Oranienburger Schriften Beiträge Aus Der Fachhochschule Der Polizei Des Landes Brandenburg
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ORANIENBURGER SCHRIFTEN Beiträge aus der Fachhochschule der Polizei des Landes Brandenburg AUSGABE 3 / Juli 2009 THEMENHEFT Die Polizei im Staatssozialismus Inhalt 5 Geleitwort „Aus der Geschichte lernen“ Rainer Grieger Präsident der Fachhochschule der Polizei des Landes Brandenburg, Oranienburg 7 Die Polizei im Staatssozialismus Dr. habil. Burghard Ciesla 51 Forschungsbericht Dr. habil. Burghard Ciesla 3 4 „Aus der Geschichte lernen“ Geleitwort Rainer Grieger Präsident der Fachhochschule der Polizei des Landes Brandenburg, Oranienburg In seinen Ausführungen über die reflektie- Nähe zur Gedenkstätte des Konzentrati- rende Geschichte hat der Philosoph Georg onslagers Sachsenhausen haben wir uns Wilhelm Friedrich Hegel die pragmatische zunächst mit der Geschichte der Polizei im Seite der Befassung mit Geschichte formu- NS-Staat befasst. Die Polizei hat aber auch liert: „Wenn wir mit der Vergangenheit zu nach 1945 weitere Zäsuren erlebt, die z. T. tun haben und wir uns mit einer entfernten bis in die Gegenwart nachwirken. Aus die- Welt beschäftigen, so tut sich eine Gegen- sem Grund haben wir uns entschlossen, wart für den Geist auf, die dieser aus seiner auch die Geschichte der Polizei in Bran- eigenen Tätigkeit zum Lohn für seine Be- denburg nach 1945 zu thematisieren. mühung hat.“ (Vorlesungen über die Philo- sophie der Geschichte, Bd. 12, 10-103) Im Auftrag der Fachhochschule der Polizei des Landes Brandenburg hat der Historiker Es geht also nicht darum, bloße Erinne- und Publizist Burghard Ciesla eine Studie rungen an „gute“ alte oder „schlechte“ alte zur Volkspolizei im Land Brandenburg Zeiten zu kultivieren, sondern mit den Er- (1945–1961) vorgelegt, die nun in den Ora- kenntnissen aus der Geschichte unsere nienburger Schriften veröffentlicht wird. Er Gegenwart zu verstehen und zu gestalten. beleuchtet darin einige mögliche For- Mit diesem Ziel haben wir innerhalb der schungsfelder und -richtungen, liefert damit Fachhochschule der Polizei der Befassung ausreichend Diskussionsstoff und gibt An- mit der Geschichte unserer eigenen Orga- regungen für eine tiefer gehende Befas- nisation einen besonderen Stellenwert bei- sung im Sinne einer pragmatischen Refle- gemessen. Auch im Hinblick auf die örtliche xion der Geschichte. 5 6 Die Polizei im Staatssozialismus Dr. habil. Burghard Ciesla Zur Geschichte der Volkspolizei im Land Brandenburg1 (1945-1961) Zusammenfassung Zur Weiterführung der Forschungen über 1. Einführung die brandenburgische Polizeigeschichte im 2. Neue Polizei – Volkspolizei 20. Jahrhundert wurde von der Fach 3. Grundlinien der Struktur und hochschule der Polizei des Landes Bran- Organisationsentwicklung denburg die hier in gekürzter Form vorlie- 4. Politische Polizei und Staatssicherheit gende Studie über die Geschichte der 5. Zum Elitenwechsel nach 1945 Volkspolizei im Land Brandenburg (1945 6. Konfliktverhalten: Der 17. Juni 1953 1961) in Auftrag gegeben. Ziel war es zu 7. Praxisfelder – Polizei und Straße erkunden, ob und inwieweit eine sozialhis- 8. Forschungsansatz „Herrschaft und torisch ausgerichtete Regional geschichte Eigen-Sinn“ der Volkspolizei im Staat sozialismus im 9. Resümee Rahmen einer Monographie tragfähig ist. 10. Literaturverzeichnis Der Studie ging ein Forschungsbericht und 11. Abkürzungen Forschungsantrag voraus. Begleitend dazu 12. Chronik – Geschichte der Volkspolizei wurde eine Bibliographie und Chronik erar- (1945-1961) beitet. In einem weiteren Schritt ist die Nut- zung des Materials für die zeithistorische Ausbildung von Polizistinnen und Polizisten vorgesehen. 