichen Be- bel wurden auch die Betriebe der DDR Wirtschaftsunternehmen geworden. Ein standteils der „blühenden Landschaften“ nur mit geringen eigenen Umlaufmitteln wesentlicher Teil der Arbeiterklasse der des Herrn Kohl. Die Beziehungen, insbe- ausgestattet. Sie mußten den Löwenanteil DDR wurde damit faktisch liquidiert. sondere die Verrechnungsabkommen mit des benötigten Geldes als Kredit bei den Auf der anderen Seite bot sich den nun dem Rat für Gegenseitige Wirtschaftshil- Banken aufnehmen, die daraufhin als Herrschenden die Möglichkeit, gegenüber fe (RGW) und einzelnen Staaten, waren Gläubiger die staatliche Finanzkontrolle den Westdeutschen für die auch auf sie eine existenznotwendige Voraussetzung gegenüber den Schuldnerbetrieben aus- zukommenden Folgen der „Vereinigung“ für den Absatz des größten Teils der übten. Diese Kredite wurden nach der (mit anderen Worten: der rechtswidrigen DDR-Industrieerzeugnisse. Nach Wegfall „Vereinigung“ an westdeutsche Geschäfts- Zerstörung der Wirtschaft der Ostzone) des westlichen Embargos gegen die RGW- banken verkauft, die so den finanziellen die „faulen Ossis“ verantwortlich zu ma- Länder hätte die Industrie der DDR – bis Ruin der Betriebe herbeiführen konnten. chen. Der westdeutsche Bundesbürger Dabei wurde mißachtet, daß eine Behand- müsse diese als Resultat „sozialistischer lung dieser ursprünglich volkseigenen Plan- und Mißwirtschaft“ nun miter- Am 4. April um 17.30 Uhr spricht „Schulden“ nach den Grundsätzen der Pri- nähren, hieß es. Die wirkliche Rolle der Prof. Dr. Ekkehard Lieberam auf einer Veranstaltung der vatwirtschaft gar nicht möglich war. Das „Treuhandanstalt“ und der westdeutschen RF-Regionalgruppe Halle bei der dürfte die Verschleuderung unserer VEBs Kolonialbeamten, die die systematische Volkssolidarität in Halle-Neustadt, an unredliche Erwerber, wie es im BRD- Ausplünderung der Ostzone organisierten Hettstedter Straße 1, zum Thema: Recht für Käufer kleiner Grundstücke und vollzogen, wurde auf diese Weise heißt, noch erleichtert und den jeweiligen verschleiert. Das war eine ideale Grund- „Kaufpreis“ zu deren Gunsten erheblich lage für das alte Prinzip des Teile und Gegenstrategie gedrückt haben. Herrsche. Diese Erwerber aber waren meist Konkur- Im Bonner Finanzministerium des Herrn oder Regierungs- renzunternehmen, die ihre Kapazitäten Waigel oblag die Verantwortung für die schon bis dahin nicht hatten auslasten finanziellen Beziehungen zur DDR und de- beteiligung? – können und sich deshalb an einer Erwei- ren Abwicklung von der „Währungsunion“ terung durch Kauf ostdeutscher Firmen bis zur „Treuhand“ seinem damaligen Linke Politik gleicher Art keineswegs interessiert Staatssekretär Horst Köhler, der wohl zeigten. Ihr Augenmerk galt lediglich der auch aufgrund so erworbener Sporen bei am Scheideweg Ausschaltung unliebsamer Konkurrenten der Vergabe des Bundespräsidentenamtes sowie der Übernahme ihrer Märkte, Ge- berücksichtigt wurde. Gerhard Wenzel

„Haben Sie irgend etwas gegen Oligarchen?“ „Ach, wissen Sie, wir haben jetzt überhaupt nichts ...“ Aus: „Sowjetskaja Rossija“, Moskau Seite 6 ROTFUCHS / April 2006 ROTFUCHS / April 2006 Seite 7 Ermordet von der Adenauer-Polizei: m 5. April 2006 wäre Philipp Müller A75 Jahre alt geworden. Tatsächlich Philipp Müller erlebte er gerade noch seinen 21. Geburts- tag. Am 11. Mai 1952, der als Essener Infolgedessen gleicht Essen an diesem Blutsonntag von den derzeitigen Siegern Sonntag einem Heerlager. Obwohl vie- der Geschichte gern unerwähnt bleibt, le Demonstranten aufgehalten werden, wurde Philipp Müller durch westdeutsche bewegt sich ein größerer Zug durch die Polizisten hinterrücks erschossen. Aufge- Straßen der Stadt. Lieder und Sprechchö- wachsen ist Philipp im Milieu von Arbei- re erklingen. Versammlungsleiter einer terkolonien, in einem Vorort von München, Kundgebung sind der Dortmunder Pfarrer 1938 verunglückte sein Vater, ein Eisen- Arnold Haumann – übrigens ein langjäh- bahner, tödlich. Die Mutter mußte allein riger „RotFuchs“-Leser – und der Spre- für ihre sechs Kinder sorgen. Nach sieben cher der Jugendlichen, der Darmstädter Jahren Volksschule ging Philipp als Lehr- Studentenpfarrer Herbert Mochalski. Die ling ins Eisenbahn-Ausbesserungswerk Lehr-Polizei antwortet mit Terror. Mit München-Neuaubing. Drei Jahre später ihren Mannschaftswagen fährt sie in hatte er die Lehre als Eisenbahner been- die sporadischen Kundgebungen und den det, trat in die Gewerkschaft ein, und die Demonstrationszug. Berittene Polizisten Kollegen wählten ihn zum Jugendleiter. treiben ihre Pferde in die Massen, Hunde 1948 wurde Philipp Mitglied der Frei- werden auf die Jugendlichen gehetzt, mit en Deutschen Jugend. Als im Mai 1950 Gummiknüppeln und lederumflochtenen Tausende Jugendliche aus der DDR und Stahlruten dreschen die uniformierten der BRD beim Deutschlandtreffen in der Schläger wahllos auf die Demonstranten Albert Bretthauer aus Kassel wird schwer DDR-Hauptstadt ihre Empörung über ein. Wer auf der Straße liegen bleibt, wird verwundet, ebenfalls der 31jährige So- die Remilitarisierungspläne in der BRD auf die Überfallwagen geworfen. Philipp zialdemokrat Bernhard Schwarze aus bekundeten, war er mit dabei, auch im ruft seinen Münchner Freunden zu: „In Münster. Von einer Pistolenkugel tödlich August 1951 bei den III. Weltfestspielen die Nebenstraßen!“ und „Zusammenblei- getroffen, bricht auch Philipp zusammen. in Berlin. Als die FDJ im Juni 1951 in der ben!“ Dann hört er noch den Befehl: „Feu- Er stirbt auf dem Weg ins Krankenhaus. BRD verboten wurde, fand Philipp den er frei!“ aus einem Lautsprecherwagen. Dank journalistischer Recherchen, ins- Weg zu den Kommunisten. Er trat der Der 24jährige parteilose Gewerkschafter besondere von Leonore Dietrich, sind die KPD bei. Und wurde 1951 prompt Namen der Verantwortlichen für diesen wegen „kommunistischer Um- Essener Blutsonntag bekannt: Die Poli- triebe“ aus dem Betrieb gefeuert. zeioffiziere Wolter und Knoblauch insze- Zu den Weltfestspielen heiratete nierten das Blutbad. Sie erhoben auch als er seine Freundin aus der DDR. erste die Waffen. Den tödlichen Schuß auf Als im November 1951 sein Sohn Philipp Müller gab der Polizist Werner geboren wurde, stellte er einen Koller ab. Doch während 261 Jugendliche Übersiedlungsantrag. und unbeteiligte Passanten verhaftet und Nach den Weltfestspielen be- viele von ihnen unschuldig verurteilt ginnt die Vorbereitung für die wurden, blieben Philipps Mörder und Friedenskarawane am 11. Mai deren Auftraggeber verschont, obwohl 1952 in Essen. Es ist ein Sonntag. Philipps Mutter Strafanzeige gestellt Tausende bevölkern die Straßen. hatte. Diese wurde zurückgewiesen. Die Die Stadt mitten im Ruhrgebiet Polizisten hätten in Notwehr gehandelt. feiert ihr 1100jähriges Bestehen, In der Antwort der Behörden an den Delegierte des Europäischen Rechtsanwalt hieß es u. a.: „Der Schuß Kongresses der Christlichen hatte Erfolg.“ Arbeiterjugend tagen hier, eine Nach dem tragischen Ereignis des 11. Mai große Gartenbauausstellung 1952 verstärkten auch Persönlichkeiten erwartet ihre Besucher. Und aus dem Bürgertum wie Katharina von überall in der Stadt lachende, Kardorff-Oheim, Helene Wessel, Wilhelm singende Gruppen Jugendlicher. Elfes, , Weit über 30 000 junge Friedens- und viele andere ihren Widerstand gegen kämpfer versammeln sich, um die Remilitarisierung. unter dem Motto „Widersteht Philipp Müller war das erste Opfer des der Militarisierung – Friedens- kalten Krieges in der BRD, dem noch viele, vertrag statt Generalvertrag“ über Peter Göring bis Gerhard Riege, fol- von ihrem im Grundgesetz gen sollten. zugesicherten Recht der freien Nachdem die DDR 1990 der BRD ange- Meinungsäußerung Gebrauch schlossen worden war, gab es bei uns zu machen. Junge Kommunisten, in Strausberg Bestrebungen konserva- Sozialdemokraten, Gewerk- tiver Kräfte, den Straßennamen Philipp schafter, Pfadfinder, Natur- Müller zu tilgen. Vehement haben sich freunde, Angehörige kirchlicher die Anwohner dagegen gewehrt und mit Jugendorganisationen aus allen Nachträglich zu seinem überwältigender Mehrheit für seine Bei- Teilen der BRD sind gekommen 85. Geburtstag am 28. Februar behaltung optiert. Zudem haben sie (und grüßen wir den großen deutschen – sie trotzen dem verfassungs- Maler, standhaften Kommunisten und andere Bürger Strausbergs) schon vor 15 widrigen Verbot der Friedenska- „RotFuchs“-Leser Jahren einen Aufruf zum ehrenden Ge- rawane, das Innenminister Lehr denken an Philipp Müller unterschrieben, am Vortag, als die Jugendlichen mit einem Linolschnitt seines Bruders in dem mahnend an die Bluttat und den aus allen Teilen der BRD bereits Prof. Rudolf Sitte in herzlicher Friedenskämpfer erinnert wird. unterwegs waren, erlassen hat. Verbundenheit. Heinz Pocher Seite 8 ROTFUCHS / April 2006 ROTFUCHS / April 2006 Seite 9

uf der Gründungsveranstaltung des A „Innovationsfonds des Volkes“ e. V., Das Elend der freien Erfinder einer unabhängigen, privatfinanzierten Vereinigung, die sich als einzige in der BRD nur um die freien Erfinder kümmert, in Deutschland (1) wurde von Prof. Dr. jur. Erich Häußer (†), der in der Zeit von 1976 bis 1995 Präsident gen. (Definition des „Innovationsfonds Im Ergebnis dessen werden von dem des Deutschen Patent- und Markenamtes des Volkes“ e. V.) durchschnittlich 22prozentigen Anteil München war, in seinem einstündigen So ist z. B. in Deutschland eine Förderung der Patentanmeldungen freier Erfinder Grundsatzreferat am 26. 10. 1996 in Berlin für eine Erfindung, um sie in die Vermark- in Deutschland nur 3–5 % eingeführt. Die folgendes festgestellt: tung überzuleiten, nur möglich, wenn der Ursache dafür besteht aber nicht darin, „Zwischenzeitlich ist offenbar, daß die Erfinder selbst mindestens 40 % und ma- wie uns manche Leute nachweisen wollen, deutsche Wirtschaft in einer schweren ximal 60 % der erforderlichen Summe als daß die Produkte weniger gut als andere Krise steckt, die erkennbar nicht nur vor- Geldleistung aufbringt. aus der großen Industrie sind, sondern übergehend ist. Damit trat das ein, was Es leuchtet ein, daß ein Hochschulabsol- lediglich darin, daß die bestehenden ge- seit mehr als einem Jahrzehnt absehbar vent mit einer glänzenden technischen setzlichen Finanzierungsrichtlinien für war. Aber alle Hinweise auf die sich ab- Idee, die er sogar zum Patent anmelden Erfindungen („Förderung“) erfinderfeind- zeichnende Entwicklung wurden entwe- konnte, auf verlorenem Posten steht, wenn lich sind. der nicht zur Kenntnis genommen oder zu er diese Anforderungen erfüllen soll. Vie- Aus diesem Grund hat Deutschland in den unseren Gunsten relativiert. ... le Betroffene haben bereits im Laufe des zurückliegenden Jahrzehnten Tausende Wir brauchen also vor allem Erfindungs- Studiums angehäufte Schulden. von Erfindungen, oft gemeinsam mit den reichtum, um im eigenen Land die für Nicht anders geht es Beschäftigten, die Erfindern, an das Ausland verloren, die neue Produkte und Verfahren unverzicht- eine Idee zum Patent anmelden konnten, bis jetzt als Re-Importe, besonders aus baren Grundlagen zu schaffen. Es ist des- aber in ihrer beruflichen Tätigkeit keine den USA, Japan und anderen innovati- halb in erster Linie notwendig, kreative Möglichkeit besitzen, diese Erfindung bis onsstarken Ländern, auf den deutschen Menschen – Forscher, Wissenschaftler zu einem marktfähigen Produkt heraus- Markt zurückfließen. und Erfinder – mit allen verfügbaren Mit- zuarbeiten und zu finanzieren. Damit schränkt sich die Möglichkeit teln zu unterstützen, sie zu fördern und Die Versuche mancher freien Erfinder, Deutschlands weiter ein, die Tendenz des ihr Ansehen in der Gesellschaft zu festi- sich dennoch Geld von Banken (Haus und wachsenden weltweiten Zurückbleibens gen. Vor allem aber müssen wir ihnen das Grundstück verpfändet) oder von Pri- in Wissenschaft und Technik zu stoppen, Erfolgserlebnis der Verwirklichung ihrer vatpersonen zu beschaffen, gehen in der geschweige denn umzukehren. Ideen im eigenen Land ermöglichen und Regel, wie wir beweisen können, mit dem Ein Mangel an innovativem Vorlauf in der ihnen eine faire Behandlung zukommen Ruin des Erfinders zu Ende. Wirtschaft ist eine der schwersten Bür- lassen. ...“ Uns wird oft entgegengehalten, daß der den, die ein Land zu tragen hat. Seit der Einschätzung von Prof. Häußer Erfinder sich ja nur an die Wirtschaft zu Im Spiegelbild dessen befindet sich der hat sich an der geschilderten Situation wenden brauche, um die erforderlichen jeweilige Stand der Arbeitslosigkeit. Wäh- nichts geändert. Die Regierung Schröder/ Mittel zu bekommen. Das ist eine grobe rend in der Zeit der Regierung Schmidt Fischer hat sowohl in der ersten als auch Entstellung der wahren Sachverhalte, (SPD/FDP) die Arbeitslosigkeit noch bei in der nicht beendeten zweiten Legisla- da die kleinen und mittelständischen 1 bis 2 Millionen lag, überschritt sie be- turperiode genau die gleiche verfehlte Unternehmen, die den größten Teil der reits zu Zeiten der Regierung Kohl (CDU/ Innovationspolitik betrieben wie die Re- deutschen Wirtschaft ausmachen, selbst CSU/FDP) die 4-Millionen-Grenze und gierung Kohl. in chronischer Unterfinanzierung arbei- erreichte mit 5 216 000 offiziell registrier- Im Ergebnis dieser falschen Politik tra- ten und deshalb in der Regel außerstan- ten Arbeitslosen im Februar 2005 zum ten Wirkungen in der Wirtschaft des de sind, die personellen und materiellen zweiten Mal in Folge einen neuen Nach- Landes auf, die von der Kreditanstalt Vorauskosten für das Überführen einer kriegsrekord. Im Verlaufe des Jahres 2005 für Wiederaufbau im November 2005 Erfindung in die Vermarktungsfähigkeit änderte sich diese Situation kaum. Am folgendermaßen eingeschätzt wurden: zu übernehmen, während sich die Groß- 1. Februar 2006 gab die Bundesagentur „Die Innovationskraft der deutschen Wirt- unternehmen in Deutschland bis auf für Arbeit bekannt, daß die Arbeitslosen- schaft ist nach Aussage des Chefvolks- wenige Ausnahmen nicht bereit zeigen, zahl in Deutschland wiederum die 5-Mil- wirts der KfW-Bankengruppe Frankfurt mit freien Erfindern zu kooperieren. Sie lionen-Grenze überschritten hat. (Main), Norbert Irsch, in den vergangenen empfinden diese schöpferische Gruppe als Dr. rer. oec. Gerhard Steinmüller Jahren bedenklich gesunken. Wenn dies Bedrohung, weil sie teilweise bessere und so bliebe, sei absehbar, daß Deutschland effektivere Lösungen anbieten kann, als Unser Autor ist Vorsitzender des Vor- im internationalen Wettbewerb immer sie im gegenwärtigen Produktionssorti- standes des „Innovationsfonds des Vol- mehr zurückfalle. Es sei bedenklich, daß ment der Unternehmen zu finden sind. kes“ e. V. (www.innovationsfonds.com) die Gründungsrate im Bereich der Spit- zentechnologien seit zehn Jahren bundes- Sie können ruhig als Straßenkehrer arbeiten, Herr Diplomingenieur. weit abnehme. Auch große Unternehmen und etablierte Mittelständler seien im- mer weniger innovativ. Das gravierende Hemmnis sei die Finanzierung. Viele erfolgversprechende Projekte scheitern daran. Bei den Bankiers ist das Verständ- nis für die Probleme innovativer Firmen nicht vorhanden.“ Diese chronische Unterfinanzierung von Innovationsprozessen im Land trifft vor allem die freien Erfinder. Das sind Perso- nen, die von Berufs wegen keine bezahlte Anstellung haben, auf deren Grundlage sie ihre Erfindungen herausarbeiten kön- nen, sondern solche Erfinder, die unab- hängig von ihren Erwerbsverhältnissen sich freiwillig und engagiert zu eigenen Zeichnung: Die Besen sind inzwischen mechanisiert! Lasten in die Erfindertätigkeit einbrin- Lydia Kuhnt Seite 8 ROTFUCHS / April 2006 ROTFUCHS / April 2006 Seite 9

urch das Gesetz Nr. 2 des Alliierten wurden Fachabteilungen: Forschung und Die überbetriebliche Gemeinschaftsar- DKontrollrats über die „Auflösung und Lehre; Bergbau, Steine und Erden; En- beit entwickelte sich. Bei großen Fach- Liquidierung der Naziorganisationen“ ergie; Technische Chemie; Mechanische tagungen nahmen neben der technischen vom 10. Oktober 1945 wurden sämtliche Technik; Elektrotechnik; Faserstoffe; Intelligenz des jeweiligen Fachgebietes Vereine, die im „Nationalsozialistischen Bauwesen; Verkehr. in völlig gleichberechtigter Weise die Bund Deutscher Technik“ (NSBDT) zu- Der schnelle Aufbau der Kammer der dazugehörigen Techniker, Meister und sammengeschlossen waren, aufgelöst. Im Technik ergab sich aus der bei vielen Arbeiter teil. Das brachte der KDT zwar Artikel I dieses Gesetzes bestimmte der Menschen zunehmenden Erkenntnis, daß die spöttische Bezeichnung „Schlosser- Absatz 3: „Die Neubildung irgendeiner die neue Form der freiwilligen technisch- verband“ ein, half aber beim Wiederauf- der angeführten Organisationen, sei es wissenschaftlichen Gemeinschaftsarbeit bau der zerstörten Wirtschaft. unter dem gleichen oder einem anderen in ihren Zielen und Aufgaben der ganzen Der Mechanikermeister Nietsche, der 20 Namen, ist verboten.“ Klar war aber auch, Bevölkerung, also auch ihnen selbst, da- Spezialmaschinen und -automaten aus daß ohne Wissenschaftler, Ingenieure bei half, die Kriegswunden zu heilen, die dem Gedächtnis rekonstruierte und ver- und Techniker, ohne deren Wissen und herrschende bittere Not zu überwinden vollkommnete, ermöglichte, um nur ein Erfahrungen ein Aufbau des so stark und den Weg zu einem glücklicheren Le- Beispiel zu nennen, die Wiederaufnahme zerstörten Landes nicht zu schaffen sein ben zu beschreiten. der Fabrikation von Armbanduhren in würde. Es galt die einfachsten Existenz- Ende 1946 wurde ein Ausschuß für Erfin- Glashütte. Aus den 9 Fachabteilungen bedingungen für die Bevölkerung schnell dungs- und Patentfragen gebildet. Anfang hatten sich inzwischen 19 Fachverbände wiederherzustellen. Dazu mußten als 1947 fanden Gründungsveranstaltungen (FV) mit einer Vielzahl von Fachausschüs- erstes die Versorgung mit Lebensmitteln, Energie und Wasser sowie die Verkehrs- verbindungen gesichert und Wohnraum geschaffen werden. Für diese Aufgaben war die ehrenamtliche technisch-wissen- Wie sich die schaftliche Gemeinschaftsarbeit in einer neuen Form zu organisieren. Auf die alten Strukturen konnte nicht technische Intelligenz zurückgegriffen werden. Das wollten aus verschiedensten Gründen sehr viele Wis- der DDR organisierte senschaftler, Ingenieure und Techniker trotz unterschiedlicher weltanschauli- cher Standpunkte auch gar nicht. Die neue Form sollte parteipolitisch neutral sein, der KDT-Landeskammern statt. Am 2. sen (FA) und Fachunterausschüssen (FUA) aber klare demokratische Ziele haben. Juni 1947 trat die konstituierende Tagung entwickelt. Im Gefolge der Neugliederung In dieser Situation fanden sich im Som- des Hauptausschusses in Berlin zusam- der DDR in Bezirke (August 1952) waren mer 1945 die Aktivsten zusammen, um ei- men. Zum ersten Präsidenten der KDT aus den 6 Landeskammern 15 Bezirksver- nen Neuanfang der freiwilligen technisch- wurde der Rektor der damaligen Techni- bände mit Fachsektionen entstanden, von wissenschaftlichen Gemeinschaftsarbeit schen Hochschule Dresden, Prof. Dr.-Ing. denen auch die Betriebssektionen betreut innerhalb der sich gerade neu formieren- Enno Heidebroek, gewählt. wurden. Die Entwicklung der KDT führte den Gewerkschaften zu beginnen. Nach Die Bildung von Bezirksausschüssen und dazu, sie ab 18. August 1955 als selbstän- Beratungen mit allen interessierten Orga- Ortssektionen vertiefte den organisatori- dige demokratische Fachorganisation der nen der Selbstverwaltung schlug der Vor- schen Aufbau in den Ländern. In dieser technischen Intelligenz in der DDR anzu- stand des Mitte 1945 entstandenen Freien Zeit drängten ebenso überregionale Fra- erkennen. Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) gen, die Normung und das technische Der 1. Kongreß der Kammer der Technik der Sowjetischen Militäradministration Vorschriftenwerk sowie die Einführung fand am 3. und 4. Dezember 1955 in Berlin in Deutschland (SMAD) die Bildung einer innovativer technischer Lösungen nach statt. Er beschloß die Erhebung von Mit- Kammer der Technik vor. Klärungen. Damit setzte eine Spezialisie- gliedsbeiträgen. Dadurch sank allerdings In dem vom Chef der Kulturabteilung rung in den Fachabteilungen ein. Durch die Mitgliederzahl von etwa 100 000 auf der SMAD, Oberst S. Tjulpanow, unter- Sonderausschüsse wie für Holztrock- 35 000, und die Zahl der Betriebssektio- zeichneten Genehmigungsschreiben vom nung, Netzstörungen, Wärmepumpen und nen ging zunächst zurück. Bald stieg je- 8. Mai 1946 heißt es: „Der Zonenverwal- Windkraft wurde neben den Tagesfragen doch die Mitgliederzahl kontinuierlich an. tung des FDGB wird hiermit erlaubt, von auf perspektivische Lösungen hingear- Schon 1958 waren es bereits wieder 65 000 den Gewerkschaften ausgehend, eine beitet. Die Betreuung und Herausgabe des Mitglieder, die in 1834 Betriebssektionen ,Kammer der Technik‘ zu errichten“, und für den Aufbau wichtigen „Vorschriften- und mehr als 1250 überbetrieblichen Gre- die Bildung eines Organisationskomitees werks Deutscher Elektrotechniker“ (VDE) mien freiwillig technisch-wissenschaftli- wurde genehmigt. übernahm die Fachgruppe Elektrotech- che Gemeinschaftsarbeit leisteten. Der von diesem Komitee erarbeitete und nik. Zu beziehen war es vom Druckschrif- In das Amt des Präsidenten der KDT am 26. Juni 1946 beschlossene Grün- tenvertrieb der KDT. Für die Herausgabe wurden dann nacheinander Prof. Dr.-Ing. dungsaufruf „An die technische Intelli- einer breiten Palette von Zeitschriften Horst Peschel (1959), Prof. Dr.-Ing. habil. genz“ erschien im Juli in der ersten Num- und Fachbüchern war der Verlag Technik Manfred Schubert (1974) und Frau Prof. mer der neuen Zeitschrift „Die Technik“. zuständig. Dr. Hülsenberg (1987) berufen. Im Jahre Er war von 35 Persönlichkeiten (darunter Welche Resonanz die Kammer der Tech- 1988 hatte die KDT 292 824 Mitglieder. 46 die Professoren Franck, Havemann, Rom- nik fand, spiegelt sich in der rasch wach- 568 davon waren Frauen. Rund ein Drittel pe, Schwabe) unterschrieben und zeigte, senden Mitgliederzahl wider: der Ingenieure der DDR gehörte also der in welchen Rahmen die neue Form der Zwischen Dezember 1946 und Dezem- Kammer an. Gemeinschaftsarbeit einzuordnen sei. ber 1951 wuchs sie von 1904 auf 62 429 Die KDT genoß in ihrer Blütezeit sowohl Am 2. 7. 1946 wurde die Kammer der Mitglieder. Auf seiner Tagung am im Lande als auch international ein be- Technik gegründet Mitte September 12. Februar 1949 wählte der Hauptaus- achtliches Ansehen. hatte eine Redaktionskommission die schuß Prof. Dr. Dr. h. c. Heinrich Franck Dozent Dipl.-Ök. et Dipl.-Ing. Ausarbeitung der Satzung abgeschlossen. zum Präsidenten. Hans Rolf Besser Sie wurde vom Vorstand des FDGB gebil- Durch die nun eingeleitete Bildung von ligt und von der SMAD genehmigt. Darin Betriebssektionen wurde die Tätigkeit Unser Autor ist Ehrenmitglied der KDT wurde die KDT in die zentrale Kammer der KDT populär. Bisher Fernstehende, und seit 1994 Vorsitzender beim Kol- der Technik, die Landeskammern und die aber an technischen Fragen Interessierte legium der Techniker, Ingenieure und Bezirksausschüsse gegliedert. Gebildet konnten als Mitglieder gewonnen werden. Wirtschaftler in Deutschland e. V. Seite 10 ROTFUCHS / April 2006 ROTFUCHS / April 2006 Seite 11 Vor 45 Jahren wurde das Gesetzbuch der Arbeit beschlossen

