262 Günther

Günther, Heinrich August, Dr. phil., Ober­ W: schulrat, * 18. 4. 1796 Ilfeld, f 4. 5. 1866 Animadversiones in aliqua Virgilii Aeneides Oldenburg. loca, Göttingen 1817. Der Sohn des Kaufmanns Johann Heinrich L: Karl Meinardus, Geschichte des Großherzogli­ Günther und der Katharina Friederike chen Gymnasiums in Oldenburg, Oldenburg geb. Böhme besuchte das Gymnasium und 1878; Harald Schieckel, Die Mitglieder der studierte ab Oktober 1813 Philologie und „Oldenburgischen Literarischen Gesellschaft Theologie an der Universität Göttingen, an von 1779", in: OJb, 78/79, 1978/79, S. 1-10; der er im September 1817 promovierte. Am Beatrix Veit, Zur Geschichte der Landesbiblio­ 19. 1. 1821 wurde er als 1. Collaborator am thek Oldenburg von 1847 bis 1907, Oldenburg 1988. Hans Friedl

Haake, August, Schauspieler, Regisseur, Theaterdirektor, * 5. 5. 1793 Königsberg in der Neumark, ¥ 18. 4. 1864 Darmstadt. H., Sohn eines Schneiders, wuchs bei einem Oheim auf. Er genoß eine sorgfäl­ tige Bildung auf dem Lyceum. Früh faszi­ nierte ihn das Theater. August Wilhelm Iff- land bezeichnete ihn als Bühnenbega­ bung, empfahl aber, mit einer Theaterlauf­ bahn noch zu warten. So ging H. zunächst daheim in Königsberg als Kopist in den Staatsdienst. Als er dann von Iffland eine Empfehlung nach Stettin bekam, begann H. dort 1811 seine Karriere als Schauspie­ ler. Als Mitglied von Wanderbühnen schlug er sich in der Folge durch, biswei­ len große Not leidend. Am Karlsruher Hof­ theater faßte er Fuß und sah sich in der Gymnasium in Oldenburg angestellt, an Lage, die Schauspielerin Auguste Neu- dem er sich durch seinen lebendigen Geo­ städt (1788-1880) zu heiraten. Nach weite­ graphie- und Geschichtsunterricht rasch ren Zwischenstationen gestaltete sich als pädagogisch begabter Lehrer profi­ seine Karriere endlich freundlicher: 1818 lierte. Im Januar 1832 wurde er zum Pro­ arbeitete er unter August Klingemann in fessor ernannt und verließ zwei Jahre spä­ Braunschweig, wo er bis 1823 vorwiegend ter die Schule, da er zum Erzieher des Erb- Liebhaber- und Heldenrollen übernahm, großherzogs Nikolaus Friedrich Peter auch Regie führte. Nach weiteren Engage­ (1827-1900) bestimmt worden war, dessen ments hatte er seit 1829 die Direktion der Ausbildung er in den folgenden Jahren Bühnen in Mainz und Wiesbaden inne, überwachte. Zur Belohnung für seine 1835 die des Breslauer Theaters. Über langjährigen Dienste war er nach 1849 zu­ Braunschweig und Hamburg gelangte H. nächst für die Stelle des Oberbibliothekars nach Oldenburg, wo er 1841 von -*■ Ludwig vorgesehen, wurde aber dann 1854 zum Starklof (1789-1850) als Regisseur und Mitglied des Evangelischen Oberschulkol- Schauspieler engagiert wurde. Ein Kritiker legiums ernannt und mit dem Titel eines charakterisierte ihn 1841 als einen „den­ Geheimen Hofrats ausgezeichnet. Am kenden Künstler". Bereits nach vier Jah ­ 31. 3. 1865 trat er als Oberschulrat in den ren gab H. seine Stellung in Oldenburg Ruhestand. G. war seit 1839 Mitglied des aus gesundheitlichen Gründen auf. Später Literarisch-geselligen Vereins und wurde arbeitete er noch als Regisseur und Schau­ 1850 auch in die exklusive Literarische Ge­ spieler in Frankfurt a.M. und wirkte - nach sellschaft aufgenommen. einer Stellung als Theaterleiter in Heidel­ G. war verheiratet mit Elise geb. Bonath. berg (1854) - in Meiningen und Nürnberg. Hadeler 263

W: neuerte „Gemeindeordnung für die Syn­ Theater-Memoiren, Mainz 1866. agogengemeinden und Landesgemeinde'' L: vom 2. 4. 1924. Die Organisation blieb un­ ADB, Bd. 10, 1879, S. 257-259; Ludwig Eisen­ verändert, aber die Synagogengemeinde- berg, Großes biographisches Lexikon der deut­ räte und der Landesgemeinderat wurden schen Bühnen im 19. Jahrhundert, Leipzig 1903; Wilhelm Kosch, Deutsches Theater-Lexi­ erweitert. Ein Landesausschuß wurde neu kon, 2 Bde., Klagenfurt, Wien 1953-1960; geschaffen und das Disziplinarverfahren Harry Niemann (Hg.), Ludwig Starklof 1789- wurde geregelt. Die Landesgemeinde und 1850, Oldenburg 1986. die Synagogengemeinden wurden nun­ Christoph Prignitz mehr zu Körperschaften des öffentlichen Rechts. Allerdings gelang es H. nicht, vom Ministerium Hilfe für die bedrängte finan­ zielle Lage der Gemeinden zu erlangen. Haas, Philipp de, Dr. phil., Landesrabbi­ Die Situation verschlimmerte sich, als die ner, * 6. 3. 1884 Pyrmont, f 16. 4. 1935 nationalsozialistische Regierung 1932 die Oldenburg. Zahlung der seit 1876 gewährten staat­ Der Sohn des Markus de Haas besuchte lichen Zuschüsse für die Kosten des jüdi­ das Gymnasium in Halberstedt und von schen Kultus einstellte. H. setzte daraufhin 1902 bis 1909 das jüdische theologische sein Gehalt herunter und erreichte in ge­ Seminar in Breslau, wo er 1910 die Rabbi- schickten Verhandlungen, daß die olden- natsprüfung ablegte. Daneben studierte er burgische Landesgemeinde sich dem preu­ in Breslau von 1902 bis 1905 und in Straß­ ßischen Landesverband jüdischer Gemein­ burg von 1905 bis 1906. Dort promovierte den anschließen konnte, der die Landes­ er zum Dr. phil. Zunächst amtierte er bis gemeinde nunmehr fast völlig finanziell 1910 als zweiter Rabbiner in Posen, dann unterhielt. Die zunehmende Verfolgung als Rabbiner in Kattowitz. Nach der Abtre­ der Juden nach der Machtergreifung tung dieser Stadt an Polen wollte er dort durch die Nationalsozialisten im Reich mußte H. noch miterleben, so den Boykott vom 1. 4. 1933, aber vor einem schlimme­ ren Schicksal bewahrte ihn sein Tod im Jahre 1935. Aus seiner Ehe mit der aus Dortmund stammenden Anny geb. Markhof (* 1889), die 1939 auswandern konnte, hatte er drei Kinder. Ein Sohn und eine Tochter emi­ grierten ebenfalls 1939 nach Rhodesien. Die Tochter Mirjam heiratete 1936 den Nachfolger ihres Vaters, Dr. Leo Trepp (* 1913), mit dem sie jetzt in den USA lebt. L: Leo Trepp, Die Oldenburger Judenschaft, Oldenburg 1973; Enno Meyer, Die im Jahre 1933 in der Stadt Oldenburg i. O. ansässigen jüdischen Familien, in: OJb, 70, 1971, S. 56; Enno Meyer, Das Oldenburger Landesrabbi- nat, in: Die Geschichte der Oldenburger Ju­ den und ihre Vernichtung, Oldenburg 1988, S. 45-55. nicht bleiben, bewarb sich 1920 um die Harald Schieckel Stelle des Landesrabbiners in Oldenburg und wurde 1920 gewählt. Unter ihm er­ folgte die Neuordnung der Rechtsverhält­ nisse zum Staat und die Neugestaltung Hadeler, Werner, Dr. phil., Syndikus, der Verfassung der jüdischen Gemeinden * 3. 3. 1893 Oldenburg, i 17. 3. 1977 durch das „Gesetz betr. die Berechtigung Oldenburg. der jüdischen Religionsgesellschaft im Der Sohn des Bremsers Eilert Hadeler und Landesteil Oldenburg zur Erhebung von dessen Frau Johanne geb. Blohm bestand Steuern" vom 28. 3. 1927 und durch die er­ 1913 das Abitur. Bis zu seiner Meldung als 264 Hadenfeldt

Kriegsfreiwilliger studierte H. in Heidel­ Verwaltungsausschusses und des Spruch­ berg und München Volkswirtschaft und ausschusses des Arbeitsamts Oldenburg Jura. Im Herbst 1915 schwer verwundet, und des Berufungsausschusses des Lan­ schied er aus dem Heeresdienst aus und desarbeitsamts Niedersachsen sowie des setzte sein Studium in und Heidel­ Landes-Eisenbahnrats in Hannover. Au­ berg fort. Im Anschluß an die Promotion ßerdem war er an der gemeinsamen Arbeit (Februar 1917) trat H. am 1. 3. 1917 als wis­ der Kammern im Deutschen Industrie- und senschaftlicher Hilfsarbeiter in die Olden- Handelstag in Bonn und in der seit 1925 burgische Industrie- und Handelskammer existierenden Vereinigung der Nieder­ ein, wurde 1921 als stellvertretender sächsischen Industrie- und Handelskam­ 1. Syndikus angestellt und am 24. 1. 1933 mern aktiv beteiligt. Am Tage seiner Ver­ abschiedung (11. 1. 1961) erhielt er das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. W: Die wirtschaftliche Entwicklung und Bedeu­ tung von Industrie und Handel im Oldenbur­ ger Lande, Siegen 1924. Peter Haupt

Hadenfeldt, Claus Johann H erm ann, Dr. iur., Rechtsanwalt, * 9. 7. 1872 Brunsbüt­ tel, ¥ 22. 1. 1961 Heide/Holstein. Der Sohn des Rektors Johann Hermann Hadenfeldt und dessen Ehefrau Elise geb. Wiborg arbeitete nach der Gymnasialzeit und dem Jurastudium in Berlin, München und Kiel seit dem 14. 3. 1902 als kommis­ sarischer Amtsrichter in Wandsbek, bis ihn die Stadt Heide mit großer Mehrheit zu ihrem Bürgermeister wählte (2. 12. 1903 - 26. 10. 1909). Aus beamtenrechtlichen Gründen bewarb H. sich dann erfolgreich zum 1. Syndikus ernannt. Nachdem er sich für die gleiche Position in Delmenhorst schon in den ersten Jahren seiner Tätigkeit (1. 11. 1909 - 31. 1. 1919). Seine kommunal­ den Aufgaben des Deutschen Nautischen politische Tätigkeit in der zweitgrößten Vereins, dessen Geschäftsführung mit der Stadt des Großherzogtums Oldenburg - H. Kammer verbunden war, besonders gewid­ betrieb u. a. eine erfolgreiche Finanzpoli­ met hatte, setzte H. sich dann mit Erfolg tik und brachte den Bau mehrerer Volks­ im Küstenkanal-Verein für den Bau dieser schulen, Turnhallen sowie die Errichtung wichtigen Wasserstraße ein. Mit der glei­ eines neuen Rathauses zum Abschluß - chen Beharrlichkeit arbeitete er in der verstand er stets im Sinne eines unpoliti­ Landesauftragssteile und in der ihr nach­ schen, über den Parteien stehenden Fach­ folgenden, bis 1933 bestehenden Bezirks- mannes. Obwohl er dadurch in einen zu­ ausgleichsstelle dafür, daß den Oldenbur­ nehmenden Gegensatz zu den im Stadtrat ger Betrieben in erheblichem Umfang dominierenden Sozialdemokraten geriet, öffentliche Aufträge zugeteilt wurden. ging er unbeirrt seinen Weg weiter. Infolge Durchsetzungsvermögen bewies H. auch kommunistischer Unruhen, die am 8./9. in den Verhandlungen mit der britischen Januar 1919 von auf Delmenhorst Militärregierung kurz nach dem Kriegs­ Übergriffen, und in deren Verlauf H. von ende: Dadurch konnte die Oldenburgische Putschisten widerrechtlich „verhaftet" Industrie- und Handelskammer ihre Neu­ wurde, bat er nach diesen ihn innerlich bildung nach demokratischen Grundsät­ stark bewegenden Vorgängen resignie­ zen als eine der ersten in den Westzonen rend um seine Entlassung. Danach wirkte vornehmen. H. war daneben Mitglied des H. als Rechtsanwalt in Delmenhorst und Hagart 265

Oldenburg, anschließend erneut als Bür­ germeister in Heide (26. 10. 1928 - 30. 9. 1937). Der Pensionierung folgte aber kei­ neswegs der Ruhestand - insoweit ein er­ staunlicher Umstand, als H., wenig kon­ taktfreudig, das sogenannte gesellschaftli­ che Leben nach Kräften mied und sich we­ gen des frühzeitigen Todes seiner beiden Kinder noch mehr in die Einsamkeit ge­ flüchtet hatte. Wie selbstverständlich stellte er sich im Mai 1945 als Leiter der Heider Stadtwerke zur Verfügung, war außerdem engster Mitarbeiter des Bürger­ meisters und wurde schließlich mit Wir­ kung vom 1. 2. 1946 zum Stadtdirektor Heides gewählt. Erst am 30. 10. 1949 trat H., dieses Mal endgültig, von der politi­ schen Verantwortung zurück. L: Edgar Grundig, Geschichte der Stadt Delmen­ horst, 4 Bde., Delmenhorst 1953-1960, Typo­ skript, LBO. Peter Haupt 266 Hagendorff

Hagendorff, Johann Christoph W ilhelm , Großbleicherei in Rastede, die einen ra­ Schauspieler und Unternehmer, * ca. 1756 schen Aufschwung nahm. Als um 1820 Zerbst, f 10. 8. 1825 Lehe, Gemeinde Wie­ durch die Konkurrenz der Baumwolle der felstede. Niedergang des Leinengewerbes ein­ Über Herkunft und Jugend H.s ist nichts setzte, mußte H., der sich nebenbei auch bekannt. Er war Schauspieler und heira­ als Leinenhändler betätigte, seinen Be­ tete vermutlich 1777 die gleichaltrige trieb verkleinern. 1821 übergab er ihn sei­ Schauspielerin und Tänzerin Agnese Es- nem Sohn Christian Diedrich (f 1856) und thor (1756-1829), die er nach einer münd­ verbrachte seine letzten Lebensjahre auf lich überlieferten Familientradition wäh­ seinem Bauernhof in Lehe, wo er eine rend eines Gastspiels in Ungarn kennen­ Schnapsbrennerei anlegte und bislang un­ gelernt hatte. 1788 kamen beide als Mit­ genutzte Ödflächen kultivierte. glieder der Hentschelschen Theater­ W: gruppe nach Oldenburg, wo sie von den Über den Oldenburgischen Garn- und Leinen­ Zeitgenossen als gute Schauspieler gelobt handel, in: Oldenburgische Blätter, 5, 1821, wurden. Durch den freundlichen Empfang S .144-152. ermuntert, entschlossen sie sich, das unsi­ L: chere Wanderleben aufzugeben und in Friedrich Reinhard Ricklefs, Leiden des Lein­ Oldenburg zu bleiben. H. versuchte sich wandhändlers und Bleichers Hagendorff von Französischen Douaniers, in: Germania, 1, 1814, S. 114-125; Gerhard Anton von Halem, Selbstbiographie, 2 Bde., Oldenburg 1840, Re­ print Bern 1970; Dietrich Kohl, Studien zur Ge­ schichte des geistigen Lebens in der Stadt Oldenburg, Oldenburg 1924; Hans Wichmann, Die Hagendorffsche Leinenbleicherei (1790- 1890), in: ders., 900 Jahre Rastede, Rastede 1959, S. 155-158; Edith Schmitz, Leinenge­ werbe und Leinenhandel in Nordwestdeutsch­ land (1650-1850), Köln 1967; Karl Marten Bar- fuss, Zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Friesischen Wehde, in: OJb, 81, 1981, S. 27-57. Hans Friedl

Hahn, Ludwig Staats (Stats, Statius) Graf von, Oberlanddrost, * 1657 Seeburg / Graf­ zunächst einige Jahre als Tanzmeister, schaft Mansfeld, f 5. 11. 1730 Eisleben. kaufte dann aber eine Halbmeierstelle in H., der älteste Sohn des Henning von Rastede und wurde Landwirt. Seine Ein­ Hahn zu Seeburg, Kuchelmiß und Base­ künfte reichten jedoch für seine rasch dow (i 1678) und seiner Ehefrau Ottilia wachsende Familie nicht aus, und er geb. von Wulffen (f 1678), entstammte mußte sich nach neuen Erwerbsmöglich­ dem mecklenburgischen Uradel. Nach keiten umsehen, die er im Tuchhandel zu dem Studium und einer Bildungsreise hielt finden hoffte. Bisher war die im Ammer­ sich H. einige Zeit an den Höfen Hanno­ land und in der Friesischen Wehde herge­ vers, Kurbrandenburgs und Dänemarks stellte Leinwand nach Holland verfrachtet auf. 1685 wurde er Kammerjunker am dä­ worden, wo sie gebleicht und als „hollän­ nischen Hof, wo sein Vetter, der Oberjä­ dische Leinwand" wieder importiert germeister Vincenz Joachim von H., wurde. Da der Leinenhandel infolge der großen Einfluß auf König Christian V. aus­ französischen Revolutionskriege zum Er­ übte. Nach Reisen mit dem Kronprinzen liegen kam, sah H. die Chance, mit einer Friedrich wurde H. 1691 Hofmarschall. Am eigenen Bleichanstalt in diese Marktlücke 4. 5. 1706 wurde H., inzwischen Geheimrat vorstoßen zu können. Nach eingehenden und Träger des zweithöchsten dänischen Voruntersuchungen gründete er 1790 mit Ordens, des Dannebrog, zum Oberland­ finanzieller Unterstützung des Herzogs -* drosten der Grafschaften Oldenburg und Peter Friedrich Ludwig (1755-1829) eine Delmenhorst ernannt. Während seiner Halem 267

Amtszeit, die bis 1713 dauerte, hielt er sich denz, vertraut gemacht. 1768 schickte man vorwiegend auf seinem Gut Seeburg auf. ihn, sechzehnjährig, auf die Universität Am 30. 7. 1702 heiratete H. auf Neuhaus Frankfurt a. d. Oder (neben Halle die tra- (Holstein) Catharina (Katherine) Marga­ ditionale Bildungsstätte preußischer Büro­ rethe Rantzau (20. 3. 1679 - 9. 2. 1741), die kratie), wo er bis 1770 Rechtswissenschaf­ Tochter des Kai (Kay) Rantzau zu Neuhaus ten studierte. Nach einem Praktikum am und der Catharina geb. Blohme. Durch Reichskammergericht in Wetzlar ging H. diese Ehe wurde die Familie H. in Holstein nach Kopenhagen, um dort zu promovie­ ansässig und 1756 in die schleswig-holstei­ ren und damit die Zulassung zu den Ge­ nische Ritterschaft auf genommen. H., der richten zu erlangen. Zurück in Oldenburg, seine drei Brüder, die ohne Leibeserben konnte er mit seinem Vater gemeinsam starben, überlebte, wurde Stammvater nur kurz bis zu dessen Tod 1771 tätig sein. nicht nur seines Hauses, sondern auch der H., der nun für die Familie sorgen mußte, Linie Basedow. führte die übernommene Advokatur noch L: bis 1775 weiter und wechselte dann, mit G. C. F. Lisch, Geschichte und Urkunden des zweiundzwanzig Jahren, in den oldenbur­ Geschlechtes Hahn, 4 Bde., Schwerin 1844- gischen Staatsdienst. 1856; Bernd Goldmann, Die Grafen von Hahn, Durch frühe geistige, emotionale und ethi­ in: Schleswig-Holsteinisches Biographisches sche Anforderungen, die einem Werteka­ Lexikon, Bd. 2, 1971, S. 157. Inger Gorny

Halem, Gerhard Anton von (Reichsadels­ stand 1792), Direktor der Regierungs(Ju- stiz)kanzlei, Schriftsteller, * 2. 3. 1752 Oldenburg, f 4. 1. 1819 Eutin. H. war das zweite von acht Kindern des oldenburgischen Advokaten und Stadtsyn­ dikus Anton Wilhelm von Halem (12. 9. 1711 - 28. 11. 1771) und dessen Ehefrau Magdalena Sophia geb. Wardenburg (30. 6. 1733 - 1. 2. 1809). Nach eigenem Zeugnis begann seine ihm bewußte Le­ bensgeschichte im siebten Lebensjahr mit dem Tod seines älteren Bruders. Die Erzie­ hungsbemühungen der Eltern, insbeson­ non mit grundlegenden Geboten wie Ord­ dere des Vaters, galten von nun ab dem nung, Fleiß und Sparsamkeit folgten, Zweitgeborenen. Die Geschäfte des Vaters wurde H.s Denken und Handeln nachhal­ gewährten der Familie ein behagliches tig geformt. Verhaltensleitend auch für Auskommen, erlaubten jedoch nicht die sein späteres Leben waren ihm Normen Rücklage eines nennenswerten Vermö­ vermittelt worden wie Gewissenhaftigkeit, gens. Da Anton Wilhelm von H. seine Le­ Verantwortungsbewußtsein, Leistungsbe­ benserwartung krankheitsbedingt nicht zu reitschaft, Zweckmäßigkeit in der Lebens­ hoch ansetzen durfte, galt es, den begab­ führung und die Ausrichtung seiner Inter­ ten Sohn Gerhard Anton früh auf einen essen und Bedürfnisse an „einsehbaren", akademischen Ausbildungsweg zu leiten, allgemein verbindlichen, das hieß für ihn dessen rascher Abschluß Zugang zu einer „bürgerlichen Tugenden". Einkommen sichernden, aber auch Anse­ Das Leben des jungen H. war aber nicht hen verleihenden beruflichen Position ver­ nur durch die Erziehung zum juristischen sprach. Nach privaten Unterweisungen be­ Beruf bestimmt, sondern sein Bewußtsein suchte H. ab 1761 die Lateinschule Olden­ und sein Umgang wurden zugleich da­ burgs und wurde daneben seit dem vier­ durch geprägt, sich den „gebildeten Stän­ zehnten Lebensjahr im häuslichen Rah­ den" seiner Zeit zugehörig zu fühlen. Ein­ men bereits mit gewissen Anforderungen drucksvoll für ihn müssen etwa Reisen mit seiner späteren Berufswelt, der Jurispru­ dem Vater nach Bremen, Hamburg und 268 Halem

Holland gewesen sein. Seine Reiseimpres­ selbständigen Herzogtums Oldenburg sionen konnte H. in der väterlichen Biblio­ 1773/74 nach der langen Zeit dänischer thek vertiefen und erweitern. Interessen, Verwaltung, vor allem aber mit der Eta­ die vor allem moderner zeitgenössischer blierung der Residenz und des Verwal­ Literatur wie der Klopstocks galten, wur­ tungszentrums für das gesamte Land in den beim Schüler H. von seinem Lehrer -► der Stadt Oldenburg ab Mitte der 80er Johann Michael Herbart (1703-1768) ge­ Jahre bildete sich hier rasch eine den kul­ fördert. Während seines Studiums war H. turellen Trends jener Zeit folgende „aufge­ auch ein eifriger Theater- und Konzertbe­ klärte Gesellschaft", für die H. vielfältig sucher, reiste nach Berlin, erlernte die ita­ initiativ war und als deren Wortführer er lienische Sprache und begann, seine aus­ bald anerkannt wurde. Der seit 1785 als gedehnte Lektüre in einem „Literarischen Landesadministrator regierende Peter Exzerptenbuch" zu ordnen, das er bis an Friedrich Ludwig (1755-1829) förderte in sein Lebensende fortführte. Nach dem der Verwaltung eine akademisch gebil­ Plan des Vaters war im Frühjahr 1770 noch dete, leistungsfähige und staatsloyale Be­ eine Bildungsreise unternommen worden, amtenschaft, um damit ein gemäßigt die ihn bis nach Straßburg geführt hatte. reformorientiertes, vornehmlich gerechtes Wurde mit dem beruflichen Aufstieg auch und effektives Regiment über sein Land soziale und gesellschaftliche Geltung an­ führen zu können. Aus der Gruppe der gestrebt, so setzte dies - das zeigte schon Verwaltungsbeamten, inbesondere aus die väterliche, zum Vorbild dienende Kar­ ihrer Spitze, kamen die Impulse zur Entfal­ riere - neben einem bestimmten Fach- und tung der „Aufklärungsgesellschaft" in Leistungswissen auch eine allgemeine Oldenburg. Zusammen mit Geistlichen, Geisteskultur voraus. Solches galt in Lehrern und Juristen bildeten die Beam­ Deutschland in der zweiten Hälfte des ten eine recht homogene Gruppe. Der Jahrhunderts, das sich als das der Aufklä­ „bürgerliche" Anteil dominierte; die Teil­ rung verstand, in zunehmendem Maße. H. habe des gebildeten Adels gestaltete sich wuchs in ein Milieu hinein, das der intel­ weitgehend konfliktfrei, was dadurch be­ lektuellen Leistung und der Bildung einen günstigt wurde, daß in Oldenburg ostenta­ hohen Stellenwert einräumte. Er hatte teil tive Formen einer höfisch-aristokratischen an dem durch den steigenden Bedarf neu­ Kultur nicht gepflegt wurden. Dieses Bild zeitlicher Administrationen an akademisch harmonischen Zusammenwirkens in Poli­ ausgebildeten Leistungsträgern bedingten tik, Gesellschaft und Kultur wurde umso Aufstieg bürgerlicher Schichten, deren anziehender, je mehr das Krisen­ Denk- und Verhaltensnormen gegen Ende bewußtsein im Gefolge der französischen des 18. Jahrhunderts einflußreich, im Ereignisse nach 1789 zunahm. 19. Jahrhundert dann maßgeblich wurden. Nicht erst durch die Revolution in Frank­ Wichtigste Gruppe dieses neuen „Bürger­ reich, sondern bereits zuvor gehörte es tums" war in Deutschland zunächst die zum Selbst- und Weltverständnis der „Bür­ der studierten Beamten, Professoren, Pfar­ gerlichen", sich in einem Prozeß des Wan­ rer, Lehrer, Juristen und Ärzte. Sie bilde­ dels zu begreifen, der das gesamte ten auch den Kern der „bürgerlichen Öf­ menschliche Leben umfaßte. Auch H. fentlichkeit" mit seinem lesenden und wurde die Grundvorstellung zueigen, in schreibenden, diskutierenden und räsonie­ einem großen geschichtlichen Verände­ renden, reisenden und korrespondieren­ rungsprozeß zu stehen, und zwar nicht als den Publikum. Furcht vor Verfall oder Vernichtung, son­ Neben seiner individuellen Disposition dern als positive Überzeugung mit optimi­ und Kultivierung für die „gebildeten stischer Zukunftssicht. Wesentlicher Stände" waren zwei weitere Momente für Grund dafür war das Bewußtsein der bür­ H.s Werdegang von Bedeutung: Für seinen gerlichen Aufklärer, am Fortschritt in vie­ näheren Lebens- und Wirkungskreis, die len Sektoren des privaten und öffentlichen Stadt und das Land Oldenburg, begann in Lebens mitzuwirken, an der „Verbesse­ den 70er Jahren des 18. Jahrhunderts ein rung der Menschen" zu arbeiten. Getra­ neuer Abschnitt eigener Geschichte, auf gen wurde diese Sicht von einem Ethos, den jedoch schon bald die Schatten der das den Dienst an Ideen betonte, aber Krise der europäischen Staatenwelt um auch an Institutionen. Solches Denken und 1800 fallen sollten. Mit der Schaffung des Handeln wuchs mit der zunehmenden Be­ Halem 269 deutung und Anerkennung bürgerlicher hatte, war der Justizrat H. maßgeblich be­ Funktionsträger vor allem in modernisier­ teiligt. In späteren Jahren engagierte er ten und ausgeweiteten Verwaltungsberei­ sich u. a. für die Systematisierung des chen. Allgemein ging der Fortschrittsopti­ oldenburgischen Landrechts. Sein beson­ mismus der Aufklärer mit der Erfahrung deres Interesse galt Modernisierungen im einher, im Vertrauen auf die Kraft der Ver­ kulturellen Bereich. So wurde 1792 nicht nunft durch Schreiben und Reden - als Ar­ nur dem heimischen, sondern mit einem ten praktischen Handelns verstanden - so­ gewissen Stolz auch dem deutschen Publi­ wie durch eigenverantwortliche, bewußte kum berichtet, daß in Oldenburg ein Lebensgestaltung und persönliche Lebens­ neues „vortrefliches Gesangbuch" einge­ leistungen zu verständigerem Denken und führt worden war. besserem Handeln beitragen zu können. Zu einer vor allem auf literarische und Bil­ Bildung war das Integral der positiven Be­ dungsinteressen gegründeten Freund­ urteilung des geschichtlichen Verände­ schaft fand sich H. mit Georg Christian Oe­ rungprozesses in der Perspektive H.s. In der und Helfrich Peter Sturz zusammen. Anlehnung an Herder begriff er sowohl Sie lasen im kleinen gemeinsamen Zirkel die geistig-sittliche Entfaltung des einzel­ griechische und englische Literatur, neben nen Menschen als auch den historischen Homer insbesondere Shakespeare und Gang der Menschheit als Bildung. Ge­ Milton. Bei einer Reise ins Modebad Pyr­ schichte verwirklichte sich als umfassen­ mont wagte H. seine erste kleine Erzäh­ der Bildungsprozeß. Er erschien demnach lung, die 1778 von Heinrich Christian Boie als bedeutendste Angelegenheit der Men­ ins „Deutsche Museum" auf genommen schen in Gegenwart und Zukunft. Im Kern wurde und ihm Boies langjährige Freund­ dieses zeitweilig utopischen Bildungsglau­ schaft eröffnete. 1779 besuchte H. Ham­ bens stand wiederum die Tugendlehre der burg und lernte dabei Klopstock und an­ Aufklärung, die sich H. nicht lediglich in dere Mitstreiter der dortigen Aufklärungs­ abstrakten Normen vermittelt hatte, son­ gesellschaft kennen. Angeregt durch Klop- dern in die er seit Kindheit und Jugend stocks literarische Gesellschaft begrün­ hineingewachsen war: in der Familie und dete H. in Oldenburg gleichfalls einen sol­ in Freundeskreisen, durch die zentrale Bil­ chen Lese- und Diskussionskreis, in dem dungsquelle der Bücher, Zeitschriften und Ideen einer vorwiegend literarisch-ästheti­ Zeitungen, durch Geselligkeit ebenso wie schen Bildung in geselliger, auf gepflegte durch zunehmende Teilnahme am „öffent­ Kommunikation abhebender Runde ver­ lichen Leben", durch vielfältige Schrift­ wirklicht wurden. In bewegteren Zeiten, stellerei, durch Reisen und Briefwechsel, - etwa seit Beginn der Revolution in Frank­ und nicht zuletzt durch seine Tätigkeit im reich, standen auch politische, gesell­ Dienst der oldenburgischen Landesverwal­ schaftliche oder andere brisante Fragen tung. zur Debatte. H. stellte in der Literarischen Dort stand er zunächst dem nach der Stru- Gesellschaft die meisten seiner schriftstel­ ensee-Affäre aus Dänemark verbannten -+• lerischen Arbeiten vor, um sie dann nach Georg Christian Oeder (1728-1791), Land­ kritischer Prüfung durch deren Mitglieder vogt von Oldenburg, als Assessor zur zu publizieren. Seite. 1780 nahm H. die Stelle des verstor­ Daneben gab es Erbauliches und Lese­ benen -► Helfrich Peter Sturz (1736-1779) stunden im familiären Kreis und auch in als Rat in der oldenburgischen Regie­ dem Hause, in dem die künftige Gattin H.s rungskanzlei (Obergericht) ein. H. avan­ „mit ihrem würdigen alten Vater in häusli­ cierte als Verwaltungsbeamter zu einer cher Eingezogenheit" lebte. Am 12. 1. Zeit, da im Interesseneinklang mit der Re­ 1781 heiratete H. eine Stiefschwester sei­ gierung zur Verbesserung der Infrastruk­ ner Mutter, Susanne Wardenburg (10. 1. tur des Landes die Bemühungen um Refor­ 1762 - 15. 6. 1782), die bereits im darauffol­ men in verschiedenen Sektoren verstärkt genden Jahr starb. H. war später noch wurden, z. B. im sozialen Bereich mit einer zweimal verheiratet: am 4. 6. 1798 heira­ eingreifenden Armenfürsorge. Aber auch tete er Friederike Wilhelmine Gramberg das Rechtswesen wurde umgestaltet. An (f 30. 9. 1815), die Tochter des oldenburgi­ einer Reform des Gerichtsverfahrens etwa, schen Arztes -*• Gerhard Anton Gramberg die die Vereinheitlichung und Abkürzung (1744-1818); am 25. 12. 1816 deren Schwe­ der Verhandlungen und Prozesse zum Ziel ster Sophie (f 7. 3. 1864). 270 Halem

In den 80er Jahren machte H. sich nicht ten, deren Mittelpunkt er war, der größe­ nur im „Deutschen Museum" dem größe­ ren, vorwiegend norddeutschen Aufklä­ ren Publikum bekannt, sondern mit Lyrik, rungsgesellschaft. Dabei pflegte er einen Prosastücken, Reiseberichten und versepi- unentwegt regen geistigen und geselligen schen Arbeiten auch im „Göttinger Austausch mit seinen Freunden in Olden­ Musenalmanach" und im „Musenalma­ burg wie -► Gerhard Anton Gramberg nach" von -► Johann Heinrich Voß (1751- (1744-1818), - Christian Kruse (1753-1828) 1826). H.s deutsche poetische Vorbilder oder später Christian Ludwig Runde waren vor allem Wieland und Klopstock, (1773-1849), aber auch mit seinem Bruder Gleim und Geliert. Von den seinerzeit mo­ -*■ Ludwig Wilhelm Christian (1758-1839). dischen Engländern wurden neben Ossian Der Schriftsteller H. versuchte sich in vie­ (Macpherson) insbesondere Sterne, Young len Genres. Nach Übersetzungen aus dem und Pope rezipiert. Seine frühe Versepik, Griechischen und Englischen erschien Kurzprosa und Lyrik vereinigte H. erstmals 1786 „Wallenstein, ein Schauspiel". Wie in der 1789 veröffentlichten Sammlung dieses waren auch H.s weitere dramati­ „Poesie und Prose". schen Werke, 1794 herausgegeben, Lese­ H.s Freundes- und Korrespondentenkreise stücke, Erträge seiner reichen Lektüre und wurden ausgedehnter. Auf einer Reise für eine ebensolche geeignet, kaum aber nach Holstein 1783 traf er dort neben Voß bühnenwirksam zu gestalten. Charakteri­ auch -► Friedrich Leopold Graf zu Stolberg stisch für seine ästhetischen Vorstellungen (1750-1819). Die Bekanntschaft und der li­ und poetischen Arbeiten insgesamt war terarische Austausch mit diesem Adligen seine Neigung zu geschlossenen Formen, wurden enger, als Stolberg 1785 Landvogt zu festen Regeln und Gesetzen. Er im oldenburgischen Neuenburg wurde. schöpfte mehr aus einem beträchtlichen li­ Mit der Revolution in Frankreich und der terarischen Reservoir, das ihm zeit seines Dissoziierung der öffentlichen Debatte Lebens zu Gebote stand, als daß er Selbst­ darüber in Deutschland entfremdete sich schöpfer war. Er entwarf und produzierte Stolberg seinem Freund H. zunehmend, in Vers und Prosa mit Vorliebe „Gemälde", bis es 1800, im Jahre der Konversion Stol- Posen, Szenen und Figuren, in denen vor­ bergs zur katholischen Kirche, zum offe­ bildliches Leben, tugendhaftes Handeln nen Bruch kam. oder rechtschaffene Charaktere stilisiert H., der seit 1776 der Oldenburger Frei­ und idealisiert wurden. Er nahm Gegen­ maurerloge „Zum goldenen Hirsch" ange­ stände und Themen des tugendhaften bür­ hörte, dort von 1785 bis 1790 als Meister gerlichen Lebens auf, um sie mit dem Pre­ vom Stuhl fungierte, verfolgte die Reform­ stige einer erhöhenden literarischen Kon- bestrebungen der Freimaurerei in einer notation gewissermaßen zu nobilitieren. Zeit anhaltender Krise mit Interesse und H. schrieb vorwiegend nach festgefügten Anteilnahme. Er stand auch dem Illumina­ Deutungsmustern und gab seinen Lesern tenorden nahe, dem weitgreifendsten, von harmonische Sinnentwürfe, die man als den Regierungen schließlich untersagten Identifikationsmodelle bürgerlichen Den­ Versuch, der deutschen Freimaurerei eine kens und Verhaltens verstehen konnte. Mit neue Orientierung zu geben. Mit den bei­ seinen literarischen Werken, die er in be­ den führenden Vertretern des Ordens in wußter Balance zwischen Gefühl und Ver­ Norddeutschland, Adolph Freiherrn von stand hielt, wollte er zur Anregung, Aus­ Knigge und Johann Joachim Christoph bildung und Festigung bürgerlich-tugend- Bode, war H. bekannt. Aber auch mit dem hafter Gesinnung und Gesittung beitra­ Verleger und Schriftsteller Friedrich Nico­ gen. Es ging hier um Selbst- und Sozialdis­ lai, den er in Berlin besuchte, mit dem er ziplinierung, getragen von der aufkläreri­ einen regen Briefwechsel führte und für schen Überzeugung, die Menschen seien dessen „Allgemeine deutsche Bibliothek" fähig, sich mittels ästhetisch ausgewoge­ er fleißig rezensierte, beriet er sich über ner Literatur kulturell zu „veredeln". So­ den Zweck und die Geschichte des Illumi­ wohl die Literaturvorstellungen der Auf­ natenordens. Neben den freimaurerischen klärung als auch deren „bürgerlicher" Tu­ hatte H. viele andere Verbindungen zu gendkanon gerieten im Gefolge von Sturm Freunden in Bremen, Hamburg, Kiel und und Drang, Klassik und Romantik gegen etlichen weiteren Orten. Er vermittelte so Ende des 18. Jahrhunderts in eine erste den oldenburgischen Zirkel der Gebilde­ tiefe Krise. H.s beharrliches Festhalten am Halem 271 aufklärerisch-literarischen Wertesystem der Anspruch eines höheren Beamten wie war die wesentliche Ursache dafür, daß H. aus, zumindest durch die Formulierung seinem poetischen Werk keine lange Wir­ von Ideen und die Mitwirkung an ihrer kung beschieden war. Entfaltung auch ein gewisses Maß an poli­ Verdienstvoll und besonders von seinen tischem Einfluß zu nehmen. Landsleuten geschätzt war dagegen H.s 1791 gab H. seinen zweibändigen Bericht „Geschichte des Herzogthums Olden­ „Blicke auf einen Theil Deutschlands, der burg" (1794-96), nach dem Modell und der Schweiz und Frankreich bei einer Reise Intention der „Osnabrückischen Ge­ vom Jahre 1790" heraus. Mit zwei Freun­ schichte" von Justus Möser entworfen. Es den hatte er an der schweizerisch-französi­ war ein Stück Historiographie, das H. in schen Grenze sein Vorhaben einer Italien­ pragmatischer, „patriotischer" Absicht vor­ reise geändert und stattdessen das revolu­ legte. Die Kenntnis der Vergangenheit tionäre Paris besucht. H. ließ sich in den sollte zur bewußten Teilhabe an der eige­ Jakobinerclub aufnehmen, schwärmte für nen, gegenwärtigen Geschichte anregen. die Gironde, Siéyès und Mirabeau, mißbil­ Vorstudien und Teile seiner oldenburgi- ligte Volksbewegungen ebenso wie royali- schen Geschichte hatte H. bereits in den stische Umtriebe und erfreute sich ausgie­ „Blättern vermischten Inhalts" veröffent­ big des Umganges mit dem gebildeten Pa­ licht, einer Zeitschrift, die er von 1787 bis ris. Neue Freundschaften wurden ge­ 1797 mit Freunden aus der Literarischen knüpft mit Barthélémy und Jacques-Louis Gesellschaft herausgab und deren Zweck David, mit Konrad Engelbert Oelsner und es war, zur Vermittlung zeitgemäßer prak­ Henri Meister. Für H. gehörten auch die tischer und theoretischer Kenntnisse in Veränderungen in Frankreich zu einem vielen Lebens- und Arbeitsbereichen bei­ umfassenden Wandel in der Geschichte zutragen. Das Programm der „Blätter", der Bildung der Menschheit. Er begriff das nicht immer frei war von einer Attitüde diesen Prozeß allgemein, also auch über der Untertanenbeglückung durch den Lan­ Frankreich ausgreifend, mit dem politi­ desherrn und seine Beamten, wurde von schen Ziel der Konstituierung rationalisier­ H. und seinen Freunden von 1804 bis 1807 ter Bedingungen für die jeweiligen Herr­ mit der „Oldenburgischen Zeitschrift" fort­ schafts- und Gesellschaftsformen. Es galt, gesetzt. weitgreifende Legalität und univeralisti- Neben weiteren historischen Abhandlun­ sche Bildungsideale zur Geltung zu brin­ gen verfaßte H. zwei umfangreiche Biogra­ gen und zusammenzuführen. Das Denken, phien zur russischen Geschichte, zunächst Verhalten und Handeln der Regierenden die „Lebensbeschreibung des Grafen und Regierten sollte an generell gültige Münnich" (1803) und dann eine dreibän­ Normen und Gesetze gebunden werden. dige Beschreibung des „Lebens Peters des So konnte sich der gebildete Beamte H. Großen" (1803/04). Beide biographische für viele französische Neuerungen, vor Darstellungen, die des hohen Staatsdie­ allem für die Schaffung einer Verfassung ners und die des Regenten, waren von der begeistern; seine Sichtweise erlaubte ihm Absicht getragen, vorbildliche Lebens­ zugleich, an seinen Idealen und seinem läufe zu zeigen. Zu ihren Grundzügen ge­ optimistischen Glauben an deren Realisie­ hörten charakterliche Integrität, ein lei­ rungsmöglichkeiten auch unter deutschen stungsbetontes Ethos und Reformfreudig­ Verhältnissen bis an sein Lebensende fest­ keit. Mit diesen durchaus idealisierten Bil­ zuhalten. dern warb H. zugleich für das politische Die Frankreich-Reise war für das politi­ Modell des konstitutionellen Absolutis­ sche Bewußtsein H.s sehr bedeutsam. Er mus. H.s Vorstellung von der Herausbil­ wahrte seit dieser Zeit seinen Platz im dung eines modernen gesellschaftlichen Spektrum der liberal gesinnten deutschen und politischen Ordnungssystems war von Öffentlichkeit, und das selbst nach der Ter­ der Forderung einer Bindung aller staat­ reur in Frankreich und der erstarkenden lichen Herrschaft und öffentlichen Gewalt Reaktion in Deutschland. Das zeigt etwa an Recht und Gesetz, also im wesentlichen seine Korrespondenz mit Voß und August von rechtsstaatlichen Prinzipien bestimmt. Hennings, mit Knigge und -*• Friedrich Politische Entwicklungen wurden als Lehr- Herbart (1776-1841). Auch literarisch, und Lernprozesse der Regierenden und wenngleich nun anonym oder pseudonym, Regierten verstanden. Darin drückte sich plädierte H. für Fortschritte in liberaler Ab­ 272 Halem sicht. Er blieb gleichwohl auch zu dieser rich Ludwig mit dazu bewog, ihm kein Zeit ein loyaler Beamter seines Regenten Amt in Oldenburg, sondern in Eutin zu ge­ Peter Friedrich Ludwig. ben. Dort war er seit März 1814 als Justiz­ Politisches Räsonnement hielt H. durchaus rat in der obersten Behörde (Regierung, nicht von dem beständigen Umgang mit Justizkanzlei, Konsistorium) für diesen ab­ den Musen ab. 1798 veröffentlichte er eine gelegenen oldenburgischen Landesteil tä­ Sammlung „Blüthen aus Trümmern", die tig. Der eutinischen Literarischen Gesell­ in idyllischer Poesie und Prosa über pri­ schaft vermochte H. neue Impulse zu ge­ vate und öffentliche Tugenden im griechi­ ben. Freundschaftliche und freimaureri­ schen Gewand unterrichtete. Seit 1803 er­ sche Kontakte, vor allem nach Lübeck, schienen in mehreren Bänden H.s gesam­ nutzte er, um weiterhin einen geselligen melte „Schriften". Als deren 8. und 9. Teil Umgang auch über Eutin hinaus zu pfle­ legte er das zweibändige Versepos „Jesus, gen. Mit kleineren Arbeiten, insbesondere der Stifter des Gottesreiches" vor (1810), Gedichten, trug H. zu verschiedenen Zeit­ das den „vernünftigen Protestantismus" schriften, Almanachen und Kalendern bei. aufgeklärter Prägung verteidigte und an­ Mit seiner letzten größeren Publikation, gesichts zunehmender antirationalisti­ „Vernunft aus Gott" (1818), wandte er sich scher Strömungen zur Wahrung „ächtreli­ gegen den Kieler Hauptpastor Claus giösen Geistes" durch die Darstellung des Harms, einen führenden Vertreter der pro­ „Lehrers der Menschen" beitragen wollte. testantischen Erneuerungsbewegung, die Hier zeigte sich - in seiner Intention auch ein von der Aufklärung abgelöstes und gegen die katholische Religiosität des frü­ „gemüthaft" bestimmtes Luthertum zu heren Freundes Stolberg gerichtet - das verbreiten suchte. für H. verbindliche, in der aufklärerischen Zusammenfassend läßt sich sagen, daß es Anthropologisierung der Religion grün­ ein wesentliches Verdienst H.s war, eine dende enge Wechselverhältnis von Bil­ kulturell aufgeschlossene Elite seines dung und Glaube. oldenburgischen Kreises der umfassenden 1807 erreichte H. den Zenit seiner berufli­ Bildungsbewegung seiner Zeit assimiliert chen Karriere: er wurde zum Leiter der Re­ zu haben. gierungskanzlei und des Konsistoriums er­ W: nannt. Doch bereits wenig später, als auch Nachlaß in der LBO; Wallenstein, ein Schau­ Oldenburg 1811 unter napoleonische Herr­ spiel, Göttingen 1786; Poesie und Prose, Ham­ schaft geriet, verlor er seine Ämter wieder. burg 1789; Blicke auf einen Theil Deutsch­ Entgegen dem Angebot, den Herzog in lands, der Schweiz und Frankreichs bey einer das Exil nach Rußland zu begleiten, ent­ Reise vom Jahre 1790, 2 Teile, Hamburg 1791, schloß er sich, in Oldenburg zu bleiben Reprint Bremen 1990; Andenken an Oeder, und französisch-deutsche Dienste anzu­ Altona 1793; Dramatische Werke, Berlin 1794- 1796; Geschichte des Herzogthums Olden­ nehmen. Er wurde zunächst als Richter burg, 3 Bde., Oldenburg 1794-96, Reprint Leer beim Tribunal in Oldenburg angestellt 1974; Ein dringendes Wort an das Heilige Rö­ (1811), mußte aber 1812 nach Hamburg mische Reich zur Sicherung eines künftigen wechseln und wurde dort Mitglied des Friedens, Altona 1795; Blüthen aus Trümmern, Kaiserlichen Gerichtshofes. H., der einmal Bremen 1798; Lebensbeschreibung des B.C. Hoffnungen in möglich erscheinende Grafen von Münnich, Oldenburg 1803; Leben Neuerungen unter französischer Ägide ge­ Peters des Großen, 3 Bde., Münster und Leip­ setzt hatte, sah sich wie andere seiner zig 1803-1804; Schriften, 7 Bde. (9 Bde. ge­ plant, Bde. 6, 7 ungedruckt, Bde. 8, 9: Jesus, Zeitgenossen durch die reale Entwicklung der Stifter des Gottesreichs), Münster und getäuscht, was ihn in seinem politischen Hannover 1803-1810; Erinnerungs-Blätter von Denken allerdings nicht von seinen libera­ einer Reise nach Paris im Sommer 1811, Ham­ len Idealen abführen konnte. burg 1813; Töne der Zeit, Bremen 1814; Ver­ Nach den Niederlagen Napoleons und der nunft aus Gott, in Bezug auf die neuesten Wi­ darauffolgenden Restauration hoffte H., in dersacher derselben, Lübeck 1818. - Hg. und die zentrale oldenburgische Landesver­ Mithg.: Blätter vermischten Inhalts, Olden­ waltung zurückkehren zu können, was burg 1787-1797; Irene, Eine Monatsschrift, Berlin, Münster, Oldenburg 1801-1806; Olden­ nicht gelang. Gewiß ist ein Argwohn - burgische Zeitschrift, Oldenburg 1804-1807; auch in der Öffentlichkeit - gegen die an­ Sammlung der wichtigsten Actenstücke zur haltende „Franzosenfreundlichkeit" H.s neuesten Zeitgeschichte, Oldenburg 1807; nicht ganz auszuschließen, der Peter Fried­ Statistisches Handbuch für das Departement Halem 273 der Wesermündungen auf das Jahr 1813, Bre­ Pflichten als Kabinettssekretär enthoben men 1812. - Gerhard Anton von Halem’s und 1792 zum Leiter der neugegründeten Selbstbiographie nebst einer Sammlung von Herzoglichen öffentlichen Bibliothek in Briefen an ihn, Oldenburg 1840, Reprint Bern Oldenburg ernannt. Der Schwerpunkt sei­ 1970. L: ner Tätigkeit als Bibliothekar, für die er ADB, Bd. 10, S. 407-409; NDB, Bd. 7, 1966, aufgrund seiner enzyklopädischen Bil­ S. 535-537; Günther Jansen, Aus vergangenen dung und seiner literarisch-wissenschaftli­ Tagen. Oldenburgs literarische und gesell­ schaftliche Zustände während des Zeitraums von 1773 bis 1811, Oldenburg 1877; Arthur Chuquet, Paris en 1790. Voyage de Halem, tra- duction, introduction et notes, Paris 1896; Her­ mann Oncken, Gerhard Anton von Halem, in: OJb, 5, 1896, S. 103-24; Gerhard Lange, Ger­ hard Anton von Halem (1752-1819) als Schrift­ steller, Leipzig 1928; Wolfgang von Groote, Die Entstehung des Nationalbewußtseins in Nordwestdeutschland 1790-1830, Göttingen 1955; Genealogisches Handbuch des Adels, Adlige Häuser B, Bd. 4, Uifteburg 1959, S. 214- ^ 'H 229; Eberhard Crusius, Konservative Kräfte in Oldenburg am Ende des 18. Jahrhunderts, in: Nds. Jb., 34, 1962, S. 224-252; Karsten Witte, Reise in die Revolution. Gerhard Anton von Halem und Frankreich im Jahre 1790, Stutt­ gart 1971; Harald Schieckel, Die Mitglieder der „Oldenburger Literarischen Gesellschaft von 1779" seit ihrer Gründung, in: OJb, 78/79, 1979, S. 1-18; Karl Steinhoff, Gerhard Anton von Halem (1752-1819), in: OFK, 22, 1980, S. 147-61; Ulrich Scheschkewitz, 200 Jahre Li­ terarische Gesellschaft zu Oldenburg, in: OJb, 81, 1989, S. 53 ff.; Paul Raabe, Der Briefnach­ laß Gerhard Anton von Halems (1752-1819) in der Landesbibliothek Oldenburg, Nendeln chen Interessen besonders qualifiziert war, 1982; Erwin Obermeier, Die Eutiner Literari­ lag auf dem Gebiet der Benutzerbetreu­ sche Gesellschaft, 3 Bde., Eutin 1983; Im We­ ung und des bibliothekarischen Auskunfts­ sten geht die Sonne auf. Justizrat Gerhard An­ dienstes. Er bemühte sich um die Ergän­ ton von Halem auf Reisen nach Paris 1790 und zung und den Ausbau der Bibliothek, de­ 1811, 2 Bde., Oldenburg 1990. ren Bestände er der Öffentlichkeit in einer Claus Ritterhoff auf eigene Kosten herausgegebenen Zeit­ schrift vorzustellen begann. Finanzielle Verluste veranlaßten ihn 1810, sein Amt Halem, Ludw ig Wilhelm Christian von, aufzugeben und die Stelle eines Auktions­ Bibliothekar, * 3. 9. 1758 Oldenburg, verwalters in Ovelgönne anzunehmen, die f 5. 6. 1839 Oldenburg. er bereits im folgenden Jahr nach der fran­ H. war der Sohn des Oldenburger Stadt­ zösischen Okkupation wieder verlor. Bis syndikus und Kanzleirats Anton Wilhelm 1814 schlug er sich kümmerlich als Notar von Halem (12. 9. 1711 - 28. 11. 1771) und in Ovelgönne und Oldenburg durch und der Sophie Magdalena geb. Wardenburg wurde danach wieder zum Bibliothekar er­ (30. 6. 1733 - 1. 2. 1809). Er besuchte das nannt, wobei allerdings sein Aufgaben­ Gymnasium in Oldenburg und studierte kreis wesentlich erweitert und verändert von 1776 bis 1779 Theologie und Philolo­ wurde. Aus politischen und finanziellen gie an den Universitäten Halle und Göttin­ Gründen übertrug der Herzog die Redak­ gen. Seit 1780 war er als Hauslehrer in tion der vom Staat herausgegebenen Pres­ Den Haag und seit 1783 in Estland tätig. seorgane und Publikationen dem Biblio­ Im Juni 1786 erhielt er die Stelle eines Ka­ thekar, der auch die Funktion des Zensors binetts- und Privatsekretärs des Herzogs -*• übernahm. H., der in diesen Jahren den Peter Friedrich Ludwig (1755-1829). Schon „Oldenburgischen Staatskalender", die nach wenigen Jahren wurde H. seiner „Oldenburgische Zeitung", die „Olden- 274 Halle