1 Im Titel und bei der inhaltlichen Dar- stellung werden die Bezeichnungen „Land Brandenburg“ und „branden- burgische Bezirke“ bevorzugt verwen- det. Auf diese Weise wird aufgrund der verschiedenen Verwaltungsbe- zeichnungen zwischen 1945 und 1990 eine leichtere Darstellung ermöglich. Folgende Bezeichnungen hat es für die Region nach 1945 gegeben: Provinz Brandenburg bis 1947; Land Branden- burg 1947-1952; Bezirke Potsdam, Frankfurt/Oder und Cottbus 1952- 1990 und seit 1990 wieder Land Bran- denburg. 7 1. Einführung2 Bankkapitals führt. Unsere Volkspolizei ist eine Waffe der Werktätigen. Alle Ihre Ange- Jede Polizei dient einer politischen Ord- hörigen entstammen dem Volk, sind selber nung. Ausgehend von diesem Grundsatz Arbeiter oder werktätige Bauern, Söhne und mit Blick auf die deutsche Polizei und Töchter des werktätigen Volkes.“4 geschichte der letzten hundertfünfzig Jah- re, hat bislang jede deutsche Polizeiorgani- Die Volkspolizei – eine „Waffe der Werktäti- sation versucht, sich als „Dienerin des gen“? In der Tat, die VP wurde zu einer „po- Volkes“ darzustellen und zu legitimieren. litischen Truppe“ erklärt, „die immer gegen Zugleich wird erkennbar, dass die verschie- den inneren Feind kampfbereit sein muss- denen Polizeiorganisationen „bemüht wa- te.“ Die SEDPropaganda verbreitete auf ren, sich von der vorherigen politischen längere Zeit dieses Bild unverhüllt und in Ordnung zu distanzieren: die Schutzpolizei einer Art „Bürgerkriegs sprache“. Später Severings von der säbelschwingenden Po- wurden „feinere Chiffren“ genutzt und es lizei des Kaiserreiches, die nationalsozialis- gab zugleich immer den Verweis auf den tische Polizei von der Polizei der Weimarer traditionellen Anspruch der Polizei, d. h. die ‚Systemzeit’, die westdeutsche Nachkriegs Volkspolizei wurde zur „Dienerin“, „Verteidi- polizei – wie die Volkspolizei – von den Po- gerin“ bzw. „Vertreterin“ des deutschen Vol- lizeitruppen des Naziterrors.“3 kes erklärt. Hierbei zeigte sich in der Besat- zungszeit und der Frühphase der DDR ein Außerdem grenzten sich nach dem Zwei- zweischneidiges, wenn nicht gar schizo- ten Weltkrieg die beiden deutschen Polizei- phrenes Verhältnis der „Volkspolizei“ zum apparate nicht nur separat zum NS-Regime, „Volk“: einerseits nahm die VP ihre Aufgabe sondern auch gegeneinander ab, d. h. die ernst und hob hervor, ausschließlich im Deutsche Volkspolizei (DVP) in der Sowje- Volksinteresse zu arbeiten; andererseits tischen Besatzungszone (SBZ) von der Po- schwang immer das Misstrauen mit, dass lizei in den Westzonen Deutschlands und genau dieses Volk die NSDiktatur kurze umgekehrt. Zum 4. Jahrestag der Bildung Zeit vorher noch umfassend unterstützt der Volkspolizei (VP) in der SBZ, am 1. Juni hatte. Damit bestand unterschwellig der 