m 12. April 1961 beriet und beschloß Gewerkschaftszeitung „Tribüne“ veröf- Kritisch ist zum GBA anzumerken: Aus Adie Volkskammer der DDR das Ge- fentlicht. Ihre weite Verbreitung garan- heutiger Sicht überwogen sogenannte setzbuch der Arbeit (GBA) und setzte es tierte, daß der Entwurf in jeden volksei- Aufgabennormen. Mit ihnen wurden den zum 1. Juli 1961 in Kraft. Das war in der genen Betrieb und dort oft in die meisten Leitern, aber auch allen Beschäftigten DDR die erste umfassende gesetzliche Arbeitskollektive gelangte. Auch andere Vorstellungen für die Wirkungsrichtun- Neuregelung eines Rechtszweiges, des Printmedien veröffentlichten Auszüge. gen des Gesetzbuchs vermittelt, auf die Arbeitsrechts. Bereits kurze Zeit nach Viele Diskussionsbeiträge zum Gesetz die gemeinsamen Anstrengungen in den der Staatsgründung wurde 1950 das wurden publiziert. Das galt ebenso für volkseigenen und gleichgestellten Betrie- Gesetz der Arbeit erlassen. Mit diesem etliche Änderungsvorschläge. ben hinauslaufen sollten. Sie waren auf und den nachfolgenden Regelungen zu Von der Kommission wurden die Meinun- die Erziehung der Werktätigen zu soziali- vielen arbeitsrechtlichen Einzelfragen gen zum Entwurf erfaßt und ausgewertet. stischem Bewußtsein gerichtet. Eine gro- wurde die Herausbildung sozialistischer Daraufhin überarbeitet, wurde er von der ße Rolle spielte die Rechtsprechung der Arbeitsverhältnisse wesentlich gefördert. Fraktion des FDGB in der Volkskammer Konfliktkommissionen, wobei Kammern Hervorzuheben ist, daß das Recht auf eingebracht. Deren Ausschüsse gaben ihre und Senate für Arbeitsrecht der Gerichte Arbeit als grundlegendes Menschenrecht Zustimmung. Schließlich begründete der aufkommende Streitfragen meist kon- schon damals real gesichert wurde. Heute Vorsitzende des FDGB-Bundesvorstands struktiv zu lösen wußten. Daran konnte wissen und erfahren wir immer wieder, und Abgeordnete Herbert Warnke im Ple- das Arbeitsgesetzbuch (AGB), das zweite daß es auf Arbeit, obwohl bereits von der num den Gesetzentwurf. Im Ergebnis der umfassende Gesetzeswerk auf dem Gebiet Allgemeinen Erklärung der Menschen- Aussprache wurde das GBA einstimmig des Arbeitsrechts anknüpfen. Es wurde rechte der UN- Generalversammlung verabschiedet. 1977 ausführlich diskutiert und trat am 1948 verkündet, in der kapitalistischen An dieser Stelle möchte ich als Gast der 1. Januar 1978 in Kraft. Wirtschaftsordnung keinen Rechtsan- damaligen Volkskammersitzung einflech- In der Bundesrepublik gab es ebenfalls spruch gibt. ten: Mit stürmischem Beifall wurde die in Bemühungen, das Arbeitsrecht in einem Anfang der 60er Jahre war es erforderlich, die Sitzung übertragene Nachricht auf- Gesetzbuch zu regeln. Die dazu gebildete den mit den bisherigen Regelungen er- genommen, ein sowjetisches Raumschiff Kommission mußte jedoch ihr Scheitern reichten Stand der gesellschaftlichen Ar- mit Juri Gagarin an Bord umkreise die eingestehen. Die unterschiedlichen In- beitsverhältnisse in einem einheitlichen Erde. So verknüpft sich das Datum der teressen ließen sich nicht unter einen Gesetzbuch zu erfassen. Das GBA sagte Annahme des GBA der DDR mit dem Tag Hut bringen. So erklärt sich, warum der sich konsequent von den Bestimmungen des ersten bemannten Raumfluges. Auftrag im Einigungsvertrag von 1990 des bis dahin z. T. noch angewendeten Das Gesetzbuch bewährte sich alsbald an den gesamtdeutschen Gesetzgeber, Bürgerlichen Gesetzbuchs los, stellte das in der Praxis. Die Regelungen waren das Arbeitsvertragsrecht möglichst bald Arbeitsrecht gewissermaßen auf eigene verständlich und gut handhabbar. Sie be- einheitlich neu zu konzipieren, bis heute Füße. Die sozialistischen Arbeitsverhält- gründeten konkrete Ansprüche, bestimm- nicht erfüllt worden ist. Im Gegenteil: Es nisse ließen sich nicht nach den bürger- ten Verantwortung und Verantwortlich- vergeht keine Woche, in der nicht neue lich-rechtlichen Aspekten eines schuld- keiten und legten fest, was im Rahmen „Vorschläge“ der Unternehmerseite publi- rechtlichen Austauschverhältnisses ge- des kollektiven Arbeitsrechts, in Betriebs- ziert werden. Sie laufen allesamt darauf mäß BGB gestalten, wie sie heute noch in kollektivverträgen (BKV), Rahmenkol- hinaus, dem Arbeitsrecht der BRD immer der Bundesrepublik maßgebend sind. lektivverträgen (RKV), Betriebsverein- mehr Sicherungs- und Schutzfunktionen In den folgenden Jahren verabschiedete barungen, Arbeitsordnungen usw. weiter zu nehmen, wobei der Vorwand benutzt die Volkskammer der DDR ähnlich umfas- ausgestaltet werden sollte. Die Gewerk- wird, „die Arbeitskosten im Interesse der sende Gesetzbücher für weitere Rechts- schaften, vor allem die betrieblichen Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu zweige. Genannt seien hier nur, weil fast Gewerkschaftsleitungen, betätigten sich, optimieren“. Walter Rudelt alle Bürger berührend, das Familien- und gestützt auf das GBA, als echte Vertreter Unser Autor war Vorsitzender des das Zivilgesetzbuch. Ihrem Entstehen der Interessen der Arbeiter, Angestellten Arbeitsrechtssenats des Obersten Ge- gemeinsam ist vor allem die umfassende und Angehörigen der Intelligenz. richts der DDR. demokratische Diskussion der veröffent- lichten Entwürfe und die Verabschiedung der Gesetzbücher durch die Volkskammer. Der Entwurf des GBA der Arbeit wurde von einer gemeinsamen Kommission des Bundesvorstands des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) und des Ministerrats der DDR erarbeitet. Unter ihrer Anleitung entstanden zunächst Analysen der Wirksamkeit geltender ar- beitsrechtlicher Regelungen. Darauf ge- stützt formulierte man Zielvorstellungen für die neu zu regelnden Sachkomplexe. In den einzelnen Arbeitsgruppen wirk- ten Gewerkschaftsfunktionäre, Vertre- ter der Arbeitsrechtswissenschaft und Mitarbeiter von Ministerien zusammen. Die gemeinsame Kommission erstattete dem Bundesvorstand des FDGB und dem Ministerrat wiederholt Zwischenberichte über den Stand der Ausarbeitung und Dis- kussion des GBA-Entwurfs. Dieser wurde nach Billigung durch die Kommission in vollem Wortlaut als Faltbeilage in der Seite 10 ROTFUCHS / April 2006 ROTFUCHS / April 2006 Seite 11

eipzigs Ex-Oberbürgermeister Wolf- Lgang Tiefensee (SPD) hat es für viele „Heldenstädter” überraschend in die Merkel-Regierung gezogen. Kritiker meinen, er sei vor den wachsenden Problemen davongelaufen. boykottierten Wahlen Seine Politik wurde am härtesten von der Linkspartei angegriffen, aber auch tiker nicht hauptverantwortlich, aber ter ist wohl, daß ausgerechnet in jener bürgerliche Parteiobere beanstandeten auch sie trugen durch Entlassungen aus Stadt, in der die DDR-Opposition einst am unübersehbare Defizite, Skandale und der Verwaltung und kommunalen Firmen lautesten nach freien Wahlen schrie, ein Affären. sowie die Liquidierung des Haupt-ABM- solcher Boykott stattfand. Die widersprüchliche Entwicklung Ost- Trägers zur Krise bei. deutschlands ist in Leipzig wie unter ei- Anfang Februar war der erste Wahlgang Die Erklärungsversuche der Meinungs- nem Vergrößerungsglas erkennbar. Neue angesetzt, und es kam zu einem Eklat. Die macher blieben dürftig. Kanzlerin Merkel Verwaltungsgebäude, beeindruckende Wahlbeteiligung betrug nur 34,9 %. Der rief bei ihrer Blitzreise zur Unterstützung Handelseinrichtungen, elegante oder sa- SPD-Favorit Jung kam auf 41,6 % und 9 % des CDU-Bewerbers enthusiastisch aus, nierte Wohnhäuser, Straßen, ein neues vor CDU-Kandidat Albrecht. Linkspartei- Leipzig sei eine „tolle Stadt“. Gäste und Fußballstadion und ganz wenige, wenn vertreter Pellmann erreichte nur magere bekennende Nichtwähler einer Kneipe auch spektakuläre Wirtschaftsansied- 15,5 % und stieg vor der Stichwahl am mit dem bezeichnenden Namen „Hartz IV“ lungen wie Quelle, Porsche und BMW kon- 26. Februar aus. bekundeten einem Reporter des Regional- trastieren scharf mit einer Hochburg für Wiederum sank die Teilnahme um mehr fernsehens, man habe sie „verraten und Schulden (eine Milliarde), Firmenpleiten, als 3 %. Jung ging mit 51,6 % relativ verkauft“. Arbeitslose (Amtsbezirk: 20,5 %), Hartz-IV- knapp vor Albrecht (44 %) durchs Ziel. Betroffene und Kriminalität, nicht zuletzt Interessant sicher, daß die Leipziger SPD Auf den Siegesrausch am Wahlabend folgte Massenflucht von jüngeren Fachkräften wie schon vor Jahren auf einen Wessi in der „Heldenstadt“ anhaltender Katzen- in den Westen. Zwar sind die Stadtpoli- zurückgreifen mußte. Noch interessan- jammer. Joachim Spitzner Kranke Gesellschaft – krankes Gesundheitssystem

eder Versicherte, jeder Patient sieht, de Ende November 2005 in Berlin beim ben, analysiert die Studie „Krankenhaus Jhört und spürt es: Immer höhere Kran- 11. Kongreß „Armut und Gesundheit“ fest- Rating Report 2006“. kenkassenbeiträge, immer mehr Zuzah- gestellt. Trotzdem wird die Finanzierung Die Ausgabenbegrenzung im Gesund- lungen, immer weniger und schlechtere des Gesundheitswesens durch die Regie- heitswesen führte im abgelaufenen Jahr Leistungen, Klinikärzte streiken, Haus- rungen immer mehr heruntergefahren. 2005 zu einem neuen Pleiterekord bei den ärzte und ambulante Fachärzte schließen Waren es im Jahr 1990 noch 12 % des Arztpraxen. Bundesweit standen zum ihre Praxen und gehen mit ihren Arzthel- Bruttoinlandsprodukts, die für das Ge- Jahresende rund 30 000 der insgesamt ferinnen zu Protestdemonstrationen, das sundheitswesen ausgegeben wurden, so 96 000 Arztpraxen vor der Schließung deutsche Gesundheitswesen selbst ist sind es z. Z. nur noch 6,9 %. Sowohl die oder waren von der Insolvenz bedroht. behandlungsbedürftig! „Arbeitgeber“ als auch der Staat entzogen Die betroffenen Mediziner verfügten nach Der dienstälteste Gesundheitsminister in sich zunehmend ihrer Verantwortung für Abzug von Steuern und Kosten nur über Deutschland, Ludwig Mecklinger, formu- die Finanzierung. Die Zahl der Arbeiter, ein monatliches Einkommen zwischen lierte vor Jahren wiederholt: „Was kann Angestellten und Rentner, welche die So- 1600 und 2000 Euro, davon müssen dann die Medizin? Vermeidbare Krankheiten zialsysteme tragen, wird immer kleiner. noch Beiträge zur Altersvorsorge abge- und frühzeitigen Tod verhindern. Was Die Großverdiener sind privatversichert, führt werden – und das bei ihrer 58-Stun- soll die Gesundheitspolitik? Für das phy- für die arbeitslosen und sozialhilfeemp- den-Arbeitswoche, ihrer langen Ausbil- sische, psychische und soziale Wohlbefin- fangenden „Hartz IV“-Leute wird gar kein dungszeit und ihrer hohen Verantwortung den der Menschen sorgen, dies zusammen Krankenversicherungsbeitrag mehr er- für Leben und Gesundheit. mit den Ärzten, Schwestern u. a. Mitar- stattet. Deutschland aber ist nicht Papua- Das Faß zum Überlaufen brachte das von beitern des Gesundheitswesens.“ der Ministerin Schmidt in den Bundestag Neuguinea, sondern das fünftreichste Zur Zeit wird eine andere Gesundheits- eingebrachte „Arzneimittel-Versorgungs- Land der Erde (mit 440 000 Euro Kapital/ politik betrieben, die durch chronische wirtschaftsgesetz“ (AVWG). Statt – wie Unterfinanzierung, durch Privatisierung Einwohner), aber die Regierenden lassen längst überfällig – eine Arzneimittel-Po- der Krankenhäuser, der Polikliniken/ nicht nur die finanzielle Aushöhlung des sitivliste herauszugeben, sollen wir Ärzte Versorgungszentren und der Versicherun- Gesundheitssystems zu, sondern auch, als Büttel gegenüber unseren Patienten gen sowie maßlose Bürokratisierung und daß das nicht ausreichende Geld immer mit einem „Bonus“ bestochen, wenn wir Verleumdungen der Ärzte gekennzeichnet weniger zu den Patienten und zu denen wenig oder gar nichts verordnen oder ver- ist. fließt, die sie ambulant und stationär be- anlassen, bzw. mit dem „Malus“ bestraft Die Lebenserwartung in unserem Land handeln. Von 100 Euro Krankenversiche- werden, wenn wir Tages-Therapie-Kosten steht in deutlichem Zusammenhang mit rungsbeitrag bekommen die Kliniken 33 überschreiten, d. h. wir Ärzte sollen um- dem Einkommen: 40 Prozent der Men- Euro und die Haus- und Facharztpraxen gehend die angeblich zu viel verordneten oder zu teuren Medikamente selbst be- schen, die im Jahr unter 30 000 Euro 16 Euro, aber 51 Euro fließen sachfremd zahlen. verdienen, erleben nie das Rentenalter. und überproportional in die Pharmain- dustrie, die Verwaltungen der 400 Kran- In was für einem Land leben wir, Pati- Dagegen können sich 85 Prozent derje- enten wie Ärzte, eigentlich, daß uns so kenkassen und andere „Mitesser“. Auf nigen, die über 60 000 Euro verdienen, etwas zugemutet wird? darauf einstellen, dieses Ziel zu erreichen. dem bundesweiten Protesttag der 30 000 Die Proteste der Ärzte – zunehmend un- Und sie können sich auf durchschnittliche Ärzte am 18. Januar ging es nicht nur um terstützt durch unsere Patienten – werden 20 Jahre Ruhestand freuen, während die die Existenzkrise der Arztpraxen und Kli- so lange und verstärkt fortgesetzt, bis die schlechter Verdienenden im Schnitt nur niken, es ging um den „drohenden Versor- verantwortlichen Politiker und die Kas- noch sechs Jahre davon erleben. gungsnotstand für unsere Patienten“. sen-Bosse zur Vernunft kommen. „Lebensbedingungen und Lebensstile be- Jede zehnte der knapp 1900 Kliniken in einflussen die Gesundheit ebenso wie Deutschland kann die kommenden fünf OMR Prof. Dr. sc. med. die Bildung und der Arbeitsplatz“, wur- Jahre wirtschaftlich nicht mehr überle- Herbert Kreibich Seite 12 ROTFUCHS / April 2006 ROTFUCHS / April 2006 Seite 13 Wird als nächstes der Fernsehturm abgerissen?

ie mir scheint, werden mit der Zer- fältige Nutzung und die enorme Zahl der 5000 Plätzen konnten die Gäste des PdR Wstörung des Palastes der Republik Besucher für sich. Seit der Eröffnung des bedeutende Kulturereignisse miterleben, zwei Ziele verfolgt: PdR am 23. 4. 1976 bis zu seiner Schlie- Konzerte von Klangkörpern und Solisten Einerseits sollen die „steinernen Zeugen“ ßung haben ca. 30 Millionen Menschen aus der ganzen Welt. Hier saßen keine aus 40 Jahren DDR koste es, was es wolle, das Gebäude betreten. In diesen ganzen ausgewählten Leute, sondern Besucher beseitigt werden. Wenn es technisch mög- Jahren haben drei Parteitage der SED dort aus allen Kreisen der Bevölkerung. Künst- lich wäre, würde man auch noch den Fern- stattgefunden. ler aus der ganzen Welt, auch aus der BRD, sehturm abreißen. Andererseits will man Die Angebote waren mannigfaltig: Im bestritten das Programm. offensichtlich die preußisch-deutsche Hauptfoyer, dem zentralen Raum, strahl- Nicht zu vergessen sei die Möglichkeit, Geschichte bis 1945 wieder auferstehen ten hunderte Kugelleuchten (daraus wur- im großen Saal 19 Raumvarianten, je lassen. Es sollte aber auch nicht verges- de im Volksmund „Erichs Lampenladen“), nach Bedarf, herzustellen. Diese Ver- sen werden, daß auf dem Schloßplatz am zu jeder Jahreszeit sah man hier herrliche wandlungstechnologie gab es zu dieser 22. März 1848 ein großer Trauerzug mit Arrangements aus Pflanzen und Blüten Zeit nirgendwo auf der Welt. Schließlich den 230 gefallenen Barrikadenkämpfern aller Art, die Fünf-Meter-Blume aus Glas sei noch das TIP erwähnt. Es war ein aus der Märzrevolution defilierte. Er und Stahl war schon nach kurzer Zeit Ber- Foyertheater, ohne Bühne, ohne Wände, zwang den Preußenkönig Friedrich Wil- lins beliebtester Verabredungsort. ohne feste Stuhlreihen. Hier wurden Vor- helm IV., vor den Toten sein Haupt zu Die Bowlingbahn, der Jugendtreff, die stellungen der verschiedensten künstleri- entblößen. Weinstube und die Bierstube in der un- schen Genres geboten. Das ursprünglich Das kriegszerstörte Schloß wurde be- tersten Etage konnte man zu Preisen auf- strapazierte Argument einer „Asbestver- kanntlich abgerissen. Niemand dürfte suchen, von denen jeder heute nur träumt. seuchung“ wurde bald aus dem Verkehr die Illusion gehabt haben, die DDR werde Für die Gastronomie standen insgesamt gezogen. Längst hat sich nämlich herum- ausgerechnet auf dem (inzwischen umbe- 11 Einrichtungen mit 1500 Plätzen zur gesprochen, daß in Berlin und anderswo nannten) Marx-Engels-Platz den Sitz der Verfügung, darunter das Spree- und das in Deutschland etliche Bauten existieren Hohenzollern wieder errichten. Lindenrestaurant sowie das 4. und 5. Ge- und genutzt werden, welche eine ähnliche Im Frühjahr 1973 wurde entschieden, an schoß für die Pausenversorgung der Gäste Beschaffenheit aufweisen (nicht nur das seiner Stelle ein „Haus des Volkes“, eben des Großen Saales. Außerdem Milchbar, Westberliner ICC). Noch heute erinnere den Palast der Republik, zu bauen. Entge- Espresso und Mokkabar. Nicht zu verges- ich mich an den grotesken Auftritt des gen der Auffassung, er gehöre „nicht zur sen: zwei kleine Salons mit Dekorationen damaligen Bauministers Töpfer, der mit Identität der Deutschen“ und sei lediglich aus Meißner Porzellan für Familienfeiern seiner Begleitung in abenteuerlichen eine „Kundgebungstribüne für die SED- und gesellige Zusammenkünfte von Ar- Gasmasken den „verseuchten“ Palast be- Herrschaften“ gewesen, sprechen die viel- beitskollektiven. Im großen Saal mit ca. suchte. Dr. Alfred Kleine

Lügner am Pranger

n der Tat. Das schaffen nicht einmal desdeutscher Gerichtsbarkeit Furcht vor Daß das Ganze von A bis Z erlogen ist, wird IBestseller: fünf Auflagen innerhalb von dem Herrn im Hause einzuflößen. Doch zu vom Autor gründlich nachgewiesen. Aber sechs Monaten. Die erste erschien im Juni spät – das Büchlein findet seinen Weg. Die nicht nur darin besteht sein Verdienst. 2005, die (vorläufig) letzte im Dezember „RotFuchs“-Gemeinschaft könnte kräftig Horst Schneider beleuchtet auch den vergangenen Jahres bei Spotless. mithelfen, es weiter zu verbreiten. Es soll- historischen und juristischen Hinter- Klaus Huhn verweist in seinem Vorwort te vor allem in die Hände junger Leser ge- grund des „Objekts“ und stellt klar, daß auf das „Erfolgsrezept“: „Konsequenter langen. Denn die sind im „Gruselkabinett“ es unbedingt in den Kontext zur heuti- Kampf gegen die Lüge findet interessierte besonders gern gesehene Gäste, weil als gen BRD-„Gedenkstätten“-Politik gestellt Leser.“ Inklusive jene, die mit dem Ta- leichter manipulierbar betrachtet. werden muß, deren Richtung vom säch- schenbuch „Das Gruselkabinett des Dr. Die Rede ist von der ehemaligen Zentralen sischen Gedenkstättengesetz maßgeblich Hubertus Knabe(lari)“ – verfaßt von dem Untersuchungshaftanstalt des Ministe- bestimmt wird. Nicht zufällig ist, daß renommierten Dresdner Historiker Prof. riums für Staatssicherheit der DDR, der bestimmte rechtskonservative Kreise zu- Dr. Horst Schneider – entlarvt werden. Sie heutigen „Gedenkstätte Hohenschön- nehmend darauf drängen, dieses Gesetz wurden ob des „Renners“ ganz schön auf- hausen“ – gehandelt als „authentischer „auf die Bundesebene zu heben (und in geschreckt und versuchten, mittels bun- Beweis“ für „grausames SED-Unrecht“, das Strasbourger Parlament zu bringen)“ mitfinanziert vom ansonsten bettelarmen mit dem Ziel, „die Totalitarismus-Doktrin Berliner Senat mit 19 Millionen Euro, be- zur Grundlage und zum Kernpunkt jeder sucht von mehr als 128 000 Menschen al- Wertung der jüngsten Geschichte zu ma- lein im Jahre 2004, darunter etwa 55 000 chen“. An Berliner Schulen arbeitet man E hrendes Gedenken jungen Leuten, von denen 40 000 Schüler schon seit 2004 in diesem Sinne. „Stasi- unserem langjährigen waren. Experten“ haben ein Material vorgelegt, treuen Leser, Das „Geschäft mit der Lüge“ ist perfekt nach dem die Kinder lernen sollen, die organisiert. Tourismusunternehmen oder „politische Verfolgung in der DDR“ aus dem Palastarchitekten deren Kunden kassieren „Fördermittel“, der „Perspektive der Opfer“ zu betrach- wenn sie die „Gedenkstätte“ ins Pro- ten. Höchste Zeit also, den Kampf um die Dr.-Ing. Wladimir Rubinow gramm der Berlin-Besuche aufnehmen. Wahrheit aufzunehmen. Das Buch von Berlin, Frühmorgens schon parken die ersten Horst Schneider ist dafür unverzichtbar. Reisebusse ein. So ist also Kontinuität ge- Bruni Steiniger den der Tod aus unseren sichert. Der Strom reißt nicht ab. Wer sich dort einfindet, weiß am Ende, was er mit Horst Schneider. Das Gruselkabinett Reihen gerissen hat. eigenen Augen gesehen hat: die „Folterzel- des Dr. Knabe(lari). Spotless, 122 Sei- len der Stasi“. ten, 5,10 Euro, ISBN 3-937943-14-5 Seite 12 ROTFUCHS / April 2006 ROTFUCHS / April 2006 Seite 13