burgischen Blätter" und die „Oldenburgi- und weiße Dreiecke, Oldenburg 1927; Genea­ schen wöchentlichen Anzeigen" redi­ logisches Handbuch des Adels, Adlige Häuser gierte, konnte sich praktisch nur noch ne­ B, Bd. 4, Limburg 1959; Gabriele Crusius, benamtlich seiner eigentlichen Arbeit als Gründung und Frühgeschichte der Herzog­ lichen öffentlichen Bibliothek in Oldenburg Bibliothekar widmen. Erst 1834 wurde zu 1792-1847, Oldenburg 1981. seiner Entlastung der Oberamtmann -*• Hans Friedl Christian Friedrich Strackerjan (1777- 1848) nach Oldenburg versetzt, der ihm die Pressearbeit abnahm. Als Bibliothekar und Zeitungsherausgeber spielte H. eine nicht zu unterschätzende Halle, Johann von, Dr. iur. utr., Kanzler, Rolle im geistigen und kulturellen Leben * 1524 Minden, f 7. 8. 1588 Oldenburg. Oldenburgs. Seit 1783 war er Mitglied der Der unehelich geborene Sohn des braun­ von seinem älteren Bruder -► Gerhard An­ schweigischen Rats Franz von Halle be­ ton von Halem (1752-1819) gegründeten suchte die Schulen in Lübbecke, Osna­ Literarischen Gesellschaft, die ihn 1816 zu brück und Hannover und studierte ab 1540 ihrem „Secretarius perpetuus" wählte. Jura an der Universität in Wittenberg, wo Seit 1783 gehörte er auch der Freimaurer­ er durch seinen Lehrer Hieronymus loge „Zum goldenen Hirsch" an, die er als Schurff auch im Hause Martin Luthers ein­ Meister vom Stuhl von 1793 bis 1833 lei­ geführt wurde. Nach einem Praktikum am tete. 1818 trat er der neugegründeten Reichskammergericht in Speyer setzte H. Landwirtschaftsgesellschaft bei, über­ das Studium an der Universität Siena fort nahm bis 1833 deren Sekretariatsge­ und schloß es nach weiteren drei Jahren schäfte und stellte ihr die „Oldenburgi- mit der Promotion zum Doktor beider schen Blätter" als Publikationsorgan zur Rechte ab. Er gehörte zu der neuen Berufs­ Verfügung. H. veröffentlichte zahlreiche gruppe der akademisch ausgebildeten Ju­ Zeitschriftenaufsätze, in denen er sich vor risten, die nach dem Vordringen des römi­ allem mit Themen der oldenburgischen schen Rechts die leitenden Stellen in der Geschichte und Vorgeschichte beschäf­ Verwaltung sowie im Gerichtswesen be­ tigte. Krankheiten und zunehmende setzten und den Ausbau des modernen Altersschwäche zwangen ihn seit 1830, Fürstenstaates vorantrieben. Er ließ sich seine Tätigkeiten allmählich einzuschrän­ zunächst als Advokat in Speyer nieder, ken; seit 1835 war er infolge eines Schlag­ wurde 1552 Rat des Herzogs von Braun- anfalls gelähmt. schweig-Wolfenbüttel und trat anschlie­ H. war seit dem 8. 2. 1788 verheiratet mit ßend in die Dienste des Erzbistums Bre­ Sophie Elisabeth Wilhelmine geb. Römer men und des Bistums Verden. 1569 be­ (f 1. 10. 1810), der Tochter des Postmeisters stellte Graf -► Anton I. von Oldenburg Diedrich Christian Römer (1702-1777) und (1505-1573) den inzwischen bekannten der Marie Wilhelmine geb. von Halem und auch bewährten Juristen zum Rat von (f 1784) und Schwester des späteren Kam­ Haus aus, d. h. zum auswärtigen Gutach­ merdirektors -*• Diedrich Christian Römer ter und Berater. Als -* Johann VII. (1540- (1748-1819). Das Ehepaar hatte acht Kin­ 1603) nach seinem Regierungsantritt 1573 der , von denen nur vier die Eltern über­ das Gerichtswesen und die Verwaltung re­ lebten; Johann Christian Wilhelm (1792- organisierte, ernannte er H. am 20. 3. 1573 1874) wurde oldenburgischer Landge­ mit dem Titel eines Kanzlers zum Leiter richtsrat, Friedrich Anton (i 1867) Landge­ der gräflichen Kanzlei, die nun erweiterte richtssekretär in Neuenburg. Kompetenzen erhielt und als Obergericht W: sowie als Arbeitsstab des Landesherrn in Bibliographische Unterhaltungen, 2 Bde., Ol­ allen Regierungsangelegenheiten fun­ denburg 1794 und 1796. gierte. Neben dem jeweiligen Landdrosten L: von Oldenburg erhielt H. damit eine ent­ ADB, Bd. 10, S. 409-410; NDB, Bd. 7, 1966, S. scheidende Stellung in der Politik und Ver­ 535-536; Ludwig Wilhelm Christian von Ha­ waltung der Grafschaft, die er bis zu sei­ lem, in: Neuer Nekrolog der Deutschen, 17, 1839, S. 558-566; Johann Christian Wilhelm nem Tode innehatte. von Halem, Ludwig Wilhelm Christian von Ha­ H. war verheiratet mit Marie geb. von lem, in: Oldenburgische Blätter, Nr. 44 und 45, Wendt; der Ehe entstammten zwei Söhne 1840, S. 361-386 (W); Max Popp, Schwarze und drei Töchter. Hamel 275

L: ren als Redakteur bei einer Reihe von Zei­ Daniel Stangen, Leichpredigt über den Ab­ tungen in Görlitz (1882-1883), Frankfurt schied aus diesem Leben des Weiland . . . an der Oder (1883-1886), Halle an der Herrn Johann von Halle, Magdeburg 1589; Saale (1886-1889), Mannheim und in Han­ Christian Ludwig Runde, Chronik der Olden- burgischen Kanzlei, in: ders., Patriotische nover (1894-1903) angestellt. Obwohl in Phantasien eines Juristen, Oldenburg 1834; erster Linie am Feuilleton interessiert, war Kurt Rastede, Das Eindringen der hochdeut­ er in dieser Zeit hauptsächlich als politi­ schen Schriftsprache in Oldenburg, in: OJb, scher Redakteur tätig und verfolgte dabei 38, 1934, S. 1-107; ders., Aus dem Leben des als engagierter Anhänger Bismarcks eine gräflich-oldenburgischen Kanzlers Johann von nationalkonservative Linie, die auch in sei­ Halle, in: Nachrichten für Stadt und Land, nen von einem überheblichen nationalpa­ 17. 3. 1935; Heinz-Joachim Schulze, Landes­ triotischen Pathos getragenen politischen herr, Drost und Rat in Oldenburg, in: Nieder­ sächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte, Gelegenheitsgedichten durchschlägt. Nach 32, 1960, S. 192-235; Werner Hülle, Geschichte der Thronbesteigung Wilhelms II. brach er des höchsten Landesgerichts von Oldenburg mit den Konservativen und näherte sich (1573-1935), Göttingen 1974. dem liberalen Standpunkt, ohne aber Hans Friedl seine nationalpolitischen Ansichten grund­ legend zu revidieren. 1897 fand H. endlich als Feuilletonredak­ teur am „Hannoverschen Kurier" eine sei­ Hamei, Richard, Dr. phil., Journalist, nen Neigungen und Fähigkeiten entspre­ * 12. 9. 1853 Potsdam, f 7. 9. 1924 Olden­ chende Stellung. Er wurde hier vor allem burg. H., der aus einer wohlhabenden Familie stammte, war der Sohn des Rentiers W. Ha­ mei und dessen Ehefrau Charlotte geb. Brüske. Er besuchte die Gymnasien in Potsdam, Hamm, Küstrin und Friedland und studierte anschließend Germanistik, Philosophie und Naturwissenschaften an den Universitäten Göttingen, München, Zürich, Bern und Rostock, wo er 1878 mit einer Arbeit über die Metrik in Klopstocks Messias promovierte. Noch im gleichen Jahr heiratete er seine aus Hamm stam­ mende Jugendliebe Anna Hundhausen (f 24. 2. 1881) und ging mit ihr nach Finn­ land, wo er an einer Mädchenschule in Helsingfors unterrichtete. Bereits 1880 kehrte er jedoch wieder nach Deutschland zurück und versuchte zunächst, sich als freier Schriftsteller durchzuschlagen. Er führte seine Klopstockstudien weiter und veröffentlichte zwei handwerklich solide Untersuchungen zur Entstehungsge­ schichte des Messias und zu den verschie­ durch seine Theaterkritiken bekannt, die denen Textvarianten dieses Epos, denen er 1900 unter dem zu anspruchsvollen, an wenige Jahre später eine zuverlässige und Lessing erinnernden Titel „Hannoversche kritische Auswahlausgabe der Werke Klop­ Dramaturgie" gesammelt herausgab. In stocks folgte. Daneben gab er eine Samm­ Hannover lernte er die gefeierte Schau­ lung seiner eigenen Gedichte heraus, die spielerin Gertrud Giers (7. 12. 1855 - 27. 7. z. T. bereits in verschiedenen Zeitschriften 1910) kennen, die er am 1. 4. 1899 heira­ erschienen waren. Es stellte sich rasch her­ tete. 1903 wurde H. Feuilletonredakteur aus, daß er davon nicht leben konnte und und Theaterkritiker der „Nachrichten für daher gezwungen war, ab 1882 als Journa­ Stadt und Land" in Oldenburg, für die er list zu arbeiten. Nach einer kurzen Tätig­ bis 1922 arbeitete. Schon nach kurzer Zeit keit in Berlin war er in den folgenden Jah ­ sicherte er sich eine einflußreiche Position 276 Hamelmann im Kulturleben der kleinen Residenzstadt, L: in der er als „Literaturpapst" mit seinen Karl Albrecht, Richard Hamei, in: Nachrichten Artikeln und Rezensionen meinungsbil­ für Stadt und Land, 8. 9. 1924; Fritz Strahl­ dend wirkte. 1916 verlieh ihm der Groß­ mann, Der Neue Omar Khajjam - Richard Ha­ mei, Oldenburg 1925; Heinrich Schmidt (Hg.), herzog für seine Verdienste den Titel Pro­ Hoftheater, Landestheater, Staatstheater, fessor. Oldenburg 1983. Neben seiner Berufstätigkeit veröffent­ Hans Friedl lichte H. eine Reihe von Werken. Er schrieb eine Komödie über das Gymna­ sium seiner Zeit, die nach mehrfacher Um­ Hamelmann, Hermann, Superintendent, arbeitung und unter jeweils wechselndem * um 1526 Osnabrück, f 26. 6. 1595 Olden­ Titel (Die Schulreformer, Unsere Erzieher, burg. Zwei Meister) in Oldenburg und anderen Der Sohn des Notars und Kanonikus Eber­ Städten aufgeführt wurde, nach einem hard Hamelmann (i nach 1564) am Stift Achtungserfolg aber bald wieder von den St. Johann in Osnabrück besuchte zu­ Spielplänen verschwand. Daneben gab er nächst die Stiftsschule in seiner Geburts­ eine neue und vermehrte Sammlung sei­ stadt und danach von 1538 bis 1540 die ner Gedichte heraus und veröffentlichte Domschule in Münster. Um 1541 war er in 1912 pseudonym eine mit philosophischem Emmerich und Dortmund, kehrte dann Anspruch auftretende Spruchdichtung in aber der herrschenden Pest wegen wieder Form des klassischen persischen Vierzei­ nach Osnabrück zurück, wo er noch kurze lers. Seine Gedichte, späte Nachklänge Zeit die Stadtschule besuchte. Seine Erzie­ der Romantik, brachten es zwar auf meh­ hung erfolgte im Geist des Humanismus, rere Auflagen, die wohl auch durch die be­ wie er sich besonders in Münster entwik- rufliche Stellung H.s zu erklären sind, sie kelt hatte, der etwa die Linie des Erasmus gerieten aber zu Recht bald in Vergessen­ heit. W: Nachlaß in der LBO; Klopstock-Studien, H. 1- 3, Rostock 1879-1880; Ein Wonnejahr, Rostock 1879, 18812, Halle 18893, 18914, (5. Aufl. Berlin 1900 unter dem Titel „Zauber der Ehe"); (mit H. E. Jahn), Deutsche Lieder, Rostock 1880; 50 Hyperbeln, Rostock 1881; Epigrammatisches Lustgärtlein. Bismarck-Epigramme und an­ dere, Rostock 1881; (Hg.), Briefe von Johann Georg von Zimmermann, Christoph Martin Wieland und Albrecht von Haller an Vincenz Bernhard von Tscharner, Rostock 1881; (Hg.), Klopstocks Werke, 4 Bde., Stuttgart 1885; Aus Nacht und Licht. Gedichte, Görlitz 1885, 18862; Fürst Bismarck und die deutsche Kunst. Ein Wort zur Hebung des deutschen National­ gefühls im Anschluß an die Polen-Debatten im preußischen Abgeordnetenhaus, Halle 1886; Die reaktionäre Tendenz der weltsprachlichen Bewegung, Halle 1889; Das deutsche Bürger­ tum unter Wilhelm II. im Kampf mit dem Jun­ von Rotterdam verfolgte. Gegen den Wil­ kertum und seiner Gefolgschaft, Halle 1890; len seines Vaters Theologe statt Jurist ge­ Die Schulreformer. Schauspiel, Mannheim worden, studierte H. in Köln, wo er am 1893; Vorfrühling. Gedichte, o. O., o. J.; Han­ 25. 5. 1549 immatrikuliert wurde, und da­ noversche Dramaturgie. Kritische Studien und nach in Mainz. Erst während des Studiums Essays, Hannover 1900; Unsere Erzieher. Ko­ kam er in ein entschieden antilutherisches mödie, Hannover 1901; Zwei Meister. Komö­ Fahrwasser. Er empfing 1550 in Münster die, Berlin o. J. (1901), 19022; Garrick. Eine Ko­ mödie, Berlin 1908; (Pseud. Frank Braun), Die die Priesterweihe und wirkte von 1550 bis Vierzeiler des Neuen Omar Khajjam - Erste 1552 als Vikar an St. Servatii. Seine theolo­ Sammlung: Mit schwarzen Segeln, Berlin gischen Fähigkeiten und sein streng anti­ 1912; Aus Fürst Bülows diplomatischer Werk­ lutherischer Standpunkt bewirkten, daß er statt. Deutsche Politik 1913/1916, Berlin 1916. bald zu weiteren Diensten herangezogen Hamelmann 277 wurde. Er nahm an mehreren Disputatio­ von Gandersheim mit der Absicht, in sei­ nen teil und hatte u. a. in Minden Synodal­ nem Land die Reformation durchzuführen. reden zu halten über Heiligenverehrung, H. überwarf sich jedoch bald mit dem Her­ Zölibat, Mönchsgelübde und Fasten. 1552 zog wegen dessen Eingriffen in die Ge­ wurde H. Pfarrer in Kamen. Hier erfolgte rechtsame des Gandersheimer Stiftes und der entscheidende Durchbruch, der aller­ legte sein Amt 1572 nieder. Bereits 1571 dings durch Studien vorbereitet worden hatte er seine Stelle als Superintendent war, die in seine Münstersche Zeit zurück­ und 1572 auch das Kanonikat verloren. reichten. Am Trinitatissonntag 1553 be­ Zwar wurde er schon im Sommer 1571 kannte er öffentlich in einer Predigt, er nach Essen/Ruhr berufen, da aber die habe nun die Wahrheit erkannt, während Stimmung der Bürgerschaft gegen ihn er sich vorher im Irrtum befunden habe. war, kehrte er zunächst nach Gandersheim Daß er den Durchbruch zunächst in Fragen zurück, wo er einige Zeit als Privatmann der Praxis gewann und in der Kritik von lebte, bis ihn Nicolaus Seinecker nach Mißbräuchen, läßt bereits deutlich wer­ Oldenburg empfahl, wo -*• Johann VII. den, daß seine weitere kirchliche Tätigkeit (1540-1603) versuchte, die kirchlichen Ver­ sich vor allem solchen Fragen zuwenden hältnisse zu ordnen. Seinecker und H., die wird. sich im Sommer 1573 in Oldenburg auf­ Nach diesem öffentlichen Bekenntnis hielten, legten gemeinsam die Grundzüge wurde H. natürlich als Meßpriester in Ka­ einer Kirchenordnung fest, zu deren men abgesetzt und studierte danach in Durchführung H. fortan als Hauptpastor Wittenberg bei Melanchthon, ferner in an Lamberti und als Superintendent in Leipzig und Magdeburg, nachdem er den Oldenburg blieb. Die Durchsetzung der Winter 1553/54 in Ostfriesland verbracht nach ihm benannten Kirchenordnung hatte. Hier lernte er den Grafen -► Chri­ wurde H. nicht leicht, weil er sich für die stoph von Oldenburg (1504-1566) kennen, Konkordienformel einsetzte. Diese bedeu­ dessen Wohlwollen er gewann. H. kehrte tete durchaus keine Gesamtverwerfung al­ nun nach Westfalen zurück und wurde am ler bei Melanchthon vorkommenden Lehr- 2. 8. 1554 Prediger an der Stiftskirche in abweichungen von Luther und war des­ Bielefeld. Als er hier allerdings am Fron­ halb in lutherischen Kreisen nicht unbe­ leichnamstag 1555 „über den wahren Ge­ stritten. Trotz eifrigen Bemühens konnte brauch des Sakraments und seine Einset­ H. die Konkordienformel im Oldenburger zung" predigte und das „Herumtragen des Land nicht durchsetzen. Er hat diese nach Brotes" heftig bekämpfte, zeigten ihn die dem Grafen Johann VII. und dessen Kanz­ Stiftsherren bei der Klevisch-Ravensbergi- ler -► Johann von Halle (1524-1588) unter­ schen Regierung an. H. mußte am 14. 8. schrieben, brachte aber bis September 1555 in Düsseldorf vor seinen Bielefelder 1577 nur achtzehn weitere Unterschriften Gegnern eine Disputation mit dem Hofpre­ zusammen. Als hinderlich erwies sich diger Bomgard und dem Kanzler Vlatten u. a., daß er gegen die Wiedertäufer strei­ bestehen, wurde aber nach seiner Rück­ ten mußte, die vor allem in dem 1575 an kehr alsbald abgesetzt. Noch im selben Oldenburg gekommenen Jeverland starke Jahr fand er eine neue Wirkungsstätte in Stützpunkte hatten, wo sich auch refor­ Lemgo, wo er aber zeitweilig aufgrund mierte Einflüsse vom benachbarten Ost­ von Zwistigkeiten mit seinem Landesherrn friesland her bemerkbar machten. H. aus der Stadt verwiesen wurde. Diese Zeit mußte 1576 das „Friesische Gespräch" in nutzte er, um am 1. 6. 1558 in Rostock Jever abhalten, um die Pfarrer des Landes unter dem Vorsitz von David Chyträus zum auf die Oldenburgische Kirchenordnung Licentiaten der Theologie zu promovieren. zu verpflichten, von denen zwei ihr Amt Nach Lemgo zurückgerufen, disputierte er und das Land verlassen mußten. 1566 in Vinnen (Niederlande) gegen den Die neue Kirchenordnung war nicht ein­ Bilderstürmer Arnold Rosenbergen und fach eine Agende im heutigen Sinne, son­ war im Winter 1566/67 zusammen mit Fla- dern beschäftigte sich in ihrem ersten Teil cius Spangenberg und anderen lutheri­ mit strittigen Lehrfragen, die vor allem im schen Theologen in Antwerpen zur Unter­ Zweifrontenkrieg gegen Papstkirche und stützung der lutherischen Partei tätig. 1568 Schwarmgeister, aber auch innerhalb der berief ihn Herzog Julius von Braun­ lutherischen Kirche selbst aufgebrochen schweig zum Generalsuperintendenten waren. Es sollte also Auskunft darüber ge­ 278 Hamelmann geben werden, wie es fortan mit der rei­ Am wenigsten Freude erlebte H. mit der nen Lehre und der Austeilung der Sakra­ Arbeit, die ihm schon bei seiner Berufung mente, auch mit der Gottesdienstordnung nach Oldenburg aufgetragen worden war, und dem Predigtamt gehalten werden nämlich der Abfassung einer oldenburgi- sollte. Die Kirchenordnung bezog sich schen Chronik. H. machte sich zwar als­ hauptsächlich auf drei Fragen: 1. auf bald an die Arbeit und führte sie bis zum rechte, reine und gesunde Lehre des Ge­ Jahre 1593, erntete jedoch wenig Dank setzes und des Evangeliums und das vom Oldenburger Hof, der die Druckle­ rechte Verständnis und dementsprechen­ gung aus dynastischen Interessen zu­ den Gebrauch der Taufe und des Abend­ nächst verhinderte. Es ging nämlich aus mahls; 2. auf ehrliche, nützliche, äußerli­ der Arbeit H.s hervor, daß die Grafschaf­ che Zeremonien, welche zur Erhaltung ten Oldenburg und Delmenhorst in frühe­ und zur Zier des Predigtamtes, auch zu gu­ ren Zeiten öfter geteilt worden waren. Jo ­ tem Beispiel und zur Verhütung von aller­ hann VII. wünschte jedoch nicht, daß sich lei Ärgernissen gehören-, 3. auf Erhaltung solche Teilungen nachweisen ließen, weil christlicher Schulen und Studien und Ver­ er mit Recht befürchtete, daß sein Vetter, ordnung gewisser Güter und Einkommen, Graf -*• Anton II. von Delmenhorst (1550- damit die Prediger in den Kirchen und die 1619) darin einen Beweis für seine Ansprü­ Lehrer in den Schulen ihren Unterhalt ha­ che sehen würde, die beiden Grafschaften ben mögen. „arithmetice" zu teilen. So beauftragte er H. begnügte sich nicht mit dem Erlaß einer seinen Rat -► Anton Herings ($ 1610), H.s solchen Kirchenordnung, sondern sorgte Werk in dem von ihm gewünschten Sinn auch für ihre Durchsetzung im Land, ins­ zu überarbeiten. Erst nach dem Tode H.s besondere durch seine Visitationen. Es wurde seine Chronik im Jahre 1599 in die­ wurden dabei geprüft: Lehre und Lebens­ ser verfälschten Gestalt veröffentlicht. wandel der Pfarrer, Verständnis und Besse­ 1940 hat -► Gustav Rüthning (1854-1941) rung der Gemeinde in der Glaubenser­ dieses Unrecht durch die Veröffentlichung kenntnis, öffentliche Laster, Ehebruch und des Originals wieder gutgemacht. Unzucht, Verachtung des Sakraments, Un­ H. war viermal verheiratet. Seine erste einigkeit zwischen Pfarrern und Gemein­ Frau war Elisabeth geb. Velstein (t 1555/ den, aber auch Schutz und Erhaltung der 1556). Das einzige Kind aus dieser Ehe, Pfarrer in ihren Rechten, Gebäude und ein Sohn, war schon im August 1555 in Bie­ Einkommen der Kirche, Schulen- und Ar­ lefeld gestorben. Seine zweite Ehefrau Eli­ menversorgung. Zunächst wurde eine Ge- sabeth starb 1573. Die dritte Ehefrau, neralkirchenvisitation angeordnet, die alle Clara geb. Prott (1544-1586) aus Lemgo, Gemeinden der Grafschaften Oldenburg schenkte ihm drei Töchter, Maria, Elisa­ und Delmenhorst umfassen sollte, wobei beth und Gertrud, dazu einen Sohn Johan­ zuerst der kirchliche Grundbesitz festge­ nes, der aber schon vor 1640 verstorben stellt und registriert werden sollte. Sodann sein muß. Der mehr als Sechzigjährige sollte jede einzelne Gemeinde nach einem ging dann eine vierte Ehe ein, seine Ehe­ bestimmten Schema visitiert werden, wo­ frau hieß wahrscheinlich Gertrud geb. bei auf etwa zwanzig Fragen Auskunft ge­ Pörtner. Aus dieser Ehe ging eine Tochter geben werden mußte, die vorher in einem Gesche hervor. Visitationsfragebogen den Gemeinden W: mitgeteilt wurden. Diese Fragen sollten Hermanni Hamelmanni Opera genealogico-hi- zweimal im Jahr, am Sonntag nach Ostern storica de Westphalia et Saxonia inferiori, und am Michaelistag, von der Kanzel ver­ Lemgo 1711; Hermann Hamelmanns lesen und die Gemeinde aufgerufen wer­ geschichtliche Werke. Kritische Neuausgabe, den, sich zur Visitation bereitzuhalten, Bd. 1: Schriften zur niedersächsisch-westfäli- auch wenn eine solche nicht unmittelbar schen Gelehrtengeschichte, hg. von Heinrich bevorstand. Die Protokolle über diese Visi­ Detmer, Karl Hosius, Klemens Löffler, Münster 1902-1908; Bd. 2: Reformationsgeschichte tationen sind zum größten Teil erhalten Westfalens, hg. von Klemens Löffler, Münster und geben Zeugnis davon, mit welchem 1913; Bd. 3: Oldenburgische Chronik, hg. von Fleiß sich der schon bejahrte H. dieser Ar­ Gustav Rüthning, Münster 1940; Oldenbur- beit widmete, die oft durch die schlechten gisch Chronicon. Neue Ausgabe mit einem Wegeverhältnisse und durch Witterungs­ Nachwort von Wilhelm Gilly de Montaut, einflüsse behindert wurde. Oldenburg 1983. Hammerstein 279

L: studierte er Jura an den Universitäten Göt­ ADB, Bd. 10, 1879, S. 474 ff.; NDB, Bd. 7, 1966, tingen und Kiel, wo er Sophie Dorothee S. 585; Hermann Hamelmann, in: Oldenburgi- Luise Gräfin von Holck (26. 9. 1774 - sche Blätter, Nr. 44, 1.11. 1836, S. 345-350 15. 12. 1863), die Tochter des Geheimen (W); Realenzyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, Bd. 7, Leipzig 1899, Konferenzrats und Hofmarschalls Conrad S. 385; Klemens Löffler, Hermann Hamel­ von H. (1745-1800) und dessen zweiter mann, in: Westfälische Lebensbilder, Bd. 4, Ehefrau Juliane Sophie geb. Gräfin Dan- Münster 1933, S. 90-99; Egbert Thiemann, Die neskiold-Laurvig, kennenlernte, die er am Theologie Hermann Hamelmanns, Bethel 22. 8. 1792 heiratete. Nach Beendigung 1959; Franz Flaskamp, Zur Bibliographie Her­ seines Studiums trat H. in den hannover­ mann Hamelmanns, in: Lippische Mitteilun­ schen Justizdienst und war zunächst als gen aus Geschichte und Landeskunde, 29, Hofgerichtsassessor in Stade tätig. 1799 1960, S. 65 ff.; Nikolaus Heutger, Die evange- lisch-theologische Arbeit der Westphalen in wurde der junge und begabte Jurist auf der Barockzeit, Hildesheim 1969; Hermann Vorschlag der hannoverschen Regierung Lübbing, Oldenburg. Historische Konturen, zum Assessor am Reichskammergericht in Oldenburg 1971; Gerhard Wintermann, Die Wetzlar ernannt, wo er jedoch nur zwei Oldenburger Kirchenordnung von 1573, Jahre blieb. Da er in Hannover nicht sofort Oldenburg 1973; ders., Hamelmanns Kirchen­ eine passende Anstellung fand, trat er ordnung im Zusammenhang der Oldenburger 1801 kurzentschlossen und mit Hilfe der Reformationsgeschichte, in: Jahrbuch der Ge­ verwandtschaftlichen Beziehungen seiner sellschaft für Niedersächsische Kirchenge­ Frau in dänische Dienste und wurde Vize­ schichte, 71, 1973, S. 9-19; Friedrich Wilhelm Bautz, Biographisch-Bibliographisches Kir­ kanzler von Glückstadt sowie dänischer chenlexikon, 14. Lieferung, Hamm 1977, Kammerherr. Sp. 504-506 (W, L); Die Evangelischen Drei Jahre später wechselte er in den Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts, hg. oldenburgischen Verwaltungsdienst und von Emil Sehling, Bd. 7, 2. Hälfte, 2. Halb­ wurde am 26. 5. 1804 zum Regierungsprä­ band, Teil 1: Stift Hildesheim, Stadt Hildes­ sidenten des Fürstentums Lübeck ernannt. heim, Grafschaft Oldenburg und Herrschaft Herzog -► Peter Friedrich Ludwig (1755- Jever, bearb. von Anneliese Sprengler-Rup- 1829), dem nicht zu Unrecht eine Vorliebe penthal, Tübingen 1980; Wolf-Dieter Haus­ child, Lutherisches Bekenntnis und Ordnung für adlige Beamte nachgesagt wurde, der Kirche bei Hermann Hamelmann (1526- schätzte den „fähigen" und „geschickten 1595), in: Reinhard Rittner (Hg.), Oldenburg Mann", der sich in seinem Amt bewährte und die Lambertikirche, Oldenburg 1988, und mit energischem Zugriff den Schlen­ S. 41-62; Konrad Specht und Wiebke Pleuß drian und die Mängel beseitigte, die sich (Bearb.), Hermann Hamelmanns „Historia ec- in Folge jahrelanger Vakanz der Präsiden­ clesiastica" über Oldenburg und Delmenhorst, tenstelle im Verwaltungsapparat breitge­ in: OJb, 89, 1989, S. 21-40. macht hatten. Als der dirigierende Mini­ Gerhard Wintermann ster Graf -*• Holmer (1741-1806) im Mai 1806 starb, war H. daher sein gegebener Nachfolger. Allerdings trennte der Herzog bei dieser Gelegenheit die Verbindung Hammerstein, Hans Detlev Freiherr von, zwischen dem Ministeramt und der Stelle Minister, * 18. 3. 1768 Castorff/Lauenburg, des Oberlanddrosten von Oldenburg, da t 30. 7. 1826 bei Rüdesheim. sich diese Doppelfunktion unter Holmer Die Familie H., die zum Bergischen Uradel wegen des häufigen Wechsels des Hofes gehört und seit etwa 1400 nachweisbar ist, von Oldenburg nach Eutin nicht bewährt kam im 17. Jahrhundert nach Niedersach­ hatte. Auf Bitte Peter Friedrich Ludwigs sen und teilte sich hier in die Linien blieb aber H. auch weiterhin Regierungs­ Equord, Gesmold und Loxten. Hans Detlev präsident des Fürstentums Lübeck. Als Mi­ von H. entstammte der jüngeren Loxtener nister hatte er in den nächsten Jahren Linie; er war der Sohn des Gutsbesitzers nicht viel Gelegenheit, eigene Initiativen Hans Christian von Hammerstein (15. 5. zu entfalten. Zum einen behielt sich Peter 1741 - 14. 5. 1771) und dessen Ehefrau Ca­ Friedrich Ludwig, der selbst regieren roline Agnes Luise geb. von Schräder wollte, die meisten Entscheidungen vor, (19. 4. 1744 - 28. 12. 1801). Er besuchte die was angesichts der Kleinheit des Landes Ritterakademie in Lüneburg und ab 1784 durchaus möglich war, wenn es auch den das Pädagogium in Ilfeld. Anschließend Verwaltungsprozeß zunehmend verlang­ 280 Hansen samte. Zum anderen bestand in diesen und sie auf diese Weise zu festigen. Seine Jahren die Hauptaufgabe des Ministers in Ansichten verwickelten ihn nicht nur in der Verteidigung der Selbständigkeit des scharfe Auseinandersetzungen mit der re­ Landes und in der - wenig erfolgreichen - aktionären Adelsgruppe in der Ständever­ Abwehr der französischen Übergriffe. H. sammlung, sondern brachten ihn auch in führte die Verhandlungen über den Ein­ Gegensatz zu den erzkonservativen Mini­ tritt Oldenburgs in den Rheinbund und stern in Hannover. Unter diesen Umstän­ nahm neben dem Herzog im Oktober 1808 den bat er um die Versetzung auf eine am Kongreß von Erfurt teil, wo die feierli­ Amtmannstelle fern der Hauptstadt, die che Unterzeichnung der Beitrittsurkunde ihm wegen des geringeren Repräsenta­ erfolgte. Schon im Dezember 1810 wurde tionsaufwandes auch zum Ausgleich neu­ dann die Einverleibung Oldenburgs in das erlicher Spielverluste erstrebenswert er­ französische Kaiserreich verkündet und im schien. Die Regierung, die auf seine Fähig­ Februar 1811 auch vollzogen. Die Be­ keiten nicht verzichten wollte, ernannte schränkung seiner Tätigkeit auf den nörd­ ihn aber 1822 zum Bundestagsgesandten lichen Teil des Fürstentums Lübeck, der in Frankfurt, wo er sich mit gewohnter von der französischen Okkupation ausge­ Energie und Tüchtigkeit für die hannover­ nommen blieb, war der äußere Anlaß für schen Interessen einsetzte. Seine Spiel­ das im Februar 1811 erfolgende Rücktritts­ sucht wurde ihm hier schließlich zum Ver­ gesuch H.s. Den eigentlichen Grund bilde­ hängnis. Als er die zur Deckung seiner ten freilich die zerrütteten Vermögensver­ Schulden veruntreuten Matrikularbeiträge hältnisse H.s, der sein großes Vermögen nicht ersetzen konnte, sah er nach dem im Laufe der Zeit durch seine nicht zu Ehrenkodex der Zeit und seines Standes unterdrückende Spielsucht verloren hatte. im Selbstmord den einzigen Ausweg. Am Widerstrebend nahm der Herzog im Mai 30. 7. 1826 suchte und fand er in der Nähe 1811 die Demission an. von Rüdesheim den Tod im Rhein. H. ging nach England und wurde von dem W: mit ihm weitläufig verwandten hannover­ Teilnachlaß im StAO; Mitteilungen aus dem li­ schen Minister Graf Münster in das Haupt­ terarischen Nachlaß, 1. Lieferung (mehr nicht quartier des schwedischen Kronprinzen erschienen), Lüneburg 1832. gesandt. Er sollte Bernadotte zu energi­ L: scher Kriegführung im nördlichen ADB, Bd. 10, 1879, S. 490-491; NDB, Bd. 7 Deutschland antreiben und dabei in den 1966, S. 594-595; Wilhelm und Emil von Ham­ eroberten Gebieten die hannoverschen merstein, Geschichte der Freiherrlich von Interessen wahren. H., der seinen Auftrag Hammersteinschen Familie, Hannover 1856; Emil und Carl von Hammerstein (Hg.), Ge­ mit Erfolg durchführte, wurde nach Been­ schlechts-Album der Freiherren von Hammer­ digung des Krieges wieder in den hanno­ stein, o. O. 1889; Wilhelm Rothert, Im alten verschen Staatsdienst übernommen. Als Königreich Hannover 1814-1866, Hannover Geheimer Kriegsrat arbeitete er zunächst 1914, S. 539-540; Carl Haase, Briefe des Her­ an der Reorganisation der Armee mit und zogs Peter Friedrich Ludwig an den Kabinetts­ setzte sich danach als Geheimer Rat für sekretär Trede, in: OJb, 58, 1959, S. 29-53. eine den gewandelten Verhältnissen ent­ Hans Friedl sprechende Umgestaltung der Verwaltung des Landes ein. Von 1814 bis 1818 gehörte er als Deputierter der Stadt Buxtehude der Ständeversammlung an, in der er vor Hansen, Theodor Heinrich Fürchtegott, Dr. allem für die Aufhebung der überholten theol. h.c., Oberkirchenrat, * 5. 4. 1837 Steuerexemtionen des Adels eintrat und Kiel, i 1. 8. 1923 Oldenburg. eine gleichmäßige Verteilung der Steuern Der Pastorensohn besuchte das Gymna­ auf die einzelnen Provinzen des Königrei­ sium in Kiel und studierte ab 1856 Theolo­ ches forderte, um deren Zusammenwach­ gie an den Universitäten Kiel, Göttingen, sen zu erleichtern. Als ausgesprochener Basel und Berlin. Nach Ablegung der bei­ Reformkonservativer war er bestrebt, un­ den theologischen Examina (1861) war er haltbar gewordene Privilegien zu beseiti­ zunächst als Erzieher im Hause des Grafen gen und durch rechtzeitige, präventive Re­ Brockdorff-Ahlefeld und als Repetent in formen die gesamte Staatsorganisation Göttingen tätig. 1865 wurde er in Kiel ordi­ den neuen Anforderungen anzupassen niert. Im Dezember 1866 wurde er Archi- Hardekopf 281

diakon an der St. Nikolaikirche in Kiel, im Januar 1872 Pastor des Heilig-Geist-Pfarr- bezirks und im April 1874 schließlich Propst in Kiel. Am 1. 5. 1879 wurde er zum Hofprediger in Oldenburg und zum 1. geistlichen Mitglied des Oberkirchenrats sowie des Evangelischen Oberschulkolle-

giums ernannt. 1883 erhielt er den Titel Oberhofprediger und 1887 den Titel Ge­ heimer Oberkirchenrat. Im selben Jahr verlieh ihm die Theologische Fakultät der Universität Göttingen die Ehrendoktor­ würde. H. stand fest auf dem Boden des lutherischen Bekenntnisses. Von verschie­ denen Seiten wurde ihm in seiner Amts­ führung zu große Nachgiebigkeit, vor allem im Fall des falschen Pastors -*• Par- tisch (1860-1928), vorgeworfen. Rückhalt fand er am großherzoglichen Haus, das er insbesondere bei der Förderung der Inne­ ren Mission beriet. Am 1. 5. 1917 trat H. in den Ruhestand und wurde bei diesem An­ laß mit dem Titel eines Geheimen Rats ausgezeichnet.