1949, wurde im „Neuen Deutschland“, der Verdacht, dass die Bevölkerung auch SED Parteizeitung, erklärt: „In den Westzo- höchst anfällig für die Gegenseite – den nen Deutschlands ist die Polizei ein Herr- Klassenfeind im Westen – sein würde. Um- schaftsinstrument der kapitalistischen Klas- gedreht entwickelte sich das Verhältnis na- se zur Unterdrückung des werktätigen türlich ebenso schwierig, d. h. auch die Be- Volkes, d. h. sie hat die Herrschaft der Kon- völkerung ging zur „Volkspolizei“ auf Distanz zerne, der Banken und des Großgrundbe- und begegnete der „Ordnungsmacht“ mit sitzes zu schützen. Unsere Volkspolizei Misstrauen. Für die „neue Polizei“ der SBZ dagegen ist eine antifaschistische Truppe, ergab sich das generelle Problem, dass sie die bewußt und aktiv den Kampf gegen von Anfang an darauf programmiert wurde, Kriegsverbrecher und Kriegshetzer, gegen zuerst die sowjetischen und dann die die Agenten des westlichen Konzern und Herrschafts positionen der SED durchzu- setzen. Diese Ausrichtung überlagert die 2 Der Verfasser bedankt sich bei Dr. Det- Geschichte der Volkspolizei von Anfang an lef von Schwerin vom Zentrum für und prägte sie bis zu ihrem Ende nachhal- Zeitgeschichte der Polizei der Fach- hochschule der Polizei des Landes tig.5 Brandenburg und bei Frau Doris Kock von der Bibliothek der Deutschen In der Forschung wurde zugespitzt die Fra- Hochschule der Polizei in Münster für die erwiesene Unterstützung bei der ge gestellt, ob es aufgrund der politisch- Erarbeitung der Studie. ideologischen Überlagerung überhaupt 3 Bessel (1993), Volkspolizei, S. 89. Die Literaturangaben werden im Folgen- ND v. 1.6.1949, S. 2. den einheitlich nur als Kurztitel ausge- 4 wiesen. Vgl. die vollständigen Angaben 5 Vgl. Bessel (1993), Volkspolizei, S. 89- im Literaturverzeichnis. 91. 8 möglich war, aus der durch den Elitenbruch daß sie mit ‚revolutionärem’ Inhalt gefüllt nach 1945 zuerst unausgebildeten Polizei wurden.“7 eine kompetente professionelle Polizei organisation entstehen zu lassen? Bei Hiervon ausgehend, sollte sich eine künfti- aller ideologischen Überformung muss be- ge Geschichte der Volkspolizei im Land rücksichtigt werden, dass die Volkspolizei Brandenburg mehreren Spannungsfeldern – wie jede andere Polizeiorganisation auch nähern, d. h. dem Spannungsfeld von Kon- – eine staatliche Institution mit einer Dop- tinuitäten und Brüchen, dem von Anpas- pelfunktion war: einerseits sorgte die VP für sung und „eigensinnigem“ Verhalten sowie die Aufrechterhaltung von Ordnung und Si- dem von gesellschaftlicher Wahrnehmung cherheit; andererseits war die Volkspolizei und politischer Beein flussung. Vor diesem ein „Untersuchungsorgan“ auf der Basis ei- Hintergrund können dann die neuen poli- ner Strafprozessordnung unter der Hoheit zeilichen Führungs gruppen, die politische der Staatsanwaltschaft. Diese beiden Funk- Instrumentalisierung, die Organisationsge- tionen beeinflusste und überformte die schichte und das polizeiliche Verhalten auf SED, die staatstragende Partei der DDR, in verschiedenen Ebenen thematisiert wer- hohem Maße. Doch dieser massive Ein- den. Dabei sind folgende zwei Leitfragen fluss sollte nicht zu dem Schluss führen, zu stellen: (1) Nach welchen machtpoliti- dass die Aufgaben