m Münchner Ortsteil Schwabing am die staatliche Exekutive in Bayern re- Die Münchner Arbeiter und revolutionä- I13. April 1896 geboren, wächst Rudolf präsentiert. An Stelle des Landtags wird ren Soldaten errichten ihre Räterepublik, Egelhofer dort im Armenviertel der bay- der Rätekongreß einberufen. Schon zur an deren Spitze sie den Kommunisten rischen Hauptstadt auf, geht zur Volks- ersten Sitzung am 25. Februar erscheint Eugen Leviné stellen. Sie bilden auch eine schule. Danach erhält er ein Arbeitsbuch, Rudolf Egelhofer und bittet ums Wort. Im Militärkommission, zu deren Vorsitzen- soll sich einen Lehrmeister suchen. So Auftrag von 5000 Arbeitern und Soldaten dem der Matrose Egelhofer ernannt wird, macht er sich auf den Weg an die Küste fordert er die sofortige Ausrufung einer zugleich zum Oberkommandierenden ei- und erhält eine Stelle als Schiffsjunge. Al- Räterepublik, die Senkung der Lebens- ner zu bildenden Roten Armee. Er macht lerdings nicht auf einem Passagier- oder mittelpreise um bis zu 25 Prozent, die Ab- sich sofort ans Werk, denn der Angriff Frachtdampfer, sondern auf Seiner Maje- setzung des sozialdemokratischen Stadt- der sozialdemokratisch geführten Kon- stät Schiff (S.M.S.) „Viktoria Luise“, einem kommandanten Dürr sowie die Besetzung terrevolution steht unmittelbar bevor. 1898 in Dienst gestellten Schweren Kreu- des Bahnhofs und wichtiger Punkte Bald schon sind 12 000 bis 15 000 Mann zer der kaiserlich-deutschen Marine, sta- der Stadt durch wirklich revolutionäre aufgestellt. tioniert in Swinemünde. Das Kampfschiff Truppen. Außerdem soll die Bourgeoisie Am 15. April geht die Konterrevolution zur ist Teil jener Flotte, die dem deutschen entwaffnet, die Arbeiterklasse bewaffnet Attacke über. Die SPD-Regierung in Bam- Kapital helfen soll, Rohstoffquellen und werden. berg verhängt die Blockade über München. Absatzgebiete zu erobern. Doch der Kongreß kommt zu keinem Er- Der SPD-Wehrminister Noske beordert Rudolfs Illusionen über die Seefahrt sind gebnis. SPD und USPD bilden eine neue Divisionen und Freikorps nach Bayern, schnell dahin. Von Drill, Schikanen und Regierung. Sie leistet der sich organisie- insgesamt 60 000 fronterfahrene Soldaten. Schinderei bleibt der 17jährige nicht ver- schont. So verschwindet er am 25. Juni 1913 mit seinem Freund Peter Milbauer von Bord. Auf Ersuchen des Flotten- kommandos erläßt die Münchner Polizei Vorkämpfer der einen Steckbrief. Wochenlang fehlt jede Spur von den beiden Jungen. Erst Ende September trifft eine Nachricht ein, aus bayrischen Räterepublik: Tirol. Engelhofer sei schwer krank in ein Hospita! eingeliefert worden. Wieder Rudolf Egelhofer genesen, muß er zurück zur Flotte und als Matrose dienen. Weglaufen kann er nicht erneut, dann droht das Kriegsgericht. So setzt er sich zur Wehr. Die Offiziere ver- stehen keinen Spaß. Ein Militärgericht verurteilt den Matrosen Egelhofer 1917 zu einem Jahr Haft. Auf der Fahrt zum Fe- stungsgefängnis Köln-Müngersdorf miß- glückt ein Fluchtversuch. Rudolf bleibt gefangen, bis ihn die Novemberrevolution befreit. Schwer tuberkulös kehrt er nach München zurück. In seiner Heimatstadt hat sich inzwischen Grundlegendes getan. Die Monarchie ist gestürzt, eine SPD-USPD-Regierung in renden und formierenden bürgerlichen Sie verfügen über Maschinengewehre, Bayern am Ruder. Zwischen dem 30. De- und monarchistischen Konterrevolution Artillerie, Panzerautos, dazu Giftgasgra- zember 1918 und dem 1. Januar 1919 kon- Vorschub. Das läßt sich das Volk nicht naten. Noske erteilt uneingeschränkten stituiert sich in München eine Parteiorga- gefallen. In Demonstrationen und Streiks Schießbefehl: „Jedes Verhandeln mit nisation der KPD. Rudolf Egelhofer gehört ertönt der Ruf nach einer wahren Rä- dem Feind oder mit der Bevölkerung ist von Anfang an dazu. Als die Regierung terepublik immer lauter. Die Regierung verboten. Milde wird als Schlappheit, am 10. Januar 1919 unter einem Vorwand greift zu einem Trick, sie inszeniert am Gutmütigkeit als Unzuverlässigkeit der kommunistische Funktionäre verhaften 7. April eine „Räterepublik“. Deren Füh- Truppe gedeutet.“ Den Weißgardisten läßt, schart Rudolf einige bewaffnete rung setzt sich aus Anarchisten, Mit- stehen 20 000 Mann der bayrischen Roten Soldaten und Arbeiter um sich, steigt mit gliedern des Bauernbundes und einigen Armee gegenüber, mangelhaft bewaffnet ihnen durch ein Fenster in die Amtsräume USPD-Leuten zusammen. Die KPD lehnt und ausgerüstet. Am 30. April öffnet der von Ministerpräsident Kurt Eisner und eine Beteiligung an dieser Scheinrätere- Kommandeur eines entscheidenden Ab- erzwingt die Freilassung seiner Genossen. publik ab. Die SPD-Minister setzen sich schnitts, der SPD-Mann Klingelhöfer, die Über eine weitere Aktion Egelhofers gibt nach Bamberg ab, um von dort aus die Front und macht den Weg nach München ein Bericht des Bezirksamtes Kötzing an militärische Niederschlagung der bayri- frei. Überall, am Karlsplatz, am Rathaus, die Polizeidirektion München Auskunft: schen Revolution zu organisieren. In der am Bahnhof, im Sendlinger Viertel vertei- „Betreff: Bolschewistische Propaganda. Nacht zum Palmsonntag putscht die Re- digen sich die Arbeiter bis zum 3. Mai. Am 20. d. Mts. hielten drei aus München aktion. Die bürgerliche republikanische Die Weißen entfachen einen ungezügelten zugereiste Spartakisten namens Egel- Schutztruppe und Teile des ehemaligen Terror. Sie erschießen und erschlagen hofer, Rudolf; Sondermeier, Gottfried bayrisch-königlichen Infanterieregiments wahllos Rotgardisten, aber auch Frauen und Angerer, Josef hier eine Versamm- besetzen öffentliche Gebäude, verhaften und Kinder, selbst katholische Laienbrü- lung ab, in welcher die Reichsregierung Mitglieder der Räteregierung. Die Arbei- der. Ebert/Scheidemann ... als Verräter an der ter greifen zu den Waffen, in heftigen Auch Rudolf Egelhofer gehört zu den etwa Arbeiterschaft scharf angegriffen wurde Gefechten drängen sie die Putschisten 1500 Gemordeten. Am 3. Mai morgens um ... Zum Schluß wurde eine Ortsgruppe der zurück, deren Hauptmacht sich schließ- vier Uhr holt man den zuvor schwer Miß- Kommunistischen Partei Deutschlands lich im Hauptbahnhof verschanzt. Die handelten aus der Zelle. Ein bayrischer (Spartakus) gegründet ...“ Arbeiter schicken drei Parlamentäre vor, Militärangehöriger schießt ihm aus näch- Der politische Mord an Ministerpräsident aber der Bahnhofskommandant läßt sie ster Nähe in den Kopf. Er ist erst 23 Jahre Eisner durch einen reaktionären Offizier erschießen. Nun stürmen die Proletarier alt. Für den Mord zahlt die bayrische führt zu einem neuen revolutionären zuerst den Bahnhof, dann auch die Stadt- Staatsregierung 3500 Mark Prämie. Aufschwung. Die Arbeiter-, Bauern- und kommandantur. Die Angriffe werden von Soldatenräte bilden einen Zentralrat, der Rudolf Egelhofer befehligt. Günter Freyer Seite 14 ROTFUCHS / April 2006 ROTFUCHS / April 2006 Seite 15 Die Bundeswehr – Geist und Wurzeln ehrere Verteidigungsminister der Planungsstrategen des faschistischen Kaserne. M. trat 1932 in die Reichswehr MBRD überschlugen sich in der Fest- Deutschen Reiches mit solchen Aufgaben ein. Er meldete sich 1936 freiwillig zur stellung, daß die „Einheit“ zwischen der betraute, wußte auch, in welchem Geist „Legion Condor“ und beteiligte sich als Bundeswehr und der Nationalen Volks- sie ihre Untergebenen erziehen und aus- Jagdflieger an der Zerschlagung der Spa- armee als vollzogen und als vorbildlich bilden würden. Was für „Traditionen“ in nischen Republik. Nach seinem Absturz bezeichnet werden könne. Das war eine der Bundeswehr gepflegt wurden und 1941 erhielt M. ein Staatsbegräbnis unter Lüge. Denn die Nationale Volksarmee teilweise noch werden, machen die Na- Teilnahme von Hitler und Göring. (Anmer- wurde am 2. Oktober 1990, um 24 Uhr, men von Kasernen und Geschwadern kung: Am 28. 1. 2005 kündigte der dama- aufgelöst. Alle Generale und höheren Offi- deutlich. Hier nur eine kleine Auswahl: lige Verteidigungsminister Struck an, das ziere wurden sofort entlassen. Nur wenige In Munster gibt es die Freiherr von Boese- Jagdgeschwader und die Kaserne würden Spezialisten mit Kenntnissen der Militär- lager-Kaserne. Oberst von B. war seit 1934 umbenannt, was in der Bundeswehr für technik des Warschauer Vertrages behielt Soldat, am Überfall auf Polen, Frankreich lebhafte „Empörung“ sorgte.) man für kurze Zeit. Jüngere Offiziere und die Sowjetunion beteiligt. Er nahm Noch ein paar Worte zur Nationalen und Unteroffiziere wurden empörenden an Partisanenbekämpfungsaktionen teil, Volksarmee der DDR. Ihre Führungskräf- „Überprüfungsverfahren“ unterzogen und in deren Rahmen er verbrecherische Be- te bestanden zunächst aus ehemaligen bei Übernahme im Dienstgrad und in der fehle und Weisungen erteilte. Spanienkämpfern, Männern des antifa- Dienststellung zurückgestuft! Oder denken wir an die Generaloberst- schistischen Widerstandes, Mitgliedern Konnte es überhaupt eine „Vereinigung“ Fritsch-Kaserne in Pfullendorf, als Frei- des „Nationalkomitees Freies Deutsch- zwischen Armeen, wie sie unterschied- herr-von-Fritsch-Kaserne auch in Celle land“ sowie aus Soldaten und Offizieren, licher nicht sein mochten, geben? Bun- und Breitenburg existent. Generaloberst welche sich an der Seite der Roten Armee deswehr und NVA waren beide im kalten Fritsch war Berufssoldat, von 1935 bis gegen Hitler geschlagen hatten. In den Krieg entstanden und in die größten Mi- 1938 dann Oberbefehlshaber des Heeres. Anfangsjahren halfen Offiziere und Un- litärblöcke der Welt, die NATO und den Nach eigenen Aussagen ging es ihm um teroffiziere der Wehrmacht zeitweilig Warschauer Vertrag, eingebunden. siegreiche Schlachten an drei Fronten: beim Aufbau der NVA. Aber keiner war Schon bei der Formierung des leitenden „1. gegen die Arbeiterschaft; 2. gegen die so belastet wie die Kommandeure der Personals bestanden gravierende Un- Katholische Kirche, 3. gegen die Juden“. Bundeswehr, gab es doch in der DDR terschiede. In der Bundeswehr konnten, Fügen wir die General-Heusinger-Kaser- keine „Ehrenerklärung“ für Faschisten. nach der Abgabe der „Ehrenerklärung“ ne in Hammelburg hinzu. H. war von Die Namen der Truppenteile und Kaser- des Bundeskanzlers Adenauer für die 1940 bis 1944 Chef der Operationsabtei- nen der Nationalen Volksarmee und der Wehrmacht und die Waffen-SS, „Mi- lung im Oberkommando der Wehrmacht. Grenztruppen der DDR lauteten, um nur litärs mit Ost-Erfahrung“ (was auch Er konzipierte und exekutierte an füh- einige zu nennen: Karl Liebknecht, Rosa im Sinne der Regierung der USA war) render Stelle den Vernichtungskrieg ge- Luxemburg, Ernst Thälmann, Florian zu deren Aufbau und Führung rekru- gen die Sowjetunion. 1950 wurde er Geyer. Sie alle wurden 1990 nach der an- tiert werden. Wer Kommandeure und Adenauers „Ratgeber“ für Fragen der geblichen „Vereinigung“ sofort getilgt. militärischen Sicherheit, 1957 erster Ge- Wenn heute Bundeswehrangehörige in neralinspekteur der Bundeswehr. Und Krisengebiete „verabschiedet“ werden, Gedenken an die schließlich wäre die General-Kammhuber- ist fraglich, ob sie ihren Sold in Höhe von gefallenen Rotarmisten Kaserne in Karlsruhe zu erwähnen. K. war 89 Euro pro Tag nach dem Einsatz noch am sowjetischen 1914 Kriegsfreiwilliger, dann Berufssol- genießen können. Ihre Motivation ist dat. Er weigerte sich 1923, gegen Hitlers mehr als fragwürdig! Übrigens: Wie viele Ehrenmal und Putsch in München vorzugehen. Als Chef Familienangehörige von Bundestagsab- Soldatenfriedhof des Luftwaffen-Organisationsstabes und geordneten nehmen an solchen riskanten in Lebus Kommandeur von Kampfgeschwadern Interventionen persönlich teil? (Lindenstraße/Postberg) flog er bis zur Kapitulation Einsätze. 1956 Fazit: An den Geist und die Wurzeln der wurde K. in die Bundeswehr aufgenom- Bundeswehr können Militärs der NVA in am um Uhr. 7. Mai 2006 10.00 men und dort Inspekteur der Luftwaffe. keiner Weise anknüpfen. Die „Armee der Es spricht Admiral a. D. Theodor In Neuburg a. d. Donau ist das Jagdge- Einheit“ ist eine reine Erfindung der im- Hoffmann. Bringt Blumen mit. schwader 74 „Mölders“ stationiert. In perialistischen Propaganda. Visselhövede gibt es die Werner-Mölders- Oberst a. D. Peter Oldenburg

Dresden: Blick in den Saal, wo Heinz Keßler am 25. Februar auf einer „RotFuchs“-Veranstal- tung zum 50. Jahrestag der NVA-Gründung sprach Foto: Daniel Weigelt Seite 14 ROTFUCHS / April 2006 ROTFUCHS / April 2006 Seite 15

„Kopplung der sozialen Proteste mit Alternativen zur herrschenden Politik“ – zu diesem Thema sprach Prof. Dr. Pe- Ein FU-Professor, der ter Grottian, Politikwissenschaftler an der Freien Universität, unlängst auf ei- sich mit dem System anlegt: ner Veranstaltung in Berlin, zu der die KPD eingeladen hatte. Er autorisierte den RF zur Wiedergabe einiger seiner Peter Grottian Gedanken. rof. Grottian engagiert sich vor allem entsprechende Angebote in kommunalen Pin Menschenrechts- und Bürgerrechts- Bereichen, bei der Lösung ökologischer bewegungen, z. B. in der Aufdeckung des Aufgaben oder im Non-Profit-Sektor be- Berliner Bankenskandals, für den die Be- reitzuhalten. Dann unterbreitete Prof. völkerung der Hauptstadt auf lange Zeit Grottian ein Finanzierungsmodell für die- jährlich acht bis zehn Milliarden Euro se Idee: „Wenn man auf das, was die Leute zusätzlich aufbringen müßte. Die nächste über Hartz IV bekommen, 15 000 Euro pro große Bewährungsprobe für die sozialen Nase draufrechnet – dann haben sie zwar Bewegungen seien die bereits absehbaren kein komfortables Jahreseinkommen, Zwangsräumungen bei Hartz-IV-Empfän- aber es ist immer noch mehr als der lum- gern, die nach den Maßstäben der „Job- pige 8-Euro-Job, den die Gewerkschaften Center“ zu große Wohnungen besitzen. anbieten. Die sich daraus ergebenden 30 In Berlin betreffe das 35 000 bis 40 000 Milliarden sind für eine wohlhabende Menschen, in ganz Deutschland können es Gesellschaft nicht viel.“ Man solle nur bis zu einer halben Million werden. Hier einmal dagegenrechnen, welche Summen gehe es darum, durch die Solidarität der die Bundesagentur für Arbeit gegenwär- Mieter des ganzen Hauses, möglichst der tig verschlinge: etwa 80 Mrd. Euro an ganzen Straße, solche Zwangsumzüge zu Leistungen, 20 weitere Milliarden verur- verhindern. Ähnliche Kraftproben kämen sache die „überbordende“ Bürokratie die- im Ergebnis mit der sogenannten Bolke- ses Amtes, hinzu kämen die Beratungs- stein-Richtlinie auf uns zu. Diese schaffe aufwendungen in anderen Bereichen de facto die Möglichkeit, eine portugiesi- wie Caritas und Wohlfahrtsverbänden. sche Verkäuferin bei Aldi in Deutschland Wenn er Mitarbeiter dieser Behörde mit zu portugiesischem Lohn zu beschäf- seinen Gedanken vertraut mache, sei die tigen. Das hätte natürlich für unseren Reaktion stets, daß dann ja ihr eigener Arbeitsmarkt unglaubliche Folgen. Trotz Arbeitsplatz in Frage gestellt würde. Er gewisser „Modifizierungen“ besteht der antworte darauf, sie sollten sich doch Grundtatbestand fort. zu Steuerfahndern umschulen lassen. Eine unserer Hoffnungen laufe darauf Ein weiterer Gedanke sei die Forderung hinaus, daß durch die Kooperation von nach gesetzlich festgeschriebenen Min- linken Parteien, einigen Gewerkschaf- destlöhnen. In Sachsen würden bereits ten und neuen sozialen Bewegungen ein in Gartenbaubetrieben 2,48 Euro bezahlt „Kräftedreieck“ entstehen könnte, das – da sei Bolkestein klammheimlich schon soziale Widerstände organisiert. Der Red- umgesetzt, gegen alle Tarifverträge. ner warnte jedoch vor übertriebenem Op- Scharf wandte sich der Redner gegen timismus. So seien z. B. die Protestaktio- die Verlängerung von Arbeitszeiten; das nen der Europäischen Gewerkschaft und würde der Vernichtung von Jobs neue der CGT gegen die Bolkestein-Richtlinie sondern auch sagen, was man erreichen Schubkraft verleihen. Prof. Grottian hob zu einem anderen Zeitpunkt als die der so- sollte. die Forderung nach kommunalen Investi- zialen Bewegungen geplant gewesen. Von Die erste dieser Forderungen bestünde tionsprogrammen hervor, weil die Infra- „gleicher Augenhöhe“ der Partner könne darin, eine positive Botschaft an die Men- struktur „wirklich überall im Eimer ist“. keine Rede sein. „Auf der Konferenz der schen zu senden, die nicht am Erwerbsle- Schröder und seine Mannschaft – wie neuen sozialen Bewegungen im vergan- ben teilnehmen können. Sie müßten ein übrigens auch die jetzige Regierung – sei- genen November in Köln haben wir ver- Grundeinkommen beziehen, das diesen en „unter der Flagge gesegelt, daß es zur sucht, die Gewerkschaften mit ins Boot Namen auch verdient. Schluß müßte sein Agenda 2010 keine Alternative gibt“. Das zu bekommen, aber deren Spitzen sitzen mit der faktischen Enteignung der Ärm- müsse energisch bestritten werden. „Un- auf dem Schoß der SPD und versuchen, ihr sten der Armen, indem sie ihr Sparbuch sere Alternative steht zur Diskussion.“ geneigtes Ohr zu erreichen.“ der letzten zehn Jahre vorlegen und kon- Offensichtlich bereite die Große Koalition trollieren lassen müssen, ob sich in ihrer ein umfassendes Verarmungsprogramm Hohe Würdigung zollte der Redner den Wohnung vielleicht noch ein antiquarisch vor. Denn die Nichterhöhung der Renten Montagsdemonstrationen, ohne die der verwertbares Möbelstück befindet. und des Arbeitslosengeldes II bedeute, „Zerlegungsprozeß“ der SPD nie begon- Ein weiterer Gedanke ginge davon aus, daß die Leute in vier Jahren um zehn nen und die landesweite Diskussion über daß weder alle Arbeit bereits vermittelt Prozent ärmer seien. Zusammen mit der soziale Gerechtigkeit nicht solche Dimen- sei, noch, daß bei einem Wirtschafts- beschlossenen Mehrwertsteuererhöhung sionen angenommen hätten. Ohne sie wachstum von bestenfalls 2,5 % neue laufe das auf eine Einkommensreduzie- wäre auch die öffentliche Kritik an den Arbeitsplätze entstehen könnten. Ein Zu- rung von 12 bis 15 Prozent hinaus. Hartz-Gesetzen, z. B. im „Spiegel“, nicht wachs dieser Größenordnung werde im- Zum Schluß ging Prof. Grottian auf Fra- so vernichtend ausgefallen. mer durch Rationalisierung aufgefangen. gen ein, wie der soziale Protest wirksam Inzwischen seien in den sozialen Bewe- Radikal müsse mit dem bereits von Rot- gestaltet werden könne, welche Partner gungen auch Fortschritte auf der inhalt- Grün verfolgten Grundsatz der „Arbeits- sich dafür böten, welches Bild sich in der lichen Ebene erreicht worden; vorbei sei marktreform“ gebrochen werden, daß der Vielzahl der sozialen Bewegungen selbst die Zeit, wo mit der Forderung „Weg mit Mensch „sich rechnen“ müsse. Statt des- zeige und wie der „zivile Ungehorsam“ zu Hartz IV!“ der gesamte gemeinsame Nen- sen bedürfe es für zumindest zwei Millio- organisieren sei. Sozialer Protest habe ner erschöpft war. Jetzt schälten sich vor- nen Betroffene eines Programms, das von sehr unterschiedliche Ausprägungen. Sei- zeigbare Zielsetzungen heraus, die nicht den Fragen ausgeht: Was kannst du? Was ne Möglichkeiten seien noch lange nicht dabei stehenbleiben, was man nicht will, möchtest du gerne tun? Es gehe darum, erschöpft. Bericht: Frank Mühlefeldt Seite 16 ROTFUCHS / April 2006 ROTFUCHS / April 2006 Seite 17

ie können es nicht lassen: Wann und Wärme. Tanzgruppen, Kinderchor, Thea- daß die „Arche“ zeige, „was es eigentlich Sworüber sie auch immer berichten tergruppe.“ nicht geben dürfe …“ – also Kinderarmut – falls ihr Thema auf einstigem DDR-Ge- Finden sie hier von mildtätiger Hand – , um dann denunziatorisch zu ergänzen: biet angesiedelt ist, kommen bürgerliche gereichten Ersatz für etwas, was ihnen „… und unter der PDS schon gar nicht.“ (!) Journalisten nicht ohne arrogante Hä- vorenthalten wird von den eigenen „Ra- Im Hellersdorfer Rathaus aber regiere me und abwertendes Naserümpfen aus. beneltern“? Wenn auch recht sparsam nur, die PDS, und die weise (unterstellt: statt Selbst in einem sozialer Problematik nennt die Autorin wirkliche Ursachen für gegen Kinderarmut aktiv zu werden) „an- gewidmeten kirchennahen Blatt wie der das Dilemma: „Fast jeder dritte Hellers- sonsten gern darauf hin, daß solche Pro- Zeitschrift „Kinder“ wird das Anti-DDR- dorfer ist unter 18 Jahre alt, der Bezirk bleme schließlich in ganz Deutschland zu Klischee pflichtgemäß bedient. So durch hat die zweithöchste Kinderzahl in Berlin. finden sind“. Was übrigens durch folgen- eine gewisse Frau Solbrig in Heft 1/2006. Auch mit der Anzahl der Alleinerziehen- den, in den Text eingeblendeten Kasten Die leitet ihre Reportage aus Berlin-Hel- den liegt Hellersdorf an zweiter Stelle. bestätigt wird: lersdorf mit der wenig einfallsreichen, 19,5 Prozent waren 2004 als arbeitslos aber gern benutzten Floskel ein, daß gemeldet … Tendenz allerdings steigend. Bundesweit lebt etwa jedes siebte „Plattenbau nun mal Plattenbau“ bleibe. Es ist die absolute Perspektivlosigkeit …“, Kind in Armut. In Westdeutschland Damit soll unterschwellig wohl sugge- die – und hier greift die Autorin zu zyni- sind es 12,4 %, im Osten 23,7 %. riert werden, daß in der „Platte“ arme, scher Schuldzuweisung – „den Erwach- Laut einer Studie des Paritäti- schen Wohlfahrtsverbandes (DPWV) hat die Einführung des Arbeitslo- sengeldes II die Zahl der von Armut betroffenen Kinder unter 15 Jahren von weniger als einer Million im Jahre Hellersdorf: Zuspruch, 2004 auf mittlerweile 1,7 Millionen ansteigen lassen.      

Bibeln und „Arche“-Suppe Solche Fakten hindern die Autorin kei- neswegs, mit dem Finger auf die „Roten“ und deren „Versäumnisse“ zu weisen. Sie verzichtet dabei jedoch wohlweislich auf die sonst so gern strapazierte Ergänzung, wenn nicht gar zu Asozialität neigende senen das Interesse (!) an ihren Kindern daß es sich bei der PDS um die „Nachfol- Bevölkerungsgruppen ihr Domizil haben. nimmt“. gepartei der SED“ handle. Möglicherweise Und Hellersdorf, „das jüngste Neubau- Mit solcher Stigmatisierung werden die verkneift sich Frau Solbrig solchen Zu- gebiet Ostberlins“, wurde bekanntlich in Opfer eines auf Profitmaximierung aus- satz, weil ihr nicht unbekannt geblieben Plattenbauweise errichtet. (So wie seiner- gerichteten Gesellschaftssystems, das ist, wie es um Hellersdorf und dessen zeit übrigens Wohnblöcke im Westen.) Menschen massenhaft existenzsichernde Einwohner, die jungen wie die alten, Arbeit entzieht, sie zu Perspektivlosig- bestellt war, als dort die führende Re- Nach dem obligatorischen Fußtritt weiß keit verurteilt und damit auch familiäre gierungspartei noch SED hieß. Denn die Frau Solbrig dann jedoch über Verände- Tragödien verursacht, als Schuldige ab- ließ nicht bloß diesen jüngsten Berliner rungen Auskunft zu geben, die sich in Hel- gestempelt. Daß unter den nunmehrigen Stadtteil errichten. Ihre Politik garantier- lersdorf vollzogen, seitdem sich die dort gesellschaftlichen Verhältnissen Famili- te auch jedem Hellersdorfer, so wie das Wohnenden, nun von den Altlasten der en zerbrechen, weil sie einer Belastung in der ganzen DDR die Regel war, einen DDR „befreit“, der Segnungen freiheitlich- nicht gewachsen sind, bei der „Menschen sicheren Arbeitsplatz. Und es bedurfte für demokratischer Grundordnung erfreuen mit Anfang 30 schon eine Karriere als So- die Jüngsten, um eine warme Mahlzeit zu dürfen. Entdeckt hat sie dabei, daß „…vie- zialfall hinter sich haben; die wissen, daß bekommen, keiner mildtätigen Suppenkü- le Häuser einen hübschen, meist orange- für ihre Arbeitskraft keiner bezahlen will, che: Schulspeisung gehörte ebenso zu den farbenen Anstrich (haben), es gibt Grün, oder die erkennen müssen, daß der Lohn, Selbstverständlichkeiten wie gediegene es gibt Menschen auf der Straße“ (Wer den sie nach Hause bringen, nicht für alle Bildungsvermittlung vom Kindergarten hätte das gedacht!?). Die Fassade also sei reicht“, wird auf diese Weise kaschiert. bis zur Polytechnischen Oberschule. Mit in Ordnung. Nur sage die eigentlich nichts Aber es ist eben nicht individuelles Ver- Jugendklubs und Interessengemeinschaf- aus. Deshalb folgt die Kernaussage dieses sagen, es sind die Zustände, aus denen ten gab es ein reichhaltiges Freizeitange- Artikels. Bei der geht es um das Wirken sich all die schlimmen Folgen vor allem bot. Und die soziale Stabilität bot zugleich einer Einrichtung namens „Die Arche“. Sie für im Kindes- und Jugendalter stehende eine Basis für feste Familienbindungen; wurde von einem aus Westdeutschland Menschen ergeben. die Scheidungsquote blieb im normalen zugewanderten Pastor ins Leben gerufen Gewiß – das soziale Engagement des Durchschnitt. und versucht einem Übel abzuhelfen, das „Arche“-Pfarrers und seiner Mitarbeiter, Kinderarmut jedenfalls war in der DDR es – so im Vorspann der Reportage –„in mit dem sie sich vor Ort um Abhilfe oder ebenso unbekannt – und unvorstellbar! Deutschland eigentlich nicht geben dürf- wenigstens Milderung bemühen, verdient – wie Arbeitslosigkeit. Das aber wird den te: Kinderarmut“. durchaus Anerkennung und Respekt. Und Mädchen und Jungen, die sich einer war- In Hellersdorf ist sie im 16. Jahr der anzukreiden ist dem Pastor wohl auch men Mahlzeit oder menschlichen Kontak- neuen „deutschen Einheit“ inzwischen zu kaum, daß er – seinem Beruf gemäß – da- tes wegen in der „Arche“ einfinden, dort Hause. Von den Minderjährigen und Halb- mit zugleich ein missionarisches Anliegen vermutlich niemand sagen. Denn dann wüchsigen, die unter ihr leiden, „kommen verfolgt; immerhin hat er sein seelsorge- könnte das große Fragen anheben: War- täglich mindestens hundert, manchmal risches Handwerk in der Heilsarmee er- um war das früher so – und warum ist das sind es bis zu dreihundert“ in die „unge- lernt. Und da zählt für ihn nicht allein die heute gänzlich anders? Das aber hieße, mütliche Plattenbauschule“ (!), über der Zahl der jungen Nutzer seiner Suppenkü- zwei gegensätzliche Gesellschaftssyste- das Bibelwort „Lasset die Kinder zu mir che als Erfolg, sondern nicht minder, daß me miteinander zu vergleichen. Diesen kommen“ steht. Sie gehen dorthin, so die er nun „pro Monat etwa 20 Bibeln bestel- Vergleich brauchte die DDR, was immer Reporterin, „weil zu Hause keiner ist, der len muß“. Denn „die meisten Hellersdorfer ihr an angeblichen oder tatsächlichen De- sich um sie kümmert: der ihnen bei den sind Atheisten“. fiziten nachgesagt wird, nicht zu scheuen. Hausaufgaben hilft, der zuhört … Nicht Zu welch erstaunlichen geistigen Verren- Sie bot der in ihr heranwachsenden Gene- einmal jemand, der ihnen ein warmes kungen allerdings verinnerlichte DDR- ration jedenfalls mehr als bloß den Teller Essen kocht.“ In der „Arche“ jedoch gibt Phobie befähigt, führt die Autorin der Re- Suppe und „ein bißchen Hoffnung“. es für sie „warmes Essen. Menschliche portage dann mit ihrer Feststellung vor, Wolfgang Clausner Seite 16 ROTFUCHS / April 2006 ROTFUCHS / April 2006 Seite 17