W: Rede bei der Beisetzung Ihrer Königl. Hoheit, der Erbgroßherzogin Elisabeth von Olden­ burg, Oldenburg 1895; Rede bei der Beiset­ zung Ihrer Königl. Hoheit, der Großherzogin Elisabeth von Oldenburg, Oldenburg 1896; Rede bei der Beisetzung Seiner Königl. Ho­ heit, des Großherzogs Nicolaus Friedrich Peter von Oldenburg, Oldenburg 1900. L: Johannes Ramsauer, Die Prediger des Herzog­ tum Oldenburgs seit der Reformation, Olden­ burg 1909; Hugo Harms, Ereignisse und Ge­ stalten der Geschichte der evangelisch-lutheri­ schen Kirche in Oldenburg, Oldenburg 1966. Heinrich Höpken 282 Harlingen

Harlingen, Christian (Christoph) von, Landdrost, * ?, i 13. 10. 1621 Oldenburg. H. stammte aus einer alten braunschweigi­ schen Adelsfamilie, die seit dem 13. Jahr­ hundert im Lüneburgischen urkundlich nachweisbar ist. Sie teilte sich im 16. Jahr­ hundert in zwei Linien, von denen sich eine in Berne niederließ. Wir wissen kaum etwas über H.s Leben und Laufbahn. Er stand seit etwa 1573 im Dienst des Grafen -► Johann VII. (1540-1603), in dem er schließlich als Drost von Oldenburg zum obersten Beamten der Grafschaft aufstieg und praktisch die Stellung eines leitenden Ministers späterer Zeiten einnahm. Graf -*• Anton Günther (1583-1667) bestätigte ihn nach seinem Regierungsantritt am 1. 1. 1604 in diesem Amt, das H. bis zu seinem Tode innehatte. Er war verheiratet mit Elisabeth geb. von Wahlen (i 2. 6. 1604), der Tochter des Wulfrath von W. und der Marie geb. von Ritzerau; sein Sohn Anton Günther (1595- 1655) wurde braunschweigisch-lüneburgi- scher Rat und Landdrost der Grafschaft Diepholz; sein Sohn Johann war Hofjun­ ker und wurde 1632 einer der Obervorste­ her des neugegründeten Armen- und Wai­ senhauses im Kloster Blankenburg. L: Johann Just Winkelmann, Oldenburgische Friedens- und der benachbarten Oerter Kriegshandlungen, Bremen 1671, Reprint Os­ nabrück 1977; Johann Heinrich Schloifer, Ver­ such einer ausführlichen Staats-Geschichte . . . der Grafschaften Oldenburg und Delmen- Hartong 283 hörst, o. J., MS, S. 291, LBO; Heinz-Joachim H. war seit dem 18. 7. 1852 verheiratet mit Schulze, Landesherr, Drost und Rat in Olden­ Marie Elisabeth geb. Erdmann (22. 6. burg, in: Nds. Jb., 32, 1960, S. 192-235. 1830 - 8. 7. 1878), der Tochter des Regie­ Hans Friedl rungspräsidenten -► Albrecht Johannes Theodor E. (1795-1893) und der Emma geb. Rüder (1801-1860). Aus dieser Ehe Harms, Johann Caspar C h ristian Georg, stammten eine Tochter und vier Söhne, Lehrer, * 8. 4. 1819 Ellwürden, f 8. 11. von denen August Theodor H. (* 1853) Ge­ 1896 Oldenburg. heimer Admiralitätsrat in Berlin wurde. Der Sohn des Amtseinnehmers Hinrich Am 25. 9. 1880 heiratete H. in zweiter Ehe Christian Harms (1782-1837) besuchte die Adelheid Loose (24. 6. 1833 - 29. 5. 1923), Volksschule und trat im Herbst 1833 in das die Tochter des Bremer Pastors Bernhard L. Lehrerseminar in Oldenburg ein. Von 1835 W: bis 1838 war er Hilfslehrer, Hauptlehrer, Bemerkungen über methodisches Rechnen, Organist und Küster in Blexen. Nach Oldenburg 1850; Die erste Stufe des mathema­ einem weiteren Seminarbesuch im Winter­ tischen Unterrichts in einer Reihenfolge me­ halbjahr 1838/39 wurde er Lehrer an der thodisch geordneter arithmetischer und geo­ mit dem Seminar verbundenen Übungs­ metrischer Aufgaben dargestellt, 2 Bde., schule und wechselte ein halbes Jahr spä­ Oldenburg 1852-1854; Methodisch geordnete ter an die städtische Volksschule in Olden­ Aufgaben zunächst zur Uebung im schrift­ lichen Rechnen für gehobene Volksschulen burg. Als von dieser Schule Ostern 1842 und die unteren Classen der Gymnasien und die gehobene Stadtknabenschule abge­ Realschulen, Oldenburg 1860^; Das Schulwe­ zweigt wurde, erhielt H. hier eine Anstel­ sen des Großherzogtums Oldenburg, in: lung, die er - mit Unterbrechungen für 21. Programm der Vorschule und höheren Bür­ seine Weiterqualifikation - bis zu seiner gerschule zu Oldenburg, Oldenburg 1864, Versetzung in den Ruhestand 1888 behielt. S. 3-36; Das neue Maß- und Gewichtssystem, Da die gehobene Stadtknabenschule 1843 nebst einigen Bemerkungen über den Rechen­ unterricht, Oldenburg 1869; Zur Geschichte zur höheren Bürgerschule, 1870 zur Real­ des Schulwesens in der Stadt Oldenburg, in: schule und 1881 zur Oberrealschule 35. Programm der Vorschule und der Real­ (heute: Herbart-Gymnasium) umgewan­ schule zu Oldenburg, Oldenburg 1878, S. 1- delt wurde, bemühte sich H. um eine ent­ 24; Zwei Abhandlungen über Rechenunter­ sprechende Erweiterung seiner Ausbil­ richt, Oldenburg 1889. dung. Ab 1845 studierte er - zunächst in Klaus Klattenhoff Berlin, dann in Braunschweig - Mathema­ tik und Naturwissenschaften. 1847 be­ stand er die Prüfung für das höhere Lehr­ amt und wurde 1852 zum Oberlehrer, 1873 Hartong, Konrad Wilhelm Heinrich, zum Professor ernannt. Oberamtsrichter und kommissarischer Re­ Für die Schule war H. in vielfältiger Weise gierungspräsident, * 11. 9. 1861 Eutin, wirksam. Er arbeitete in verschiedenen f 23. 1. 1933 Oldenburg. Kommissionen und Kuratorien mit und Der Sohn des Revisors Conrad Wilhelm setzte sich für die Ausweitung und Aner­ Hartong (i 27. 2. 1898) und der Henriette kennung von höheren Schulen mit „latein­ geb. Hacke besuchte das Gymnasium in losem Unterricht" ein. Schon mit 25 Jah ­ Eutin und studierte von 1881 bis 1884 Jura ren veröffentlichte er sein erstes Rechen­ an den Universitäten Freiburg und Göttin­ buch, das er bis ins hohe Alter hinein gen. Nach Ablegung der beiden Staatsex­ immer weiter ausdifferenzierte und über­ amina trat er 1890 in den oldenburgischen arbeitete. Damit legte er den Grundstock Staatsdienst und war zunächst als Auditor für „Harms Rechenbuch", das bis weit ins bei den Amtsgerichten Jever und Varel so­ 20. Jahrhundert hinein in den Schulen be­ wie beim Landgericht Oldenburg tätig. nutzt wurde. Daneben verfaßte er einige 1892 wurde er Hilfsrichter beim Amtsge­ wichtige Arbeiten zur Entwicklung des richt Oberstein im Fürstentum Birkenfeld Oldenburger Schulwesens, zu Fragen der und 1894 Amtsrichter in Nohfelden. Von Schulreform und zu naturwissenschaftli­ 1900 bis 1906 war er Richter beim Landge­ chen Themen. Von 1848 bis 1868 gehörte richt Oldenburg und übernahm 1907 als H. dem Literarisch-geselligen Verein an. Oberamtsrichter die Leitung des Amtsge­ Er wurde mehrfach ausgezeichnet. richtes Birkenfeld. Er betätigte sich auch 284 Haskamp politisch und gehörte von 1911 bis 1924 als lution im Jahre 1919, Werden/Saar 1933; Kurt Zentrumsabgeordneter dem oldenburgi- Hartong, Die Birkenfelder Revolution von schen Landtag an. Nach der Absetzung 1919, in: OJb, 78/79, 1978/79 S. 83-130; H. Pe­ des kommissarischen Regierungspräsiden­ ter Brandt, Die Regierungspräsidenten in Bir­ kenfeld, Birkenfeld 1990, S. 60-66. ten -*• H. Pralle (1863-1939) wurde H. von Hans Friedl der französischen Militärverwaltung am 15. 6. 1919 als provisorischer Regierungs­ präsident in Birkenfeld eingesetzt, trat die­ ses Amt jedoch erst nach Einholung der Er­ Haskamp, Bernhard Heinrich, Generalde­ chant, * 11. 12. 1757 Damme, f 16. 3. 1823 Vechta. Der Sohn des Bernhard Heinrich Haskamp und dessen Ehefrau Adelheid geb. Fischer wuchs in Damme auf und besuchte ver­ mutlich das Gymnasium in Vechta. Danach studierte er Theologie, wahrscheinlich in Münster, wo er 1781 zum Priester geweiht wurde. Anschließend war H. als Missions­ geistlicher in Glückstadt (1781-1785) und in Bremen tätig und erhielt im April 1797 die Pfarrstelle in Vechta. 1801 wurde er De­ chant des Amtes Vechta und 1807 auch des Amtes Cloppenburg. Die oldenburgische Regierung, die bestrebt war, die katholi­ sche Kirche ihres Landes ähnlich der evan­ gelischen einer möglichst weitgehenden staatlichen Kontrolle zu unterwerfen, er­ reichte im Einvernehmen mit dem Münsterschen Generalvikariat, daß H. 1807 zum Generaldechanten für die Ämter laubnis aus Oldenburg an. Nach der Aus­ Vechta und Cloppenburg ernannt wurde; rufung der von den Franzosen protegier­ 1809 wurde seine Zuständigkeit auf die ten „selbständigen Republik Birkenfeld'' Katholiken in der Stadt Oldenburg und in im Juli 1919 konnte H. zwar noch kurze Wildeshausen ausgedehnt, 1814 wurden Zeit sein Amt ausüben, wurde aber am ihm auch die Katholiken in Jever unter­ 30. 8. 1919 von der separatistischen Regie­ stellt. Damit gab es im Herzogtum Olden­ rung abgesetzt, der er am 3. September burg erstmalig einen obersten kirchlichen die Geschäfte übergab. H. blieb zunächst Amtsträger für alle katholischen Kirchen­ als Oberamtsrichter in Birkenfeld und gemeinden, dessen Amtsbefugnisse frei­ wurde 1923 nach seiner Ausweisung durch lich einseitig durch den Landesherrn fest­ die Franzosen an das Amtsgericht in gelegt wurden. Der Generaldechant Oldenburg versetzt, wo er 1924 zum Amts­ wurde der Kommission der geistlichen An­ gerichtsdirektor ernannt wurde. gelegenheiten unterstellt, die schon bald H. war seit dem 14. 9. 1893 verheiratet mit nach 1803 gebildet worden war. Im Rah­ Elisabeth geb. Karrig (1. 5. 1861 - 28. 4. men ihrer Anordnungen oblag dem Gene­ 1949), der Tochter des Rostocker Landge­ raldechanten die Aufsicht über das katho­ richtsdirektors und Bürgermeisters Ludwig lische Kirchen- und Schulwesen und im K. und der Ernestine geb. Raspe. Der aus Zusammenwirken mit dem 1809 eingesetz­ dieser Ehe stammende Sohn Konrad Ernst ten advocatus piarum causarum auch die gen. Kurt (8. 8. 1894 - 17. 12. 1980) wurde Kontrolle des Kirchenvermögens. Dank später Oberkreisdirektor des Landkreises seiner Tüchtigkeit wurde H. zu einer Cloppenburg und Mitbegründer der Schlüsselfigur der oldenburgischen Kir­ Oldenburg-Stiftung. chenverwaltung. Er stand noch ganz auf L: dem Boden der staatskirchlichen Subordi­ Heinrich Baldes, Die hundertjährige Ge­ nationstheorie und hielt sich in seiner schichte des Fürstentums Birkenfeld, Birken­ Amtsführung streng an die landesherrli­ feld 1921; Otto Baltes, Die Birkenfelder Revo­ che Bestallung und Instruktion. Er er­ Haßkamp 285 reichte, daß sich der Konflikt zwischen der das Gymnasium in Vechta besuchen und herzoglichen Regierung und der bischöfli­ anschließend Jura an den Universitäten chen Behörde über die Nominierung der Freiburg, München, Berlin und Göttingen Pfarrer und die Veröffentlichung kirchli­ studieren. 1897 bestand er die erste juristi­ cher Erlasse in erträglichen Grenzen hielt, sche Staatsprüfung in Oldenburg. Nach obwohl es dabei um die grundsätzliche dem üblichen Referendardienst und der Frage ging, ob das Nominationsrecht als zweiten juristischen Staatsprüfung wurde Ausfluß der landesherrlichen Gewalt oder er 1901 zum Regierungsassessor ernannt, des bischöflichen Amtes anzusehen sei. Der oldenburgische Klerus war offenbar gegenüber den Absichten der Regierung, eine weitgehend von der bischöflichen Verwaltung in Münster losgelöste „olden­ burgische Kirche", vielleicht sogar ein eigenes Bistum zu schaffen, überwiegend positiv eingestellt. 1821 wurde Oldenburg durch die päpstliche Zirkumskriptions- bulle „De salute animarum" dem Bistum Münster zugeteilt, aber zu einer dauerhaf­ ten Regelung kam es erst 1830 im Vertrag von Oliva, der zur Einrichtung eines Bi- schöflich-Münsterschen Offizialats in Vechta führte. H. hat den Abschluß dieser Entwicklung, die er vorbereiten half, nicht mehr erlebt. Nach seinem Tode wurde die Stelle des Generaldechanten, der ein Vorläufer des späteren Offizials war, nicht wieder be­ setzt. L: 1902 an das Amt Vechta und 1903 an die Karl Willoh, Geschichte der katholischen Pfar­ Regierung in Eutin versetzt. Am 1. 2. 1913 reien im Herzogtum Oldenburg, 5 Bde., Köln wurde H. Amtshauptmann in Friesoythe, 1898/99, Reprint Osnabrück 1975; Heinz-Jo- wo er zehn Jahre tätig war. Von 1919 bis achim Schulze, Die Begründung des Bischöf- 1925 gehörte er als Zentrumsabgeordneter lich-Münsterschen Offizialats in Vechta, in: dem Landtag an und war in den letzten OJb, 62, 1963, S. 71-121; ders., Vom Niederstift Jahren Vorsitzender der Fraktion seiner Münster zum Oldenburger Münsterland, ebd., Partei und Vizepräsident des Parlaments. 80, 1980, S. 77-97; Josef Zürlik, Die katholi­ schen Dekanate im Herzogtum Oldenburg 1925 verzichtete er bei der Neuwahl auf und ihr Verhältnis zum Staat, in: OJb, 89, eine Kandidatur, da er die parlamentari­ 1989, S. 55-74; Helmut Hinxlage, Die Ge­ sche Arbeit nicht mehr mit seinem Haupt­ schichte des Bischöflich Münsterschen Offizia­ amt als Amtshauptmann und der Fürsorge lates in Vechta, Vechta 1991. für seine Familie glaubte vereinbaren zu Franz Hellbernd können. Seit dem 1. 4. 1923 war H. Amts­ hauptmann in Vechta. Im Zuge der natio­ nalsozialistischen Personalpolitik, insbe­ sondere gegen Katholiken in leitenden Haßkamp, Eduard Christian Jo sef, Amts­ Stellungen, die sich erstaunlicherweise hauptmann, * 1. 2. 1874 Friesoythe, i 6. 10. erst nach dem Schulstreik in Goldenstedt 1946 Oldenburg. (April 1938) und der damit in Zusammen­ H. war der älteste von drei Söhnen des hang stehenden Ausweisung des Offizials wohlhabenden Friesoyther Kaufmanns -*• Vorwerk (1884-1963) aus dem Oldenbur­ Helmerich Josef Haßkamp (1806-1883) ger Land verschärfte, wurde H. im Juli und dessen Ehefrau Caroline E lisa b e th 1938 von der Regierung veranlaßt, selbst geb. Nordhoff (1851-1935). Dank der Tat­ seine vorzeitige Pensionierung zu beantra­ kraft seiner bereits mit 32 Jahren verwit­ gen. Mit Urkunde vom 25. 9. 1938 wurde weten Mutter konnte er - durch Privat­ er mit Wirkung vom 31. 12. 1938 in den Ru­ unterricht vorbereitet - von 1888 bis 1893 hestand versetzt und bis dahin beurlaubt; 286 Haxthausen einen Monat später würde er ohnehin we­ ben an. 1676 reiste H. nach Braunschweig gen Erreichung der gesetzlichen Alters­ und Hessen-Kassel, um dort Unterstützung grenze pensioniert worden sein. Kurz dar­ für den Krieg gegen Schweden zu erlan­ auf wurden auch mehrere katholische Bür­ gen. 1678 schloß er ein Hilfsabkommen germeister ihrer Ämter enthoben. Im No­ mit dem Bischof von Münster. 1687 war er, vember 1938 zog H. mit seiner Familie inzwischen Träger des zweithöchsten däni­ nach Bonn, wurde 1944 ausgebombt und schen Ordens, des Dannebrogordens, kehrte nach Oldenburg zurück, wo er im außerordentlicher Gesandter in Dresden, Oktober 1946 starb. Celle, Hannover und Wien. Schon bevor er H. war seit dem 19. 10. 1903 verheiratet am 31. 5. 1692 zum Oberlanddrosten der mit Sophia Josepha Anna geb. Diebels Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst (16. 12. 1878 - 20. 9. 1945), der Tochter des ernannt wurde, hielt er sich in Oldenburg Seminarlehrers Franz D. und der Sophia auf und führte die Geschäfte des Ober­ Franziska geb. Lameyer. Das Ehepaar landdrosten. Nach kurzer Zeit, am 31. 5. hatte sechs Kinder, von denen Eduard 1694, schied H. nach ständigen Streitigkei­ (* 1915) später Präsident des Niedersächsi­ ten mit dem Gouverneur -► Gustav Wilhelm schen Verwaltungsbezirks Oldenburg von Wedel (1641-1717) wieder aus diesem wurde. Amt. Er führte für Dänemark auch wäh­ rend seiner Oldenburger Zeit Allianzver­ W: Nachlaß im Besitz der Familie. handlungen in Dresden und in Berlin, wo L: er 1694 überraschend starb. Hermann Bitter, Amtshauptmann Josef Haß­ H. heiratete am 6. 4. 1689 Dorothea Ju ­ kamp in Memoriam, in: HkOM, 1966, S. 127 - stina von Aldenburg (28. 1. 1663 - 25. 12. 128; Amtshauptmann Haßkamp im Sommer 1735), eine der fünf Töchter des Grafen -► 1938 zum Rücktritt gezwungen (Auszug aus Anton I. von Aldenburg (1633-1680). Da­ den Erinnerungen H.s), in: Heimatblätter, Bei­ durch wurde er Schwager von -+■ Georg lage der Oldenburgischen Volkszeitung vom (Jürgen) von Wedel-Jarlsberg (1666-1717), 31. 12. 1981. der ihm als Oberlanddrost in Oldenburg Hans Friedl und Delmenhorst nachfolgte. Sein Sohn -► Christian Friedrich (1690-1740) wurde spä­ ter ebenfalls Oberlanddrost der beiden Grafschaften. Haxthausen, Anton Wolf (Wulff) Freiherr L: von, Oberlanddrost, * 1. 6. 1647 Thienhau- O. H. Möller, Nachrichten von dem Geschlecht sen, f 19. 11. 1694 Berlin. derer von Haxthausen, Schleswig 1784; Chr. H., der aus der lutherischen Linie des H. Brasch, Vemmetoftes Historie, Bd. 2, Kopen­ uradligen Geschlechts H. stammte, war hagen 1860; ders., Molewortes Skrift „An Ac­ der Sohn des Wolf Haxthausen und der count of Denmark", Kopenhagen 1879; Dan- Mechtilde Sophie geb. von Hanxleben. marks Adels Aarbog, Bd. 4, Kopenhagen 1887; Dansk Biografisk Leksikon, 1. Aufl., Bd. 7, Ko­ Siebenjährig kam er 1654 als Page an den penhagen 1893; 2. Aufl., Bd. 9, Kopenhagen Hof des Grafen -*• Anton Günther von 1936; 3. Aufl., Bd. 6, Kopenhagen 1980. Oldenburg (1583-1667), einem Jugend­ Inger Gorny freund seines Vaters, wo er eine sorgfäl­ tige Erziehung erhielt. Nach dem Tode des Grafen verließ H. 1669 Oldenburg, um dem dänischen König Friedrich III. als Jun­ ker zu dienen. Da er das starke Interesse Haxthausen, Christian Friedrich Graf von, für Pferde mit König Christian V., der 1670 Oberlanddrost, * 19. 7. 1690 Pyrmont, Ï 26. den Thron bestieg, teilte, gehörte er bald 12. 1740 Oldenburg. zum engsten Kreis des Hofes und machte H. war der älteste Sohn des Oberland­ schnell Karriere. So wurde er 1671 erst drosten -*• Anton Wolf von Haxthausen Reitjunker und dann Stallmeister, 1679 (1647-1694) und der Dorothea Justina geb. erster Stallmeister und 1680 Oberstallmei­ von Aldenburg (1663-1735), einer Tochter ster. Der König, der mit H.s Arbeit beim -► Antons I. von Aldenburg (1633-1680) Aufbau des bald berühmten Gestüts auf und Enkelin des Grafen -► Anton Günther Schloß Frederiksborg sehr zufrieden war, von Oldenburg (1583-1667). Unter seinen vertraute ihm auch diplomatische Aufga­ Paten waren Christian V. von Dänemark, Hayen 287

Kronprinz Friedrich von Dänemark und Bd. 4, Boppard 1965; Oie Kyhl, Den landmili- Kurfürst Friedrich III. von . taere Centraladministration, Bd. 2, Kopenha­ Nach einer sorgfältigen Erziehung stu­ gen 1976. dierte H. zwei Jahre Jura in Halle. Seiner Inger Gorny Neigung zum Militär folgend, ging er 1708 in den Dienst erst Englands, dann der Nie­ derlande und nahm an mehreren Schlach­ ten teil. 1711 wurde er Kapitän bei der Hayen, Heinrich Wilhelm, Vizepräsident Garde und Kammerjunker der dänischen des Oberappellationsgerichts, * 2. 8. 1791 Königin Charlotte Amalie, der Witwe Chri­ Oldenburg, i 25. 3 1854 Oldenburg. stians V. 1716 folgte die Ernennung zum Der Sohn des Schreibers und späteren Major und kurz danach zum Oberstleut­ Kammerrevisors Helmerich Hayen und nant. In den folgenden Jahren diente H. in dessen Ehefrau Wilhelmine Charlotte geb. Norwegen, wo er an den kriegerischen Barkemeyer besuchte das Gymnasium in Auseinandersetzungen während des Oldenburg und studierte Jura ab 1808 in Großen Nordischen Krieges teilnahm. Jena und ab 1810 in Heidelberg. In Jena Gleich nach Kriegsende 1720 wurde H. gehörte er der Landsmannschaft Westpha- erst nach Arhus in Jütland als Chef eines lia an, in Heidelberg dem Corps Hanno­ Infanterieregiments versetzt und kurz da­ vera. Nach der Einverleibung Oldenburgs nach nach Seeland. 1730 avancierte er in das französische Kaiserreich setzte H. zum Chef des Leibregiments der Königin 1811 sein Studium an der Universität Dijon und erhielt bald darauf die Ernennung fort, an der er 1812 das Abschlußexamen zum Kammerherrn. 1731 quittierte er den bestand und das Diplom eines License er­ Militärdienst und wurde am 2. Januar De­ hielt. Dieses berechtigte ihn, die Advoka­ putierter des Landesetatgeneralkommissa­ tur auszuüben. Ende 1812 kehrte H. nach riats. 1735 wurde er mit dem zweithöch­ Oldenburg zurück und bekam sogleich - sten dänischen Orden, dem Dannebrogsor- noch während der französischen Beset­ den, ausgezeichnet und 1736 in den däni­ zung - eine Anstellung als Advokat. 1815 schen Grafenstand erhoben. Am 13. 12. wurde er von der oldenburgischen Regie­ 1736 wurde H., der kurz zuvor das Gut Nienfelde von seiner Mutter geerbt hatte, zum Oberlanddrosten der Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst und am 25. 2. 1737 zum Obervorsteher des Klosters Blan­ kenburg ernannt. H. war seit dem 29. 8. 1721 verheiratet mit Margrethe Hedevig geb. Juel (24. 2. 1702 - 19. 2. 1752), der Tochter des Generalleut­ nants Gregers Juel und der Vibeke geb. Juel, der Hofmeisterin der Prinzessin Louise und Enkelin des dänischen Seehel­ den Niels Juel. Aus der Ehe gingen 14 Kin­ der hervor, darunter Clemens August (1738-1793), der dänischer General wurde. H. wurde in der Lambertikirche in Olden­ burg beigesetzt. L: rung als Anwalt beim Landgericht und O. H. Möller, Nachrichten von dem Geschlecht 1817 beim Oberappelationsgericht zuge­ derer von Haxthausen, Schleswig 1784; Dan- lassen. Drei Jahre später trat H. in den marks Adels Aarbog, Bd. 4 Kopenhagen 1887; oldenburgischen Justizdienst ein und Dansk Biografisk Leksikon, 1. Aufl., Bd. 7, Ko­ wurde Assessor beim Landgericht. Von penhagen 1893; 2. Aufl., Bd. 9, Kopenhagen 1827 bis 1842 war er Mitglied des General­ 1936; J. C. W. Hirsch, Fortegneise over danske direktoriums für das Armenwesen. 1828 og norske officerer 1648-1814, MS, Rigsarkiv wurde er zum Kanzleiassessor und Mit­ Kopenhagen; Fritz Juntke, Matrikel der Mar- tin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle glied des Konsistoriums, 1830 zum Kanz­ I960; Fritz Roth, Restlose Auswertungen von leirat ernannt. Von 1833 bis 1836 fungierte Leichenpredigten und Personalschriften, H. auch als Mitdirektor des Schullehrerse­ 288 Hayo Harlda minars. 1840 erhielt er den Titel eines Ge­ Heidenreich, Oldenburgische Kriminalpolitik heimen Hofrats und wurde Mitglied der im 19. Jahrhundert. Strafgesetzgebung und Justizkanzlei. Im selben Jahr wurde er in Strafrechtspflege in Oldenburg von 1803 bis die exklusive Literarische Gesellschaft 1866 im Spiegel der Strafrechtswissenschaft, Diss. iur. Marburg 1967; Werner Hülle, Ge­ aufgenommen. 1842 übernahm er den Vor­ schichte des höchsten Landesgerichts von sitz des Garnisonsgerichts und war von Oldenburg 1573-1935, Göttingen 1974; 175 1842 bis 1844 Landvogt in Oldenburg. Jahre Oberlandesgericht Oldenburg. Fest­ 1847 wurde H. schließlich zum Vizepräsi­ schrift, Köln 1989. denten des Oberappellationsgerichts be­ Walter Ordemann fördert, um den schon betagten Präsiden­ ten -*• Christian Ludwig Runde (1773-1849) zu entlasten, und behielt diese Stellung bis zu seinem Tode. Hayo Harlda (Harelde, Harldes, Harles, H. vertrat als Jurist eine konservative Posi­ Harling), Häuptling zu Jever, bezeugt seit tion, die er in einem Briefwechsel mit -► 1420, f Herbst 1441. Christian Diedrich von Buttel (1801-1878) Hayo „Harlda" war der erste Sohn aus der über die Einführung von Geschworenen­ Ehe des -*■ Lubbe Sibets (bezeugt 1397- gerichten verteidigte, der 1843 in Buch­ 1420), Häuptling zu Burhave (Butjadin- form erschien. Darin sprach er sich gegen gen), mit Eva, Tochter des Tanno Diuren „Schwurgerichte aus dem Volke" aus und von Wittmund aus dem Häuptlingsge­ wollte Geschworene lediglich als Richter schlecht Kankena; er war also - anders als in schweren Kriminalsachen zulassen, die sein Halbbruder Sibet (bezeugt 1416, mit qualifizierter Mehrheit über Tat und f 1433) - nicht mit -► Edo Wiemken dem Äl­ Schuld des Angeklagten entscheiden soll­ teren (bezeugt seit 1382, i zwischen 1414- ten. Um einen „allmählichen Weg zu einer 1416) verwandt. Erstmals bezeugt ist er Mündlichkeit und Öffentlichkeit des Ver­ 1420, als er für Sibet - erfolglos - Jever ge­ fahrens" anzubahnen, wollte er die bloße gen Ocko II. tom Brok verteidigt und in Anwesenheit von „Repräsentanten des dessen Gefangenschaft gerät. Im Bündnis­ Volkes" beim Schlußverhör des Angeklag­ vertrag zwischen Sibet und Ocko vom 23. ten gestatten. Während H. sich für eine 10. 1420 erscheint er noch als „Haye Lub- freie Beweiswürdigung durch beamtete ben sone"; 1431 (21. 12.) nennt er sich Richter einsetzte, sprach sich der liberale selbst „Hayo Harlde, to Jever, Wytmunde von Buttel für Geschworenengerichte aus hovetling". Er soll - so weiß eine spätere Laienrichtern aus und befürwortete die Überlieferung - die 1427 vertragsgemäß Trennung von Anklagebehörde und Ge­ abgebrochene Burg Jever 1428 wieder auf­ richt sowie die Öffentlichkeit und Münd­ gebaut haben: sicher im Einverständnis lichkeit des Verfahrens, wie sie das franzö­ mit Sibet, der sich in jener Zeit „Häuptling sische Prozeßrecht beherrschten. In die zu Rüstringen und Östringen" nannte, neue oldenburgische Strafprozeßordnung aber doch auch als Zentrum eines eige­ von 1857 haben Gedankengänge beider nen, kleinen Machtraumes. Mit der - nur Männer Eingang gefunden. 1431 überlieferten - Selbstbezeichnung als H. war verheiratet mit Marie Friederike Häuptling auch „zu Wittmund" bekundet Sophie Ernestine geb. von Schreeb (1803- er seine Zugehörigkeit zu den Kankena, 1878), der Tochter des Leopold Heinrich die wohl auch im Blick auf Östringen und von Schreeb (1764-1846) und der Friede­ Jever für ihn politisch relevant war, und wenn es stimmt, daß sein Beiname rike Wilhelmine geb. von Bassewitz (1766- 1854). Sein Sohn Wilhelm (1834-1918) „Harlda" auf das Harlingerland deutet, wurde später Geheimer Oberkirchenrat. dann könnte auch er ein über die Mutter vermitteltes, an den Kankena orientiertes, W: spezifisches Abstammungsbewußtsein Der Richter als Geschworener? oder Geschwo­ Hayos bezeugen. renengerichte mit Mündlichkeit, Öffentlich­ Trotz einer sich darin signalisierenden Ab­ keit und Anklage? In Briefen von H. W. Hayen grenzung gegen Sibet hielt er in den ost­ und C.D. von Buttel, Oldenburg 1843. L: friesischen Auseinandersetzungen um und Wilhelm Hayen, Ein oldenburgischer Student nach 1430 zu seinem Halbbruder, dessen der Rechte vor 100 Jahren (= Heinrich Wil­ östringische Häuptlingsautorität er offen­ helm Hayen), in: OJb, 21, 1913, S. 24-60; Peter sichtlich auch für Jever akzeptierte, und Heering 289 mit ihm - wie übrigens auch die Kankena - Entstehung und Entwicklung der Häuptlings­ zu Focko Ukena von Leer gegen die Cirk- herrschaft im östlichen Friesland, ebd., 84, sena und den sog. „Freiheitsbund'' mehre­ 1984, S. 25-50. rer ostfriesischer Landesgemeinden. Nach Heinrich Schmidt Sibets Niederlage und tödlicher Verwun­ dung bei Bargebur (29. 7. 1433) vertei­ digte Hayo, gemeinsam mit -► Lubbe On- neken (bezeugt 1433, t 1476), dem Mann Heering, Heinrich August Friedrich, Mi­ seiner Schwester Rineld, die Sibetsburg nisterialrat, * 14. 3. 1874 Müden/Aller, gegen hamburgische und ostfriesische Be­ Kreis Gifhorn, f 2. 10. 1954 Oldenburg. lagerer, mußte aber nach einigen Wochen H. entstammte einer alten Lehrerfamilie wegen Mangel an Vorräten aufgeben. Die aus Müden. Nach seiner Seminarausbil­ Hanse war nicht bereit, Hayo und Lubbe dung war er von 1895 bis 1897 als Volks­ die Burg jemals wieder einzuräumen; sie schullehrer in Schaumburg-Lippe tätig. Im wurde 1435 abgerissen. Anschluß an den Militärdienst studierte er Hayo konzentrierte sich auf Jever, nach Theologie und erhielt 1903 eine Hauptleh­ dem er sich später benennt; auch kam er rerstelle in Hittfeld. 1904 wechselte er als in den Besitz der Wangerländer „Olde- Oberlehrer an die Höhere Mädchenschule burg''. Offensichtlich nahm er Herrschafts­ in Stargard/Pommern, von wo er nach funktionen für Östringen und das Wanger- Frankenberg/Sachsen an das Lehrersemi­ land wahr, ohne sich indes, wie zuvor Si- nar ging. Kurz vor 1914 war H. am Arndt- bet, als Häuptling zu Östringen zu be­ Gymnasium in Dahlem als Oberlehrer be­ zeichnen: vermutlich ein Zugeständnis an schäftigt. Während des Ersten Weltkrieges die häuptlingskritische, landesgemeindli­ übernahm er die Direktorenstelle am Leh­ che Bewegung jener Jahre. Zusammen mit rerseminar der kleinen Domstadt Havel­ seinem Schwager Lubbe Onneken be­ berg/Brandenburg. Auf Empfehlung des mühte er sich allerdings - erkennbar für Preußischen Provinzialschulkollegiums 1438 - um die seit Sibets Tod nicht mehr wurde H. in einem politisch umstrittenen ausgeübten Häuptlingsrechte im „Viertel" Verfahren am 1. 4. 1919 als Oberschulrat Rüstringen (dem alten Rüstringer Landes­ nach Oldenburg in das Evangelische viertel Bant). Hayo und Lubbe beriefen Oberschulkollegium berufen, wo er bis sich dabei, allem Anschein nach, auf die 1945 dem Volksschulwesen des Landes erbrechtlichen Ansprüche, die sie aus Vorstand. Die Einrichtung der Grundschu­ ihrer Verwandtschaft mit dem kinderlos len sowie die Schließung der Lehrersemi­ gestorbenen Sibet ableiteten. Die Landes­ nare und der damit verbundene Aufbau gemeinde des „Viertels" von Rüstringen des „Pädagogischen Lehrgangs" zusam­ trug dem Rechnung, als sie beide 1438 zu men mit der Aufbauschule, später Graf- erblichen „vorstendere und vormundere Anton-Günther-Schule, gehörten zu sei­ eres landes" wählte - den Häuptlingsbe­ nen herausragenden Leistungen. H. trat griff vermeidend. Hayo nannte sich freilich am 1. 1. 1931 der NSDAP bei und prägte auch weiterhin „Häuptling zu Jever"; er nach dem Regierungsantritt der National­ unterstrich damit die Bedeutung Jevers als sozialisten im Juni 1932 in Oldenburg die des Machtzentrums in seinem - damals staatliche Personalpolitik an den Schulen noch nicht zum „Jeverland" zusammenge­ im Sinne des Nationalsozialistischen Leh­ wachsenen - Autoritätsraum. rerbundes. Im Spätsommer 1932 wurde H. Verheiratet war er mit Ivese, einer Tochter kommissarischer Vorsitzender des Evange­ des - 1414 von der Stadt Bremen aus sei­ lischen Oberschulkollegiums und über­ nem Herrschaftsbereich vertriebenen - nahm nach dem Tode seines Amtskollegen Stadländer Häuptlings — Dide Lubben (be­ -*• Paul Weßner (1870-1833) als Ministerial­ zeugt 1384-1414). Aus ihrer Ehe sind vier rat die Leitung der evangelischen Abtei­ Söhne nachzuweisen. Hayo Harlda starb lung im Ministerium der Kirchen und im Herbst 1441 an der Pest. Schulen. Als „erfahrener Volksschulmann" entwarf er die reichsweit berühmt gewor­ L: dene „Stunde der Nation" für den Unter­ Georg Sello, Studien zur Geschichte von Östringen und Rüstringen, Varel 1898; Wolf- richt an den Volksschulen. gang Sello, Die Häuptlinge von Jever, in: OJb, H. war verheiratet mit Johanna geb. Oster­ 26, 1919/1920, S. 1-67; Hajo van Lengen, Zur mann (28. 5. 1875 - 21. 1. 1961), der Toch­ 290 Heespe(n) ter des Pastors seines Geburtsortes; der eines Kammersekretärs, der als gräflicher Ehe entstammten drei Söhne. Privatsekretär fungierte und den altern­ den Landesherrn unterstützen und entla­ L: sten sollte. Zu seinen Hauptaufgaben ge­ Jürgen Weichardt, Von der Lateinschule zum Alten Gymnasium, Oldenburg 1973; Klaus hörte die Führung der diplomatischen Kor­ Schaap, Die Endphase der Weimarer Republik respondenz, zu deren Bearbeitung einer im Freistaat Oldenburg 1928-1933, Düsseldorf der gräflichen Räte hinzugezogen wurde, 1978; Hilke Günther-Arndt, Volksschullehrer der die ausgehenden Schreiben auch zu und Nationalsozialismus, Oldenburg 1983; prüfen hatte. Außerdem hatte der Kam­ Heinrich van Freeden, Der Pädagogische Lehr­ mersekretär die Erledigung aller wichti­ gang (1926-1933), in: Karl Steinhoff und Wer­ gen Angelegenheiten zu kontrollieren und ner Schulenberg (Hg.), Geschichte der Olden- sie in ein besonderes Protokollbuch aufzu­ burgischen Lehrerbildung, Bd. 2, Oldenburg 1985, S. 23-44. nehmen. Sämtliche Bittschriften an den Friedrich Wißmann Landesherrn gingen durch seine Hände. Nach der Einrichtung des Geheimen Rates (1656), der als Beratungsorgan des Grafen in allen Regierungsangelegenheiten vor­ gesehen war, wurde der Kammersekretär Heespe(n), Wilhelm, Kanzleidirektor, H. gleichzeitig Sekretär des neuen Gre­ * 13. 3. 1625, t 20. 8. 1686 Oldenburg. miums. Über ihn lief die Verbindung zwi­ Nach einer nicht sehr zuverlässigen Über­ schen dem Landesherrn und dem Gehei­ lieferung kam die Familie H. angeblich men Rat, dessen Korrespondenz durch das aus den Niederlanden, von wo sie „des Kammersekretariat erledigt wurde, das in Glaubens wegen" auswanderte; wahr­ vollem Umfang bestehen blieb. Wahr­ scheinlicher ist freilich, daß sie aus der scheinlich war diese Konkurrenz einer der Umgebung der Jadebucht stammt. Auch Gründe, weshalb die Tätigkeit des Gehei­ über Herkunft und Ausbildung Wilhelm men Rats bereits nach zwei Jahren wieder H.s wissen wir kaum etwas. Er war der zum Erliegen kam. Sohn des clevischen Richters Tilemann H. hatte jedenfalls mit dem scheinbar Heespen und dessen Ehefrau Sophie geb. untergeordneten Posten des Kammerse­ von Langenhorst. Er studierte Jura an der kretärs eine ausbaufähige Stelle erhalten, die ihm gerade in der Periode des Nieder­ gangs der oldenburgischen Verwaltung, die in den 1650er Jahren einsetzte, be­ trächtliche Einflußmöglichkeiten sicherte. Wie alle höheren Beamten Anton Gün­ thers, wurde auch er neben seinen eigent­ lichen Amtspflichten häufig mit diplomati­ schen Missionen betraut; 1653 wurde er nach Osnabrück gesandt, 1657 nach Cleve zu Verhandlungen mit Moritz von Nassau und 1658 in die Niederlande. Im Zusam­ menhang mit der Regelung der oldenbur­ gischen Erbfolgefrage hielt er sich 1659, 1662 und 1664 in Holstein und 1665 in Zerbst auf. 1659 wurde H. Geheimer Rat und gehörte seit 1663 dem wiederbelebten Geheimen Rat an, der nach dem Tod An­ ton Günthers unter der Bezeichnung Etats­ rat als oberstes Regierungskollegium in der dänischen Zeit weiterbestand. Am Universität Köln und war zunächst u. a. als 20. 6. 1676 wurde H., der als einer der älte­ Sekretär tätig. 1651 trat er in den Dienst sten Beamten die Tradition der Grafenzeit des Grafen -*• Anton Günther von Olden­ verkörperte, zum Kanzleidirektor und Re­ burg (1583-1667), für den er eine Zeitlang gierungsrat ernannt. Als fünf Jahre später, als Korrespondent in Den Haag tätig war. im Dezember 1681, -*• Christoph Gensch 1652 erhielt er die neugeschaffene Stelle von Breitenau (1638-1732) zum Kanzler Hegeler 291 und damit zu seinem Vorgesetzten ernannt Hegeler, F ried rich Bernhard, Bankier, wurde, empfand H. dies zu Recht als krän­ * 13. 9. 1802 Oldenburg, ¥ 21. 6. 1876 kende Zurücksetzung. Allerdings schonte Oldenburg. Gensch von Breitenau, der sich anfangs Der Sohn des Kaufmanns C onrad Hen­ wenig in Oldenburg aufhielt, rücksichts­ rich Hegeler (14. 12. 1763 - 27. 5. 1847) voll die Stellung des alten Kanzleidirek­ und dessen Frau H elen e Catherine geb. tors. Er respektierte seinen Rang nach Harcksen (20. 6. 1762 - 22. 7. 1846) beein­ außen und überließ ihm alle einträglichen flußte über mehr als drei Jahrzehnte hin­ Angelegenheiten wie Konsistorium, Zivil­ weg nachhaltig die Entwicklung der prozesse und Reichshofratsgeschäfte, so oldenburgischen Wirtschaft. Als Olden­ daß H. sich rasch mit dem neuen Kanzler burg am 6. 1. 1845 sein 500jähriges Stadt­ aussöhnte. jubiläum beging, gehörte H. zu jenen acht Kurz vor seinem Tode wurde H. angeblich Kaufleuten, die mit der Gründung der in den Reichsadelsstand erhoben. Aller­ „Oldenburgischen Spar- & Leih-Bank" das dings existiert weder das Original des Zeitalter der eigentlichen Bankinstitute im Adelsdiploms vom 6. 6. 1686, noch ist Großherzogtum einleiteten. Weil die 1786 irgendein Vermerk in den Akten der kai­ eingerichtete „Ersparungskasse" nur eine serlichen Kanzlei in Wien zu finden; es vorbeugende Armenfürsorge betreiben gibt lediglich eine 1701 in Württemberg durfte, boten sich damit erstmals für Han­ angefertigte „Abschrift", die selbst erheb­ del und Industrie kurz- und mittelfristige liche Zweifel aufwirft. Wilhelm H. und Anlage- und Kreditmöglichkeiten. Seit seine Nachkommen haben übrigens das 1848 führte H. zusammen mit -*• Jakob Adelsprädikat anfangs nicht geführt, erst Christian Hoyer (1794-1865), an dessen ab 1699 wurde es von einzelnen Familien­ Brauerei und Seifenfabrik in Donner­ mitgliedern beansprucht. schwee er beteiligt war, die Bank, deren H. war seit 1660 verheiratet mit Anna Mar­ Kreditpolitik wesentlich zum wirtschaftli­ garetha geb. von Velstein (1648 - 10. 2. chen Aufschwung Oldenburgs nach 1850 1704), der jüngsten Tochter seines Amts­ beitrug. Ohne von den wirtschaftlichen kollegen, des Geheimen Rats Anton Gün­ und politischen Krisen der nächsten Jahre ther von Velstein, und Enkelin des Konsi- erschüttert zu werden, konnte H. 1871 storialrats -*■ Hermann Velstein (1565/ nach dem Ausscheiden Hoyers (1864) und 1555?-1635). Von den insgesamt zehn Kin­ dem Eintritt des neuen Gesellschafters -► dern des Ehepaares heiratete Elisabeth Carl Thorade (1841-1896) nicht nur auf Augusta (1667-1713) den Regierungsrat den erfolgreichen Vertrieb der oldenburgi­ Gerhard von Halem (1644-1723); Alex­ schen Staatsanleihen für die Eisenbahn­ ander Tilemann H. (1673-1738) wurde dä­ projekte von 1865 und 1867 zurückblicken, nischer Konferenzrat und einer der eng­ sondern auch auf einen rasant gewachse­ sten Mitarbeiter des Kanzlers Christoph nen Kundenstamm verweisen, der fast Gensch von Breitenau, der ihn zu seinem 10 % der Bevölkerung des Großherzog­ Universalerben einsetzte. tums umfaßte. Organisatorische Verände­ L: rungen lagen deshalb nahe: Zum 1. 1. Johann Heinrich Schloifer, Versuch einer aus­ 1872 erfolgte die Umwandlung der ehema­ führlichen Staats-Geschichte und Historisch- ligen Privatbank und offenen Handelsge­ Politisch-Geographischen Beschreibung der sellschaft (ab 1864) in eine Aktienge­ Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst, sellschaft. Ihrem Verwaltungsrat gehörte o. J. (um 1760), S. 216 f., MS, LBO; Christian Ludwig Runde, Chronik der oldenburgischen H., der auch Mitbegründer der „Oldenbur­ Kanzlei, in: ders., Patriotische Phantasien ger Versicherungs-Gesellschaft von 1857" eines Juristen, Oldenburg 1836; Wilhelm und war, bis zu seinem Tode an. Paul von Hedemann genannt von Heespen, H. war in erster Ehe verheiratet mit Mar­ Geschichte der Familie von Hedemann, garethe geb. Baumann (f 1835), seit dem Deutsch-Nienhof o. J. (1917-1919); Paul von 9. 2. 1838 in zweiter Ehe mit Louise Hen­ Hedemann-Heespen, Das Leben des Gehei­ riette geb. Eyting (29. 8. 1819 - 12. 10. men Rats Christoph Gensch von Breitenau im 1905). Der zweiten Ehe entstammten neun Rahmen des Gesamtstaates, in: Nordelbingen, 10, 1934, S. 1-161; Heinz-Joachim Schulze, Kinder, von denen August (1845-1881) Landesherr, Drost und Rat in Oldenburg, in: Bankdirektor wurde, Emma (1848-1926) Nds. Jb., 32, 1960, S. 192-235. heiratete den aus Oldenburg stammenden Hans Friedl preußischen General Wilhelm von Amann 292 Heger

(1839-1928). H.s Schwester Helene (1792- despolitik Herzog Ernsts von Bayern als 1872) war verheiratet mit dem oldenburgi- Administrator in Münster“ zum Dr. phil. Im schen General -► W ilhelm Gustav Fried­ Sommer 1939 folgte die Habilitation mit rich Wardenburg (1781-1838). einer Arbeit über „Evangelische Verkündi­ gung und deutsches Nationalbewußtsein - L: Carl Thorade, Die Oldenburgische Spar- & Zur Geschichte der Predigt von 1806- Leih-Bank vom 6. Januar 1845 bis 6. Januar 1848". H. hatte bereits 1928 das Tentamen 1895, Oldenburg 1895; Erich H. Hegeler, Die und 1931 das theologische Examen in Delmenhorster Ratsfamilie Hegeler 1482-1952, Oldenburg abgelegt. Im November 1931 Bremen 1952; Heinz-Joachim Schulze, Olden­ wurde er ordiniert und als 2. Pfarrer an der burgs Wirtschaft - einst und jetzt, Oldenburg Kirche in Neuende eingeführt. In dieser o. J. (1965). ausgesprochenen Arbeitergemeinde, die Peter Haupt dem wissenschaftlich interessierten und qualifizierten Theologen sehr am Herzen Heger, Adolf Hinrich Martin, Dr. phil., Lic. lag, blieb er nur knapp vier Jahre. Im Juni habil., Pastor, * 8. 3. 1906 Oldenburg, 1935 wurde er als Gemeindepfarrer nach f 28. 4. 1945 gefallen in Delfzijl/Nieder- Oldenburg berufen und hier mit der Be­ lande. treuung der Flilfsprediger beauftragt; zu­ Der Sohn des Schneidermeisters August sätzlich übernahm er die Schriftleitung Heger (4. 1. 1878 - 30. 8. 1948) und dessen des Oldenburger Sonntagsblatts, das we­ Ehefrau Martha geb. Schröder (17. 3. 1879 gen der kriegsbedingten Papierknappheit - 6. 8. 1959) besuchte das Gymnasium in 1941 sein Erscheinen einstellen mußte. Am Oldenburg und bestand 1924 das Abitur. 3. 9. 1939 wurde H. zum Kriegsdienst ein­ Anschließend studierte er Theologie und gezogen und hielt als Marineoffizier noch Philosophie an den Universitäten Tübin­ seine ersten Vorlesungen an der Universi­ gen, Berlin und Göttingen, wo er vor allem tät Kiel, an der er den Lehrstuhl für Prakti­ bei Emanuel Hirsch und Georg Wobber- sche Theologie übernehmen sollte. H., der nicht zu den Deutschen Christen gehörte, verband ein starkes Nationalbewußtsein mit sozialem Engagement; wissenschaft­ lich begabt, zeichnete er sich durch per­ sönliche, vom Glauben geprägte Überzeu­ gungskraft aus. H. war seit dem 8. 3. 1934 mit der aus Ber- lin-Schöneberg stammenden Lehrerin Lia Maas (* 2. 11. 1908) verheiratet; das Ehe­ paar hatte drei Kinder. W: Julius Kaftans theologische Grundposition im Verhältnis zu Schleiermachers Prinzipien­ lehre, Göttingen 1930; Die Landespolitik Her­ zog Ernsts von Bayern als Administrator von Münster, Göttingen 1931; Deutsches Wesen und Christentum, Bordesholm 1934; Adolf Stöcker als Vorkämpfer der Kirche und als Vor­ kämpfer völkischen Erwachens, Oldenburg 1935; Die letzten Tage des Christentums? (Front gegen die Deutsche Glaubensbewe­ min hörte. Bei Wobbermin wurde H. Assi­ gung), Aurich 1935; Was sollen wir noch mit stent und promovierte im Dezember 1929 dem Alten Testament in der Kirche?, Olden­ mit einer Arbeit über „Julius Kaftans theo­ burg 1936; Können wir als Deutsche noch logische Grundposition im Verhältnis zu Christen sein?, Oldenburg 1937; Warum noch Schleiermachers Prinzipien". In den fol­ christliche Erziehung und Verkündigung?, Oldenburg 1959; Evangelische Verkündigung genden Jahren setzte er neben seiner Be­ und deutsches Nationalbewußtsein. Zur Ge­ rufstätigkeit die wissenschaftlichen Stu­ schichte der Predigt von 1806 bis 1848, Berlin dien fort und promovierte im September 1939; Ich glaube an eine Vorsehung, Olden­ 1931 an der Universität Münster mit einer burg o. J. (1941). historischen Untersuchung über die „Lan­ Gerhart Orth Heimbach 293