ür das Kräfteverhältnis zwischen Ka- Fpital und Arbeit sind Vorgänge im Bil- Ein Brutkasten für dungswesen ungleich wichtiger als zum Beispiel jene im temporären Arbeitskampf. Seit einigen Jahren klagen deutsche Un- Topmanager im Berliner ternehmer über Defizite im Bildungsstand des potentiellen Arbeitkräftenachwuch- ses. Schließlich hängt der Gewinn, den Staatsratsgebäude eine Arbeitskraft für das Unternehmen abwirft, von deren Leistung ab, für die je gegründete, staatlich anerkannte Privat- dungsmitglieder sind die 25 bedeutend- nach ihrer Struktur bestimmte intellektu- schule mit je einem Campus in München sten weltweit operierenden deutschen elle Fähigkeiten Voraussetzung sind. Ihre und Köln wird durch den neuen Standort Konzerne neben den mächtigen hiesigen Forderungen sind jedoch keineswegs auf in Berlin ein ganz besonderes Gewicht Unternehmerverbänden. Unabhängig von eine höhere Volksbildung gerichtet. Das erhalten. Nach dem Stiftungsstatut soll ihrem spezifischen Interesse verbindet belegen die jüngsten Entwicklungen. Den es sich um eine Schule mit europäischem alle Gründer ein gemeinsames Anliegen, Vorschlag, überall Ganztagsschulen ein- Fokus handeln. Es werden hier nur be- nämlich der Systemerhalt sowie eine zurichten, wie es im Volksbildungssystem reits erfahrene Manager zu Führungs- einheitliche Strategie zur Gewinnung und der DDR praktiziert wurde, muß man als kräften herangebildet. Im Ergebnis des Beherrschung der Märkte in Europa und abgewiesen betrachten. Dem relativen einjährigen Studiums erwerben sie den weltweit – mit den europäischen Verbün- Lehrermangel steht ein nicht genutztes Titel „Master of Business Administration“ deten oder auch ohne sie. Diese Strategie Angebot junger Lehrkräfte gegenüber. (MBA) und können danach wie „staats- zu indoktrinieren und ihre Durchsetzung Dafür gibt es genügend Hinweise auf die männische Führungskräfte“ arbeiten. Um im Detail dauerhaft zu sichern ist ganz Förderung und Neuzulassung von Pri- sicherzugehen, daß der Aufwand auch für offensichtlich der eigentliche Auftrag vatschulen. Nahezu peinlich wirken die die „richtigen Leute“ betrieben wird, sind dieser Eliteschule. Dazu gehört natürlich kläglichen Versuche der Regierung, allen jedem Studenten jeweils zwei Mentoren auch, die möglichen Gefahren für die stra- heranwachsenden Jugendlichen eine beigegeben, und zwar ein akademischer tegische Linie aufzuspüren, die Methoden, Berufausbildung zu ermöglichen. Dabei Begleiter und ein praktizierender Mana- Mittel und Wege zur deren Abwehr zu mußten jetzt sogar handzahme Medien ger aus dem Kreis der Gründerunterneh- erkennen, das Waffenhandwerk für ge- eingestehen, daß nur solche Schüler eine men. Das ist vorstellbar, weil die Anzahl sellschaftliche Auseinandersetzungen zu sichere Chance erhalten, deren Eltern ei- der Studenten im Eröffnungsjahr 30 be- erlernen. nen Ausbildungsplatz finanzieren und die trägt und sich in der Folgezeit auch nicht Dieses tatsächliche Anliegen der neuen außer annehmbaren schulischen Noten grundlegend erhöhen soll. Schule läßt sich schwerlich über allge- auch ein „gutes Benehmen“ nachweisen. Der eigentliche Existenzgrund für die mein zugängliche Bildungseinrichtungen An den staatlichen Universitäten und ESMT dürfte noch ein anderer sein, gibt und in aller Offenheit vertreten. Wegen Hochschulen wird das Bestreben deutlich, es doch im europäischen Raum bereits der Bedeutung der Einrichtung hielt die die Anzahl der Studierenden u. a. durch seit etlichen Jahren Schulen mit gleicher deutsche Regierungschefin in der Eröff- Studiengebühren und einen unbegrün- Zielstellung, nämlich die „European nungsveranstaltung die Laudatio. Darin deten Numerus clausus drastisch zu re- School of Management“ in London, Paris, lobte sie die Initiative und Großzügigkeit duzieren, obwohl andererseits staatliche Madrid, Turin und sogar Berlin. Diese der Konzerne und Verbände und verriet, Zulassungen an private Hochschulen Schule verfügt über 125 Lehrkräfte und daß für dieses Vorhaben Geld offensicht- vergeben werden. So kann derzeit jeder hat eine Kapazität von jährlich ca. 3000 lich keine Rolle spielt, verschwieg aber, für 10 000 Euro pro Semester an einer pri- graduierten Studenten (gegenwärtig daß der Staat sehr behilflich war und eine vaten Uni Medizin studieren. kommen sie aus 80 Ländern!). Sie besteht Immobilie kostenlos für die Dauer von Während auf der einen Seite Bildung nur neben einer ganzen Anzahl Hochschulen 65 Jahren zur Verfügung stellt. Daß für in den gewünschten Dosen verabreicht und Universitäten, welche in Lehre und diesen Zweck das ehemalige Staatsratsge- wird, engagiert sich das Kapital exzellent Forschung den gleichen Gegenstand bie- bäude der DDR ausgewählt wurde – sogar für das Wissen und Können seiner Ver- ten. gegen Widerstände aus dem eigenen Lager walter. Das war erst kürzlich wieder bei Was wird also von der neuen Eliteschule – unterstreicht den Machtanspruch des der Eröffnung der „European School of darüber hinaus erwartet? Die Antwort deutschen Kapitals. Von den zweckgerich- Management and Technology“ (ESMT) in ergibt sich aus der Aura der Stifter und teten Umbauten innerhalb des Hauses Berlin zu beobachten. Diese bereits 2002 dem Zeitpunkt des Geschehens. Grün- wurden Wandflächen mit DDR-Symbolik ausgenommen. Man könnte meinen, sie verbleiben als allgegenwärtige „Mah- nung“ an die Studierenden. Die Gründung der ESMT vollzieht sich vor dem Hintergrund der vom Kapital gefor- derten Herausbildung von Eliteuniversi- täten. Tatsache ist, daß es in Deutschland solche Einrichtungen wie Cambridge, Oxford, Harvard oder die École Libre des Sciences Politiques nicht gibt, weil dort früher die Hochburgen der wissenschaft- lichen Lehre und Forschung ohnehin fest in den Händen der Oberschicht waren. Aber das Bedingungsgefüge ist heute ein anderes. Deshalb braucht man nunmehr auch Tempel der Wissenschaft, die gleich- zeitig eine zuverlässige Adresse sind für die Auswahl besonders Geeigneter zur Übernahme von Führungsaufgaben in Wirtschaft, Politik und Staat. Für solche, Marktangepaßte die soziale Herkunft, Einstellungen, Ver- Freundschaft haltensweisen, Erfahrungen und Erleb- Aus: „Proletären“, nisse miteinander teilen. Göteborg Dr. Manfred Böttcher Seite 18 ROTFUCHS / April 2006 ROTFUCHS / April 2006 Seite 19

Zum 120. Geburtstag Ernst Thälmanns am 16. April

Heimatland, reck deine Glieder, Daß ihre Waffen zerbrechen, kühn und beflaggt ist das Jahr. schirmen wir Brücke und Wehr, Breit in den Schultern steht wieder geben der Welt das Versprechen, Thälmann vor uns, wie er war. standhaft zu bleiben wie er. Maßlos gequält und gepeinigt Thälmann und Thälmann vor allen, Blieb er uns treu und hielt stand. Deutschlands unsterblicher Sohn, In seinem Namen geeinigt, Thälmann ist niemals gefallen, kämpf um dein Leben, mein Land! Stimme und Faust der Nation.

Nicht aus Thälmannschem Holz in kluger Politiker fragt stets nach den dem tapferen Kampf seines Volkes, oder EFolgen seines Handelns. André Brie, dient sie der Strangulierungspolitik Europaabgeordneter der Linkspartei.PDS, Washingtons und seiner exilkubanischen hat es anscheinend nicht getan, als er Handlanger in Miami? gemeinsam mit seinen Fraktionskollegen Wie sie in Havanna eingeschätzt wird, Helmuth Markov und Gabriele Zimmer läßt sich allein schon an der Verschiebung im Unterschied zu Sahra Wagenknecht des Besuchs der Linkspartei.PDS-Delega- für die antikubanische Resolution des tion ablesen. In Washington dagegen EU-Parlaments in Brüssel stimmte. Oder wurde die Resolution verständlicherwei- doch? Jedenfalls hat er auf die scharfe se lebhaft begrüßt und weiter südlich, Kritik aus den Reihen seiner Partei und in Little Havanna, dem Stadtteil von aus nahezu dem gesamten linken politi- Miami, in dem ein großer Teil der rund schen Spektrum mit einer ausführlichen 700 000 Exilkubaner lebt, war der Jubel Presseerklärung reagiert. besonders groß. Hier erinnern sich die Darin weist er die an ihn gerichteten Castro-Gegner bei jeder sich bietenden Vorwürfe zurück und betont: „Solidarität Gelegenheit an die programmatische und mit Kuba, insbesondere gegen die völker- mit vielen Millionen Dollar unterstriche- rechtswidrige Politik der USA, ist für uns ne Aussage des US-Präsidenten George und mich auch im Europaparlament viel- W. Bush: „Wir werden nicht auf den Tag fach praktizierte Selbstverständlichkeit.“ der kubanischen Freiheit warten, sondern Und er fährt fort: „Ich weiß, verstehe und für den Tag der Freiheit in Kuba arbeiten“, achte sehr wohl, daß Kuba für viele Linke und an sein im letzten Wahlkampf gege- im besten Sinne eine Herzensangelegen- benes Versprechen: „Cuba sera pronto heit und die Solidarität mit Kuba ein Teil libre!“ – „Kuba wird bald frei sein“. In ihrer politischen Biographie ist. Solidari- Vorfreude darauf startete die Nahrungs- tät mit Kuba, auch die Tatsache, daß Kuba mittelkette „Foodmarket in Miami“ einen soziale Menschenrechte oft vorbildlich Sonderverkauf, für den so geworben wird: realisiert, und Auseinandersetzung mit „Das ultimative Toilettenpapier. Endlich der US-Politik bedeuten aber nicht, die kannst Du aus Deinem Traum eine Reali- Verletzung politischer Menschenrechte in tät machen. Die ganze Rolle Toilettenpa- Kuba mit Stillschweigen zu übergehen.“ pier mit Fidel Castros Antlitz auf jedem Welche politischen Menschenrechte er in Blatt für every sheet. Ideal für Parties, Quellen und die Bestandteile wird er noch Kuba verletzt sieht, sagt er nicht. Aber Versammlungen oder einfach für das per- im Gedächtnis haben, vergessen aber hat dafür spricht er sich unter Hinweis auf sönliche Vergnügen. Das ideale Geschenk er offenkundig einen Satz, der in dieser den Grundkonsens der PDS, das Prinzip für Deinen kubanischen Freund. Nimm kleinen Schrift zu lesen ist und der da lau- ihrer Parteiprogramme und auf Rosa Lu- mehr als eins!“ tet: „Die Menschen waren in der Politik xemburg für die „universelle Geltung der Natürlich wird die Resolution des Eu- stets die einfältigen Opfer von Betrug und Menschenrechte“ aus. In diesem Kontext ropaparlaments den Umsatz des ge- Selbstbetrug, und sie werden es immer führt er wunderschöne Zitate an, mit schmackvollen Produkts der haßerfüllten sein, solange sie nicht lernen, hinter allen denen er die Zustimmung zur Resolution Castro-Gegner nicht wesentlich steigern, möglichen moralischen, religiösen, politi- rechtfertigt und seine theoretische Be- ebensowenig wird sie Bushs Befreiungs- schen und sozialen Phrasen, Erklärungen schlagenheit unter Beweis stellt. Doch pläne entscheidend voranbringen, aber und Versprechungen die Interessen dieser bei aller Gelahrtheit hat er das Wichtig- gedient hat sie ihnen allemal. Das zumin- oder jener Klassen zu suchen.“ ste aus dem Auge verloren, nämlich die dest hätte André Brie wissen müssen. Vor Auch hinter der Resolution des Europa- Grundfrage jeder Politik, die schon der der Abstimmung und vor seiner von der parlaments stehen Klasseninteressen. An- römische Staatsmann und Philosoph Ci- Hauptfrage ablenkenden Presseerklärung dré Brie ist nicht so ein „einfältiges Opfer“, cero in seinen berühmten Reden stellte: hätte der „Vordenker“ wenigstens nach- um das nicht zu wissen. Man sollte nicht Cui bono? Tucholsky hat sie nur anders denken müssen. Schließlich hat er doch in jede Weisheit vergessen, nur weil der Wei- formuliert, als er bemerkte: „Es kommt in der DDR eine insgesamt solide Ausbildung se momentan nicht gerade in Mode ist. der Politik nicht darauf an, wie eine Sache in Marxismus genossen und ganz gewiß Ralph Hartmann ist; es kommt darauf an, wie sie wirkt.“ auch gründlich Lenins im Jahre 1913 er- Also, wem nützt die Resolution, wie wirkt schienene Arbeit „Drei Quellen und drei Unser Autor war DDR-Botschafter in sie? Hilft sie dem revolutionären Kuba, Bestandteile des Marxismus“ studiert. Die Jugoslawien. Seite 18 ROTFUCHS / April 2006 ROTFUCHS / April 2006 Seite 19

em nützt es? Eine selbstgefundene WAntwort auf diese Frage ist alle- „Kampf der Kulturen“? mal besser als eine Nachrichtensendung oder ein ereignisbezogenes „Spezial“ im Rumsfeld, Paul Wolfowitz, Peter Rodman Fortune“, „Top Gun“, „Airforce One“, „Deep ZDF. Wem nützen die überflüssigen und oder auch Jeb Bush, Präsidentenbruder Impact“, „Pearl Harbor“ (!) und besonders Muslime beleidigenden Karikaturen ihres und Gouverneur des Staates Florida. Sie „Independence Day“ transportierten Na- Propheten? Wem nützt es, nun den schon alle forderten am 26. Januar 1998 in ei- tionalismus und Patriotismus und stell- ausgebrochenen „Kampf der Kulturen“ zu nem Brief an US-Präsident Bill Clinton ten die Gemeinschaft stets als Differenz verkünden und „unsere Pressefreiheit“ unter anderem die Entmachtung Saddam zu einer wie auch immer gearteten frem- als „hohes Gut des Westens“ verteidigen Husseins und eine radikale Umkehr im den Bedrohung dar. Und die Lösung der zu wollen? Mir fallen da nur die „einzige Verhältnis der USA zur UNO. Aber – der Probleme war ausschließlich und in jedem Weltmacht“ USA und die zionistisch-ras- in ihren Augen zu lasche – Clinton konnte Falle eine militärische! Zufälle? Nach dem sistischen Machthaber in Israel ein. Die die USA nicht in das „Neue amerikanische 11. September, der fast wie ein Remake von Wut der islamischen Welt wird auf West- Jahrhundert“ führen. Und so folgten Stu- „Independence Day“ erscheint, ist das sehr europa gerichtet. Handelsembargos gegen dien, Gedankenspiele („Think tanks“) und unwahrscheinlich. Ebensowenig, wie die Dänemark und weitere Staaten der EU Planungen. Im Jahre 2000 kam das PNAC offizielle US-Version der Ereignisse, die könnten dem lahmenden Export der USA zu der Schlußfolgerung, daß sich der ge- den Beginn des „Neuen amerikanischen nutzen. Die Besatzerpolitik Israels gerät wünschte Wandel in der Welt beschleu- Jahrhunderts“ markieren. aus dem Schußfeld. Und schließlich wären nigen ließe, wenn ein „katastrophales Endlich ist wieder ein Feind gefunden! Unmut und wütende Reaktionen Vorwand Ereignis“ eintritt, „das als Katalysator Die Pläne des PNAC wurden konkrete und Anlaß für ein militärisches Eingrei- dient – ein neues Pearl Harbor.“ Darauf Politik. Neue Kriege lassen die Kassen fen durch die selbsternannten „Guten“. könnte dann eine „Krisen-Diktatur“ an der Rüstungsindustrie klingeln. Dem Daß der „Hauptbösewicht“ Iran regiert, die Stelle des Präsidenten treten. Aber Staatsterror nach außen folgt der Exitus steht seit Monaten fest. Und vielleicht die Parteigänger des „zu laschen“ Clinton der Demokratie im ehemals „freiesten bieten die unglückseligen Karikaturen wurde man bei der Präsidentenwahl los, Land der freien Welt“. einen Weg, die lange fertigen Kriegspläne bezeichnenderweise durch Merkwürdig- Wen wundert es da, daß der Vereinte endlich zu realisieren. Denn der „Kampf keiten im Bush-Staat Florida. Und 2001 Generalstab der Streitkräfte der USA seit der Kulturen“ ist Programm, und dieses konnte planmäßig das neue Jahrhundert 1962 Pläne in der sprichwörtlichen Schub- hat eine bekannte Geschichte: beginnen, das nun das amerikanische lade hatte (Operation Northwoods), nach Samuel P. Huntington ist Professor für Po- werden sollte. Aber auch der neue Präsi- denen mittels ausgetauschter Flugzeuge litikwissenschaft an der Harvard-Univer- dent Bush dümpelte mit seiner Regierung ein Konflikt provoziert werden sollte? sität, Berater des US- Außenministeriums scheinbar kraftlos dahin. Zählt man also einfach einmal zusam- und vieles mehr. Im Jahre 1992 referierte Dann kam der 11. September 2001. Er war men, dann wird offensichtlich, daß ein er vor einem handverlesenen Zuhörerkreis der Katalysator. „Wir werden die Täter „Kampf der Kulturen“ von den USA gewollt über „Die veränderte Sicherheitsumwelt finden und sie in ihren Löchern ausräu- ist, provoziert wird und als Mittel zur und die nationalen Sicherheitsinteressen chern“, tönte Präsident Bush aus Camp Durchsetzung imperialistischer Welt- Amerikas“. Hintergrund: Mit dem Ende David. Und der heutige Weltbankpräsi- herrschaftspläne dienen soll. des „kalten Krieges“ war den USA der dent Paul Wolfowitz ergänzte, es ginge Für die USA hat der Dritte Weltkrieg be- Feind abhanden gekommen, und es fehl- darum, „die Zufluchtstätten der Terro- reits begonnen, Präsident Bush wird nicht ten gute Gründe, weiterhin die Rüstungs- risten zu entfernen, die Systeme, die sie müde, dies zu betonen. Und die Regierung industrie auf Hochtouren laufen zu lassen. unterstützten, zu entfernen und Staaten, der BRD übt im Namen und im Interesse Huntingtons Gedanken jedenfalls waren die sie fördern, auszulöschen“. deutscher Banken und Konzerne Vasallen- den Mächtigen so verlockend, daß er diese George W. Bush bekannte sich mit seiner treue. Was bleibt? Wenn wir wissen, wem als Artikel formulieren und im Sommer Rede vom 20. September 2001 exakt zu es nützt, müssen wir aktiv werden, unsere 1993 in der Zeitschrift „Foreign Affairs“ dem von Huntington formulierten Pro- Stimme erheben, das Unrecht benennen! unter dem Titel „The Clash of Civiliza- gramm des „Kampfes der Kulturen“. Und Lassen wir nichts unversucht! Schließlich tions?“ (Der Zusammenprall der Kultu- seine Worte fielen auf gut vorbereiteten geht es um nicht weniger als den Welt- ren?) veröffentlichen konnte. Viel beach- Boden. Die Traumfabrik Hollywood hatte, frieden und das Überleben der Menschen tet und heiß diskutiert führte der Weg zu wenn man mit dem Wissen von heute zu- als Art auf unserem kostbaren Planeten einem 1994 und 1995 in Harvard abgehal- rückschaut, perfekte Vorarbeit geleistet. Erde. tenen Seminar über die Eigenart der Zeit Filme wie „Armageddon“, „Soldiers of Richard Georg Richter nach dem kalten Krieg. All diese Aktivitäten fanden das Interesse rechter Kreise in den USA. Auf deren An- raten erschien 1996 das Buch „The Clash of Civilizations“, nun ohne Fragezeichen. Und das nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern einer Kampagne gleich in 20 Sprachen weltweit. In der BRD kam es unter dem Titel „Kampf der Kulturen“ heraus, auch als preiswerte Broschüre. „Das Buch“, so der Autor im Vorwort, „... will ein Gerüst, ein Paradigma für die Betrachtung globaler Politik liefern, das ... für die Macher der Politik nützlich ist.“ Im Licht der vorgestellten Konflikttheori- en bildete sich etwa zeitgleich eine beson- ders rührige Gruppe von USA-Politikern, die seit 1998 das „Neue amerikanische Jahrhundert“ plant. Und so nennt sie sich dann auch: „Project for the New American „Ich erfasse Ih- Century (PNAC)“. Zum PNAC gehören viele ren Zustand als Herren, die heute in der US-Regierung ,kampfgestählt‘.“ die Politik bestimmen. So beispielsweise Aus: „Washing- Richard Perle, Richard B. Cheney, Donald ton Post“ Seite 20 ROTFUCHS / April 2006 ROTFUCHS / April 2006 Seite 21

nlaß dieses Beitrags ist eine Rück- fessor Dr. Nikolai Janzen (damals Oberst stimmten Konsequenzen im persönlichen Ablende auf die Zeit der Kriegsgefan- der Roten Armee). Durch seine Art der und gesellschaftlichen Leben führte, ist genschaft in Lagern der Sowjetunion. Wissensvermittlung fand er bei den Lehr- in diesem Zusammenhang nicht erfaßbar, Mit dem Potsdamer Abkommen von 1945 gangsteilnehmern hohe Anerkennung. Da denn es betraf Kursanten im Alter von ca. vereinbarten die USA, Großbritannien heißt es zum Beispiel: „Die einzige Gestalt, 25 bis 40 Jahren, die 1949/1950 aus der und die Sowjetunion eine antinational- von der ich wirklich einen nachhaltigen Gefangenschaft entlassen wurden. Viele sozialistische (antifaschistische) Aufklä- Eindruck gewonnen habe, war Professor von ihnen sind bereits verstorben, und rungsarbeit unter den damaligen Kriegs- Janzen, und zwar deshalb, weil er erstens von den noch Lebenden hat der größte gefangenen aller Nationen in den Lagern eine ganz packende Vortragsweise besaß, Teil die 80 überschritten. der Gewahrsamsmächte. Mancher wird die riß einen sofort mit, und zweitens, Gerd Robel setzt hier gewissermaßen den sich vielleicht noch erinnern können, daß weil er es wunderbar verstand, diese Punkt und meint: „Die Aufklärung der diese Vereinbarung in den Medien unter philosophischen Dinge, die nicht gerade deutschen Kriegsgefangenen in der So- dem Begriff einer „Umerziehung“ an die einfach sind, auch den schlichtesten wjetunion über das Wesen des NS-Regimes Öffentlichkeit gelangte. In bezug auf die Gemütern nahezubringen.“ Über Janzen und die von ihm im Namen des deutschen UdSSR wurde unterstellt, daß sie diese in- berichtete ein Arbeiter (gelernter Weber) Volkes begangenen Verbrechen als konsti- ternationale Vereinbarung nutzen werde, und ehemaliger Unteroffizier der Wehr- tutives (zum Wesen gehörendes) Element um die Kriegsgefangenen kommunistisch macht: „Philosophie, die hat der Profes- dieses Regimes ist ein unbeschreibliches zu „indoktrinieren“. Diese Art der Inter- sor durchgenommen, und die war sehr Verdienst der Antifa-Arbeit ...“ pretation leitete Wasser auf die Mühlen lehrreich für mich. Es waren auch zwei Die damalige Aktion der Sowjetunion zum einer Verteufelung der UdSSR. Man be- Pfarrer (Theologiestudenten), die an dem Aufbau eines Bildungssystems für die schwor die „Gefahr des Bolschewismus“. Lehrgang teilnahmen. Die Diskussionen Kriegsgefangenen hatte eine nachhaltige Doch von seiten der Alliierten war man sich einig, daß es sich generell um eine Bildungs- und Erziehungstätigkeit im Geiste des Humanismus handeln müsse. Zurückblickend auf die Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war eine politische und wissenschaftliche Aufklä- rung gefordert, die den Verfälschungen und Verleumdungen der Nazi-Propaganda Der Auftrag historische Wahrheiten entgegenstellte. Darin bestanden auch Aufgabe und Ziel der antifaschistischen Schulungen für der Antifa-Schulen in die Kriegsgefangenen in den Lagern der Sowjetunion. Der Lehrstoff der verschiedenen Anti- fa-Schulen (Lager-, Gebiets- und Zen- der Sowjetunion tralschulen) auf Gebieten wie Politik, Wirtschaft, Philosophie und Kultur läßt ahnen, daß für die Teilnehmer vieles neu gewesen sein mußte. Schließlich hatte der größere Teil von ihnen weder einen Hoch- schul- noch ein Mittelschulabschluß. So erhielt mancher Kriegsgefangene erst- zwischen Janzen und denen gingen dann historische Bedeutung für die Entwick- mals Kenntnisse über die Geschichte so weit: Wenn die Pfarrer ihn (Janzen) lung der Nachkriegszeit, insbesondere seines Heimatlandes. In noch weitaus überzeugen könnten, dann wollte er für den materiellen, sozialen und kultu- umfangreicherem Maße traf das für das selbst Pfarrer werden, und wenn er sie rellen Aufbau der Ostzone und dann der Unterrichtsfach Landeskunde der Sowjet- (die Pfarrer) zu überzeugen imstande sei, DDR. Ohne die gesellschaftspolitische union zu. Die meisten Kursanten hatten müßten diese hundertprozentige Kommu- Schulung Tausender deutscher Kriegsge- von Geschichte, Geographie, Literatur, nisten werden. Das hab ich mitgeschrie- fangener hätte es weitaus weniger Men- Kunst und Wissenschaft des Vielvölker- ben, weil mich das interessiert hat und schen gegeben, die für Positionen in der staates Sowjetunion keine Ahnung. Auch weil hier wirklich etwas gelernt werden Verwaltung, im Schulwesen, in der Kultur mit den Werken der deutschen Literatur- konnte durch die Diskussion ...“ und Politik zur Verfügung standen. Die klassiker kamen sie oft zum ersten Mal in Allgemein wurde von den Kursanten meisten Absolventen von Antifa-Schulen Berührung. berichtet, daß der Lehrbetrieb äußerst genossen nach ihrer Heimkehr aus der Unter diesem Aspekt war es für die intensiv und die Anforderungen jeder Art Gefangenschaft das Vertrauen, in wichti- Lehrkräfte an den Antifa-Schulen nicht sehr hoch waren. gen Bereichen an verantwortlicher Stelle einfach, unter Berücksichtigung eines Wollte man die Tätigkeit der Antifa- eingesetzt werden zu können. Damit wa- von Plus bis Minus schwankenden Wis- Schulen bilanzieren, müßte man das ren nicht nur günstigere Voraussetzungen sensniveaus der Teilnehmer den Stoff zu grundsätzliche Anliegen der Wissensver- für den Aufbau einer ausbeutungsfreien vermitteln. mittlung für Kriegsgefangene zum Aus- Gesellschaft entstanden. Die DDR konnte Die Leistung des Lehrkörpers, der sowohl gangspunkt machen. Mit der Verbreitung sich in der Folge als international geach- aus sowjetischen Bildungsoffizieren als historischer, naturwissenschaftlicher teter Friedensstaat profilieren, dem auch auch aus Absolventen der Antifa-Zen- und weltanschaulicher Kenntnisse ist die entsprechende Anerkennung zuteil tralschulen bzw. deutschen Emigranten ein neuer Denkprozeß ausgelöst worden, wurde. Nicht zuletzt als gleichberechtig- bestand, wird in der wissenschaftlichen durch den das nationale wie das interna- tes Mitglied der Organisation der Verein- Literatur auch des Westens anerkennend tionale Geschehen klarer beurteilt werden ten Nationen. Christian Zapf beurteilt. Bei Dr. Gerd Robel (Band VI- konnte. Er verringerte die Gefahr, alles II „Antifa“ der 22bändigen Ausgabe von Unbotmäßige auf dieser Erde nur mit dem Unser Autor schrieb die Buchdokumen- Prof. Erich Maschke „Zur Geschichte der unerforschlichen Ratschluß Gottes zu tation „Kriegsgefangenschaft“ – Ein deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten begründen. Er befähigte die Teilnehmer unvollendetes Kapitel der Geschichte Weltkrieges“) finden sich Absolventen von dazu, daß sie vieles, was auf der Welt des Zweiten Weltkrieges im Urteil ehe- Zentralschulen, die ihre Meinung über die vor sich geht, in erster Linie als von Men- maliger deutscher Kriegsgefangener in Dozenten zum Ausdruck bringen, wobei schen selbst gemacht erklären konnten. sowjetischem Gewahrsam (GNN Verlag es vor allem um eine Person geht: Pro- Inwieweit dieses Lernergebnis zu be- 2004). Seite 20 ROTFUCHS / April 2006 ROTFUCHS / April 2006 Seite 21