Heilersieg, Bernhard, Dr. iur. utr., Kanzlei­ amtierte bis zu seinem 70. Lebensjahr als direktor, * 20. 3. 1606 Salzuflen, f 12. 3. Kanzleidirektor in Oldenburg und übersie­ 1683 Bremen. delte 1676 nach Bremen, wo er sieben H. war der Sohn des Advokaten Hermann Jahre später starb. Heilersieg (f 1641), der Bürgermeister von Er war seit dem 11. 2. 1640 verheiratet mit Salzuflen war, und dessen Ehefrau Agnes der aus Bremen stammenden Maria geb. geb. Mohr. Er besuchte die Schule in Kas­ Isselburg (24. 9. 1618 - 22. 2. 1682), der sel und studierte ab 1625 Jura an der Aka­ Tochter des D. theol. Heinrich I. (f 29. 3. demie in Bremen, der Universität Köln so­ 1628), der Pastor primarius an der Lieb­ wie mehreren anderen Universitäten in frauenkirche in Bremen war. H.s Bruder Deutschland und den Niederlanden. 1634 Georg (i 21. 12. 1679) war ebenfalls im promovierte er zum Dr. iur. utr. und war in oldenburgischen Verwaltungsdienst tätig, den folgenden Jahren im Verwaltungs­ zunächst als Rentmeister in Delmenhorst dienst verschiedener deutscher Staaten und danach als gräflich-aldenburgischer tätig. Er begann seine Laufbahn als Kammermeister in Varel. braunschweigisch-lüneburgischer Sekre­ L: tär, wurde 1636 gräflich-nassauischer Rat, Sammlung Lochmann, StAO; Leichenpredigt zwei Jahre später schauenburgischer Rat für Bernhard Heilersieg, Bremen 1683, Staats­ sowie Syndikus der Stadt Hildesheim und bibliothek Bremen; Christian Ludwig Runde, 1642 schließlich gräflich-lippischer Rat Chronik der oldenburgischen Kanzlei in: und Konsistorialdirektor. 1648 trat er als Oldenburgische Bläter, 7. 1. 1822, S. 2-16, wie­ kurbrandenburgischer Rat in die Verwal­ der abgedruckt in: ders., Patriotische Phanta­ tung der Grafschaft Ravensberg und er­ sien eines Juristen, Oldenburg 1836; H. J. von Witzendorff-Rehdiger, Die Personalschriften hielt offenbar noch im selben Jahr die der Bremer Staatsbibliothek bis 1800, Bremen Stelle eines Rats in der Kanzlei der Graf­ 1960, Nr. 697, S. 54; Heinz-Joachim Schulze, schaft Oldenburg. Wie seine Kollegen Landesherr, Drost und Rat in Oldenburg, in: wurde auch H. mit recht unterschiedlichen Nds. Jb., 32, 1960, S. 192-235; Hermann Lüb- Aufgaben betraut. Um die Finanzen des bing, Graf Anton Günther von Oldenburg Landes zu sanieren, setzte er sich für eine 1583-1667, Oldenburg 1967; Werner Hülle, grundlegende Änderung der bisher nur Geschichte des höchsten Landesgerichts von rudimentär entwickelten oldenburgischen Oldenburg (1573-1935), Göttingen 1974. Finanzverwaltung ein. Gemeinsam mit Hans Friedl dem Kanzler-* Philipp Johann Bohn (1597- 1658) empfahl er 1649 nach braunschwei­ gischem Vorbild die Schaffung einer eige­ nen Kammerbehörde, die bereits im fol­ Heimbach, Wolfgang, Maler, * 1613 ?, um genden Jahr eingerichtet wurde. H., der 1600 ? Ovelgönne, i nach 1678. neben seiner Tätigkeit in der Kanzlei in H. war ein Sohn des gräflichen Frucht- der neuen Kammer mitwirkte, übernahm und Kornschreibers Wolff Heimbach in im Bedarfsfall auch diplomatische Missio­ Ovelgönne. Wie -► Johann Just Winkel­ nen. So wurde er u. a. Ende 1653 nach mann (1620-1699) in seiner Oldenburgi­ Holland geschickt, um die Einbeziehung schen Chronik berichtet, zeigte sich schon Oldenburgs in den niederländisch-engli- früh das zeichnerische Talent des taub­ schen Friedensvertrag zu erreichen. Als stumm geborenen Knaben. Der Landes­ sich der amtierende Kanzleidirektor -*• von herr, Graf -► Anton Günther (1583-1667), Wolzogen (1588-1665) aus Altersgründen förderte seine Ausbildung, die vermutlich seit Beginn der 1660er Jahre immer stär­ in den Niederlanden stattfand. Bisher ist ker aus den Geschäften zurückzog, erhielt unbekannt, wie lange sich H. dort aufhielt, der inzwischen bewährte H. de facto die doch es ist auffallend, daß die während Leitung dieser Behörde, wurde jedoch erst seiner ersten Schaffensperiode aufgenom­ am 17. 1. 1667 förmlich zum Kanzleidirek­ menen Eindrücke das gesamte spätere tor ernannt. Als leitender Beamter war er Werk prägten. In seiner Malweise sind Mitglied des 1663 wieder eingerichteten Einflüsse der Brüder Hals, Willem Buyte- Geheimen Rats, der als oberstes Regie­ wecks und des Anthonie Palamedes sowie rungskollegium den alternden Landes­ der Hell-Dunkelmalerei des Gérard van herrn entlasten sollte und als Etatsrat in Honthorst und des Willem Cornelisz un­ der dänischen Zeit weiterexistierte. H. übersehbar. Bei den engen Beziehungen 294 Heimbach zum Hof des Grafen von Oldenburg ist es tion seiner Reise gewesen zu sein und im verwunderlich, daß der Künstler erst ab Jahre 1645 war er für Papst Innozenz X. in 1652 für seinen Förderer tätig wurde. Die Rom tätig. Noch im gleichen Jahr zog er je ­ frühesten bisher bekannten Bilder entstan­ doch weiter nach Florenz, wo er in die den zwischen 1636 und 1638 in Bremen. Dienste des Großherzogs der Toskana trat. Hier malte er die beiden Portraits des Bre­ Zwischen 1647 und 1650 liegt dann ein mer Ratsherrn Bernhard Graevaeus und zweiter Rom-Aufenthalt. 1650 reiste H. seiner Gemahlin Christina geb. Steding. über Wien nach Böhmen und arbeitete auf Neben der offensichtlich engen Verbin­ Schloß Nachod für den Fürsten Piccolo­ dung zur Portraitmalerei Hollands zeigen mini. Von Prag aus teilte er dem Fürsten diese beiden Bilder jedoch auch Unter­ seine weiteren Pläne mit. Danach wollte er schiede, die für den Stil H.s charakteri­ über Nürnberg nach Brüssel fahren, und stisch sind. So ist zum Beispiel die für für 1651 ist seine Rückkehr nach Ovel­ Franz Hals so typische lockere, pastose gönne belegt. Im April des folgenden Pinselführung sowie das Einbeziehen von Jahres erhielt er eine Anstellung am oldenburgischen Hof, allerdings nur für den Zeitraum eines halben Jahres. Der Lohn betrug 200 Rtl. bei freier Wohnung und Verpflegung an der Junkertafel. Die nächste Station seines bewegten Lebens ist Kopenhagen. Dort traf er im Dezember 1652 ein und wurde im folgenden Jahr durch eine Verfügung König Friedrichs III. in den Hofdienst aufgenommen. Neun Jahre war H. in Dänemark tätig; 1662 er­ suchte er um Urlaub, um seinen alten Va­ ter in Ovelgönne noch einmal zu sehen, aber erst 1666 findet sich sein Name wie­ der in den oldenburgischen Hofakten. Für mehrere Gemälde erhielt er einen Geldbe­ trag. Während dieser Zeitspanne von 1662 bis 1667, dem Todesjahr Anton Günthers, entstand das in Oldenburg wohl bekannte­ ste Gemälde H.s, das den Grafen auf sei­ Licht und Schatten bei der Oberflächen­ nem Pferd Kranich zeigt. Das Original ist modellierung hier einer steifen Kühle ge­ verschollen und lediglich durch einen wichen. Die genaue Wiedergabe modi­ Stich in der Winkelmannschen Chronik scher Details unterstreicht zwar die Kost­ überliefert. Nach dem Tode seines Landes­ barkeit der Kleidung, droht sich jedoch in herrn kehrte H. nach Kopenhagen zurück. Einzelheiten zu verlieren und die Gesamt­ Ein bereits in Oldenburg entstandenes Ge­ konzeption zu sprengen. Ähnliche Tenden­ mälde, die Erbhuldigung des Jahres 1660, zen sind auch auf dem Gesellschaftsbild verschaffte ihm zwar lobende Anerken­ der Bremer Kunsthalle zu beobachten, das nung, jedoch keine erneute Anstellung. 1637 begonnen und ein Jahr später vollen­ Mit einem Empfehlungsschreiben an den det wurde. Der Aufbau zeigt Einflüsse der Statthalter -► Anton I. von Aldenburg Haarlemer Schule, doch übersteigert H. (1633-1680), den Sohn Anton Günthers, das Vorbild durch die bizarren Bewegun­ kehrte er nach Oldenburg zurück, erhielt gen seiner Figuren, und auch hier wird jedoch keine Stelle als Hofmaler und trat seine Liebe zum Detail sichtbar. 1670 in die Dienste des Fürstbischofs -*• Von 1640 bis 1651 lebte H. in Italien und Christoph Bernhard von Galen (1606-1678) war dort nach Winkelmann „bei Babst, in Münster. Das letzte bisher bekanntge­ Cardinälen und vornehmen Herren seiner wordene Gemälde des Künstlers trägt die lobwürdigen Kunstmalerey halber sehr be­ Jahreszahl 1678. Sein Todesjahr und der liebt". Eine Reihe signierter Gemälde so­ Sterbeort sind unbekannt. wie schriftliche Zeugnisse gestatten eine H. gehört zu einer Gruppe norddeutscher Übersicht über seine verschiedenen Auf­ Maler, in deren künstlerischem Ausdruck enthaltsorte. Venedig scheint die erste Sta­ sich Einflüsse niederländischer und italie- Heinrich I. 295 nischer Vorbilder mit einer naiven Erzähl­ Heinrich, Graf von Oldenburg (Bruchhau­ freude mischen. Die während der Lehrzeit sen), urkundlich bezeugt 1232-1270. und der ersten Schaffensperiode aufge­ Heinrich war der älteste Sohn des 1234 ge­ nommenen Eindrücke beherrschten dauer­ gen die Stedinger gefallenen Grafen -*• haft seinen Stil, der von einer auffallenden Heinrich III. von Oldenburg-Wildeshausen Befangenheit im Dinglichen gekennzeich­ und der Ermintrud „de Schodis" (wohl ge­ net ist. Auch der längere Italienaufenthalt borene Gräfin von Roden). Solange er und vermochte hier keine Änderung herbeizu­ seine jüngeren Brüder unmündig waren, führen. fungierte offensichtlich ihr Vetter, Hein­ rich IV. („der Bogener") von Wildeshausen L: Johann Just Winkelmann, Oldenburgische (f 1270) als ihr Vormund. 1241 urkunden Friedens- und der benachbarten Oerter die Söhne Heinrichs III. erstmals selb­ Kriegshandlungen . . ., Oldenburg 1671, ständig. Seit 1249 nennt sich Heinrich - S. 513; Emil Waldmann, Zwei bremische Por­ zur Unterscheidung von dem Wildeshauser traits und ihr Maler Christian Wolfgang Heim­ Vetter - mehrfach auch „iunior". bach, in: Jahrbuch der bremischen Sammlun­ Er und sein Bruder -* Ludolf (bezeugt gen, 1, 1908, S. 44 f.; Georg Biermann, Deut­ 1241-1278) konzentrierten sich in der sches Barock und Rokoko. Jahrhundert-Aus­ Wahrnahme der ihnen zugefallenen Be­ stellung deutscher Kunst 1650-1800, Darm­ stadt 1914, Bd. 2, S. XXI; Victor C. Habicht, sitz- und Herrschaftsrechte auf die Graf­ Der Niedersächsische Kunstkreis, Hannover schaft Bruchhausen. Sie war zwischen 1930, S. 294; Gertrud Göttsche, Wolfgang 1220 und 1233, anscheinend 1227 oder Heimbach, ein norddeutscher Maler des 1228, vom Erzbischof von Bremen als 17. Jahrhunderts, Berlin 1935; Walter Müller- Lehnsherrn den Brüdern Heinrich III. und Wulckow, Oldenburgisches Landesmuseum, -► Burchard von Wildeshausen (f 1233) Oldenburg 1938, S. 75 ff.; Theodor Rensing, übertragen worden. Heinrichs III. ältester Der Maler Wolfgang Heimbach in Münster, in: Sohn wäre dann als Graf von Bruchhausen Westfalen, 25, 1940, S. 174 ff.; Horst W. Gerson, Een merkwaardige voorstelling, in: Kunsthi­ aus dem Hause Oldenburg Heinrich II. Er storische Mededeelingen van het Rijksbureau nahm seine Herrschaftsfunktionen weitge­ voor Kunsthistorische Documentatie, 1, 1946, hend gemeinsam mit dem jüngeren Bru­ S. 55 f.; Sturla J. Gudlaugsson, Twee jeugd- der Ludolf wahr; auch bewohnten sie werken van Wolfgang Heimbach, ebd., 3, lange Zeit zusammen die Burg (Alt-) 1948, S. 4 ff.; ders., Nog eens Wolfgang Heim­ Bruchhausen. 1257 stellten sie z. B. eine bach, ebd., S. 11 f.; Andor Pigler, Une scène de Urkunde aus „in Castro nostro Brochusen". Wolfgang Heimbach, ebd., S. 8 ff.; Karl Si­ Um 1260 siedelte Heinrich endlich auf die chart, Beiträge zur Geschichte der Oldenbur­ ger Malerei in der Grafenzeit, in: OJb, 48/49, von ihm erbaute Burg Neubruchhausen 1948/1949, S. 67 ff.; Rolf Fritz, Wolfgang Heim­ über. bach, Hofmaler Christoph Bernhards von Ga­ Er war verheiratet mit Ermgard, Tochter len, in: Westfalen, 40, 1962, S. 315 ff.; Gertrud Graf Heinrichs von Hoya. Sie begründeten Schlüter-Göttsche, Zu drei Bildern von Wolf­ die Neubruchhauser Linie des Hauses gang Heimbach, in: Schleswig-Holstein, 15, Oldenburg, die 1388 erlosch. Neubruch­ 1963, S. 44 ff.; dies., Wolfgang Heimbach, der hausen fiel an die Grafen von Hoya. Maler der Zeit Anton Günthers am oldenburgi- schen und dänischen Hof, in: OJb, 65, 1966, L: S. 1 ff.; Wilhelm Gilly, Vier Gemälde der Anton Hermann Oncken (Hg.), Die ältesten Lehnsre­ Günther Zeit im Oldenburger Stadtmuseum, gister der Grafen von Oldenburg und Olden- ebd., 65, 1966, S. 27 ff.; ders., Wolfgang Heim­ burg-Bruchhausen, Oldenburg 1893; Anton bach, in: Anton Günther, Graf von Oldenburg. Kohnen, Die Grafen von Oldenburg-Bruchhau- Aspekte zur Landespolitik und Kunst seiner sen, in: OJb, 24, 1916/1917, S. 309-345; Martin Zeit. Ausstellungskatalog, Oldenburg 1983, Last, Adel und Graf in Oldenburg während S. 89 ff.; Ernst Brochhagen u. a., Deutsche Ma­ des Mittelalters, Oldenburg 1969. ler und Zeichner des 17. Jahrhunderts. Aus­ Heinrich Schmidt stellungskatalog, Berlin 1966, S. 39 f., 156; Götz Adriani, Deutsche Malerei im 17. Jahr­ hundert, Köln 1977, S. 132 ff.; Hans-Georg Gmelin in: Stadt im Wandel. Kunst und Kultur Heinrich I., Graf von Oldenburg (Wildes­ des Bürgertums in Norddeutschland 1150- hausen), f 1167. 1650. Ausstellungskatalog, 4 Bde., Braun­ Heinrich war der wohl älteste Sohn Graf -*• schweig 1985, Bd. 1, S. 349 f., S. 446; Bd. 2, Egilmars II. (bezeugt 1108-1142) und der S 1117 f Elfriede Heinemeyer Eilika, geborener Gräfin von Werl. Offen­ 296 Heinrich II. bar hat er mit seinem jüngeren Bruder -► Wildeshausen, in: OJb, 22, 1914, S. 60-154; Christian I. (i 1167) die oldenburgischen Dieter Rüdebusch, Der Anteil Niedersachsens Herrschafts- und Besitzrechte - wenn nicht an den Kreuzzügen und Heidenfahrten, Hil­ formell, so doch faktisch - geteilt: so näm­ desheim 1972. Heinrich Schmidt lich, daß er sein Herrschaftszentrum in Wildeshausen einrichtete wo schon sein Vater Egilmar als Vogt des Wildeshauser Alexanderstifts fungiert hatte. Möglicher­ Heinrich III.r Graf von Oldenburg (Wildes­ weise hat zuerst Heinrich eine Burg auf hausen), erstmals bezeugt 1199, f 27. 5. dem Wildeshauser sog. „Wittekindsberg" 1234 Altenesch. erbaut. Verheiratet war er mit Salome von Heinrich war einer der wohl drei Söhne Geldern-Zütphen. Aus dem sächsischen des vom Kreuzzug ins Heilige Land 1197/ Hochadelsaufstand gegen Heinrich den 1198 nicht mehr heimgekehrten Grafen -► Löwen 1166/67, an dem sich sein Bruder Heinrich II. von Oldenburg-Wildeshausen Christian lebhaft beteiligte und der zur Er­ (f 1198) und der Beatrix von Hallermund. oberung Oldenburgs durch den Welfen Während einer der Brüder, -► Wilbrand (vor führte, scheint er sich herausgehalten zu 1180-1233), als Geistlicher zum Bischof haben. Doch starb er - nach dem Chroni­ von Paderborn, 1227 dann von Utrecht auf- sten Albert von Stade - wie Christian im stieg, nahm Heinrich zusammen mit dem Jahr 1167. anderen Bruder -► Burchard (¥ 1233) die Heinrich ist Begründer der Wildeshauser Herrschaftsrechte der Wildeshauser Linie Linie des Oldenburger Grafenhauses. des Hauses Oldenburg wahr - offensicht­ lich als der im Wesen Ruhigere, Beständi­ L: Anton Kohnen, Die Grafen von Oldenburg­ gere. Beide Brüder betonten die Eigen­ Wildeshausen, in: OJb, 22, 1914, S. 60-154; ständigkeit ihrer Linie; so tauschten sie in Martin Last, Adel und Graf in Oldenburg wäh­ ihrem Wappen die „ammerschen Balken" rend des Mittelalters, Oldenburg 1969. gegen die drei Hallermunder Rosen aus. Heinrich Schmidt Auch heirateten beide, nach der Rasteder Chronik, zwei Schwestern „de Schodis" - vermutlich aus dem Hause der Grafen von Roden. Heinrich war mit Ermintrudis ver­ Heinrich II.r Graf von Oldenburg (Wildes­ heiratet. hausen), * vor 1167, i 1198. 1229 ließ er - zugleich im Namen des ab­ Heinrich II. war ein Sohn Graf -*• Heinrichs wesenden Burchard, aber wohl aufgrund I. (f 1167) von Oldenburg (Wildeshausen) eigener Entscheidung - die Burg Wildes­ und der Salome von Geldern-Zütphen. Er hausen und damit die Wildeshauser Vogtei blieb weltlichen Standes, während seine dem Erzbischof Gerhard II. von Bremen Brüder Otto und — Gerhard (vor 1167- auf, um sie von ihm als Lehen zurückzu­ 1219) als Geistliche Karriere machten: Otto empfangen. Vorausgegangen war ein Kon­ war 1203 bis 1218 Bischof von Münster, flikt mit der Oldenburger Linie des Gra­ Gerhard seit 1191 Bischof von Osnabrück, fenhauses um Wildeshausen und die seit 1210 Erzbischof von Bremen. Heinrich Leuchtenburg bei Hatten, den der Erzbi­ setzte die Wildeshauser Linie des Olden­ schof als Schiedsrichter entschied. Die burger Grafenhauses fort; er heiratete Be­ Lehnsauftragung eröffnete dem Erzstift atrix, Tochter des Grafen Wilbrand von die - 1270 erfüllte - Hoffnung auf den Hallermund. Über die räumliche Reich­ späteren Heimfall Wildeshausens; in der weite und den Charakter seiner Herr­ Situation von 1229 sicherte sie die Wildes­ schaftsübung läßt sich mangels Quellen hauser Brüder in ihrem Besitzrecht. Mög­ nichts Bündiges sagen. Er beteiligte sich licherweise sind sie - oder Heinrich allein? am Kreuzzug Kaiser Friedrichs I., von dem - damals bzw. schon 1227/28 vom Erzbi­ er 1192 zurückkehrte, und er begleitete schof mit der Grafschaft Bruchhausen be­ 1197 den Erzbischof Hartwig II. von Bre­ lehnt worden: eine Machtbereicherung, men auf den von Kaiser Heinrich VI. ge­ die sie williger zur Lehnsauftragung Wil­ planten Kreuzzug ins Heilige Land. Von deshausens machen konnte. ihm kehrte er nicht mehr zurück. Im Mai 1234 war Heinrich III. Teilnehmer L: am entscheidenden Kreuzzug gegen die Anton Kohnen, Die Grafen von Oldenburg­ Stedinger - gegen die im Jahre 1233 sein Heitmann 297

Bruder Burchard gefallen war. Auch Hein­ kannt. In dem Konflikt um die Bremer Erz­ rich wurde von ihnen erschlagen: der pro­ bischofswürde zwischen dem Dompropst minenteste Tote auf Seiten der Kreuzfahrer Gerhard zur Lippe, einem Neffen des Erz­ in der Schlacht bei Altenesch am 27. Mai bischofs Gerhard II., und Hildebold von 1234. Seine Söhne -► Heinrich (bezeugt Wunstorf, einem Enkel Graf Moritz' I. von 1232-1270) und -*• Ludolf (bezeugt 1240- Oldenburg (f 1209/1217), kämpfte Hein­ 1278) waren seine Erben in Bruchhausen. rich 1258/59 für die oldenburgischen Inter­ essen; der Sieg über die den Lipper unter­ L: OUB, Bd. 5; Anton Kohnen, Die Grafen von stützenden Stedinger bei Munderloh, Oldenburg-Wildeshausen, in: OJb, 22, 1914, S. 1259, war vor allem sein Erfolg. 60-154; ders., Die Grafen von Oldenburg - Was Tecklenburg angeht, so war er - seit Bruchhausen, in: OJb, 24, 1916/1917, S. 309- wann, ist unklar - verheiratet mit Elisa­ 345; Martin Last, Adel und Graf in Oldenburg beth, Tochter Graf Ottos I. von Tecklen­ während des Mittelalters, Oldenburg 1969; burg, und er regierte, nach dem Tode sei­ Bernd Ulrich Hucker, Die politische Vorberei­ nes Schwiegervaters (1263), das tecklen- tung der Unterwerfungskriege gegen die Ste- burgische Erbe vorübergehend gemein­ dinger und der Erwerb der Grafschaft Bruch­ hausen durch das Haus Oldenburg, in: OJb, sam mit seinem Schwager, Graf Otto von 86, 1986, S. 1-32. Bentheim. Als sie - ca. 1267 - den tecklen- Heinrich Schmidt burgischen Komplex teilten, begnügte sich Heinrich, kinderlos, mit Burg und Herr­ schaft Vlotho. Zu ihr gewann er offenbar eine intensivere Beziehung. Es war sein Heinrich IV.r „der Bogener", Graf von Wunsch, im Kloster zu Vlotho begraben zu Oldenburg (Wildeshausen), erstmals ur­ werden. Die Herrschaft Wildeshausen fiel kundlich bezeugt 1230, f 1270. nach seinem Tode als erledigtes Lehen an Heinrich war Sohn des Grafen — Burchard das Erzstift Bremen. von Oldenburg-Wildeshausen (¥ 1233) und Der Beiname „Bogener" spiegelt wohl der Kunigunde „de Schodis" (wahrschein­ Heinrichs Vorliebe für den Bogen als Waffe lich: von Roden). Er dürfte schon volljährig adliger Jagd. Eine spätere Quelle überlie­ gewesen sein, als sein Vater bei Hemmels- fert die - vielleicht sein Wesen kennzeich­ kamp gegen die Stedinger fiel; jedenfalls nende - Erweiterung „Myldeboghener". war er älter als die beiden Söhne seines L: Onkels, — Heinrichs III. (f 1234), der mit OUB, Bd. 5; Anton Kohnen, Die Grafen von Burchard zusammen die Herrschaft Wil­ Oldenburg-Wildeshausen, in: OJb, 22, 1914, S. deshausen innegehabt hatte und ebenfalls 60-154; Martin Last, Adel und Graf in Olden­ gegen die Stedinger, bei Altenesch 1234, burg während des Mittelalters, Oldenburg zu Tode kam. Noch 1237 urkundet Hein­ 1969; Wolfgang Bockhorst, Geschichte des rich IV. auch als Vormund seiner Vettern Niederstifts Münster bis 1400, Münster 1985. Heinrich (bezeugt 1232-1270) und Ludolf Heinrich Schmidt (bezeugt 1241-1278). Sie verlagerten - als Erben der Grafschaft Bruchhausen - ihr Herrschaftszentrum später nach (Alt-)- Bruchhausen. Heitmann, Karl Heinrich Adolf, Landtags­ Die Rasteder Chronik (geschrieben um abgeordneter, * 4. 12. 1869 Neuhaldensle­ 1300) verbindet mit Heinrich IV. den Besitz ben bei Magdeburg, t 7. 5. 1947 Olden­ der „Grafschaften Oldenburg und Tecklen­ burg. burg, Wildeshausen, Vlotho" - eine grob H. erlernte nach dem Besuch der Volks­ vereinfachende Übertreibung, die aber schule den Beruf des Buchdruckers. Noch wohl das nachwirkende Ansehen dieses während der Zeit, als das Sozialistenge­ Grafen reflektiert. Tatsächlich hatte er - setz in Kraft war, kurz vor 1890, trat er der was die Grafschaft Oldenburg betrifft - nur SPD bei, der er fast 60 Jahre verbunden den Besitz der Wildeshauser Linie, soweit blieb. In Wilhelmshaven/Rüstringen arbei­ er nicht in Händen seiner beiden Vettern tete H. als Buchdrucker in der Firma, die -+ war, inne; er konnte sich auch einmal „co- Paul Hug (1857-1934) 1888 mitbegründet mes de Wildeshusen" nennen. Über sein hatte und ab 1890 als Inhaber führte. 1893 Verhältnis zur oldenburgischen Linie des verzog er nach Oldenburg, wo er später als Grafenhauses ist Auffälliges nicht be­ Rechnungsführer und Rendant bei der 298 Hellwag

Landeskrankenkasse tätig war. Vor dem revolutionäre Bewegung und trat allen Ersten Weltkrieg und während der Kriegs­ Versuchen zur Radikalisierung energisch zeit war er Vorsitzender des Sozialdemo­ entgegen. Auch nach der Revolution war kratischen Wahlvereins für den 1. Olden- H. von 1919 bis 1923 und wieder von 1928 burgischen Reichstagswahlkreis (Olden- bis 1931 Mitglied des Landtages. Nach burg-Lübeck-Birkenfeld). Außerdem lei­ dem Zusammenbruch des NS-Regimes tete er den Konsumverein Oldenburg als wurde er Mitglied des Ratsausschusses der Vorsitzender. Während der Revolutionsmo­ Stadt Oldenburg, der von der Militärregie­ nate 1918/19 spielte H. eine wichtige poli­ rung eingesetzt wurde. Im folgenden Jahr tische Rolle. Am 7. 11. 1918 führte er um­ legte er aus Altersgründen, inzwischen sichtig die Versammlung von Soldaten, auf 76jährig, das Mandat nieder. H. war drei­ mal verheiratet und hatte vier Söhne und eine Tochter. L: Klaus Schaap, Die Endphase der Weimarer Re­ publik im Freistaat Oldenburg 1928-1933, Düs­ seldorf 1978; ders., Oldenburgs Weg ins „Dritte Reich", Oldenburg 1983; Wolfgang Günther, Die Revolution von 1918/19 in Olden­ burg, Oldenburg 1979; Sprechregister zum Oldenburgischen Landtag 1848-1933, bearb. von Albrecht Eckhardt, Oldenburg 1987. Wolfgang Günther

Hellwag, C hristop h Friedrich, Dr. med., Arzt, * 6. 3. 1754 Calw/Württemberg, f 16. 10. 1835 Eutin. H. war der Sohn des Diakons und späteren Göppinger Stadtpfarrers Eberhard Fried­ rich Hellwag (8. 6. 1722 - 11. 5. 1780) und dessen Ehefrau Catharine Margarete geb. der nach stürmischer Debatte die Grün­ Bengel (24.11. 1730 - 15.5. 1788), der dung eines Soldatenrats beschlossen Tochter des bekannten pietistischen Theo­ wurde, was noch am gleichen Tag geschah logen Johann Albrecht B. (1687-1752). und in den er gewählt wurde. Am 11. 11. Nach dem Schulbesuch in Sulz kam er 1918 unterrichtete er seinen SPD-Frak- 1772 in das Evangelische Stift in Tübingen, tionskollegen Paul Hug über die Vorgänge wo er sich am 26. Oktober in die Universi­ vom Vortage, bei denen es zu Auseinan­ tätsmatrikel eintrug. Er studierte zunächst dersetzungen mit dem Wilhelmshavener Theologie sowie Philosophie und erwarb 21er Rat gekommen war, weil dieser die 1774 den akademischen Grad eines Magi­ Entthronung des Großherzogs hatte vor­ sters. Im Sommersemester 1774 wechselte nehmen wollen. Mit Mühe war es H. ge­ er das Studienfach und begann ein Medi­ lungen, einen Aufschub zu erreichen, da­ zinstudium, das er 1779 in Göttingen fort­ mit der Landtag noch gehört werden setzte. Im Januar 1781 kehrte er nach Tü­ könnte. Dazu kam es aber nicht mehr, da bingen zurück, reichte hier seine medizini­ der Großherzog am Mittag des 11. 11. 1918 sche Dissertation ein und legte die vorge­ abdankte. Dem Direktorium, das am Nach­ schriebenen Prüfungen ab. Den Titel eines mittag desselben Tages gebildet wurde, Dr. med. ließ er sich aber erst am 30. 11. gehörte H. als eines der wichtigsten Mit­ 1784 von der Medizinischen Fakultät der glieder bis zur Neubildung der Regierung Universität Tübingen verleihen. Bereits am 17. 6. 1919 an. H., der schon seit 1902 1781 hatte er das medizinische Examen in Abgeordneter im oldenburgischen Land­ Stuttgart abgelegt und war am 1. 1. 1782 tag war und über große politische und par­ zum Arzt in Gaildorf bestellt worden. lamentarische Erfahrung verfügte, wirkte Kurze Zeit später wurde er Leibarzt des als als Direktoriumsmitglied mäßigend auf die Landesherr von Oldenburg vorgesehenen Hellwag 299

Prinzen -► Peter Friedrich Ludwig von Hol- sundheitspflege im Fürstentum Lübeck zu stein-Gottorp (1755-1829), der soeben die sorgen. Zahlreiche Veröffentlichungen Prinzessin Friederike von Württemberg- zeugen von der Vielseitigkeit seiner Bil­ Mömpelgard geheiratet hatte und einen dung und seiner regen wissenschaftlichen Arzt aus ihrer Heimat suchte. Im März Tätigkeit. Er war ein bedeutender Physi­ 1782 kam H. nach Oldenburg, schloß sich ker und gilt u. a. als Entdecker der soge­ hier rasch dem kleinen Kreis um -* Ger­ nannten Klirrtöne. Seine scharfsinnigen hard Anton von Halem (1752-1819) an und Arbeiten über die Optik erregten das wurde auch Mitglied der von diesem ge­ Interesse Goethes. Die Impfungen des gründeten Literarischen Gesellschaft. Ne­ englischen Arztes Edward Jenner veran- ben der Betreuung der herzoglichen Fami­ laßten H. im Juni 1800, seine jüngste Toch­ ter und fünfzehn andere Kinder aus Eutin gegen die Pocken mit einem Serum zu impfen, das er durch Impfung einer Kuh gewonnen hatte. Als sich diese Impfungen als erfolgreich erwiesen, veröffentlichte H. mehrere Aufsätze über seine Methode, die offiziell im Fürstentum Lübeck eingeführt und auch von anderen Ärzten nachgeahmt wurde. Als 1831 eine Cholerawelle Nord­ deutschland erreichte, veranlaßte er die sofortige Bildung von Gesundheitskom­ missionen, die eine Ausbreitung der Epi­ demie verhindern konnten. Mit zuneh­ mendem Alter kränkelte H., feierte aber 1832 noch sein 50jähriges Arztjubiläum. Drei Jahre später starb er nach einem Schlaganfall und wurde auf dem Eutiner Friedhof beigesetzt. H. war seit dem 17. 8. 1784 verheiratet mit Susanna Sophia Henrietta von Halem (28. 10. 1759 - 25. 5. 1823), der Tochter des Oldenburger Stadtsyndikus Anton Wil­ helm von H. (1711-1771) und Schwester lie führte H. in Oldenburg eine umfangrei­ des Schriftstellers Gerhard Anton von H. che Privatpraxis und gründete nach Ham­ (1752-1819). Dieser Ehe entstammten vier burger Vorbild auch ein Krankenhaus für Töchter und drei Söhne, von denen Ernst arme Leute. Auf Wunsch Peter Friedrich Ludwig (1790-1862) oldenburgischer Ober- Ludwigs übersiedelte er mit seiner Familie regierungsrat in Eutin wurde. Dessen im Mai 1788 nach Eutin, da -► Heinrich Sohn Konrad Hellwag (1827-1882) wurde Marcard (1747-1817) als Leibarzt nach ein bekannter Eisenbahntechniker. Oldenburg berufen worden war. Hier er­ warb er 1791 ein Haus in unmittelbarer W: Nähe des Rektors -*• Johann Heinrich Voss Dissertatio physica de motu corporum, Tübin­ (1751-1826), mit dem ihn bald eine enge gen 1774; Abhandlung vom Gebrauch des Freundschaft verband. Diese Nachbar­ Storchenschnabels, Tübingen 1776; Beschrei­ bung und Gebrauch des Storchschnabels, Tü­ schaft wirkte sich positiv für den Unter­ bingen 17772; Dissertatio physiologica medica richt am Gymnasium aus, weil H. Zeich­ de formatione loquelae, Tübingen 1781; Ein nungen für die Altertumskunde lieferte Wort über die Blattern an die guten Einwohner und im Mathematikunterricht aushalf. Eutins, Eutin 1797; Bericht über die blauen Auch in der 1804 gegründeten Literari­ Kuhblattern, Kopenhagen 1801; Erfahrungen schen Gesellschaft spielte er eine wichtige über die Heilkräfte des Galvanismus und Be­ Rolle und war eines ihrer aktivsten Mit­ trachtungen über desselben chemische und physiologische Wirkungen, Hamburg 1802; glieder. Er hielt Vorträge über M a­ Euklids 11. Grundsatz als Lehrsatz erwiesen, gnetismus, Hebammenkunst, Armen­ Hamburg 1818; Physik des Unbelebten und kunde, Optik und Akustik. 1799 wurde H. des Belebten, Hamburg 1824; Newtons Far­ zum Stadt- und Landphysikus ernannt und benlehre aus ihren wichtigen Prinzipien be­ hatte als solcher für die öffentliche Ge­ richtigt, Lübeck 1835. 300 Hemken

L: Winter in Olevano Romano. In Rom trat H. ADB, Bd. 11, S. 699; Neuer Nekrolog der Deut­ dem Deutschen Künstlerverein bei und schen, 1835, S. 874-875; Iwan Bloch, Der medi- verbrachte den folgenden Sommer wieder cinische Galvanismus im Oldenburgischen am in Olevano in den Sabinerbergen. Anfänge des 19. Jahrhunderts, in: OJb, 9, In dieser Zeit malte H. an einem Altarbild 1900, S. 136-146; Arthur Warda, Zwei Briefent­ würfe Kants, in: Altpreußische Monatsschrift, für die Kirche in Brake, das er später in 1900, S. 306-316; Kants Briefwechsel, hg. von Weimar unter Aufsicht von Preller und Bo- der Preußischen Akademie der Wissenschaf­ naventura Genelli (1798-1868) fertigstellte. ten, Bd. 2, Berlin 1900, S. 221-229, 232-235; Bedingt durch eine Krankheit kehrte H. Gustav Peters, Geschichte von Eutin, Neumün­ erst im August 1861 nach Deutschland zu­ ster 1958; Erwin Obermeier, Die Eutiner Lite­ rück. Wir finden ihn in Bremen und Jever rarische Gesellschaft, 4 Bde., Eutin 1980, Ty­ wieder, wo er Kopien von Familienbildern poskript, StAO; Otto Rönnpag, Christoph für den Grafen Wedel im Schloß Neustadt- Friedrich Hellwag - Stadt- und Landphysikus in Eutin, in: Jahrbuch für Heimatkunde Eutin, Gödens anfertigte und mehrere Portraits 19, 1985, S. 64-72; ders., Eutin und die Hell- sowie sein Selbstbildnis malte (Schloßmu­ wags, ebd., S. 72-78. seum Jever). Dann zog es H. nach London, Otto Rönnpag wo sein Bruder lebte; dort verbrachte er drei Jahre. Aus dieser Zeit sind nur Por­ traits H.s bekannt. Sein Weimarer Lehrer forderte ihn auf, nach Weimar zurückzu­ Hemken, Georg Melchior Bernhard kehren, wo er mit Eduard Kranoldt die Pre­ Ernst, Maler, * 21. 4. 1834 Jever, i 11. 7. dellen zum 3. Prellerschen Odyssee-Zy­ 1911 Dresden. klus (1865/68) vom Entwurf auf die Wand H., der einer angesehenen Bockhorner übertrug. Kaufmannsfamilie entstammte, war der Von 1869 an blieb H., der unverheiratet Sohn des Obergerichtsanwalts Friedrich war, bis zu seinem Tode in Dresden. Hier Christoph M elch io r Hemken (16. 10. betätigte er sich im wesentlichen als Por- 1805 - 14. 5. 1871) und dessen Ehefrau Do­ traitist. Das Kopieren von Gemälden in der rothea geb. Decker (27. 4. 1813 - 14. 4. Dresdener Galerie (u. a. Raphael, Tizian 1890) und Enkel des Schriftstellers Mel­ chior Hemken (1766-1806). Er besuchte das Mariengymnasium in Jever und wollte ursprünglich Seemann werden. 1852 wurde er, wie schon der in Varel tätige Landschaftsmaler Louis Karl August Prel­ ler (1822-1901), Schüler des Malers Fried­ rich Preller d. Ä. (1804-1878) in Weimar. Er lebte als Pensionär in der Familie seines Lehrers, mit dessen sich ebenfalls künstle­ risch betätigenden Sohn Friedrich er bald enge Freundschaft schloß. 1855 setzte H. seine Ausbildung an der Dresdener Aka­ demie bei dem Galeriedirektor und späte­ ren Nazarener Julius Schnorr von Carols- feld (1794-1872) fort, der ihn mit der Por- traitmalerei vertraut machte und ihm auch Anregungen zu biblischen Themen wie „Adam und Eva finden die Leiche Abels" (1857, Stadtmuseum Oldenburg) und „Po- tiphars Weib klagt Joseph an" gab. Für und Correggio) trat allerdings immer stär­ eines seiner Gemälde bekam er den ker in den Vordergrund, denn eine Malerei I. Preis der Akademie. Der Verkauf seiner nach spätnazarenischen Idealen hatte sich Bilder ermöglichte es H., sich mit seinem inzwischen überlebt. In Dresden wird H., Lehrer Friedrich Preller d. Ä. und dessen neben dem seit 1867 in Dresden ansässi­ Sohn 1859 über Genua, Florenz und Li­ gen Friedrich Preller d. J., mit seinem drei vorno nach Rom zu begeben. Ende Okto­ Jahre älteren Oldenburger Kollegen — ber kamen sie dort an und verlebten den August tom Dieck (1831-1893) Kontakt ge­ Hemken 301 habt haben, der eine ähnliche künstleri­ Liebe und der Freundschaft pries. Der En­ sche Entwicklung hatte und die gleichen thusiasmus des menschlich liebenswerten Kunstanschauungen vertrat. Dilettanten konnte freilich die fehlende L: dichterische Kraft nicht ersetzen; seine Friedrich von Boetticher, Malerwerke des Werke sind heute nur noch von kulturhi­ 19. Jahrhunderts I, 2, 1895; Deutsches Künst­ storischem Interesse. ler-Lexikon in biographischen Skizzen. Das H. war seit dem 4. 6. 1789 verheiratet mit Geistige Deutschland am Ende des XIX. Jahr­ Catharina Sophie geb. Bollenhagen hunderts, Bd. 1, Leipzig/Berlin 1898; Georg Müller, Der Maler E. Hemken, in: Dresdener Geschichtsblätter, 3/4, 1921; ders., in: Thieme- Becker, Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, Bd. 16, Leipzig 1923, S. 365-368 (L); Wolfgang Büsing, Das Geschlecht Hemken in Bockhorn, in: OFK, 13, 1971; Gerhard Wietek, 200 Jahre Malerei im Oldenburger Land, Oldenburg 1986 (L). José Kastler

Hemken, Melchior, Kaufmann und Schrift­ steller, * 20. 9. 1766 Bockhorn, f 28. 4. 1806 Bockhorn. H. entstammte einer wohlhabenden Kauf­ mannsfamilie, die seit dem 17. Jahrhun­ dert ein großes Handelsgeschäft in Bock­ horn führte und umfangreichen Grundbe­ sitz erworben hatte. Er war der älteste Sohn des Johann Hemken (get. 14. 7. 1743 (9. 7. 1770 - 23. 5. 1849), der Tochter des - 24. 3. 1813) und dessen Ehefrau Hen­ Hausmanns Berend B., die in zweiter Ehe riette Philippine geb. Brand (10. 10. 1795 - mit dem späteren russischen Ingenieur- 21. 3. 1824). Nach dem Besuch der Schule Oberst Julius Ernst von Kotteritz (1776- in Quakenbrück absolvierte er eine Kauf­ 1819) verheiratet war. Das Ehepaar H. mannslehre im väterlichen Geschäft, an hatte vier Töchter und fünf Söhne; Johann dessen Leitung er anschließend beteiligt (1790-1852) übernahm das väterliche Ge­ wurde. Neben seiner kaufmännischen Tä­ schäft und Friedrich Christoph Melchior tigkeit besaß H. stark ausgeprägte literari­ (1805-1871) wurde Obergerichtsanwalt. sche und musische Interessen, die er durch H.s Enkel -*• Ernst Hemken (1834-1911) ausgedehnte Lektüre weiterentwickelte. wurde Historienmaler und Portraitist. 1788 unternahm er eine Reise durch Deutschland und die Schweiz und be­ W: suchte die von ihm bewunderten Dichter An Rina, in: Neuer Teutscher Merkur, Bd. 1, 1798; Die Nacht, Bremen 1797; Das schei­ Gleim, Herder, Wieland, Klopstock sowie dende Jahrhundert, Berlin 1800; Otaheitische Lavater, die ihn in seinen schriftstelleri­ Gemälde, Bremen 1803. schen Neigungen bestärkten. Seine naiv­ L: empfindsamen Gedichte erschienen seit Christian Friedrich Strackerjan, Melchior 1798 anonym in führenden deutschen Lite­ Hemken, in: Mitteilungen aus Oldenburg, 4, raturzeitschriften; auch -► Gerhard Anton 1838, S. 116-117, 119-121, 123-125; Paul von Halem (1752-1819), mit dem er in Raabe, Melchior Hemken, in: ders., Wie Sha­ Briefwechsel stand, nahm einige seiner kespeare durch Oldenburg reiste. Bilder und Skizzen zur oldenburgischen Kulturge­ Gedichte in die Zeitschrift „Irene" auf. schichte, Oldenburg 1986, S. 185-192; Wolf­ Ebenfalls anonym veröffentlichte H. drei gang Büsing, Melchior Hemken. Ein oldenbur- größere Versdichtungen, in denen er für gischer Dichter vor 200 Jahren, in: OHK, 140, die Ideen der Aufklärung schwärmte und 1966, S. 50-54; ders., Das Geschlecht Hemken das unschuldige Leben auf der Südseein- in Bockhorn, ebd., 13, 1971, S. 349-390. sel Tahiti, das Glück des Landlebens, der Hans Friedl 302 Hendorff

Hendorff, Friedrich Wilhelm von (ur­ wen- und Waisenkasse als ersten Schritt sprünglich Henrichs, dänischer Adelsstand einer vorbeugenden Armenpflege vor­ 1759), Kammerdirektor, * 20. 12. 1738, schlug, kam es zunächst zu Auseinander­ f 31. 7. 1798 Oldenburg. setzungen mit H., da dieser die zugrunde­ H. war der Sohn des dänischen General- gelegten Berechnungen bezweifelte und kriegskommissars Johann Georg Henrichs vor allem für eine Erhöhung der Beitrags­ (10. 7. 1703 - 9. 11. 1775) und dessen Ehe­ sätze eintrat. Nach einer neuerlichen frau Christine geb. Schmid (20. 4. 1707 - Überprüfung schloß sich Oeder in dieser 6. 3. 1793). Der Vater, der 1759 von König Frage den Einwänden H.s an, mit dem er Friedrich V. von Dänemark mit dem Prädi­ dann 1779 gemeinsam die Leitung der Wit­ kat von Hendorff in den Adelsstand erho­ wen- und Waisenkasse übernahm. Als ben worden war, wurde 1763 Kämmerer Kammerdirektor spielte H. auch eine ge­ der Grafschaften Oldenburg und Delmen­ wichtige Rolle bei der Reform des bisher horst und erhielt auf dreißig Jahre die fah­ hauptsächlich von der Kirche getragenen rende Post, die von Bremen über Olden­ Armenwesens. 1784 wurde er Mitglied der burg und Apen nach Ostfriesland führte. vorbereitenden Kommission, als deren Wir wissen bisher nichts über Jugend und Sprecher er im folgenden Jahr das um­ Ausbildung seines ältesten Sohnes Fried­ fangreiche Abschlußgutachten verfaßte, rich Wilhelm, der vermutlich auf dem vom das die Vorschläge zur Reorganisation des Vater erworbenen Gut Hahn aufwuchs Armenwesens enthielt und nach hambur- und nach der üblichen Erziehung durch gischem Vorbild auch die Errichtung einer Hauslehrer Jura studierte. Die Beziehun­ Ersparungskasse für die sozial Schwachen gen des Vaters öffneten H. den Weg in die empfahl. Aus H.s Feder stammen die Texte Staatsverwaltung. Im April 1763 wurde er der beiden Verordnungen, mit denen 1786 dem Vater cum spe succedendi adjungiert die neue Armenordnung in Kraft gesetzt und stieg danach rasch die bürokratische und die Ersparungskasse eingerichtet Stufenleiter empor. Im August 1767 wurde wurde, die die Wurzel der späteren olden­ er zum Kanzleirat ernannt und erhielt im burgischen Landessparkasse bildete, der Januar 1770 den Titel Justizrat, im Dezem­ ältesten noch bestehenden Sparkasse der ber 1773 den Titel Etatsrat; im März 1781 Welt. wurde er auch Kammerherr. Im April 1782 H. scheint in den letzten Monaten seines übernahm er schließlich als Direktor die Lebens häufiger krank gewesen zu sein Leitung der Kammer, die er bis zu seinem und konnte sich deshalb seinen Amts­ Tode innehatte. pflichten nicht mehr mit ganzer Kraft wid­ Nach dem Wenigen, das von H.s Amtsfüh­ men. Seinen Tod bezeichnete Herzog -► Pe­ rung bisher bekannt ist, spielte der fach­ ter Friedrich Ludwig (1755-1829) als einen lich überaus kompetente Beamte inner­ „sehr empfindlichen" Verlust. halb der oldenburgischen Verwaltung im H. war seit dem 25. 10. 1769 verheiratet letzten Drittel des 18. Jahrhunderts eine mit Christine Sybille geb. von Schomburg wesentliche Rolle und war maßgeblich an (16. 8. 1747 - 3. 7. 1789), der Tochter eines den Reformen beteiligt, die Mitte der Konferenzrats. Seine Schwester Christina 1770er Jahre eingeleitet wurden. Diese lie­ Amalia (1740-1804) war die Frau des fern in ihrer Gesamtheit auf ein pragma­ oldenburgischen Kanzleidirektors -*• Chri­ tisch ausgerichtetes Programm zur Ent­ stian Albrecht Wolters (1716-1799); sein wicklung und Modernisierung des Klein­ jüngerer Bruder, der dänische Major Jo­ staates hinaus, das ein Gemeinschafts­ hann Georg von H. (1744-1800), wurde werk einer kleinen Spitzengruppe der 1777 Postmeister und führte alle in Olden­ oldenburgischen Bürokratie darstellte. Zu burg bestehenden Postlinien auf eigene ihr gehörte neben dem dirigierenden Mi­ Rechnung. nister -*• Holmer (1741-1806), dem Land­ vogt -► Georg Christian von Oeder (1728- L: 1792), dem Kabinettssekretär -*• Ludwig Johann Heinrich Schloifer, Versuch einer aus­ führlichen Staats-Geschichte und Historisch- Benedikt Trede (1731-1819) und dem Ju ­ Politisch-Geographischen Beschreibung der stizrat Gerhard Anton von Halem (1752- Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst, 1819) auch der Kammerdirektor H. Als o. J. (um 1760), MS, LBO; Gustav Rüthning, 1778 der aus Dänemark strafversetzte Geschichte der oldenburgischen Post, Olden­ Landvogt Oeder die Einrichtung einer Wit­ burg 1902; Wolfgang Büsing, Personenge­ Herbart 303 schichtliche Nachrichten aus den „Oldenbur- wo er von 1800 bis 1802 bei seinem Stu­ gischen wöchentlichen Anzeigen" 1746-1800, dienfreund, dem späteren Senator und in: OJb, 55, 1955, S. 193-232; Gerhard Tooren, Bürgermeister Johann Smidt, lebte. Er ver­ Die Verstaatlichung der oldenburgischen Post faßte in diesen Jahren zwei kleinere Ab­ im Jahre 1800, in: Postgeschichtliche Blätter handlungen über Pestalozzis Pädagogik „Weser-Ems", 2, 1960, S. 1-5; Carl Haase, Die sozialen Verhältnisse und die Gesetzgebung („Über Pestalozzis Schrift ,Wie Gertrud von 1786, in: Landessparkasse zu Oldenburg ihre Kinder lehrte'" und „Pestalozzis Idee 1786-1961, Oldenburg 1961, S. 51-95; Jörg eines ABC der Anschauung"), konzipierte Deuter, Zur Wiederentdeckung von Grabmal- erste eigenständige Entwürfe zur theore­ Architekturen Johannes Wiedeweits in Olden­ tisch-systematischen Pädagogik und burg (Grabmäler der Familie Hendorff), in: machte erste Unterrichtserfahrungen als Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte, Mathematiklehrer am Gymnasium. An­ 26, 1987, S. 105-132; Hans Friedl, Friedrich Le­ vin Graf von Holmer (1741-1806), in: Mittei­ fang 1802 ließ er sich an der Universität lungsblatt der Oldenburgischen Landschaft, Göttingen einschreiben und legte bereits Nr. 71, 1991, S. 1-3. nach einem Semester im Oktober inner­ Hans Friedl halb einer Woche eine Reihe von Prüfun­ gen ab; neben dem Hauptexamen vertei­ digte er zehn Thesen zur Promotion und - einen Tag später - zwölf Thesen zur Habili­ Herbart, Johann Friedrich, Pädagoge und tation, mit denen er sich als Hochschulleh­ Philosoph, Universitätsprofessor, * 4. 5. rer qualifizierte. 1776 Oldenburg, f 14. 8. 1841 Göttingen. Seit dem Wintersemester 1802/03 hielt H. H. war der Sohn des Oldenburger Justiz- in Göttingen als Privatdozent Vorlesungen und Regierungsrats Thomas Gerhard Her­ bart (27. 8. 1739 - 20. 8. 1809) und Enkel des Rektors der Oldenburger Lateinschule, -► Johann Michael Herbart (1703-1768). Seine Mutter Luzia Margareta (10. 4. 1755 - 4. 12. 1802) war die Tochter des Olden­ burger Arztes Cornelius Schütte (1715- 1760). H. wurde zunächst auf einer Privat­ schule und durch Hauslehrer unterrichtet und besuchte von 1788 bis 1794 das Gym­ nasium in Oldenburg. Schon als Schüler befaßte er sich mit Logik und Metaphysik und las Kants Schriften. Ab 1794 studierte er in Jena Philosophie, Jura, Mathematik und Literaturgeschichte. Er war dort Schü­ ler Fichtes, zu dessen Philosophie er je­ doch bald eine kritische Distanz entwik- kelte. Während des Studiums lernte er auch Schiller und Niethammer kennen. 1797 beendete H. sein Studium und wurde Hauslehrer im Hause des Altlandvogtes Karl Friedrich Steiger in Bern, dessen drei Söhne Ludwig, Karl und Rudolf er unter­ richtete. Mit Karl Steiger blieb er auch in späteren Jahren freundschaftlich verbun­ über Pädagogik und (ab Sommersemester den. Von Bern aus besuchte er 1799 Pesta­ 1803) auch Philosophie. Schon bald war er lozzi in Burgdorf, um dessen Unterrichts­ wegen seiner Lehrerfolge als Professor für methode kennenzulernen. Nach drei Jah­ verschiedene Universitäten im Gespräch. ren verließ er Bern und reiste - mit Zwi­ Berufungen nach Heidelberg (1805) und schenstationen in Straßburg, Frankfurt a. Landshut (1806) lehnte er ab und wurde M. und Jena (wo er das Angebot Niemey­ daraufhin in Göttingen zum außerordentli­ ers ablehnte, Lehrer am Pädagogium in chen Professor ernannt. Er veröffentlichte Halle zu werden) - nach Oldenburg. Nach in seiner Göttinger Zeit mehrere Schriften kurzem Aufenthalt ging H. nach Bremen, zur Pädagogik und Philosophie. Seine 304 Herbart