as deutsche Nahostpolitik in Angela Kampf gegen den internationalen Ter- brutale Wirtschaftssanktionen und die WMerkels Regie bedeuten sollte, de- rorismus und die standhafte Haltung Entwaffnung der Hamas zu fordern. Der monstrierte die CDU-Vorsitzende bereits, Deutschlands im Streit über das iranische palästinensische Außenminister Nasser als sie nach Washington reiste, um ihre Atomprogramm“. In anmaßender Kolonia- al-Kidwa sah sich gezwungen, seinen Zustimmung zur Aggression gegen Irak listenmanier machte die Kanzlerin die deutschen Amtskollegen bei dessen kurz zu bekunden. Dafür warb sie auch wie- Fortsetzung der deutschen Finanzhilfe, gehaltenem Antrittsbesuch im Februar zu derholt im Bundestag. Ja, wenn heute die im Rahmen der EU-Hilfe für die von belehren: „In der politischen Arbeit gibt Deutsche in Irak als Geiseln genommen Israel 1967 besetzten palästinensischen es nicht nur Schwarz und Weiß, es gibt werden, ist das eine direkte Folge der Gebiete geleistet wird (zumeist an Projek- politische Optionen, und man kann sich willfährigen Unterstützung der US-Be- te gebunden: ca. 500 Mio. Euro, 280 Mio. in die richtige Richtung bewegen.“ Die satzungspolitik. Ganz im amerikanischen aus dem Haushalt der Gemeinschaft, das Regierung solle „nach ihrem Programm Sinne hat die Kanzlerin auf der Münche- andere aus den Mitgliedstaaten), von ei- bewertet werden, nicht nach ihrer Zu- ner „Sicherheitskonferenz“ und bei ande- ner palästinensischen Gewaltverzichtser- sammensetzung“. Ähnliches mußte sich rer Gelegenheit den Streit um das zivile klärung abhängig. Die Kanzlerin forderte Steinmeier in Jordanien anhören. Al-Ki- Atomprogramm Irans mit aggressiven von der künftigen Regierung in Ramallah dwa forderte zugleich von Israel ein Ende Tönen weiter angeheizt. Als Wortführerin die Anerkennung des Existenzrechts Is- aller Maßnahmen, die eine Zwei-Staaten- der westlichen Aggressionsgemeinschaft gegen Teheran verstieg sie sich in der Polemik und attackierte den iranischen Präsidenten mit ordinären geschichtsfäl- schenden Vergleichen. Und sie duldet kei- nen Zweifel: „Deutschland wird alles da- Merkels Nahost-Politik: für tun, den internationalen Widerstand gegen das iranische Atomprogramm zu stärken.“ Der amerikanische Dank durch Washington und Tel Aviv Rumsfeld und Co. folgte prompt. Wie sehr die Regierungschefin der großen zu Füßen Koalition sich Washington anbiedert und die deutsche Nahostpolitik voll in den Dienst der USA und Israels stellt, wurde auf ihrer ersten Nahost-Reise als Kanz- lerin überdeutlich. Merkel vertrat die raels, was längst außer Frage steht, auch Lösung unmöglich machen. Zu dieser für von den USA vorgegebenen und durch bei Hamas. Eine Forderung an Israel, das den Nahost-Konflikt zentralen Problema- Israel eingeforderten Positionen. Sie ging Selbstbestimmungsrecht der Palästinen- tik war vom deutschen Außenminister weiter als jeder andere EU-Politiker, um ser anzuerkennen, frei von militärischer wie zuvor von seiner Kanzlerin nichts zu zu unterstreichen, daß Deutschland als Besetzung und Kolonisierung, war von ihr vernehmen. Selbst in Ankara stieß Stein- „strategischer Partner“ an der Seite Israels nicht zu vernehmen. meiers Hamas-Boykott auf Skepsis. steht – an der Seite seiner militärischen Der aus den Wahlen siegreich hervor- Die wirkliche Konfliktlage im Nahen Eliten, nicht an der Seite der Befürworter gegangenen Hamas zeigte sie die kalte Osten, die durch die israelische Aggres- einer gerechten und dauerhaften Lösung Schulter und drückte damit der demokra- sion und deren Folgen bestimmt wird, ist des Nahost-Konflikts und der israelischen tischen Willensäußerung der palästinen- den Repräsentanten der großen Koalition Friedenskräfte. Sie äußerte kein Wort der sischen Bevölkerung ihr Mißfallen aus. völlig aus dem Gesichtsfeld geraten. Mer- Kritik an der widerrechtlichen israeli- Im Schlepptau von Bush und Rice würde kel wie Steinmeier reisten in das „heilige schen Besatzung im Westjordanland und die Bundesregierung am liebsten die gan- Land“ unter der Devise, aus der deutschen an den Menschenrechtsverletzungen in ze Entwicklung in den Palästinenserge- Geschichte heraus eine „besondere Ver- den okkupierten Gebieten. Sie forderte bieten rückgängig machen. Hamas hatte antwortung für das Schicksal des jüdi- von der israelischen Führung keineswegs noch vor Reiseantritt Merkels in aller schen Nahost-Staates“ zu tragen. Diese wie mehrfach von den Palästinensern ei- Form um ein Treffen gebeten. Das wurde Verantwortung, die zweifellos gegenüber nen Gewaltverzicht. Sie bekräftigte aber aber prompt abgelehnt und jeder Kontakt allen Juden besteht, wird völlig einseitig den deutschen U-Boot-Deal mit Israel. vermieden. Weder die BRD-Botschaft in auf Israel bezogen und dazu pervertiert, Ausgehandelt unter Rot-Grün, bestätigt Tel Aviv noch die Ständige Vertretung in die israelische Politik gegen jegliche Kri- von der großen Koalition, erhält der Ramallah dürfen mit Hamas und Djihad tik zu immunisieren und die Rechte und Aggressorstaat im Nahen Osten auf der reden, obwohl diese die palästinensische Interessen des palästinensischen Volkes Grundlage eines Regierungsabkommens Wirklichkeit wesentlich prägen. Auch der dem unterzuordnen. Die PLO, die von der weitere zwei Schiffe der „Dolphin“-Klasse Wunsch der Palästinenser, sie möge das UNO anerkannte einzig legitimierte Ver- für eine Milliarde Euro. Davon spendiert Grab Arafats besuchen, wurde von der treterin des palästinensischen Volkes in- die BRD ein Drittel – über 350 Mio. Euro Kanzlerin schroff abgelehnt. nerhalb und außerhalb Palästinas, wird aus Steuergeldern, ein Vielfaches des Ihr Außenminister steht Angela Mer- als Verhandlungspartner nur akzeptiert, jährlichen deutschen Anteils an den jetzt kel nicht nach. Steinmeier ging so weit, wenn sie sich westlichen Forderungen als „Strafe“ für den Wahlsieg der Hamas unterwirft. So wird von den Palästinen- zur Disposition gestellten EU-Geldern für sern die Realisierung der sogenannten Dem großartigen Menschen und die Palästinenser. Dabei hatte die Kohl- Roadmap verlangt, die längst an Israels Regierung auf Druck der USA nach dem Kommunisten Obstruktion gescheitert ist. ersten Golfkrieg bereits drei dieser „Dol- Auch die Bundesregierung sollte zur phins“ an Israel geliefert und fast kom- Peter Gingold Kenntnis nehmen, daß der Nahost-Kon- plett finanziert. Die U-Boote können als flikt nicht mit einseitiger Parteinahme für Startrampe für Marschflugkörper dienen, von Herzen alles Liebe zu seinem Israel und keinesfalls gegen den Willen ausrüstbar mit atomaren Sprengköpfen. des palästinensischen Volkes gelöst wer- Mit ihnen könnte Israel z. B. Iran errei- den kann. Sie wird mit Hamas umzugehen chen. Damit heizt Deutschland direkt die lernen müssen, spätestens dann, wenn ihr Spannungen im Krisengebiet Naher und amerikanischer Mentor das für opportu- Mittlerer Osten an. ner halten wird, als weiter die Realitäten Ihr israelischer Gastgeber Olmert dankte Geburtstag, den er zu ignorieren. Merkel für ihr „herzliches Verständnis“ am 8. März beging. und „für das deutsche Engagement beim Bernd Fischer Seite 22 ROTFUCHS / April 2006 ROTFUCHS / April 2006 Seite 23

m März 1939 hatte Hitlerdeutschland ihre Mitgliederzahl. Ausdruck eines Exzessen und die strikte Einhaltung der Idas Gebiet um Memel (Klajpeda) an sich weitgehenden Linksrucks war die an den Vertragsverpflichtungen. Ein Aufruf der gebracht. Nun glaubten viele Litauer, bald Präsidenten gerichtete Forderung nach litauischen Kommunisten vom 31. Mai das Schicksal der Tschechoslowakei zu tei- einer prosowjetischen antifaschistischen verlangte den Rücktritt der Regierung len, da die Westmächte zu keinerlei Hilfe Volksregierung. und sensibilisierte die Massen. Das Ka- bereit waren. Litauen schien isoliert und Im Gegensatz zu heute verbreiteten Auf- binett lavierte erneut und suchte sich den Nazis ausgeliefert. In dieser Situation fassungen verfolgte die UdSSR 1939 in – allerdings erfolglos – der Unterstützung riefen die Kommunisten zur Bildung einer Litauen keine weitergehenden Absichten. Deutschlands zu versichern. Um die So- patriotischen Verteidigungsfront auf, was Das sowjetische Hauptinteresse galt al- wjetregierung zu beruhigen, wurden am starken Widerhall fand. Besorgt schrieb lein der Erfüllung der abgeschlossenen 13. Juni der Innenminister und der Di- das Staatssicherheitsdepartement am Verträge. Die litauische Bourgeoisie sah in rektor des Staatssicherheitsdepartements 3. April an die Regierung, daß „wir uns am der Anwesenheit von Verbänden der Roten – zwei wütende Sowjetfeinde – entlassen. Vorabend einer Volksfront befinden“. Das Armee die Hauptgefahr für ihren Macht- Das Regierungslager wurde völlig in die faschistische Smetona-Regime lavierte erhalt. Deren anfängliche Mißerfolge im Defensive gedrängt. Am 14. Juni forderte und spielte auf Zeit. Winterkrieg gegen Finnland ermunterten die UdSSR, die beiden Staatsfunktionäre Nach den deutsch-sowjetischen Ver- die baltischen Rechten. Der antikommu- zu verhaften und vor Gericht zu stellen, handlungen im August versuchten die nistische Terror wurde verstärkt. Man sowie die Zustimmung für eine sowjeti- Nazis, Litauen für eine Militäraktion zur arretierte viele Kommunisten und deren sche Truppenerhöhung und die Bildung Eroberung des 1920 von Polen annektier- Führer. Baltische Militärs planten, nach einer zur Vertragserfüllung bereiten ten Wilna-Gebietes zu gewinnen. Diesen einem finnischen Sieg gegen die sowje- Regierung. Bewaffneter Widerstand, den verführerischen Vorschlag lehnte die tischen Truppenkontingente vorzugehen. Präsident Smetona am 15. Juni vorschlug, wurde abgelehnt und dem sowjetischen Ersuchen zugestimmt. Die Regierung trat zurück. Provisorischer Verteidigungsmi- nister wurde der antifaschistisch orien- tierte General Vincas Vitkauskas. Mit ihm standen die Streitkräfte nicht mehr für eine Niederschlagung der revolutionären Was 1939/40 in Litauen Bewegung zur Verfügung. Der General forderte seine Truppen auf, die zusätz- lichen sowjetischen Verbände freund- schaftlich zu empfangen. geschah Ministerpräsident Merkys ließ die zwei genannten Politiker verhaften und rief den Verteidigungszustand aus, ohne die regimetreuen Kräfte zu mobilisieren. Dadurch waren die Rechten gelähmt. Am Abend des 15. Juni übergab Smetona die Regierung nach Warnungen des Westens Darüber wurde Berlin informiert. Das Amtsgeschäfte an Merkys und setzte sich wie der Sowjetunion ab. Die Rote Armee blieb der Sowjetunion nicht verborgen. nach Deutschland ab. Die Massen feierten marschierte am 17. September in die pol- Mit dem sowjetischen Sieg über Finnland unter roten Fannen den Sturz des Faschis- nischen Ostgebiete – darunter auch ins veränderte sich jedoch die Lage. Die balti- mus und ließen die UdSSR hochleben. Da Wilna-Gebiet – ein. So hatte die UdSSR sche Reaktion hatte auf das falsche Pferd selbst die Vertreter bürgerlicher Parteien fortan mit Litauen eine gemeinsame gesetzt. Eiligst gab man eine Neutralitäts- in dieser Situation für einen Kandidaten Grenze. Hitler versuchte, die Litauer zur erklärung ab. Das verstärkte sowjetisches der Linken als Regierungschef plädierten, Anerkennung Deutschlands als Schutz- Mißtrauen. stellte Merkys den Kontakt zu diesen her macht zu überreden. Als diese ablehnten, Inzwischen hatte sich die wirtschaftli- und ernannte den fortschrittlichen In- befahl er am 25. September, Truppen für che Situation so verschlechtert, daß das tellektuellen Justas Paleckis am 17. Juni einen Überfall auf Litauen bereitzustellen. Staatssicherheitsdepartement am 11. zum Vorsitzenden einer verfassungsmä- Inzwischen hatten die Litauer in Moskau März 1940 „Unzufriedenheit der Arbeiter ßigen Volksregierung mit zunächst einem, angefragt, ob man ihnen das Wilna-Ge- hinsichtlich der bestehenden sozialen später dann drei kommunistischen Mi- biet überlassen könnte. Damit war Stalin Ordnung“ konstatierte. Nun trat die Regie- nistern. Paleckis übernahm von Merkys einverstanden. Auf sowjetische Initiative rung die Flucht nach vorn an und wandte auch die Funktion eines Übergangspräsi- wurde im Oktober zusammen mit der sich an die Deutschen. Hitler versprach, denten. Am 18. Juni wurde der inhaftierte Übergabe dieses Gebiets ein litauisch- Mitte März Truppen nach Litauen zu ent- Führer der KP Litauens aus der Haft sowjetischer Beistandspakt abgeschlos- senden. Daraus wurde jedoch nichts, da er entlassen und einen Tag später durch sen. In vier Orten stationierte die Sowjet- vorläufig die UdSSR nicht herausfordern den Innenminister zum Direktor des union insgesamt 20 000 Rotarmisten. wollte und seinen Feldzug gegen den We- Staatssicherheitsdepartements berufen. Nachdem die unmittelbare Gefahr einer sten vorbereitete. Dafür kam es aber im Die neue Regierung setzte alle politischen deutschen Aggression abgewehrt worden April zu einem Handelsvertrag mit Berlin, Gefangenen auf freien Fuß. Faschistische war, änderte sich die innenpolitische Si- der 70 % des litauischen Exports band. Organisationen wurden verboten. Die tuation grundlegend. Der Anschluß der Das veranlaßte Regierungsmitglieder Säuberung des alten Machtapparates historischen Hauptstadt Vilnius wurde zu der Annahme, die Deutschen würden begann. Kommunisten und andere Linke zwar als Sieg litauischer Außenpolitik notfalls doch einspringen. Es kam zu Pro- übernahmen innerhalb weniger Tage deklariert, doch jeder wußte, daß er nur vokationen gegenüber den sowjetischen Schlüsselpositionen in allen Bereichen. Moskau zu verdanken war. Das gab der Einheiten. Zugleich beteuerte man stän- Die antifaschistisch-demokratische Juni- prosowjetischen Stimmung in allen Tei- dig die Einhaltung aller Vertragspunkte. revolution bildete den Beginn der sozia- len der Gesellschaft Auftrieb. Im Oktober Damit trug die Regierung nicht nur der listischen Umgestaltung Litauens. Der gingen die Linken unter Führung der gewachsenen Kraft der Linken, sondern Machtwechsel in Vilnius war staatsrecht- Kommunisten in die Offensive. Wie das auch der Mehrheitsstimmung Rechnung. lich durch die geltende bürgerliche Ver- litauische Staatssicherheitsdepartement Viele Litauer wollten sich angesichts des fassung legitimiert und nicht Ergebnis ei- urteilte, konnten Kommunisten nun in Krieges in Europa an den starken sowjeti- ner „sowjetischen Okkupation“, wie heute ihnen bisher „widerstehende Schichten“ schen Nachbarn anlehnen. jene behaupten, die das baltische Land in vordringen und ihren Einfluß vervielfa- Im Mai forderte die UdSSR die Bestrafung NATO und EU geführt haben. chen. Die illegale KP verdoppelte rasch der Schuldigen an den antisowjetischen Dr. Bernhard Majorow Seite 22 ROTFUCHS / April 2006 ROTFUCHS / April 2006 Seite 23 Wahlprognose für Tschechien: Kommunisten auf Platz 3

m 2. und 3. Juni werden in der Tsche- allgemein dekliniert, würde sie bei der tum – gemeint ist das an Produktions- Achischen Republik Parlamentswahlen, Wählerschaft kaum landen können. En- mitteln – erklären. Auch das ist von der Kommunalwahlen und Nachwahlen für de Januar legte sie auf einer Konferenz KPBM nicht zu haben, da sie für die Exi- den Senat des Parlaments stattfinden. ein lesbares Wahlprogramm vor. Von stenz aller Eigentumsformen eintritt und Außerdem werden die Vertreter für die seinen 30 Punkten kosten mindestens 25 gesellschaftliche Formen bevorzugt. Hauptstadt Prag gewählt. Die Wahlarith- richtig Geld. Aber kein Wort von Gegen- Die KPBM verwahrt sich dagegen, daß metik läßt schon jetzt keinen Zweifel: Oh- finanzierung. Purer Wahlspeck. Man darf ihr für eine eventuelle Zusammenarbeit ne die tschechischen Kommunisten oder auf das Regierungsprogramm oder den Bedingungen gestellt werden, die an die gar gegen sie geht trotz zunehmender Koalitionsvertrag nach der diesjährigen Substanz ihres Programms gehen. antikommunistischer Hysterie auch in Sommerpause gespannt sein, falls die Die stärkste Oppositionspartei ODS diesem Wahljahr nichts. Die KPBM hat in Sozialdemokraten in Regierungsverant- scheint noch unentschlossen zu sein, ob der ganzen Legislaturperiode eine kluge wortung gelangen. sie ihre Blaue Chance genannten Konzepte Oppositionspolitik betrieben, die sich an Die CSSD ist intensiv damit beschäftigt, beibehält, aktualisiert oder beiseite läßt, den Interessen ihrer Wählerklientel und intern die Strategie der Bürgerlichen obwohl darin ausführlich alle wesent- an ihrem Programm orientierte und Ver- Demokraten (ODS) zu analysieren. In die- lichen Politikfelder für eine nur wenig läßlichkeit bewies. Die Kommunisten ver- sem Zusammenhang stellt sich für sie die gebremste „neoliberale“ Politik enthalten folgen in ihrem Wahlprogramm die Stra- Frage des Bündnispartners. Mit der ODS sind. Die graue Eminenz der ODS, der tegie, im wesentlichen keine neuen Forde- tut sie noch so, als wolle sie nicht, mit „unparteiische“ Staatspräsident Václav rungen aufzustellen, die sie dem Verdacht der christlich-demokratischen KDU-CSL Klaus als ODS-Ehrenvorsitzender mit populistischer Versprechen aussetzen kann sie rein rechnerisch nicht, mit der Glacéhandschuhen wird hier rechtzeitig könnten, sondern legen in grundlegenden KPBM möchte sie nicht, wird aber wohl die strategischen Weichenstellungen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens oder übel eine Option mit ihr offenlassen vornehmen. Immerhin hat sich der für- den Finger auf jene Grundprämissen, die müssen, als Tolerierungs- oder Bünd- sorgliche Landesvater im Januar weit aus in der tschechischen Verfassung und dem nispartner. Und so wird versucht, den dem Fenster gelehnt, indem er vollmundig geltenden Gesetzeswerk festgeschrieben Kommunisten weitgehend nach den Vor- erklärte, eine von der KPBM tolerierte und damit eigentlich Regierungsauftrag, gaben der amerikanischen Agentur und Minderheitsregierung der CSSD werde bei aber von einer Verwirklichung weit ent- den Intentionen der berüchtigten Euro- ihm nicht durchgehen. fernt sind. paratsresolution Bedingungen zu stellen. Zur Zeit deuten Umfragen auf ein Kopf-an- Trotz der anhaltenden, sich im Wahl- Gefordert werden eine Entschuldigung Kopf-Rennen zwischen ODS und CSSD hin. kampf noch verschärfenden antikommu- für die „Verbrechen des Kommunismus“ Der Unterschied betrug im Februar nur nistischen Kampagne, die besonders sei- und die Distanzierung von der KPTsch. 1,4 %. Die dem Handelsblatt gehörende tens der bürgerlich-rechtskonservativen Verlangt wird weiter, daß sich die Partei Prager Wirtschaftszeitung HN hob schon ODS betrieben wird, behält die KPBM in zur Entwicklung nach dem November warnend den Zeigefinger und titelte pro- den Umfragen einen stabilen dritten Platz, 1989 bekennt, die sie als ihre eigene Be- phetisch aus dem Kaffeesatz, die Linke wenngleich sie gegenüber den letzten freiung betrachten soll. Hier gibt es eine werde die Wahlen gewinnen ... Bis zum Wahlen 4 % eingebüßt hat. Das sollte aber eindeutige Ablehnung, da sich die KPBM Abstimmungstag am 2. Juni kann noch nicht überschätzt werden, denn Umfrage- nicht zum Kapitalismus bekennen könne, manches passieren. Klaus Kukuk werte und Mobilisierung der Wählerpo- der Sozialismus habe zeitweilig verloren. tentiale sind zwei verschiedene Schuhe. Und schließlich: Die KPBM möge sich als Unser Autor war DDR-Diplomat in der Seit Mitte Januar ist klar: Die sozialde- Verteidiger des Rechts auf Privateigen- CSSR. mokratische CSSD hat ihre Wahlkam- pagne in diesem Jahr der bereits 2005 von Stanislav Gross angeheuerten ame- rikanischen Agentur Penn, Schoen und Baryland (PSB) anvertraut, die auch den Wahlkampf für Clinton, Blair und Kostu- nica gemanagt hat. Am 28. 1. hat die CSSD im doppelten Wortsinn Farbe bekannt. Ihr Spitzenkandidat Paroubek lehnte „mit Am 13. April begeht Genosse Unser Vorstandsmitglied, den Leiter Entschiedenheit“(!) eine Zusammenarbeit aus Waren/ der Regionalgruppe Dresden, mit den Kommunisten auf Regierungs- Kurt Schamel Müritz seinen 89. Geburtstag. ebene ab. Er hat sich zugleich von dem Günter Strobel bisherigen Koalitionspartner KDU-CSL beglückwünschen wir zu seinem Die Genossen „scharf abgegrenzt“, der er unproduktiven 70. am 7. April Antikommunismus (!) vorwarf. Paroubek Gerhard Kuschnia hält es derzeit für das wahrscheinlichste, aus Schwerin (10. April) und Am 21. April wird Genosse daß seine Partei – sofern sie die Wahl Lutz Weiprecht gewinnt – eine Minderheitsregierung Prof. Dr. Heinz Sonntag aus Berlin 65 Jahre alt. mit zwei Dritteln sozialdemokratischer aus Jena (20. April) vollenden Minister und einem Drittel parteiloser ihr 80. Lebensjahr. Fachleute bildet. Die Wahlfarbe der Sozialdemokraten ist Der Genosse Orange – wie originell! Die Regierungs- Eberhard Urbainczyk partei CSSD war sich wohl bewußt: Mit aus Recklinghausen feiert am ihrem „Offenen langfristigen Programm“, 10. April seinen 75. Geburtstag. das die sogenannten sozialdemokra- tischen Grundwerte, allgemeine Ziele, strategische Hauptrichtungen und Posi- tionen auf politischen Hauptfeldern sehr Seite 24 ROTFUCHS / April 2006 ROTFUCHS / April 2006 Seite 25 Der Morgenthau-Plan: Was aus Deutschland werden sollte