„Allgemeine Pädagogik aus dem Zweck Fakultät löste König Ernst August von der Erziehung abgeleitet" (1806) ist sein Hannover 1837 die Ständeversammlung erstes größeres und das in der Pädagogik auf und setzte die Verfassung von 1833 am bekanntesten gewordene Werk. 1809 außer Kraft. Sieben Göttinger Hochschul­ nahm H. einen Ruf an die Universität lehrer protestierten gegen diesen Verfas­ Königsberg an und erhielt den Lehrstuhl, sungsbruch. Der Senat der Universität be­ den einst Kant innegehabt hatte. Hier ver­ schloß hingegen, eine aus dem Prorektor faßte H. seine bedeutenden Werke zur Phi­ und dem Dekan bestehende Deputation losophie und Psychologie („Einleitung in mit einer Ergebenheitsadresse zum König die Philosophie", 1813; „Lehrbuch zur Psy­ zu schicken. H. folgte dem Senatsbe­ chologie", 1816; „Über die Möglichkeit schluß. Die „Göttinger Sieben" wurden und Notwendigkeit, Mathematik auf Psy­ entlassen, einige von ihnen des Landes chologie anzuwenden", 1822; „Psycholo­ verwiesen. gie als Wissenschaft", 1824/25; „Allge­ H. ging in der Philosophie - nach seiner meine Metaphysik nebst den Anfängen Auseinandersetzung mit Kant im Jugend­ der philosophischen Naturlehre", 1828/ lichenalter, mit Fichte und Schelling als 29). Als Pädagoge engagierte H. sich in­ Student und mit Hegel über einen länge­ nerhalb und außerhalb der Universität in ren Zeitraum in den späteren Lebensjah­ vielfältiger Weise. Er eröffnete ein „Didak­ ren - seine eigenen Wege. Den idealisti­ tisches Institut", in dem er etwa zehn Jun­ schen und Ich-bezogenen Konzepten gen im mittleren Gymnasialalter in seinem stellte er seinen „exakten" philosophi­ Haus durch seine Frau betreuen und durch schen Realismus entgegen. Gegenstände Mitglieder seines pädagogischen Universi­ der Philosophie sind für ihn die Logik, die tätsseminars unterrichten ließ. Dieses In­ Metaphysik und die Ästhetik. Um Sein zu stitut wurde 1818 vergrößert und zu einem erklären, wandte er sich der Realität direkt pädagogischen Seminar weiterentwickelt. zu, nicht nur Theorien über Realität. Die Von 1811 bis 1816 war H. Mitglied, zeit­ durch Begriffe zu beschreibende Realität, weise auch Direktor einer vom Kultusmini­ das Gegebene, ist Schein, der Hindeutun­ sterium eingesetzten „Wissenschaftlichen gen auf Sein enthält. Sein besteht aus Deputation", die als Beratungsgremium einer Vielheit von Substanzen, die sich fungierte. Außerdem war er Vorsitzender durch Kausalitäten in Merkmalen darstel­ der wissenschaftlichen Prüfungskommis­ len und in Raum und Zeit („objektiver sion, Mitglied der Kommission für die Schein") dynamisch verhalten. Mittels der Abiturientenprüfungen des Stadtgymna­ „Methode der zufälligen Ansichten" sind siums und seit 1829 Schulrat und Ehren­ die Zusammenhänge aufspürbar. In der mitglied des Königsberger Konsistoriums Psychologie kam es H. darauf an, mit Hilfe sowie des Provinzialschulkollegiums mit der Mathematik die „Seelenforschung" Sitz und Stimme. In Königsberg heiratete zur „Naturforschung" zu machen. Philoso­ H. am 13. 11. 1811 Mary Jane Drake (1791- phie und Psychologie hatten für ihn Be­ 1876), die Tochter des aus England stam­ deutung für die Pädagogik, für die er aber menden Kaufmanns und Konsuls James andererseits als einer eigenständigen Wis­ Lawrence D. aus Memel. Die Ehe blieb senschaft „einheimische Begriffe" for­ kinderlos. Allerdings nahm das Ehepaar derte. Die Philosophie zeigt jedoch die H. den geistig behinderten Sohn des Zielbestimmung für pädagogisches Han­ Königsberger Oberlehrers Georg Friedrich deln und die Psychologie gibt Möglichkei­ Stiemer nach dessen Tod 1828 als Pflege­ ten an, wie diese Ziele zu erreichen sind. sohn auf. 1833 folgte H. einem Ruf an die Für H. waren die „Charakterstärke der Universität Göttingen, nachdem feststand, Sittlichkeit" und die „Tugend" zentrale Er­ daß der durch Hegels Tod (1831) freige­ ziehungsziele, die über „Regierung", wordene Lehrstuhl für Philosophie in Ber­ „Unterricht" und „Zucht" realisiert wer­ lin, auf den er gehofft hatte, mit einem He­ den sollten. „Regierung" kennzeichnet gelianer besetzt werden würde. In seiner den äußeren Rahmen eines Erziehungsver­ zweiten Göttinger Periode gab H. mit dem hältnisses. Dazu gehören die Beschäfti­ „Umriß pädagogischer Vorlesungen" gung, Beaufsichtigung und Leitung des (1835) eine systematische Zusammenfas­ Kindes, das Eingewöhnen in Ordnungen sung seiner Pädagogik heraus. Während mit Liebe, aber auch mit Zwang und seiner Zeit als Dekan der Philosophischen Strafe. „Unterricht", der immer auch zu­ Herbart 305

gleich Erziehung ist und umgekehrt, muß Herbart, Johann Michael, Rektor, * 27. 8. nach einem Stufenschema verlaufen. Die 1703 Ostheim, t 2. 8. 1768 Oldenburg. erste Stufe hier ist die „Klarheit", auf der H. war der Sohn des Leinenwebers Johann dem Kind der in überschaubare Teile zer­ Jakob Herbart (1673-1730) und dessen legte Lehrstoff klargemacht werden muß. Ehefrau Anna Katharina geb. Schnepff Mit Hilfe der „Association" wird dann das (1670-1741). Der Vater, der aus einer Lohn­ neu zu Lernende mit dem bereits Bekann­ arbeiterfamilie stammte, hatte sich zum ten verknüpft. Der neue Kenntnisstand, selbständigen Meister emporgearbeitet herbeigeführt auf einer dritten Stufe, ist und damit den ersten Schritt zum sozialen das „System". Und die „Methode" schließ­ Aufstieg vollzogen, den seine Nachfahren lich kennzeichnet die Anwendung des Ge­ weitergingen. Seinen ersten Unterricht er­ lernten und ermöglicht die Eröffnung hielt H. in verschiedenen Schulen seiner neuer Lernprozesse, schafft wieder „Klar­ Geburtsstadt. Mit elf Jahren verließ er das heit". „Zucht", das heißt Erziehung, ge­ Elternhaus, um im Hennebergschen Gym­ währleistet schließlich die sittliche Bil­ nasium in Schleusingen seine Schulbil­ dung. dung zu vervollständigen. In der mit dem H.s Unterrichtstheorie ist in der zweiten Gymnasium verbundenen „Communität", Hälfte des 19. Jahrhunderts von den „Her- einer Pflege- und Erziehungsanstalt, er­ bartianern" zu einer Unterrichtstechnolo­ hielt er Unterkunft und Verpflegung und gie verformt worden. Seine Pädagogik ins­ zum eigenen Lebensunterhalt trugen gesamt ist jedoch auch für die heutige schon bald „Nebenstunden" bei, die er an­ pädagogische Diskussion weiterhin rele­ deren Schülern erteilte. Von 1722 bis 1728 vant. H. wird über den deutschen Sprach- studierte H. Theologie, alte Sprachen und raum hinaus als ein Klassiker der Pädago­ Philosophie an den Universitäten Witten­ gik anerkannt, gelehrt und diskutiert. berg und Helmstedt. Nach einigen Jahren Hauslehrertätigkeit in Bremen wurde er W: Johann Friedrich Herbarts sämtliche Werke, 1730 Konrektor der Lateinschule in Del­ hg. von Gustav Hartenstein, 12 Bde., Leipzig menhorst und 1734 Rektor der Latein­ 1850-1852, Ergänzungsband (Bd. 13) Hamburg schule in Oldenburg. 1749 wurde er auch 1893; Johann Friedrich Herbarts sämtliche zum Konsistorialassessor ernannt. Damit Werke, hg. von Karl Kehrbach und Otto Flügel, war H. Mitglied der höchsten Kirchen- und Bd. 1-15, Leipzig/Langensalza 1882-1909, Schulbehörde des Oldenburger Landes. Bd. 16-19 bearb. von Theodor Fritzsch, Lan­ H. war daneben auch literarisch tätig. Ins­ gensalza 1912; Johann Friedrich Herbarts päd­ gesamt 67 kleinere Schriften, Schulpro- agogische Schriften, hg. von Otto Willmann und Theodor Fritzsch, 3. Ausgabe, 3 Bde., grarnme, Abhandlungen und Rezensionen Osterwieck und Leipzig 1913-1919; Hausleh­ sind nachweisbar, die grundsätzliche Fra­ rerberichte und pädagogische Korrespondenz gen verschiedener Sachgebiete (Theolo­ 1797-1807, eingeleitet und mit Anmerkungen gie, Philosophie, Staatstheorie/politische versehen von Wolfgang Klafki, Weinheim Ökonomie, Medizin, Psychologie, Pädago­ 1966; Pädagogische Schriften, hg. von Walter gik) betreffen, aber auch aktuelle Pro­ Asmus, 3 Bde., Düsseldorf 1964/1965. bleme der Zeit. Gemeinsam mit dem Ar­ L: chivar Johann Hinrich Schloifer (1720- ADB, Bd. 12, S. 17-23; NDB, Bd. 8, S. 572-575 (W, L); Walter Asmus, Johann Friedrich Her­ 1783) gründete H. 1746 die „Oldenburgi- bart. Eine pädagogische Biographie, 2 Bde., schen Nachrichten von Staats-, gelehrten, Heidelberg 1968 und 1970 (W, L); ders., Her­ und bürgerlichen Sachen", die erste regel­ bart im Urteil seiner Göttinger Universitätskol­ mäßig in Oldenburg erscheinende Zei­ legen, in: Göttinger Jahrbuch, 19, 1971, S. 1- tung. Sie mußte 1748 aus finanziellen 19; ders., Herbart in seiner und in unserer Gründen ihr Erscheinen einstellen. Doch Zeit, Essen 1972; Johann Friedrich Herbart. schon ab 1749 brachte H. dann mit Unter­ Leben und Werk in den Widersprüchen seiner stützung der Regierung die „Oldenburgi- Zeit. Neun Analysen, hg. von Friedrich W. Busch und Hans-Dietrich Raapke, Oldenburg schen Wöchentlichen Anzeigen" heraus, 1976; Josef Nikolaus Schmitz, Herbart-Biblio- für die er Verleger und Herausgeber zu­ graphie 1842-1963, Weinheim 1964 (W, L); gleich war und die in mehrfach modifizier­ Dietrich Benner, Die Pädagogik Herbarts. Eine ter Form bis 1978 erschienen. problemgeschichtliche Einführung in die H.s Grundposition, von der aus er seine Systematik neuzeitlicher Pädagogik, Wein­ Überlegungen anstellte und die auch in heim 1986. Klaus Klattenhoff seinen Schriften deutlich wird, baut auf Er­ 306 Herings

kenntnissen auf, deren Basis schon wäh­ Herings, Anton, Lic. iur., gräflicher Rat, * ? rend seines Studiums gelegt wurde und Burhave, f 15. 6. 1610 Oldenburg. die sich im Spannungsfeld von Wittenber­ Unsere Kenntnisse der Biographie Herings ger Orthodoxie, Halleschem Pietismus und (auch fälschlich Hering geschrieben) wei­ naturrechtlich fundierter aufklärerischer sen beträchtliche Lücken auf, selbst sein Philosophie entwickelte. In Oldenburg Geburtsdatum ist nicht bekannt. Er war war H. einer der in der Öffentlichkeit wirk­ der Sohn des Pastors Edzard Herings samsten frühen Aufklärer. (t 1572), der Erzieher der Söhne des Gra­ H. war seit dem 22. 5. 1731 verheiratet mit fen -► Anton I. (1505-1573) gewesen war Klara Elisabeth geb. Probst (1701-1777), und 1565 die Pfarrstelle in Burhave erhielt. der Tochter des ehemaligen Oldenburger H. studierte ab 1580 Jura an der Universi­ Bürgermeisters Johann Friedrich P. tät Helmstedt, wechselte 1583 an die Uni­ (i 1707). Der Ehe entstammten eine Toch­ versität Wittenberg und beendete sein Stu­ ter und vier Söhne, die in den oldenburgi- dium in Basel, wo er den Grad eines Licen- schen und preußischen Staatsdienst eintra­ tiatus iuris erwarb. Anschließend prakti­ ten. H.s Enkel Johann Friedrich Herbart zierte er längere Zeit bei den Reichsge­ (1776-1841) wurde Universitätsprofessor. richten in Speyer und Prag. Am 30. 7. 1591 wurde er zum Rat in der gräflichen Kanzlei in Oldenburg ernannt und war in der Fol­ W: gezeit vor allem in dem seit langem an­ Kurtze Abbildung eines glückseligen Staates, Oldenburg o. J. [um 1736]; Kurtzer Entwurff dauernden Erbschaftskonflikt zwischen von den vornehmsten Quellen des Verderbens Graf -► Johann VII. (1540-1603) und dessen der Jugend, Oldenburg 1736; Kurzer Erweis, Bruder -*• Anton II. (1550-1619) tätig. Im daß alle Studierende eine Historische Erkennt- Gegensatz zu seinem Bruder Johann VII., niß von guten Künsten und Handwerken sich der den Anspruch auf Alleinherrschaft in zuwege bringen müssen, Oldenburg 1740; den beiden Grafschaften Oldenburg und Kurze Erörterung der Frage: in wie fern durch Delmenhorst erhob, bestand Anton II. auf die Handlungen der Menschen die Ehre Got­ einer Teilung der Herrschaftsrechte, wie tes mittelbar und unmittelbar befördert, oder zum wenigsten nicht gekränket werde, Olden­ sie in den vorangehenden Jahrhunderten burg 1742; Kurze Erörterung der Frage: Wer häufig erfolgt war; er konnte sich dabei studieren soll?, Oldenburg 1747; Versuch eines auch auf die im Manuskript vorliegende Beweises, daß die Unpartheylichkeit eines Ge­ Oldenburgische Chronik des Superinten­ schichtsschreibers eine schwere Sache sey, denten -► Hermann Hamelmann (um 1526- Oldenburg 1748; Kurze Betrachtung einiger 1595) berufen, deren Abfassung sein Bru­ Ursachen, wodurch die Tugend unter den der selbst veranlaßt hatte. Um ihm diese evangelischen Christen verhindert wird, Argumentationshilfe zu entziehen, beauf­ Oldenburg 1751; Kurze Anmerkung über die Lehre von der ursprünglichen Gemeinschaft tragte Johann VII. seinen Rat H., den der Güter und dem Eigenthumsrechte, Olden­ Chroniktext zu „überarbeiten" und eine burg 1759; Ueber die Einimpfung der Pocken, gereinigte, für seine politischen Zwecke Oldenburg 1760; Der Schulton, Oldenburg brauchbare Fassung für den Druck vorzu­ 1763. bereiten. Dieser tilgte alle Hinweise auf L: die mehr als dreißig Teilungen, die bisher ADB, Bd. 12, S. 16-17; Gerhard Anton Gram­ in der Geschichte der Grafschaften zu ver­ berg, Johann Michael Herbart. Versuch einer zeichnen waren, änderte eine Reihe von Biographie, in: Blätter vermischten Inhalts, 2, 1788, S. 373-424 (W); Karl Meinardus, Ge­ Passagen und fügte auch umfangreiche Er­ schichte des Großherzoglichen Gymnasiums gänzungen in den Hamelmannschen Text in Oldenburg, Oldenburg 1878; Walter Asmus, ein, der 1599 in dieser verfälschten Form Johann Michael Herbart, in: Pädagogische gedruckt wurde. Nach dem Regierungsan­ und didaktische Reflexionen. Festschrift für tritt des Grafen -*• Anton Günther (1583- Martin Rang, hg. von Hans-Michael Elzer und 1667) wurde H. 1603 zum Rat und Land­ Hans Scheuerl, Frankfurt a. M. 1966, S. 3-18; richter in Ovelgönne ernannt. Er veröffent­ ders., Johann Friedrich Herbart. Eine pädago­ gische Biographie, Bd. 1, Heidelberg 1968, lichte 1606 eine gründliche Untersuchung S. 15-36; Klaus Klattenhoff, Öffentliche Klein­ über die Institution des Bürgen, die als kinderziehung. Zur Geschichte ihrer Bedin­ Standardwerk galt und nach seinem Tod gungen und Konzepte in Oldenburg, Diss. mindestens drei weitere Auflagen erlebte. Oldenburg 1982. H. war zweimal verheiratet, doch kennen Klaus Klattenhoff wir nur den Namen seiner zweiten Ehe­ Herold 307 frau Ubbeke geb. Honrichs, der Tochter fangreiche Befragung aller Pastoren des des Johann H. (f 1609) und dessen Ehe­ Jeverlands. Aufgrund seiner Leistung be­ frau Anna, der Tochter des Grafen Georg kam Hermann die 1. Pfarrstelle in Hohen­ von Oldenburg (i 1551) und seiner Konku­ kirchen, die er bis zu seinem Tode verwal­ bine Heileke. Wohl aus der zweiten Ehe, tete. Die Zeitgenossen rühmten ihn als die im März 1598 geschlossen wurde, einen frommen, fleißigen und im Kirchen­ stammte sein Sohn Johann (1599-1658), recht erfahrenen Mann. An den Jever- der von 1632 bis 1639 Geheimer Rat in der schen Kirchenordnungen von 1548 und gräflichen Kanzlei in Oldenburg war. 1562 wirkte er mit. W: W: Nachlaß in der Herzog August Bibliothek, Wol­ Der Prediger im Jehverlandts Bedencken und fenbüttel; Tractatus de fideiussoribus, Frank­ Confession wieder daß Interim, 1548, MS, Bi­ furt 1606 u. ö. (1614, 1647, Köln 1724). bliothek des Mariengymnasiums Jever. L: L: ADB, Bd. 12, 1880, S. 113; Enno Johann Hein­ Friedrich Wilhelm Riemann, Das Interim und rich Tiaden, Das gelehrte Ostfriesland, Bd. 1, die Herrschaft Jever, in: Zeitschrift der Gesell­ 1785; Heinrich Wilhelm Rotermund, Das ge­ schaft für niedersächsische Kirchengeschichte, lehrte Hannover, Bd. 2, 1823; Christian Fried­ 1900, S. 223-280; Johannes Ramsauer, Die Pre­ rich Strackerjan, Oldenburgisches Gelehrten- diger des Herzogtums Oldenburg seit der Re­ Lexikon, MS, LBO; Hermann Oncken, Zur Kri­ formation, Oldenburg 1909. tik der oldenburgischen Geschichtsquellen im Wilhelm Friedrich Meyer Mittelalter, Diss. phil. Berlin 1891; Georg Sello, Über die Widukindsche Abstammung der Grafen von Oldenburg, in: OJb, 2, 1895, S. 95-134; Dietrich Kohl, Studien zur Ge­ Herold, Franz Joseph, Dr. phil., Bischöfli­ schichte des geistigen Lebens in der Stadt cher Offizial, * 11. 8. 1787 Münster, f 16. 5. Oldenburg, Oldenburg 1924; Kurt Rastede, 1862 Mannheim. Das Eindringen der hochdeutschen Schrift­ sprache in Oldenburg, in: OJb, 38, 1934, S. 1- Der Sohn des Münsterschen Apothekers 107; Hermann Hamelmann, Oldenburgische und Medizinalassessors Balthasar Felix Chronik, hg. von Gustav Rüthning, Oldenburg Herold besuchte das Gymnasium Pau- 1940; ders., Oldenburgisch Chronicon, Neue linum und studierte anschließend Theolo­ Ausgabe von Wilhelm Gilly de Montaut, gie und Philosophie in seiner Geburts­ Oldenburg 1983; Werner Hülle, Geschichte stadt, wo er am 25. 6. 1811 zum Priester ge­ des höchsten Landesgerichts von Oldenburg weiht wurde. Nach Beendigung des Stu­ (1573-1935), Göttingen 1974; Albrecht Eck­ diums war er zunächst Pfarrer in Gießen hardt, Reichskammergerichtsakten als fami- lien- und sozialgeschichtliche Quellen, in: (1811-1817), Gernsheim (1817-1823) und Gerhard Geßner (Hg.), Festschrift für Heinz F. Bensheim (1823-1831), wo er auch als Friederichs, Neustadt 1980, S. 55-77; Fried- Direktor das dortige Gymnasium leitete. rich-Wilhelm Schaer, Graf Johann der Deich­ Der wissenschaftlich gebildete und ambi­ bauer, in: OJb, 81, 1981, S. 1-26. tionierte Geistliche, der 1819 an der Uni­ Hans Friedl versität Gießen den Titel eines Dr. phil. er­ warb, veröffentlichte eine Reihe von theo­ logischen Schriften sowie Übersetzungen aus dem Griechischen und Lateinischen. Hermann von Accum (auch: Hermannus Sein Ruf als erfahrener Schulfachmann Heronis oder Heeren), Pfarrer, * um 1500 veranlaßte die oldenburgische Regierung, Accum, f 15. 1. 1579 Hohenkirchen. ihn für das Amt des Bischöflichen Offizials Hermann wurde wahrscheinlich um 1500 in Aussicht zu nehmen, das 1830 durch die in Accum geboren; sein Vater hieß Hero. Konvention von Oliva geschaffen worden Er studierte in Wittenberg und war ein Hö­ war. H., der ständig auf die Verbesserung rer Luthers. 1546 kam er als Vikar in die 2. seiner Stellung bedacht war, nahm dieses Hohenkirchener Pfarre und verfaßte hier Angebot erfreut an und wurde am 4. 5. 1548 „Der Prediger im Jehverlandts Be- 1831 in sein neues Amt eingeführt, das er dencken und Confession wieder daß Inte­ mit erprobter Tüchtigkeit ausfüllte. Er ent­ rim", ein auf Befehl Fräulein Marias von wickelte schon bald eingehende Pläne zur Jever (1500-1575) entworfenes Glaubens­ Reform des Gymnasiums in Vechta und bekenntnis im Lutherischen Sinne. Als An­ zum Aufbau eines Lehrerseminars, das zu­ hang bietet das „Bedencken" eine um­ nächst nur in der Form dreimonatiger 308 Herzog

Kurse zustandekam, aber eine eigenstän­ Herzog, Otto, SA-Führer und Parteifunk­ dige Lehrerbildung für den katholischen tionär, * 30. 10. 1900 Zeiskam/Pfalz, f nach Teil Oldenburgs sicherte. H., dem sowohl 1945 verschollen und für tot erklärt. die Lehrerausbildung als auch das Vech- H., der aus einer kleinbürgerlichen Fami­ taer Gymnasium unterstand, sorgte in den lie stammte, besuchte die Volksschule so­ folgenden Jahren für den Ausbau der bei­ wie die Handelsschule und meldete sich den miteinander verbundenen Anstalten. im Sommer 1917 als Kriegsfreiwilliger. Der ehrgeizige und auf Repräsentation be­ Nach dem Kriegsende schloß er sich dem dachte Offizial, der am liebsten ein eige­ Epp an, beteiligte sich an der nes Bistum gehabt hätte, verwaltete sei­ Niederschlagung der Münchener Rätere­ nen Amtsbezirk sehr selbständig und hielt publik und wurde nach der Auflösung des deutliche Distanz zum Generalvikariat in Freikorps als Unteroffizier in die Reichs­ Münster. Zu Beginn der 1840er Jahre be­ wehr übernommen. In München war er ak­ mühte er sich noch einmal erfolglos, das tives Mitglied des rechtsradikalen Wehr­ Projekt eines oldenburgischen Bistums mit verbandes „Reichskriegsflagge" und hatte Sitz in Vechta zu lancieren. Aufgrund vermutlich schon damals enge Kontakte schwerer Vorwürfe wegen seiner persönli­ zur NSDAP, an deren Putschversuch vom chen Lebensführung mußte er am 26. 8. 9. November 1923 er teilnahm. Er wurde 1846 auf sein Amt verzichten. Nach einem deswegen im Dezember 1923 aus der kurzen Zwischenaufenthalt in Münster Reichswehr ausgeschlossen und war da­ übersiedelte er 1846 nach Mannheim, wo nach in verschiedenen kaufmännischen er bis zu seinem Tode lebte. Berufen tätig. Im Juni 1926 trat er der NSDAP und der SA bei. Seit April 1927 W: Handlungen und Gebete bei der ersten Abendmahlsfeier der katholischen Jugend, o. O. 1818, Vechta 18433; Reden bei der feierli­ chen Einweihung der neuen katholischen Kir­ che zu Offenbach a. M., Offenbach 1828; Plan zu verbesserter Einrichtung des katholischen Gymnasiums zu Vechta und Verbindung einer Normalschule für die Land-Schullehrer mit demselben, Oldenburg 1832; Auswahl einiger Sittenlehren des Epictet aus dem Griechischen des Arrian übersetzt, in: Programm des Gym­ nasiums Vechta, Vechta 1835, S. 3-22; Adhor- tatione juvenum Examina publico Gymnasio Vechtae . . ., ebd., Vechta 1842; Poetische Bear­ beitungen von Psalm 1 von Buchanan, Flami- nius, Barth und dem Vechtaer Direktor und Of­ fizial Herold, ebd., Vechta 1844. L: Heinz-Joachim Schulze, Die Begründung des Bischöflich-Münsterschen Offizialats in Vechta, in: OJb, 62, 1963, S. 71-121; ders., Vom Niederstift Münster zum Oldenburger Münsterland, ebd., 80, 1980, S. 77-97; Theodor Tebbe, Die Verhandlungen über die Einset­ zung des ersten Offizials zu Vechta, in: Hei­ lebte er in Oldenburg und baute hier die matblätter, Vechta, 43, 1964, Nr. 4; 44, 1965, Nr. 1-4; 45, 1966, Nr. 1; Franz Kössler, Ver­ SA auf, in der er den Rang eines Gruppen­ zeichnis der Doktorpromotionen an der Uni­ führers hatte. 1930 wurde er hauptamtli­ versität Gießen von 1801-1884, Gießen 1970; cher Funktionär des NSDAP-Gaues Weser- Kurt Hartong, Lebensbilder der Bischöflichen Ems und war Ortsgruppenleiter, Kreislei­ Offiziale in Vechta, Vechta o.J. (1980); Alwin ter, Gauorganisationsleiter und zeitweilig Hanschmidt und Joachim Kuropka (Hg.), Von auch stellvertretender Gauleiter. Von 1930 der Normalschule zur Universität. 150 Jahre bis 1933 war er Mitglied des Oldenburger Lehrerausbildung in Vechta 1830-1980, Bad Stadtrates und gehörte von 1931 bis 1933 Heilbrunn 1980; Helmut Hinxlage, Die Ge­ schichte des Bischöflich Münsterschen Offizia­ auch dem Landtag an, in dem er Vorsitzen­ lates in Vechta, Vechta 1991. der der nationalsozialistischen Fraktion Willi Baumann wurde. Daneben war er von 1932 bis 1945 Heumann 309

auch Mitglied des Reichstags. Nach dem ton von Halem (1752-1819) herausgege­ sog. Röhm-Putsch wurde er am 10. 7. 1934 bene „Oldenburgiscbe Zeitschrift" und zum Nachfolger des berüchtigten schlesi­ trat 1818 sofort der neuen Oldenburgi- schen SA-Führers Edmund Heine ernannt schen Landwirtschaftsgesellschaft bei, de­ und übersiedelte nach Breslau, wo er die ren erste Filialgesellschaft in Ovelgönne er Führung der SA-Gruppe Schlesien über­ gründete. Er bemühte sich, seine Gemein­ nahm. Vom 1. 5. 1936 bis zum 14. 6. 1939 demitglieder u. a. über neue Anbaumetho­ war er Stabsführer bei der Obersten SA- den, gesunde Lebensweise und vernünf­ Führung in München und übernahm da­ tige Kindererziehung zu informieren, stieß nach wieder die SA-Gruppe Schlesien. aber bei der Mehrheit der Kirchenge­ Nach Ausbruch des Krieges meldete er meinde auf mißtrauische Ablehnung. Sie sich freiwillig, wurde aber zu Beginn des war der Ansicht, daß ihr Pastor sie über Jahres 1942 vom Frontdienst zurückge­ das belehre, was sie eigentlich besser wis­ stellt und am 1. 2. 1942 zum Inspekteur sen, aber nicht über das, was er als Pastor der Gebirgsjäger-SA ernannt, in der er zu­ besser wissen sollte. letzt den Rang eines Obergruppenführers H. war verheiratet mit Johanne Helene Ve­ hatte. Im August 1944 wurde er Richter am ronika geb. Kunstenbach (1776-1846), sein Volksgerichtshof, da von ihm besondere Sohn Christian Nikolaus (1805-1876) Härte erwartet werden konnte. Als ehema­ wurde ebenfalls Pastor. liger Freikorpskämpfer gehörte H. zu der L: Gruppe der besonders brutalen und fanati­ Gerd Eilers, Meine Wanderung durchs Leben. Ein schen Nationalsozialisten und war zeitle­ Beitrag zur inneren Geschichte der ersten Hälfte bens kritiklos der Partei verbunden. des 19. Jahrhunderts, Bd. 1, Leipzig 1856; Johan­ H. war seit 1930 verheiratet mit Lotte geb. nes Ramsauer, Die Prediger des Herzogtums Schapals; die Ehe, der ein Sohn ent­ Oldenburg seit der Reformation, Oldenburg 1909. stammte, wurde 1938 geschieden. Michael Freitag Werner Vahlenkamp

Heumann, Peter Ernst Anton, Minister, Hespe, Johann Heinrich Arnold, Pfarrer, * 16. 5. 1823 Wildeshausen, tf 17. 6. 1902 * 1. 12. 1767 Oldenburg, f 20. 12. 1846 Oldenburg. Golzwarden. Als Sohn des Hermann Friedrich Heu­ H. wuchs in Oldenburg auf und besuchte mann (1796-1881), des Vorstehers der hier das Gymnasium. Von 1786 bis 1789 Taubstummenanstalt in Wildeshausen, ge­ studierte er Theologie in Halle, legte 1789 boren, besuchte H. das Gymnasium in Det­ und 1792 die beiden theologischen Ex­ mold und studierte Jura in Göttingen und amina ab und wurde 1795 ordiniert. Im Heidelberg. Seine Laufbahn begann er Mai 1786 kam er als Pastor nach Bockhorn 1850 als Auditor und wurde 1853 zum und wurde 1820 nach Golzwarden ver­ Amtsassessor ernannt. 1854 kam er als setzt. Dort feierte er 1845 sein 50jähriges Hilfsarbeiter an die Kammer, wo er ab Dienstjubiläum und wurde bei diesem An­ 1857 als Kammerassessor und ab 1863 als laß mit dem Titel Kirchenrat ausgezeich­ Kammerrat fungierte. 1869 wurde er als net. Vortragender Rat in das Staatsministerium, Nach Aussage seines Schülers -*• Gerd Ei­ Departement der Finanzen, berufen, 1873 lers (1788-1863), der später in das preußi­ zum Oberkammerrat und 1879 zum Ober­ sche Kultusministerium berufen wurde, finanzrat befördert. 1883 zum Oberzolldi- war H. in Bockhorn „der erste Prediger, rektor und 1884 zum Geheimen Oberfi­ der das Licht der Aufklärung in diesen nanzrat ernannt, wurde er 1890 als Mini­ dunklen Winkel Deutschlands brachte". Er ster an die Spitze des Departements der Fi­ war ein typischer Vertreter der jüngeren nanzen gestellt. 1900 trat er wie die bei­ Predigergeneration, die im Sinne der Auf­ den übrigen Minister — Jansen (1831-1914) klärung ihren Gemeindemitgliedern und -*• Flor (1833-1908) zurück und wurde „nützliche Kenntnisse" zu vermitteln in den Ruhestand versetzt. trachtete. Er schrieb zahlreiche Artikel, Seit 1856 war H. mit Emma Sophie geb. vor allem über Verbesserungen in der Fuhrken (1833-1915) vermählt, der Tochter Landwirtschaft, für die von -► Gerhard An­ eines Kaufmanns und Kammerassessors in 310 Hillerns

Varel. Ein Sohn, Carl, wurde Forstrat, die vorzubereiten. 1838 meldete er sich in Tochter Helene Hermine Sophie heiratete Oldenburg zur Prüfung für die Aufnahme den Präsidenten des Oberverwaltungsge­ in den Staatsdienst, nach der er zunächst richts — Karl Jacob Christian Dugend eine einjährige Aushilfsarbeit unter der (1847-1919). Leitung des Architekten — H. Strack (1801- 1880) absolvierte. Er gehörte zu den ersten L: Mitgliedern des 1839 gegründeten Litera­ Harald Schieckel, Die Herkunft und Laufbahn der oldenburgischen Minister von 1848 bis risch-geselligen Vereins und des aus die­ 1918, in: Weltpolitik, Europagedanke, Regio­ sem Kreis hervorgegangenen Kunstvereins nalismus. Festschrift für Heinz Gollwitzer, (1843), in dem er zahlreiche Vorträge hielt. Münster 1982, S. 259 f. Im Februar 1840 wurde H. als Baukonduk­ Harald Schieckel teur II. Classe angestellt und unternahm im Rahmen der Bibliotheksneuplanung eine Reise zu den wichtigsten deutschen Bibliotheken, in deren Verlauf er auch die Hillerns, Hero D iedrich, Architekt, Architekten Möller und Schinkel auf­ * 1. 10. 1807 Tettens bei Jever, t 28. 3. suchte. Nach mehreren Änderungen 1885 Oldenburg. wurde 1842 sein Entwurf für die Biblio­ H. war der Sohn des Kaufmanns und thek genehmigt, dessen Ausführung Grundbesitzers Hillern Heeren Hillerns (1842-1846) ihm unter der Aufsicht Stracks (8. 2. 1769 - 20. 2. 1827) und dessen zwei­ übertragen wurde. Gleichzeitig begann H. ter Ehefrau Magdalena Sophia geb. Drost mit den Planungen für den Bau des (19. 3. 1775 - 23. 3. 1814). Er besuchte von „Neuen" Seminars an der Peterstraße, das 1816 bis 1823 das Gymnasium in Jever und 1844/45 errichtet wurde. Die Fertigstel­ absolvierte anschließend eine vierjährige lung beider Projekte verschaffte ihm eine kaufmännische Lehre in Bremen. Nach einer dreimonatigen Deutschlandreise ent­ schloß er sich, Architekt zu werden, und begann 1828 eine praktische Ausbildung bei dem Stadtbaumeister August Heinrich Andreae in Hannover. Ab 1831 besuchte er die neugegründete „Höhere Gewerbe­ schule" (später „Polytechnische Schule") und war seit 1832 Mitglied des Kunstver­ eins, ohne jedoch eine nachweisbare Akti­ vität zu entfalten. 1833 verließ er Hanno­ ver und wurde nach einer längeren Reise durch Deutschland, während der er die Ar­ chitekten Müller, Hübsch und Eisenlohr kennenlernte, in München in die Bau­ schule der Akademie der Künste aufge­ nommen. Daneben studierte er bis 1834 Naturwissenschaften an der Universität, war Mitglied des Architekten- und Inge­ nieurvereins und nahm in diesem Kreis an sogenannten „Concurrenzprojekten" teil. angesehene Stellung in Oldenburg, doch Im September 1834 ging er zu „Studien blieben in den folgenden Jahren größere der Architektur" nach Italien, wo er sich Aufträge aus. H., der diese Situation als drei Jahre aufhielt. In Rom fand er rasch sehr unbefriedigend empfand, mußte sich Anschluß an die deutsche Künstlerkolonie mit kleineren Planungen und Bauerhal- und lernte hier u. a. die Maler Bromeis, tungsaufgaben zufrieden geben. Er nutzte Fried und Vernet sowie den Kunsthistori­ die Zeit für mehrere Reisen durch Deutsch­ ker Schulz kennen. Im Juli 1837 kehrte er land, um die Bauten anderer Architekten nach Deutschland zurück und ging nach zu studieren. Am 14. 5. 1855 wurde er zum Berlin, um sich als Schüler der neuerrich­ Bauinspektor ernannt und mit dem Bau teten Bauakademie endgültig auf das Ex­ der Irrenanstalt in Wehnen (1854-1858), amen und den Eintritt in das Berufsleben des Postgebäudes (1854-1856), des Amts­ Hinrichs 311

gerichtsgebäudes (1857-1859), des Zeug­ Hinrichs, A ugust Gerhard, Schriftsteller, hauses (1862-1867) sowie verschiedener * 18. 4. 1879 Oldenburg, t 20. 6. 1956 kleinerer Bauten beauftragt. Der inzwi­ Huntlosen. schen anerkannte Architekt, der am 5. 3. H.s Eltern entstammten alten Bauernfami­ 1866 zum Baurat befördert wurde, beschäf­ lien aus Wiefelstede. Sein Vater Hermann tigte sich daneben mit Planungen für eine Diedrich Hinrichs (1848-1938), der mit systematische Anlage des „Gerichts-" und Margarethe geb. Siemen (1844-1925) ver­ „Theaterviertels". Am 1. 5. 1878 wurde er heiratet war, wurde Tischlermeister und mit dem Titel Oberbaurat in den Ruhe­ eröffnete 1873 in Oldenburg eine eigene stand versetzt. Werkstatt. H. besuchte hier die Stadtkna­ Während in H.s frühesten Entwürfen der benschule, trat mit 14 Jahren eine Tischler­ Eindruck des mit dem Namen Gärtner ver­ lehre bei seinem Vater an und ging als bundenen Spätklassizismus in München 19jähriger nach bestandener Gesellenprü­ noch unverkennbar ist, findet man bald fung auf Wanderschaft durch Deutschland, eine den „Anwurf" (= Putz) ablehnende, Österreich, Italien und Jugoslawien. 1900 stark tektonische Ausrichtung. Unter dem kehrte er nach Oldenburg zurück und ar­ Einfluß des Hannoveraners Andreae und beitete nach Ableistung seiner Militärzeit der badischen Bauten von Hübsch und wieder in der väterlichen Werkstatt. Er Eisenlohr sind seine späteren Bauten ge­ legte 1905 die Tischlermeisterprüfung ab, prägt von der Bemühung um den Back­ richtete eine eigene Werkstatt in Olden­ steinbau und den Rundbogenstil, einem burg ein und heiratete am 4. 5. 1906 He­ Thema, dem er sich auch in einer theoreti­ lene Hanken (1. 8. 1882 - 1. 3. 1950), die schen Abhandlung widmete. Mit der Ab­ Tochter der Hermine Christine Sophie H., sage H.s an den „nordischen Klassizis­ verehelichte Bruns. Aus der Ehe gingen mus", an dessen Stelle er einen vom „Wahrheitsgedanken" geleiteten Rundbo­ genstil einführte, gelang ihm ein wesentli­ cher Beitrag zur architektonischen Ent­ wicklung Oldenburgs während seiner Dienstzeit von 1838 bis 1878. Charakteri­ siert wird dieser Abschnitt durch den Aus­ klang des „nordischen Klassizismus" mit dem Peter-Friedrich-Ludwigs-Hospital von Strack im Jahre 1838 und durch den Be­ ginn der Neugotik mit dem Bahnhofsge­ bäude von Hase im Jahre 1878. H. war seit dem 10. 7. 1847 verheiratet mit der aus Vechta stammenden Ida geb. Dri­ ver (25. 11. 1813 - 19. 4. 1888), der Tochter des Amtmanns Mathias Fritz D. (* 1787) und der Engel geb. Veitmann. Der Ehe entstammten drei Söhne und drei Töchter.