s gehört zum antikommunistischen den Faschismus, Täter werden. Was ist nanzminister Henry Morgenthau jr. for- EGrundkonsens, daß „die Russen“ Ost- das zum Beispiel für ein „antitotalitärer derte damals, daß Deutschlands „Fall deutschland nach 1945 wirtschaftlich Konsens“ zwischen Opfern und Tätern, und Buße“ möglichst tief sein sollten. ruiniert und an den Bettelstab gebracht der ausgerechnet von jenen ausgerufen Neben dessen Entmilitarisierung plante haben, die dortige Bevölkerung durch wird, die sich in frevelhafter Selbstüber- er seine totale Entindustrialisierung. Er perfide Käfighaltung vergeblich politisch hebung und beispielloser Anmaßung die war der Überzeugung: „Deutschlands zu domestizieren suchten und ihr Wohl- Ermordeten von Auschwitz als ideologi- Weg zum Frieden liegt auf dem Bauern- stand und Demokratie verweigerten – bei- sche Kitt- und Legitimationsmasse un- hof.“ DIE WELT zitiert Morgenthau wie des Gaben, die den Brüdern und Schwe- terwerfen, um Angriffskriegen nicht nur folgt: „Die Ostgebiete sollten Deutschland stern im Westen dank amerikanischer das Wort zu reden, sondern sie auch aktiv genommen, das Land in einen Nord- und Großherzigkeit als Geste der Gnade und vorzubereiten und durchzuführen? einen Südstaat geteilt und das Ruhrgebiet des Vergebens ganz selbstverständlich Von allen Arten politischen Verbrecher- ,auf ewig‘ unter internationale Kontrolle in den Schoß fielen. Nachdem man die tums der Neuzeit ist die Beschwörung von gestellt werden.“ Für die zu erwarten- Beschwichtigungspolitik der Westmäch- Auschwitz bei gleichzeitigem Verschwei- de hohe Arbeitslosigkeit in einem zum te gegenüber dem deutschen Faschis- gen der Rechtsprechung des Internatio- Agrarland geschrumpften Deutschland mus vertuscht und die in den härtesten nalen Militärgerichtshofs von Nürnberg hielt Morgenthau eine Lösung bereit: Kriegsjahren verweigerte Eröffnung ei- (Ächtung des Angriffskrieges) eine der Millionen Deutsche würden in Arbeits- ner zweiten Front in einen alleinigen Sieg gefährlichsten und schändlichsten. Die bataillonen zusammengefaßt werden, um der Amerikaner und Briten über Hitler- Stigmatisierung des Begriffs „Rache“ ist in ganz Europa die Schäden zu reparieren, deutschland umgelogen hatte, war es Bestandteil der historischen Umdeutung die Hitlers Heere angerichtet hatten. Der nicht verwunderlich, daß die Sowjetunion des Krieges. Das Streben nach Abrech- Morgenthau-Plan bildete die wichtigste im 60. Jahr ihres Sieges als Pariastaat in nung war nicht nur ein verständliches Diskussionsgrundlage bei der Konferenz das Hemd des reuigen Büßers gezwängt und legitimes Handlungsmotiv für das der Alliierten im September 1944 in Que- werden sollte. Die gleichen Medien, die Überleben des Angegriffenen, sondern bec. Weiter heißt es: „Anfangs unterstütz- in bester Tradition des Abendlandes erst auch für die Umwandlung eines Teilsie- te Roosevelt den Plan seines Freundes und unlängst zum Krieg gegen Serbien hetzten, ges bei der Verteidigung in einen totalen Ministers, distanzierte sich aber von ihm, zum Massenmord im jüngsten Irak-Krieg Sieg im Gegenangriff. Bevor der sowjeti- als deutlich wurde, daß die wachsenden das Hohelied von Freiheit und Demokratie sche Sieg im Zweiten Weltkrieg später von Differenzen mit Stalin es notwendig sangen und die Überlegenheit der west- Quislingen in der Art eines Gorbatschow machten, über Deutschland als einen lichen Kultur an der Präzision amerika- verraten wurde und das Land dadurch er- künftigen Verbündeten im Kampf gegen nischer Terrorwaffen maßen, zeichneten neut in eine strategische Lage geriet, die den Kommunismus nachzudenken.“ das Bild einer marodierenden, ständig zu vermeiden seit dem 21. Juni 1941 der In einem 1945 veröffentlichten Buch ra- betrunkenen russischen Soldateska, die Kern der sowjetischen Militärdoktrin war, dikalisierte Morgenthau seinen Deutsch- von verschlagenen Politkommissaren wirkte bei den deutschen Imperialisten land-Plan noch: „Der Nationalsozialismus ideologisch aufgepeitscht, offenkundig und ihren amerikanischen Ziehvätern die war für ihn ein notwendiges Ergebnis nichts anderes antrieb als der Gedanke Furcht vor der Stärke der sowjetischen der deutschen Geschichte. Der Wille zum nach Rache an einer unschuldigen Zi- Stoßarmeen noch nach. Es war eine gute Krieg, behauptete Morgenthau, hatte in vilbevölkerung. Angesichts des bis zum Zeit für den Frieden, als die Wölfe sich Deutschland eine ebenso lange Vorge- Erbrechen zelebrierten Versöhnungs- noch vor dem Feuer in acht nehmen muß- schichte wie in den Vereinigten Staaten theaters zwischen Tätern und Opfern ten. der Wunsch nach Freiheit. Als die Ame- vor staatstragender Kulisse muß daran Zur Frage, was denn aus westlicher Sicht rikaner die Grundzüge der Demokratie erinnert werden, daß bei der sogenannten vor allem, d. h. aus dem Blickwinkel der diskutierten, nahmen in Deutschland au- Versöhnung nichts anderes als Wölfe und Vertreter des amerikanischen Finanzka- toritäre Philosophen wie Fichte die Kern- Schafe herauskommen. Wenn Tätern Ge- pitals, nach Kriegsende mit dem besiegten ideen des Nazi-Regimes voraus. Nicht nur legenheit gegeben wird, sich als Opfer zu Deutschen Reich geschehen sollte, gab die Nazis, alle Deutschen waren schuldig“, verkleiden, ist es nur folgerichtig, daß aus vor geraumer Zeit ein aufschlußreicher heißt es in der „Welt“. Opfern, vor allem aber Kämpfern gegen Artikel in der „Welt“ Auskunft. USA-Fi- Man kann es so sehen: Der rasche Vorstoß der Roten Armee ersparte nicht nur Dres- den die Atombombe, sondern dem deut- schen Volk auch die Verwirklichung des Morgenthau-Planes. Die Entindustriali- sierung Westdeutschlands lag seinerzeit nicht im Interesse des amerikanischen Monopolkapitals. Es herrschte bereits der kalte Krieg. Nach Wiedereingliederung der DDR in den imperialistischen Herr- schaftsbereich verwirklichte die deut- sche Großbourgeoisie ab 1990 zumindest teilweise dieses Konzept. Mit der Entin- dustrialisierung Ostdeutschlands konnte man sich einer Arbeiterklasse entledigen, die vier Jahrzehnte an der Macht gewesen war. Ihre Reste vagabundieren erfolglos Beschäftigung suchend auf globalisierten Arbeitsmärkten herum. Wen wundert es, daß sie wieder gegen ihre Klassenbrüder in Stellung gebracht werden sollen.

Dr. Erhard Kegel Seite 24 ROTFUCHS / April 2006 ROTFUCHS / April 2006 Seite 25

m „RotFuchs“ 1/06 schloß Stefan Waryn- Iski, der Autor des Beitrags „Zur Vorge- Was war der Raubfrieden schichte der orangenen Revolution“, dan- kenswerterweise manche Wissenslücke. Rechtskonservative Vertreter Warschaus von Brest-Litowsk? betonen ständig die 300jährige Unter- drückung Polens durch das zaristische Belorußland und die Ukraine bis in den zung des Waffenstillstands zu einer Groß- Rußland und das monarchistische Deut- Süden. Unter Protest brach die Sowjetde- offensive für weitere Geländegewinne schland, schweigen aber diskret über legation die Verhandlungen ab, sicherte über. Jetzt gab Lenin die Losung heraus: die 600jährige Annexion von Teilen der aber einen Waffenstillstand. Die Sowjet- „Das sozialistische Vaterland ist in Ge- Ukraine bis östlich des Dnepr durch den regierung stand vor der Wahl, entweder fahr!“ Der Rat der Volkskommissare rief polnischen Hochadel. Seit 1989 behaupten die räuberischen Friedensbedingungen die werktätige Bevölkerung, besonders diese Kreise sogar, daß polnische Bürger der deutschen Monarchisten zu akzep- die Arbeiter in den Großbetrieben, zum 1939 von der Roten Armee aus östlichen tieren oder die Kriegshandlungen wieder bewaffneten Widerstand auf. Spontan Landesteilen Polens vertrieben worden aufzunehmen. Lenin analysierte die Lage entstandene Verbände von Verteidigern seien. Warynski formuliert in seinem der Sowjetmacht: Das werktätige Volk war der Revolution brachten die deutsche Artikel ausdrücklich, daß das Gebiet der ebenso kriegsmüde wie die Armee, die sich Offensive zum Stehen und konnten sie an Westukraine 1939 von der Roten Armee in heller Auflösung befand. So konnte kein verschiedenen Abschnitten sogar bis zum zurückgewo nnen wurde. Das wirft die revolutionärer Krieg um das eigene Land 23. Februar zurückdrängen. Dieser Tag historische Frage auf: Wer hat wem und geführt werden, zumal eine Rote Armee gilt als der Gründungstag der Roten Ar- wann Landesgebiete geraubt oder sich an- noch nicht zur Verfügung stand. mee. Geländegewinne des Feindes waren geeignet, sich deren Bewohner einverleibt Am 8. Januar 1918 legte Lenin seine 26 ein Ergebnis der Haltung Trotzkis zum und eigene Leute dort angesiedelt? Thesen über einen unglückseligen Frie- Brester Raubfrieden. Dieser „linke“ Kom- Um die Frage zu beantworten, muß man den, der unvermeidbar sei, vor dem ZK der munist ließ auch Vertreter der vom Volk bei der Großen Sozialistischen Oktoberre- volution beginnen. Zu den günstigen ge- schichtlichen Bedingungen für deren Sieg gehört, daß sie zu einem Zeitpunkt statt- fand, als der imperialistische Krieg noch in vollem Gange war und die wichtigsten imperialistischen Staaten in zwei feind- lichen Lagern gegeneinander kämpften, weshalb sie sich nicht sofort in die russi- sche Revolution einmischen konnten. Der II. Sowjetkongreß (Oktober 1917) nahm vor einer ganzen Reihe von Dekre- ten zugunsten des arbeitenden Volkes das bis dahin weltweit einmalige Dekret über den Frieden an. In ihm wurde die wichtigste Bedingung der jungen Sowjet- macht für die Meisterung aller sonstigen Aufgaben formuliert: ihr Ausscheiden aus dem imperialistischen Krieg und der Abschluß eines Friedensvertrages ohne Annexionen und Kontributionen, um zur friedlichen Aufbauarbeit übergehen zu können. Das Dekret über den Frieden war an alle gerichtet, an die imperialistischen kriegführenden Regierungen und ihre SDAPR (B) sowie der bolschewistischen gestürzten Ukrainischen Rada, die über- Völker, die die Hauptlast dieses Gemetzels Fraktion des III. Sowjetkongresses dar. wiegend aus nationalistischen Kräften zu tragen hatten. (LW 26/442 f.) Er verwies auch darauf, bestand, als „Unabhängige“ in Brest-Li- Die Mächte der Entente lehnten einen daß vom Ausland (z. B. aus Deutschland) towsk „mitverhandeln“. Im Komplott mit Friedensvertrag mit Sowjetrußland ab. revolutionäre Hilfe nicht in Sicht sei. dem Gegner sicherten sie die Abtrennung Sie hegten die Hoffnung, daß die in den Neben der Gruppe „linker Kommunisten“ der West-Ukraine von Sowjetrußland als Krieg gegen das kaiserliche Deutschland um Trotzki traten auch „linke Sozialisten“ deutsche Einflußsphäre, die schließlich und Österreich eingetretenen USA bald – vor allem aus den Reihen der Sozialre- dem Deutschland willfährigen Polen ein- ihre Truppen in Westeuropa anlanden volutionäre – als Gegner dieses Friedens verleibt, also durch Warschau annektiert würden, woraus sich eine neue strategi- auf. Die Mehrheit der Delegierten aber wurde. Es handelte sich haargenau um sche Situation ergeben hätte. Deutschland stimmte für den vom Feind diktierten jenes Gebiet, welches die Rote Armee 21 befand sich in einer anderen Lage. Die Raubfrieden, weil die Sowjetmacht diese Jahre später (1939) zurückgewann. Mit kaiserliche Armee war geschwächt, und Atempause zur Stärkung ihrer Macht und dem Raubfrieden von Brest-Litowsk büß- die desaströse Lebensmittelversorgung Verteidigungskraft und damit zum Wei- te Sowjetrußland auch große Gebiete vom daheim, die sich entsprechend auf die terbestehen dringend benötigte. Trotzki Baltikum bis in den Südwesten ein. Lenins Streitkräfte auswirkte, ließ Verhandlun- indes verletzte die Direktive der Partei, Rat der Volkskommissare annullierte ihn gen mit Sowjetrußland sinnvoll erschei- unterzeichnete den Vertrag nicht und teil- nen. Sie begannen am 20. 11. 1917 in Brest- te den kaiserlichen deutschen Offizieren bereits im November 1918 einseitig, als Litowsk (heute Brest/Belarus). Die russi- mit, Sowjetrußland werde „nicht kämp- in Deutschland die Revolution ausbrach. sche Delegation stand unter der Leitung fen“. Das war eine direkte Einladung, die Mit ihm hatte Rußland nicht nur 400 000 von Trotzki, die deutsche Seite vertrat der Revolution anzugreifen. Lenin veranlaßte Quadratkilometer Land und 60 Millionen kaiserliche General Hoffmann. Auf die mit Mehrheitsbeschluß der Regierung Menschen, sondern auch das reichste Frage, welche besetzten Landesteile die die telegrafische Zustimmung zum Frie- Getreideanbaugebiet, fast alle damaligen Deutschen bereit wären zu räumen, ant- densvertrag, aber die deutsche Seite zog Ölquellen und etwa achtzig Prozent seiner wortete dieser. „Nicht einen Millimeter.“ die Verhandlungen nun in die Länge. Am Eisen- und Kohleförderung verloren. Man gedenke alle okkupierten russischen 18. Februar gingen ihre Truppen auf der Gebiete zu behalten, vom Baltikum über gesamten Länge der Front unter Verlet- Dr. Marta Dittrich Seite 26 ROTFUCHS / April 2006 ROTFUCHS / April 2006 Seite 27 Warum Georg Weerth in Castros Kuba eine würdige Ruhestätte hat

or einigen Monaten bat mich der Ver- sachen des Alltags herrührte, als deren um dieser Forderung auch in seinem Vleger Herbert Stascheit darum, den Verursacherin die kubanische Revolution Lande nachzukommen, würden jetzt die Korrekturabzug eines Buches zu lesen, in Erscheinung trat. Ich war überrascht Voraussetzungen geschaffen, zu denen das bei ihm im GNN-Verlag erscheinen von der Fülle der sozialistischen Errun- ein Vertrag mit Kuba über gegenseitige würde; geschrieben von der Journalistin genschaften, die hier zur Sprache kamen, Förderung von Kultur und Kunst gehöre. und Gewerkschaftsfunktionärin Silvia und von der Tatsache, daß sie selbst in Natürlich ist das Ketzerei, was Fidel da Martinez Puentes. Es war mit Unterstüt- den Jahren des Zusammenbruchs des eu- betreibt: „Glaubt nicht, sondern lest!“ In zung des Netzwerks Cuba ins Deutsche ropäischen Sozialismus, der Blockade und Polen, wo sie vor kurzem eine Regierung übersetzt worden. Im Untertitel hieß es, der Naturkatastrophen so gut wie möglich installiert haben, die dem Volk auch die das Buch handle von Wirtschaft, Poli- am Leben gehalten und teilweise weiter letzten Reste von Aufklärung und Ver- tik und Gewerkschaften im materiellen, ausgebaut werden konnten. Und von der nunft auszutreiben gewillt ist, würde der moralischen und humanitären Werk der internationalen Solidarität, welche die Kubaner dafür absolut schlechte Noten kubanischen Revolution. Stascheit bat Kubaner auch in dieser für sie außeror- erhalten. Auch dafür, daß er unlängst den mich darum, weil er sichergehen wollte, dentlich schweren Zeit, die nicht zu Ende Abzug der amerikanischen Besatzer aus daß die Übertragung, an der verschiedene ist, vielen Menschen auf verschiedenen Irak gefordert hatte, denn die polnische deutsche Genossinnen und Genossen mit- Erdteilen erwiesen haben. Von den Fä- Regierung, unterstützt ja das Terrorre- gewirkt hatten, auch lesbar sei; ich sollte higkeiten Fidel Castros, der es immer gime, das die USA dort aufrechterhalten, sie mir daraufhin ansehen. verstanden hat, weder der Welt noch durch eigene Truppenkontingente. Ich Das Buch „Kuba – mehr als nur Träume“ dem eigenen Volk die ganze und oftmals stelle mir einmal vor: Der Präsident der wurde mir in zwei Raten geliefert, und bittere Wahrheit vorzuenthalten, und der, Vereinigten Staaten würde zu seinen Leu- da es sich schließlich als eins entpuppte, bis heute, von den Menschen, die ein so- ten sagen: „Glaubt nicht, sondern lest!“ das an die 420 Seiten umfaßte, hatte ich zialistisches Kuba wollen, dessen Fehler Ja, manchmal werde ich von einem sol- eine Menge zu tun. Um mich bei Laune zu und Schwächen korrigieren, es aber wei- chen Ingrimm oder sarkastischen Humor halten, entschädigte mich der Verleger terbauen und verteidigen, geliebt wird. heimgesucht. mit einigen Flaschen französischen Rot- Es war eine spannende Lektüre, und ich Und bevor ich euch jetzt, liebe Genossin- weins, die er wieder von seinen Freunden kann mir denken, daß es anderen Lesern nen und Genossen, mein Gedicht über erhalten hatte, die am letzten sommerli- ähnlich ergehen wird; deshalb mache ich Georg Weerth aufsage, versichere ich chen Volksfest in Schkeuditz teilnahmen. für das Buch der Genossin Silvia Marti- Euch: Die Übersetzung des Buches war in Ich meinte, das sei doch nicht nötig, aber nez Puentes auch Reklame und ermuntere Ordnung, ich hatte nicht allzuviel zu tun, als ich den Korrekturabzug fertig gelesen meine Landsleute, es zu kaufen und zu aber ein klein wenig hat es mich gefreut, hatte, waren die Flaschen auch alle leer- lesen und für seine Weiterverbreitung zu daß meine Mitarbeit gefragt war. Und getrunken. sorgen. bedankt wurde. Nun könnte man denken, ich hätte mich Während ich das hier schreibe, findet in bei der Arbeit, da es sich doch um ein Kuba die 15. Internationale Buchmesse Ich les den guten Georg Weerth Sachbuch handelte, schwergetan. In der statt, die von Fidel Castro und Hugo Zum erstenmal wohl richtig; Tat bin ich kein Liebhaber solcher Be- Chávez, dem Präsidenten Venezuelas, er- Gedanken mir der Mann beschert, richte, aber dieses Buch versetzte mich öffnet wurde. Vor 200 000 Menschen spra- Gedanken, schön und wichtig. in eine Spannung, die nicht von den poe- chen die beiden. Die deutsche Delegation Der hat gelobt das Proletariat tischen Einfällen der Autorin, sondern nimmt mit 41 Verlagen an dieser Messe Und gegeißelt die Industriellen, von den revolutionären Fakten und Tat- teil; leider habe ich nicht erfahren können, Mit Spott beworfen den bourgeoisen Staat um welche Verlage es sich dabei han- Und seine ihm treuen Gesellen. delt. Aber eins weiß ich: Das Buch „Kuba – mehr als nur Träume“ wird Den haben die Deutschen, blöd und blind, Totgeschwiegen und gründlich vergessen, dort in der deutschen Übersetzung Für mich aber seine Verse sind mit vertreten sein. Proletarische Seelenmessen. Und noch etwas habe ich den Berich- ten aus der „jungen Welt“ entnom- Die singe ich mir früh und spät, men: daß es zwei Höhepunkte im Derweil die anderen reisen; deutschen Programm zur Buchmes- Ich will den Mann, wo irgend es geht, se geben würde: eine Retrospektive Mit Gründen versehn lobpreisen. der Filme von Konrad Wolf sowie Den, der die irische Mary besang, eine Veranstaltung über Leben und Der’s Arbeiter-Blumenfest hat beschrieben, Schaffen des 1856 in Havanna ver- Den will ich das verbleibende Leben lang storbenen Georg Weerth. Das hat Als einen der Unseren lieben. mich sehr erfreut, weil ich nämlich, Ein kurzes Leben, reich an Tun, als ich noch nicht wissen konnte, Von Marx und Engels bewundert, daß Weerth auf Kuba erinnert wer- Ein Dichter, Zeitungsmann und Tribun den würde, ein Gedicht über diesen Im vorvergangnen Jahrhundert. schon stark in Vergessenheit gerate- nen deutschen Dichter geschrieben Von Heine geschätzt, den mochte er sehr, habe; ich werde es Euch am Ende Die Reaktion jedoch, die konnt’s nicht lassen, meiner Epistel mitteilen. Die mußte den proletarischen Ahasver Vorerst noch eine Bemerkung: Aus tiefster Seele hassen. Farruco Sesto, der Kulturminister In Havanna liegt begraben der Weerth, Venezuelas, hatte bei seiner ersten Seit hundertfünfzig Jahren; Kuba-Reise an einer Bibliothek ei- Aber ehrlich, ich finde das gar nicht verkehrt, nen Satz Castros entdeckt: „Glaubt Daß die Kubaner sein Erbe verwahren. nicht, sondern lest!“ Das habe ihn Guayasamin 1996 – Homenaje à Fidel en sus 70 Años mehr als beeindruckt und gerade Armin Stolper Seite 26 ROTFUCHS / April 2006 ROTFUCHS / April 2006 Seite 27

olf Biermann hat sich wieder einmal Wzu Wort gemeldet: „Mich erschüttert Schaum vorm Maul: eine sensationelle Neuigkeit, mit der ich nicht gerechnet hätte. Im ,Spiegel‘ wurde 2005 das Ergebnis einer Meinungsum- Biermann „ehrt“ Heine frage unter den Deutschen veröffentlicht. Getestet wurde 15 Jahre nach der Wie- zwischen Heines „Himmelreich“ und er all meinen Interessen und meinen Nei- dervereinigung ein pfiffig formulierter der wissenschaftlichen Begründung der gungen ist, auf meine Seele einen Reiz aus, Aussagesatz: ,Der Sozialismus ist eine Notwendigkeit der sozialen Revolution dem ich mich nicht entziehen kann ... gute Idee, die bislang nur schlecht ausge- durch Marx und Engels gibt es manchen Gesegnet sei der Krautkrämer, der einst führt worden ist.‘ Das bedeutet – weniger Unterschied, aber der primitive Vergleich aus meinen Gedichten Tüten verfertigt, raffiniert gefragt: Sollte man den total genügt Biermann, um den Kommunismus worin er Kaffee und Schnupftabak schüt- gescheiterten, den totalitären Tierver- als „falsches Hoffen“ und „zauberkräfti- tet für die armen alten Mütterchen, die in such an lebendigen Menschen nicht doch ges Schlagwort“ zu denunzieren und zu unserer heutigen Welt der Ungerechtig- noch einmal wiederholen und, wenn nötig, folgern: keit vielleicht eine solche Labung entbeh- abermals – bis ,es‘ funktioniert. Das Er- „Marx und Engels – im Grunde lieferten ren müssen – fiat justitia, pereat mundus!“ gebnis der Umfrage: 56 % der Deutschen auch sie nur eine mit Hegelscher Ge- Wer kann das mißverstehen? Heine stellte im Westen und sogar 66 % in der ehemali- schichtsphilosophie verbrämte Utopie die Bedürfnisse des „Mütterchens“ über gen DDR stimmten diesem Hammer- und vom Narrenparadies einer sozialen Idylle: seine dichterischen Ansprüche. Aber Sichelsatz zu.“ (Spiegel 7/2006) Also die konterrevolutionäre Illusion vom wurden seine Gedichte im Sozialismus Nun waren Hammer und Sichel zwar Ende der Geschichte.“ zu Tüten? nicht die Symbole der DDR und „totali- Ist Biermann noch zu übertreffen? Der Hat die DDR Kultur mißachtet oder ge- täre Tierversuche“ wird es vielleicht bei Kommunismus als „Narrenparadies einer fährdet? Biermann löst den Widerspruch der Vogelgrippe geben, aber Biermanns sozialen Idylle“, Fukuyamas These vom auf seine Weise. Er führt – nicht die bei- Erschütterung wird mancher verstehen, „Ende der Geschichte“ mit Marx und En- den Weltkriege oder Auschwitz –, sondern der seine Biographie kennt. Jemand, der gels begründet! die Gulags in seine „Ehrung“ ein, um zu denken gelernt hat, könnte jetzt fragen: Aber die Geschichte ging ja auch nach folgern: „Die arme alte Frau mit ihren Wie erklärt sich dieses (für wen?) „sensa- dem Tod von Marx und Engels weiter, und Kindern wurden einfach totgeschlagen.“ tionelle“ Umfrageergebnis? Warum haben nach 1917 hatte der Imperialismus, nicht Könnten das deutsche Soldaten in der die Ostdeutschen – trotz der Eppel- und zuletzt der deutsche, seinen Widersacher Sowjetunion gewesen sein? Oder KZ-Auf- Biermänner –, die der kommunistischen in Gestalt der Sowjetunion und der DDR, seher in Theresienstadt? „Hölle“ knapp entkommen sind, mehr in der zeitweilig das „geborne Kommu- Beim Thema Gulag rechnet Biermann Sympathien für den Sozialismus unter nistenkind“ Biermann lebte. Der fand in gleich noch mit Brecht, Bloch, Gerhart „Hammer und Sichel“ als ihre Landsleute Heines „Lutetia“ ein weiteres für seine und Hanns Eisler, Feuchtwanger und im Westen? Was wäre für denjenigen zu Zwecke verwendbares Zitat: „Nur mit Heinrich Mann ab, die „ideologisch ver- tun, der diese Bürger für die Demokratie Grauen und Schrecken denke ich an die blendet und schändlich phantasiearm“ des Kapitals retten will? Zeit, wo jene dunklen Ikonoklasten zur gewesen seien. Um das Maß voll zu ma- Aber das Denken ist anstrengend. Herrschaft gelangen werden – Ach! Das chen, erzählt er überdies „einen verwir- Was tut Biermann? Er sieht sich an, was sehe ich alles voraus und eine unsägliche renden Alptraum von Heinrich Heine“. Heinrich Heine geschrieben hat. Den Betrübnis ergreift mich, wenn ich an den Der Inhalt? Biermann trifft Heine – wo zitierten Sätzen über die „sensationelle“ Untergang denke, womit meine Gedichte schon, wenn nicht in Kuba? – „in einem Umfrage folgt Biermanns rhetorische und die ganze alte Weltordnung von dem grausam verdreckten Knast des Castro- Frage: „Was hat das alles mit Heine zu Kommunismus bedroht sind.“ Regimes“. Dort läßt sich Biermann – im tun? Ich denke: alles! Heine stand an der Nun fügt Biermann in das Heine-Zitat ein: Traum – von Heine das vieldeutige Wort Weltwiege des Kommunismus, wir stehen „Aber dann kommt die flagellantische Vol- Goyas erklären: „Der Schlaf der Ver- am Grab.“ Zum Glück für Biermann und te, für die ihn die stalinistischen Bonzen nunft bringt Ungeheuer hervor.“ Bei der sein Anliegen hat Heine einige Gedanken des Kommunismus in der Sowjetunion Übersetzung/Deutung dieses Satzes hat über den Kommunismus geäußert, die und in der DDR mißtrauisch liebten“, um Biermann seine Schwierigkeiten, nicht Biermann politisch und finanziell ver- dann mit Heine fortzufahren: „Und den- aber bei einer Dichtung Heines aus der markten kann, „Heine und Le Communis- noch, ich bekenne es mit Freimut, übt Sammlung „Romanzero“. Dort kommt das me“ heißt der Titel des Produkts, das mit eben dieser Kommunismus, so feindlich Wort „Freiheitskrieg“ vor, und Biermann Heine wenig, mit Biermanns krankhaftem weiß genau, wie Heine ihn sah: „Ja, dieser Antikommunismus viel zu tun hat. Der Freiheitskrieg ist alt wie die Menschheit. Am 29. April um 10.00 Uhr spricht „Liedermacher“ beginnt mit dem popu- Wir leben hier in Westeuropa in Freiheit lärsten Text: „Heinrich Heine formulierte „RotFuchs“-Chefredakteur und Wohlstand.“ Und um beides zu genie- ja für uns die Substanz der Hoffnungen Dr. Klaus Steiniger ßen, müssen „wir“ gegen die „totalitären auf den Kommunismus. Schon vier Jahre Todfeinde“ kämpfen. Der Freiheitskrieg vor dem ,Manifest‘ erschien 1844 beim in Zwickau, Volkssolidarität, dauert, solange „wir“ dauern. „Und wer in Hamburger Verleger Julius Campe Heines Hölderlinstraße 1, auf einer diesem Kampf desertiert – etwa in der Po- Poem ,Deutschland. Ein Wintermärchen‘. Veranstaltung der Regionalgruppe se eines bequemen Äquidistanz-Slogans: In diesem politpoetischen Reisebericht Chemnitz-Zwickau-Plauen ,Saddam Hussein und George W. Bush, sie findet sich – gleich im ersten Caput – der stinken alle beide‘ –, der gehört ... nicht zu dem Thema: berühmte Vierzeiler: zur Partei des Heinrich Heine.“ Biermann bestimmt also, wer „zur Partei Ein neues Lied, ein besseres Lied, des Heinrich Heine“ gehört. Und Heinrich O Freunde, will ich euch dichten! Heine streitet mit Bush für die „Freiheit“. Wir wollen hier auf Erden schon Wie steht es um Und das Bild Heines vom Rabbi und vom Das Himmelreich errichten. Mönch, die alle beide stinken, erfährt ei- Die letzten beiden Zeilen formulieren die ne merkwürdige Auferstehung. Aber: Wie Substanz des ganzen Kommunistischen die kommunistische die Umfrage, die Biermann erschütterte, Manifests in lapidarer Kurzfassung: das beweist, haben Antikommunisten seines Himmelreich auf Erden.“ Schlages einen schweren Stand. Die Tat- Zwar wird kein Leser im „Manifest“ Weltbewegung? sachen sind stärker als Tiraden, die gut finden, daß Marx und Engels das „Him- bekannte Vorbilder haben. melreich auf Erden“ versprachen, und Prof. Dr. Horst Schneider Seite 28 ROTFUCHS / April 2006 ROTFUCHS / April 2006 Seite 29

enn eine Kultur fühlt, daß es mit Wihr zu Ende geht, läßt sie den Prie- Hahnebüchenes ster kommen“ schrieb der hellsichti- ge österreichische Gesellschaftskritiker Wir hatten die Bibel und sie das Land.“ fernen Washington für ihre Bekehrung. In Karl Kraus schon 1911. Es kam sogar ein Könnte man nun nicht einfach statt Land den Vereinigten Staaten ist also tatsäch- echter Bischof und verkündete: „Mobil! und Schwarze Öl und Muslime sagen, lich schon „Gott in die Politik zurückge- Die unerträgliche Schwüle der letzten Herr Hahne? Ich sag’s mal so: „Bevor kehrt“. Juliwochen des Jahres 1914 war dem die gottesfürchtigen und friedliebenden Ein Trost, Herr Hahne: Ihre Schwester im befreienden Gewitter gewichen. Der Aus- Bush-Krieger nach Arabien kamen, gab es Glauben, die fromme Angela, versprach bruch des Krieges stand im Zeichen einer dort viel Öl und wenig Demokratie. Nun am 5. Februar der Münchner Sicherheits- großen Gottesoffenbarung. Gott erschien gibt es dort nur noch Mord und Totschlag. konferenz, „daß Deutschland diesmal dem deutschen Volke! Das deutsche Volk Keine Spur von seelischer Unterwürfigkeit wohl bis zur letzten Konsequenz an der sah durch die Gewitterwolken des Krie- und Anhänglichkeit.“ Und dabei meint es Seite der USA stehen wird“. Dann ist wirk- ges das Auge des lebendigen Gottes her- doch der größte Missionar aller Zeiten so lich Schluß mit lustig, Herr Hahne. niederflammen auf die Erde. Es sah Gott gut mit ihnen! Jeden Morgen betet er im Jürgen Kuhlmann sich offenbaren.“ Mit dieser anfeuernden Brandrede empfahl sich Bischof Otto Di- belius nicht nur dem Hohen Klerus. Nach dem Zweiten Weltkrieg schloß er den Archies irdischer Alptraum Militärseelsorgevertrag für die unter Hitlergeneral Speidel „neu“ erstandene rchie spähte durch das Guckloch in schränkt?“ „Also, schauen wir mal, bei Bundeswehrmacht ab – mit Kanzler Ade- Ader Tür. Heftiges Geläute. Er sah nur Ihrem Alter können Sie zwanzigtausend nauer, dem laut repräsentativer Umfrage eine Melone, schwarze Kopfbedeckung. im Monat verpulvern, außerdem haben des ZDF „größten Deutschen aller Zeiten“. Zögerlich öffnete er, eine zweite Melone Sie alle Verkehrsmittel frei, einschließlich Weltmarschall Bush aus „Gods own Coun- schob sich in den Türrahmen, schwar- Flugzeuge und Luxusschiffe, ein Auto try“ hat übrigens heute einen ebenso mi- ze Anzüge, schwarze Aktenkoffer: zwei Ihrer Wahl, auch Handy weltweit gratis!“ litanten „Seelsorger“ wie seinerzeit Ade- Herren mit Schirm, Charme und Melone. Archie kam ins Stottern. „Und was haben nauers „Herniederflammer“ Otto Dibeli- „Dürfen wir“, fragten sie und waren schon Sie davon?“ „Abbau des demographischen us. Der heißt Billy Graham und ist mäch- drin im Korridor. „Oh, die vielen Bücher! Faktors, Verkleinerung der Alterspyra- tig stolz auf seinen Spitznamen „Maschi- Wollen Sie die alle noch lesen?“ „Die mei- mide, Verjüngung der Gesellschaft! Was nengewehr Gottes“... Nicht nur diesen sten fragen, ob ich die alle schon gelesen denken Sie, wie alt die Leute werden, unsäglichen Dibelius, nein, sogar rechts- habe“, gähnte Archie, „ich kaufe nichts, das hält kein Sozialstaat durch! Ausge- radikale „Historiker“ wie Nolte und Stür- ich brauche nichts und abonniere nichts.“ nommen von dieser Pilotstudie sind nur mer sowie den Kriegsverherrlicher Ernst „Weil Ihre Rente so klein ist und Ihr Leben Industrielle, Banker, Manager, Profisport- Jünger bemüht nun ein gewisser Peter so kurz.“ „Ganz richtig“, murmelte Rent- ler und Politiker durch ihren hohen Wert- Hahne – selbst Pfarrer und ZDF-Spitzen- ner Einfalt wie im Halbschlaf. „Und alles schöpfungsgrad für die Gesellschaft! mann – zur Verbildung des deutschen geht den Bach runter, die Börse, das Bau- Außerdem wichtig für Sie, Herr Einfalt: Michels. Der hievte ihn darob in die gewerbe, die Banken, vor allem die Ren- Bürgern der neuen Bundesländer wird Spiegel-Bestsellerliste. Sein Brevier ten“, sagten die Herren unisono, lächelnd, postum die Verdienstmedaille für den „Schluß mit lustig“ steht dort in trauter süffisant, elegant. „Warum behaupten Sie Aufbau Ost verliehen. Sie tun überdies Eintracht mit Harry Potter – fürwahr ein das? Sie sehen nicht aus wie Linke“, sagte etwas für Ihre Enkel und Urenkel! Haben ernstes Zeichen des kulturellen Verfalls, Archie und sank in einen Sessel seiner Sie welche?“ „Mehr als genug“, mußte Ar- den er so wortgewandt beklagt! Doch Fernsehdiele. „Was wollen Sie, ich habe chie zugeben, unterschrieb, führte fortan laut Hahne ist das Abendland noch zu nichts außer Büchern, kein Konto, kein ein Leben in Saus und Braus, jagte Bären retten. „Holt Gott zurück in die Politik!“ Haus, kein gutbürgerliches Eigentum, in Alaska, kreuzte auf Schiffen im Mittel- rät er uns. Voll Toleranz, kann er zwar als Auto nur einen ,Wartburg‘, was soll meer und wurde immer jünger! Er machte „fremde Meinungen achten“, aber: „Wenn mir eine Lebensversicherung, wenn Sie zahllose Bekanntschaften, auch weibli- ich’s gut mit meinem Gegenüber mei- das wollen.“ Archie wurde immer schläf- che, bewegte sich mehr, grübelte weniger ne, dann werde ich versuchen, sie ihm riger. „Nein, nichts dergleichen“, riefen und schlief besser. Es hatte sich sogar ein auszureden. Das nennt man Mission.“ die beiden Herren aus. „Unser Motto ist: verschollener Bruder wieder eingefunden. Die hatten wir schon. „Der Neger ist ein Menschen, wollt ihr ewig leben? Sehen Sie, Er glich ihm aufs Haar, war zwei Jahre blutdürstiges, grausames Raubtier, das Herr Einfalt, ca. 2 Millionen Bürger der jünger, hütete sein „Haus“ und wohnte bei nur durch das Auge und die Peitsche des BRD sind Pflegefälle, davon 80 % über 65 ihm ein. Bändigers in Respekt erhalten werden Jahre, die meisten werden irgendwie und kann. Er ist von der Vorsehung geschaf- irgendwo zu Tode gepflegt, ist das eine Eines Morgens in aller Herrgottsfrühe fen, dem Weißen zu dienen ... Wenn sich Aussicht?“ „Grauenhaft“, ächzte Archie, wurde Archie durch Gepolter im Korridor die Schwarzen weigern, ihre namenlose „ich wollte mir schon immer eine Armee- wach. Schlaftrunken torkelte er hinaus Faulheit abzulegen, haben sie keine pistole von den Russen kaufen.“ „Das ist und sah, wie zwei schwarzgekleidete Her- Existenzberechtigung mehr auf Erden“, die richtige Einstellung“, freuten sich die ren, diesmal mit Zylinder, seinen Bruder schreibt der deutsche Kolonialoffizier Herren in Schwarz und klatschten aner- in eine schwarze Kiste packten. „Wer sind August Boshart in sein Brevier „Die Be- kennend in die gepflegten Hände. Da ha- Sie?“, würgte Archie heraus. „Wir sind die handlung der Eingeborenen in den deut- ben wir Besseres zu bieten: Also bei Ihrem Liquidatoren, und Sie?“ „Ich bin nur der schen Kolonien“. Und der Missionswissen- Einkommen leider nur zwei Monate, aber Bruder“, erwiderte der Gefragte. „Schwein schaftler Joseph Schmidtlin assistiert: die in Saus und Braus!“ „Und dann?“, frag- gehabt“, sagten die Herren, lüfteten die „Durch Strafen und Gesetze kann der Staat te Archie ängstlich. „Dann nichts, aus! Zylinder und trugen den Bruder fort. Da den physischen Gehorsam erzwingen; die Alles andere übernehmen wir! Es ist eine humpelte Archie auf schmerzenden Knien seelische Unterwürfigkeit und Anhäng- Pilot-Studie, wir arbeiten regierungsnah, in die Küche, trank ein Glas Wasser und lichkeit der Eingeborenen bringt die Mis- sind aber offiziell eine Privatgesellschaft hoffte, daß dies nur ein Alptraum war. sion zustande.“ mit beschränkter Haftung.“ „Wie be- Oder nicht? Manfred Hocke Der schwarze Bischof Desmond Tutu brachte es auf den Punkt: „Als die Weißen Die bulgarische Zeitung „Wremena“ (Warna) hat den „Rot- kamen, hatten sie die Bibel und wir das Land. Sie forderten uns auf, zu beten. Wir Fuchs“-Leitartikel „Unser politischer Stil“ (RF, Dez. 2005) in schlossen die Augen. Als wir sie wieder der Übersetzung von Dr. Ratscho Ratschew veröffentlicht. öffneten, war die Lage genau umgekehrt: Seite 28 ROTFUCHS / April 2006 ROTFUCHS / April 2006 Seite 29

werden? Auch wenn André Brie dies sicher nicht 2004 (und erst recht zu Zeiten der Sowjetunion) Leserbriefe an will, trägt sein Verhalten gewollt oder ungewollt in den Schulen Lettlands nicht auf Lettisch, mit dazu bei. Ist er sich darüber im klaren? Die sondern auf Russisch unterrichtet worden wäre. ROTFUCHS Kubaner haben ihre Schlußfolgerungen aus dem Tatsächlich wurden aber selbstverständlich Zusammenbruch der europäischen sozialisti- schon zu Zeiten der Lettischen SSR in rund schen Staaten gezogen. Sie setzen sich recht- der Hälfte der Schulen der Republik (ungefähr zeitig zur Wehr und trotzen mutig den Anfängen. gemäß der nationalen Bevölkerungsverteilung in Kurt Ducke, Berlin Lettland) der Unterricht auf Lettisch abgehalten und in zahlreichen weiteren Schulen einzelne „Lug und Betrug sind erlaubt, wenn es um eine Als ständigen PDS-Wähler erfassen mich Zorn, Fächer auf Lettisch unterrichtet. Außerdem gute Sache geht“, erklärte Kanzleramtsminister wurde in der Lettischen SSR (wie auch in allen Thomas de Maizière in seiner Rede anläßlich der Empörung und Verachtung, wenn ich vom niederträchtigen Abstimmungsverhalten der anderen SSR, ASSR und sonstigen Autonomen Wiedereröffnung des Bautzener Theaters am Gebieten) bereits Anfang der 80er Jahre – lange 17. Februar. Europaparlaments-Abgeordneten Zimmer, Brie, Markov, Kaufmann und Uca lese. Kann man vor Gorbatschows Konterrevolution und der Ist das der neue Leitspruch für „unsere De- noch tiefer fallen, als Kuba die Solidarität zu „Unabhängigkeit“ eines bürgerlichen Lettlands mokratie“?! Oder die „neue Gerechtigkeit“ der verweigern? – damit begonnen, den Anteil und die Bedeutung Bundeskanzlerin?! des nichtrussischen, in diesem Fall lettischspra- Dr. Jürgen Wengler, Malschwitz Wir haben uns beim Wahlkampf für die PDS in Gesprächen mit vielen Bürgern eingesetzt und chigen, Schulwesens auf allen Ebenen zu stär- ken und schrittweise zu erhöhen. Was heute in Bei unserem monatlichen Roten Montag in müssen jetzt erleben, daß die Genannten all jenen in den Rücken fallen, denen Kuba teuer ist. Lettland passiert, ist also nicht die „Lettisierung“ Peine, wo ich Mitglied des Kreisvorstandes der des Schulwesens, sondern die systematische Linkspartei.PDS bin, habe ich den „RotFuchs“ Meinen sie etwa, daß es etwas bringt, mit den Wölfen zu heulen? Peter Fischer, Jena Verdrängung aller nichtlettischen, vor allem rus- erhalten. Er ist mir gleich ans Herz gewachsen! sischen, Elemente aus dem öffentlichen Leben. Die Zeitschrift bringt die Dinge auf den Punkt Josef Bacher, Graz und kommt gerade bei jungen Menschen und Vor gut 25 Jahren bereiste ich Mittelamerika das Studenten gut an. Ich bitte um mehr Informatio- erste Mal und kam 1980 auch nach Nicaragua. nen über Abo-Bedingungen und Mitgliedschaft Der Sturz Somozas lag erst wenige Monate Die Herren Hundt und Rogowski werden in ihren im Förderverein. Kai Trappe, Peine zurück, und es waren viele junge Freiwillige aus Forderungen immer dreister. Es ist kein Wunder, allen Teilen der Welt eingetroffen, um das san- daß sich bei diesen „Rahmenbedingungen“ eine Die Erfahrungen meines langen Lebens – ich dinistisch-revolutionäre Nicaragua aufzubauen. Unternehmergeneration entwickeln kann, die an werde jetzt 85 – haben mir bestätigt, daß dieses Auch Kuba, die UdSSR und Staaten Osteuro- Rücksichtslosigkeit ihresgleichen sucht. Unter menschenverachtende System der Ausbeutung, pas waren natürlich vor Ort und halfen bei der den Bossen scheint ein regelrechter Wettbewerb des Rassismus, der Völkerverhetzung und des Errichtung eines „sozialistischen Brückenkopfes“ ausgebrochen zu sein, wer die Zahl seiner Be- Krieges ohne Kampf nicht überwunden werden in Mittelamerika, was nach der Monroe-Dok- schäftigten am drastischsten reduziert. Wie man kann. Deshalb begrüße ich von ganzem Herzen trin jedoch als ein Angriff auf vitale Interessen inzwischen bemerken kann, bedeutet jede der den „RotFuchs“ als Wahrer sozialistischer Tra- der USA gewertet wurde. Die darauffolgende sich häufenden Siegesmeldungen der Manager ditionen und Vermittler neuer Erkenntnisse im Unterstützung der Contras wird vielen noch in eine Zunahme der Unternehmergewinne und die weltweiten Ringen mit dem Imperialismus. Erinnerung sein. Niederlage zahlloser beruflicher „Arbeitnehmer“- Leider habe ich erst durch das ND-Inserat von Es gibt hier extreme Armut. Wer Arbeit hat, Existenzen. Wenn ein Konzern Verluste einfährt, Eurer Existenz erfahren. Der „RotFuchs“ sollte kann sich glücklich schätzen, da über 40 % der lautet die Antwort: Entlassungen. Wenn er aber stärker bekanntgemacht werden. Die Nachfrage erwerbsfähigen Bevölkerung keine haben. Mehr satte Gewinne macht, heißt sie neuerdings erst würde sicherlich steigen, zumal sich das ND zu- als 40 % der Bevölkerung sind unter 30. Die recht: Entlassungen. nehmend „gleichschalten“ läßt. Arbeit wird schlecht bezahlt. Für eine Sechsta- Horst Franzkowiak, Hoyerswerda Ingeborg Hämmerling, Berlin gewoche gibt es häufig einen Monatslohn von umgerechnet 60 US-Dollar. Oben schwimmt die übliche Fettschicht der Reichen mit ihren großen 1903 wurde in Burkhardswalde/Müglitztal der Jugoslawiens früherer Präsident Slobodan Milo- Grundstein für „Gössels Gesundbrunnen“ ge- sevic ist unter mysteriösen Umständen gestor- japanischen Jeeps. Die Oligarchie beherrscht die hiesige Politik, die Sandinistas (FSLN) mischen legt. Bedingt durch die gute Qualität wurde aus ben. Vor der Präsidentschaftswahl im Oktober dem einstigen Familienbetrieb ein weltbekanntes 2000 hatte die NATO den Jugoslawen gedroht, als linke Gegenkraft kräftig mit. Sie könnten den christliberalen Präsidenten Bolanos im Amt viel- Unternehmen mit dem Werbeslogan „Margon- man werde ihr Land erneut bombardieren, sollte wasser – prickelnd frisch“. Zu DDR-Zeiten erhielt er wiedergewählt werden. USA-Außenministerin leicht bald ablösen. In diesem Jahr stehen Präsi- dentschaftswahlen an, und der linke Expräsident das mittelständische Unternehmen staatliche Madeleine Albright frohlockte nach dem Sieg Unterstützung, und 1972 verkaufte der damalige Kostunicas: Das letzte sozialistische Land in Daniel Ortega, der nach der 79er Revolution gut zehn Jahre an der Macht war, will es noch einmal Besitzer, Herr Martin Kunz, seinen Betrieb an Europa existiert nicht mehr. Nach der Entführung den Staat. Nach der Konterrevolution erfolgte die Milosevics und der Anklageerhebung durch den versuchen. Innerhalb der FSLN-Lagers hat er jedoch mit Levites einen einflußreichen Gegen- übliche Privatisierung mit mehreren Besitzwech- NATO-gesponserten Gerichtshof in Den Haag seln, u. a. „Gerolsteiner“ und „Dr. Oetker AG“. hielt der Gefangene seinen Häschern und po- spieler, was unter Umständen zur Spaltung der sandinistischen Partei führen könnte. Auch bei Wegen der großen Nachfrage wurden mit Hilfe tentiellen Henkern den Spiegel vors Gesicht. Er staatlicher Subventionen neue Quellen erschlos- verteidigte sich tapfer gegen die NATO-Justiz. der FSLN gibt es viele sogenannte „Arivistas“, reiche und korrupte Leute, wie sie überall auf sen und eine Extra-Erdgasleitung in den Betrieb Doch seine Gesundheit war durch die lange verlegt. 2005 verkaufte Oetker an das hessische Haft untergraben. Eine von Rußland angebote- der Welt in Staats- und Verwaltungsapparaten vorkommen. Ein Selbstreinigungsprozeß würde Unternehmen Hassia, dem auch die Lichtenauer ne Behandlung durch dortige Ärzte wurde vom Quelle gehört. Und nun erfolgte der Markenklau. Tribunal abgelehnt. Bei seinem letzten Auftritt der FSLN gut anstehen, könnte neues Vertrauen bringen und kreative Kräfte freisetzen. Zum 1. 1. schloß Hassia den Margonbrunnen, vor Gericht klagte Milosevic über starke Be- kündigte den 96 Mitarbeitern, versiegelte die schwerden. Hinter den hiesigen Kulissen laufen derweil Burkhardswalder Quellen und verkauft nun Er wurde rund um die Uhr beobachtet. Ist es dubiose Geschäfte mit dem korrupten Ex-Prä- sein weniger bekanntes Lichtenauer unter dem da nicht sehr seltsam, daß man ihn plötzlich sidenten Arnoldo Aleman, der jahrelang wegen bekannten Markennamen Margon. Der deutsche leblos in seiner Zelle aufgefunden haben will?! zu seiner Amtszeit unterschlagener dreistel- Raubtierkapitalismus läßt grüßen. liger Millionenbeträge im Hausarrest saß und Fazit: Unterlassene medizinische Versorgung ist Hellmut Michel, Müglitztal auch Mord, wenn nicht Gift im Spiel war. nun wieder in der Politik mitmischt. Es sollen Brigitte Queck, Potsdam Verhandlungen zwischen ihm und Ortega laufen, durch die Parlamentsmehrheit beider Parteien Vor etwa einem halben Jahr bin ich durch Zu- In seiner Stellungnahme („junge Welt“ vom 17. 2.) die Verfassung zu ändern und die Macht des fall auf den „RotFuchs“ gestoßen. Neugierig versuchte André Brie seine Zustimmung zur Anti- amtierenden Präsidenten und Erzfeindes von geworden, besuchte ich eine Veranstaltung der Kuba-Resolution im Europäischen Parlament zu Aleman zu beschneiden. Dadurch, so die „Wa- Zwickauer Regionalgruppe. Ich war überrascht, begründen. Über seine arrogante, rechthabe- shington Post“, erhoffen sich die ungleichen eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten zu fin- rische, sich selbst widersprechende Aussage Partner, die Wahlen gemeinsam zu gewinnen. den. Seitdem nehme ich an den Zusammenkünf- bin ich entsetzt. Kann oder will André Brie nicht Frank-Reginald Evertz, Granada (Nikaragua) ten teil, lese mit großem Interesse die Zeitschrift, die große Gefahr sehen, in der sich Kuba gegen- reiche sie weiter und bin immer wieder froh, mit wärtig befindet? Wurde es nicht von Bush als Eine kleine Ergänzung zum Artikel von Vera jeder neuen Ausgabe Wissenswertes zu erfah- „Schurkenstaat“ bezeichnet? Die entsetzlichen Butler: Der Absatz über die Umstellung des ren, gute Argumente zu erhalten. Ich glaube, im Bilder aus Abu Ghraib und Guantánamo veran- Schulwesens auf die lettische Sprache ist ein RF eine politische Heimat gefunden zu haben, schaulichen, was man dort unter „Freiheit“ und wenig mißverständlich formuliert und könnte bei die mir in den letzten 16 Jahren fehlte. Deshalb „Menschenrechten“ versteht. Soll ganz Kuba manchen Lesern den falschen Eindruck erwek- bin ich Mitglied des Fördervereins geworden. eines Tages zu einem einzigen Guantánamo ken, daß vor der gesetzlichen Regelung von Rainer Albert, Zwickau Seite 30 ROTFUCHS / April 2006 ROTFUCHS / April 2006 Seite 31