L: die Söhne Gerhard (1907-1978) und Hajo Renate Hobelmann-von Busch, Die Bauge­ schichte der großherzoglichen öffentlichen Bi­ (* 1911) hervor. bliothek in Oldenburg, in: OJb, 78/79, 1978/ Seine ersten schriftstellerischen Versuche 79, S. 29-81; Klaus A. Zugermeier, Leben und unternahm H. um 1900, als er dem Olden­ Werk des Großherzoglichen Oldenburgischen burger Turnerbund beitrat, dessen Fest­ Oberbaurats Hero Diedrich Hillerns (1807- wart er von 1904 bis 1914 war. Für die Bier­ 1885), Oldenburg 1983 (W, L); ders., Ein Archi­ zeitung schrieb er zahlreiche Gelegen­ tekt im 19. Jahrhundert, in: Zeitschrift des Ar­ heitsgedichte und verfaßte ein „Festspiel" chitekten- und Ingenieurvereins-DAI, II, 1986, zum 21. Kreis-Turnfest des 5. Kreises der S. 9-13; ders., Ausbildung, Werk und Wirkung des Oldenburger Architekten Hero Diedrich Deutschen Turnerschaft" (1906), sein Hillerns (1807-1885), in: Ewald Gäßler (Hg.), erstes zur Aufführung bestimmtes Stück. Klassizismus. Baukunst in Oldenburg 1785- Ermutigt durch den Lehrer und Schriftstel­ 1860, Oldenburg 1991, S. 247-256. ler — Georg Ruseler (1866-1920), wagte Klaus A. Zugermeier sich H. an sein erstes großes Theaterstück, 312 Hinrichs das soziale Drama „Kinder der Sehnsucht" Ebers bei einem steuerverweigernden (1909), dessen Uraufführung in Oldenburg Landwirt und die gewaltsame Befreiung ihm große Publizität verschaffte. Mit dem des Tieres durch empörte Bauern zu öffent­ folgenden Heldendrama „Frithjof" (1911) lichen, teils politischen Auseinanderset­ erlitt er finanzielle Einbußen, die ihn zu­ zungen und Gerichtsverfahren geführt nächst vor dem Theater etwas zurück- hatten. Die „Swienskomödi" wurde nie­ scheuen ließen. der- und hochdeutsch sowie in verschiede­ Von 1914 bis 1918 war H. Soldat an der nen Mundarten und unter wechselnden Ti­ Westfront. Seine Kriegserlebnisse verar­ teln - hochdeutsch setzte sich „Krach um beitete er in Erzählungen und Gedichten, Jolanthe" durch - in allen Regionen die später zum Teil als Sammelband „An Deutschlands und auch im Ausland aufge­ der breiten Straße nach West" (1935) veröf­ führt. 1934 erfolgte eine erste, 1955 eine fentlicht wurden. Nach Kriegsende arbei­ zweite Verfilmung. Ähnlich erfolgreich wa­ tete H. wieder als Tischlermeister. Litera­ ren H.s Bauernkomödien „Wenn de Hahn risch verlegte er sich nun mehr auf die kreiht" (1933) und „För de Katt" (1938), Epik und wandte sich dabei heimatlichen die in hochdeutscher Fassung überregio­ Themen zu. Seine Romane sind Heimatro­ nal bekannt und verfilmt wurden (1936 mane und entstanden mit Ausnahme von bzw. 1940). „Die krumme Straße" (1949) in den zwan­ Für die 700-Jahr-Feier der Schlacht bei ziger Jahren, ebenso die Novellen. Am er­ Altenesch, in der die Stedinger Bauern folgreichsten war der Roman „Das Volk am 1234 von einem durch den Bremer Erzbi­ Meer" (1929), in dem H. den Kampf der schof aufgebotenen Kreuzritterheer ver­ Butjadinger gegen fremde Eroberer und nichtend geschlagen wurden, schrieb H. gegen Sturmfluten um 1500 schilderte. H. das Freilichtspiel „De Stedinge" (1934). suchte die Gemeinschaft mit anderen Die Uraufführung in Altenesch wurde sei­ Autoren und schloß sich der 1924 gegrün­ tens der NSDAP ideologisch und propa­ deten niederdeutschen Schriftstellerver­ gandistisch für ihre Zwecke vereinnahmt. einigung „Die Kogge" an. Zu seinen In noch stärkerem Maße gerieten die Auf­ Freunden zählten vor allem Waldemar führungen 1935 und 1937 auf der eigens Augustiny (* 1897), — Karl Bunje (1897- geschaffenen Freilichtbühne am Bookholz- 1985), Georg Grabenhorst (* 1899), Fried­ berg zu Großveranstaltungen der NSDAP. rich Griese (1890-1975), Moritz Jahn 1935 übernahm H. die ehrenamtliche (1884-1979), - Alma Rogge (1894-1969), Funktion eines Landesleiters der Reichs- Wilhelm Scharrelmann (1875-1950) und schrifttumskammer im Gau Weser-Ems Paul Schurek (1890-1962). Der zuneh­ und trat 1937 der NSDAP bei. Auch meh­ mende schriftstellerische Erfolg veranlaßte rere Auszeichnungen und Ehrungen er­ H. 1929, die Tischlerei aufzugeben und als hielt er im Dritten Reich: 1938 den Staven- freier Schriftsteller zu leben. Vom Theater hagen-Preis, 1939 die Goethe-Medaille für hatte H. sich auch in den zwanziger Jah­ Kunst und Wissenschaft, 1943 gemeinsam ren nicht völlig entfernt. 1921 gehörte er mit — Bernhard Winter (1871-1964) den zu den Gründungsmitgliedern des Hei­ Gaukunstpreis Weser-Ems und 1944 die matvereins „Ollnborger Kring", der noch Ehrenbürgerschaft der Stadt Oldenburg. im gleichen Jahr eine Laienbühne einrich­ Die „Niederdeutsche Bühne Oldenburg" tete, an der H. sich als Bühnenarbeiter und benannte sich 1939 in „August-Hinrichs- Dramaturg betätigte und sein Bruder Emil Bühne" um. Wegen des Landesleiter-Amts (1881-1944) als Schauspieler mitwirkte. Ei­ und der NSDAP-Mitgliedschaft mußte sich gens für diese Laienbühne, die 1923 als H. nach dem Zweiten Weltkrieg dem Ent­ „Niederdeutsche Bühne Oldenburg" mit nazifizierungsverfahren unterziehen. Hier dem Landestheater eine dauerhafte Ver­ wurde 1949 festgestellt, er habe sein Amt bindung einging, schrieb H. den tragi­ nicht politisch ausgeübt und Gegnern und schen Einakter „Marie" (1922). Seitdem Verfolgten der Nazi-Herrschaft sogar ge­ wurden alle seine niederdeutschen Büh­ holfen. Die Bewertung von H.s Verhalten nenstücke von ihr uraufgeführt, darunter im Dritten Reich war noch anläßlich des das Erfolgsstück „Swienskomödi" (1930). Gedenkens zur 100. Wiederkehr seines Den Stoff zu letzterem bezog H. 1929 aus Geburtstages 1979 in Oldenburg Gegen­ aktuellen Vorfällen im Oldenburger stand lebhafter Auseinandersetzungen. Münsterland, wo die Pfändung eines Nach 1945 betätigte sich H. weiter als Hirsch 313

Autor. Sein letztes größeres Werk war der Zeit, Berlin 1944; Alltomal Sünner, Hamburg Roman „Die krumme Straße" (1949), der 1951, hochdeutsch: Siebzehn und Zwei, Mün­ oldenburgische Lebensverhältnisse um die chen 1952, Neuausgabe Weinheim 1955. - Ro­ Jahrhundertwende widerspiegelt. H.s mane und Novellen: Das Licht der Heimat, Bauernkomödien aus den dreißiger Jahren Leipzig 1920, Neuausgaben Hamburg-Blanke­ nese 1950, Bremen 1954; Der Moorhof, Wil­ waren weiterhin durch zahlreiche Auffüh­ helmshaven 1920; Der Wanderer ohne Weg, rungen erfolgreich und blieben es bis in Leipzig 1921; Das Nest in der Heide, Leipzig die Gegenwart hinein. Zu seinem 75. Ge­ 1922; Die Hartjes, Leipzig 1924, Neuausgabe burtstag 1954 erhielt er das Bundesver­ Bremen 1956; Gertraudis, Leipzig 1927; Das dienstkreuz 1. Klasse und wurde vom Volk am Meer, Leipzig 1929, Neuausgaben Oldenburger Staatstheater und der Stadt Hamburg-Blankenese 1950, Bremen 1955, Oldenburg durch einen Festakt geehrt. Leipzig 1956; Der Landstreicher. Das Wunder Neben Bühnenstücken, Romanen, Novel­ der heiligen Nacht, Leipzig 1935; Die krumme Straße, Oldenburg 1949, Neuausgabe Bremen len und Erzählungen schrieb H. auch Ge­ 1976. - Erzählungen und Anekdoten: Ausge­ dichte, die aber von geringer Bedeutung wählte Erzählungen, Hamburg 1934; An der und weitgehend vergessen sind. breiten Straße nach West, Leipzig 1935; Mein Als Schriftsteller blieb H. den eigenen Le­ ernstes Buch, Leipzig 1941; Mein heiteres bens- und Erfahrungsbereichen treu. Buch, Leipzig 1941; Rund um den Lappan, Landwirtschaft und Handwerk bilden das Oldenburg 1943, 19542, 19793; Das Wunder der berufliche und soziale Handlungsumfeld heiligen Nacht, Oldenburg 1949; Kommst du heute abend?, Oldenburg 1952; Eines Nachts, in den meisten seiner Bühnenstücke und Bremen 1955; Erzählungen I, Oldenburg 1990. Prosawerke. Als besonders wichtige Le­ - Gedichte: To'r Schlummertied, Oldenburg benserfahrung aus der Tischlerzeit hat der 1906. Existenzkampf als Thema in seine Dich­ L: tung Eingang gefunden, stets in Verbin­ Erika Seybold, August Hinrichs und sein Werk. dung mit der literarischen Gestaltung zwi­ Versuch einer Bibliographie, Hamburg 1957, schenmenschlicher Beziehungen in ihren MS, LBO; Karl Veit Riedel, August Hinrichs verschiedenen Formen. Seine enge Ver­ 1879-1956, Oldenburg 1979, MS, LBO; Armin Dietzel und Karl Veit Riedel, August Hinrichs bundenheit mit der niederdeutschen Hei­ 1879-1956. Ausstellung anläßlich der 100. Wie­ mat spiegelt sich in seinem ganzen Werk derkehr des Geburtstages, Oldenburg 1979; wider, in dem die Heimat im Denken, Füh­ Rolf Köhn, „Lieber tot als Sklav!" Der Stedin- len und Handeln der Menschen einen be­ geraufstand in der deutschen Literatur (1836- deutenden Faktor darstellt. 1975), in: OJb, 80, 1980, S. 1-57; 81, 1981, S. 83-144; 82, 1982, S. 99-157; Johann Onnen W: und Gerhard Preuß (Bearb.), Der Nachlaß Nachlaß in der LBO. - Bühnenstücke: Kinder August Hinrichs in der Landesbibliothek der Sehnsucht, Oldenburg 1909 (MS im Nach­ Oldenburg, Oldenburg 1984 (W); Anke Fin­ laß); Frithjof, Oldenburg 1911; De Aukschon, ster, Der oldenburgische Schriftsteller August Oldenburg 1913, Neuausgaben Hamburg Hinrichs (1879-1956). Ein Beitrag zu den biobi­ 1930; Diederk schall freen (Aufführung 1918), bliographischen Grundlagen der niederdeut­ Hamburg 1931; Marie, Bremen 1922; Swiens- schen Literaturgeschichtsschreibung, Neu­ komödi, Hamburg 1930, hochdeutsch unter münster 1990 (W,L). dem Titel: Krach um Jolanthe, Berlin 1933, Gerhard Preuß Neuausgabe Weinheim 1952; Freie Bahn dem Tüchtigen, Berlin 1931; Nur eine Mark, Berlin 1932 (Verfilmung unter dem Titel: Die törichte Jungfrau); Wenn de Hahn kreiht, Hamburg 1933, hochdeutsch: Wenn der Hahn kräht, Ber­ lin 1933, Neuausgabe Weinheim 1953; Die Ste- Hirsch, Samson Raphael, Landesrabbiner, dinger, Oldenburg 1934 (Text niederdeutsch!), * 20. 6. 1808 Hamburg, f 31. 12. 1888 hochdeutsch: Die Stedinger, Berlin 1934; Pe­ Frankfurt a. M. termann fährt nach Madeira, Berlin 1936 (Ver­ H., der aus einem „erleuchtet religiösen filmung unter dem Titel: Petermann ist dage­ Elternhaus" stammte, machte zunächst gen); För de Katt, Hamburg 1938, hoch­ eine kaufmännische Lehre und wurde da­ deutsch: Für die Katz!, Berlin 1938, Neuaus­ nach bei Isaac Bernays in Hamburg und gabe Weinheim 1954; Steding Renke, Berlin 1939; Tilly vor Oldenburg, Oldenburg 1939; bei Jakob Ettlinger in Mannheim zum Rab­ Der Musterbauer, Berlin 1941, niederdeutsch: biner ausgebildet. 1829 studierte er kurze De latinsche Bur, Hamburg 1949; Sware Tid, Zeit an der Universität Bonn, wo er mit sei­ 1944 (MS im Nachlaß), hochdeutsch: Schwere nem späteren Gegner Abraham Geiger 314 Hirsch

(1810-1874) Freundschaft schloß. Als der nur gering waren. 1841 nahm er daher die oldenburgische Landesrabbiner — Nathan Berufung zum Rabbiner von Emden und Adler (1803-1890) nach Hannover ging, zum Oberrabbiner von Ostfriesland an, die empfahl er 1830 H. als seinen Nachfolger. ihm bessere Bezahlung und größere Wir­ Dieser wurde noch im selben Jahr zum kungsmöglichkeiten bot. In seinem neuen Landesrabbiner ernannt und versah dieses Amtsbereich, der 1844 noch um den Bezirk Amt bis 1841. Ihm lag besonders daran, Osnabrück erweitert wurde, bemühte er Gottesdienst und Schulwesen auf eine hö­ sich wieder in erster Linie um die Hebung des jüdischen Schulwesens. Im Dezember 1846 wurde er Oberrabbiner von Mähren und Österreichisch-Schlesien mit Sitz in Nikolsburg, wo sich eine politisch auto­ nome jüdische Gemeinde befand, in der seit langem das Thorastudium gepflegt wurde. Auf H.s Empfehlung hin wurde Graetz Leiter der jüdischen Schule im na­ hen Lundenburg, doch trennten sich die Wege der beiden Männer bald, da Graetz sich der konservativen (gemäßigt orthodo­ xen) Richtung anschloß. Nach dem Aus­ bruch der Revolution von 1848 wurde H. als Vertreter der Juden in den mährischen Landtag gewählt. 1851 wurde H. von einer Gruppe orthodoxer Juden nach Frankfurt a. M. berufen und gründete mit ihnen die „Israelitische Religionsgesellschaft", eine Abspaltung von der jüdischen Gemeinde. Dies war die Geburtsstunde der „Tren­ nungs-Orthodoxie", der Schaffung beson­ here Stufe zu führen. Für die jüdischen derer orthodoxer Gemeinden, die freilich Lehrer übersetzte er das Religionsgesetz, erst 1876 durch ein preußisches Gesetz of­ die Mischna, ins Deutsche und fertigte die fiziell anerkannt wurden. H. war in Frank­ notwendigen Abschriften selbst an. H., der furt Rabbiner dieser neuen Gemeinde. In ein gelehrter Theologe und Autor zahlrei­ deren Auftrag gründete er 1853 eine jüdi­ cher Bücher war, galt schon vor seiner sche Realschule, die er bis 1877 leitete (die Oldenburger Zeit als ein „Wunder-Mann". spätere Samson-Raphael-Hirsch-Schule), In Oldenburg verfaßte er nach 1830 jene sowie eine höhere Töchterschule. Außer­ Werke, die ihn zum Führer der Neu-Ortho- dem schuf er die Zeitschrift „Jeschurun" doxie machten, jener Richtung, deren (Gottesstreiter), die von 1854 bis 1870 er­ Ziele volle Gesetzestreue, aber auch Teil­ schien, und gründete 1885 die „Freie Ver­ nahme der Juden am bürgerlichen und einigung für die Interessen des orthodo­ kulturellen Leben waren. H. trat in seinen xen Judentums". In den Schulprogram- Büchern für die uneingeschränkte Erhal­ men der Realschule entwickelte er seine tung der jüdischen Religion einschließlich pädagogischen Ideen und veröffentlichte der zahlreichen Zeremonialgesetze ein außerdem zahlreiche Streitschriften, in de­ und erblickte die besondere Aufgabe Is­ nen er sich mit den liberalen Juden aus­ raels darin, Lehrer der Welt zu sein. Von einandersetzte, vor allem mit ihrem Wort­ 1837 bis 1839 lebte als eine Art Schüler führer Abraham Geiger, aber auch mit sei­ Heinrich Graetz in seinem Haus, der hier nem Nachfolger in Oldenburg, dem Lan­ damit begann, die erste, wissenschaftli­ desrabbiner — Bernhard Wechsler (1807- chen Ansprüchen genügende Geschichte 1874). Als geistiger Führer der Neu-Ortho- der Juden zu schreiben. H. fühlte sich auf doxie gewann H. großen Einfluß. Seine Be­ die Dauer in Oldenburg geistig isoliert deutung für die Ausbildung eines jüdi­ und lebte zudem mit seiner Familie in schen Selbstverständnisses, für die jüdi­ ständigen materiellen Schwierigkeiten, da sche Theologie und Pädagogik, besonders seine Einkünfte aus den unregelmäßig im Bereich der Mädchenbildung, ist heute eingehenden „Schutzgeldern" der Juden noch groß. Zur Erhaltung seines geistigen Hofmeister 315

Erbes wurde 1930 in Frankfurt die „Rabbi- Hofmeister, Ludwig Heinrich Melchior, ner-Hirsch-Gesellschaft" gegründet, die Geheimer Oberregierungsrat, * 8. 12. 1805 die Zeitschrift „Machlath Z'wi" herausgab. Springe am Deister, f 13. 3. 1885 Olden­ Die Gesellschaft ist in den 1980er Jahren burg. wiedergegründet worden und hat zum H. war der Sohn des städtischen Amts­ Ziel, H.s literarisches Werk neu herauszu­ schreibers Georg Christian Melchior Hof­ geben. In Israel, wo H. Autorität des ortho­ meister (22. 4. 1774 - 26. 10. 1845) in doxen Judentums ist, gibt es an der Bar- Springe und dessen Ehefrau Sophie Char­ Ilan-Universität zu Ramat Gan einen Lehr­ lotte geb. Meyer (i 21. 1. 1868). Aus Pro­ stuhl zur Erforschung seines wissenschaft­ test gegen die Annexion Hannovers durch lichen Werkes. Preußen quittierte der Vater 1806 den W: Dienst und verließ das Königreich. Mit Rede, gehalten beim Antritte seines Amtes am Hilfe seines Bruders Christian Heinrich Neujahrstage 5591 (18. 9. 1830), in: Oldenbur- (1771-1813), dem Leibarzt des oldenburgi- gische Blätter, 14, 1830, S. 317-325; 19 Briefe schen Herzogs, fand er eine Anstellung im über das Judentum, Altona 1836, 19113, engli­ oldenburgischen Staatsdienst und wurde sche Übersetzung 1899; Choreb oder Versuche Assessor bei der Rentekammer des Für­ über Jissroels Pflichten in der Zerstreuung, stentums Lübeck in Eutin sowie Mitglied Altona 1837, 19215; Jüdische Anmerkungen zu der herzoglichen Güterverwaltung in Hol­ den Bemerkungen eines Protestanten über die stein. Ludwig H. besuchte das Gymnasium Confession der 22 Bremischen Pastoren, Oldenburg 1841; Der Pentateuch, übersetzt in Eutin und studierte von 1825 bis 1828 und erläutert, 5 Bde., Frankfurt 1867-1878, Jura sowie Staatswissenschaften an der 19034; Die Psalmen, Frankfurt 1882, 1898“; Is­ Universität Göttingen. 1829 bestand er die raels Gebet, übersetzt und erläutert, Frankfurt erste Staatsprüfung und war danach kurze 1895; Gesammelte Schriften, hg. von Naftali Zeit als Anwalt in Eutin tätig. 1830 trat er Hirsch, 6 Bde., Frankfurt 1902-1916. in den oldenburgischen Staatsdienst und L: war zunächst Auditor bei den Ämtern Tet­ ADB, Bd. 50, 1905, S. 363-364; Hermann tens und Abbehausen. Nach dem zweiten Schwab, The History of Orthodox Jewry in , London 1950; ders., Samson Ra­ Staatsexamen, das er 1835 ablegte, wurde phael Hirsch und die Trennungsorthodoxie, in: er als Hilfsarbeiter dem Deichdepartement Bulletin des Leo Baeck Instituts, II, Nr. 5, 1958; bei der Regierung in Oldenburg zugeteilt Leo Trepp, Samson Raphael Hirsch und Hein­ und 1837 zum Regierungssekretär er­ rich Graetz in Oldenburg. Ein Versuch über nannt. Im folgenden Jahr übernahm er als das Werden ihrer Denkform, in: Jahrbuch für Amtmann die Verwaltung des Amtes Ab­ die jüdischen Gemeinden Schleswig-Holsteins behausen, wo er sich vor allem um das und der Hansestädte, 9, 1937/38, S. 25-31; Deichwesen und um die landwirtschaftli­ ders., Die Oldenburger Judenschaft, Olden­ burg 1973; Isaac Heinemann, Samson Raphael chen Fragen kümmerte, die sich aus der Hirsch. The Formative Years of the Leader of Umstellung der Marschenwirtschaft vom Modern Orthodoxy, in: Historia Judaica, 12, Getreideanbau auf die Viehhaltung erga­ 1951; I. Grunfeld (Hg.), Samson Raphael ben. 1850 wurde er zur Regierung in Hirsch: Judaism Eternal, 1957; J. Weinberg, Oldenburg versetzt und zum Regierungs­ Die jüdische Welt- und Lebensanschauung rat ernannt, 1862 zum Oberregierungsrat von Rabbiner S. R. Hirsch, Zürich I960; Zwi befördert. H. übernahm die Bearbeitung Asaria, Samson Raphael Hirsch, Hameln 1970; aller die Landwirtschaft sowie die Vieh- Heinrich Graetz, Tagebuch und Briefe, hg. von Reuven Michael, Tübingen 1977; Pinchas E. und Pferdezucht betreffenden Angelegen­ Rosenblüth, Samson Raphael Hirsch. Sein heiten und war auch an der Fertigstellung Denken und Wirken, in: Hans Liebeschütz und und Einführung der neuen Deichordnung Arnold Paucker (Hg.), Das Judentum in der von 1855 beteiligt. Nach der Aufhebung deutschen Umwelt 1800-1950, Tübingen 1977, des Regierungskollegiums, die im Zuge S. 293-324; F. Nauen, Diverging Conceptions der Verwaltungsreorganisation im Mai of Jewish Renaissance in the Early Thought of 1869 erfolgte, wurde er Vortragender Rat Abraham Geiger and Samson Raphael Hirsch, im Departement des Innern und erhielt in: Jahrbuch des Instituts für deutsche Ge­ schichte, 10, 1981, S. 191-219; Enno Meyer, 1872 den Titel Geheimer Oberregierungs­ Das Oldenburger Landesrabbinat, in: Die Ge­ rat. Am 1. 10. 1879 trat er nach über 50jäh- schichte der Oldenburger Juden und ihre Ver­ riger Dienstzeit in den Ruhestand. nichtung, Oldenburg 1988, S. 45-55. Neben seiner amtlichen Tätigkeit spielte Enno Meyer H. eine führende Rolle in der 1818 nach 316 Högl hannoverschem Vorbild gegründeten solvierte er im Oberlandesgerichtsbezirk Landwirtschaftsgesellschaft, in der lange Oldenburg seinen juristischen Vorberei­ Zeit die auf eine Modernisierung der tungsdienst, den er 1902 mit der großen ju­ Landwirtschaft drängenden Beamten ristischen Staatsprüfung abschloß. Im sel­ überwogen. 1837 wurde er zum 2. Sekre­ ben Jahr trat er in den oldenburgischen tär, 1852 zum Vorsitzenden und 1859 zum Justizdienst, war zunächst kurze Zeit als Präsidenten der Gesellschaft gewählt, die Gerichtsassessor beim Landgericht Olden­ er bis zu seinem Tode leitete. Er reorgani­ burg tätig und wechselte 1903 als Amts­ sierte die Gesellschaft, gründete 1852 das richter an das Amtsgericht Butjadingen in „Landwirtschafts-Blatt für das Herzogtum Ellwürden. 1907 kehrte er an das Landge­ Oldenburg" und trat mit mehreren Ver­ richt nach Oldenburg zurück, wo er 1913 öffentlichungen zum Deichwesen und zur zum Landgerichtsrat befördert wurde. Am Pferdezucht hervor. Seit 1850 war er auch Ersten Weltkrieg nahm er als Offizier der Mitglied des Literarisch-geselligen Ver­ Landwehr teil und geriet 1915 in russische eins. Kriegsgefangenenschaft, aus der er erst H. war seit 1838 verheiratet mit der aus Ende 1920 zurückkehrte. Danach nahm er einer Ratzeburger Beamtenfamilie stam­ seine Tätigkeit am Landgericht Oldenburg menden Elise Wilhelmine geb. Prehn (8. 6. wieder auf. 1924 wurde H. zum Oberlan- 1820 - 3. 2. 1902), der Tochter des Konfe­ desgerichtsrat beim Oberlandesgericht renzrats Johann Friedrich P. Oldenburg befördert und zugleich zum Stellvertreter des Oberlandesgerichts­ W: Der Deichband des Stad- und Butjadinger präsidenten ernannt. Landes und dessen Interessenten im Jahre 1931 erfolgte seine Ernennung zum Ober­ 1849, Oldenburg 1849; Bericht über eine Reise in die Provinz Groningen im Herbste 1869, zur Instruction über die Behandlung und Verwer­ tung des Gassenkots der Stadt Groningen und der Moor-Colonien der Provinz, Oldenburg 1869; Mitteilungen über das Oldenburgische schwere Wagenpferd, Oldenburg 1874, 18832; Die Pferdezucht des Herzogtums Oldenburg 1583-1884, Oldenburg 1884. ~ L: Wilhelm Rodewald (Hg.), Festschrift zur Feier des 75jährigen Bestehens der Oldenburgi- schen Landwirtschafts-Gesellschaft, Berlin 1894. Hans Friedl

Högl, Eduard, Dr. iur., Oberlandes­ gerichtspräsident, * 5. 6. 1875 Oldenburg, f 3. 4. 1939 Rapallo. H. entstammte einer Bildhauerfamilie, die seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts in Oldenburg ansässig war. Sein aus War­ schau stammender Urgroßvater — Franz Anton Högl (1769-1859), ein angesehener landesgerichtspräsidenten und damit zum Bildhauer, hatte sich 1804 in Oldenburg höchsten Richter in Oldenburg. H. wurde niedergelassen. H. besuchte hier das Gym­ zugleich Vorsitzender des oldenburgi­ nasium, an dem er 1894 das Abitur be­ schen juristischen Staatsprüfungsamtes, stand, und studierte in der Folgezeit in des Dienstgerichts und des im Dritten Heidelberg, München und Berlin Rechts­ Reich eingerichteten Erbhofgerichts. Wäh­ wissenschaften. 1897 legte er vor dem Prü­ rend seiner Amtszeit setzte die Einfluß­ fungsamt des Oberlandesgerichts Olden­ nahme der nationalsozialistischen Macht­ burg die 1. juristische Staatsprüfung ab. haber auf die Justiz ein, durch die insbe­ Nach der Militärdienstzeit (1897-1898) ab­ sondere seit 1935 die persönliche und Högl 317 sachliche Unabhängigkeit der Richter­ der einzige in der Stadt ansässige Stein­ schaft zunehmend beeinträchtigt wurde. metz und Bildhauer. Es ist deshalb anzu­ H., Mitglied der NSDAP seit Mai 1933, nehmen, daß er im Rahmen der klassizisti­ scheint mäßigenden Einfluß ausgeübt zu schen Umgestaltung Oldenburgs an staat­ haben, ohne sich, soweit ersichtlich, gra­ lichen und privaten Bauten von 1804 bis vierenden Rechtsverletzungen wie etwa etwa 1840 beteiligt war. Seine Mitarbeit der Entfernung jüdischer Richter aus dem am Umbau des Schlosses ist für das Jahr Dienst zu widersetzen. Immerhin kriti­ sierte er in Berichten an das Reichsjustiz­ ministerium die unangemessene Berück­ sichtigung nationalsozialistischer Vorstel­ lungen in Gerichtsentscheidungen. Er litt in seinen letzten Lebensjahren an einer schweren Herzerkrankung, an der er wäh­ rend eines Erholungsaufenthalts in Ra­ pallo verstarb. H. heiratete 1911 Emma Gramberg (1888- 1960), die Tochter des oldenburgischen Ministerialrats — Otto Gramberg (1856- 1946); die Ehe blieb kinderlos. L: Werner Hülle, Geschichte des höchsten Lan­ desgerichts von Oldenburg (1573-1935), Göt­ tingen 1974; Jörg Wolff, Justizverwaltung im Bezirk des OLG Oldenburg 1933-1945, in: 175 Jahre Oberlandesgericht Oldenburg. Fest­ schrift, Köln 1989, S. 289-321; Jens Luge, Kon­ flikte in der regionalen Strafrechtspflege 1932- 1945, ebd., S. 217-251. 1809 belegt. Seit 1820 führte er die Stuk- Gundolf Bartels kierung der Decke des Mausoleums auf dem Gertrudenfriedhof durch. Anfang der 40er Jahre mußte er wegen zunehmender Erblindung seine Werkstatt am Stau aufge­ Högl, Franz Anton, Steinmetz und Bild­ ben, die von seinem Sohn Eduard Deme­ hauer, * 13. 6. 1769 Warschau, f 3. 5. 1859 trius in der Gaststraße weitergeführt Oldenburg. wurde. Von den Grabsteinen und Grabmä- H. war der Sohn des Steinmetzmeisters Jo ­ lern des frühen 19. Jahrhunderts auf den sef Högl (1741-1780) und der Tierarzttoch­ Friedhöfen in Oldenburg und Osternburg ter Constantia geb. Lascowska. Während ist nur das Grabdenkmal für die Kanzlei­ der Bruder Anton Högl als Steinmetzmei­ räte — von Finckh (1765-1813) und — von ster seine Ausbildung in Wien, dem wahr­ Berger (1768-1813), das Herzog — Peter scheinlichen Geburtsort des Vaters, erhielt Friedrich Ludwig (1755-1829) auf dem und in jungen Jahren in Warschau starb, Gertrudenfriedhof 1824 errichten ließ, führten die Wanderjahre H. über St. Peters­ nachweislich von H. nach Entwürfen von — burg, London und Paris 1804 nach Olden­ Heinrich Carl Slevogt (1787-1832) gearbei­ burg. 1805 heiratete er Anna Sophie Klüse- tet worden. Die Ausführung des von -*• ner (2. 11. 1783 - 10. 3. 1854) aus Ostern­ Georg Siegmund Otto Lasius (1752-1833) burg. Von den zwölf Kindern dieser Ehe entworfenen Mausoleums des Staatsmini­ wurden zwei Söhne, Eduard Demetrius sters Graf — Holmer (1741-1806), kurz nach (1805-1885) und Heinrich Konstantin 1806 auf dem Gertrudenfriedhof erbaut, (1813-1874) wieder Bildhauer. Der Enkel wird ihm mit guten Gründen zugeschrie­ Bernhard (1843-1893) und der Urenkel ben. Ein weiteres bedeutendes Werk ist Ernst (1880-1914) waren ebenfalls in die Point-de-vue-Vase am Schloßplatz in Oldenburg als Bildhauer tätig. Das von Oldenburg, die nach Plänen von — Joseph seinen Söhnen gestaltete Grabdenkmal Bernhard Winck (1754-1812) kurz nach H.s befindet sich auf dem Gertrudenfried­ 1805 aufgestellt wurde. Die ihm zuge­ hof in Oldenburg. schriebenen bauplastischen Arbeiten, die Als H. sich in Oldenburg niederließ, war er Türumrahmung der Hirschapotheke (1804) 318 Hollje und die Reliefs der Giebelfelder der Mili­ ponent eines radikalen Kurses der Deut­ tärschule am Pferdemarkt (1838) und der schen Christen zog er sich dann aus dem Schloßwache (1839) in Oldenburg sind bis­ Oberkirchenrat zurück und wurde durch her ebensowenig archivalisch belegt wie Pastor — J. Volkers (1878-1944) ersetzt, der die Urheberschaft für die Figur der Psyche gemäßigtere Ansichten vertrat und auf An­ im Stadtmuseum. regung H.s den Titel eines Landesbischofs erhielt. Kurz vor der Eingliederung der L: Franz Poppe, Franz Anton Högl aus Warschau. Oldenburger Kirche in die Reichskirche Ein Familienroman aus der Franzosen- und am 15. 6. 1934 gelang es H. auf der 6. Sit­ Biedermeierzeit, Oldenburg 1888; Hermann zung der 31. Landessynode, durch einen Lübbing, Oldenburg. Ein norddeutsches Stadt­ verfassungsändernden Beschluß, der vor­ bild im Wandel der Zeiten, o. J. (1975); Bau­ her nicht auf der Tagesordnung gestanden denkmäler im Oldenburger Land. Führer zu hatte, dem Landeskirchenausschuß eine Boden-, Bau- und Siedlungsdenkmälern, gesetzliche Grundlage zu geben, der ihn Oldenburg 1980, S. 180-181; Hans von Seg- zu einer Dauereinrichtung machte. Dieses gern, Franz Anton Högl aus Warschau, in: Heinz Holzberg, Im Zeichen der Högl'schen Gesetz ist nie im Gesetz- und Verord­ Vase, Oldenburg 1986, S. 36-58; Jörg Deuter, nungsblatt veröffentlicht worden. Im Oldenburg. Ein norddeutsches Stadtbild, August 1933 betrieb H. die Gleichschal­ Oldenburg 1989; ders., Ein oldenburgisches tung des Oldenburger Generalprediger- Monument der Befreiungskriege und seine vereins, die aber an der entschlossenen preußisch-russischen Quellen, in: Niederdeut­ Haltung von Pfarrer Chemnitz, Wester­ sche Beiträge zur Kunstgeschichte, 30, 1991, S. stede, scheiterte. Als Vorsitzender des Lan­ 167-188. deskirchenausschusses vertrat H. eine Po­ Ewald Gäßler litik, die sich zuerst auf den Reichsbischof Müller und später auf die Verwaltungsbe­ hörden der Deutschen Evangelischen Kir­ che in Berlin stützte. Die oldenburgische Hollje, Ernst August, Pfarrer, * 18. 3. 1866 Staatsregierung mit dem Minister — Pauly Vechta, ¥ 27. 12. 1951 Oldenburg. (1901-1988) versuchte, sich aus den Kir­ H., der in Vechta als Sohn eines Gefange­ chenstreitigkeiten herauszuhalten und nenaufsehers geboren wurde, besuchte eine neutrale Haltung zu beziehen. H.s Po­ hier das Gymnasium Antonianum und stu­ litik hatte wenig Erfolg, weil er nur wenige dierte Theologie in Leipzig und Berlin. Pfarrer hinter sich hatte und die NSDAP ab 1890 und 1894 bestand er die beiden theo­ 1937 jegliches Interesse an der Kirche ver­ logischen Examina und wurde am 12. 8. lor. Durchsetzen konnte sich eine gemä­ 1894 zum Pfarrer in Bardenfleth gewählt. ßigte Linie unter Landesbischof Volkers 1916 wurde er ohne Wahl zum Pfarrer in und Oberkirchenrat Müller-Jürgens. Da Ohmstede ernannt und trat am 1. 11. 1933 sie fast die gesamte Finanzverwaltung der auf eigenen Wunsch in den Ruhestand. Kirche in den Händen hatten, konnten sie Im Jahre 1932 bildete sich in Oldenburg es sich leisten, mit der Bekennenden Kir­ eine Gruppe Deutscher Christen, deren che in Oldenburg einen, wenn auch be­ Obmann H. wurde. In der Synode von grenzten Burgfrieden zu schließen, ohne 1933 war er der Hauptgegner des Oberkir- daß die „Herren in Berlin" zuviel davon er­ chenratspräsidenten — Tilemann (1877- fuhren. 1956) und setzte die Verabschiedung eines Seine Grundanschauungen legte H. kurz „Ermächtigungsgesetzes" für die olden- nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges in burgische Kirche durch, deren Kernpunkt einer Denkschrift nieder. Sein oberstes die Einsetzung eines Landeskirchenaus­ Ziel war, das Kirchenvolk nicht nur äußer­ schusses war, der in Verbindung mit dem lich, sondern auch innerlich mit dem Na­ Oberkirchenrat unumschränkte Gewalt tionalsozialismus zusammenzuführen. Da­ ausüben sollte. Vom 21. 10. 1933 bis zum bei wollte er aber die theologischen, glau­ 23. 1. 1934 war H. mit der Wahrnehmung bensmäßigen Einstellungen und die viel­ der Geschäfte eines 2. geistlichen Mitglie­ gestaltige dogmatische Ausprägung außer des des Oberkirchenrats beauftragt. In die­ Acht lassen. Für die Kirche sei Glaubens­ ser Zeit war er an dem Projekt eines Zu­ freiheit und Duldsamkeit das Gebot der sammenschlusses der norddeutschen Kir­ Stunde; die Deutschen Christen sollten chen beteiligt, das aber scheiterte. Als Ex­ sich dem deutschen Volk und der Politik Hollmann 319 des Führers mit Leib und dessen Tod wurde H. 1801 mit der Wahr­ Seele verbunden fühlen. Dieser Weg führe nehmung der Geschäfte des General­ über die radikale Rückkehr zu Jesus Chri­ superintendenten beauftragt und 1805 stus ohne Dogmen und Bekenntnisse. Das zum neuen Generalsuperintendenten er­ Amt eines Vorsitzenden des Landeskir­ nannt. Wie Mutzenbecher setzte er sich für chenausschusses hatte H. bis zum 24. 3. die Verbesserung des Schulwesens und 1943 inne, danach schied er aus Alters­ der Lehrerbildung ein. Die in den 1790er gründen aus. Jahren von Mutzenbecher eingeleiteten H. war verheiratet mit Martha Johanne Reformen wurden fortgesetzt, weiter aus­ Antonie geb. Lüerssen aus Bardenfleth differenziert und modifiziert. Für die Leh­ (1875-1959). rer verfaßte H. ein „Hülfsbuch bey der Er­ L: läuterung des Unterrichts in der christli­ Hugo Harms, Geschichte des Kirchenkampfes chen Lehre", das 1810 erschien und den in Oldenburg, 4 Bde., Jever 1963, MS, LBO; Lehrern Hilfen für den Unterricht mit dem Klaus Schaap, Die Endphase der Weimarer Re­ neuen Katechismus von 1797 bot. Grundle­ publik im Freistaat Oldenburg 1928-1933, Düs­ gende Erneuerungs- und Reformvor­ seldorf 1978. schläge zur pädagogisch-methodischen Friedrich Wilhelm Meyer Arbeit in der Schule griff H. jedoch nicht auf. Insbesondere gegen die von — Wil­ helm von Türk (1774-1846) für die Lehrer­ ausbildung geforderte Pestalozzische M e­ Hollmann, Anton Georg, Generalsuperin­ thode sperrte sich H. ganz entschieden. Im tendent, * 15. 1. 1756 Wangerooge, i 21. 8. Konsistorium sorgte er für entsprechende 1831 Oldenburg. Mehrheiten, die Türks Pläne ablehnten. H. stammte aus einer Pastorenfamilie. Sein 1817 bereitete H. die Feiern zum dreihun­ Vater Anton Bernhard Hollmann (1717- dertjährigen Reformationsjubiläum vor. 1768) war von 1751 bis 1763 Pfarrer in Wangerooge und anschließend 2. Prediger in Hohenkirchen; seine Mutter Sophia Ca- tharina geb. Adami (1724-1759) war die Tochter des Pfarrers Hermann A. (i 1735) aus Delmenhorst. Einer seiner Brüder, Her­ mann Friedrich H. (1753-1825), wurde ebenfalls Pastor und war von 1792 bis 1825 Rektor des Gymnasiums in Jever. H. be­ suchte das Gymnasium in Jever und stu­ dierte danach in Göttingen zweieinhalb Jahre Theologie. 1777 legte er in Olden­ burg sein Examen ab und war zunächst Hauslehrer in Burhave im Hause des Pfar­ rers Hermann Adami, des jüngsten Bru­ ders seiner Mutter, und von 1781 bis 1784 Winterprediger in Ovelgönne. 1784 wurde er Prediger in Holle und erhielt 1791 die Pfarre in Osternburg. Schon im Jahr dar­ auf holte ihn Generalsuperintendent — Mutzenbecher (1744-1801) an die Olden­ burger Lambertikirche auf die freigewor­ dene 1. Pfarrerstelle. 1799 wurde H. zum Konsistorialassessor ernannt. Neben dem Generalsuperintendenten war er damit Sein Einsatz hierbei zeigt ihn als umsichti­ zum maßgebenden Theologen des Herzog­ gen Theologen mit aufklärerischem Ge- tums Oldenburg aufgerückt. Mit ihm ge­ schichts- und Gesellschaftsverständnis. meinsam vertrat und verbreitete H. die Die von ihm in jener Zeit auch angestrebte neologische Position. An Mutzenbechers Strukturreform der Kirchspiele, bei der Lehrbuch für den „Unterricht in der christ­ Gemeindevorstände - orientiert am Vorbild lichen Lehre" (1797) arbeitete er mit. Nach der preußischen Presbyterien und der 320 Hollwede

württembergischen Kirchenkonvente - ein­ Rahden. H. studierte Jura und schloß das geführt werden sollten, fand jedoch im Studium mit der Promotion ab. 1632 wurde Konsistorium keine Mehrheit. Für derar­ er Rat in der oldenburgischen Kanzlei, die tige Veränderungen mit einer deutlichen in dieser Zeit als oberstes Gericht des Lan­ demokratischen Perspektive waren in des sowie als Beratungsorgan des Grafen Oldenburg die Voraussetzungen nicht ge­ -► Anton Günther (1583-1667) in allen Re­ geben. gierungsangelegenheiten fungierte. Nach 1820 gab H. mit seinem „Pastorale" eine dem Tode des Kanzlers -* Johann Prott kommentierte Sammlung aller gültigen (1573-1634), der als enger Vertrauter des Gesetze und Verordnungen heraus, die für Landesherrn eine führende Rolle gespielt die Amtsführung der Pastoren wichtig wa­ hatte, verlor die Kanzlei allerdings ihre Be­ ren. Im Lutherjahr 1817 erhielt H. von der deutung als politisches Beratungsgremium Theologischen Fakultät der Universität und wurde zunehmend auf ihre Funktion Göttingen die Ehrendoktorwürde. als oberstes Gericht der Grafschaft be­ H. war verheiratet mit Louise Margarethe schränkt. Diese Gewichtsverschiebung Dorothea geb. Lammers (1759-1835), der zeigte sich äußerlich daran, daß Protts Tochter des Huder Pastors Johann Peter L. Nachfolger H. am 7. 4. 1635 nur noch zum (1719-1796). Die aus dieser Ehe stam­ Kanzleidirektor und nicht mehr zum Kanz­ mende Tochter Anna (1794-1850) heiratete ler ernannt wurde. Wegen der teilweise den oldenburgischen Generalmajor -► Lud­ ungeklärten Aufgabenverteilung kam es wig Eugen Freiherr von Gayl (1785-1853). zudem zu einem heftigen Konflikt mit dem Landdrosten — Otto Philipp von Rüdigheim W: (1586-1638) über die beiderseitigen Kom­ Hülfsbuch bey der Erläuterung des Unterrichts in der christlichen Lehre zum Gebrauch in den petenzen, die erst durch die neue Dienstin­ Kirchen und Schulen des Herzogthums Olden­ struktion vom 22. 11. 1635 geregelt wur­ burg, Oldenburg 1810; Predigt am dritten hun­ den. Der Streit war damit beigelegt, er dertjährigen Feste der Reformation 1817 d. scheint aber H. die Freude an seinem Amt 31. Oct., Oldenburg 1817; Pastorale oder Zu­ vergällt zu haben. 1638 wechselte er als sammenstellung der oberlichen Verordnun­ Kanzler in den gräflich schaumburgischen gen, welche die evangelisch-lutherischen Pa­ Dienst, blieb aber oldenburgischer Rat von storen im Herzogthum bey ihrer Amtsführung zu beachten haben, Oldenburg 1820. Haus aus und wurde auch in einzelnen L: Fällen zu Gutachten aufgefordert. Er Wolfgang Erich Müller (Hg.), Kirchenverbesse­ scheint in den folgenden Jahren zeitweise rung in Oldenburg. Dokumente zum Reforma­ auch in delmenhorstischen Diensten ge­ tionsjubiläum 1817, Göttingen 1988; ders., Das standen zu haben, für die er 1647 finan­ Reformationsjubiläum von 1817 an der St. ziell abgefunden wurde. 1646 wurde er Lambertikirche zu Oldenburg, in: Oldenburg Kanzler des Fürstbistums Minden. Als die­ und die Lambertikirche, hg. v. R. Rittner, ses im Westfälischen Frieden dem Kurfür­ Oldenburg 1988, S. 159-174; Rolf Schäfer, Die Kirche in Oldenburg unter Mutzenbecher und stentum Brandenburg als Entschädigung Hollmann, ebd., S. 147-158. für anderweitige Verluste zugesprochen Klaus Klattenhoff und Rolf Schäfer wurde, wurde H. von dem neuen Landes­ herrn in seinem Amt bestätigt und erhielt den Titel eines Geheimen Rats. In den oldenburgischen Akten wird er zum letz­ tenmal im September 1654 erwähnt, als er Hollwede (Holwede), Johann Ernst (von), seinen Bestallungsbrief zurückgab. Dr. iur., Kanzleidirektor, * 1590?, f nach H. war verheiratet mit der aus Rostock 1654. stammenden Agnes geb. Reiche, der Toch­ Wir besitzen nur unzulängliche und frag­ ter des Christian R. Aus dieser Ehe mentarische Informationen über das Le­ stammte u. a. Johann Friedrich von H. ben H.s, selbst sein Geburtsdatum sowie (6. 4. 1619 - 7. 8. 1662), der später bran- sein Sterbedatum sind bisher nicht be­ denburgischer Obristleutnant wurde und kannt. Er war der Sohn des Johann von 1642 die Tochter des oldenburgischen Rats Holwede und dessen Ehefrau Catharina Christoph Pflug (t 1638) heiratete. geb. Deterding; sein Vater, der bei Peters­ L: hagen begütert war, amtierte zeitweise als Gerhard Anton von Halem, Geschichte des fürstbischöflich mindenscher Amtmann in Herzogtums Oldenburg, 3 Bde., Oldenburg Holmer 321

1794-1796, Reprint Leer 1974; Christian Lud­ Bereits mit dreißig Jahren erreichte er den wig Runde, Chronik der oldenburgischen Rang eines Konferenzrates. Adlige Her­ Kanzlei, in: ders., Patriotische Phantasien kunft und verwandtschaftliche Beziehun­ eines Juristen, Oldenburg 1836; Fritz Roth, gen waren ohne Zweifel die Voraussetzun­ Restlose Auswertungen von Leichenpredigten gen für diesen Aufstieg, die aber wir­ und Personalschriften, 10 Bde., Boppard 1959 ff., Nr. 408; Heinz-Joachim Schulze, Lan­ kungsvoll ergänzt wurden durch Tatkraft, desherr, Drost und Rat in Oldenburg, in: Nds. Organisationstalent und Verwaltungsbega­ Jb., 32, 1960, S. 192-235; Hermann Lübbing, bung sowie durch einen fast schon bürger­ Graf Anton Günther von Oldenburg 1583- lichen Arbeitseifer. Durch diese Eigen­ 1667, Oldenburg 1967. schaften zog H. die Aufmerksamkeit Cas­ Hans Friedl par von Salderns (1711-1786) auf sich, der als holstein-gottorpischer Staatsminister und vertrauter Berater Katharinas II. maß­ Holmer, Friedrich Levin Freiherr (seit 1777 geblich an den russisch-dänischen Ver­ Graf) von, Dirigierender Minister und handlungen beteiligt war, die die „Ruhe Oberlanddrost, * 13. 9. 1741 Kiel, f 10. 5. des Nordens" wiederherstellen sollten. Um 1806 Oldenburg. die Reibungsflächen zwischen den beiden Den „Begründer einer neuen Aera des Va­ Mächten auszuschalten, trat die in Ruß­ terlandes" nannte — Gerhard Anton von land auf den Thron gelangte ältere Linie Halem im Mai 1806 den soeben verstorbe­ des Hauses Holstein-Gottorp ihre Besit­ nen Grafen Friedrich Levin von Holmer, zungen in Holstein an Dänemark ab und der seit der Schaffung des Herzogtums erhielt im Austausch dafür die Grafschaf­ Oldenburg an der Spitze der Verwaltung ten Oldenburg und Delmenhorst, die sie gestanden und die Entwicklung des jun­ im Dezember 1773 an die karg versorgte gen Staates entscheidend geprägt hatte. jüngere Linie Holstein-Gottorp weitergab, Der Sohn des Freiherrn Magnus Friedrich um dieser zu einem „soliden und anständi­ von Holmer (27. 10. 1704 - 25. 12. 1775) gen Etablissement" zu verhelfen. und dessen Ehefrau Caroline Friederike Der neue oldenburgische Landesherr, geb. von der Wich (29. 9. 1719 - 5. 3. 1780) Fürstbischof — Friedrich August (1711- entstammte einer holsteinischen Adelsfa­ 1785), dessen bisheriger Minister Henning milie, deren Angehörige in hohe Ämter Benedict von Rumohr sich den erweiterten der gottorpischen Verwaltung aufgestie­ Aufgaben nicht gewachsen fühlte, bot auf gen und durch Heirat mit den führenden Empfehlung Salderns dem inzwischen be­ Geschlechtern des Landes verbunden wa­ währten H. die Position des ersten Mini­ ren. Der Vater war Mitglied des Geheimen sters an. H. zögerte zunächst, weil diese Regierungconseils in Kiel, der obersten Re­ Rolle offenbar seinem Ehrgeiz zu klein er­ gierungsbehörde des Gottorper Anteils am schien und er sich vielleicht auch Hoffnun­ Herzogtum Holstein, die direkt dem zum gen machte, mit Hilfe Salderns in Rußland russischen Thronfolger bestimmten Her­ ein größeres Betätigungsfeld zu finden. zog Karl Peter Ulrich und nach seinem Tod Schließlich akzeptierte er jedoch, da seine der Zarin Katharina II. unterstand. Der Erwartungen sich nicht erfüllten und ihm Einfluß des Vaters ebnete H. nach dem Ju ­ sonst nur der Übertritt in den dänischen rastudium, das er im April 1757 an der Uni­ Staatsdienst geblieben wäre, der für ihn versität Kiel begonnen hatte, den Weg in aber schwerlich in Frage kam, hatte er den holstein-gottorpischen Verwaltungs­ doch - wie schon sein Vater - zu den lang­ dienst, in dem er rasch Karriere machte. jährigen Gegnern einer Aussöhnung mit 1761 wurde er zum Kammerjunker ernannt dem Königreich gehört. Auch die dänische und trat 1763 in die Justizkanzlei in Kiel Regierung sah ihn deshalb lieber in Eutin ein; 1764 wurde er Geheimer Referendar und Oldenburg als in Kiel. Am 6. 5. 1774 und Protokollführer des Geheimen wurde H. zum Geheimen Rat und dirigie­ Regierungsconseils, 1766 Mitglied des Ge­ renden Minister des neuen Kleinstaats er­ nerallandes- und Ökonomie- Verbesse­ nannt, fünf Tage später auch zum Ober­ rungs-Direktoriums, 1769 Landrat sowie landdrost der Grafschaften Oldenburg und Vorsitzender Rat in der Rentekammer, Delmenhorst. Diese Doppelstellung sollte 1770 Mitglied des Forst- und Baudeparte­ eine einheitliche Verwaltung gewährlei­ ments und 1773 auch Amtmann des in der sten und das Zusammenwachsen der bei­ Nähe Kiels gelegenen Amtes Kronshagen. den räumlich getrennten Staatsgebiete, 322 Holmer des Fürstbistums Lübeck und der Graf­ entsprechend wurde dabei auch der er­ schaften, erleichtern. Sie bewährte sich je ­ folgreiche Unterhändler nicht vergessen doch auf die Dauer nicht, da infolge des und im Juli 1777 vom Kaiser in den Reichs- ständigen Wechsels des Ministers zwi­ grafenstand erhoben. Um die Existenz des schen Eutin, wo Herzog Friedrich August Herzogtums zu sichern, sorgte Holmer weiterhin residierte, und Oldenburg die gleichzeitig für die Regelung der Nachfol­ Entscheidungsprozesse immer dann ins gefrage. Der geisteskranke Sohn des Her­ Stocken gerieten, wenn H. das jeweilige zogs wurde im Februar 1777 von einem Verwaltungszentrum verließ. Aus Rück­ Ärztekollegium für regierungsunfähig er­ sicht auf ihn blieb aber diese Ämterkumu­ klärt und dessen Vetter — Peter Friedrich lation zeit seines Lebens bestehen, erst Ludwig von Holstein-Gottorp (1755-1829) nach seinem Tode erfolgte die Trennung zum Administrator und schließlichen zwischen dem Kabinett und den Landes­ Nachfolger bestimmt. kollegien des Herzogtums Oldenburg. In der inneren Verwaltung setzte H., den Innerhalb kurzer Zeit sicherte sich H. eine Ideen der Zeit aufgeschlossen und der dominierende Stellung in dem kleinen, Aufklärungsbewegung in ihrer gemäßig­ überschaubaren Staat. Schon bald wurde ten nordwestdeutschen Ausprägung nahe­ in Oldenburg davon gesprochen, daß er stehend, erste vorsichtig-bedächtige Re­ „mehr als Mitregent, den guten alten Her­ formvorhaben in Gang. Mit der Vermes­ zog Friedrich August in ein fast unterge­ sung des Landes wurden die notwendigen ordnetes Verhältnis" gebracht habe. Prä­ planerischen Grundlagen für eine ratio­ gnant faßte -► Ludwig Starklof (1789-1850) nale Wirtschafts- und Verkehrspoltik ge­ später das allgemeine Urteil zusammen: schaffen, während die Entfestigung Olden­ „Unter Herzog Friedrich August war er der burgs und die Umwandlung der Wälle in eigentliche Regent, ja mehr als der Fürst Promenaden die Voraussetzung für das . . . Er machte und entschied alles, dem spätere Wachstum der Stadt darstellten. Herzog blieb nur das Unterzeichnen." Die Unter der Leitung H.s griff die oldenburgi- quasi-hegemoniale Stellung eines all­ sche Verwaltung auch das Armenproblem mächtigen Premierministers, der auf dem auf, das zu den beherrschenden Themen Höhepunkt seines Einflusses das eigentli­ der Zeit gehörte. Mit der Einrichtung einer che Entscheidungszentrum bilden konnte, Witwen- und Waisenkasse (1778) und vor war freilich nur eine Folge der zufälligen allem mit der neuen Armenordnung von persönlich-dynastischen Konstellationen 1786, die sich auf das gesamte Staatsterri­ und änderte sich mit ihnen. Sie darf nicht torium bezog, gelang ihr ein eigenständi­ mit dem zeitweise viel diskutierten und ger und vielbeachteter Beitrag zur „Lö­ umstrittenen „bürokratischen Absolutis­ sung" des Problems. Eine wichtige Rolle mus" verwechselt werden, wie er sich spielten dabei hamburgische Einflüsse etwa in Bayern unter Montgelas oder in und insbesondere die Ausstrahlungskraft Baden unter Reitzenstein entwickelte, wo des aufgeklärten dänischen Reformmo­ eine selbstbewußte Verwaltung unter der dells, die sich konkret in der Person -► Führung befähigter Staatsmänner und Po­ Georg Christian Oeders (1728-1791) fassen litiker die Leitungsfunktionen im Staat an lassen, der nach dem Sturz Struensees in sich gezogen hatte. Die beherrschende Po­ das damals noch dänische Oldenburg sition H.s resultierte vielmehr daraus, daß strafversetzt worden war und hier in den sich sein bequemer und indolenter fürstli­ folgenden Jahren entscheidend an den Re­ cher Dienstherr mehr für seine persönli­ formvorhaben mitarbeitete. Zwar sind chen Liebhabereien interessierte als für diese in ihren Einzelheiten und Zusam­ die Verwaltung seines Landes und ihm da­ menhängen noch nicht abschließend er­ her erleichtert alle Entscheidungen über­ forscht, sie laufen aber in ihrer Gesamtheit ließ. ohne Zweifel auf ein pragmatisch ausge­ H.s erste Aufgabe war es, die Verhandlun­ richtetes Programm zur Entwicklung und gen über die Modalitäten der Erhebung Modernisierung des Kleinstaates hinaus, des neuen Staates zum Herzogtum mit den das ein Gemeinschaftswerk einer kleinen kaiserlichen Behörden in Wien zu führen, Spitzengruppe der oldenburgischen Büro­ die mit der feierlichen Investitur Friedrich kratie darstellte. Neben H. gehörten dazu Augusts im März 1777 abgeschlossen wur­ u. a. der Landvogt Georg Christian Oeder, den. Den allgemeinen Gepflogenheiten der Kammerdirektor — Friedrich Wilhelm Holmer 323 von Hendorff (1738-1798), der Justizrat - uns beiden alles ist, und schwehrlich mehr Gerhard Anton von Halem (1725-1819) Talent, mehr Liebe zu Arbeit und mehr und vor allem der Justizrat - Ludwig Bene­ Rechtlichkeit bey einander sah." dict Trede (1731-1819), der als Kabinettsse­ H. gehörte zweifellos zu den bedeutende­ kretär das Verbindungsglied zwischen ren kleinstaatlichen Ministern seiner Zeit. dem Landesherrn und der Verwaltung bil­ Hochgebildet und vielseitig interessiert, dete und als enger Mitarbeiter H.s erhebli­ stand er in Verbindung mit den besten chen Einfluß auf die Formulierung und Köpfen Norddeutschlands und leitete als Durchführung der Staatspolitik ausübte. Repräsentant einer handlungsfähigen Be­ Das „Herz, die Seele und das Nervensy­ amtenschaft im Bündnis mit dem absolu­ stem des Staates" (Carl Haase) war H., der ten Fürstenstaat jene Reformen von oben sich dieser Schlüsselstellung durchaus be­ ein, die Oldenburg innerhalb der nieder­ wußt war und sie auch genoß. Bei seinen sächsischen Aufklärungslandschaft zum Aufenthalten in Oldenburg wohnte und „kleinstaatlich-ländlichen Modell der Auf­ amtierte er in dem neuen, nach ihm be­ klärung" (E. Hinrichs) machten und die nannten Flügel des Schlosses, den Georg Durchsetzung der bürgerlichen Gesell­ Greggenhofer 1774/78 erbaut hatte, um schaft vorbereiteten. den gestiegenen Ansprüchen an staatliche H. war seit dem 7. 2. 1779 verheiratet mit Selbstdarstellung zu genügen. In der Lam­ der aus Mecklenburg stammenden Sophie bertikirche hatte der Minister seinen Platz Henriette Elisabeth geb. Freiin von der neben dem herzoglichen Stuhl und wurde Lühe (24. 11. 1759 - 7. 1. 1839); mit dem nach dem Landesherrn in das Fürbittege­ einzigen Sohn Magnus Friedrich (1781- bet der Gemeinde eingeschlossen. Der 1857), der als Redakteur der „Hippologi­ kluge, selbstbewußte Graf „mit dem häß­ schen Blätter" und Fachmann für Pferde­ lich schönen Gesicht, der langen Nase und zucht tätig war, starb die Familie im Man­ dem stolzen Wesen", dem eine gehörige nesstamm aus. Portion Eitelkeit und Hochmut beige­ mischt waren, trat in Oldenburg fast wie W: ein Ersatzmonarch auf und entfaltete eine Familienarchiv im Landesarchiv Schleswig- seiner Selbsteinschätzung entsprechende, Holstein; Teilnachlaß im StAO. glänzende Repräsentaton, für die er aller­ L: dings das Familienvermögen ruinierte. ADB, Bd. 12, S. 773; Wilhelm von Bippen, Euti- Nach dem Regierungsantritt Peter Fried­ ner Skizzen, Weimar 1859; Günther Jansen, rich Ludwigs verlor H. 1785 seine Lei­ Aus vergangenen Tagen. Oldenburgs literari­ tungsposition und mußte eine empfindli­ sche und gesellschaftliche Zustände während des Zeitraumes von 1773 bis 1811, Oldenburg che Beschränkung seiner bisherigen 1877; Otto Brandt, Caspar von Saldern und die Machsteilung hinnehmen. Der junge Her­ nordeuropäische Politik im Zeitalter Kathari­ zog, der selbst regieren wollte, war nur nas II., Erlangen-Kiel 1932; Carl Haase, Briefe unter der Bedingung bereit, den Minister des Herzogs Peter Friedrich Ludwig an den im Amt zu bestätigen, wenn dieser sich Kabinettssekretär Trede, in: OJb, 58, 1959, ihm unterordnete. Nach anfänglichen S. 29-53; Carl Haase und Gerd Wietek (Hg.), Spannungen und auch persönlich gefärb­ Landessparkasse zu Oldenburg 1786-1961, Oldenburg 1961; Walter Asmus, Johann Fried­ ten Animositäten fand sich H. damit ab, in rich Herbart, Bd. 1, Heidelberg 1968; Werner Zukunft die zweite Geige zu spielen, zu­ Hülle, Die Erhebung der Grafschaften Olden­ mal der Herzog seinen Stolz schonte und burg und Delmenhorst zum Herzogtum und seine Position sowie seine Befugnisse nach Thronlehen durch Kaiser Joseph II., in: OJb, außen hin nicht antastete. Schon bald 72, 1972, S. 45-59; Ludwig Starklof, Erlebnisse lernte Peter Friedrich Ludwig die Erfah­ und Bekenntnisse, bearb. von Hans Friedl, in: rung und praktische Klugheit seines Mini­ Harry Niemann (Hg.), Ludwig Starklof 1789- sters schätzen, der ihm unentbehrlich 1850, Oldenburg 1986, S. 55-222; Kiel, Eutin, St. Petersburg. Die Verbindung zwischen dem wurde und mit dem er über zwanzig Jahre Haus Holstein-Gottorf und dem russischen Za­ lang vertrauensvoll zusammenarbeitete. renhaus im 18. Jahrhundert. Politik und Kultur. Als H. am 10. Mai 1806 völlig unerwartet Ausstellungskatalog, Heide i. H. 1987; Hans starb, bekannte der Herzog in einem Friedl, Friedrich Levin Graf von Holmer, in: Schreiben an den Kabinettssekretär Trede: Mitteilungsblatt der Oldenburgischen Land­ „Ich verliere sehr viel, und Sie einen schaft, Nr. 71, 1991, S. 1-3. Freund, am meisten aber der Dienst, der Hans Friedl 324 Holstein

Holstein, Johann Georg von, Oberland­ 1729). Nach ihrem Tode heiratete er am drost, * 16. 2. 1662 Möllenhagen/Mecklen­ 5. 11. 1727 in Kopenhagen in zweiter Ehe burg, f 26. 12. 1730 Kopenhagen. Charlotte Amalie von Plessen (1. 10. 1686 - H., aus dem Hause Möllenhagen des 23. 2. 1740), die Witwe des Feldmarschalls mecklenburgischen und pommerschen Jobst Schölten und Tochter des General­ Adelsgeschlechts, war der jüngere Sohn leutnants Samuel Christoph von P. und der des Johann von Holstein zu Möllenhagen, Catherine Margarethe Elisabeth geb. von Speck und Groß Luckow (19. 12. 1618 - Dalwig (1654-1726). 13. 10. 1675) und der Sophie Hedwig geb. L: von Petersdorff (1629-1693). Nach dem Danmarks Adels Aarbog, Bd. 2, Kopenhagen Studium der Rechte an der Universität Ro­ 1885; Dansk Biografisk Leksikon, 1. Aufl., stock und einer anschließenden Bildungs­ Bd. 8, Kopenhagen 1894; 2. Aufl., Bd. 10, Ko­ reise durch England, Holland und Frank­ penhagen 1936, 3. Aufl., Bd. 6, Kopenhagen reich wurde H. Kammerjunker zunächst 1980. am Hof in Schwerin und ab 1688 am Hof in Inger Gorny Kopenhagen. 1693 wurde er Hofmeister des Königs Christian V. Drei Jahre später wechselte H. in den dänischen Staats­ dienst, übernahm am 11. 6. 1696 das Amt des Landdrosten im Ammerland und ver­ waltete das Amt Apen, die Vogtei Zwi­ Holthaus, Johann Hermann Bernhard, schenahn und später auch das Amt Neuen­ Unternehmer, * 8. 4. 1821 Dinklage, i 18. burg mit den Vogteien Bockhorn und Ze­ 11. 1885 Bremen. tel. Inzwischen Etatsrat, wurde er am Der Sohn des Windmüllers Jacob Joseph 16. 12. 1699 zum Oberlanddrosten der Holthaus (11. 1. 1781 - 21. 11. 1847) und Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst dessen Ehefrau Anna Margarete Adelheid ernannt. Er gab dieses Amt gegen Ende geb. Morthorst (1788-1870) erlernte das des Jahres 1705 nach Auseinandersetzun­ Tischlerhandwerk und ging von 1842 bis gen mit — Christoph Gensch von Breitenau 1845 als Tischlergeselle auf Wanderschaft. (1638-1732) und dem Gouverneur — Gu­ Nach dem Tod des Vaters übernahm er stav Wilhelm von Wedel (1641-1717) wie­ der auf. Ab Januar 1706 war er, teils als Hofmeister des Kronprinzen, des späteren Königs Christian VI., teils als Deputierter der Finanzen, in Kopenhagen tätig. H. übte einen großen Einfluß auf Friedrich IV. aus, wenn es auch Differenzen über den Wiedereintritt Dänemarks in den Großen Nordischen Krieg 1709 gab. Wiederholt wurde er ausersehen, als Unterhändler die Interessen Dänemarks wahrzunehmen. 1712 wurde er zum Geheimen Rat und Mit­ glied des Conseil ernannt, 1713 folgte die Ernennung zum Amtmann des Amtes Ton- dern. H., der wie viele der nach Dänemark eingewanderten Deutschen Pietist war, wurde Vorsitzender des neugegründeten königlichen Missionskollegiums. 1705 wurde er mit dem Dannebrogsorden und 1722 mit dem höchsten dänischen Orden, dem Elefantenorden, ausgezeichnet. H. war zweimal verheiratet. Am 2. 5. 1693 heiratete er Ida Frederikke Joachime Bü- 1847 den Betrieb der Windmühle, die der low (25. 1. 1677 - 6. 7. 1725), die Tochter Familie Galen gehörte, widmete sich aber des Kammerherrn und Generaladjutanten daneben weiterhin dem Tischlerhand­ Christian Bülow (1643-1692) und dessen werk. Während seiner Wanderzeit hatte er Ehefrau Ollegaard geb. Barnewitz (1653- nachhaltige Eindrücke von der beginnen- Horten 325 den Mechanisierung der Landwirtschaft Horten, Franz (Pater Titus Maria O.P.), und ihrer Bedeutung für die weitere Ent­ Dr. phil., Ordensgeistlicher, * 9. 8. 1882 El­ wicklung des Landhandwerks gewonnen berfeld, i 25. 1. 1936 Oldenburg. und wandte sich nun selbst der Anferti­ H. war der Sohn des Oberlandesgerichts- gung landwirtschaftlicher Maschinen zu. rats und späteren Reichsgerichtsrats Anton 1850 begann er mit einem, später mit drei Hubert Horten (5. 3. 1838 - 23. 10. 1903) bis fünf Gehilfen in einer provisorischen und dessen Ehefrau Sidonie geb. Kreuser. Werkstatt in seinem Wohnhaus die Produk­ Von seinen fünf Brüdern wurden zwei tion. 1853 wurde er Tischlermeister und ebenfalls Priester, seine beiden Schwe­ konnte nun eine größere Tischlerwerkstatt stern wurden Ordensfrauen. H. besuchte einrichten. H. stellte keine selbst konstru­ ab 1893 die Dominikanerorden in Venlo ierten Maschinen her, sondern baute le­ und das Gymnasium in Leipzig, wo er diglich bereits im Handel befindliche Ma­ 1902 die Reifeprüfung bestand. Danach schinen nach, die er jedoch in enger Zu­ studierte er Rechts- und Sprachwissen­ sammenarbeit mit der Landwirtschaftsge­ sellschaft zu verbessern suchte. Die für den Maschinenbau benötigten Eisenteile bezog er vorgefertigt von auswärts oder ließ sie in einer benachbarten Schmiede herstellen, die Tischler- und Stellmacher­ arbeiten sowie die Montage erfolgten in seiner Werkstatt. Besonders erfolgreich war H. im Nachbau und in der Fertigung von Dreschmaschinen. Da seine Produkte billiger waren als die ausländischen Ma­ schinen, konnte er sie leicht absetzen. 1860 beschäftigte er bereits 18-20 Arbei­ ter. In den folgenden Jahren erweiterte er die Werkstatt und ergänzte sie durch eine Schmiede, eine Schlosserei und eine Dre­ herei. 1867 ließ er die Firma B. Holthaus als Maschinenfabrik in das Handelsregi­ ster eintragen. 1880 vergrößerte er noch einmal seinen Betrieb, der nun zwischen 40 und 50 Arbeiter beschäftigte. H. war seit dem 26. 7. 1853 verheiratet mit Franziska Caroline geb. Bahlmann (* 28. 10. 1828), mit der er neun Kinder hatte. Bei seinem Tod konnte er seinem schaften an den Universitäten Leipzig, Sohn Bernhard H. (26. 3. 1856 - 11. 12. Münster, Grenoble, London und Bonn, wo 1908) ein florierendes Unternehmen hin­ er 1909 zum Dr. phil. promovierte. Noch im terlassen, das dieser zu einer der größten gleichen Jahr trat er in den Dominikaner­ Maschinenfabriken des Herzogtums orden ein, absolvierte das Noviziat in Oldenburg ausbaute, die in den 1920er Vechta, studierte von 1910 bis 1913 Phi­ Jahren ungefähr 480 Arbeiter beschäf­ losophie an der Ordenshochschule in Düs­ tigte. Danach setzte allerdings der Nieder­ seldorf und danach Theologie in Rom, wo gang ein, der 1955 mit dem Konkurs der er am 27. 2. 1915 zum Priester geweiht Firma endete. wurde. 1917 kam er als Lehrer an die Or- dens- und Missionsschule der Dominika­ L: ner in Vechta, doch wurden ihm bereits Clemens Heitmann, Dinklager Familien, Bd. 1, nach zwei Jahren andere Ämter übertra­ Dinklage 1977; Ulrich Groneick, Landmaschi­ gen. 1919/1920 und von 1921 bis 1927 war nenfabrik B. Holthaus in Dinklage - Eine Aus­ stellung und Aktion, in: JbOM, 1987, S. 273- er Prokurator des Klosters, von 1923 bis zu 280; „Hei geit nao Holthus Mäöhlen", hg. vom seinem Tode Direktor des neu gegründe­ Heimatverein Herrlichkeit Dinklage e.V., ten Albertus-Magnus-Verlags und von Dinklage 1988. 1927 an auch Generalprokurator für die Andreas Käthe und Bernard Hachmöller China-Mission des Ordens. Als solcher 326 Hoyer hatte er für die Finanzierung der Missions­ Hoyer, Jakob Christian, Kaufmann, arbeit der Dominikaner in der Provinz Fu- * 3. 1. 1794 Oldenburg, i 10. 4. 1865 kien zu sorgen. Als nach 1933 die Übersen­ Oldenburg. dung der für die Mission bestimmten Gel­ H. stammte aus einer Bauernfamilie, die in der wegen der schikanösen Devisenbe­ Hojen bei Wehle in Jütland ansässig war. stimmungen immer schwieriger wurde, Er war der älteste Sohn des um 1772 in das geriet H. zusammen mit dem ehemaligen damals dänische Oldenburg eingewander­ Provinzial Pater Thomas Stuhlweißenburg ten N iels Nielsen Hoyer (1746-1817) und und dessen seit 1932 amtierenden Nachfol­ dessen zweiter Ehefrau Helene Maria geb. ger — Pater Laurentius Siemer (1888-1956) Bolte (1754-1815), der zuerst als Diener ar­ in das Gestrüpp der sog. „Devisenpro­ beitete und sich danach als Kaufmann zesse", die von den Nationalsozialisten selbständig machte. 1815 übernahm Chri­ systematisch gegen die katholischen Mis­ stian H., in erster Ehe verheiratet mit Anna sionsorden inszeniert wurden. geb. Mehrens (1794-1830), in zweiter mit Am 8. 5. 1934 wurde H. verhaftet und ins Katharina geb. Beindorff (1798-1865) und Gerichtsgefängnis Oldenburg gebracht, Vater von zehn Kindern, das väterliche Ge­ wo er in strenger Isolationshaft gehalten schäft, das sich zu dieser Zeit fast aus­ wurde. Am 4. 3. 1935 wurde er zusammen schließlich auf den Lebensmittelbereich mit Siemer zu einer Gefängnisstrafe von beschränkte. Er vergrößerte sogleich das zwei Jahren verurteilt. Siemer legte Beru­ Warenlager und weitete in den folgenden fung ein und überredete auch H. dazu, der zwei Jahrzehnten sein Sortiment beträcht­ in seiner tiefen Gottergebenheit zunächst lich aus, das neben Kolonialwaren und das Urteil annehmen wollte. Den Frei­ Weinen, die schon 1819 bis nach Göttingen spruch vom 31. 1. 1936 erlebte H. nicht geliefert wurden, auch Spirituosen, Scho­ mehr. Seine asthmatische Erkrankung kolade, Stearinlichter sowie Seife und Es­ hatte sich im Laufe des Winters so ver­ sig umfaßte. Der 1819 begonnene Versuch schlechtert, daß er in das im Peter-Fried- der Tuchherstellung erwies sich als unren­ rich-Ludwigs-Hospital eingerichtete Ge­ tabel und mußte eingestellt werden. H.s fängnislazarett verlegt werden mußte, wo Bestreben, in vorsichtiger, gleichwohl ziel­ er, obwohl nun gut gepflegt, am 26. 1. bewußter Planung den langfristigen ge­ 1936 starb. Sein Begräbnis in Vechta, an schäftlichen Erfolg zu sichern, gab den Im­ dem etwa sechstausend Menschen teilnah- puls für weitere Investitionen. 1841 kaufte men, war eine eindrucksvolle Kundge­ er in Donnerschwee ein ausgedehntes, un­ bung gegen das nationalsozialistische Re­ bebautes Grundstück, um dort eine Bier­ gime, zugleich aber auch Ausdruck des ho­ brauerei und eine Stearinlichtefabrik zu hen Ansehens, das H. bei den Gläubigen errichten. Bis jedoch die Produktion in grö­ genoß. Schon bald galt er als „Heiliger des ßerem Umfang aufgenommen werden Oldenburger Landes". 1948 begann der konnte, vergingen sechs Jahre und wur­ Seligsprechungsprozeß in Rom, der noch den 20000 Taler verbaut oder für Maschi­ nicht abgeschlossen ist. nen, zum Teil aus Frankreich stammend, ausgegeben. Ehe englische Brauereien H. W: Auszüge aus Briefen, Vechta o. J. vom Markt verdrängten, erbrachten die L: Exporte in das benachbarte Ausland gute Laurentius Siemer, Pater Titus Horten im Ge­ Umsätze, sogar aus China liefen Bestellun­ fängnis, in: HkOM, 1955, S. 135-138; Laur­ gen ein. Es war nur konsequent, daß H. entius Siemer, Aufzeichnungen und Briefe, 1847 den Familienwohnsitz nach Donner­ Frankfurt 1957; Ernst Hoffmann und Hubert schwee verlegte und ein Jahr später das Janssen, Die Wahrheit über die Ordensdevi- Geschäft in Oldenburg seinem Sohn — Jo­ senprozesse 1935/36, Bielefeld 1967; Klaus hann Heinrich (1817-1909) übergab. Trotz Scholder, Die Kirchen und das Dritte Reich, 2 Bde., Frankfurt 1977 und 1985; P. Willehad Pe­ dieser betrieblichen Neuordnung verrin­ ter Eckert O. P., Die Dominikaner in Vechta, gerten sich Arbeitsanfall und Verantwor­ in: Beiträge zur Geschichte der Stadt Vechta, tung kaum, auch nicht nach der Über­ Bd. 3, Vechta 1981, S. 217-242; Jens Luge, Kon­ nahme der Donnerschweer Fabrikunter­ flikte in der regionalen Strafrechtspflege 1932- nehmen durch Johann Heinrich H. (1853). 1945, in: 175 Jahre Oberlandesgericht Olden­ Denn auf gründliche Weise sachkundig burg. Festschrift, Köln 1989, S. 217-252. und, wenn etwas zu entscheiden war, auch Hans Schlömer entschlossen genug, es durchzuführen, Hoyer 327 hatte H. Anfang der 1840er Jahre erkannt, für eine im August 1848 in Frankfurt ta­ daß die Oldenburger Wirtschaft, von be­ gende Konferenz von Vertretern des nord­ stimmten strukturellen Schwächen abge­ deutschen Wirtschaftsraums über die künf­ sehen, ohne ausreichend verfügbares Ka­ tige deutsche Zollpolitik, bei der H. nach­ pital auf die Dauer nicht prosperieren haltig den Grundsatz des Freihandels in konnte. Abzuhelfen gedachte H. diesem dem noch zu schaffenden deutschen Ein­ „Uebelstand" zusammen mit sieben ande­ heitsstaat verfocht. 1864 zog er sich ren Kaufleuten durch die am 6. 1. 1845 er­ schließlich wegen anhaltender gesund­ folgte Gründung der Oldenburgischen heitlicher Beschwerden aus dem geschäft­ Spar- und Leihbank. Von 1845 bis 1848 lichen und politischen Leben zurück. H.s war er ihr erster Direktor und bestimmte Format sichert ihm zweifellos einen würdi­ danach gemeinsam mit — Friedrich Bern­ gen Platz in der Reihe erfolgreicher und hard Hegeler (1802-1876) weitere sech­ bedeutender Persönlichkeiten aus dem zehn Jahre die Geschicke der Bank. Was Oldenburger Wirtschaftsleben des erreicht werden sollte, nämlich allen inter­ 19. Jahrhunderts. essierten Oldenburgern die Möglichkeit L: Karl Thorade, Die Oldenburgische Spar- & Leih-Bank vom 6. Januar 1845 bis 6. Januar 1895, Oldenburg 1895; Otto Hoyer, Beiträge zur Geschichte der in Oldenburg i. O. ansässi­ gen Familie Hoyer aus Hojen in Jütland, 3 Hefte, Oldenburg 1927; Heinz-Joachim Schulze, Oldenburgs Wirtschaft einst und jetzt, Oldenburg o. J. (1965); 125 Jahre Ge­ werbe- und Handelsverein von 1840 e.V. Oldenburg, Oldenburg 1965; Niels Kristian Hoyer, Über die Familie Hoyer und ihr 200jäh- riges Wirken in Oldenburg, in: OFK, 28, 1986, S. 274-300. Peter Haupt

Hoyer, Niels Johannes Erich, Pfarrer, * 17. 11. 1880 Brake, f 30. 8. 1943 Isernha­ gen. H., der Sohn des Kirchenrats Richard Hoyer (1853-1923), machte sein Abitur am Gymnasium in Vechta und studierte von zu bieten, im Bedarfsfall Kredite aufzuneh­ 1901 bis 1905 evangelische Theologie in men oder ihr Geld zinstragend anzulegen, Halle und Greifswald. Am 16. 1. 1910 fand bald immer stärkeren Zuspruch und wurde er in Oldenburg ordiniert. Schon in eröffnete eine der wichtigsten Perioden der Kandidatenzeit - aber auch noch nach stadtoldenburgischer Wirtschaftsge­ seiner Ordination - unterrichtete er an den schichte im 19. Jahrhundert. Der Industria­ Franckeschen Stiftungen in Halle, an der lisierungsschub von 1848 bis 1855 wurde Brandenburgischen Provinzial-Schul- und von der Bank mitgesteuert. Erziehungsanstalt Strausberg bei Berlin H.s Lebensweg und seine Lebensleistung sowie an der Oberrealschule in Olden­ sind damit aber erst unvollständig be­ burg. Von 1910 bis 1912 war er Pfarrer in schrieben. Im öffentlichen Leben Olden­ Ahrensbök (Fürstentum Lübeck), von 1914 burgs genoß er zunächst als Ältermann, bis 1918 in Ickern (Kreis Dortmund), von dann als Ratsherr im Stadtrat hohes Anse­ 1918 bis 1934 an der Lambertikirche in hen, ebenso als Mitbegründer der Olden­ Oldenburg und schließlich von 1934 bis burger Versicherungsgesellschaft von 1857 1943 in Isernhagen bei Hannover. H. war und des Gewerbe- und Handelsvereins ein wichtiger Vertreter der liturgischen Er­ von 1840. Der Verein, dessen Vorstand H. neuerung in den Jahren nach dem Ersten zeitweise angehörte, empfahl ihn dem Weltkrieg und führendes Mitglied der Li­ Staatsministerium als Sachverständigen turgischen Konferenz Niedersachsens. In 328 Hoyer

Isernhagen gründete er ein liturgisches Schule in Kassel und vertiefte seine Aus­ Seminar. Die Gestaltung besonderer Got­ bildung durch ein Chemiestudium an den tesdienste zu den Festzeiten lag ihm vor Universitäten Jena und Berlin (1837-1840). allem am Herzen; die noch heute in der In dem Jahr, in dem H. zu jenen sieben Oldenburger Auferstehungskirche gehal­ Bürgern gehörte, die dem Großherzog — tene Ostermette geht auf ihn zurück. Wäh­ Paul Friedrich August (1783-1853) die Ver­ rend seiner Oldenburger Amtszeit hielt er auch die Verbindung zur Norddeutschen Mission in Bremen. So war er verantwort­ lich für das Reiseprogramm des Pastors Kwami aus Togo im September 1932, des­ sen Besuch und Predigt in der Lambertikir­ che zu heftigen Auseinandersetzungen mit dem nationalsozialistischen Ministerpräsi­ denten — Carl Rover (1889-1942) führten. H. fühlte sich durch Rövers scharfe öffent­ liche Äußerungen über das Verhalten der kirchlichen Stellen in seiner persönlichen Sicherheit bedroht und verlangte - vergeb­ lich - die Zurücknahme dieser Äußerun­ gen. H. war seit dem 12. 7. 1912 verheiratet mit Helene geb. Romberg (* 9. 8. 1882), der Tochter des Superintendenten Hermann R. Aus der Ehe ging eine Tochter hervor. W: Das Leiden, Sterben und Auferstehen unseres fassungswünsche der Bevölkerung vortru­ Herrn Jesu Christi. Liturgien für Passions- und Osterzeit, Gütersloh 1927; Vier Festtagsmet­ gen (10. 3. 1848), übernahm er den Betrieb ten, Gütersloh 1927; Acht Metten und Ves­ des Vaters samt Warenlager im Wert von pern, Gütersloh 1927; Zwei Andachten zum 135 000 Mark. Als er sich 1891 in das Pri­ Totensonntag, Gütersloh 1927; 15 Feiern für vatleben zurückzog und seine Söhne - aus den Weihnachtskreis, Gütersloh 1928; Kinder­ H.s Ehe mit Johanne geb. Griepenkerl, der gottesdienst und Gemeindegottesdienst, Göt­ Schwester des Malers — Christian Griepen­ tingen 1931; Zur liturgischen Not der Gegen­ kerl (1839-1916), gingen siebzehn Kinder wart und ihrer Überwindung, Göttingen 1934; hervor - mit der Leitung der Firmenzweige Das Kirchenbuch für die Gemeinde, 3 Teile, Kassel 1940. Weingroßhandel, Porzellan-/Bronzewaren- L: vertrieb betraute, belief sich sein Vermö­ Friedrich Wilhelm Bauks, Die evangelischen gen auf eine Million Goldmark. Zu diesem Pfarrer in Westfalen von der Reformationszeit imponierenden geschäftlichen Erfolg tru­ bis 1945, Bielefeld 1980; Niels Kristian Hoyer, gen beharrlicher Fleiß in Verbindung mit Über die Familie Hoyer und ihr 200jähriges einer glücklichen Hand bei dem Erwerb Wirken in Oldenburg, in: OFK, 28, 1986, von Grundstücken sowie deren gewerbli­ S. 274-300. cher Nutzung wesentlich bei. Am bekann­ Udo Schulze testen wurde in Oldenburg die 1884 eröff- nete Restauration „Hoyers Weinkeller". Daneben war H. einer der Mitbegründer der Oldenburger Versicherungsgesell­ Hoyer, Johann H einrich, Kaufmann, schaft von 1857 und gehörte auch dem * 29. 12. 1817 Oldenburg, * 14. 10. 1909 Oldenburger Stadtrat an. 1842 trat er dem Oldenburg. Literarisch-geselligen Verein bei, dem er Im Anschluß an den Gymnasialbesuch ar­ bis 1882 angehörte, und hielt hier zahlrei­ beitete H., Sohn des Kaufmanns — Jacob che Vorträge. C h ristian Hoyer (1794-1865) und dessen L: erster Ehefrau Anna geb. Mehrens, seit Otto Hoyer, Beiträge zur Geschichte der in 1831 im väterlichen Geschäft. Zwischen­ Oldenburg i. O. ansässigen Familie Hoyer aus zeitlich besuchte er eine polytechnische Hojen in Jütland, 3 Hefte, Oldenburg 1927; Hoyer 329

Niels Kristian Hoyer, Über die Familie Hoyer burg), Oldenburg 1910; Das Gastwirtsgewerbe und ihr 200jähriges Wirken in Oldenburg, in: der Stadt Oldenburg, vornehmlich in älterer OFK, 28, 1986, S. 274-300. Zeit, in: OJb, 20, 1912, S. 150-174; Das Bremer Peter Haupt Brauereigewerbe, in: Hansische Geschichts­ blätter, 1913; Das Müller- und Bäckergewerbe in Bremen, Leipzig 1915; Das Testament Fräu­ lein Marias, in: Festschrift des Oldenburgi­ Hoyer, Johann Friedrich Karl, Dr. phil., schen Staatlichen Mariengymnasiums in Je­ ver, Oldenburg 1923; Das oldenburgische Bäk- Lehrer und Historiker, * 27. 1. 1885 Olden­ kergewerbe, in: OJb, 29, 1925, S. 240-279; Die burg, i 28. 8. 1937 Delmenhorst. ältesten Rechnungsbücher der Stadt Jever. Zur Der Sohn des Kaufmanns Ferdinand Hoyer Geschichte des Jeverschen Rathauses, in: Mit­ (24. 3. 1859 - 3. 11. 1925) und dessen Ehe­ teilungen des Jeverländischen Altertums- und frau Bertha geb. Müller wuchs in Olden­ Heimatvereins, H. 2, 1925, auch Sonderdruck burg auf und besuchte hier das Gymna­ Jever 1925; Geschichte der Oldenburg-Portu­ sium. Von 1906 bis 1910 studierte er Ge­ giesischen Dampfschiffs-Reederei 1882-1932, Oldenburg 1932; Der Stadtkern von Jever, in: schichte, Germanistik und Geographie an OJb, 37, 1933, S. 36-69; Das Zunftwesen der den Universitäten Freiburg, München so­ Stadt Jever bis zum Beginn der Fremdherr­ wie Berlin und promovierte im November schaft (1806), ebd., 41, 1937, S. 39-78. 1910 in Freiburg mit einer Arbeit über das L: ländliche Gastwirtsgewerbe im Mittelalter. Hermann Lübbing, Dr. Karl Hoyer f, in: OJb, Im April 1911 legte er in Karlsruhe die 42, 1938, S. 189-191 (W); Richard Tantzen, Hei­ erste Lehramtsprüfung ab und kam nach matkundliche Arbeiten des Studienrats Dr. einem Probejahr am Freiburger Friedrichs­ Karl Hoyer, Oldenburg 1944, MS, Bibliothek der Oldenburgischen Gesellschaft für Fami­ gymnasium im Herbst 1912 an das Gymna­ lienkunde, StAO. sium in Eutin. Am 2. 10. 1914 heiratete er Hans Friedl in Oldenburg A ntonie Emilie Martha Müller (* 1. 11. 1886), die Tochter des Hamburger Lehrers Hermann Gustav M. und der Wilhelmine Maria Caroline geb. Köster. Von 1916 bis 1918 leistete H. Hoyer, Christian Niels, Obergerichtsan- Kriegsdienst und wurde danach Lehrer am walt, * 19. 3. 1820 Oldenburg, f 3. 8. 1889 Gymnasium in Jever, an das er bereits Oldenburg. Ostern 1917 während einer zeitweisen Be­ Der Sohn des Kaufmanns — Jacob Chri­ urlaubung versetzt worden war. Neben sei­ stian Hoyer (1794-1865) und dessen erster ner Unterrichtstätigkeit beschäftigte er Ehefrau Anne geb. Mehrens studierte von sich intensiv mit der Erforschung der re­ 1839 bis 1842 Rechtswissenschaften in gionalen Wirtschaftsgeschichte. Im Som­ Jena und Heidelberg, wo er 1842 promo­ mer 1926 wurde er nach Oldenburg ver­ vierte. Nach einem längeren Aufenthalt in setzt und übernahm 1931 nebenamtlich Oldenburg schloß er sein Studium 1844 in die Leitung des Stadtarchivs. Nach der na­ Berlin ab. Er lebte danach zunächst in tionalsozialistischen Machtübernahme Oldenburg und wurde 1845 Mitglied des mußte er dieses Nebenamt niederlegen Literarisch-geselligen Vereins. 1847 ließ er und wurde 1936 an die Oberrealschule in sich als Anwalt in Jever nieder und arbei­ Delmenhorst versetzt, wo er kurze Zeit tete nebenher als Redakteur der „Olden­ später starb. H. war Mitglied der Histori­ burger Zeitung" und des „Volksboten". Zu schen Kommission für Niedersachsen und Beginn der Revolution von 1848 gehörte er Bremen und Vorstandsmitglied des Olden­ in Jever zu der kleinen Führungsgruppe, burger Landesvereins für Altertumskunde die sich am 7. März an die Spitze der und Landesgeschichte; er veröffentlichte Volksbewegung setzte und drei Tage spä­ zahlreiche Aufsätze zur regionalen Gewer­ ter im Verein mit den stadtoldenburgi- begeschichte und plante die Herausgabe schen Vertretern ihre Verfassungswünsche einer oldenburgischen Wirtschaftsge­ dem Großherzog überreichte und den an­ schichte, die er nicht mehr in Angriff neh­ fangs zögernden — Paul Friedrich August men konnte. (1783-1853) zum Einlenken veranlaßte. W: 1858 übersiedelte H. nach Oldenburg und Das ländliche Gastwirtsgewerbe im deutschen spielte hier eine gewichtige Rolle im Mittelalter nach den Weistümern (Diss. Frei­ öffentlichen Leben der Stadt und des Lan- 330 Hoyer des. In politischer Hinsicht liberal, unter­ W: stützte er als Vereinsagent die Arbeit des Bericht über die Tätigkeit des Oldenburger regionalen Nationalvereins, der Vorläufer­ Vereins für verwundete Krieger, Oldenburg organisation der nationalliberalen Partei. 1867; 2. Bericht über die Tätigkeit des Olden­ burger Vereins für verwundete Krieger, Olden­ Dazu gehörte auch, daß er sich 1860 für burg 1872; Die Grabstätten der Bayrischen die organisatorische Zusammenfassung Kämpfer aus den Jahren 1870 und 1871, wel­ der gespaltenen Oldenburger Turnerschaft che sich in Norddeutschland befinden, Hanno­ in einem einzigen Verein einsetzte. 1864 ver 1876; Die Grabstätten der Kämpfer des zählte er zu den Gründungsmitgliedern Oldenburgischen Infanterie-Regiments Nr. 91 des Vereins für verwundete Krieger (des . . . aus den Jahren 1870 und 1871, Oldenburg späteren Roten Kreuzes) in Oldenburg, der 1876; Die Grabstätten der Deutschen Kämpfer während der sog. Einigungskriege er­ aus den Jahren 1870/71 in Belgien, Oldenburg 1882. krankte oder kriegsverletzte Oldenburger L: Soldaten versorgte und unterstützte. An­ Otto Hoyer, Die Familie Hoyer in Oldenburg, fang 1868 schloß sich der Verein unter H.s in: OJb, 26, 1919/20, S. 350-360; Beiträge zur Vorsitz (1864-1888) dem Preußischen Cen- Geschichte der in Oldenburg i. O. ansässigen Familie Hoyer aus Hojen in Jütland, 3 Hefte, Oldenburg 1927; Monika Wegmann-Fetsch, Die Revolution von 1848 im Großherzogtum Oldenburg, Oldenburg 1974; Hermann Lüb- bing, Kurze Geschichte des Oldenburger Lan­ desvereins für Geschichte, Natur- und Heimat­ kunde, in: OJb, 71, 1974, S. 5-36; Peter Klaus Schwarz, Nationale und soziale Bewegung in Oldenburg im Jahrzehnt vor der Reichsgrün­ dung, Oldenburg 1979; Niels Kristian Hoyer, Über die Familie Hoyer und ihr 200jähriges Wirken in Oldenburg, in: OFK, 28, 1986, S. 274-300; Wolfgang Büsing, Drei Oldenbur­ ger Studentenstammbücher aus dem Bieder­ meier (Trentepohl, Harbers, Hoyer), in: OFK, 33, 1991, S. 435-472. Peter Haupt

Hoyer, Otto Heinrich, Kaufmann, * 10. 10. tral-Comitee zur Pflege im Felde verwun­ 1883 Oldenburg, f 23. 8. 1949 Oldenburg. deter und erkrankter Krieger an und küm­ H., Sohn des Kaufmanns Ernst Hoyer merte sich in den folgenden Jahren um die (1856-1917) und dessen Frau Johanna geb. Betreuung der Gräber gefallener Soldaten. Sjöström, hatte eine normale Berufslauf­ Gemeinsam mit dem Kammerherrn — von bahn, die ihn Mitte des Jahres 1907 als Ge­ Alten (1822-1894) konnte H. 1875 die Wie­ sellschafter in die Wein- und Spirituosen­ dergründung des Landesvereins für Alter­ firma seines Vaters führte. Davor lagen - tumskunde durchsetzen, der jetzt infolge nach der Oberrealchule - die kaufmänni­ der durch die Reichsgründung ausgelösten sche Ausbildung im väterlichen Betrieb nationalen Hochstimmung des Bürgertums und, im Anschluß an ein volkswirtschaftli­ einen raschen Aufschwung nahm. H., des­ ches Studium in Marburg, eine Weinküfer­ sen besondere Liebe der deutschen Spra­ lehre, abgerundet durch einen Aufenthalt che und Literatur galt, war von 1845 bis auf verschiedenen Weingütern des In- und 1878 auch Mitglied des Literarisch-geselli- Auslandes. 1911 heiratete H. Margarethe gen Vereins. Denstorff, mit der er drei Kinder hatte. Er war verheiratet mit Maria geb. Ochs Den einschneidenden geschäftlichen (1832-1904), der Tochter eines Fürther Tex­ Rückschlag im Ersten Weltkrieg, den die tilfabrikanten; der Ehe entstammten fünf Weingroßhandlung, wie zahlreiche andere Kinder, von denen Richard (1853-1923) Betriebe auch, durch ihre zwangsweise Kirchenrat und Albrecht (1867-1958) Ober- Stillegung aufgrund der Einberufung na­ landesgerichtsrat wurden. hezu aller Mitarbeiter erlitt (1917), - H. Hoyer 331

selbst stand als Hauptmann d. R. von der mit führenden Nationalsozialisten der Re­ Mobilmachung bis zum Waffenstillstand gion statt; 1933 trat er der NSDAP bei. an der Front konnte er nach seiner Rück­ Noch im selben Jahr ernannte ihn der kehr allmählich wieder ausgleichen. 1926 Reichswirtschaftsminister zum Vorsitzen­ übernahm er auch die Porzellan- und Glas- den des Vorstandes der Außenhandels­ warenhandlung seines Onkels Ferdinand stelle Bremen für das Gebiet Weser-Ems. H. (1859-1925). Zu H.s weiterem Profil, W: wirtschaftlich und politisch, gehören seine Die Familie Hoyer in Oldenburg, in: OJb, 26, Tätigkeit als Aufsichtsratsvorsitzender 1919/20, S. 358-360; Beiträge zur Geschichte mehrerer Firmen sowie als Leiter des Ge­ der in Oldenburg i. O. ansässigen Familie werbe- und Handelsvereins, den er 1945 Hoyer aus Hojen in Jütland, 3 Hefte, Olden­ erneut begründete, sein Eintreten für die burg 1927. Deutsche Volkspartei im Oldenburger L: Stadtrat von 1922 bis 1927 und schließlich OHK, 1951, S. 41; 125 Jahre Gewerbe- und seine Verbandsarbeit im Vorstand des in Handelsverein von 1840 e.V. Oldenburg, Oldenburg 1965; Klaus Schaap, Die Endphase München gegründeten Arbeitsausschus­ der Weimarer Republik im Freistaat Olden­ burg 1928-1933, Düsseldorf 1978; Niels Kri- stian Hoyer, Über die Familie Hoyer und ihr 200jähriges Wirken in Oldenburg, in: OFK, 28, 1986, S. 274-300. Peter Haupt

Hoyer, W ilhelm Christoph, Fabrikant und Politiker, * 16. 7. 1826 Oldenburg, T 2. 2. 1897 Oldenburg. Der Sohn des Kaufmanns — Jakob C h ri­ stian Hoyer (1794-1865) und dessen erster Ehefrau Anna geb. Mehrens (1794- 1830) trat nach einem zweijährigen Stu­ dium der Chemie in Göttingen und Paris 1848 in die Donnerschweer Fabriken (Es­ sig, Schokolade, Stearinkerzen, Bierbraue­ rei) seines Vaters ein. Wenn H. wegen „sei­ nes Charakters, seines leutseligen Wesens (und) seiner außerordentlichen Pflicht­ treue" sich zeit seines Lebens großen An­ ses zur Wahrung der föderalistischen Glie­ sehens erfreute, so erwuchs diese Wert­ derung Deutschlands „Für Reich und Hei­ schätzung nicht nur aus seiner Freude an mat" ab Mai 1930. Vor allem aber: In einer der Geselligkeit, aus seinem ausgeprägten Zeit, in der der Oldenburger Parlamenta­ „Sinn für gemeinnützige Tätigkeit" oder rismus in der Belastungsprobe der frühen aus seinen politischen Aktivitäten inner­ dreißiger Jahre zu versagen schien, und H. halb der Nationalliberalen Partei, für die sich damit in seiner schon lange gehegten H. von 1869 bis 1884 dem oldenburgischen Abneigung gegen die Parteipolitik der Landtag angehörte (hingegen scheiterte er Weimarer Republik bestätigt sah, die bei den Reichstagswahlen 1881 knapp in „durch Ueberspannung der Steuer­ der Stichwahl). Denn neben Gescheitheit - schraube . . . unendlich viele Betriebe zur in manchen Zweigen der Mineralogie galt Strecke brachte", führte er die Industrie- H. als Autorität, seine Mineraliensamm­ und Handelskammer während seiner Prä­ lung wurde von Kennern hoch geschätzt - sidentenschaft (1925-1934, 1935-1942) in zeichnete er sich vor allem durch kaufmän­ einen stetigen Kampf gegen „den Partei­ nisches Geschick und Weitsicht aus. Dank enstaat" bei gleichzeitiger Annäherung an seiner Initiative und Tatkraft erhielt der die Oldenburger NSDAP. Bereits im März Gewerbe- und Handelsverein unter sei­ 1932 fand eine erste Kontaktaufnahme H.s nem Vorsitz (1871-1894) binnen kurzem 332 Huchting einen guten Teil seiner alten Bedeutung L: wieder, indem H. ihn reorganisierte und in 125 Jahre Gewerbe- und Handelsverein von langwieriger Arbeit auch ein nach außen 1840 e.V. Oldenburg, Oldenburg 1965; Peter hin stimmiges Erscheinungsbild der hei­ Klaus Schwarz, Nationale und soziale Bewe­ gung in Oldenburg im Jahrzehnt vor der matlichen Wirtschaft zu vermitteln wußte, Reichsgründung, Oldenburg 1979; Niels Kri- wie die in seiner Verantwortung ausgerich­ stian Hoyer, Über die Familie Hoyer und ihr teten, in der Öffentlichkeit stark beachte­ 200jähriges Wirken in Oldenburg, in: OFK, 28, 1986, S. 274-300. Peter Haupt