In einem Gespräch, das ich mit Genossen Zum- größeren Anteil zur Lösung beitragen. Und nicht oder es ist eine gezielte politisch-militärische pe kürzlich in Chemnitz führen konnte, hatte ich nur das. Provokation der CIA-Präventionskrieger und ihm meine Unzufriedenheit über die nach meiner Doch zu solchen Reformen sind die derzeit Mit- ihrer Mitläufer zur Aufrechterhaltung des ent- Meinung nicht vorhandene Programmatik linker regierenden um Platzeck und Müntefering weder sprechenden Feindbildes. Politik in Deutschland zum Ausdruck gebracht, fähig noch gewillt. Kurt Eckardt, Chemnitz Was wäre, wenn solcher „Schabernack“ mit dem obwohl doch die gegenwärtigen Klassenausein- Papst betrieben würde? Gert Thiede, Suhl andersetzungen danach schreien. Aus den zahlreichen Leserzuschriften kann Langer Rede kurzer Sinn: Er übergab mir drei man ersehen, daß Ihre Veröffentlichungen ein Wir bedanken uns für die Rezension unseres Exemplare des „RotFuchs“, die ich regelrecht in breites Interesse finden. Ich habe allerdings Buches „Und weiche keinen Cico breit“. Leider mich hineingezogen habe. Ich fand dort die Ant- den Eindruck gewonnen, daß einige Beiträge wurden die „Koordinaten“ vergessen: Scheunen- worten bzw. das Bemühen um Antworten zu den sehr vergangenheitsorientiert sind. Das dürfte Verlag Kückenshagen 2005, 150 Seiten, 8,40 Tages- und Zukunftsfragen auf der Grundlage bei manchen jungen Leuten, die weder die hi- Euro, ISBN 3-938398-13-2. ernstzunehmender Analysen und Überlegungen, storischen Zusammenhänge noch den dazu in Rosi und Wolfgang Nicolas, Brandshagen die bestimmte Kreise fürchten wie der Teufel das der DDR vertretenen Standpunkt kennen, Ver- Weihwasser. Ich bitte deshalb, mich in den Ver- ständnislosigkeit und in der Folge Desinteresse Den „RotFuchs“ ob seiner konsequenten marxi- teiler für den „RotFuchs“ mit aufzunehmen. hervorrufen. In der gegenwärtigen politischen stisch-leninistischen Haltung zu loben, hieße Eu- Rainer Uhlig, Chemnitz Auseinandersetzung, in der mit Hilfe der Medien len nach Athen zu tragen. Gestattet mir deshalb alles getan wird, um den modernen Kapitalismus einmal einige kritische Bemerkungen. Als junger Mensch war ich ein vielseitiger aktiver als Segen und jeden Gedanken an gesellschaft- Was wir durch den Zerfall der DDR und Sportler und in den letzten 15 Jahren meiner Tä- liche Veränderungen als das Werk von Irren des sozialistischen Lagers in Europa ver- tigkeit für Kultur und staatliche Jugendpolitik im darzustellen, ist Nostalgie ein schlechter Ratge- loren haben, wird uns durch die ständige Großbetrieb VEB Textilwerke Palla Glauchau ver- ber. Selbst die Gutwilligsten werden uns fragen, Verschärfung der sozialen Widersprüche in antwortlich. Zugleich gehörten auch zwei große wie es möglich war, daß ein von der Geschichte der Welt Tag für Tag regelrecht eingebleut Sportgemeinschaften, Fortschritt Glauchau und zum Untergang verurteiltes Gesellschaftssystem Über den Anteil des Imperialismus an der Zer- Fortschritt Meerane, mit 100 Wettkampfmann- einen solchen Sieg erringen konnte. Der Antwort störung des sozialistischen Lagers in Europa schaften, dabei 7 Leistungszentren sowie Sport- müssen wir uns stellen. Und dabei sollten wir uns brauchen wir nicht zu diskutieren. Dies war sein plätze mit Gaststätten zu meinem Bereich. vor Schönfärberei und Selbstgerechtigkeit sehr offenes Ziel von Anbeginn. Notwendiger und für Jeder Spitzensportler hatte ein Patenschaftsver- in acht nehmen. Wir können es uns heute leisten, die Zukunft wichtiger ist die Analyse unseres hältnis zu einem Arbeitskollektiv. Dort berichtete auch zu unseren Fehlern, gerade denen auf dem eigenen Versagens. er über seine Entwicklung, seine Erfolge, auch Gebiet der ideologischen Auseinandersetzung, Nach meiner Meinung haben wir Kommunisten Rückschläge. Einen Sportler bis zur Olympiareife eine selbstkritische Haltung einzunehmen. Ohne der DDR und die der anderen sozialistischen zu qualifizieren, kostete die Gesellschaft etwa 1 uns schämen zu müssen, können wir den uns Länder durch die kampf- und widerstandslose Million Mark. Das wußten in der DDR nicht nur folgenden Generationen sagen, welchen Irrtü- Übergabe unserer Länder an den Imperialismus die Aktiven und ihre Trainer. Diese sahen es als mern wir unterlegen waren, wo wir eine opportu- unermeßliche Schuld auf uns geladen, denn ihre Aufgabe und Verpflichtung an, die mit viel nistische Haltung einer Verteidigung marxistisch- eine Revolution ist nur soviel wert, wie sie auch Aufwand geförderten Leistungssportler ihrem leninistischer Positionen vorgezogen haben und verteidigt wird! Staat zu erhalten. Sportler, deren Auftreten an- welche Folgen das hatte. Ich bin mir sicher, man Diese Fehler gilt es zu analysieren und auszu- zeigte, daß sie sich bei bestimmten Angeboten wird es verstehen. Denn es waren menschliche werten. Damit muß schnell begonnen werden, verkaufen würden, blieben bei Auslandseinsät- Fehler, und sie hatten historische Ursachen. da sich die Reihen der aktiven Mitgestalter des zen unberücksichtigt. Dieter Junghans, Neubrandenburg Sozialismus in unserem Land immer mehr lich- Trotz der unablässigen Versuche, DDR-Spitzen- Es ist schon erstaunlich, was uns die Politiker ten. Die Zeitzeugen werden knapp. sportler zum Verlassen ihrer Heimat zu bewegen, so alles auftischen. Bei den Koalitionsverhand- Klaus Neuber, Bad Dürrenberg kehrte die übergroße Mehrheit stets in diese lungen stellten sie sich wie Pfaffen täglich auf zurück und rechtfertigte so das in sie gesetzte die Kanzel und predigten, wie schlimm es um 1936, in der 3. Grundschulklasse des Dorfes Vertrauen. Manfred Wulf, Glauchau Deutschland stehe. Harte Zeiten kämen auf Südkamen, mußte ich, zusammen mit meinen das Volk zu, und es müsse große Opfer bringen. Mitschülern, in unserem Liederbuch den Namen Ein später Sieg der neudeutschen Denkmal- Solche Sätze werden die Älteren unter uns wohl des Juden Heinrich Heine durchstreichen. Die stürmer wird den Palast der Republik aus dem noch aus jener Zeit im Ohr haben, als es um den Loreley stand darin. 1950, nach der Gesamt- Berliner Stadtbild tilgen. Er war über 13 Jahre „Endsieg“ ging. deutschen Funktionärskonferenz der FDJ in lang das modernste Kulturhaus Europas. Nun Heute werden die Eigenheimzulage und die Berlin, waren wir, eine Gruppe Rückkehrer, mit sollen im Lande von Hartz IV und maroder Bil- Pendlerpauschale gestrichen. Es gibt keine Ren- Aktentaschen voll „subversiver Literatur“ (u. a. dungs-/Ausbildungspolitik 1,2 Milliarden für ein tenerhöhung, und zuletzt redet man dem gläubi- Heine), durch die Sümpfe des Wendt-Landes Schloß ausgegeben werden, das keiner braucht. gen Volk ein, alles sei nur zu seinem Besten, da gewatet, und im Zug von Hannover ins Ruhrge- Was für ein Betätigungsfeld für Boden- und Bau- die vielen Kürzungen allein dem Ziel dienten, die biet schenkte mir eine Genossin Heines „Buch spekulanten! Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. der Lieder“. Was soll hier wirklich weggerissen werden? Na- Unsere Politiker sind wahre Zauberkünstler. Leider hat sich meine Bibliothek, was seine türlich ein weiteres Stück DDR-Identität! Wenn alles kaputt ist, zaubern sie sich einfach Werke betrifft, nicht sehr vermehrt (Franz Josef Im Herzen der Menschen wird der Palast wei- weg, ohne Verantwortung zu übernehmen. Für Degenhardt über den Kommunisten Rudi Schul- terleben als Haus des Volkes, zur Erinnerung an sie aber bleibt dieser Staat der reinste Selbstbe- te, Essen: „Denn er hat viel gelesen, was seine eine untergegangene Republik. dienungsladen. Klasse anbetrifft/aber Zeit für Kultiviertes hat Mirko Trodler, Ludwigsburg/Berlin Ob jene, die damals „Wir sind das Volk!“ riefen, er selbstverständlich nicht“). Doch wenigstens geahnt haben, wie es um diesen Ruf nur wenige ein Wort Heines möchte ich hier anmerken: „Ich Dank Platzeck und Müntefering darf fortan jeder Jahre später stehen würde? hatte die Wahl zwischen gänzlichem Waffennie- bis zum Ende seines 67 Lebensjahres arbeiten. Dieter-Hans-Heinrich Kramp, Grevesmühlen derlegen und lebenslänglichem Kampf, und ich Endlich kann die deutsche Wirtschaft die Millio- wählte diesen, und wahrlich nicht mit Leichtsinn. nen freier Arbeitsplätze besetzen! In den deutschen Schulen wird ein „Schüler- Daß ich aber einst die Waffen ergriff, dazu war ich Was heißt „Verlängerung der Lebensarbeitszeit“ Lexikon“ in hoher Auflage vertrieben, in dem gezwungen durch fremden Hohn, durch frechen im Klartext? Doch nichts anderes als: Die Zahl man den Kommunismus mit dem Faschismus Geburtsdünkel. ... In meiner Wiege lag schon der Rentner, für die man kein Geld hat, wird zu- auf eine Stufe stellt – dazu noch ein Bild von meine Marschroute für das ganze Leben.“ gunsten der Arbeitslosen, für die man auch kein Mussolini. Manfred Lowey, Kamen Geld hat, „verringert“. Nicht nur unsere jetzige Regierung manipuliert Allenthalben sind die Kassen leer. Man kann die die Menschen. Auch die Schulbuchverlage, von In seinem Leitartikel „Herz und Kopf“ (RF 97) Arbeitslosen nicht mehr achtbar entgelten. Für den Medien ganz zu schweigen, tragen dazu spricht Klaus Steiniger eine ganz wichtige Frage die Rentner fehlen Mittel, um ihnen die nach bei, den Kindern die Unwahrheit zu sagen. Den an. Es geht um die zwei „Erscheinungen“ unter geltendem Recht versprochenen Altersbezüge Jugendlichen sollte lieber der „RotFuchs“ ange- Kommunisten. Auf der einen Seite jene, die Marx, zahlen zu können. Wo sind denn die Talerchen boten werden. Aus ihm erfahren sie wenigstens Lenin usw. „gefressen“ haben, sich erhaben geblieben? die Wahrheit. Winfried Freundt, Jena und intellektuell in Zitaten ergießen, und auf die Ich habe mir von klugen Leuten sagen lassen, „Bauchkommunisten“ herabsehen. Doch diese, daß das gesellschaftliche Vermögen in Deutsch- Diesen „Kulturstreit“ (Mohammed-Karikaturen) die „aus dem Bauch heraus“, also vom Gefühl land etwa halbiert sei. Die eine Hälfte besäßen vom Zaun zu brechen, halte ich in international her, sehr lebendige und intuitive Kommunisten über 90 % der Bürger, die andere die übrigen angespannter und kriegsgeschwängerter Zeit für sind, oft das Richtige zur richtigen Zeit sagen, 10 %. Will man die bestehenden Budgetlücken unverantwortlich. Für mich steht fest: Entweder werden meistens von Dogmatikern nicht ernst schließen, dann müßte der Teil der Gesellschaft, sind es politisch blinde, unwissende Schreiber- genommen und zur Seite geschoben. (...) Ihr in welchem proportional die Mehrheit des Ver- linge, Pressechefs und Politiker, die sich hinter auswendig gelernter Marx oder Lenin nützt mögens konzentriert ist, einen entsprechend „demokratischer Pressefreiheit“ verschanzen, diesen nichts, weil sie Geist und Wesen von Re- Seite 30 ROTFUCHS / April 2006 ROTFUCHS / April 2006 Seite 31

volutionären nicht nachempfinden können. Ich ab 1945 in der KPD und seit der Vereinigung in Immer wieder einmal ist im RF zu lesen: „Die sage immer: Herz und Verstand in der richtigen der SED. Auch nach der „Wende“ blieb ich über- DDR war die größte Errungenschaft der revolu- Relation bringen uns weiter, nicht administratives zeugter Kommunist. Noch heute nehme ich am tionären deutschen Arbeiterbewegung.“ Hier und und schwerfälliges – oft ohnmächtiges – Verhal- gesellschaftlichen Leben aktiv teil und bin stark jetzt sollen für mich als süddeutschen Kommuni- ten. (...) Ich bin überzeugt, hätten wir einen Fidel daran interessiert, wie das gegenwärtige System sten die verschiedenen äußeren und inneren Ur- Castro an der DDR-Spitze gehabt, wären wir verändert werden kann. sachen des Niedergangs des ,Real‘-Sozialismus, zum Gegenangriff übergegangen, wäre jeder Kurt Mehner, Chemnitz Konterrevolution und DDR-Anschluß, außer acht Defätismus, jede Ohnmacht vermieden worden. bleiben, auch sogar die Haltung der Mehrheit der Dieter Schütt, Herausgeber DDR-Bevölkerung um 1989/90. Ich finde aber der Zeitschrift DER FUNKE, Hamburg Die Überraschung ist Euch gelungen – endlich seit langem keine befriedigende und vernünftige mal Worte, die ich schon lange nicht mehr gehört Antwort, weshalb 16 Jahre nach der „Wende“ all Wir haben in unserem Kreis (Basisgruppe) über habe. Jedenfalls so nicht. Wegen klarer öffentli- die bürgerlich-reaktionären Parteien zusammen Ihre Zeitschrift informiert und sind dort auf gro- cher Positionierung als PDS-Stadtrat wurde ich – die „Linkspartei.PDS“ nehme ich dabei (noch) ßes Verständnis gestoßen. Es wäre schön, wenn aufgrund unbewiesener Stasi-Vorwürfe 2001 aus – weit über 50 % der Wählerstimmen erhal- Sie auch dem nachfolgenden Personenkreis den und 2003 mit Mord bedroht. Ich benötige Eure ten. (...) Warum plädiert trotz oft gar trüber Er- „RotFuchs“ zusenden könnten. ... (Es folgen 13 Texte. Was ich feststelle: Politische Freunde fahrungen mit der „freiheitlich-demokratischen Namen und Adressen.) vergeben oft gemeinsame Erfolge, weil immer Grundordnung“ kaum ein Viertel der „mündigen Friedrich Scheller, Reichenbach/Vogtland wieder Mißtrauen im Spiel ist. Bis 1964 war ich Bürger“ auf DDR-Gebiet für wenigstens eine 10 Jahre im Grenzdienst/West – das war richtig. „Art Sozialismus“ (Linkspartei), wenn schon nur Die gegenwärtige Geschichte bestätigt unsere weit unter 5 % dem Marxismus-Leninismus Politik der Friedenssicherung. treu geblieben sind? (...) Die meisten von ihnen Manfred Georg Merlach, Mylau/Vogtland lernten, arbeiteten, lebten doch zumindest Jahre Mitteilung des RF-Vertriebs: im Gesellschaftssystem des Sozialismus. (...) Sollte in der wissenschaftlichen Theorie des Auf die „RotFuchs“-Annonce im ND vom Sozialismus/Kommunismus die Anthropologie 4./5. Februar 2006 waren bis Mitte März über Ja, es gab genügend Karrieristen in der Partei. (Egoismus, Ignoranz, Gleichgültigkeit, Überheb- 290 Neubestellungen eingegangen. Sie bestimmte, wohin und in welche Funktion du lichkeit, Dominanzstreben ...) zu wenig beachtet zu gehen hast. Als ich in Leipzig Leiter der Kri- worden sein, oder hatte Peter Hacks recht, wenn minalpolizei wurde, wagte ich es nicht, auch nur er sagte: „Jede kommunistische Bewegung ... einmal nach dem Gehalt zu fragen, um ja nicht ist zu einem etwa konstanten Anteil mit Kräften als Karrierist zu gelten. Im Bericht „Weiter auf einem bewährten Weg“ durchsetzt, denen die ganze Sache zu anstren- Haben wir das Bewußtsein der Massen (der gend ist ...“? (RF 96) wurde auch Günter Strobel als Diskussi- Werktätigen) und der Parteimitglieder nicht onsredner erwähnt. Wir kennen uns von gemein- einfach überschätzt? Mußten nicht mindestens Hansjörg Schupp, Appetshofen samer Zeit bei den DDR-Grenztruppen. 50 % aus der Arbeiterklasse kommen (nicht, was In Strobels Diskussionsbeitrag geht es darum, der mögliche Kandidat zum Zeitpunkt der An- den Kindern ein unverfälschtes DDR-Bild zu tragstellung war, sondern seine soziale Herkunft vermitteln. Ich habe bereits vor drei Jahren Vor einiger Zeit kam ein neues Duschgel auf gab den Ausschlag)? Gehörten seine Eltern den Markt. In blauer Verpackung und mit dem meinen vier Enkeln meine Biographie und die beispielsweise zur sozialistischen Intelligenz und Geschichte der DDR in einer Broschüre unter Staatswappen der DDR ging es als „Erichs nicht zur Arbeiterklasse, dann mußte er warten, Luxus-Duschbad“ weg wie warme Semmeln, den Weihnachtsbaum gelegt. bis die Sperre aufgehoben wurde. Der Schlosser Als beim Überfall auf Jugoslawien Oberst Gertz bis ein harsches Veto dem Kaufrausch einen Müller hatte es leichter: Er zählte zur Arbeiter- Riegel vorschob. Mir erschien das Produkt für in einer Veranstaltung des Bundeswehrverban- klasse und schwupps war er beim „Vortrupp“! des die „friedenserhaltende Mission“ der BRD- einen Moment als originelle Idee, bis ich mich Das war dann die Massenpartei mit mehr als 2 erinnerte, in der DDR das Lesen gelernt zu Armee den Anwesenden klarmachen wollte, Millionen Mitgliedern. Klaus Pinkau, Leipzig habe ich ihm meinen Mitgliedsausweis auf den haben. Ich versenkte mich in das Studium des Tisch gelegt. Heinz Scholz, Dresden Textes auf der Schachtel. Eigentlich meine ich, mich inzwischen an einiges gewöhnt zu haben. Recht herzlichen Dank für die erbetenen Manchmal traut man seinen Augen nicht und Daß nun aber selbst ein Produkt, das explizit „Schnupperexemplare“. Ich habe beide gründlich denkt, die politische Welt stehe auf dem Kopf. der Reinlichkeit dient, dazu mißbraucht wird, mit gelesen und nirgends Anlaß zum Widerspruch Zu den Bestrebungen des Berliner SPD/PDS- Unrat zu schmeißen, ging dann doch etwas über entdeckt, also herzlichen Glückwunsch zu Senats, öffentlichen Wohnraum an private Spe- mein Fassungsvermögen. Zu meiner Verwunde- diesem Kompaß in gewiß turbulenter Zeit. Am kulanten zu verhökern, äußerte der PDS-Frak- rung habe ich mich belehren lassen müssen, daß wichtigsten ist es, den Blick nach vorn zu rich- tionschef im Abgeordnetenhaus, Stefan Liebig: dieser Unrat lediglich Satire sei. ten. Andere blicken zurück. So wurde z. B. vor „Die Mieten orientieren sich am Markt. Da werden wir nichts machen.“ („Berliner Zeitung“, 1. 3.) Ich frage mich, um wenigstens zu einem Aspekt einiger Zeit von einem Bischof am Vatikan (mit konkret zu werden, wer nach Denkungsart des Einverständnis des Papstes) ein internationales Gibt es aber nicht gerade auch Mieterhöhungen Herstellers jenes Schaumstoffes die Schweine Seminar zu „Teufelsaustreibungen“ gegründet. in Wohnanlagen mit großem Leerstand? sein sollen, an die sich das Unbedenklichkeits- Geht es noch grotesker mit Volldampf zurück ins Gerhard Rosenberg, Berlin geistige Mittelalter? zertifikat eines in der DDR nie existent gewese- nen „Ministeriums für Schweinezucht, Gardinen- Karlheinz Gleß, Eggersdorf stangenimitate und Feuerzeugbenzin“ richtete. Bisher las ich das ND stets im Bewußtsein, daß Ich bin leider der einzige Rote im Ortsteil Pohlen dort die Wahrheit rein und unverfälscht gedruckt Wieso benötigen die gemeinten Schweine für und der ganzen Gemeinde Linda bei Weida, würde. Aber das Interview von Karlen Vesper mit den Gebrauch dieses Produkts eine Bedie- was auch auf den Bezug des ND zutrifft. Keine Ralph Giordano (Was die Opfer nicht tröstet) nungsanleitung, die sinnigerweise bei den Be- einzige Zeitung kommt ins Altpapier, denn ich enthält so viel Lügen und Unflat, daß ich empört triebsgewerkschaftsleitungen (BGL) zur Ausleihe habe drei Mitleser. Gelegentlich diskutieren wir bin. (Da wird auch noch im ND für einen Fernseh- bereit liegt? Welche geistige Verfassung wird über den Kapitalismus, den sie heute erleben. auftritt Giordanos geworben.) Dieser behauptet Menschen unterstellt, in deren Fall erst eine Es gibt auch mehrere jüngere Ansprechpartner, z. B.: „Aber auch die DDR hat die Vergangenheit Tagung des Politbüros darüber entscheiden muß, die zu mir kommen. Inzwischen ist im Dorf allen keineswegs aufgearbeitet. Die SED hatte nicht ob sie für den Gebrauch des Gels auch ausrei- bekannt, daß ich einige Jahre Geschichtslehrer die moralisch-ethische Kraft, das zu tun oder chend ideologisch stabilisiert sind? In der DDR an einer EOS war. Das Zweitstudium schloß ich auch nur zu wollen.“ Auch die Gleichsetzung hieß es, daß Kunst – wozu ich unbedingt die als Diplomgesellschaftswissenschaftler ab. Von von „Nationalsozialismus“ (statt Faschismus) Satire zähle – solides Wissen voraussetzt. Wo 1958 bis 1972 war ich Lehrer an der Pädagogi- und Kommunismus zeugt von Giordanos ab- strahlt hier aber solches, um von Satire reden zu schen Fachschule für Kindergärtnerinnen, später grundtiefem Haß auf die DDR und alle soziali- können? Es liegt im Wesen des Idioten, jedem setzte ich diese Tätigkeit in Weida/Thüringen stischen Staaten, die es vor der Konterrevolution seine eigene Schwachsinnigkeit zu unterstellen, fort. gab. Herr R. G. ordnet schlimme Ereignisse „der sie aber nie als die eigene zu begreifen. Die „RotFuchs“-Anzeige im ND habe ich mir Partei“ und den „Systemen“ zu. In Wirklichkeit 20mal kopieren lassen und mit Familienangehö- waren bestimmte Auswüchse keinesfalls dem Das Veto, durch das der Vertrieb des Schaum- rigen und linksdenkenden Bekannten diskutiert. Sozialismus wesenseigen. Nachträglich einem stoffs schließlich unterbunden wurde, hat mit Walter Schmidt, Pohlen mühsam und unter schwersten Bedingungen so- Sicherheit nicht seine Quelle in einer besonders wie bei ständigen Behinderungen aufgebauten freundlichen Beziehung zur DDR. Das Gegenteil Ich bin 91 Jahre alt. Über meine Tageszeitung Staat lauter negative Seiten anzudichten, ist für dürfte eher der Fall sein. Ich danke dem Dep- ND wurde ich von der Existenz des „RotFuchs“ ehemalige DDR-Bürger der Erbauergeneration pen von Klassenfeind für seine Beschränkt- informiert. Ich wurde 1930 Jungkommunist, war unerträglich. Wolfram Tornow, Lanke heit. Rolf Bullerjahn, Berlin Seite 32 ROTFUCHS / April 2006

Am 7. April um 16.30 Uhr findet in der Begegnungsstätte der Volkssolidarität, Torstr. 203–205, eine öffentliche Veranstaltung der Regionalgruppe Berlin statt. Es spricht Bernd Fischer, Oberst a. D. der Hauptverwaltung Aufklärung des MfS, über das Thema Brennpunkt Nahost

Zum 29. April um 10.00 Uhr lädt die Regionalgruppe Dresden in die ehemalige Robotron-Gaststätte, Zinzendorfstraße, herzlich ein. Genosse Egon Krenz spricht zum Thema

Der Minister für Umweltschutz und Wasserwirtschaft der DDR, Dr. Hans Reichelt, Stellvertreter des Minister- ratsvorsitzenden, spricht auf einer Veranstaltung der Regionalgruppe Neubrandenburg am 22. April um 10.00 Uhr im HKB, 7. Etage. Thema:

Abhängigkeit Grafik: Klaus Parche IMPRESSUM Der im Februar 1998 gegründete „RotFuchs“ Autorenkreis: Dr. Erhard Kegel Künstlerische Mitarbeit: ist eine von Parteien unabhängige kommu- Dr. Matin Baraki Dr. Hans-Dieter Krüger Karlheinz Effenberger Rolf Berthold Prof. Dr. Hans Lutter Klaus Parche nistisch-sozialistische Zeitschrift für Politik Wolfgang Mäder Dr. Manfred Böttcher SHAHAR und Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft. Dr. Vera Butler (Melbourne) Bruno Mahlow Wolfgang Clausner Dr. Bernhard Majorow Herausgeber: Wolfgang Metzger Internet-Präsentation Prof. Dr. Götz Dieckmann des „RotFuchs“: „RotFuchs“-Förderverein e. V. Ralph Dobrawa Prof. Dr. Harry Milke Frank Mühlefeldt Sylvia Feldbinder Chefredakteur: Dr. Klaus Steiniger (V.i.S.d.P.) Dieter Fechner Dr. Peter Fisch Sokrates Papadopoulos (Thessaloniki) Teterower Ring 37, 12619 Berlin, Bernd Fischer Dr. Norbert Pauligk Versand und Vertrieb: 030/561 34 04, Fax 030/56 49 39 65 Peter Franz Richard Georg Richter Armin Neumann E-Mail: [email protected] Günter Freyer Prof. Dr. Werner Roß Salvador-Allende-Straße 35 (Redaktionsadresse) Dr. Ernst Heinz Gerhard Schmidt 12559 Berlin 030/654 56 34 Hans-Dieter Hesse Prof. Dr. Horst Schneider Layout: Egon Schansker Manfred Hocke Fritz Teppich [email protected] Marianne Ahrens, Herstellung: Druckerei Bunter Hund Hans Horn Dr.-Ing. Peter Tichauer Dr. Klaus Huhn Prof. Dr. Ingo Wagner Sonja Brendel, Bruni Büdler, Internet: www.rotfuchs.net Dieter Itzerott Prof. Dr. Günter Wilms Christa und Bernd Koletzki „RotFuchs“-Förderverein, Konto-Nr. 2 143 031 400 Redaktionsschluß ist jeweils der 15. des Monats. Berliner Sparkasse (BLZ 100 500 00) Die Mitarbeit weiterer Autoren ist erwünscht. Die in namentlich gezeichneten Beiträgen zum Ausdruck gebrachten Auffassungen müssen nicht immer mit denen der Redaktion übereinstimmen.