Huchting, Arnold Diedrich, Gemeindevor­ steher und Politiker, * 22. 8. 1824 Bock­ horn, f 10. 12. 1900 Bockhorn. Der Sohn des Hausmanns und Ziegeleibe­ sitzers August Heinrich Huchting (24. 4. 1787 - 24. 8. 1854) und dessen Ehefrau Margareta Elisabeth geb. Meinahlers (11. 1. 1789 - 7. 5. 1848) absolvierte eine landwirtschaftliche Lehre und bewirtschaf­ tete danach einen Hof in Bockhorn. 1856 wurde er Gemeindevorsteher seines Ge­ burtsortes und behielt dieses Amt bis zu seinem Tode. Er betätigte sich als Anhän­ ger der Deutsch-Freisinnigen Partei bzw. der Deutschen Fortschrittspartei schon bald in der Landespolitik. Von 1863 bis 1890 und von 1893 bis 1900 gehörte er dem oldenburgischen Landtag an. 1887 wurde er Vorsitzender des Centralaus­ schusses der Fortschrittspartei im 2. olden­ ten Gewerbeausstellungen von 1876 und burgischen Wahlkreis und wurde 1899 zu 1885 bewiesen. Durch den Erfolg beflügelt dessen Ehrenpräsidenten gewählt. 1881 und einem immer häufiger geäußerten konnte er diesen Wahlkreis wieder für die Wunsch nachkommend, rief H. 1887 in Zu­ Linksliberalen gewinnen und vertrat ihn sammenarbeit mit dem Handwerkerverein von Oktober 1881 bis zum Februar 1887 im den Oldenburger Kunstgewerbeverein ins deutschen Reichstag, wo er sich der Frak­ Leben, der unter seinem Vorsitz rasch auf­ tion der Fortschrittspartei anschloß. blühte und 1891 die Einweihung des Lan- H. war seit dem 3. 3. 1874 verheiratet mit desgewerbemuseums feiern konnte. Im der aus Osternburg stammenden Johanne April desselben Jahres ehrten der Kunst­ Friederike geb. Blumenhorst (18. 8. 1847 - gewerbeverein sowie die wirtschaftlichen 20. 1. 1920), der Tochter des Johann Hin- Verbände Oldenburgs H. mit einem Fak- rich B. und der Anna Katharina Gerhar­ kelzug. Sein plötzlicher Tod erschütterte dine geb. Wübbenhorst; die Ehe blieb kin­ damals nicht allein die zahlreichen persön­ derlos. lichen Freunde im Naturwissenschaftli­ Hans Friedl chen und Literarisch-geselligen Verein, denen er lange angehört hatte. Bei einer Revision der Fabrikräume fiel H. unglück­ lich in einen Ölbottich und ertrank. Hug, Paul, Druckereibesitzer, Landtagsab­ H. war verheiratet mit Mathilde geb. Grie- geordneter, * 24. 6. 1857 Heilbronn, penkerl; von seinen sieben Kindern wurde f 10. 2. 1934 München. Hans H. (1856-1913) Fabrikant. Seine En­ H., der Sohn des Gefängnisbeamten David kelin — Margarethe Gramberg (1895-1968) Hug, besuchte von 1864 bis 1867 die Volks­ spielte als Kommunalpolitikerin eine wich­ schulen in Steinbach, Schwäbisch Hall tige Rolle in Oldenburg. und Markgröningen bei Ludwigsburg, an- Hug 333 schließend vier Jahre die Lateinschule in des Sozialistengesetzes geworden waren, Ludwigsburg. Die ursprüngliche Absicht - zur Anpassung an die Verhältnisse. Die in unbemittelten katholischen Familien Verfolgten und Ausgewiesenen mußten nicht selten Geistlicher zu werden, gab unterstützt werden, die Verbindung zur H. auf, um in Heilbronn eine Schlosser­ Parteizentrale und zu den größeren Stütz­ lehre zu beginnen. Als Geselle begab er punkten in Bremen und Hannover galt es sich am 1. 5. 1876 auf Wanderschaft, die aufrechtzuerhalten, der in Zürich erschei­ ihn über Nürnberg, Chemnitz, Leipzig und nende „Sozialdemokrat" wollte an den Halle nach Hannover führte, wo er in den Mann gebracht werden, die Reichstags­ Gieß- und Walzwerken (vormals Bernstorff wahlkämpfe in den 1880er Jahren mußten & Eichwede) kurze Zeit Arbeit fand. Durch organisiert werden. Auch der Zusammen­ ein Wahlflugblatt im Januar 1877 auf die halt der SPD in den Jadegemeinden durfte Sozialdemokratische Partei aufmerksam nicht leiden. So wurde H. 1882 Leiter des geworden, begann er, sich mit ihrem Pro­ Gesangvereins „Frohsinn", gegründet gramm zu beschäftigen und wurde so in 1879, der eine Tarnorganisation der Partei Auseinandersetzung mit seinen bisherigen während der Verbotszeit war. Das alles Auffassungen und durch Beobachtung der konnte aber auf Dauer nicht verborgen politischen und sozialen Wirklichkeit zum bleiben, und so wurde H. 1887 wegen „so­ Sozialisten. Am 28. 10. 1878, wenige Tage zialistischer Umtriebe" von der Werft ent­ nachdem das sog. Sozialistengesetz vom lassen. Reichstag beschlossen worden war, trat er Inzwischen war er mit Dorothea geb. Ohse in die SPD ein. verheiratet und hatte zwei Töchter, Wilhel­ Auf seiner weiteren Wanderschaft kam er mine und Paula. Er beantragte und erhielt nach Rüstringen und fand in der damali­ - wenn auch gegen preußischen Wider­ gen oldenburgischen Gemeinde Bant stand - eine Konzession für die Gastwirt­ Unterkunft. Am 10. 10. 1880 begann er schaft „Die Arche" (später „Odeon") in seine Arbeit als Maschinenschlosser auf Bant, da zureichende Gründe für eine Ab­ der Kaiserlichen Werft im preußischen Wil­ lehnung nicht vorlägen, wie der oldenbur- helmshaven. Die Werftverwaltung ver­ gische Minister — Günther Jansen (1831- 1914) geltend machte. Freilich war und blieb „Die Arche" ein Treffpunkt der So­ zialdemokraten und ein Zentrum der SPD- Agitation, für die H. nun mehr Zeit hatte als vorher. Im Januar 1888 bot sich H. und Franz Kühn, Parteigenosse und Verleger des „Norddeutschen Volksblatts", die Ge­ legenheit, eine Druckereieinrichtung mit Druckerpresse für 1800 Mark zu erwer­ ben. Die Druckerei stellte ab 1. 3. 1888 das „Norddeutsche Volksblatt", das bisher in Braunschweig gedruckt worden war, in Rüstringen auf einer inzwischen zusätzlich angeschafften modernen Schnellpresse her und bald auch ein Wochenblatt für Nordwestdeutschland, das unter dem Na­ men „Nordwacht" mit 22 000 Abonnenten große Verbreitung fand. Ende 1889 gab H. die Gastwirtschaft, an der sein Herz ohne­ hin nicht hing, auf, um sich ganz der Pres­ searbeit zu widmen. Für den gerade inhaf­ tierten Franz Kühn übernahm er am 1. 1. langte zu dieser Zeit von den rund 6000 1890 die Geschäftsführung der Druckerei Arbeitern die bestimmte Erklärung, daß und auch die Redaktion der Zeitung, sie keine Sozialdemokraten seien. Das erstere behielt er bis 1926, letztere bis zwang die wenigen aktiven Sozialisten, 1910. Die Auflage des „Norddeutschen die übrig blieben, nachdem die Partei, ihre Volksblatts", seit November 1918 „Repu­ Zeitungen und die Gewerkschaften Opfer blik", betrug mit den zugehörigen Kopf- 334 Hug blättern 1913 9000 und 1928 13000 Exem­ dem Lande, für die H. unermüdlich arbei­ plare. tete, zeigt sich daran, daß der Anteil der Für die SPD war H. auch in der Kommunal­ Wilhelmshavener Stimmen am Gesamter­ politik tätig: seit 1885 als Gemeinderats- gebnis nur noch 44 % betrug. Mehr als die mitglied, ein Jahr später als Beigeordneter Hälfte aller SPD-Stimmen kamen nun aus der Gemeinde Bant. Kommunalpolitiker dem ländlichen Teil des Wahlkreises. So sollte H. bis 1929, insgesamt also fast 45 aussichtsreich die Ergebnisse für H. im 2. Jahre bleiben. Anfangs ging das nicht oldenburgischen Wahlkreis auch waren, ohne Schwierigkeiten ab. Zwar bedurfte seit 1893 gelangte er immer in die Stich­ H. bis 1894 in seinem Amt als Beigeordne­ wahl, die Hauptwahl vermochte er nicht ter keiner Bestätigung durch das oldenbur- zu gewinnen. Der sog. oldenburgische gische Ministerium, und noch 1894 hatte „Stichwahlliberalismus", der erst in der der zuständige Amtshauptmann in Jever Stichwahl alle liberalen Stimmen auf den gegen ihn keine Bedenken, aber 1898 linksliberalen Kandidaten, bis 1912 immer machte das Amt dann doch Einwendun­ auf — Albert Traeger (1830-1912), gegen H. gen. Die Dienstführung H.s gab zu keiner vereinte, vereitelte dies, so daß er vor 1914 Beanstandung Anlaß, auch seine kommu­ nicht Abgeordneter des deutschen Reichs­ nalpolitische Kompetenz war unbestritten, tages wurde. Abgeordneter im oldenburgi­ die sozialdemokratische Betätigung war schen Landtag zu werden, gelang ihm da­ der Hinderungsgrund. Genau besehen gegen schon 1899, als er der erste SPD- war es die Befürchtung, H. könnte in dem Vertreter wurde. Dem Landtag hat er ohne in Aussicht genommenen Amtsverband Unterbrechung bis 1931 angehört. Rüstringen der Vorsitz im Amtsrat zufallen. Was die Parteiarbeit im engsten Sinne an­ Tatsächlich wurde er am 12. 1. 1902 ge­ geht, so vertrat H. seine Genossen aus den wählt, ohne allerdings das Amt antreten oldenburgischen und, am Anfang, den zu können, da der Amtshauptmann „aus hannoverschen Wahlkreisen Ostfrieslands praktischen Gründen" selbst den Vorsitz seit 1890 als Delegierter auf allen Parteita­ ausübte. Als Bant und die beiden Jadege­ gen (außer 1907) bis 1917. Am 30. 6. 1907 meinden Heppens und Neuende am 1. 5. wurde er zum Vorsitzenden des SPD-Be- 1911 die Stadt Rüstringen bildeten, wurde zirks Oldenburg-Ostfriesland gewählt, ein H. Mitglied des Stadtmagistrats, dem er Amt, das er bis 1933 innehatte. In der SPD bis 1926 angehörte. gehörte H. dem gemäßigten Flügel an, Seiner Partei diente H. außer als Redak­ war „Revisionist", mit Georg von Vollmar, teur des Parteiblattes und Kommunalpoliti­ Ignaz Auer und Wilhelm Keil befreundet. ker als Kandidat und Abgeordneter. Schon August Bebel soll ihn seinen „Benjamin" 1890 kandidierte er in allen drei oldenbur- genannt haben. Eine enge Freundschaft gischen und den beiden ostfriesischen verband ihn mit , dem Wahlkreisen (Hannover 1 und 2) für den ersten Reichspräsidenten, der bis Ende Reichstag. Dabei erzielte er im 2. olden- 1905 in Bremen für die SPD arbeitete und burgischen Wahlkreis (Jever, Westerstede, oft in Rüstringen zu Besuch weilte, ehe er Butjadingen) 14,1 % der abgegebenen als Sekretär des Parteivorstandes nach gültigen Stimmen, im 1. hannoverschen Berlin ging. Als Ebert nach Ausbruch der Wahlkreis (Emden, Norden, Leer) 9,2 % Revolution eine vorläufige Regierung bil­ und im 2. hannoverschen Wahlkreis (Au- dete, soll H. als Mitglied vorgesehen ge­ rich, Wittmund, Wilhelmshaven) 3,9 %; be­ wesen sein, der jedoch in Oldenburg blei­ merkenswert ist, daß von allen für H. ab­ ben wollte. gegebenen Stimmen im Wahlkreis fast Seine innerparteiliche Stellung wird in H.s 96 % auf Wilhelmshaven entfielen. Den Debattenbeitrag auf dem Würzburger Par­ Anteil der SPD-Stimmen konnte H. bis teitag 1917 deutlich, in dem er seine Auf­ 1912, der letzten Reichstagswahl vor dem fassung zur Abspaltung der USPD dar­ Ersten Weltkrieg, erheblich steigern: im 2. legte. Er billigte die Haltung des Parteivor­ oldenburgischen Wahlkreis errang er 44 % standes und des Vorsitzenden Friedrich und damit die relative Mehrheit, im 2. han­ Ebert zum Krieg und zum Konflikt mit der noverschen Wahlkreis kam er auf 12,2 %, USPD, er teilte das Lasallesche Staatsver­ im 1. hannoverschen kandidierte er 1903 ständnis, lehnte jeden „verstiegenen Mar­ zum letzten Mal und brachte es auf xismus" ab, sah im Zusammenstehen von 15,5 %. Die Breitenwirkung der SPD auf Partei und Gewerkschaften die Stärke der Hug 335

Arbeiterbewegung, wandte sich gegen und aus dem Landtag bewährte Zusam­ eine Politik, die aus einer Stimmung her­ menarbeit mit Theodor Tantzen, mit dem aus betrieben wurde, auch wenn sie vor­ er eine feste Koalition bildete, die auch die übergehend große Zustimmung fände, beiden Kabinette Tantzens (1919-1923) hielt die USPD-Politik für „Blanquismus", trug. Durch die Wahl als Abgeordneter der sprach sich für die Zusammenarbeit mit Nationalversammlung gelangte H. nach bürgerlichen Parteien im Reichstag aus, Weimar, wo er bis zum 22. 6. 1919 an den um das Deutsche Reich zu demokratisie­ Verhandlungen teilnahm. Nach seiner Be­ ren und riet schließlich der Partei, sich an rufung zum besoldeten Stadtrat in Rüstrin­ den skandinavischen sozialdemokrati­ gen legte er sein Mandat nieder. schen Parteien ein Vorbild zu nehmen, die Die Spaltung der SPD in den Jadestädten nicht nur negierten, sondern praktische im Januar 1919 konnte er nicht verhin­ Politik betrieben und damit den Arbeitern dern, er hielt sie wohl auch für unvermeid­ politische Freiheit und soziale Vorteile bar und hat seinerseits, als er die bedrohli­ brächten. Das war sein politisches Credo, che Politik des 21er Rats und Kuhnts er­ dem er immer gefolgt ist: praktische Re­ kannte, auf klarer Trennung bestanden. formpolitik im Bunde mit allen, auch bür­ Das hat seine Stellung in der SPD der Ja ­ gerlichen Politikern, die Ähnliches an­ destädte vorübergehend geschwächt, auch strebten statt theoretischer Erörterungen seine Funktion als Zivil- und Reichskom­ und Zukunftsentwürfen von hoher Ab­ missar seit Mitte Februar 1919 trug in ein­ straktheit. schlägigen Kreisen nicht zu seiner Beliebt­ So war es nur konsequent, daß H. sein heit bei. An seiner starken und unange­ Hauptarbeitsgebiet in der Sozialpolitik ge­ fochtenen Position als Bezirksvorsitzender funden hatte, in der er zum unbestrittenen haben die Verwerfungen nichts zu ändern Fachmann wurde: im oldenburgischen vermocht. Nach der Wiedervereinigung Landtag, in Rüstringen, wo er seit 1911 das der beiden Parteien im Herbst 1922 auf Wohlfahrtswesen leitete, im Hilfsverein dem Parteitag in Nürnberg, an dem er wie von 1914, in dem er maßgeblich wirkte, an den anderen bis 1927 teilnahm, bot er und als Sozialdezernent der Stadt Rüstrin­ seine Hand zur Zusammenarbeit ohne Zö­ gen von 1919 bis 1926. gern. Eine herausragende Rolle spielte H. in der In der oldenburgischen Landespolitik galt Revolution von 1918/19. Er war es, der am sein Bemühen besonders der Erhaltung 6. 11. 1918 zusammen mit — Theodor Tant- des parlamentarischen Systems und - als zen (1877-1947) die Parlamentarisierung dessen Ausdruck - des politischen Ministe­ Oldenburgs forderte, er bereitete am 7. 11. riums. Nach der Demission Tantzens 1923 1918 die Soldatenversammlung in Olden­ wurde als Übergangslösung ein Beam­ burg vor, er machte dem Minister — Scheer tenkabinett gebildet, das H. möglichst (1855-1928) am 11. 11. 1918 klar, daß nach schnell wieder durch ein politisches Mini­ Ausbruch der Revolution in Wilhelmsha­ sterium ersetzen wollte. Trotz jahrelanger ven und Oldenburg der Großherzog ab­ Verhandlungen gelang es ihm und ande­ danken müsse, er bildete am Nachmittag ren aber nicht, teils weil die DVP die Zu­ desselben Tage in Verhandlungen mit füh­ sammenarbeit mit der SPD ablehnte, teils renden Politikern des Landtages das weil das Zentrum sich nicht klar genug zur Direktorium des Freistaates, er akzeptierte Weimarer Koalition bekannte und zwi­ aber auch, angesicht der bewaffneten schen parteipolitischer Taktik und Prinzi­ Macht in Wilhelmshaven, die Kooptation pientreue schwankte. des Vorsitzenden des 21er Rats, — Bern­ Im Frühjahr 1925 amtierte H. wenige Wo­ hard Kuhnt (1876-1946), zum Präsidenten. chen als Präsident des oldenburgischen Er entwarf die „Richtlinien" der Politik, Landtages. Am 18. 3. 1926 wurde er zum nach denen das Direktorium bis zum Juni Oberbürgermeister der Stadt Rüstringen 1919 arbeitete, er leitete dessen Sitzungen gewählt. In seine Amtszeit fiel u. a. der und war „inoffizieller" Ministerpräsident. Bau des von Fritz Höger entworfenen Rat­ Seine Politik hat den Verlauf der Revolu­ hauses, ein Wahrzeichen der Stadt, das tion wesentlich bestimmt und den alles in den Zweiten Weltkrieg leidlich überstand. allem gelungenen Übergang in die parla­ Nach der Machtergreifung der Nationalso­ mentarische Republik garantiert. Dabei zialisten wurde H. gezwungen, den SPD- half ihm seine langjährige Bekanntschaft Parteibezirk Oldenburg-Ostfriesland auf- 336 Hullmann zulösen, ein bitterer Tag für ihn nach 55 des Landes Oldenburg. Ein Handbuch, Olden­ Jahren treuer Parteiarbeit. Auch persön­ burg 19883, S. 403-489; Ellen Mosebach-Tegt- lich hatte er zu leiden. Die NS-Regierung meier, Der andere Weg. Die Arbeiterwohlfahrt strich ihm unter Verweis auf das „Gesetz in Rüstringen/Wilhelmshaven vor 1933 und nach 1945, Oldenburg 1988. zur Wiederherstellung des Berufsbeamten­ Wolfgang Günther tums", durch das sie ihn zum Parteibuch­ beamten ohne ausreichende Qualifikation stempelte, seine Pension als Oberbürger­ meister, so daß er auf die Hilfe seiner Toch­ ter in München und Unterstützung seiner Hullmann, Gustav Johann, Brennereibesit­ Parteifreunde angewiesen war. Nach weni­ zer, * 5. 6. 1870 Etzhorn, ¥ 4. 7. 1944 Etz­ gen Monaten, am 10. 2. 1934, starb er in horn. München. Er wurde in Wilhelmshaven bei­ H., der aus einer bereits im 15. Jahrhun­ gesetzt, was seinen Freunden Gelegenheit dert in Etzhorn ansässigen Familie gab, ihre Abneigung gegen das NS-Re- stammte, war der Sohn des Hausmanns Jo ­ gime zu bekunden. hann Gerhard Hullmann (1841-1895) und Im November 1946 hielt Ministerpräsident dessen Frau Catharine geb. Hanken Theodor Tantzen seine Abschiedsrede auf (1843-1926). Er machte eine landwirt­ das selbständige Land Oldenburg und ver­ schaftliche Lehre und übernahm 1895 den band sie mit einem Rückblick auf die Ge­ Hof seiner Eltern samt der 1807 gegründe­ schichte. Als er auf die Zeit um 1900 zu ten „Hullmannschen Kornbrennerei", die sprechen kam, als die Sozialdemokraten von der Jahrhundertwende bis 1914 eine um ihre Anerkennung als gleichberech­ ausgesprochene Blütezeit erlebte. Nach tigte Staatsbürger kämpften, erwähnte er Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde Paul H., „weil ich ihn kenne und weil Sie der Reserveoffizier einberufen und war zu­ alle ihn schätzen werden", als den, mit dem er Schulter an Schulter gestanden habe und für eine gute politische Kultur eingetreten sei. Die Erinnerung an Paul H., den man den „August Bebel des Nordens" nannte, hal­ ten heute das Kinderheim, das seinen Na­ men trägt, und ein Straßenname in Wil­ helmshaven wach.

W: Aus vergangenen Tagen, in: Beilage zur „Re­ publik" (Januar-Juni), Rüstringen 1927 (unter dem Pseudonym Peter Hugo); 40 Jahre Paul Hug & Co. Rüstringen 1888-1928, Rüstringen 1928; Die Oldenburger Sozialdemokratie unter dem Sozialistengesetz, hg. von der Staatsbürgerlichen Bildungsgemeinschaft Weser-Ems e.V., Oldenburg 1980. L: Emil Kraft, Achtzig Jahre Arbeiterbewegung zwischen Meer und Moor. Ein Beitrag zur Ge­ nächst als Pferdeaushebungskommissar tä­ schichte der politischen Bewegungen in Weser-Ems, Wilhelmshaven 1952; Ingrid Dün­ tig, bis er 1916 das Kommando einer Feld­ ger, Wilhelmshaven 1870-1914, Wilhelmshaven artillerieabteilung an der Ostfront über­ 1962; Klaus Schaap, Die Endphase der Weima­ nahm. Nach dem Ende des Krieges be­ rer Republik im Freistaat Oldenburg 1928- mühte er sich um den Wiederaufbau der 1933, Düsseldorf 1978; ders., Oldenburgs Weg Brennerei, die nach dem kriegsbedingten ins „Dritte Reich", Oldenburg 1983; Wolfgang Brennverbot für Getreide von 1916 bis Günther, Die Revolution von 1918/19 in Olden­ 1924 nur schwer wieder Tritt fassen burg, Oldenburg 1979; ders., Parlament und Regierung im Freistaat Oldenburg 1920-1933, konnte. 1928 gab H. die Bewirtschaftung in: OJb, 85, 1985, S. 187-207; ders., Freistaat seines Hofes auf und widmete sich in den und Land Oldenburg 1918-1946, in: Albrecht folgenden Jahren verstärkt der ehrenamtli­ Eckhardt/Heinrich Schmidt (Hg.), Geschichte chen Verbandstätigkeit. Als leidenschaftli- Hünlich 337 eher Jäger und Reiter setzte er sich beson­ assessor am Landgericht in Oldenburg er­ ders für den Ausbau des oldenburgischen nannt und 1858 an das Obergericht in Reitervereinswesens ein und gehörte dem Varel versetzt. 1861 kam er als Hilfsrichter Vorstand des Oldenburger Landesrennver- an das Appellationsgericht in Oldenburg eins an, den er als stellvertretender Vorsit­ und wurde 1862 dem Obergericht der Resi­ zender (1906-1921) und als Vorsitzender denzstadt zugeteilt; drei Jahre später (ab 1921) führte. 1923 gründete er den Ver­ folgte die Ernennung zum Obergerichts- band ländlicher Renn- und Reitvereine im rat. 1868 wurde H. dem Oberappellations- Freistaat Oldenburg und richtete gemein­ gericht zugeteilt und 1873 zum Oberappel- sam mit seinem Onkel August Hanken den lationsgerichtsrat ernannt. Am 11. 12. 1877 Ohmsteder Rennplatz ein. Daneben war er wurde er als erster Oldenburger an das Präsident des Verbandes der Züchter des seit 1870 bestehende Reichsoberhandels­ Oldenburger Pferdes (1932) und Vor­ gericht berufen, an dessen Stelle am 1. 10. standsmitglied des Vereins der Brennerei­ 1879 das Reichsgericht als höchstes Ge­ besitzer und der Preßhefefabrikanten richt des Deutschen Reiches mit Sitz in Deutschlands e. V., in dem er sich 1930 für Leipzig trat, an dem H. bis zu seinem Tode die Schaffung einer Deutschen Korn- als Reichsgerichtsrat wirkte. branntwein-Verwertungsstelle einsetzte, H. betätigte sich schon früh in der Landes­ um den Branntweinmarkt zu stabilisieren. politik und gehörte von 1857 bis 1860 so­ Nach Kriegsausbruch 1939 wurde er er­ wie von 1863 bis 1872 dem oldenburgi­ neut als Pferdeaushebungskommissar ein­ schen Landtag an, der ihn in der Session gesetzt, bis er an den Folgen einer Opera­ 1869-1872 zu seinem Präsidenten wählte. tion starb. Nach einer vergeblichen Kandidatur 1867 H. war seit 1896 verheiratet mit Anna geb. für den Reichstag des Norddeutschen Bun­ Bertram (1873-1942), der Tochter eines des wurde er im Januar 1874 im 1. olden­ Zwischenahner Ziegelbesitzers; aus der burgischen Wahlkreis als Vertreter der Na­ Ehe gingen drei Töchter hervor. tionalliberalen in den Reichstag gewählt, dem er bis zum Januar 1877 angehörte. Im L: Parlament war er neben dem ebenfalls aus Heinrich Munderloh, Die Bauerschaft Etzhorn, Hannover 1955, erweiterte Neuauflage Olden­ Oldenburg stammenden — Hermann Hein­ burg 1990. rich Becker (1816-1898) an der Ausarbei­ Peter Haupt tung der Justizgesetze von 1877 beteiligt und verfaßte den ersten Kommentar zur neuen Konkursordnung. H. war verheiratet mit Auguste Ernestine Hullmann, Heinrich Gerhard August, geb. Bender (23. 6. 1845 - 3. 10. 1910), der Reichsgerichtsrat und Politiker, * 18. 8. Tochter des Arztes Dr. med. Bender in 1826 Elsfleth, f-21. 11. 1887 Leipzig. Weinheim an der Bergstraße. Der Sohn des Elsflether Deichkondukteurs W: Johann Hullmann (* 18. 2. 1792) und des­ Die Concursordnunq für das Deutsche Reich, sen Ehefrau Sophie Auguste geb. Hüpers 1879. besuchte das Gymnasium in Jever und stu­ L: dierte von 1846 bis 1849 Jura an der Uni­ Werner Hülle, Geschichte des höchsten Lan­ versität Jena. Nur unter großen Schwierig­ desgerichts von Oldenburg (1573-1935), Göt­ tingen 1974. keiten und mit Hilfe eines Stipendiums des Großherzogs konnte er sein Studium Hans Friedl abschließen, da der Vater, wegen Geistes­ krankheit auf Wartegeld gesetzt und hoch verschuldet, ihn nicht bis zum Abschluß seiner Ausbildung unterstützen konnte. Hünlich, O skar Hermann, Politiker und Nach dem üblichen Vorbereitungsdienst Journalist, * 28. 11. 1887 Neugersdorf/ trat H. 1852 in den oldenburgischen Sachsen, i 2. 2. 1963 Wilhelmshaven. Staatsdienst und war zunächst als Amtsau­ H. war der Sohn eines Eisendrehers und ditor in Tossens und als Landgerichtsse­ wuchs in kümmerlichen wirtschaftlichen kretär in Neuenburg tätig. Nach der zwei­ Verhältnissen auf. Von 1894 bis 1902 be­ ten Staatsprüfung, die er im Oktober 1853 suchte er die Volksschule und absolvierte bestand, wurde er 1855 zum Landgerichts­ danach bis 1906 eine Schriftsetzerlehre. 338 Huno

Nach der Gesellenprüfung und der übli­ Nach der Besetzung der Räume der Be­ chen Wanderschaft arbeitete er zunächst zirksgeschäftsstelle, des Verlages Paul als Schriftsetzer in Darmstadt und wurde Hug und der Redaktion des Volksblattes im November 1912 als Redakteur beim flüchtete H. Anfang Mai 1933 in das „Norddeutschen Volksblatt" in Rüstringen deutschsprachige Grenzgebiet der Tsche­ angestellt. Es war besonders — Paul Hug choslowakei. Hier war er nach Rückspra­ (1857-1934), der ihn, der schon früh zur che mit dem ebenfalls emigrierten Partei­ Sozialdemokratie gestoßen war, formte vorstand in der illegalen Grenzarbeit tätig und förderte. H. war von 1914 bis 1920 Mit­ und unterhielt weiterhin Kontakte zu glied und seit 1918 auch Vorsitzender des Funktionären seines einstigen Wahlkrei­ Stadtrates von Rüstringen. Am Revolu­ ses. Nach der militärischen Besetzung des tionsgeschehen 1918/19 beteiligte er sich Sudetenlandes flüchtete er über Prag nach kaum. Am 1. 8. 1919 wurde er Sekretär Dänemark und von dort 1940 nach Schwe­ und Geschäftsführer des SPD-Bezirks den. Hier arbeitete er in seinem alten Be­ Oldenburg-Ostfriesland-Osnabrück und ruf in Norrköping und später in Stock­ als solcher Mitglied des Parteiausschusses holm. In Schweden stand er, wie auch -*• Paul Neue (1876-1969), mit dem er weiter­ hin freundschaftlich verbunden war, in fast ständiger Auseinandersetzung mit der „In­ ternationalen Gruppe demokratischer So­ zialisten", die unter maßgeblicher Mitwir­ kung von Willy Brandt alle sozialistischen Emigrationsgruppen zusammenfassen wollte, was H. strikt ablehnte. Im Oktober 1946 kehrte er nach Wilhelmshaven zu­ rück und widmete sich dem Wiederaufbau des Verlages Paul Hug & Co. Er war einer der drei Lizenzträger der in diesem Verlag ab 1947 erscheinenden „Nordwestdeut­ schen Rundschau" und bis 1954 auch de­ ren Chefredakteur. Seit 1910 war er mit Martha geb. Radelski verheiratet, die Ehe blieb kinderlos. der SPD auf Reichsebene. Als Spitzenkan­ L: didat seines Bezirks wurde er 1920 in den Emil Kraft, 80 Jahre Arbeiterbewegung zwi­ Reichstag gewählt. Schwerpunkte seiner schen Meer und Moor, Wilhelmshaven 1952; parlamentarischen Tätigkeit waren die Helmut Müssener, Exil in Schweden. Politi­ Mitarbeit im Verkehrsausschuß, in dem er sche und kulturelle Emigration nach 1933, nachhaltig für den Bau des Küstenkanals München 1974; Klaus Misgeld, Die „Interna­ eintrat, und die Wehrpolitik. Schon 1919/ tionale Gruppe demokratischer Sozialisten" in Stockholm 1942-1945, Stockholm und Bonn 1920 setzte er sich für ein positives Ver­ 1976; Biographisches Handbuch der deutsch­ hältnis der Sozialdemokratie zur neugebil­ sprachigen Emigration nach 1933, Bd. 1, Mün­ deten Reichswehr ein. Wenn er auch nicht chen 1980; Johann Cramer, Schicksalsweg der die sich im Heer ankündigende restaura- sozialdemokratischen Presse und der Groß­ tive Entwicklung übersah, so glaubte er druckerei Paul Hug & Co. in Wilhelmshaven, doch, diese gerade durch eine sozialdemo­ Wilhelmshaven o. J. (1981). kratische Einflußnahme verhindern zu Werner Vahlenkamp können. Wegen seiner grundsätzlich posi­ tiven Haltung zur Reichswehr geriet er wiederholt in Konflikte mit Teilen seiner Partei, konnte sich aber immer wieder bei Huno, angeblich Graf von Rüstringen, ur­ der Kandidatenaufstellung durchsetzen. kundlich bezeugt 1059, i vor 1091. Er gehörte noch dem letzten, am 5. 3. 1933 Über Huno informiert allein die Grün­ gewählten, Reichstag an und war der ein­ dungstradition des Klosters Rastede, fest­ zige Parlamentarier aus dem Freistaat gehalten in den frühen - freilich nur kopial Oldenburg, der am 24. 3. 1933 gegen das überlieferten und verfälschten - Urkunden Ermächtigungsgesetz stimmte. und vor allem in der Gründungsgeschichte Hunrichs 339 des Klosters („fundatio"). Sie bildet den (Prinz), Huno sei im Gefolge des Grafen Anfang der um 1300 geschriebenen Raste- Adalbert von Werl ins Ammerland gekom­ der Klosterchronik, hat aber einen eigen­ men, um hier stellvertretend gräfliche ständigen Charakter. Huno gilt ihr als Rechte wahrzunehmen. Den Rang eines „Graf von Rüstringen", ein Mann von ho­ „Grafen von Rüstringen" hat ihm wohl erst hem Adel und reichem Besitz in Sachsen die Rasteder Gründungsüberlieferung zu­ und Westfalen - eifrig bestrebt, den Gottes­ geschrieben. dienst zu mehren. So gründet er (was die Klarheit läßt sich in diesen Fragen noch „fundatio" aus urkundlicher Überliefe­ nicht gewinnen. Wahrscheinlich hat Huno rung weiß) 1059 die St. Ulrichskirche in Rastede erst kurz vor 1059 zu seinem Herr­ Rastede, mit besonderer Kapelle zum eige­ schaftszentrum gemacht - er hätte hier an­ nen Gebet, und gliedert ihr einen Nonnen­ ders sicher schon eher eine Kirche gestif­ konvent (oder ein Damenstift?) zu. Da er tet. Das von ihm gegründete Nonnenklo­ Gott mehr als dem Kaiser dient, versäumt ster (oder Damenstift) ist offenbar schon er über seinem Gebet den Besuch eines bald nach seinem Tode wieder eingegan­ Reichstages, wird als Aufrührer verklagt gen. Die legendäre Erzählung von seiner und vorgeladen. Sein Sohn — Friedrich die Reichsversammlung versäumenden (bezeugt 1091) hat auf kaiserlichen Befehl Frömmigkeit und der Anklage als Aufrüh­ „more Frisonum", nach friesischem rer gegen den Kaiser (dessen Name nicht Brauch, einen Zweikampf mit einem genannt wird), reflektiert die mögliche Zu­ „Kämpen" des Kaisers, einem Löwen, aus­ gehörigkeit Hunos zur sächsischen Adels­ zutragen. Vor Kampfbeginn geloben Huno opposition gegen Heinrich IV. Sie könnte und Friedrich für den Fall des Sieges den Zusammenhängen mit Beziehungen zu Bau eines Klosters. Friedrich siegt in der den Stader Grafen, die im Ammerlande, Tat; beide werden vom Kaiser reich be­ wohl auch im friesischen Rüstringen, Gra­ lohnt - Huno mit seiner Grafschaft als von fenrechte innehatten. Die Gründung eines jeglicher Lehnsabhängigkeit freiem Eigen­ Kanonikerstifts in Rastede signalisiert - tum. Wieder daheim, gründet er ein Kano­ noch fern von frommer Weltflucht, wie sie nikerstift („collegium clericorum secula- die Rasteder Tradition für Huno glauben rium"). Dort wird er auch begraben. Seine machen will - ein durchaus lebhaftes adli­ Witwe Willa tritt in den Nonnenkonvent ges Selbstgefühl, das seinen Ausdruck bei St. Ulrich ein, überlebt Huno aber nur eben auch in der Stiftung eines sakralen kurz. Familienzentrums finden konnte. Diese Geschichte stilisiert den Rasteder Auch von Willa, Hunos Ehefrau, wissen Stiftsgründer in äußerst selektiver Weise wir nur aus der Rasteder Klostergrün- zu einem Muster adliger Frömmigkeit; dungstradition; ihre Herkunft, ihre Besitz­ was nicht in das mönchische Wunschbild verhältnisse bleiben dunkel. von ihm paßt, wird weggelassen. Über Fa­ L: milie und Raum seiner Herkunft erfahren Hermann Lübbing (Bearb.), Die Rasteder wir nichts. Der Hinweis, sein Sohn habe Chronik (1059-1477), Oldenburg 1976; Paul vor dem Kaiser „more Frisonum" kämpfen Niemann, Die Klostergeschichte von Rastede müssen, könnte friesische Abstammung und die Anfänge des Oldenburger Grafenhau­ andeuten. Daß später - wohl noch vor 1120 ses bis zum Ende des 13. Jahrhunderts, Greifs­ - die Grafen Dietrich und Milo von Am- wald 1935; Wilhelm Hanisch, Rastedensia. mensleben Ansprüche auf das Erbe von Untersuchungen zur älteren oldenburgischen Geschichte, Vechta, 1962; Joseph Prinz, Der Hunos Sohn erheben, läßt an ostsächsi­ Zerfall Engerns und die Schlacht am Welfes­ sche Verwandtschaftszusammenhänge, holz (1115), in: Heinz Stoob (Hg.), Ostwestfä­ der frühe grundherrliche Besitzkomplex lisch-weserländische Forschungen zur ge­ Rastedes im Raume Soest an eine westfäli­ schichtlichen Landeskunde, Münster 1970, S. sche Herkunft Hunos denken. Einer der - 75-112. vermutlich schon zur ersten Besitzausstat­ Heinrich Schmidt tung des Klosters gehörenden - Rasteder Meierhöfe in Westfalen legt mit seinem Namen „Huninchove" den Gedanken an Hunrichs, Johann Wilhelm Anton, Deich­ einen namensidentischen oder namensver­ gräfe, * 31. 10. 1718 Oldenburg, f 19. 1. wandten Vorfahren im südlichen Münster­ 1787 Oldenburg. land nahe. Entsprechend wurde vermutet H. war der Sohn des Ingenieur-Kapitäns 340 Huntemann

Wilhelm Anton Hunrichs (f 1720), eines Huntemann und dessen Ehefrau Anna Neffen des Deichgräfen -► Anton Günther Margarethe geb. Würdemann besuchte die von Münnich (1650-1721). Er studierte in höhere Bürgerschule in Delmenhorst und Jena Jura und Mathematik und wurde von 1873 bis 1875 das Lehrerseminar in 1738 in Oldenburg seinem Schwager, dem Oldenburg; danach unterrichtete er an Deichgräfen Wilhelm Anton Schmidt mehreren Volksschulen, u. a. in Deich­ (1703-1752), adjungiert, dessen Nachfol­ horst, Grüppenbühren, Holzkamp, Dan- ger er von 1752 bis 1766 war. In letzterem gast (1879) und Eversten (1880-1893). Wie Jahre übergab er das Deichgräfenamt sei­ viele andere Volksschullehrer wandte sich nem Neffen Johann Christian Schmidt auch H. in seiner Freizeit der Heimat­ (1737-1790), der als Schmidt von Hunrichs kunde zu, wobei ihn seine ausgeprägten geadelt wurde. Seit 1749 Kammerrat, er­ naturwissenschaftlichen Interessen zur in­ hielt H. 1756 die Ernennung zum Justizrat, der 1773 die zum Etatsrat folgte. Zusätz­ lich zum Amt des Deichgräfen wurden ihm 1755 die amtlichen Vermessungen übertra­ gen. Mit seiner 1761 gedruckten Land­ karte Oldenburgs war er der letzte olden- burgische Kartograph vor der 1781 einge­ leiteten trigonometrischen Landesauf­ nahme. Unter H.s Buchveröffentlichungen gewann der 1768 erschienene „Entwurf des jetzigen Deichrechtes" besondere Be­ deutung, da er der Rechtspraxis in Olden­ burg bis zur Deichordnung von 1855 als Grundlage diente. W: Comitatuurn Oldenburg et Delmenhorst . . . Delineatio, Nürnberg 1761, 49 x 49 cm (Stich, kol.); Pracktische Anmerkungen bey des Herrn Landraths de la Roche Gallichon Recht­ licher Abhandlung von der Concurrence in tensiven Beschäftigung mit der regionalen Nothhülfsfällen nach Deichmaasse, Oldenburg Flora und ihren Pflanzengesellschaften 1766; Anton Günther von Münnich, Oldenbur- führten. Während seiner Tätigkeit in Dan- gischer Deich-Band . . . Mit einer Vorrede zur Einleitung und ferner beygefügten Anmerkun­ gast entdeckte er eine neue Kopepoden- gen von Johann Wilhelm Anton Hunrichs, gattung, die nach ihm benannt wurde. Leipzig 1767; Entwurf des jetzigen Deichrech­ Einen Schwerpunkt seiner botanischen tes in denen Marschländern der Grafschaften Untersuchungen bildete die Erforschung Oldenburg und Delmenhorst, Bremen 1768, der heimischen Gräser und Weidepflan­ Oldenburg 18422; Practische Anleitung zum zen; für seine 1889 auf der Landestier­ Deich-, Siel- und Schlengenbau, 3 Bde., Bre­ schau ausgestellte Gräsersammlung men 1770-1782. wurde er mit einer silbernen Medaille aus­ L: Gustav Rüthning, Hunrichs Karte der Graf­ gezeichnet. Von hier aus ergab sich schritt­ schaften Oldenburg und Delmenhorst, in: weise eine immer stärkere Beschäftigung OJb, 7, 1898, S. 120-123; Oskar Tenge, Der mit landwirtschaftlichen Fragen, die er Butjadinger Deichband, Oldenburg 1912; Otto auch von der praktischen Seite kennen­ Harms, Aufgaben und Organisation des Ver­ lernte, als er sich nach der Eheschließung messungswesens in Oldenburg, in: 200 Jahre (1887) mit Gesine geb. Grashorn, der Oldenburger Landesvermessung, Oldenburg Witwe des Hausmanns Johann Gerhard 1981, S. 35-81. Meyer, nebenberuflich um die Verwaltung Gerhard Preuß des Bauernhofes seiner Frau kümmern mußte. In den folgenden Jahren entschloß er sich zu einem Berufswechsel, studierte Huntemann, Johann (Jan), Landwirt­ Agrarwissenschaften in Halle und Berlin schaftslehrer, * 20. 1. 1858 Moorkamp bei und übernahm 1894 die Leitung der neu­ Delmenhorst, f 30. 7. 1934 Wildeshausen. gegründeten Landwirtschaftsschule in Wil­ Der Sohn des Bauern Heinrich Wilhelm deshausen, an der der bäuerliche Nach­ Husseko Hayen 341 wuchs in zweisemestrigen Winterkursen S. 246-284; Heinrich Rasche, Die Entwicklung theoretisch und praktisch auf den Beruf des Berufs-, Berufsfach- und Fachschulwesens vorbereitet wurde. Seine fachliche Kompe­ im Lande Oldenburg von den Anfängen bis tenz, sein pädagogisches Geschick und zur Gegenwart, Diss. phil. Münster 1951, MS; Herbert Kirrinnis, Jan Huntemanns Bedeu­ sein urwüchsiger plattdeutscher Umgangs­ tung für die Oldenburger Geest, in: Neues Ar­ ton sicherten H., der fast 700 Jungbauern chiv für Niedersachsen, 6, 1953, S. 169-170. ausbildete, großen Einfluß, der noch durch Hans Friedl seine während der Sommermonate regel­ mäßig ausgeübte Beratertätigkeit auf ein­ zelnen Bauernhöfen verstärkt wurde. Seit Husseko Hayen, Häuptling zu Esens­ 1905 redigierte und schrieb er die wö­ hamm, bezeugt 1367, 1384. chentlich erscheinende landwirtschaftli­ Am 22. 11. 1367 bezeugt das Kirchspiel Ro­ che Beilage der weit verbreiteten „Nach­ denkirchen (Stadland) urkundlich einen richten für Stadt und Land", in der er er­ Friedensschluß des Husseko, Sohn des folgreich die Vorteile moderner Wirt- Hayo (filius Hayonis), mit Rat und Bürgern schafts- und Bewirtschaftungsmethoden von Bremen; Husseko werde ihnen künftig propagierte. In zahlreichen Vorträgen und keinen Schaden mehr tun. Er war offen­ Veröffentlichungen setzte er sich vor allem sichtlich ein Mann, der in seinen Macht­ für die Kultivierung der Moor- und Heide­ mitteln, seiner Selbsteinschätzung - er flächen ein, die durch die Anwendung von führte ein eigenes Siegel -, seiner kriegeri­ Gründüngung und Kunstdünger in land­ schen Lebensführung deutlich über den wirtschaftlich wertvolles Weide- und Kul­ sozialen Durchschnitt der Stadländer Bau­ turland umgewandelt wurden. Daneben ern hinausragte. Die Bremer wird er mit erkannte er schon früh die Bedeutung des Übergriffen auf die Weserschiffahrt provo­ Pflanzenschutzes und übernahm 1905 die ziert haben. Leitung der neugeschaffenen oldenburgi- Für die Leute von Rodenkirchen ist er „un­ schen Pflanzenschutzstelle. In seiner drei­ ser Landsmann" (noster conterraneus), ßigjährigen Tätigkeit wurde er zu einer was nicht ausschließt, daß er im Kirchspiel fast sprichwörtlichen Autorität in landwirt­ Esenshamm angessen war. Ob er 1367 schaftlichen Fragen und trug durch seine schon die Kirche in Esenshamm als Arbeit zur gründlichen Umwandlung der Machtstützpunkt nutzen konnte, ist nicht oldenburgischen Geestlandschaft bei. zu erkennen. 1384 jedenfalls hat er sie als 1925 legte er die Leitung der später nach Burg (nach Bremer Urteil: als „Raubhaus") ihm benannten Landwirtschaftsschule in inne; den Bremern gilt sie damals als die Wildeshausen nieder. Für sein Wirken er­ am stärksten befestigte Kirche des östli­ hielt H. zahlreiche Auszeichnungen: 1905 chen Friesland: doch wohl dank Husseko. die Silberne Medaille der Deutschen Er muß über eine bedeutende Machtposi­ Landwirtschafts-Gesellschaft, 1916 den Ti­ tion und gewichtigen Anhang im Stadland tel Ökonomierat, 1919 den Ehrenschild der verfügt haben. Auch seine Ehe mit Jarste, Oldenburgischen Landwirtschaftskammer der Schwester des im Rüstringer Landes­ und 1923 das Ehrenkreuz der drei olden­ viertel Bant herrschenden Häuptlings — burgischen Kammern. Edo Wiemken des Älteren (bezeugt 1382, i zwischen 1414-1416), kennzeichnet sei­ W: nen herausgehobenen sozialen Rang. Kurze Anleitung zur Kultur des Moorbodens, Allerdings verstieß Husseko Jarste wegen Oldenburg 1904, Wildeshausen 19112; Die einer anderen Frau - eine „Untat", die Edo plattdeutschen Namen unserer Kulturge­ wächse und der wildwachsenden Arten im Wiemken im Mai 1384 zum Bündnis mit Oldenburgischen und in der Provinz Hanno­ der Stadt Bremen gegen ihn motivierte. ver, Oldenburg 1911, 19312; (mit Heinrich Bremen, das sich zu diesem Vorhaben Schütte), Die Tierwelt unseres Landes, in: W. auch mit Graf — Konrad II. von Oldenburg Schwecke, W. von Busch, H. Schütte (Hg.), (bezeugt 1342, 1401) verbündete, suchte Heimatkunde des Herzogtums Oldenburg, den von Husseko und seinem Stadländer Bd. 1, Bremen 1913, S. 250-289; Anleitung zur Anhang immer noch oder wieder schwer Kultur des Heidlandes auf mineralischem gestörten Verkehrsfrieden auf der Weser Boden, 2 Bde., Wildeshausen 1914. L: wieder herzustellen; Edo strebte nach Ra­ Richard Tantzen, Beiträge zur Geschichte der che für die Ehrenkränkung seiner Schwe­ Vogelkunde in Oldenburg, in: OJb, 50, 1950, ster. Husseko konnte die Kirche von Esens- 342 Ibbeken hamm gegen den wohl im Juni 1384, nach Iben, Heinrich Janßen, Oberkirchenrat, dreizehntätiger Beschießung, unternom­ * 29. 10. 1864 Wichtens, Gemeinde Tet­ menen Sturmangriff der Verbündeten tens, f 31. 12. 1947 Rastede. nicht behaupten. Nach ihrem Fall erober­ Der Bauernsohn besuchte das Gymnasium ten die Angreifer auch „die anderen Bur­ in Jever und studierte von 1885 bis 1888 gen und Kirchen" im Stadland. Den gefan­ Theologie an den Universitäten Tübingen, genen Husseko übergaben die Bremer Greifswald und Marburg. 1888 bestand er Edo Wiemken, der ihn auf gräßliche Weise das erste und 1892 das zweite theologische zu Tode quälen ließ. Examen. Seit 1888 war er Hilfsprediger in Großenkneten und Golzwarden und L: wurde am 24. 10. 1892 Pastor in Vechta, wo OUB, Bd. 2; Manfred Wilmanns, Die Landge- bietspolitik der Stadt Bremen um 1400 unter er das erste Gemeindehaus baute. Von besonderer Berücksichtigung der Burgenpoli­ 1895 bis 1910 war er Herausgeber des tik des Rates im Erzstift und in Friesland, Hil­ „Oldenburger Kirchenblatts" und leitete desheim 1973; Albrecht Graf Finck von Fin- von 1925 bis 1935 auch das „Oldenburger ckenstein, Die Geschichte Butjadingens und Sonntagsblatt", das eng mit der Inneren des Stadlandes bis 1514, Oldenburg 1975. Mission zusammenarbeitete. Am 1. 10. Heinrich Schmidt 1910 wurde I. zum Hofprediger und 2. geistlichen Mitglied des Oberkirchenrats ernannt, dem er bis zu seiner Pensionie­ Ibbeken, Rudolf, Generalsuperintendent, rung am 16. 10. 1933 angehörte. Als Mit­ * 1660 (1667?) Oldenburg, i 13. 10. 1750 glied der Kirchenleitung war er in beson­ Oldenburg. derem Maße ein Mann des allgemeinen I. war der Sohn des Oldenburger Kauf­ Vertrauens, ein väterlicher Freund und manns Hero Ibbeken und dessen Ehefrau Anna Rebecka geb. Mencke, der Schwe­ ster des in Leipzig lehrenden Juristen Lü- der Mencke (1658-1726). Seit 1703 war I. dänischer Legationsprediger in Polen und Sachsen. 1707 wurde er Pastor in Stoll- hamm, wo er die Weihnachtsflut von 1717 erlebte, die seine Gemeinde schwer ver­ wüstete. Von 1720 bis 1732 war er Pastor in Osternburg und wurde im November 1732 zum Generalsuperintendenten der Graf­ schaften Oldenburg und Delmenhorst so­ wie zum Hauptpastor an der Lambertikir­ che ernannt. Er trat sein Amt am 1. 1. 1733 an, das er mit großem Pflichtbewußtsein verwaltete. Im Sinne der überkommenen orthodoxen lutherischen Tradition von 1573 bemühte er sich, einen Weg zwischen Aufklärung und Pietismus zu steuern. Die Ideen der Aufklärung wies er entschieden zurück und ließ 1737 die sogenannte „Wertheimsche Bibel", eine Übersetzung im Geiste der Aufklärung, verbieten. Um die Einflüsse der Herrenhuter und der Mährischen Brüder abzuwehren, unter­ sagte er 1744 den oldenburgischen Stu­ denten den Besuch „illegaler" Seminare Seelsorger für viele Amtsbrüder. Seine Zu­ und drohte ihnen den Verlust des Anstel­ sammenarbeit mit Präsident D. Dr. -► Tile- lungsrechts in den Grafschaften an. Von mann (1877-1956) hat sich für die Olden­ den Zeitgenossen wurde I. als Gelehrter burger Kirche segensreich ausgewirkt; auf sowie als Kenner der orientalischen Spra­ ihn hörten die liberalen wie die orthodo­ chen und des Hebräischen gerühmt. xen Pastoren. Nach 1933 schloß er sich der Hans von Seggern Bekennenden Kirche an. I. war der heraus­